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I.

Geschichte der Stadt Lage.

Von

Pastor C. Beyer

zu Lage.


Fortsetzung.


IV. Die Lager Unruhen.

E s gewährt für uns, die wir aus den wohlgeordneten, ruhigen Verhältnissen der Jetztzeit heraus zurücksehen können, ein ergreifendes Schauspiel, wie das Landstädtchen um sein Dasein ringt und nach jedem Aufschwung durch neue Schicksalsschläge, durch theils von außen, theils von innen kommende Unruhen immer wieder zurückgeworfen wird. Wenn im Folgenden Verhältnisse, gegen die sich unser sittliches Gefühl vielfach empört, geschildert werden, so möge man bedenken, daß das Gute, das keinen Anstoß erregte und keine Veranlassung gab Acten zu schreiben, nicht auf uns gekommen ist, daß Rohheiten in einer Zeit, wo das ganze Volk, hoch und niedrig, im Gefühl dagegen abgestumpft ist, mit anderm Maße gemessen werden müssen, wie heute, wo durch Ordnung in Unterricht, Verwaltung und Rechtspflege es dem Einzelnen leicht gemacht ist, normal nach außen zu leben, daß selbst in jenen Rohheiten, die zu verbergen man sich nicht bemühte, zumeist noch ein Besseres zu finden ist, wie in der raffinirten und übertünchten Sittenlosigkeit, der wir jetzt oft in den Tiefen unseres Volkslebens begegnen, daß endlich in einer Stadt, die aus solchen Nöthen sich zu ihren jetzigen gesicherten und guten Verhältnissen herausarbeiten konnte, doch allzeit ein gesunder Kern und eine unverwüstliche Lebenskraft geblieben sein muß.

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Wir lenken zunächst unsern Blick auf die Behörden. Der Landesfürst hatte, wie aus dem Vorigen sich schon ergiebt, seinen Stadtvogt, der zugleich meistens das Amt eines Zöllners oder Steuereinnehmers versah. Im Gericht saßen noch als Assessoren die beiden jüngsten Rathsherrn (meistens gab es in der Folgezeit überhaupt nur zwei). Die Einkünfte an Abschoß und Brüchen gingen zu zwei Drittel an den Fürsten, ein Drittel erhielt die Stadt. Das Amt in Güstrow wachte noch sorgfältig darüber, daß das jus primae instantiae ihm nicht vorenthalten wurde. Unter dem Zöllner stand der Steueraufseher, der einen schlechten Posten hatte, weil er bei Wahrung seiner Pflicht oft Prügel durch die Steuer=Unlustigen bekam, wie solche demonstratio ad tergum sowohl als prima wie als ultima instantia durchaus beliebt war.

Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts finden wir auch die Stadtvertretung völlig geordnet, es treten die nach altem Brauch gewählten zwei Bürgermeister und die Rathsherren wieder zum Collegium zusammen. Keiner derselben war ja rechtsgelehrt, die Consules waren aus der Mitte der Bürgerschaft genommen, und mit dem beschränkten Blick, der nicht über den Horizont ihres Ackers oder ihres Handwerks hinüberging, walteten sie ihres Amtes, recht einfältig, oft im schlimmern Sinne des Wortes, nicht unparteiisch. Gelegentlich hatten sie wohl in jüngeren Jahren etwa auf einem adelichen Hofe oder auf der Pfarre gedient und etwas mehr Gewandtheit sich erworben, meistens konnten sie die Dunggabel oder gar den Fidelbogen (wie der Bürgermeister Saß) besser gebrauchen, als die Feder und ein vor ihnen liegendes weißes Blatt Papier machte ihnen mehr Grauen, als ein mit Unkraut bestandener Acker. Die Eingaben an die Regierung entwarf der Stadtschreiber, wenn einer da war (was nicht immer zutraf), sonst auch auf Ansuchen der studirte Cantor oder ein anderer Schriftgelehrter. Der Rath setzte stolz seinen Namen mit eigener Hand darunter, das war etwas Besonderes, weitaus die meisten Bürger konnten auch ihren Namen nicht schreiben. Die Stadtgefälle sollte ein Kämmereibürger einnehmen, der seine Rechnung alljährlich vor der Stadtvertretung abzulegen hatte, doch war der Posten sehr oft unbesetzt, und die Bürgermeister nahmen die Gelder ein, ein Umstand, der sich meistens rächte, weil das Mißtrauen der Bürger erwachte. - Die Viertelsleute, zwei aus jedem Viertel, hatten ihren Führer in dem Bürgervorsprecher. Wie die Bürger gegen den Rath diese Ordnung durchsetzten, ist mir nicht bekannt geworden. Man muß sich im Folgenden zu der Annahme bequemen, daß wegen vieler

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Streitigkeiten beim Abscheiden eines Mannes von bedeutsamern Posten oft die Besetzung desselben sich Jahre hindurch verzögerte.

Wie wenn die Hexenverbrennungen den Zorn Gottes über die Stadt wachgerufen hätten, brach plötzlich eine Fülle von Unheil über dieselbe herein. Während des deutsch=holländischen Krieges mit Ludwig XIV., 1672 - 1678, wurden die Schweden, die mit dem kriegslustigen französischen Könige sich verbündet hatten, zu Reichsfeinden erklärt, und theils Dänen, theils braunschweig=lüneburgische Truppen, die der niedersächsische Kreis zum Schutze der Reichsgrenze nach Pommern aufbot, quartierten sich in Meklenburg ein, konnten aber nicht hindern, daß des Grafen Königmark Völker von Stralsund her einen Vorstoß machten, die Lüneburger fingen und Schwan und Bützow besetzten. Die Lage unserer Stadt brachte ihr alle schlimmen Lasten des Krieges abermals herauf, die mannigfachen Völker, die hindurchzogen, versuchten mindestens durch Contributionen u. s. w. ihren Vortheil wahrzunehmen. 1673 bis 1675 waren die Lasten noch gering, aber auch sie schon drückten die kleine Stadt schwer. Endlich 1676 wurde ihr an Contribution und zur Verpflegung eines dänischen Regiments eine Zahlung von 280 Thlr. in einem Monat auferlegt, 1677 bezahlte die Stadt 600 Gulden an ein kurfürstliches Regiment und mußte zu solchem Zweck das halbe Bauerngehöft in Wozeten verkaufen. 1678 lagen des Grafen Königmark Völker, 4000 Mann, zwei Tage und zwei Nächte mit der gesammten Artillerie und Hauptwache auf dem Orte, und diese schweren Drangsale, die dauernden Unruhen ließen viele Bürger gänzlich an ihrer Existenz verzweifeln. Manche begannen sich denselben zu entziehen. "Die Hälfte der Einwohner", so berichtete der Rath, "ist aus der Stadt gewichen, weil sie keine Nahrung hatten, durch Krieg und Contribution ganz zurückgekommen", sie gingen auf das Land und wurden von den Adeligen mit höchster Freude aufgenommen und auf die wüsten Bauernstellen gesetzt. Ja, 1686 bat der Rath, die Contribution auf ein Drittheil herabzusetzen, da jetzt nicht 40 Einwohner mehr vorhanden wären. Der Macht der Verhältnisse erlag auch der höchste Muth. (Man darf allerdings diesen Zahlenangaben des Rathes nicht zu sehr trauen, denn er übertrieb gerne, um die Noth recht anschaulich zu machen.)

Daß der treue Erasmus in dieser bewegten Zeit starb, war ein großer Verlust, es fehlte ein Mann, der Entschlossenheit besaß, das Ganze zusammen zu halten, und dessen bewährter Uneigennützigkeit man vertrauen konnte. Das zur Begünstigung der sehr kümmerlich gestellten Prediger=Wittwen schon damals übliche

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Gnadenjahr mußte bei der Gemeinde schlimme Dinge zeitigen. Die umwohnenden Geistlichen kamen, wenn sie sich zur Vertretung einfanden, meistens erst um 1 Uhr, die Zeit war aber niemals fest vorher bestimmt, und der Beginn des Gottesdienstes wurde durch Läuten bekannt gemacht. Die Leute vom Lande kamen also rechtzeitig und warteten in dem Wirthshause, woselbst sie sich die Zeit mit Trinken vertrieben; so kam es, "daß sie propter enormem ebrietatem in der Kirche und in öffentlicher Versammlung unter der Predigt ihren berauschten Leib vomitu purgiret haben salva venia", und die Bürgerschaft bat dringend wegen solcher Gräuel um einen neuen Seelsorger. Der Herzog wollte einen Schwiegersohn des Erasmus, den Michael Blanck, der in der Sexta der Güstrower Schule zuvor sechs Jahre unterrichtet hatte, schon einmal in Rambow gewählt war, aber wegen Streites der Adeligen die Stelle nicht hatte übernehmen können, solitarie präsentiren cum reservatione lidertatis votorum, indeß erhob der Adel der Gemeinde Einspruch, weil er angeblich eine zu schwache Stimme habe, und bat um Präsentation mehrerer. Es wurde also noch ein veteranus theologus, Studiosus Stegemann aus Rostock mit aufgestellt und Blanck am 5. Juni 1680 gewählt und ordinirt. 1 ) Derselbe wandte großen Eifer an den Weiter=Ausbau des Gotteshauses, es wurde nun ganz wieder fertig gestellt, innen sauber geweißt, die Gänge geebnet, auch gegen Ende des Jahrhunderts Stühle hineingebracht, nachdem so lange die Leute hatten "im Sande liegen" müssen. Der Kirchenboden war gebaut und endlich der Knauf auf den Thurm gesetzt. (Blanck zählt als Eingepfarrte vom Lande auf: der adelige Hof Barentin und dessen Unterthanen im Dorfe Kronskamp, der adelige Hof Subsin und dessen Unterthanen im Dorfe Breesen, der Hof Klein=Lantow und dessen Unterthanen im Dorfe Groß=Lantow, der adelige Hof zu Groß=Cobrow und dessen Unterthanen im Dorfe Klein=Cobrow, der adelige Hof in Groß=Wardow und dessen Unterthanen im Dorfe Klein=Wardow und dem angelegenen Dorfe Wozeten, der Hof Schweetz mit zwei Bauerhufen. Im Jahre 1707 war die ganze Gemeinde auf 635 Seelen angewachsen, 37 Kinder zwischen 15 und 17 Jahren wurden zum Abendmahl zuerst zugelassen, 11 Erwachsene starben.) Allsonntäglich wurde, wenn Zuhörer da waren, dreimal gepredigt, im Sommer war


1) Er war geboren in Güstrow 1647, gedruckt ist von ihm eine Leichenpredigt, die er dem Georg Heinrich Lehsten in Wardow 1696 gehalten hat, er verheirathete sich in zweiter Ehe mit C. Fidler, Söhne von ihm waren später Pastoren in Proseken und Meklenburg.
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nach der Predigt Kinderlehre. In der Fastenzeit wurden am Mittwoch Passionsgottesdienste gehalten, dann unterwies der Pastor Sonntags und Mittwochs nach der Predigt diejenigen Kinder, die am nächsten Gründonnerstage zum Abendmahl gehen sollten, Confirmation fand noch nicht statt.

Zu Blancks Zeiten war ein Cantor Johann Hermann Balhorn (1690 - 1719), der die Stadtschule allein versorgte, d. h. auch nur im Winter; der Küster Thomas Krempien war, sobald die Zahl der Schüler groß war, zur Hülfe beim Unterrichten verpflichtet, aber die Kinder kamen sehr unregelmäßig. Es war oft nicht möglich, die kirchlichen Katechisationen zu halten, geschweige denn Schule. Auf dem Lande war noch kein Lehrer.

Für seinen großen Eifer unter trotzigen und widerspenstigen Leuten hatte der Pastor noch immer gar geringen Lohn, die Accidentien blieben meistens weg, aus seinem Sandacker wußte er nichts zu machen, es lohnte sich damals noch nicht, jede Scholle auszunutzen; den größten Theil der sieben Pfarr=Hufen hatte er verpachtet, aber es war nicht gerathen, saumselige Pachtzahler zu mahnen, und das Gericht nahm es mit der Klage des Pastors nicht gerade genau. Der Stadtvogt Petrus Bartholdi (1671 bis 1710) war ein sehr herrischer Mann, der sich allerlei Uebergriffe erlaubte, dazu ein persönlicher Feind Blancks, weil er durch diesen einmal vom Abendmahl abgewiesen war. Er lebte nämlich in tödtlicher Feindschaft mit einem Lager Einwohner und wollte auf die Mahnung des Pastors hin sich nicht versöhnen, er wurde also, als er sich trotz zuvoriger Mahnung zum Abendmahl einfand, vor der Gemeinde abgewiesen, und das konnte er nicht vergessen. Alsbald hatte er auch mit der Stadt einen heftigen Conflict, indem er versuchte, über dieselbe ein Herrenrecht geltend zu machen; er befahl dem Rathe, einen Feuerwächter und Nachtwächter - ein solches "Auge des Gesetzes" hatte bisher noch nicht gewacht - anzustellen, aber in höchster Entrüstung wies derselbe die Einmischung in städtische Angelegenheiten zurück. Bartholdi klagte also beim Regierungscollegium und schilderte die Bürger, die ihn einen Rebeller genannt hätten, als Schelme, insbesondere deshalb, weil sie sich durch den Bürgervorsprecher von Viereck in Zapkendorf aufhetzen ließen. (Die Vierecks besaßen seit Alters her ein Haus in der Stadt, weil es ihnen darauf ankam, in städtischen Angelegenheiten mitreden zu können, da sie Feldnachbaren waren, und der Zapkendorfer erreichte es, daß er in Rücksicht auf sein Bürgerrecht zum Stadtsprecher gewählt wurde.) Gegen ein fürstliches

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Mandat, das zum Nachtheil der Stadt ausfiel, wußte dieser guten Rath, indem er empfahl, das Amt in Güstrow, dessen jus pr. inst. durch den Stadtvogt umgangen war, anzurufen. Dasselbe nahm sich auch mit Erfolg der Stadt an, indem es betonte, daß der Vogt gegen der Stadt Recesse gefehlt habe, da er mit städtischen Angelegenheiten nichts zu thun habe. Der Fürst überließ also die Ordnung der Angelegenheit dem Amte, und der Triumph über des Verhaßten Niederlage war groß.

Diese Einmüthigkeit in der Stadt war indessen erst durch sehr herbe Erfahrungen gezeitigt worden, zu deren Verständniß wir die Landesgeschichte heranziehen müssen. 1695 war Gustav Adolf von Güstrow, dem auch Lage gehorchte, ohne Hinterlassung von männlichen Leibeserben gestorben und auf die erledigte Herrschaft machten sowohl Friedrich Wilhelm von Schwerin, wie Adolf Friedrich, ein Schwiegersohn des Verstorbenen, Anspruch. Der Kaiser mischte sich in die Streitigkeiten durch Absendung eines Kommissars Eck und setzte in Güstrow eine Provisional=Regierung ein, endlich entschied er für die Nachfolge von Friedrich Wilhelm. Indessen war dem niedersächsischen Kreise solcher kaiserliche Eingriff ohne Berücksichtigung der Kreisrechte durchaus unwillkommen, und er beabsichtigte, die letztern energisch geltend zu machen, zu welchem Zwecke Kreisvölker, Braunschweiger und Schweden (unter Klinkowström), nach Güstrow rückten. Kurbrandenburg, das im Nachbarlande das entscheidende Wort gerne gesprochen hätte, mischte sich gleichfalls ein und sandte Truppen; die kaiserliche Provisional=Regierung wurde mit Protest gewaltsam aus Güstrow entfernt, woraus Friedrich Wilhelm schon zuvor gewichen war, und es übernahm nun das Kreisdirectorium die Interims=Regierung. Jedesmal, wenn solche gewaltsamen Eingriffe in den Gang ruhiger Entwicklung eines kleinen Landes geschehen, macht sich die Erschütterung sofort bis in den entlegensten Winkel bemerkbar. Der Streit der Obern um die Herrschaft geschieht allzeit auf Kosten des kleinen Mannes, er schwankt, wem er gehorchen soll, der Uebelgesinnte benutzt gerne die Verwirrung, um schlimme Absichten durchzusetzen, denn die nachdrückliche und rasche Handhabung der Justiz ist einstweilen unmöglich gemacht. Zum Glück löste der Successionsvergleich in Hamburg 1701, der die beiden Herzogthümer Schwerin und Strelitz schuf, die Spannung, die Kreisvölker zogen aus Güstrow ab, und der Herzog Friedrich Wilhelm zog ein; aber in diesen wenigen Jahren war über Lage eine heillose Verwirrung gekommen. Der Bürgermeister Peter Kamptmann war bald nach dem Herzog Gustav Adolf gestorben, und ein Nachfolger wurde in den Wirren nicht eingesetzt,

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auch die Stelle des zweiten Bürgermeisters Rosenow (1683 - 1700) wurde durch den Tod erledigt. Es bewarb sich ein Andreas Vanselow beim Güstrower Amte um die Stelle; er behauptete, als Informator bei adeligen Kindern in der Nachbarschaft lange thätig gewesen zu sein, bei solcher Gelegenheit sich die Wirthschaft gründlich angesehen zu haben, auch bei der Lager Bürgerschaft vielen Anhang zu besitzen, wofür er denn auch ein Schriftstück mit der Unterschrift verschiedener Bürger präsentirte. Zugleich stellte er Caution dadurch, daß sein Stiefsohn, Pächter in Barentin, für ihn cavirte. Das Amt überwies seine Bewerbung der Interims=Regierung, und diese befahl denn auch, ihn der Bürgerschaft vorzustellen und in sein Amt einzuweisen. Dagegen erhub die Bürgerschaft lebhaften Einspruch, sie gestand dem Amte sein Recht zu, aber doch nur so, daß die Gerechtsame der Stadt gewahrt bleiben müßten, und unter diesen sei das Wichtigste freie Bürgermeister= und Rathswahl. Ein Fremder, der nicht Bürger sei, der durch seine Verbindungen mit dem Adel die Stadtgerechtigkeiten demselben gar leicht preisgeben könnte, der die Unterschrift verschiedener Bürger erschlichen und gefälscht habe, der keine Caution stellen könnte, weil seines Caventen sämmtliche Sachen schon in Pfand wären, könne niemals ein Bürgermeister in Lage werden. Sie baten um Ansetzung eines Termines zur freien Wahl. Daraufhin ließ das Amt verdrießlich die Sache fallen, und Lage wurde allein von den beiden Rathmännern regiert. Aber auch diese zwei, ältere Leute, starben schnell hintereinander dahin, die Stadt war führerlos, neue Bürger zogen zu, bezahlten kein Bürgergeld, wurden nicht vereidigt, bald ging es sehr kraus und bunt daselbst zu.

Da gelangte am 5. April 1701 an die zur Meklenburg=Güstrower Interims=Regierung wohlverordneten Herren Räthe folgende Petition: "Wir armen Bürger des Städtleins Lage wollen die Beamten bitten, uns aus den von uns vorgeschlagenen acht Mitbürgern den Rath, nämlich zwei Bürgermeister und zwei Rathmänner, zu bestellen und aus solchen die zuständlichste Wahl zu treffen. Es ist unser einziger noch am Leben gewesener Rathsverwandter nunmehr auch Todes verblichen, und sind wir also unseres ganzen Rathes beraubt, wissen auch wohl, daß die hiesigen Beamten mit vielen Geschäften überhäuft sind, bitten, den Beamten aufzugeben, in kurzer Frist uns, wie obsteht, unsern Rath zu setzen und wählen zu wollen u. s. w." Diese unerhörten Zustände rührten doch auch das Herz eines Interims=Rathes, so reiste denn am 25. April 1701 (drei Wochen also ließ man sich noch Zeit) der betreffende Beamte nach Lage ab. Auf Bitten der Bürger wurde

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vor der Wahl festgesetzt, daß Bürgermeister und Rath den Schoß und die Rathspacht so lange nicht erhalten sollten, bis die laufenden Stadtschulden bezahlt seien. Die jungen Bürger, die ihr Bürgergeld noch nicht bezahlt hatten, mußten es erlegen (ein Stadtkind 1 Gld. 8 ßl., ein Fremder 4 - 5 Gld. nach Vermögen), 36 bisher unbeeidigte Bürger mußten schwören, darauf fand die Wahl statt. Wilhelm Saß und Hans Gruël (Gruwel) wurden Bürgermeister, Andreas Vogt und Christoph Westphahl Rathmänner, sodann setzte der Beamte mit Zustimmung der Bürgerschaft einen Kämmereibürger Mau ein, und nach jahrelanger Unordnung war endlich die Stadt mit ihrer Entwicklung in das rechte Geleise gebracht.

Es läßt sich nicht verkennen, daß sie hinfort kräftige Anstrengungen machte, in gesunder Weise sich weiter herauszuarbeiten. Wir erwähnten, daß die alten Stadtschriften nach Rostock gebracht und dort im großen Brande vernichtet waren. Es gab seitdem keine feste Grundlage für die Verwaltung, Stadtabgaben, Bürgerpflichten und Rechte. Was angeordnet war, wurde entweder aus freiem Willen befolgt, oder fand bei den harten Köpfen fortwährenden Widerspruch, die Jüngeren wollten den Brauch der Alten, der nicht zu Recht verbrieft war, nicht anerkennen. So lange hierin keine Aenderung geschaffen wurde, mußte die Stadt der Unordnung Raub sein. Es gab gewichtige Personen genug in der Stadt, die die Hauptnahrung durch Rührigkeit und Schlauheit in ihren Händen vereinigt hatten und viele Professionen zugleich trieben, so daß z. B. ein Einziger Brauer, Brenner, Gastwirth und Ackersmann war, und mehrere Erbe in seiner Hand vereinigt hatte. Diese Vermögenden setzten es durch, daß der kleine Handwerker ganz dieselben Stadtlasten zu tragen hatte, wie sie, und da es ihnen durchaus nicht passen konnte, wenn der Zuzug zur Stadt die Unzufriedenen mehrte, suchten sie thunlichst die Fremden auszuschließen, die wüsten Stellen, die bisher noch unbebaut waren und durch die verarmten Besitzer nicht ausgenutzt werden konnten, den fremden Kauflustigen zu verweigern. Das eigentliche Lebenselement einer Stadt, das Handwerk, lag ganz danieder, es fand sich nur ein Geselle im Ort, sonst wirthschaftete der Handwerker lieber auf seinem Acker und kümmerte sich nicht darum, ob der Landmann der Umgegend seine Aufträge nach andern Orten zu geben sich genöthigt sah. Als nun endlich Jedermann die schlimmen Folgen eines anarchischen Zustandes gesteigert empfunden hatte, machte sich das Bedürfniß nach geschriebenem und verbrieftem Rechte bemerkbar. Der neue Rath hat sich ein hohes Verdienst erworben, daß er von den Güstrower

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Beamten den Entwurf einer Stadtcollecten=Ordnung sich erbat, denselben der ganzen Bürgerschaft vorlegte, im Beisein des Geheimen Rathes von Viereck in Zapkendorf, als deren Vorsprecher, verlesen ließ und ihn allen annehmbar machte, endlich durch den Herzog Friedrich Wilhelm am 9. Juli 1704 bestätigen ließ. (Ich lasse dieselbe im Anhang folgen.) Es wurden die Professionen und Aecker nach drei Klassen eingetheilt und mußten sie demgemäß auch die Stadtabgaben in verschiedener Höhe tragen. Der Zuzug der Fremden wurde dadurch erleichtert, daß ihnen für zwei Jahre Freiheit von allen Stadtabgaben gewährt wurde, auch sollten die Eigenthümer der wüsten Stätten, die solche selbst nicht bauen wollten, zum billigen Verkauf gezwungen werden; mehr wie zwei Erbe sollte Niemand haben. Ein Einwohner, der eine wüste Stätte bebaute, erhielt ein Jahr lang Abgabenerlaß u. s. w. - Da nachträglich sich in Bezug auf das Viehhalten wegen Recht und Last noch Streit erhob, so wurde die Collecten=Ordnung durch einen Nachtrag vom 21. Septbr. 1706 ergänzt. (Siehe Anhang.)

Die wohlthätigen Folgen solcher Ordnung machten sich sofort bemerkbar. Während im Jahre 1703 nur 51 selbständige Wirthschaften sich vorfanden (163 Beichtkinder, nämlich 75 Männer und 88 Frauen oder 46 Hausherren, 44 Hausfrauen, 18 Wittwen, 10 Söhne, 11 Töchter. 17 Knechte und Jungen, 15 Mädchen, 2 Gesellen) zogen von Barentin allein schon 1704 fünf Männer zu und 1706 waren 66 selbständige Wirthschaften in Lage. Auch fällt wohl in diese Zeit die Errichtung der Schützenzunft, deren Mitglieder verpflichtet waren für den Todesfall in einer ihrer Familien für eine würdige Bestattung zu sorgen, auch Nichtmitglieder gegen Erlegung einer bestimmten Gebühr zu bestatten. Wenigstens erhebt sich 1706 Streit, weil etliche Bürger eine Nebenzunft aufrichten wollen und die Einnahme der privilegirten Schützenzunft schädigen. Die Nebenzunft wird bei 100 Thlr. Strafe vom Herzog verboten, nur zu dem Schützenfest der rechtmäßigen Zunft wird ein herzoglicher Deputirter in demselben Jahre abgeordnet, auch derselben aus den Aufkünften der Accise eine Gabe von 10 Thlr. bewilligt.

Die Versuche, die liegenden Gründe, die zum Theil in fremden Besitz übergegangen waren, wiederzuerhalten, mißlangen, wie die Stadt es nur selten durchsetzte, daß nach der Collecten=Ordnung § 5 die auswärtigen Besitzer zur Tragung von Stadtlasten mit herangezogen wurden. Ueber die bedeutenden Verluste der Stadt müssen wir hier noch etliche Bemerkungen einschalten. Die Noth in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts trieb wiederholt einzelne Bürger, an benachbarte Bauern ihre Aecker zu verkaufen oder

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zu verpfänden, nur um die Mittel zu erhalten, ihr Leben zu fristen und ihre Häuser zu bauen. Z. B. verkaufte Peter Bölckow an Hans Hoff in Wardow einen Morgen im hintersten Schlage für 50 Gld., und drei Scheffel Aussaat in derselben Gegend für 30 Gld. im Jahre 1657. Aber auch an die Kobrower und Subsiner (Breesener) Bauern gingen Besitzungen über. Bei den vielen wüsten Flächen machten solche Bauern mancherlei Uebergriffe und versuchten, sich gelegentlich mehr Land zuzulegen, woraus sich sehr gespannte Verhältnisse zwischen dem Adel, der die Bauern schützte und für sich selbst sorgte, und den Bürgern entwickelten. Insbesondere waren die Wardower thätig, die Nothlage der Stadt zu benutzen. So erbat sich allerdings ohne Erfolg Hans Friedrich von Lehsten 1675 vom Fürsten als Geschenk die dem Landesherrn gehörenden, auf dem Lager Stadtgebiete gelegenen Aecker, weil er, wie die Vierecks, auch gerne festen Fuß in der Stadt gefaßt hätte, um durch willfährige Bürger gelegentlich für sich günstige Beschlüsse herbeizuführen. Die sechs Stück Landes Sandacker à 2 Morgen, auf die er es wohl hauptsächlich abgesehen hatte gehörten nachweisbar der Stadt, die darauf nur die Verpflichtung, fürstliche Fuhren u. s. w. zu thun, gelegt und sie gegen Uebernahme solcher Verpflichtung dem Stadtvogt und Zöllner überlassen hatte. Der Landreiterkamp, der fürstlich war, wurde von Alters her vom Stadtvogt benutzt, der dafür Beamte und Landreiter frei beherbergen mußte. Dann gab es nur noch eine wüste Stätte der Mühle gegenüber als fürstliches Eigenthum, die indessen am Eingange so günstig zu einem Zollhause gelegen war, daß sie der Herzog nicht hergeben wollte. Dagegen gelang es dem Wardower 1676 das Lager Moor, das, wie wir oben nachwiesen, 1270 an Lage geschenkt war und, wenn es auch für den Augenblick nicht ordentlich ausgenutzt wurde, dennoch hohen Werth hatte, für 200 Gld. bei der schlimmen Noth der Stadt anzukaufen, ferner 1677 das erwähnte halbe Bauerngehöft Wozeten für 700 Gld. Bezüglich des städtischen Antheils an demselben mußte allerdings der Rath der Stadt sich besonders sichern, denn dem Rathe standen die Dienste und Nutzungen aus solchem Gehöfte zu. Beim Verkauf ließ er sich in der Weise entschädigen, daß ihm als Ersatz von der Stadt die Zinsen des Kaufgeldes zugesprochen wurden; aber da auch Zeiten kommen konnten, wo die Zinszahler säumig wurden, (wie es in der That geschah), wurde die Langkavel=Wiese als Sicherheitspfand eingesetzt, daraus sich später der Rathsantheil an der Wiesennutzung entwickelte. Der hierüber abgeschlossene Vergleich beginnt: "Wir, Viertelsmänner gesammter Bürgerschaft und Einwohner des Städt=

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leins Lage urkunden und bekennen hiermit und kraft dieses Briefes für uns und unsere Erben und alle Nachkommen dieser Stadt Bürger und Einwohner, daß, demnach bei dieser beschwerlichen Kriegszeit und Unruhe, da wir leider dermaßen ausgeschöpft, daß wir uns kaum selber mehr zu retten wissen, wir geschweigen die großen Kontributiones zu ertragen und die Restanten zu bezahlen, daß dannenhero viel unserer Mitburger davon gezogen und dem Städtlein den Rücken zugekehrt, wir andern auch, daferne sich keine Hülfe noch Rettung eräuget hätte, gleichfalls davon zu gehen wären gezwungen worden, wir, weil wir keine andere Zuflucht zu nehmen gewußt, Burgermeister und Rath dieser Stadt als unsere vorgesetzte Obrigkeit angefleht, uns in diesen Nöthen, daferne möglich, heilsamlich zu assecuriren und aus diesem Laborint, daraus wir sonsten nicht zu kommen gewußt, zu helfen u. s. w." Es wurde die Summe von 700 Gld. derart verwendet, daß der Rath 50 Gld. wegen des restirenden Dienstes und Pachtgeldes zurückbehielt, die 650 Gld. "zur Bezahlung der Brandenburgischen Contribution, welche uns auf den Nichtzahlungsfall totaliter ruiniret hätte," angewandt wurden.

Nachweisbar gehörte die "Grünhören=Wiese," die, wenn wir das Recknitzthal aufwärts gehen, an Subsiner Wiesen grenzte, mit 100 Fudern Heu der Stadt, 1629 in der ersten Noth wurde dieselbe, wie schon erwähnt, für 300 Gld. Mekl. Währung dem Andreas Pritzbuer auf Diekhof und Schweetz verpfändet. 1 ) 1630 nahm die Stadt darauf noch einmal 600 Gld., und als inzwischen die Wiese in die Hand des Besitzers von Subsin übergegangen war, 1637 noch einmd 600 Gld., so daß dieselbe beim Einbruch des größten Elends mit 1500 Gld. belastet war. Die Stadt versuchte im nächsten Jahrhundert mit Abtragung der Schuld zu beginnen und verlangte 1718 die Herausgabe, aber die damals in Subsin waltende Frau Vicestatthalterin von Viereck wollte sich dazu nicht bequemen. Die bösen nächsten Zeiten ließen die Sache nicht nachdrücklich verfolgen, und erst 1781, als der damalige Prinz Friedrich Franz Subsin käuflich erwarb, macht die Stadt wieder ihre Rechte geltend, erlangt jedoch leider die werthvolle Wiese nicht zurück, sondern im gütlichen Vergleich die Auszahlung von 400 Thlr. N 2/3; der Brand von Lage hatte 1759 leider alle einschlägigen


1) Der sogenannte Antichretische Vertrag wurde mit Vorliebe von der Stadt in Geldnoth abgeschlossen. Sie gab dem Gläubiger als Faustpfand ein Grundstück und gestand ihm zu, dasselbe zu benutzen, wogegen sie natürlich von der Zinszahlung befreit war.
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Urkunden vernichtet, die das Besitzrecht unbestreitbar beweisen konnten. - Auch die "Schweetzer Wiese" am jetzigen Schweetzer Graben mit 50 Fuder Heu war an Subsin verkauft, dagegen hatten die Vierecks für ihre Besitzungen Gr.= und Kl.=Lantow eine Wiese, die Rathskrug=Wiese genannt, am linken Ufer der Recknitz gegenüber dem Hörengraben, und ferner einen Theil Landes, der Wolfskrug genannt, (wahrscheinlich am Hlg. Geistberg), welcher 4 Hufen Ackers maß, außer Wiese und Busch nach dem Kriege für 1300 Gld. von der Stadt erworben. - Ueber den Verlust der sieben Hufen in Kobrow ist an anderer Stelle berichtet.

Es war die höchste Zeit, daß die Stadt sich auf die Gefahr besann, die aus solchen Verkäufen oder Pfandgebungen kommen mußte, weil sonst allmählich das ganze Feld in einzelnen Stücken durch die Umgegend abgepflückt wäre. Wir werden später sehen, wie heftig sie sich in Zukunft gegen Uebergriffe der Lehsten wehrte, die nach dem großen Kriege erstarkten, während die Vierecks im Laufe des 18. Jahrhunderts vielfach ihre großen Besitzungen einbüßten. (Kobrow wechselte ganz auffallend seine Besitzer, Caspar von Winterfeld wurde durch die Gläubiger sogar gedrängt, sich 1637 um die Belehnung mit St. Jürgen zu bewerben, die ihm auch zu theil wurde.)

1706 - 1712 ereignete sich wenig bemerkenswerthes, wenn wir nicht erzählen wollen, daß der Stadtrichter Bartholdi gelegentlich einmal geprügelt wurde, weil er angeblich nicht kräftig genug fremden Werbern entgegengetreten war. Wahrscheinlich wurde der streitsüchtige Bartholdi 1711 vom Amte entfernt, doch hielt er sich 1715 noch in Lage auf und hatte seine Freude daran, allerlei Verwirrung zu schaffen; der Magistrat mußte sich über ihn beschweren, daß er mit Bürgern zusammen zur Gründung einer Nebenzunft geschritten sei, die regelrechte Versammlungen abhielt, Bier auflegte, bis in den dritten Tag zusammen blieb, den Schneider Kreß zu 1/4 Tonne Bier condemnirte, eine Zunftlade errichtete, ein schwarzes und ein weißes Leichlaken anschaffte und wiederholt Beerdigungen mit Tragen und Laken vornahm. Herzog Friedrich Wilhelm entschied, daß die Nebenzunft aufhören und ihre Leichlaken unentgeltlich an die alte Zunft überlassen sollte. Dagegen sollte die alte Zunft die Mitglieder der Nebenzunft unentgeltlich blos gegen Erlegung von vier Scheffel Gerste innerhalb vier Wochen in die Zunft aufnehmen. Wenn Jemand außer der Zunft das Laken begehrte, so sollte er 12 ßl. zahlen. Die Träger sollten nicht mehr als 4 ßl. nehmen und den Bedürftigen aus christlicher Liebe um=

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sonst dienen. Zu Leitern der Zunft sollten in Zukunft nicht mehr die Aeltesten genommen, sondern die Wahl sollte je nach Geschicklichkeit getroffen werden. - Bartholdi's Nachfolger, Dietrich Wolgemuth (1711 - 1716), erreichte es. daß der Bürgermeister Gruël eine Zeit vom Amte suspendirt wurde, weil er seinen Sohn aufgehetzt hatte, den Steueraufseher am Sonntag Morgen auf öffentlicher Straße anzufallen und gräulich dafür durchzuprügeln, daß er in seinem Geschäfte allzu genau gewesen war. Inzwischen zogen abermals schwere, düstere Wolken am Horizonte auf, die über die Stadt heillose Wetter entladen sollten. Die ruhige Entwicklung derselben wurde wieder einmal gar jäh durchbrochen.

Der nordische Krieg war durch Karls XII. eigensinnigen Aufenthalt zu Bender in die Länge gezogen; um die dadurch gebotenen Vortheile auszunutzen, marschierten zuerst die Dänen mit einem großen Heere vor Wismar, sodann von da über Rostock und Ribnitz nach Pommern, an diese Armee mußten alle naheliegenden Städte, auch Lage 1711, viele Zufuhr leisten. Polnische, kursächsische, russische Völker rückten auf Stralsund und forderten von Meklenburg allerlei Lieferungen, die sie freilich zu bezahlen versprachen; ein Ochse sollte 10 Thlr. gelten, ein großes Schwein 2 Thlr., ein Hammel 1 Thlr. 8 ßl., ein Fuder Heu 2 Thlr., Roggen, Gerste und Erbsen à Scheffel 24 ßl., Hafer 16 ßl. Vieh war aber selbst in Meklenburg nicht überflüssig, weil ein "ziemliches" Viehsterben gewesen war, und mit der Bezahlung haperte es gewaltig. Jetzt rückten Schweden unter Steenbock, 16,000 Mann stark, an und entsetzten Wismar, die Dänen zogen alle verfügbaren Truppen zusammen und vereinigten sich mit den Sachsen, auch die Moskowiter kamen aus Pommern heran. Anfang September 1712 trafen diese in Lage ein, 11,000 Russen, die Garderegimenter Preobratschewski und Semenowski, lagen 14 Wochen lang auf der Lager Feldmark, und zwar schlugen sie ihr Lager auf dem sogenannten Steinlande an der jetzt nach Tessin führenden Chaussee nahe der Kobrower Grenze auf, das Hauptquartier war in der Stadt, der Rest war auf die umliegenden Dörfer vertheilt. Man kann noch jetzt aus den Ueberlieferungen, die alte Leute bewahrt haben, erkennen, welchen tiefen Eindruck die seltsamen Fremdlinge damals auf die Einwohner machten. Es war ihnen das Gerücht natürlich vorangegangen, daß sie entsetzlich roh und wild wären und als Leckerbissen gerne kleine Kinder sich brieten, dagegen benahmen sie sich durchaus gutherzig und sollen sich vor Schweden und Dänen, in denen noch die Tradition des großen Krieges leben mochte, ausgezeichnet haben. Bei den Bürgern waren sie von allen

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fremden Truppen am beliebtesten, weil sie genügsam und dankbar waren, und was auf die Gemüther der Lager, die sich durchaus nicht unter die kirchliche Zucht beugen mochten, einen gewaltigen Eindruck machte, war der große Respect, den die zottigen Männer vor ihrem langhaarigen Popen hatten. Sehr oft mußte sich die Russenschaar gegenüber den jetzigen Windmühlen an dem sogenannten "Predigtberg" versammeln, oben stand der Geistliche, und andächtig hörten die Seinen der Rede desselben zu. Der Moscowiter=Kaiser war zuvor in Karlsbad in Kur und hatte bestimmt, daß seine Truppen die entscheidende Action nicht eher unternehmen sollten, als bis er zu ihnen gekommen wäre. Ueber Dresden und Berlin traf er am 28. November 1712 in Lage ein und wohnte daselbst. Als diese Nachricht ins sächsisch=polnische Hauptquartier kam, machte sich der Polenkönig mit allen seinen Generälen auf, um dem mächtigen Bundesgenossen seinen Besuch abzustatten, am 30. November fand die Zusammenkunft statt, bei welcher der Zar den König von Polen mit dem Andreas=Orden schmückte, um dafür einen polnischen Orden in Empfang zu nehmen. Wenige Tage darauf brachen die Moscowiter nach Güstrow auf. Der schwedische General Steenbock, dem selbstverständlich die bevorstehende Vereinigung der feindlichen Heere viele Sorge machte, bot geschickter Weise den Dänen und Sachsen eine Schlacht an und siegte am 20. December 1712 bei Gadebusch. Den abziehenden Schweden folgend verließen dann alle Truppen Meklenburg, nachdem sie in der Zeit ihres Aufenthaltes dem Ländchen, dem Erholung und Schonung noch so bitter noth that, schwere Verluste zugefügt hatten. Es läßt sich denken, daß der vierteljährige Aufenthalt der Moscowiter der Stadt Lage, die wohl nur wenig über 200 Einwohner zählte, schweren Schaden verursachte. Auf dem Steinlande war ein werthvoller, prächtiger Eichenbestand, aus dem die Fremden 1400 Bäume für Lagerfeuer, Baracken u. s. w. völlig ruinirt hatten, den Rest hinterließen sie ziemlich schadhaft, 30 große Stämme starben noch rasch ab, die Schweinemast, die in damaliger Zeit noch sehr wichtig war, war gründlich verdorben. An die Zeit dieser Besatzung erinnert noch jetzt der sog. Moscowiter=Damm, der bei Eickhof durch die Recknitz von den fremden Männern gelegt wurde, und lange noch wurde ein Soll in der Starkenkoppel, aus dem sie gelegentlich Wasser holten, nach ihnen benannt. (Der Erbmüller Dehn grub im Anfange unseres Jahrhunderts mit einigen Andern bei dem Moscowiter=Damm nach einem Fuchse, beim Graben fand man einen harten, schweren, runden Stein, den man seiner Eigenthümlichkeit wegen bei Seite legte, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Etliche

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Knaben, die als Zuschauer sich eingefunden hatten, spielten mit ihm und wälzten ihn schließlich ins Feuer, das man zum Wärmen angemacht hatte. Bald erfolgte ein furchtbarer Knall, die Brände flogen durch die Luft, und man entdeckte, daß offenbar eine verrostete Granate für Stein gehalten war, glücklicher Weise war Niemand verletzt.)

Während dieser Moscowiter=Zeit war nach 32jähriger Wirksamkeit der Pastor Michael Blanck am 27. September 1712 gestorben, und die Vereinsamung lastete in der bittern Noth doppelt schwer auf der Gemeinde. Er hinterließ acht unversorgte Kinder, und der Superintendent schlug dem Fürsten vor, Jemanden zu bestellen, der eine von den Töchtern heirathen würde. Doch war ein Bewerber um die Pfarre da, dem Friedrich Wilhelm schon längere Zeit eine Versorgung zugesagt hatte, ein Feldprediger M. Lüders, der gerade vom Rhein aus der Kriegsgegend zurückkam und dort acht Jahre bei einem Cavallerie=Regiment gewirkt hatte. Bevor er indessen eingeführt werden konnte, starb am 31. Juli 1713 der Herzog, und es folgte ihm sein Bruder Carl Leopold, der sofort die Bestätigung von Lüders vollzog. Kaum war die Nachricht hiervon in die Gemeinde gekommen, so empfand sie den Eingriff in ihre Rechte der freien Wahl. Auch wenn der junge Herzog diese nicht anerkennen wollte, so war es doch für billig zu erachten, daß Jemand, der einer Gemeinde solitarie präsentirt werden sollte, zuvor erst von ihr gehört und gesehen würde, und es ihr frei stehen müßte, etwaige begründete Einwendungen gegen ihn zu erheben. Aber der Herzog schlug alle Einreden nieder und befahl die Einführung sofort nach Ablauf des Gnadenjahres zu vollziehen. Der 18. Oktober 1713 kam heran, die Gemeinde war versammelt, der Superintendent und die assistirenden Pastoren waren bereit, als plötzlich vom Landtage ein Expresser kam, der ein auf einmüthiges Anhalten aller Eingepfarrten ertheiltes gnädigstes Inhibitorium brachte und die Introduction aufzuschieben befahl. In heller Wuth verlangte der Feldprediger nach seinem Wagen, und auf die Bitte, wenigstens doch die Gemeinde, die zum sonntäglichen Gottesdienste versammelt war, mit einer Predigt zu versehen, da er sich doch auf diesen Tag allein genügend vorbereitet habe, entgegnete er: "Er wolle dem Teufel predigen, wenn sie ihn nicht haben wollten", und drohte denen, die gegen ihn gewesen wären, es gründlich heim zu bringen. Er rechnete dabei auf den Starrsinn des Herzogs, der ihm indessen eine Probepredigt zu thun befahl, damit der Gemeinde ihr Recht einer begründeten Einsprache nicht verkürzt

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würde; nachdem diese geschehen war, erklärte letztere, er habe eine zu schwache Stimme und sei nicht zu verstehen. Nun sollte Lüders es sich gefallen lassen mit zwei Anderen zur Wahl präsentirt zu werden, aber er weigerte sich, da er sein Schicksal vorher wußte. Also wurden am 15. April 1714 drei Candidaten aufgestellt und darunter Johann Friedrich Clasen erwählt. 1 )

Bald nach Clasens Amtsantritt starb der alte Küster, und trotzdem die Küsterei nur sehr wenig eintrug, begann doch sofort ein großer Ueberlauf von Bewerbern, darunter manche mit stolzen, gepuderten Perrücken, ein Beweis, wie bedrängt die Zeit und wie brotlos mancher bei Kriegslast und Mißwachs geworden war. Es wurde auf Clasens Vorschlag des Bürgermeisters und Kirchenvorstehers Saß Sohn Johann bestimmt und 1714 eingeführt, er hatte den Ruf eines stillen gottesfürchtigen Menschen, der ziemlich schreiben, lesen und singen konnte; das war sehr wichtig, weil der alte Cantor Balhorn eine wesentliche Stütze gebrauchte. Derselbe bat, daß ihm, da er so gebrechlich und kümmerlich geworden sei, ein Theologe als Substitut gesetzt würde, der ihm das Predigen abnehmen und Assistenz in der Schule leisten könnte, doch sollte er nur unter der Bedingung genommen werden, daß er seine Tochter heirathe. Die Tochter griff hernach die Sache noch feiner an, sie bat, daß ihr selbst der Cantordienst des Vaters erhalten würde, damit, wer Cantor werden wolle, sie heirathen müsse. Aber trotz Aufforderung des Superintendenten meldete sich Niemand, weil die Stelle nur dürftig und die Zugabe wohl noch dürftiger war. So mußte sich zum Schaden der Schule der alte Cantor noch eine, Weile abquälen.

Wir haben schon Gelegenheit gehabt, den Namen des Herzogs zu erwähnen, der bald gar schlimme Zeiten für Meklenburg heraufführte. Um die im Nachfolgenden darzulegenden städtischen Verwickelungen zu verstehen, müssen wir den Ueberblick über die Regierung von Carl Leopold voranstellen mit der Bitte an den Leser, sich die einzelnen Abschnitte zu merken, damit keine Unterbrechung in der Darlegung der schlimmen Wirren einzutreten braucht. Des Herzogs Vorbild war Karl XII von Schweden, absolute Fürstenmacht war sein Ideal. Er gedachte durch kühnes Vorgehen die


1) Er war geboren in Ribnitz 1684, studirte seit 1705 in Rostock und Greifswald, verheirathete sich mit A. Christiani und hatte fünf Kinder, wovon zwei sich dem geistlichen Berufe widmeten; er starb 57 Jahre alt am 14. August 1741 nach 27jähriger Amtsführung.
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ewigen Widerwärtigkeiten, die der Landtag und besonders die Ritterschaft mit ihren vielen Beschwerden seinen Vorgängern bisher bereitet hatte, zu erledigen und wollte zu diesem Zweck sich ein stehendes Heer (angeblich zur Landesdefensive) errichten. Abermals waren, da der nordische Krieg noch fortdauerte, fremde Truppen im Lande, Dänen lagen vor Wismar und Stralsund und hielten Rostock besetzt, Preußen gesellten sich ihnen zur Belagerung der beiden schwedischen Bollwerke zu, endlich standen auch Hannoveraner vor Wismar. Als Stralsund gefallen war und die ganze Macht der vereinten Schwedenfeinde sich nach Wismar wenden konnte, ließ auch der Zar Peter wieder seine Truppen anrücken, um an der Eroberung der Stadt theilzunehmen. Er that dieses um so mehr, als er Carl Leopold, mit dem er verwandt war, versprochen hatte dessen absolutistisches Streben zu fördern, und es ihm daran lag, Einfluß auf Meklenburg, das wichtige Ostseeland, zu gewinnen. Wenn auch seine Gedanken auf Wismar durch dessen beschleunigte Uebergabe fehlschlugen, so warf er doch 30000 Russen ins Land (bis August 1717), mit deren Hülfe der Herzog die widerspenstigen Adeligen zu fangen versuchte. Dieselben wurden rechtzeitig gewarnt und flüchteten meistens ins Ausland, aber auf ihre Güter wurde fremde Einquartierung gelegt, und der Herzog nahm sie unter seine Verwaltung. Außerdem sammelte er für sich selbst Truppen, und das Land mußte auch diese erhalten. Bald konnte es die großen Kriegslasten nicht mehr tragen. Die Bauern folgten dem Beispiele der Herren und ließen ihre Höfe im Stich, die Städte konnten die Landessteuer nicht erschwingen. Inzwischen mischte sich der Kaiser ein, er schrieb warnend an den Zaren, der niedersächsische Kreis mußte rüsten. Die russischen Truppen wurden abberufen, doch erhielten 3300 Mann die Erlaubniß in des Herzogs Dienst einzutreten. Dieselben hatten ihre ursprüngliche Gutmüthigkeit abgelegt, da sie zum Verwüsten der ritterschaftlichen Begüterungen gleichsam aufgehetzt wurden. Der Ritterschaft Beschwerden über die Vergewaltigungen des Herzogs veranlaßten nun den Kaiser, dem Kurfürsten von Hannover und dem Herzog von Braunschweig=Wolfenbüttel das Commissorium zu ertheilen, die Streitigkeiten zu untersuchen und nöthigen Falls den Schuldigen mit Gewalt zur Ordnung und zum Frieden zu zwingen. Der eigensinnige Herzog ließ sich auf nichts ein, ging immer gewaltthätiger vor, so kamen die Executionstruppen ins Land! Wenn gegen diese auch des Herzogs Truppen bei Walsmühlen im März 1719 siegten, so sah er sich doch genöthigt, sich über Güstrow nach Malchin zurückzuziehen, wobei man die Rittergüter noch ziemlich

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heimsuchte. Endlich mußten die russischen Söldner durch Preußen nach Polen abziehen, und damit war das Land der russischen Last ledig; auch die meklenburgischen Truppen gingen auseinander. Keineswegs aber war das Land nun von aller Militairlast frei.

Die Execution blieb und besetzte 8000 Mann stark das Land, insbesondere die Städte. In Rostock wurde eine kaiserliche Commission eingesetzt (die königlich großbrittannischen und kurfürstlichen, auch hochfürstlich braunschweig=lüneburgischen zur kaiserlichen Commission subdelegirten Räthe) und diese übernahm die Verwaltung. Dem Herzog verblieb Schwerin und Dömitz, außerdem behielt er die Episcopalia für das ganze Land als Summus Episcopus. Ueber Meklenburg kam böser Zwiespalt. Die Ritterschaft war natürlich für die Commission, die Städte schwankten, die Geistlichkeit und die Bauern waren für den Herzog. Wer es mit Rostock hielt, verdarb es mit Dömitz, die Commission befahl, der Herzog verbot.

Die Städte wurden allmählich sehr unruhig. Die Bürger reichten ihre Schadenrechnungen ein und verlangten Ersatz; da derselbe nicht bezahlt wurde, schoben sie die Schuld auf die Magistrate, die zu säumig wären. Dazu kam die 1721 durch die kaiserliche Commission eingeführte Aenderung des Contributions=Modus. So lange galt für Landes=Abgaben die Licent=Steuer, jetzt wurde der Hufen= und Erbe=Modus eingeführt, bei dem die Ritterschaft die Steuerfreiheit ihrer Rittergüter durchsetzte zum Nachtheil der Städte. Der Letzteren Unwille wurde durch Execution niedergehalten. Der Herzog wich aus Dömitz, weil angeblich dort eine Verschwörung gegen ihn angezettelt war, und ging nach Danzig, wer zu ihm wollte, hatte einen weiten Weg. Um die Erbe in den Städten richtiger controliren zu können, befahl der Kaiser Ausmessung der städtischen Ländereien, darob gesteigerte Erregung.

Als der Kurfürst Georg I. von Hannover, König von England starb, wollte der Kaiser 1728 die Verwaltung des Landes umändern, und nach Absetzung des Herzogs und Aufhebung der Commission, der er eigensüchtige Absichten zutraute, einen Administrator in des Herzogs Bruder Christian Ludwig bestellen; damit waren die bisherigen Executoren nicht einverstanden, sie ließen ihre Truppen in Meklenburg unter dem Vorwande, daß sie die Entschädigung für die aufgewandten Mühen noch nicht erhalten hätten. Bis ferner der Reichstag die neue Ordnung gebilligt, blieb die Stellung des Administrators in dubio, die deutschen Fürsten mißbilligten deutlich des Kaisers eigenmächtiges Vorgehen. Carl

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Leopold, der mit heftigen Drohbriefen aus Danzig dazwischen geschossen hatte, kam 1730 plötzlich zurück und wurde freundlich durch die Städte aufgenommen; sie hofften, daß er die Herrschaft jetzt wieder erringen, die Superiorität des Adels brechen würde. Um einen Hauptschlag zu thun, sicherte er sich die Theilnahme Preußens, das argwöhnisch dem Wirken der Lüneburger in Meklenburg zugesehen hatte und gerne auch zur rechten Zeit Einfluß auf das Nachbarland gewonnen hätte. Kaum hatte der Kaiser, der einsah, daß mit der Anordnung der Admistration nicht durchzudringen war, abermals eine Commission ernannt und Christian Ludwig zum perpetuus Commissarius eingesetzt, als 1733 Carl Leopold von Schwerin aus ein Landes=Aufgebot erließ, General=Pardon verhieß, alle Privilegien u. s. w. zusicherte. Der Adel flüchtete, das Land kam in Aufruhr, überall fanden sich Leute, die für den Herzog eintraten, viele Bauern strömten herbei, in den Städten gährte es gegen die Magistrate, die sich nicht schnell genug entschließen konnten. Doch nach etlichen abenteuerlichen Zügen, bei denen des Herzogs Truppen fast durch das ganze Land kamen, wurde das zusammengelaufene Aufgebot durch die regulären Truppen der Braunschweiger und Hannoveraner Lüneburger), die verstärkt anrückten, theils gefangen, theils zersprengt.

Diese günstige Gelegenheit benutzten die Preußen, um sich einzumischen und sich in Besetzung des Landes mit den Executionstruppen zu theilen. Der Kaiser, dem es durchaus bedenklich schien, die nach Meklenburger Boden lüsternen Mächte länger im Lande zu lassen, drängte zunächst auf Entschädigung der Lüneburger, um ihnen den Vorwand zum Bleiben zu nehmen. Es wurden ihnen acht Aemter verpfändet, damit mußten sie zufrieden sein und gingen. Da es aber nicht anging, das Land ganz ohne Schutz gegen Carl Leopold zu lassen, so mußte 1734 Christian Ludwig ein Regiment Schwarzburger und ein Regiment Holsteiner in seinen Dienst nehmen. Die Preußen ließen nicht von dem einmal besetzten südlichen Landestheile und nahmen viele ungesetzliche Werbungen vor. Jene neuen Executionstruppen vertrieben den Herzog aus Schwerin, so daß er nach Wismar sich zurückzog. Seit Ende 1735 regierte Christian Ludwig von der Residenzstadt aus das Land. Von jetzt an ward bessere Ordnung. Carl Leopold kehrte wohl noch einmal 1741 nach Dömitz zurück, aber hatte keinen besonderen Einfluß mehr, nur wie bemerkt, blieben ihm Jura Episcopalia, die er immer willkürlicher handhabte. Die letzten Holsteiner traten in preußische Dienste; gewaltsame Werbungen der benachbarten, soldatenhungrigen Regierungen dauerten wohl fort, sonst

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aber waltete Christian Ludwig unangefochten in Schwerin als Commissarius. Carl Leopold starb 1747, und sein Bruder folgte ihm in der Regierung.

Alle diese verschiedenen Truppen, Landmilizen, Russen, Lüneburger, Schwarzburger, Holsteiner, Preußen sah der Reihe nach auch unser Städtchen, alle diese verschiedenen Wirren spiegelten sich in seinen inneren Zuständen wieder, alle diese Gesetzlosigkeiten und Vergewaltigungen fanden im Kleinen ihre Wiederholung daselbst, denn auch hier galt der Ruf: Hie Kaiser, hie Herzog! Rostock oder Dömitz! Der Streit tobte im Rath, er tobte in der Bürgerschaft, und wenn man schließlich keinen Ausweg fand, griff man zum Knüppel und schrieb mit deutlich wahrnehmbarer Schrift dem Mitbürger die Meinung auf den Buckel. Das letztere wäre ja, so schlimm es an sich war, noch erträglich gewesen, denn wie man einen blauen Rücken zu behandeln hatte wußten die Hausfrauen und die Bader sehr gut, der Streit in der Stadt war sicherlich auch nicht unberechtigt, weil die klügsten Männer des Landes schwankten, auf welcher Seite das meiste Recht wäre. Schlimmer war, daß der ganzen Stadt alle alten Wunden, die noch nicht verheilt waren, wieder aufbrachen, der Steuer= und Einquartierungsdruck zu unerträglicher Höhe wuchs, abermals die Bürger in Verzweiflung auf das Land zogen oder der Justiz vorgreifend Selbsthülfe suchten. Völlige Anarchie war das Ende. Die Sittenzustände waren grauenvoll, es zieht sich dem Beschauer schmerzlich das Herz zusammen, wenn er sieht, wie die Behörden und Ersten der Stadt oft die schlimmsten Vorbilder abgaben. Der Bürgermeister Gruël starb etwa 1715, sein Nachfolger Lille, ein harter Mann, der die Bürger sehr drückte und seine Hauptzeit mit Spielen verbrachte, war nur wenige Jahre im Amte und starb 1721. Da wurde der seit 1716 in Lage als Stadtvogt wohnende Artener, nachdem er sich bei Carl Leopold um die erledigte Stelle beworben hatte, ohne Wahl zum Nachfolger ernannt. Er hatte nämlich verstanden, in drastischen Farben die Zustände des Ortes zu schildern, wie noch kaum ein Drittel der Hausstellen neu aufgebaut sei, unverkennbar durch Schuld des Rathes, der aus Eingebornen sich ergänzend, immer nur Interessen=Politik treibe, wie demselben nicht daran gelegen, neuen Bürgern Raum zu gönnen, sondern ihnen heilsamen Schrecken vor Niederlassung einzujagen, wie er als Adelsdiener ertappt wäre, der um Schmeicheleien oder persönlichen Nutzen willen die Vortheile der Stadt verrathe, kurz, Artener wußte es so anschaulich zu machen, daß es höchste Zeit sei, einmal neues Blut in die Verwaltung zu bringen, daß der

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Herzog ihm die Stelle verlieh. Sofort war gegen den nunmehrigen Consul et Judex die Bürgerschaft feindlich gesinnt, der Bürgermeister Saß war alt und wagte nicht, dem Mächtigen zu widerstehen, der Rathmann Andreas Vogt ließ sich ganz ins Schlepptau nehmen und suchte seinen "Profit", es fehlte der Bürgerschaft also der rechte Führer, um den Kampf zu eröffnen, darum legte sie sich zunächst auf das Schimpfen. Den 56 Bürgern kam ein Befehl zu Hand= und Spanndiensten für Befestigungs=Anlagen recht zur Unzeit, und als der Rath sich selbst frei davon machte und der kleine Mann die Last allein tragen mußte, brach der Unwille zunächst gegen Andreas Vogt los, den reichsten und behäbigsten Mann der Stadt. Er hielt ein Wirthshaus, das bei den vielen Durchzügen gut gedieh, war von Profession ein Bäcker, betrieb Brauerei und Brennerei mit besonderem Schwung, besaß 30 Morgen Landes, die in guter Cultur waren, aber er hatte nur ein Herz für sich und nicht für die Noth seiner Stadt. Den Bittenden wies er hart die Thür, den Rath Erheischenden wollte der Rathmann keine Rede stehen und schimpfte sie als "Pracher, nackende Hunde, Heckenreuter, die alle zum Teufel gehen sollten, ihrer Sechse könnten dem nackenden Dinge (der Stadt) vorstehen, und wenn das andere Takel nur erst beim Teufel wäre, würde es besser sein, weil viele Schweine den Trank dünne machten". Ueber die kleinen Handwerker, die so kümmerlich ihre Existenz fristeten, hatte er besonders seinen Spott, er redete gerne von "Schneiderchens, Schusterchens, Pufferts (Leinweber), Uelkenhüter, Brackvögel, Schnappenlecker" u. s. w., fragte nichts darnach, wenn er seine Saaten besehen wollte, ob er dabei gelegentlich durch das Korn der Armen ritt. Der Consul et Judex war sein Freund und ließ ihn nicht zu Schaden kommen. "Der Himmel ist hoch, und der Kaiser ist weit" - konnte man mit einiger Aenderung auch wohl hier sagen. Man hatte. bei der Regierung Anderes zu thun, als sich um die Streitigkeiten der kleinen Stadt zu bekümmern.

Der alte Cantor Balhorn war endlich gestorben, und seine sehnsüchtig nach einem Freier sich umsehende Tochter hatte durchaus nicht Frau Cantorin werden können. Es meldete sich für das erledigte Amt ein Studiosus theologiae Georgi, der aus Rostock als ein gelehrter und frommer Mann empfohlen wurde; nachdem er vor Pastor und Gemeinde eine Probepredigt zur Zufriedenheit gethan hatte, wurde er in sein Amt als Cantor eingewiesen. Der Pastor Clasen athmete erleichtert auf, daß er eine ernstliche Stütze gegenüber den halsstarrigen Leuten gewonnen hatte. Im Anfang ging Alles gut, Georgi betrug sich ordentlich und that eifrig seine

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Pflicht, bald änderte er sein Benehmen, seine Lage gefiel ihm nicht, die Einnahmen waren ja nicht groß und liefen nicht gut ein, weil die Gemeinde zuweilen selbst nichts hatte, er wurde nachlässig im Amte, und eines Tages ließ er Alles stehen und liegen und hob sich von dannen. Nach wochenlanger Abwesenheit tauchte er plötzlich wieder auf und hielt es nicht einmal der Mühe werth, sich zu entschuldigen. Als er ins Cantorhaus, sein altes Quartier, gehen wollte, war die Thüre verschlossen, er kam kecklich zur Pfarre und verlangte den Schlüssel. Da aber der Pastor verreist war und die Pastorin darüber nicht verfügte, wandte er sich an den Küster und fand diesen auch im Besitze desselben. Die Weigerung, ihn herauszugeben, reizte Georgi, so daß er ohne weiteres dem Küster in die Haare fuhr, worauf derselbe davonlief. Mit einem Brechinstrumente öffnete der Cantor sich dann den gewünschten Zugang und quartierte sich wieder ein. Da er aber doch leben mußte, so ging er zum Gastwirth Getzmann und blieb da vom Dienstag bis zum Donnerstag in der stillen Woche, in dieser Zeit soff er, tanzte, sang Tralla, fluchte und trieb Unfug ärger als ein Soldat "Ich will was zu Fressen haben, hier ist Geld, kann ich um einen Groschen nichts zu Fressen bekommen, so schlag das Donner und Wetter drein!" schrie er wohl, trank mit einem Bettler in brüderlicher Gemeinschaft und machte der Dienstmagd unsittliche Anträge. Am Gründonnerstage betrank er sich noch heftig, schrie und sang auf der Gasse und zog mit seiner Flasche in der Hand zum Thore hinaus. Nachträglich wurde geargwöhnt, daß er wahrscheinlich katholisch sei, weil er von einem Katholiken sich einen Rosenkranz geliehen hatte, gegen den er einen alten, abgenutzten weggab, man erfuhr, daß er in der Zeit seiner Abwesenheit bettelnd in der Welt herumgezogen sein. Ein Bürger Behrens kam aus Pommern zurück und erzählt, dort sei ein Mann von länglicher Statur und schwarzen, krausen Haaren aufgetreten, der sich in verschiedenen Städten für einen Prediger aus Lage ausgegeben und erzählt habe, die Stadt sei abgebrannt, viele Bürger seien todt. In einem Orte wurde er nach Adam Behrens gefragt, der dort Bekannte hatte. Er erklärte ihn frischweg für todt, und im höchsten Mitleid gaben die Leute dem sich für seine Gemeinde so treu bemühenden Hirten. Zufällig kam nach einiger Zeit Behrens gesund und munter dort an, und man erfuhr, daß ein Nichtswürdiger Betrug geübt habe. Die Beschreibung paßte unverkennbar auf Georgi. Der Superintendent setzte einen Tag zur Untersuchung an, und als Georgi, der in Rostock sich aufhielt, es nicht für der Mühe werth hielt zu erscheinen, wurde er natürlich

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abgesetzt. Plötzlich tauchte er nach Wochen wieder auf und schrieb an den Fürsten, daß er durch allerlei Schikane des Pastors und durch bittere Noth gezwungen seine Stelle verlassen habe, um nicht zu verhungern. Nun sei er ganz heruntergekommen, aber ohne seine Schuld, also bäte er, ihm wenigstens das Armenrecht in Lage zu verleihen, bis seine Angelegenheiten geregelt seien, sonst müßte er vor Hunger crepiren! daß seine Eingabe keinen Erfolg hatte, läßt sich denken. Sein Nachfolger wurde 1721 Studiosus Nicolai, ein Sachse, der als Hofmeister im Kirchspiel lebte, ein feiner Mensch (so hieß es zunächst!) im Umgang, gelehrt, geschickt, bei Jedermann beliebt und zum Schulmeister gewünscht. Er predigte und unterrichtete mit großem Beifall und gewann unter den Bürgern sofort festen Fuß, weil er die junge Wittwe des Bürgermeisters Lille heirathete, eine stille freundliche Frau, die Tochter des Pastors in Thürkow. In sehr kurzer Zeit entpuppte sich sein eigennütziger, roher Charakter, insbesondere als er mit einer selbstsüchtigen Natur zusammengerieth. Des Artener Hund beißt nämlich - o Graus - des Cantors "Verken" todt, und der entrüstete Geschädigte läuft natürlich sofort zum Bürgermeister und stellt ihn wegen dieser scheußlichen Unthat seines Hundes zur Rede, es entspinnt sich ein heftiger Wortwechsel, und als Artener erklärt, es sei nicht wahr, holt der Cantor wüthend sein todtes "Verken" und wirft es dem Bürgermeister vor die Füße. Das kränkte den Consul et Judex bitter. Seitdem ist der Lärm im Zuge, der sich endlich dahin nach einiger Zeit zuspitzte, daß trunkenen Zustandes der Cantor den Consul et Judex überfällt, da er im Hause eines Bürgers weilt, ihm in die Haare greift und ihn zu Boden reißt. "Dieser Mordgeist", schreibt Artener wehmüthig, "hat meine Gesundheit geschwächet und meinen Kopf schändlich verquetscht und durch grausames Ausraufen meiner Haare meinen Kopf hohl und schwellend gemacht, daß ich vor Schmerz mich nicht lassen kann." Nicolai wurde bald sehr nachlässig im Amte, unverständig im Werk und Betragen, trieb sich spielend und trinkend in den Herbergen umher, schoß und fischte und wäre ohne Frage vom Amte suspendirt worden, wenn nicht seine Frau mit vieler Mühe die Schule noch zusammen gehalten hätte. Die Aermste starb bald nach schwerem Leid in der Ehe, der verkommene und durch sein wüstes Leben körperlich ruinirte Mann folgte ihr im Jahre 1730 nach.

Wenn das geschieht am grünen Holz, was will am dürren werden! Es werden wiederholt Mordpläne ruchbar, es tauchen Schatzgräber und Siebläufer auf und nutzen den Aberglauben der Leute aus unter Anwendung von Erbscheeren und Erbsieben; Diebe

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graben sich des Nachts unter der Thurmthüre durch, auch vom Thurm aus unter der innern Kirchthüre, sie finden freilich nicht viel, nur einige silberne Franzen und Glöcklein am Klingebeutel, aber sie kommen wieder und plündern den Armenblock gründlich aus. Bei der Pastorwittwe Blank wird eingebrochen, nachdem man am Tage zuvor ihr wachsames Hündchen vergiftet hatte, ein großer Koffer mit Leinen wird auf die Straße gezogen, aber die Diebe können ihn nicht fortbringen, weil des Cantors Hund sie stört. Bald darauf merkt der Küster, daß sein Hund vergiftet ist und schläft keine Nacht ruhig, die Bessern leben täglich in Furcht und Sorge, weil einzelne Bürger viel loses, durchstreifendes Gesindel beherbergen. Die Unsittlichkeit ist in der ganzen Gegend groß und macht sich unverschämt am Tage breit, die Edelleute lassen sich Dirnen aus Güstrow kommen und senden sie von einem Hofe zum andern, die Leute sehen's und machen's nach. Bald hier, bald da hört man Klagen über unendliche Schamlosigkeit. Dem Pastor Clasen sind die Hände gebunden. Wagt er, deutlichen Tadel auszusprechen, so muß er sich hüten, daß nicht sein Haus in Flammen auflodert oder ihm sonst ein Unglück geschieht. Er scheint allerdings ein schüchterner Mann gewesen zu sein, voll redlichen Willens, aber geringer Thatkraft. Anfangs versucht er, die ruchbaren Sünder zum Sitzen auf der Sünderbank, die nach damaliger Sitte in der Kirche vor der ganzen Gemeinde steht, zu nöthigen, aber er empfindet es, daß gerade die Reumüthigen, die herzlich nach Gott und seiner Vergebung verlangen, sich fern halten, weil die öffentliche Schmach sie zurückschreckt, darum wünscht er die Bank weg und benutzt sie nicht mehr als Zuchtmittel. Es ist erfreulich, daß er in dieser Zeit wenigstens die Lust, an der gänzlichen Herstellung der Kirche zu arbeiten, nicht verliert. Durch ihn erhält dieselbe ihr schönes Geläute. 1 )

Außer der geschilderten sittlichen Noth, an der sich am treffendsten der Rückfall in ein Elend bemerkbar macht, aus dem man im vorigen Jahrhundert in tausend Aengsten und Nöthen sich herausgearbeitet hatte, lastete nun auch der Druck anderer, mehr äußerlicher Verhältnisse auf den Bürgern, von denen wir etliche darlegen wollen. Bei der Besteuerung nach dem Hufen= und Erbe=Modus war die kümmerliche Lage der Stadt von der mit der Einschätzung betrauten Commission nicht richtig in Anschlag gebracht, man ver=


1) Um Unterbrechung der Darstellung zu vermeiden, will ich über die Glocken gleichfalls im Anhang berichten.
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langte nach der Stadtvertretung Ansicht von ihr weit mehr, als sie rechtlicher Weise zu zahlen hatte. Der Rath schrieb in seinen wiederholten Petitionen einmal: "Klüver schreibt, daß im Jahre 1506 eine Repartition über den Adel, die Städte und Aemter gemacht worden sei, was ein Jeder an Roß und Mann stellen muß; so hat derzeit Güstrow gestellt 100 Mann, Teterow 40 Mann, Lage 15 Mann. Diese Proportion scheint billig zu sein; daß wir aber jetzo auf 52 1/2 Erbe gesetzt und beständig alle Ausgaben darnach regulirt werden, ist für uns unmöglich zu halten. Unsere Landesvermessung vom Jahre 1726 zeigt klar, was wir zu der Zeit an Ländereien und Wiesen gehabt, und ist so genau bestimmt, daß sie auch zu der Zeit unsere jetzige Weide mit zu Land gerechnet, weil die alten Spuren darauf zu sehen gewesen, daß sie vor dem dreißigjährigen Kriege in Kultur gewesen. Mit diesem Acker hat Lage 579 Morgen 177 □R. Acker. Will man eine Hufe, wonach im Contributions=Edictum Ritter= und Landschaft steuern, in einen Vergleich mit den Erben, wonach die Städte repartiret werden, ziehen, so rechnet man auf eine Hufe nach dem alten Kataster 30 Morgen; nehmen wir also diese 30 Morgen für ein Erbe, so haben wir 19 1/4 Erbe. Nun sollte noch so, wie unter Kley= und Sandhufen ein Unterschied gemacht wird, auch unter den Erben ein Unterschied getroffen werden. Denn 1 Morgen hat 300 □R., es sei Sand oder Kley, ein Morgen Kley aber hat 4 Scheffel Rostocker Maaß, ein Morgen im Mittelacker 3 Scheffel, ein Morgen Sand 2 Scheffel. Nehmen wir nun unser Feld, so weltbekannt, daß es nur Sand, und setzen uns aufs höchste zu Mittelland, so kommt die rechte Proportion nach der in anno 1506 ausgeschriebenen Repartition über Roß und Mann zu 15 Erben, und dieses ist das Aeußerste, was unser armes Städtlein thun kann, und haben die Alten vor 100 Jahren schon eingesehen, daß Lage nicht höher in Erbe gesetzt werden kann. Man lege nun die Landmessung von 1726 zu Grunde, bonitire den Acker, untersuche und taxire die Häuser, Nahrung und Gewerbe eines jeden Ortes, es ist eine Gleichheit unter den Städten in solcher Weise ausfindig zu machen u. s. w." Auf einer andern Stelle schreibt gleichfalls der Rath, nachdem er den Verlust der Ländereien aufgezählt hat daß vor dem dreißigjährigen Kriege nach Klüver Lage 26 volle Erbe, 9 halbe und 10 Buden, zusammen 33 Erbe gehabt, und daß also, nachdem so viel Landes abgekommen, doch unmöglich 52 1/2 Erbe angesetzt werden könnten. Es sei doch nicht mehr als billig, daß die Herren vom Adel, die die Pertinentien für solche Bagatelle zu der Zeit bekommen, auch schuldig sein,

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davon dem Landesherrn zu contribuiren." - Man kann nicht umhin, die Beschwerden der Stadt bei genauerer Prüfung als berechtigte anzuerkennen. Ein Steuer=Modus, der vor dem großen Kriege bei dem ruhigen, gleichmäßigen Wohlstand der Städte vielleicht nicht so ungerecht war, durfte unmöglich bei den ganz veränderten Verhältnissen, die insbesondere in den Städten geschaffen waren, wieder aufgenommen werden. Lage war zur Zeit gar nichts weiter als ein großes Dorf ohne nennenswerthen Handwerksbetrieb. Nicht die gesammten Einwohner wurden gleichmäßig getroffen, sondern die Hausbesitzer vor allem. Sein Haus war vielleicht verfallen, und oft recht leer, seine Grundstücke waren verschuldet, wenn sie nicht schon längst vom Hause losgerissen waren, und dabei mußte er, weil er doch ein nach alter Anschauung so bezeichnetes ganzes oder halbes Erbe besaß, mehr geben, als ein reicher Mann, der Handel trieb und ein ausgedehntes Geschäft hatte, weil dieser letztere ein Haus hatte, zu dem vor Alters gar keine Grundstücke gelegt waren, das also für ein kleines Erbe galt, auch wenn die Stätte stattlich bebaut war. Die großen Ackerbesitzer gaben oft weniger, wie die kleinen Hausbesitzer, die außerdem noch die Einquartierungslasten zu tragen hatten. Ein Vergleich der Städte unter einander ergiebt, daß damals die notorisch kleinsten und ärmsten unverhältnißmäßig mehr steuern mußten, als die wohlhabenden und besser bevölkerten. Lage gab von 52 1/2 Erben, die angeblich vorhanden sein sollten, z. B. 1727 412 Thlr. 36 ßl.

Die Oeconomie in Rostock hatte aus alter Zeit in Lage ein Lehen aus dem Oeconomie=Acker in der Höhe von 6 Gld. 16 ßl. In der Kriegszeit von 1633 - 1667 hatte die Stadt nichts bezahlt, weil 1637 - 1657 "der Acker nur Blumen trug," 1638 und 1659 die Stadt abbrannte. Später 1683 wußte die Oeconomie dem etwas ungeschickten Bürgermeister Rosenow gegenüber die Anerkennung der auf 265 Gld. 5 ßl. aufgelaufenen Schuld und deren Verlegung auf die Langkavel=Wiesen zu erreichen. Diese mußten jährlich 6 Gld. 16 ßl. Lehnsgeld, 13 Gld. 8 ßl. Zinsen, dazu 30 Gld. Rathsgelder tragen. Abermals durch nachlässige Wirthschaft in der "herrenlosen, der schrecklichen Zeit" wurden die Zinsen nicht bezahlt, so daß schließlich die Schuld von 400 Gld. auf der Wiese lag. Die Nutznießer derselben, die Bürger, welche sie unter sich verkavelten und das Heu nicht entbehren konnten, mußten dasselbe oft theuer bezahlen.

Argwöhnisch späheten sie allmählich nach Jemandem aus, dem sie die Schuld an den sich steigernden Calamitäten beimessen konnten. Alle Augenblicke kam Execution von Rostock mit der

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Mahnung wegen nicht bezahlter Gelder, und da ja die meisten nicht lesen konnten, so tauchten 1725 erst heimlich, dann immer dreister, endlich mit offener Entrüstung die Anschuldigungen auf, daß der Rath, d. h. Artener im Verein mit dem übermüthigen Andreas Vogt, (Saß kam als alter Mann und schwacher Charakter nicht in Betracht), die Bürger schmählich betröge, 153 Thlr., die auf Bitten der Stadt von der Steuer nachgelassen waren, unterschlagen, nicht alle Aecker auf dem Stadtfelde in die zur Steuer=Erhebung entworfene Specification eingetragen, sondern etliche aus Gunst verschont habe. Die Erregten beschlossen, die Gelder nicht an die Beschuldigten (ein Kämmereibürger war wieder einmal nicht da!) abzuliefern, sondern selbst einzuziehen, um ferneren Unterschleifen vorzubeugen. Selbstverständlich erhielt der Stadtdiener, so oft er mahnend zu ihnen gesandt wurde, Prügel. Sodann forderten sie, indem sie ihren Verdacht in Rostock bei der kaiserlichen Commission, die den Landkasten verwaltete, vorbrachten, vor allem die Absendung eines Landmessers, der genau die Feldmark aufzunehmen habe, um eine richtige Grundlage für die fernere Besteuerung zu liefern. 1726 wurde der Conducteur Balsleben gesandt, der die Aufnahme rasch beendete, wonach seine Angaben dem Bürgermeister Artener zugesandt wurden, um sich darnach zu richten.

Damit waren aber Jacob Kehle, Hartwig Rosenow, Johann Siewert, Hans Gadewols, Daniel Holtzmann u. a. nicht zufrieden, sie forderten laut die Herausgabe der Specification und des Extractes, nach dem in Zukunft die Steuern erhoben werden sollten. Das wurde ihnen verweigert. Zuerst schimpften sie, "sie wollten Artener den Buckel voll schlagen und den Kopf entzwei kleiben;" "Artener will die Bürger jetzt schleifen, doch das kommt wohl vorbei, dann wollen wir ihn, seine Frau und Kinder wieder schleifen." "Wir wollen dem großäugigten Schuft einen Strick um den Hals thun, ihn ins Wasser ziehen, und alle Bürger sollen nachstoßen." Einer hetzte den andern. Dann drangen sie im Januar 1727 mit wüthendem Geschrei auf das Rathhaus und forderten drohend die Specification. "Schlagt zu, ich schlage mit!" schrie Jemand - wer war es? - die Fäuste reckten sich aus, Artener aus dem Fenster zu werfen, worauf er durch eine Seitenthür flüchtete und in sein Haus entkam. Mit Gewalt holten die Aufrührer von dort die Stadtlade, brachten sie auf das Rathhaus, versiegelten sie und erklärten: "Sie wüßten in Zukunft von keinem Rath." Um seinen zugedachten Lohn kam Artener auch nicht, denn gelegentlich prügelte ihn auf dem Wege zur Kirche Jemand gehörig durch.

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Die Empörer constituirten sich selbständig als Behörde, nahmen einen neuen Rathsdiener an, den sie in die Thorbude setzten, zogen die Stadtgefälle ein, enthielten dem Rath sein Salarium vor; um Geld zu schaffen, fällten sie Stadteichen, wobei Artener erschien und Protest erhob, jedoch nur, weil Cantor Nicolai, der schießkundige Mann, der sich zu solchem Zwecke gern mit Artener vertrug, par nobile fratrum, mit geladener Flinte ihm das Geleit gab. Beide Theile wandten sich sofort an die höhere Instanz. Artener behauptete bei der kaiserlichen Commissson, daß die Bürger Sabbathschänder, Spieler und Säufer wären, die ihn schnöde verleumdeten und ihn mit Schandschriften "an dem öffentlichen Pranger beschandfleckten. Wenn aber nur der Priester und einige von uns fleißig mit ihnen zu Bierhause der alten Gewohnheit nach gingen, en camerade mit ihnen beim Kegel= und Kartenspiel säßen, würde es besser sein, wie jetzt." Die Bürger erklärten bei Carl Leopold, Artener halte es mit der kaiserlichen Commission, er lege vor derselben Rechenschaft über seine Ausgaben und Einnahmen nur mit verfälschten Quittungen ab und verkleinere den Herzog, dem er seine Ernennung verdanke, schändlicher Weise. Sie wollten die Specification schriftlich haben, auch ein Protokoll solle ihnen herausgegeben werden, welches ihnen früher listiger Weise abgeschwindelt sei, daß sie den Rath wegen etwaiger Execution der Commission schadlos halten wollten, denn seitdem sie sich zu solchem Versprechen verstanden hätten, habe der Rath sie betrogen. Zur Repartition der jedesmaligen Contribution sollten die Viertelsmänner und außerdem drei aus jedem Viertel zu wählende Bürger zugezogen werden. Alle Baumgelder von den Thoren an Jahrmärkten müßten der Kämmereikasse zufließen. Artener müßte die von ihm unterschlagenen Gelder ersetzen, da sich herausgestellt habe, daß die von ihm vorgebrachten Quittungen gefälscht seien, auch wünschten sie nach dem alten Licent=Modus zu contribuiren.

Da indessen diese Sache vor die Justiz=Canzlei in Dömitz gehörte, so erhob Artener dort den Proceß, natürlich wieder zum Verdruß der Bürger, welche es lieber gesehen hätten, wenn ihre Angelegenheit als Verwaltungs =, nicht als Justiz=Sache angesehen und durch eine fürstliche Commission untersucht wäre. Während der fünf Jahre, durch welche der Proceß sich hinzog (1727 - 1732), blieben die Verhältnisse in der Stadt so verworren, wie sie sich nun gestaltet hatten. Sobald Artener den Versuch machte, die Landescontribution einzuziehen, traten die Bürger tumultuarisch ihm entgegen, er reiste nach Rostock und holte Execution; Lüneburger kamen und trieben das Geld zusammen, sobald sie abzogen, ging

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der Lärm wieder los. Die kaiserliche Commission verlangte hauptsächlich, daß sie das Geld erhielt, im Uebrigen mußte die Stadt sehen, wie sie fertig wurde, die städtische Verwaltung war von Dömitz aus zu regeln. Die Commission nahm allerdings, und das läßt auch auf ihr Urtheil über Artener schließen, demselben das bisher mit seiner Stelle verbundene Zöllneramt und gab es einem Lager Lorenz Strüwing; natürlich reichte Artener seine Beschwerde über den Eingriff in herzogliche Rechte ein. Um die angeblich unterschlagenen Gelder wieder zu erhalten, nahmen ihm die Bürger 108 Stiege Roggengarben vom Felde, aber Execution zwang sie zur Herausgabe.

An die Spitze der Widerspenstigen trat nun um 1729 der zweite Rathsherr Jacob Bunkenburg, der bisher sich wohl staatsklug zurückgehalten hatte, und er nahm die Sache entschlossener in die Hand, wußte auch die richtigen Hebel gegen den Bürgermeister Artener einzusetzen. Dessen Collegen Saß konnte er im December 1729 aus seiner Schwäche herausreißen und von demselben sehr belastende, beglaubigte Aussagen, die für die Entscheidung der Streitsache ins Gewicht fielen, erreichen. Saß erklärte auf seinem Sterbelager: "Artener habe ihn veranlaßt, aus der Stadtlade schon vor längerer Zeit die wichtigsten Stadtschriften (Registraturen, Quittungen u. s. w.) zu nehmen und ihm auszuhändigen, damit er sie in seinem Hause aufbewahre. Sein Gewissen dränge ihn, solches zu bekennen, damit Artener zur Rückgabe angehalten werden könne." (Artener hatte immer betont, daß diese Schriften verloren gegangen seien, und er nicht ganz genaue Rechnung abzulegen vermöge.) Ferner habe Artener Geld von den Bürgern erhalten, um den Versuch einzuleiten, das Lager Moor, das schwer verschmerzte, wieder zu erwerben, doch habe er es eingesteckt. - Die Sammlung von Zeugenaussagen ergab weitere schwere Anschuldigungen: Artener hatte immer behauptet, er habe aus eigner Tasche Auslagen zur Schuldendeckung gemacht, aber er hatte diese Schulden aus dem Ertrage abgeschlagener Eichen gedeckt. Kinder=Zinsen (Mündelgelder) habe er eingenommen und nicht bezahlt, so daß Vormünder und Kinder fortwährend Forderungen hätten. Was er an Stadtgeldern einnahm, verwendete er zu dem gegen die Stadt geführten Proceß u. s. w. Diese Anklagen gingen an den Herzog nach Danzig, wohin derselbe sich, wie oben bemerkt, gewendet hatte durch eine aus 6 Mitgliedern bestehende Gesandtschaft, worauf Artener bei der Commission anzeigte, diese sechs Läufer (wie er, sich ausdrückte) wären heimlich gesandt, um die Commission zu verkleinern. Inzwischen war Saß gestorben, der Herzog kehrte aus der Ferne

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zurück, in höchster Aufregung bat die Stadt 1730 um Bunkenburg als Bürgermeister und um Absetzung von Artener. Doch bestimmte Carl Leopold, wie es ja auch nicht anders sein konnte, daß Artener einstweilen noch bis zum Austrag der Sache im Amte zu bleiben habe, seine Emolumente beziehen, aber binnen drei Wochen Rechenschaft ablegen müsse; seine Rechnung solle den Bürgern zur Einsicht vorgelegt werden, darnach solle die Entscheidung kommen. Es fand ein großer Auflauf statt, und die Bürger gelobten sich, unter keinen Umständen Artener zu gehorchen, es möge Kopf und Kragen kosten, vielmehr wollten sie ihn bei Gelegenheit "aus dem Dinge herausjagen", weil keine Einigkeit im Orte sei, so lange er regiere, alles Unheil der Stadt sei von ihm gekommen.

Der arme Pastor Clasen war in diesen Zeiten in schlimmer Lage. Sein Gewissen verpflichtete ihn, die Rebellion zu mißbilligen, weil sie gesetzlos war, aber darum richtete sich der Zorn der Empörer gegen ihn. Flehentliche Briefe schrieb er an den Herzog, wie alle Justiz im Orte darniederliege, Schlägereien täglich sich mehrten. Kein Gerichtstag könne gehalten werden, weil Niemand erscheine, der vorgeladen sei, alles bleibe unbestraft, darum käme der Grundsatz auf: "Ich will mein eigner Richter sein, in Lage ist doch kein Recht, da geht Gewalt vor Recht." Prügelei sei Sitte geworden, für den abwesenden Mann werde wohl auch mal die Frau geprügelt Alle fürstlichen Mandate schafften nur größere Aufregung, es müßte eingeschritten werden, ehe Menschenblut fließe; er möchte gerne aus diesem gottlosen Orte mit Freuden gehen, weil er, wenn er einmal Strafpredigt thue, wegen der Rache in steter Angst sein müsse. "Wenn Ihrer Fürstlichen Durchlaucht Justice nicht endlich mit Nachdruck den Proceß hebet", so schreibt Clasen, "so entsteht ein Unglück, dem ich bisher gesteuert, wie mir noch neulich ein Bürger unter die Augen sagte, oder dabei nicht stille schwieg. Gott helfe mich los von den unartigen Leuten." Am 6. Novbr. 1730 bat er noch einmal "um Christi Blutstropfen willen, daß der Sache ein Ende gemacht würde."

Indessen zog die Erledigung der Streitsache sich doch wesentlich in die Länge, weil einerseits der Herzog sich, wie wir oben sagten, nach Auflösung der kaiserlichen Commission und vor Einsetzung des Commissarius perpetuus mit großen Plänen über Landesaufgebot trug, andererseits auf den anberaumten Terminen die Bürger nicht erschienen unter dem Vorwande, sie hätten Saatzeit oder sie waren nicht rechtzeitig geladen. Dagegen allerdings sagte Artener, sie wollten nur das einmal ergriffene Ruder nicht

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fahren lassen. Wer nicht in ihren Rath stimme und zum Processe Geld gebe, der sei in Gefahr, daß ihm die Fenster eingeworfen würden. Bunkenburg gewann immer mehr die Oberhand und versuchte nun auch, um als einer, der um der Stadt Rechte eifrig sorge, zu erscheinen, zum größten Verdruß von Clasen die Cantorats=Besetzung an sich zu ziehen. Nicolai war, wie bemerkt, gestorben, und Clasen brachte Stahl in Vorschlag. Sofort petitionirte Bunkenburg an den Fürsten, er solle den Studiosus Schweder nehmen, der in Kobrow conditionirte. "Sie hätten immer die Permission gehabt, sowohl einen Prediger, wie einen Cantor vorzuschlagen und zu erwählen, und dieser Schweder würde anjetzt von ihnen beliebt." Unterzeichnet wurde diese originelle Eingabe: Stadtobrigkeit und Bürger. Jacob Bunkenburg. Viertelsleute Daniel Holtzmann, Jacob Daniel Howe, Hinrich Kampmann, Johann Behrens, Jacob Frahm und 45 Bürger. - Selbstverständlich konnten sie mit ihrem Plane nicht durchdringen, aber Bunkenburg war doch der Held, weil er sich die Butter nicht ohne Weiteres vom Brot nehmen ließ. Wenn der Pastor Jemanden wegen ärgerlichen Lebens in sein Haus citirte, so ging derselbe erst zu Bunkenburg und fragte, ob er wohl kommen müsse, und dieser hetzte nach Kräften zum Ungehorsam auf.

Die Verwirrung stieg auf den Gipfel, sobald etlichen der Haupträdelsführer es schien, als ob Bunkenburg mit Consorten zu eigenmächtig regierte, insbesondere versagten ihm Daniel Holzmann und Jacob Frahm die Folge und petitionirten sogar für Artener. Kurzum, zuletzt wußte keiner, was er wollte und was er sollte.

Ich führe, um den Vorfall lebendig zu illustriren, den Verlauf einer Rechtssache an, die gerade in diese Zeit fiel. Reibungen zwischen den Bürgern und den Wardower Leuten traten sehr häufig auf. Wenn ein Lager bei solcher Gelegenheit auf dem Felde einmal Prügel bekam und sich bei dem Wardower Herrn von Lehsten beschwerte, dann schimpfte dieser, die Lager wären zum Theil Kanaillen und drohte dem Kläger auch seinerseits noch mit Prügeln. Natürlich vergalten die Bürger seinen Leuten wo sie konnten. Es kam wohl gar zu einem Gefecht mit Stakelforken. Besonders trutzig zeigte sich auf Wardower Seite der Diener Carl Hoff, er hatte eine Fehde mit dem Schuster David Vogt. Ganz ritterlich sandte er einst einen Cartellträger zu ihm und ließ ihn zum Zweikampf auffordern mit dem Satze: "Der Schusterbengel, der Hundsfott, solle mal raus kommen auf die Straße!" Aber der Geforderte kam nicht. Nun sandte von Lehsten am 4. Februar

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1732 ein Fuhrwerk mit Fischen nach Lage, und sein Diener Hoff mußte beim Verkauf thätig sein. Als der Wagen von Leuten umdrängt war, trat Vogt von hinten herzu und demonstrirte dem Feinde seine Gesinnung so nachdrücklich mit einem Knüppel, daß Hoff sofort blutend zusammenbrach. Lehsten klagte also beim Stadtvogt Artener, derselbe setzte einen Gerichtstag an, und da zu diesem Beisitzer nöthig waren, lud er Bunkenburg ein. Der ließ ihm sagen, das wäre keine Stadtsache, er käme nicht. Da machte sich Artener mit Zeugen zu David Vogt auf, ging in dessen Haus und fragte, ob er Caution stellen wolle, daß er nicht entwiche, sonst müsse er ihn in Haft nehmen. Vogt lachte ihm ins Gesicht und erklärte, er wolle mal sehen, wer ihm was wolle. Artener, der die Bürger fürchtete, ließ seine Forderung fallen. Weil nun Lehsten entschlossen war, seinem Diener Recht zu verschaffen, so drängte er wieder an und nöthigte den Stadtvogt, auf den 4. März einen Gerichtstag anzusetzen. Vogt hatte aber seine guten Freunde, am Termin war bei Ankunft des Richters das Rathhaus verschlossen, der Kunstpfeifer Hennings, der das Schließeramt hatte, war ausgereist und hatte angeblich den Schlüssel mitgenommen. Der Stadtvogt war außer sich und wollte des Schließers Frau sprechen, weil er jener Angabe nicht traute. Sie war nicht zu Hause. Sogar des Stadtvogts Tochter mischte sich ein und lief suchend in der Stadt herum, endlich fand sie die Frau, aber diese war im Hause einer Bekannten schnell ins Bett gekrochen und stellte sich krank. Als schließlich die Stadtrichter=Tochter sich in ihrer Erregtheit so vergaß, daß sie auch gegen Vogt sich heftig äußerte, erklärte dieser, sie für eine Kanaille und Hure. Jetzt setzte der Stadvogt einen Gerichtstag bei sich im Hause an. Vogt erklärte, er käme nicht anders, wie nur auf das Rathhaus. Am 8. März gefiel es ihm, sich auf dem Termin zu stellen, selbstverständlich 1 1/2 Stunden zu spät, und da begann er sehr patzig: "Warum denn von ihm solch ein Wesen gemacht würde, und bei anderen Vorfällen würde kein Gericht gehalten? Aber hier wäre wohl was zu ziehen, hier säße ja ein Edelmann dahinter. Was des Hauptmanns Schreiber hier solle, raus müßte der, so würde aus der Sache nichts. Der Stadtvogt mache mit Reden so viel Wind; ja, er habe Hoff geschlagen, weil dieser ihn einmal einen Schusterbengel genannt habe. Warum er Hoffs Beleidigung nicht geklagt hätte? Weil er vor dem Edelmann keinen Bückling habe machen wollen." - Das Urteil lautete auf 14 Tage Gefängniß und Tragung der Kosten. Vogt wischte mit der Hand über den Tisch und sagte: "Ich gebe nicht soviel, und ins Gefängniß gehe

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ich auch nicht. Wohin will der Vogt mich schließen, der mag nur erst aufschließen, dann will ich schon reingehen." Damit war die Angelegenheit in Lage erledigt, Artener war völlig ohnmächtig zur Durchsetzung der Strafe. Lehsten indessen, der diese Sache durchaus nicht stecken lassen wollte, wandte sich an die fürstliche Regierung, und da der Herzog damals dem Adel sich gefällig erweisen wollte, um das beabsichtigte Landesaufgebot durchzuführen, so wurde Vogt nach Schwerin citirt. Dem wagte er nicht zu widersprechen, so stellte er sich denn und saß seine Strafe dort ab. Wie viele solche Sachen aber sind wohl im Sande verlaufen, weil kein einflußreicher Mann sich derselben annahm.

Die Zeit, daß die commissarische Verwaltung noch nicht geordnet war, benutzte nun Carl Leopold, um endlich am 29. März 1732 das Urteil in der Sache der Bürger gegen Artener zu sprechen. Derselbe wurde als Bürgermeister abgesetzt, jedoch unbeschadet seiner Ehre (!), er blieb seltsamer Weise Richter. Er sollte Stadtsiegel und Schriften an Bunkenburg abliefern, und als er zögerte, griff dieser schnell zu und setzte ihn mit Hülfe der Tessiner acht Tage gefangen. Im August 1732 kam der Rath Fabricius nach Lage und setzte Bunkenburg als Consul, Andreas Getzmann und J. Chr. Buhse als Rathmänner ein. Natürlich protestirten sofort Rosenow und Holtzmann, die ihrerseits auf solche Posten gerechnet hatten, daß die Rathsverwandten ohne Wahl der Bürger einfach eingesetzt wären, da sie doch regelrecht erwählt werden und 25 Thlr. an die Kämmereikasse zahlen müßten. Dennoch ging der Act vor sich. Die Stadtschriften, die der neue Rath übernahm, waren meistens werthlos, und es wurde Artener befohlen, den Rest abzuliefern, indessen entschuldigte er sich, er habe denselben nach Schwerin gesandt. Nachdem abermals ein Kämmereibürger eingesetzt war, der unabhängig vom Rathe die Gefälle einziehen sollte, schien alles wieder in ein gutes Geleise gebracht. Andreas Vogt, der früher so übermüthige Rathmann, war in den Stürmen allmählich eingeschüchtert zurückgetreten, er wurde auch Bürgermeister, aber hatte, alt und gebrochen, gar keinen Entschluß, und die Dinge gingen ohne ihn ihren Gang weiter.

Indessen müssen wir sagen: Leider schien nur alles in ein gutes Geleise gebracht zu sein, denn die neue Ordnung war so einseitig vom Herzog geschaffen, daß, sobald die kaiserliche Verwaltung bei den schaukelnden Verhältnissen wieder Macht gewann, auch der Umschwung der Dinge sich in Lage bemerkbar machen mußte. Zur Veranschaulichung der schwankenden Zustände stellen wir die Schicksale des Webers Bahr dar. Derselbe hatte in der gesetzlosen Zeit

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eine arge Prügelei veranstaltet, so daß der Stadtvogt ihn vor Gericht citirte. Freilich kam er nicht, doch Artener nahm ihn in der Stille aufs Korn. Als das Landesaufgebot gegen die kaiserliche Verwaltung durch den Herzog erlassen wurde, prahlte Bahr gewaltig, daß er demselben zuziehen wollte, alle, die es mit dem Kaiser hielten, müßten draufgehen, Artener schwieg stille. Das Aufgebot wurde zerstreut, die Lüneburger beruhigten das Land, Artener holte Execution und erzwang von Bahr 10 Thlr. Strafgelder. Dieser war ganz klein. Jetzt rückten die Preußen ein, die Lüneburger wichen zurück, Bahr höhnte und ärgerte Artener öffentlich, derselbe schwieg stille. Die Preußen zogen sich zurück, gelegentlich kam ein Commando Holsteiner, Artener ließ Bahr durch Soldaten aus dem Bett holen, sechs Tage einsperren, eine Kuh ihm abpfänden und verkaufen; dazu mußte er 3 Thlr. zahlen und in Gegenwart des Pastors Urfehde schwören, daß er dem Artener nichts nachtragen wollte. Im Uebrigen schadete dem Bahr solches Schicksal nicht, denn er war einer von denen, die dem Faustrecht am meisten huldigten. Aber welche Zustände, wenn die geschilderten Schwankungen sich in 18 Monaten (Sept. 1733 bis Febr. 1735) vollziehen konnten!

Selbstverständlich benutzte Artener noch eifriger günstige Gelegenheiten, um sich an seinen bittersten und zähesten Gegnern, denen er den Sturz aus seiner Macht verdankte, zu rächen. Freilich wagte er, gewohnt immer mehr heimlich und hinterrücks seine Absichten zu verfolgen, auch nicht gegen den durch herzogliches Ansehen geschützten Bürgermeister vorzugehen, so lange die Stadt sich in der rechten Stellung zum Gericht erhielt. Sie war durch ein geschärftes herzogliches Edict 1732 angewiesen, sich in Zukunft der Rechtspflege nicht hinderlich zu beweisen, einen Gerichtsdiener zur Verfügung zu stellen, zwei Gerichtsbeisitzer aus Stadtmitteln zu halten, eine Gerichtsstube einzuräumen, und was solche Dinge zur Erzielung guter Ordnung mehr waren. Aber wenn man nur suchte, ein Grund zum Streit mußte sich schon finden. Artener horchte freudig auf, als die Stadt Anspruch auf den sogenannten Abschoß oder Decem erhob, d. h. Verzehntung der Erbschaften unverheiratheter Leute nach Ablassung der Hochzeits= und Ehrenkleider, sowie Verzehntung der Gelder, die die aus der Stadt Wegziehenden durch Verkauf ihrer Grundstücke eingenommen hatten. Artener behauptete, als die Erben des Cantors Nicolai ihren Grundbesitz an den Rathmann J. Chr. Buhse verkauften (1732) unter der Bedingung, daß er den Abschoß trage, daß diese Einnahme dem Gerichte gebühre, er habe viele Vorschüsse gemacht, und

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es sei nicht abzusehen, wie er zu seinem Rechte kommen solle, wenn solche Einnahmequellen verstopft würden. Bunkenburg forderte den Abschoß für die Stadt. Wir wissen, daß in früherer Zeit es Regel war, daß aller Abschoß getheilt wurde, so daß zwei Drittel an den Fürsten resp. sein Gericht, ein Drittel an die Stadt kam. Da aber aus dem Leser schon bekannten Gründen alle wichtigeren Stadturkunden verschwunden waren, so irrte allerdings Bunkenburg mit seiner Forderung, aber doch nur theilweise, war aber auch nicht der Mann, ohne Weiteres ein betretenes Feld zu räumen, Behauptung stand gegen Behauptung. Buhse bezahlte natürlich der Stadt den Abschoß. Als nach dem Scheitern des Landesaufgebotes (1733) die Lüneburger kamen, rief Artener sie gegen die Vergewaltigungen des Rathes an, und Bunkenburg mußte sich dem Arrest durch die Flucht entziehen. Mit den Preußen tauchte er indessen wieder auf. Nach deren Abzug reiste Artener mit Jacob Frahm heimlich nach Rostock und erwirkte von der Commission die Verurtheilung des Rathes zur Herausgabe des Abschosses, bei welcher Gelegenheit er nicht versäumte, seine Ergebenheit gegen die kaiserliche Verwaltung zu geloben und dem Herzog abzuschwören. Heimlich, um nicht als Anstifter erkannt zu werden und in Folge dessen bei den Bürgern später in Gefahr zu stehen, begleiteten beide Verräther das ihnen zur Verfügung gestellte Commando verkleidet, Artener hüllte sich in einen rothen Mantel, Frahm lieh sich in Prisannewitz ein Bauerngewand. So kamen sie plötzlich vor das Haus des Bunkenburg, der zum Glück rechtzeitig gewarnt war und mit dem Rathmann Getzmann entfliehen konnte. Sie eilten, da sie sonst im Lande nicht sicher waren, stracks nach Wismar. Dagegen wurden der zweite Rathmann Buhse und der Commandeur der Schützenzunft Siewert gefangen genommen. Artener trat nun offen hervor und ließ seiner tückischen Rache den vollsten Lauf. Eifrig hetzte er die Soldaten, sich ja nichts abgehen zu lassen, sie zwangen Bunkenburgs Frau, Bier, Branntwein und Tabak im Ueberfluß zu schaffen, und immer wieder erklärte der triumphirende Stadtrichter: "Das Weib und der Kerl können nicht genug gequält werden." Man nahm also (jedenfalls als Ersatz für das verweigerte Abschoßgeld) Schafe, Schweine, Hühner und Gänse, Leinen und Hafer, soweit die Soldaten nicht von dem Raub für sich gebrauchten. Der Hauptmann legte Beschlag auf einen Koffer mit Schriften und Briefen und forschte die ganze Nacht nach Anhaltspunkten, die Bunkenburgs Schuld beweisen könnten; schließlich am Morgen sagte er enttäuscht: "Der Kerl (Artener) giebt viel an, kann aber nichts beweisen." Auf der Straße fand der Söldnerführer Bunkenburgs

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Kinder, wie sie um Brot weinten, mitleidig und allmählich mißtrauisch in Arteners Sache kaufte er selbst Brot und Butter und sättigte sie. Bei dieser Gelegenheit soll Bunkenburgs Frau in ihrer Bedrängniß, in der alle mühsam erworbene Habe verloren ging und sie in bittere Noth gestoßen wurde, einen schweren Fluch über Artener ausgesprochen haben, daß noch einst die Thiere mit seinem Leichnam herumstoßen sollten, und die Sage (siehe Anhang) hat uns erhalten, wie dieser Fluch an dem schlimmen Manne sich vollzog.

Artener wurde nun abermals durch commissarischen Befehl zum Bürgermeister eingesetzt und drangsalirte die Bürger heftig. Siewert und Buhse wurden nach Rostock geschleppt und mußten zunächst 9 Wochen im Zwinger in harter Kälte sitzen, darauf wurden sie nach Güstrow abgeliefert, woselbst sie noch 15 Monate im Gefängniß gehalten wurden, weil Artener sich nicht beeilte, seine Anklagen eingehend zu beweisen; als sie endlich loskamen, war der Bürger Siewert wenigstens ein Bettler. Gegen Mitte des Jahres 1735 waren Bunkenburg und Getzmann noch in Wismar, wohin sie gegen Ende 1733 geflohen waren, wiederholt gingen ihre Klagen an Carl Leopold, der selbst ja von Schwerin nach Wismar geflüchtet war und nicht helfen konnte.

Die Zeiten wurden ruhiger, bei genauerer Untersuchung kam dann die wahre Sachlage zu Tage, Artener mußte innerlich knirschend seine Consulwürde wieder niederlegen. Bunkenburg kehrte zurück. Aber noch im Jahre 1736 mußte derselbe sich beschweren, daß, obgleich die ihm geraubten Schriften an Artener mit dem Befehl gesandt seien, sie ihm wieder einzuhändigen, er noch nichts davon gesehen habe. Erst ein Jahr darauf kam er in den Besitz. Artener machte, als 1737 Bunkenburg starb, nachdem Andreas Vogt ihm ein Jahr zuvor im Tode vorangegangen war, noch einmal den Versuch, seine frühere Würde wieder zu erwerben, jedoch vergebens, er verlor allmählich alle Bedeutung. Jürgen Christoph Buhse und Lorenz Anton Kuhr wurden Bürgermeister, Getzmann und Johann Heinrich Vogt waren Rathmänner.

Ueber den Schaden der Stadt in solchen schlimmen Zeiten läßt sich nichts Bestimmtes angeben. Vielleicht kann man aber sich den rechten Begriff machen, wenn man bedenkt, daß 1736 etwa 80 Bürger im Orte waren, wovon über 30 Tagelöhner, die das Ihre fast zusammen bettelten, über 40 Besitzer, die zwar etliche Morgen bebauten, aber so sehr verschuldet waren, daß sie nichts mehr ihr eigen nannten. Vom November 1733 bis März 1736 hatte die

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Stadt allein an die Preußen etwa 2395 Thlr. (Naturalien zu Geld gerechnet) zu liefern. Dazu setze man die Ausgaben für andere Truppen, Executionen, Processe u. s. w. Frank giebt als Kosten der Einqartierungslasten, die der Stadt durch Preußen auferlegt wurden, 1073 Thlr. 14 ßl. an. Und wie unter dem Drucke des Deutsch=holländischen Krieges, so erhebt der Rath in seinen Eingaben die Klage, daß die Bürger nicht in der Stadt bleiben wollen, sondern nun, da die Ritterschaft wieder in Sicherheit wohnt, auf die adligen Höfe ziehen. Und abermals strebt ein Wardower von Lehsten die Nothlage auszunutzen, um die Stadtangelegenheiten zu beeinflussen und zu seinem Vortheile auszubeuten. Er gedachte thunlichst viele Stadtländereien möglichst billig zu erwerben und an seine Güter zu bringen. Da die Besitzer die Aecker, die meist verpfändet waren, nicht halten konnten, so mußten sie bei einiger Aussicht auf klingende Münze leicht zum Verkauf zu locken sein. Die Gefahr lag dann darin, daß nicht bloß der Ertrag auswärts verbraucht wurde, sondern daß vielleicht gar die auf solchen angekauften Grundstücken liegenden Stadtlasten beseitigt wurden. Zum Glück waren die Bürger auf ihrer Hut.

Die Grundstücke des weiland Bürgermeisters Bölckow, der in den achtziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts lebte, wurden durch die auswärts lebenden Erben zum Verkauf gestellt, und der Bürgermeister Buhse wurde sofort von der Stadt bevollmächtigt, den Ankauf einzuleiten. Er verhandelte mit einem Rostocker Bölckow, der im Verein mit seinem Bruder von den sämmtlichen Erben mündlich Vollmacht zum Verkauf erhalten hatte, und schloß den Kauf für 540 Thlr. ab, worauf 100 Thlr. sofort ausgezahlt werden sollten. Beim Zahlungstermin wurde indessen von den andern Erben Einspruch gethan, weil dieselben inzwischen mit dem Hauptmann von Lehsten verhandelt und um höhern Preis abgeschlossen hatten. Sehr oft war dieser schon übermüthig gegen die Städter gewesen, wiederholt hatte er die Feldmark vor und nach der Ernte bejagt u. s. w., so daß die Stadt in heftigste Erregung gerieth, und nun kam er gar mit sechs Leuten, die zum Theil geladene Gewehre trugen, nach Lage, ging in das Bölckowsche Haus, legte ein Paar geladene Pistolen vor sich auf den Tisch und erklärte, er wolle hiermit von seinem rechtmäßigen Eigenthum Besitz nehmen. Feierlich kamen Bürgermeister und Rath indessen herbei und protestirten sofort gegen die Besitznahme, "wodurch der actus possessionis abrumpiret ist." Die Stadt behauptete nämlich als ihr altes Stadtrecht, das von Urzeit her gegolten habe daß immer ein Bürger vor einem Fremden das Vorkaufsrecht habe, daß der

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Nachbar jedesmal das nähere Kaufrecht besitze, der Miethsmann das allernächste, und daß immer die Onera, die auf der Stelle hafteten, auf den Käufer übergingen. Allerdings war sie nicht im Stande, dieses Recht urkundlich zu belegen, aber es wurde doch durch alte Leute sicher bezeugt. (Man erzählte, daß einst zwei alte Bürger mit der Stadt besten Urkunden sich zum Geheimrath von Viereck in Zapkendorf begeben hätten, um dessen Ansicht als Bürgervorsprecher in einem besondern Falle zu hören, aber diese seien später betrunken in einem Graben gefunden und die Schriften seien verschwunden.) Der Herzog Carl Leopold, dem die Stadt ihre Noth vortrug, unterstützte auf ihren Wunsch dieses Recht mit folgender Urkunde: "C. L. Demnach uns die Ehrsamen Unsere liebe getreuen Bürgermeister und Rath sambt der Bürgerschaft der Stadt Lage supplicando unterthänigst zu vernehmen gegeben, welchergestalt einige Bürger intentioniret wären, ihre Häuser und auf dem Stadtfelde liegenden Ländereyen an auswärtige und angrenzende zu veräußern und solcher gestalt zur Schmälerung der Scheiden und Grentzen Anlaß zu geben, welches, wenn es zum Zweck kommen sollte, dem publico zum höchsten Nachtheil und Verderb gereichen würde, Wir aber solche verderbliche und unzulässige alienationes nicht gestatten können noch wollen, als inhibiren und befehlen wir hiermit der gesambten Bürgerschaft und allen Einwohnern besagter Stadt Lage, daß keiner von ihnen, wer der auch sey, seine zu Stadt Recht liegenden Häuser und Ländereyen an einen Auswärtigen und angrentzenden, er mag Nahmen haben, wie er will, veräußern, sondern ein Jeder, wenn er sie aus Noth verkaufen muß, dieselben seinen Mitt=Bürgern, nach dem tax zweier unpartheyischer, von dem Magistrate dazu verordneter und beeydigter, der Sachen verständiger Bürger und Hauswirthe überlassen, auch solches bei Vermeidung schwerer willkürlicher Strafe benebst gerechter Cassirung und Annullirung alles darüber vermeintlich abgehandelten nicht anders handeln solle. Wie denn auch Bürgermeister, Gericht und Rath über diese unsere gnädigste Verordnung, und daß derselben beständig gelebet werde, eifrigst zu halten krafft dieses ernstlich und sub poena arbitraria befehliget werden. An dem geschieht Unser gnädigster, auch ernstlicher Wille und Meinung. Datum Wismar, den 7. Martii 1738. (Später bestätigt den 6. März 1749.) - Da diese Urkunde aber doch nicht rückwirkende Kraft haben konnte, so mußte die Stadt sich auf einen kostbaren Proceß mit Lehsten einlassen, das Hof= und Landgericht, das unter Christian Ludwigs Hoheit wiederum in Güstrow eingerichtet war, verschlang viele Kosten, welche Lehsten leicht, die Stadt nur müh=

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sam aufbringen konnte. Lehsten behauptete, daß es nach der Landesordnung von 1552 den Adeligen völlig freistehe, in den Städten sich häuslich niederzulassen, sobald sie alle Pflichten des Bürgers übernehmen wollten. Der Proceß dauerte 11 Jahre, aber endete zu der Stadt Gunsten. Inzwischen wurde ein zweiter begonnen, nachdem Lehsten ganz trotzig von einem Peter Scheele noch zwei Morgen Ackers gekauft hatte. Die Lager klagten, er schiene es darauf angelegt zu haben, die Stadt durch viele Kosten zu ruiniren, um die Städter zu Bauern herabzudrücken, aber sie verfochten siegreich ihr Recht, das jus vicinitatis et consanguinitatis. (Bei dem Verkauf von Grundstücken in der Stadt hatte der Nachbar das Vorrecht, der marktseitig wohnte, bei den Grundstücken auf dem Felde der, welcher stadtwärts lag.

Zum Schluß des Abschnittes will ich bemerken, daß die Bürger, verlockt durch ihren Sieg in den früheren Jahren, noch einmal gegen die Bürgermeister, insbesondere gegen Kuhr, der angeblich wie ein Souverän herrschte, ihre Macht zeigen wollten, indem sie 1744 den Gehorsam kündigten und die Stadtgefälle einzogen. Aber die Zeiten waren anders geworden. Die Justiz wurde prompt gehandhabt, der Rath erhielt Recht, die Bürger mußten trotz Proceß zum Gehorsam zurückkehren. Inzwischen war aber ein anderer Streit über die Stadt und zugleich die ganze Gemeinde gekommen, bei welcher der unsagbar traurige Verfall unseres Landes auf einem andern Gebiete in einem fast noch grelleren Lichte uns entgegentritt. Es handelte sich um einen Streit über die Pfarrwahl.


V. Der Streit um die Pfarrbesetzung.

Der Pastor Clasen war im Alter von 56 Jahren am 14. August 1741 nach kurzem Krankenlager gestorben, und damit war die einst schon umstrittene Frage nach dem Rechte der Pfarrbesetzung wieder eröffnet. Der Fürst hatte früher den Versuch zur Solitär=Präsentation gemacht, die Eingepfarrten, insbesondere der Adel setzten dagegen die freie Wahl unter mehreren Candidaten durch. Es ließ sich nun von vorneherein erwarten, daß um die Besetzung der Lager Pfarre ein noch heftigerer Streit erwachsen würde, sobald Carl Leopold, der die Jura episcopalia sich nicht verkümmern ließ, den Versuch machen würde, die alten Ansprüche der Fürsten zu erneuern, denn einerseits war im ganzen Lande

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schon ruchbar, daß leider zu Dömitz arge Simonie bei Bewerbung um Aemter im Schwange war, weil der Herzog und seine Beamten immer noch Geld verlangten, andererseits waren nach Lage einflußreiche Männer vom Adel eingepfarrt, die ganz gewiß sich von dem ihnen verhaßten Herzoge nichts, was irgendwie anfechtbar war, wollten bieten lassen. Den Hauptmann von Lehsten in Wardow haben wir schon kennen gelernt, in Schweetz war von Drieberg, in Cobrow Major von Viereck, in Subsin und Klein=Lantow Rittmeister von Viereck.

Noch im September 1741 bewarb sich ein Sohn des Verstorbenen um die Stelle, aber fand keine Berücksichtigung. Dagegen reiste eine Frau Witte aus Rostock nach Dömitz und erlegte 2000 Thlr., das wirkte so gut, daß, ohne daß der Ablauf des Gnadenjahres abgewartet wurde, Nicolaus Jacob Witte, ihr Sohn, nach Prüfung durch den Superintendenten Siggelkow zum Pastor in Lage durch Allerhöchstes Rescript ernannt wurde. Unvorsichtiger Weise sprach die Mutter über ihr Mittel zum Kammerjunker von Drieberg auf Hohen=Sprenz, das Unrecht ihres Vorgehens damit beschönigend, daß ein Güstrower Theologe für seinen Sohn die Bützower Pfarre für 4500 Thlr. gekauft habe. Als das bekannt wurde, that der Adel sofort die nöthigen Schritte. Am 4. November übergab Namens der eingepfarrten Ritterschaft von Lehsten ein Memorial auf dem Landtage wegen des schon in Dömitz ordinirten Witte, der sich zur Introduction am nächsten Sonntage eindrängen wolle. Solches ging an die Minister von Christian Ludwig, und weil nun dieses Unternehmen ausdrücklich gegen die Reversales ging, so wurde Entsendung eines Commandos zur Störung der Introduction beantragt. Der Superintendent hatte in der That die Einführung auf den 25. Sonntag p. Tr. angesetzt und wurde von Witte dahin benachrichtigt, daß ein Unteroffizier mit neun Mann in Lage eingetroffen sei, die Kirchenschlüssel erzwungen, alle Kirchenthüren von Innen verriegelt und nur eine unter beständiger Wache offen gelassen habe, mit dem gemessenen Befehle, unter keinen Umständen den Superintendenten in die Kirche zu lassen. Im Januar 1742 sandte Christian Ludwig an den cand. theol. Witte in Rostock den schriftlichen Befehl, sich bei 100 Thlr. Strafe in Lage nicht introduciren zu lassen. Witte verweigerte die Annahme und sandte das unerbrochene Schreiben, das man in der Stube auf dem Tische niedergelegt hatte, zurück. So mußte denn längere Zeit das Commando bleiben, weil man den Versuch witterte, die Leute durch Warten zu ermüden; die Stadt war sehr verdrießlich, daß sie die Last tragen mußte, wenn auch der Adel

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die Service=Gelder erlegte, und bat am 12. October 1742 beim Superintendenten dringend um Erledigung der Sache. Sehr vorsichtig erkundigte sich derselbe (Zander) erst, ob es gerathen sei, überall dem grollenden Herzog in Dömitz, der in seinen Launen unberechenbar war, mit der Angelegenheit zu kommen, und ward dann mündlich bei demselben vorstellig. Witte hatte auf Anfragen keine Lust, sich mit etlichen Anderen zur Wahl zu stellen und wurde bald mit der Versetzung nach Sternberg getröstet, so daß dann endlich im Mai 1743 die Präsentation der drei Candidaten Johann Hartmann, Justus Statius und Joachim Zander (des Superintendenten Sohn) Allerhöchst beschlossen war. Freilich waren damit Zwischenfälle aller Art nicht ausgeschlossen, denn plötzlich tauchte in Dömitz der Pastor Schulze aus Westenbrügge auf und bat den Landesfürsten um die Lager Präsentation für seinen Sohn Carl Leopold, den der Herzog um so mehr zu berücksichtigen wünschte, als er Pathe desselben war. Der neue Bewerber war freilich noch sehr jung, 19 Jahre alt, auch noch nicht examinirt, und es waren ja schon drei Candidaten bestimmt; aber das Erstere ignorirte man, mit dem Examen war immer auf Befehl fertig zu werden und das Letztere? Da galt es einen Vorwand suchen, um C. L. Schulze einschieben zu können. Statius machte gerade eine Reise ins Holsteinische - halt, da ließ sich annehmen, er sei überhaupt für die Zukunft ins Ausland gegangen. Schnell also Schulze eingeschoben, und die Wahl beschleunigt auf den 3. Sonntag p. Trin., den 12. Juli 1743, festgesetzt!

Nun wachten des Statius Angehörigen; seine Mutter sandte ihm einen Expressen nach und ließ ihn zurückholen, so daß er sich noch rechtzeitig dem Superintendenten vorstellen konnte. Der alte Zander kam in große Noth, denn er kannte den Wunsch des Herzogs und konnte gerechter Weise Statius doch nicht ausschließen; um sich zu sichern, fragte er zuvor beim Herzog an, ob er Schulze als vierten Candidaten präsentiren solle. Dieser war gerade in Güstrow, um sich den Text zu seiner Wahlpredigt zu holen und erbot sich äußerst gefällig, den Brief, der Instruction erbat, mit nach Wismar zu nehmen, von da gehe immer eine sichere Ordonnanz, und diese werde das Schreiben am raschesten bestellen können. Zander band ihm den Brief sehr ein, und Schulze reiste nach Wismar.

Vergebens wartete der Superintendent auf Antwort, der Wahltag war nahe und konnte nicht verschoben werden; was halfs, Zander mußte die vier Candidaten aufstellen. (Die Ordonnanz erklärte später, ihr sei von Schulze durchaus keine Eile empfohlen,

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also sei sie bei dem schlechten Wetter langsam gereist; es gewann den Anschein, als ob Schulze, für den die Wahl prächtig vorbereitet war, eine Durchquerung seiner Pläne fürchtete und absichtlich die Zögerung verursacht hatte). Unmittelbar vorher hatte der alte Pastor Schulze an den Rittmeister von Viereck und den Bürgermeister Buhse geschrieben, daß sein Sohn ein Mensch sei, an dessen Erudition und Lehre und Leben der Neid nichts auszusetzen habe und den zu wählen sie nicht gereuen würde; der Kammerdiener Wölper schrieb aus Dömitz an den Rath und gab den zarten Wink, daß man es bei Hofe sehr gern sehe, wenn Schulze gewählt würde. Vor und während der Wahl geschahen noch allerlei Umtriebe, und der taktlose Vater war selbst zugegen.

Als die Wahl eröffnet wurde, erklärten die Eingepfarrten dem Superintendenten, daß sie zwar gegen die Aufstellung von vier Candidaten protestiren könnten, allein aus Devotion wollten sie es sich gefallen lassen. Die Predigten wurden gehalten, bei der folgenden Abstimmung, die regelrecht verlief, hielten sich die Adeligen in ihren Stühlen sehr nahe, so daß sie alles controliren konnten und jede Unregelmäßigkeit entdecken. Der Wahlact verlief correct, und es ergab sich, daß Hartmann 1, Zander 20, Statius 46 und Schulze 55 Stimmen hatte. Sofort trat heftig von Viereck=Klein=Lantow auf und erklärte, daß er gegen den Wahlact protestiren müsse, es sei bei der Wahl nicht alles richtig zugegangen. (Aus dem Protokolle ergiebt sich, daß die Masse der Bürger und etliche der Subsin=Bresener für Schulze waren; der Ungehorsam dieser Letzteren gegen die Weisung der Herren, für Statius zu stimmen, ergab die Majorität für Schulze). Der Superintendent, dem es gewiß nicht zur Freude gereichte, daß sein Sohn nicht gewählt war, behauptete indessen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Wahl und sandte das Protokoll an den Herzog ein, an diesen aber wandten sich die Adeligen mit dem Rathe der Stadt, der mit den Bürgern zwiespältig war, und erboten sich, die Motivirung ihres Protestes demnächst regelrecht vorzulegen. Carl Leopold ließ indessen in Eile das von seinem Hofprediger Rodatzi und zwei anderen Pastoren dem Schulze ausgestellte Zeugniß über sein wohlbestandenes Examen dem Superintendenten zugehen und befahl ihm, sofortige Ordination und Introduction vorzunehmen. Auf das Gerücht davon reisten zwei Adelige, v. Lehsten=Wardow und v. Viereck=Subsin, nach Güstrow und verhandelten mit dem Superintendenten, um von demselben Aufschub zu erlangen, damit sie ihre Gründe gegen Schulze vorbringen könnten, die bei Jedermann durchschlagen müßten, ja, es sollten ihnen sogor willkommen sein, wenn der Herzog aus den

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drei anderen Candidaten ihnen einen Pastor auswählen wolle nach seinem Belieben; Schulze hätte von dem Haufen nur in seiner Blindheit gewählt werden können, bei offenen Augen müßte ihn jeder verabscheuen. Der Superintendent erklärte aber, daß die ganz bestimmten Aufträge des Fürsten ihm Zögerung verböten, worauf der Adel sich an Christian Ludwig als kaiserlichen Commissarius wandte und unter dem Vorwande, daß der Rath zwiespältig mit den Bürgern sei und ein Aufruhr erwartet werden könne, die Absendung eines größeren Commandos erbat. Solcher Bitte wurde sofort gewillfahrt, am 27. Juli rückten 30 Mann in Lage ein. Im Trotz dagegen befahl nun Carl Leopold, der Superintendent solle unter allen Umständen kirchenordnungsmäßig am 10. Sonntage p. Trin. 1743 die Introduction vornehmen.

Abermals war Schulze der schlauere. Die Ordination hatte er vermöge seines Einflusses schon erreicht und außerdem einen Specialbefehl vom Herzog erzielt, worin bündig angegeben war: "So befehlen wir Euch hiermit gnädigst, daß Ihr als legitime erwählter, berufener und ordinirter Prediger Euch nach Lage hin begebt, daselbst mit Vorweisung dieses unseres landesfürstlichen, unmittelbaren Befehles den Gottes= und die übrigen Kirchen=Dienste allda antretet, übernehmt und getreulich verrichtet". Diesen Befehl wußte der listige Mann trefflich für sich auszunutzen. Obgleich daraus wohl nur entnommen werden sollte, daß er sich nicht abschrecken lassen möge, so deutete er ihn so, als habe er nicht auf die Introduction durch den Superintendenten zu warten, sondern müsse zuvor schon sich selbst introduciren.

Im Städtchen war Alles ruhig geblieben, das Commando empfand man doch sehr drückend, Niemand wünschte, dasselbe lange im Orte zu haben, da es viele Unkosten machte, nach zweiwöchentlichem Aufenthalte maschierte es wieder ab, nur ein Posten blieb zurück, um allsonntäglich die Thurmthüre zu bewachen, daß der Introducent nicht eindringe, die anderen Thüren waren verschlossen. Außerdem umging noch ein Soldat immer die Kirche, um etwaige Versuche, durch ein Fenster einzusteigen, zu hintertreiben. Schulze rüstete Alles gleichsam zu einem Ueberfall. Es wohnte in dem Orte eine auffallend große, hagere Frau Bölckow, die männliche Statur hatte, dieselbe wurde bestochen, ihre Kleider miethsweise herzugeben. Am nächsten Sonntage ging nun diese allen wohlbekannte Frau, ehrbarlich das Gesicht tief geneigt und durch den Hut verborgen, so daß man sich über ihre Andacht schier verwundern konnte, ins Gotteshaus und gar in des Pastors Stuhl, während die Posten eifrigst nach dem Pastor ausschauten. Bald

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erhob sich mächtige Bewegung in der Gemeinde, denn aus des Pastors Stuhl heraus trat Schulze, ging ruhigen Schrittes auf die Kanzel, verlas den herzoglichen Befehl, hielt seine Predigt und schloß den öffentlichen Gottesdienst mit dem üblichen Absingen und Segen. Der Posten draußen wandelte noch immer eifrig auf und ab, als Schulze mit solchem Acte sich schon selbst introducirt hatte. Er hatte ferner dafür gesorgt, daß nach dem Gottesdienste eine kranke Frau da war, die das Abendmahl begehrte, es war nach aller Anschauung eine übel berüchtigte, unwürdige Person, aber Schulze erklärte, daß er in periculo mortis die Speisung nicht versagen könne. Ebenso gewandt wurde das Pfarrhaus bezogen, das Vieh war geschwind in den Ställen, das Geräth im Hause, ernstliche Hindernisse fand man nirgends, denn der Posten hielt sich völlig verblüfft zurück.

Erklärlich war der Aerger der Protestler über die allerdings nicht feine List, und mit verhängtem Zügel ging die Reise nach Schwerin, abermals zu protestiren und ein neues Commando zu erbitten. Wiederum marschirten am 17. August 30 Mann unter Führung eines Lieutenants an und erklärten Schulze, daß er sofort das Pfarrhaus zu räumen habe sub poena ejectionis.

Der Superintendent, welcher den Befehl zur Introduction am 10. Sonntage p. Trin. zu spät erhalten habe, lud die Pastores circuli auf den nächsten Sonntag ein, aber auch zu ihm drangen die Gerüchte von den Lager Vorgängen, und er sandte vorsichtig, um sich keine Unannehmlichkeiten zu machen, einen Expressen an Schulze, umgehend kam die beruhigende Antwort zurück, daß das Commando nur da sei, um Unordnung zu verhüten, die Introduction sei ihm durchaus nicht untersagt, denn den jungen Pastor bekümmerte es wenig, ob der alte Mann in Unannehmlichkeiten verwickelt würde, wenn nur alles Denkbare zu seinen eigenen Gunsten geschah. So reiste denn Zander mit dem Kirchensecretair Richter am Sonnabend ab und nahm sein Quartier im Pfarrhause. Sofort trat ein Soldat mit einem Schreiben der Protestler an, Zander verweigerte die Annahme, das Schreiben wurde auf die Diele gelegt, woselbst es verblieb. Dann kam der Lieutenant, der das Commando führte, um zu erklären, daß er Befehl habe, unter allen Umständen die Introduction zu hindern und er wüßte seine Pflicht zu thun; er würde, damit keine Verabredung getroffen werden könnte, keinen Bürger ins Pfarrhaus lassen außer den Kirchenvorstehern, die über die kirchlichen Zustände in jeder Weise Auskunft ertheilen könnten.

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Es war dem ehrwürdigen, alten Herrn eine höchst peinliche Sache, in diese Ungelegenheiten durch Schulzes Berechnung gebracht zu sein, aber er beschloß, da er einmal anwesend war, seine Pflicht bis auf das Aeußerste zu thun. So sandte er denn am Sonntag Morgen 8 Uhr den Küster zu Schulze, der Privatquartier bezogen hatte, und ließ ihn auf das Pfarrhaus laden, um von da mit ihm zur Kirche zu gehen. Schulze wußte dem Küster heimlich zuzuraunen, Zander möge nur in das Cantorhaus gehen, dorthin würde auch er kommen. Als er aber mit dem Ornat, Summarie und Priesterkragen, über die Straße ging, begegnete ihm der Lieutenant Bumberg, mit sechs Mann patrouillirend, ergriff ihn in der Erregung des Augenblickes bei der Brust und fragte: "Wo wollt Ihr hin? Geht zurück!" Schulze erklärte: "Herr Lieutenant, Sie können mir doch nicht verbieten, auf öffentlicher Straße zu gehen?", worauf ihm der Offizier nachdrücklich sagte: "Gebrauchen Sie Respect und machen sich nicht ein Ansehen, hier gilt meine Schärpe und Ringkragen für diesmal soviel als das Priesterhabit. Ich lasse mich nicht von meinem Posten vertreiben und könnte genöthigt sein zu thun, was ich nicht gerne thue." Schulze erklärte, nicht umkehren zu wollen, worauf ein Gefreiter und zwei Mann ihn in seine Herberge zurückführten. Keiner durfte zu ihm, mit ihm zu reden, ein Unteroffizier mußte sogar, als er sich anscheinend krank vor Aerger niederlegte, an seinem Bette sitzen, in der Stube stand ein Soldat.

Der Superintendent wartete also vergebens. Darum beschloß er, wenigstens allein in die Kirche zu gehen und auch ohne Introducenden den Befehl des Herzogs zur Introduction vor versammelter Gemeinde zu verlesen oder, sobald man ihn nicht in die Kirche ließe, die Verlesung auf dem Kirchhofe zu vollziehen, aber er hielt seine Absicht geheim. Der Lieutenant seinerseits hatte die ganze Nacht um die Kirche und in der Stadt patrouilliren lassen und stellte beim Einläuten des Gottesdienstes sein Commando auf dem Kirchhofe auf, die Bajonnette waren anfgepflanzt, um jedem Gewaltact sofort vorbeugen zu können. Als nun Zander mit dem Kirchensecretär und den beiden Kirchenvorstehern (die eingeladenen Pastoren, die besser wußten, wie der Wind wehte, waren gar nicht gekommen) der geöffneten Kirchenthüre zuschritt, vertrat ihm der Offizier den Weg mit der Frage, wohin er wolle; er habe Ordre, ihn nicht in die Kirche zu lassen. Zander wollte den Befehl sehen und erhielt ein Mandatum Serenissimi Christian Ludwigs präsentirt, worauf er erklärte, die vorgelegte Copie sei bedeutungslos, Serenissimus Regnans Carl Leopold allein sei Summus Episcopus

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et Patronus, dem die hohen jura circa sacra von kaiserlicher Majestät nicht hätten genommen werden können. Derselbe habe ihm befohlen, und er sei Willens zu gehen. Damit schritt er vorwärts. Der Lieutenant trat zurück, faßte seinen Säbel, commandirte, und sein Wachtposten kreuzte die Bajonnette. Die Linke erhub er nach der Brust des Superintendenten, um ihn zurückzuweisen, und erklärte: Er habe den unterthänigsten Respect vor Sr. Durchlaucht dem regierenden Herrn, aber er müßte thun, was ihm befohlen wäre, der Herr möge sich keine Ungelegenheiten machen. Als nun Zander sich den Eingang versperrt sah, gedachte er auf dem Friedhofe den Allerhöchsten Befehl vorzulesen, aber der Tambour stand schon bereit, mit seinem Wirbel ihn zu übertäuben. So blieb ihm nichts übrig, als gegen die gewaltsamen Eingriffe in die jura sacra Ser. Reg., Sum. Ep. et Patr. zu protestiren. Sehr verdrießlich kehrte er ins Pfarrhaus zurück und rüstete seine Abreise, die Gemeinde mußte ohne Gottesdienst auseinander gehen. Als der Superintendent auf den Wagen stieg, durfte Pastor Schulze in Begleitung von Soldaten zu ihm, um sich zu verabschieden. Zufällig trat auch ein Mann aus der Landgemeinde heran und fragte, wie er sein Kind getauft kriegen sollte. Als der Superintendent ihn an den Pastor Schulze verwies, meinte er bedenklich, sein Edelmann habe ihm verboten, zu demselben zu gehen, und versprochen, er wolle das Kind lieber in der Kutsche auf eine benachbarte Pfarre fahren lassen, worauf ihm bedeutet wurde, er möge es versuchen, ob es dort aufgenommen würde.

In seinem Bericht an den Herzog äußerte sich Zander sehr bitter über Schulze, weil er ihm nichts von des Lieutenants geschärftem Auftrage geschrieben, trotzdem er nach dessen Aussage die Ordre selbst gelesen habe, überhaupt so unzuverlässig in seinem Wesen und incorrect in seiner Handlungsweise sei, wie er z. B. das Mandat zur Räumung des Pfarrhauses angenommen habe und darauf ohne Protest gegen Gewalt freiwillig gewichen sei, habe auch den Schlüssel zum Pfarrhause und zur Kirche gutwillig ausgehändigt, nur weil er sich habe einreden lassen, die Preußen würden kommen und ihn gewaltsam werben, weswegen er sogar um einen Mann Wache gebeten habe. "Dieser eine Mann hätte doch gewiß nicht geholfen, denn wenn die Preußen kommen, schweigen die Art Leute gerne stille und haben nur Muth, wenn sie einen schwarzen Mantel vor sich haben, von dem sie wissen, daß er nicht schlagen kann . . . . Gott helfe uns und ändere den betrübten Zustand unseres Landes. Ich weiß, daß die Junkers sich gewaltig freuen, daß ich mit einer langen Nase zurückgehen muß, doch das

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wollte ich gerne ertragen, wenn es nur ins Künftige besser werden wollte."

Ja, wenn es ins Künftige nur besser werden wollte! Den umwohnenden Geistlichen kam ein scharfer Befehl Carl Leopolds zu, keine actus ministeriales in Lage zu verrichten, wenn auch die Adligen zur Schadloshaltung sich verpflichteten, nur in den Nothfällen und nach Verständigung mit Schulze sollten sie amtiren. Dagegen ward denselben Geistlichen von der kaiserlichen Commission bei Strafe der Execution befohlen, solche Dienste zu leisten. Es kam vor, daß in 9 - 10 Wochen kein Geistlicher in Lage war, der Cantor predigte zuweilen, der Küster las, aber sonst lag alles darnieder. Schwangere, die ihrer Entbindung nahe waren, konnten nicht ins Gotteshaus. Gelegentlich wurden die Kinder zu den umwohnenden Pastoren aufs Land meilenweit gefahren; aber man war vorsichtig; weil Schulze in seiner verschmitzten Weise vielleicht unterwegs in einer Scheune oder gar im Freien die Taufe leicht hätte vornehmen können, ward immer ein Soldat auf den Wagen commandirt. Gleichfalls mußten Trauleute weit reisen, Kranke lagen und starben ohne Trost, Nachmittags= und Wochenpredigten hörten ganz auf. Diese traurigen Zustände lasteten schwer auf der Gemeinde, so daß wiederholt Bitten an den Herzog abgingen. Umsonst, es mußte noch manches Jahr über die Verwaisten dahin gehen, bevor ihnen zu ihrem Rechte verholfen werden konnte.

Denn bald begann gar die Berufung auf den Kaiser oder der langwierige Proceß beim Reichskammergericht zwischen dem Adel und Schulze. Die Hauptpunkte, die man als belastend gegen Schulze vorbrachte, waren folgende: 1) Der Superintendent will das Wahlprotokoll nicht herausgeben, also ist es wahrscheinlich, daß dasselbe gefälscht ist. 2) Nach Gewohnheit dürfen nur 3 Candidaten aufgestellt werden, hier sind 4 gewesen, der Ueberzählige ist gewählt. 3) Derselbe hat nicht, wie es sonst üblich war, zuvor eine Gastrede gehalten, man hat sich also in der Eile nicht einmal zuvor nach ihm erkundigen können. 4) Darum protestirten die Eingepfarrten auch vor der Wahl. 5) Der Vater des Schulze hat für ihn geworben. 6) Auch andere Personen haben sich tumultuarisch für ihn verwandt. 7) Der Kammerdiener des Herzogs hat die Wahl beeinflußt. 8) Er hat in seiner Wahlpredigt sehr schlüpfrige Sätze ausgesprochen. 9) Auch habe er contra principia fidei gesagt, daß man bis an sein Ende immer sündigen und saufen könne, wenn man sich nur noch zuletzt belehrt. 10) Der Prädikant habe so schlecht gepredigt, daß sein eigner Vater gemeint, so schlecht habe er es noch nie gemacht. 11) Die theol. Facultät in Rostock

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habe bezeugt, daß er noch sehr jung 1739 immatrikulirt sei, nur bei einem Professor sich im Kolleg habe sehen lassen, im Uebrigen nicht Gelegenheit geboten, ihn kennen zu lernen, Gerüchte sprächen unvortheilhaft über ihn. 12) Rector und Concilium in Rostock bezeugten, daß er sehr oft mit Carcer bestraft sei, die Collegia selten, dafür die Wirthshäuser oft besucht habe, unnütze Händel und Duelle gehabt, die er theilweise provocirte, bei einer von Studenten aufgeführten Komödie vor den Zuschauern sich unanständig betragen, den Sohn eines Rostockers verführt unter die Komödianten zu gehen, (so daß dieser verkommen sei), endlich aus allen diesen Gründen mit dem Consilium abeundi versehen sei. 13) Dazu käme, daß er sich selbst introducirt habe und eigenmächtig Amtsgeschäfte verrichtet, insbesondere an jener übel berüchtigten Person.

Alle Vorwürfe waren zunächst dem kaiserlichen Kommissarius Christian Ludwig mitgetheilt, und dieser sandte, um sich zu sichern, das Schriftstück an die juristische Facultät in Kiel, ein Gutachten erbittend. Dasselbe fiel ungefähr dahin aus: 1) Der Patron dürfe nicht weniger wie drei, sicherlich aber mehr Candidaten präsentiren. 2) Die Gastpredigt vor der Wahl geschähe nicht der Gemeinde, sondern des Patrons wegen. 3) Es habe nach dem Gesetz die Gemeinde kein Recht, eine bestimmte Zeit zur Erkundigung vor der Wahl zu beanspruchen. 4) Gerade das Gegentheil vom Protest sei noch dem Zeugniß des Superintendenten geschehen. 5) Die Eingepfarrten nicht, sondern nur die Behörde habe das Wahlprotokoll einzusehen. 6) Die Empfehlung des Vaters sei besonders für einen Pastor unanständig, aber warum sollte der Sohn darunter leiden? 7) Die Empfehlungen durch den Kammerdiener seien nicht ungewohnt und unerlaubt. 8) Besprechungen der Wählenden vor der Kirche seien nicht verboten. 9) Die Ausdrücke auf der Kanzel seien imprudenter et absque judicio, aber man habe die Sätze aus dem Zusammenhang gerissen. 10) Das Urtheil des Vaters über die Predigt fiele nicht in das Gewicht, die schlechte Predigt müßten die Wähler vor dem Wahlact verurtheilen, nicht hinterher. 11) Dem Zeugnisse der theol. Fakultät habe Schulze ein Zeugniß des Professor Engelcken in Rostock entgegen gestellt, worin gesagt, daß er fleißig gewesen sei und wohl studirt habe, ferner das Zeugniß des Ministerii in Dömitz über sein Examen. 12) Sein liederliches Leben auf der Universität dürfe nicht fortwährend gegen ihn angeführt werden, wenn er sich nur später gebessert habe, sei er fervore aetatis zu entschuldigen. 13) Ein gesetzliches Alter zur Wahl sei nur vorgeschrieben bei jenen geistlichen Aemtern, die cum inspectione aliqua verbunden wären, es würde

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nur von zu großer Jugend abgerathen. - Demgemäß entschied die Fakultät zu Schulzes Gunsten und meinte, wenn er sich selbst introducirt habe, so habe er den Anhalt dabei in des Herzogs Befehl gefunden, zur guten Ordnung sei er aber nachträglich zwecks Beruhigung der Gemüther öffentlich zu introduciren. In Rücksicht auf die Noth der Gemeinde könne man freilich auch hiervon absehen.

Inzwischen ging der Proceß beim Reichskammergericht an, und Schulze beschwerte sich seinerseits, daß er, obwohl er richtig erwählt sei, aus der Stadt gewiesen wäre, daß den Bürgern bei Execution verboten, ihn zu beherbergen; daß man bei der Wahl den Bauern scharf verboten habe, auf ihn zu stimmen, daß man die bürgerlichen Deputirten, die nach Dömitz zu seinen Gunsten gereist seien, nach Subsin geladen habe, um sie zu beeinflussen; daß der Adel die Bürgerschaft auf das Rathhaus geladen, um sie gegen ihn zu stimmen, daß er am Introductionstage seinen Leuten bei Strafe von 10 Thlr. und gar Verlust des Ihrigen verboten habe, in die Kirche zu gehen u. s. w. Ein kaiserliches Edict gab am 23. December 1743 dem Commissar Christian Ludwig auf, über die beiderseitigen Beschwerden und Rechtfertigungen einen Bericht einzureichen, zugleich für angemessene Vertretung in Lage zu sorgen. Seine Antwort fiel mit dem Kieler Gutachten dahin aus, daß er für Schulze sich aussprach. Auf seinen Bericht antworteten die Protestler mit einem Gegenbericht, der nichts Wesentliches dazu brachte.

Darauf starb Karl VII. im Jahre 1744, und es trat zunächst das Reichs=Vicariat (der Kurfürst von Sachsen, König von Polen) in Dresden in Thätigkeit, und die Verzögerung, die dadurch in dem Prozeß gebracht wurde, benutzten die Protestler, um mit ausführlichen Darlegungen auch ihrerseits das Gutachten einer juristischen Fakultät und zwar zu Göttingen zu erwirken, das wie hier nur kurz bemerkt werden soll, das Kieler völlig umstieß und die Wahl zu cassiren empfahl. Ihre Eingabe ging natürlich an den kaiserlichen Commissar mit dem Befehl, mit dem in Lage angeordneten provisorischen Gottesdienste einstweilen fortfahren zu lassen, zugleich aber über die Beschaffenheit dieser streitigen Priesterwahl zu berichten. Derselbe erklärte sich nun selbst als Partei und übergab die Decisio dem Reichsvicariat. Die Noth ging weiter. Christian Ludwig, der in seinem gerechten Sinne die endliche Erledigung der Angelegenheit zum Heile der armen, gleichsam von allen preisgegebenen Gemeinde sehnlichst erwünschte, mußte mit schwerem Herzen den Pastores circuli die fernere Verwaltung

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des Gottesdienstes aufbürden, der Superintendent verwandte sich für dieselben bei Carl Leopold und wies auf die Unmöglichkeit hin, entgegen der Kirchenordnung solche Vertretung zu fordern, zumal auch in Recknitz und in Reinshagen aufzuwarten sei und die Pastoren, zum Theil recht alt und kümmerlich, es doch vor ihrem Gewissen nicht verantworten könnten, ihre eigenen Gemeinden verwaisen zu lassen. Weigerten sie sich nach Lage zu reisen, dann würden ihre Einkünfte gesperrt und Execution verhängt, sie könnten nur durch einen klaren Befehl des Summepiscopus gedeckt werden. Der erfolgte denn auch am 17. Juli 1745 dahin lautend, daß, da in Lage der rechtmäßige Pastor sei, so hätten die benachbarten Pastoren zu dessen Nachtheil und gegen ihre Amtspflicht und Gewissen in Lage nichts zu unternehmen, worauf der Superintendent sie bat, nur keine Kranken ohne Abendmahl, keine Kinder ohne Taufe zu lassen.

In ein neues Stadium trat die Sache, als das Reichsvicariat die Wahl cassirte, offenbar durch die Protestler beeinflußt, indem es in der Motivirung hervorhob, daß es bei der Wahl tumultuarisch ohne Fertigung eines rechtlichen Protokolles zugegangen sei. Die Gründe gegen die Person des Schulze wurden nicht als gültig anerkannt, denn es wurde in hoher Weisheit der Commission auferlegt, Schulze mit den andern drei Candidaten noch einmal zu präsentiren. Man muß diese Wendung doch recht drollig finden, wenn sie nicht so bitter ernst wäre. Plötzlich war ja eigentlich Schulze aus dem Mittelpunkt entrückt und der Superintendent Zander, der die Wahl leitete, in die Mitte gestellt, auf ihn war die ganze Schuld gewälzt, und das mußte den alten Mann auf das tiefste kränken. Aber zum Glück hatte er prächtige Beweise für die Seltsamkeit des Bescheides. Christian Ludwig mußte nämlich mit schwerem Herzen dem Superintendenten die betreffende Weisung zukommen lassen, und wenn derselbe auch als erfahrener Geschäftsmann das Schreiben des für ihn als Behörde nicht zuständigen kaiserlichen Commissars gar nicht öffnete, sondern es sofort nach Dömitz sandte, weil ihm ja nur von dort Befehle kommen konnten, so ließ er sich doch von dem Notar Stumpe, dem Ueberbringer des Schreibens, eine Copie vorlesen und that aus Liebe zu der Sache den weitern Schritt, dem Commissar zur Orientirung die Verhältnisse darzulegen. Seine Bemerkungen vom 4. Januar 1746 waren so durchschlagend, daß sie bei Unbefangenen alle Bedenken hätten zerstreuen müssen. Ich will seine Gründe, soweit sie nicht schon Gesagtes wiederholen, hier zusammenstellen. Er beanspruchte als persona publica, dazu beeidigt, ein alter Mann, der sein Leben gerne in Frieden und mit gutem Gewissen beschließen wollte, für

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alle seine Erklärungen Glauben. Sein eigener Sohn sei Mitcandidat gewesen, und es wäre doch unglaublich, daß der Vater ihm zum Schaden ein ungesetzliches Wesen sollte geduldet haben. Waren doch bei der Wahl die Geistlichen aus Lüssow, Kritzkow, Belitz, Warnkenhagen und Polchow zugegen und zeugten für die Gesetzlichkeit der Wahl, wie denn auch ein formelles, gültiges Wahlprotokoll von ihm und dem Kirchensecretär aufgenommen und an den Herzog eingesandt war; die ganze Sachlage, wie sie durch die Protestler dargelegt würde, sei entstellt, jene hätten anfänglich immer besonders ihre Gründe aus der Persönlichkeit des Schulze hervorgehoben und sodann erst aus tumultuarischen Vorgängen bei der Wahl. Was nun die Anberaumung einer neuen Wahl mit jenen vier Candidaten anbeträfe, so müßte man doch zugeben, daß es auf das Höchste bedenklich sei, daß Schulze, ordinirter, vocirter, richtig erwählter Pastor, sich auf einen hasard hin von Neuem wählen lasse, entgegen den Poenal - Inhibitiones des Herzogs. Und schließlich sei es ja unmöglich, die andern drei Candidaten heranzubringen.

Zander, an dem man in Lage sein schwaches Organ tadeln wollte, sei in Güstrow schon als Pastor am Dom angestellt und sehr beliebt, Statius verweigere sich zu stellen, da er die Ungnade des Herzogs scheue, und seine Laufbahn für die Zukunft sich nicht verderben wolle, Hartmann habe überhaupt nur eine Stimme gehabt und könnte nicht in Betracht kommen.

Diese Darlegungen hätten wohl auch beim Reichsvicariat den Ausschlag gegeben, wenn dasselbe nicht inzwischen seiner Befugnisse durch die Wahl von Kaiser Franz I. enthoben wäre. Zugleich mußte durch solchen Wechsel die Angelegenheit wieder ins Stocken kommen. Am 14. Juni 1746 wandte sich denn auch Christian Ludwig an den Kaiser mit der Bitte, endlich den Proceß zu endigen, aber erst über ein Jahr später, am 12. September 1747 erfolgte der Bescheid, daß der Streit erforscht, die Acten eingesehen, die Berichte gelesen, das Protokoll geprüft sei, wonach sich die Rechtmäßigkeit der Wahl ergeben habe. "Wir haben die erbetenen Processus electionis nunmehr abgeschlagen, welches wir Ew. Liebden als unseren Kaiserlichen Commissario pro complemento justitiae zu Dero Nachricht hierdurch zu geben keinen Umgang nehmen wollen." Am 26. November 1747 erfolgte dann die Introduction, an der theilzunehmen die umwohnenden Pastoren sich nicht veranlaßt fanden, und Schulze, der in dieser Zeit des Wartens mancherlei Prüfungen durchgemacht hatte, konnte im Kirchenbuche notiren: "Anno Dom. 1747 Dominica 26. p. Trin. habe ich nach geführtem 4 1/4jährigem Processe und erhaltener kaiserlicher Resolution

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und gnädigster Confirmation meiner rechtmäßigen Wahl mein Amt so zu sagen erst recht angetreten und geruhig verwalten können."

Zwei Tage darauf, am 28. November, starb Carl Leopold, und sein Bruder Christian Ludwig trat die Regierung an. Welches furchtbare Elend in der Conflictzeit über das Land Meklenburg gebracht war, kann man erst richtig ermessen, wenn man die dargelegten Leiden einer kleinen Landstadt erwägt.


VI. Die Zeit des siebenjährigen Krieges.

Mit der Erledigung des Streites um die Pfarrbesetzung war noch nicht jeder Zwiespalt mit dem Pfarrer abgeschnitten. Bei seiner großen Gewandtheit war es Schulze allerdings leicht, die ihm früher so bitter widerstrebende Elemente, den Adel, zu versöhnen, er heirathete endlich gar eine adelige Frau. Dagegen wurden seine früheren Freunde ihm entfremdet, denn er war sehr auf seinen Vortheil bedacht und nahm z. B. sofort seine sämmtlichen Wiesen und Aecker, die recht beträchtlichen Umfang hatten und deshalb von seinen Vorgängern zum größten Theil an die Bürger ausgethan waren, selbst in Nutzung. Mancher Pächter, der seine Wirthschaft verkleinern und Vieh abschaffen mußte, litt empfindlichen Schaden. Auch stritt Schulze bald mannhaft um die Weide, da er nicht leiden wollte, daß die Stadtheerde im Herbst über seinen Acker getrieben wurde, während er seine Kühe auf die Stadtweide bringen durfte, er stand nicht an, in der Vertheidigung seiner Rechte persönlich eine Lanze zu brechen, d. h. den Hirten wacker durchzubläuen. Vor allem wurde er bei den Bürgern verhaßt, weil er angeblich die Frage wegen Verpachtung der Kirchenäcker wieder angeschnitten hatte. Dieser Streit war alt, schon 1626 beschwerten sich jüngere neuzugezogene Bürger über die Kirche, daß sie die Aecker immer allein an ältere Bürger zu einem geringen Satze ausheuerte, und höchst entrüstet constatirte der Rath, daß die Kläger unnütze Menschen wären. Wir haben darüber schon oben berichtet. Ganz ohne Grund wird die Beschwerde nicht gewesen sein, immer wieder finden wir ältere Bürger als Nutznießer der Aecker, die nicht ordnungsgemäß an Meistbietende nach sechs Jahren neuverpachtet, sondern gar durch Generationen vererbt wurden, die Sache wurde schließlich so angesehen, als ob nur ein Kanon auf jedem Acker läge, und als ob nur bestimmte Häuser an der Auskavelung der Kirchenäcker

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Antheil hätten. Der Consul Artener, der ja auch ein Neuzugezogener war, stürmte natürlich gegen diese Festsetzung an, und 1723 war ein heftiger Streit entbrannt. Pastor und Kirchenprovisor befürworteten, daß immer 1 Morgen à 1 Gld. verpachtet würde und zwar empfahlen sie die Austheilung durch das Loos; da der Streit an den Superintendenten kam, so setzte dieser die öffentliche Versteigerung fest. Die alten Miether boten 4 ßl. mehr, als die Eindringlinge und erhielten den Acker, noch einmal wurde derselbe 1729 öffentlich verpachtet, dann lenkte Alles in das frühere Geleise. Abermals schlief die Sache ein, die Nutznießer betrachteten sich als Besitzer und schlossen andere Bürger aus. Zwei unter den jüngeren, die entschlossener waren, Marott und Vogt, beschwerten sich endlich bei Christian Ludwig 1749 und erhielten die Zusage, daß nach Ablauf der Pachtzeit 1753 die öffentliche Versteigerung fortan stattzufinden habe, unter den Meistbietenden sollten die zuverlässigen und verständigen Ackersleute, besonders jene, welche ihre Ernten in Scheunen außerhalb der Stadt einfahren könnten, den Vorzug haben. Schulze wollte ungern die Aufkündigung übernehmen, weil er voraussah, daß er nur Verdruß davon haben würde, und es bedurfte sogar eines verschärften Edictes. In der That wandte sich der ganze Haß gegen ihn, den Schuldlosen, nach 20 Jahren entblödete sich Marott nicht, unter seinen Beschwerden gegen den Pastor auch die aufzunehmen, daß er den Bürgern den Kirchenacker vertheuert habe: natürlich redete er nur so, weil er damals schon zu den älteren Bürgern zählte. - Ein dritter Umstand, der beitrug, Schulzens Stellung zu erschweren, war, daß der Pastor nicht so zaghaft wie seine Vorgänger in seinen Forderungen sich benahm, in der Vakanz=Zeit war am Pfarrgehöfte nichts geschehen, so daß sofort allerlei vermehrte Ausgaben wegen Pfarrbauten erwachsen mußten, hierüber waren die Bürger heftig verdrossen. Es drückte die Meisten bei ihrer Armuth eine Ausgabe von 8 ßl. mehr, als heute einen Arbeitsmann die eines viermal so hohen Betrages, und man weiß wohl, welcher Unwille noch heute nicht bloß in den niedersten, sondern oft auch in begüterten Kreisen anhebt, wenn eine unvermuthete, vermehrte Ausgabe von geringem Betrage im öffentlichen Interesse auferlegt wird. Das Viehhaus mußte ganz neu gebaut werden, und Schulze, der wohl seine Leute kannte und zugeben mußte, daß den Städtern, die die Pfarrgebäude allein erhalten mußten, eine solche Ausgabe zu drückend werden würde, bat den Fürsten um Erlaubniß zu einer Collecte im Lande, da er bei Unwetter in steter Gefahr wegen Zusammensturzes seines Hauses stehen müßte.

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Verdrießlich waren ohnehin schon die Einwohner, daß wegen der Brände, welche die kleineren Städte damals so oft heimsuchten, fürstliche Edicte auf Abstellung der feuergefährlichen Anlagen drangen. Oft genug lagen noch die Scheunen in den Städten, denn in den unsichern Zeiten nach dem großen Kriege hatte man ja das Seine gern um sich und Platz genug zum Bauen in der Stadt. Die Häuser waren alle noch mit Strohdächern versehen und hatten meistens keine regelrechten Schornsteine, baute man doch gerne rasch und billig. Aber es ging der Blick des Einzelnen nicht so weit, die furchtbaren Gefahren zu erkennen, die fortwährend über dem Ort lagen, und wenn auch, - die Verpflichtung zur Abhülfe zuzugeben. Man zuckte die Achseln und meinte: "Großvater hat's auch so gehabt". Auch darin sind die Menschen nicht anders geworden in der kleinen Stadt. Jetzt befahl der Herzog die Abschaffumg der Strohdächer und die Errichtung eines ausgehenden Schornsteins und ließ solches Edict, da es an öffentlichen Blättern fehlte, in alter üblicher Weise von den Kanzeln verlesen. Da nun aber der Pastor selbst fortwährend auf Neubauten für sich hinarbeitete, so reimte man sich schnell zusammen, daß er durch seine Denunciationen Schuld an so unerhörter Verordnung trüge, haßte ihn um so bitterer und - dachte gar nicht daran dem Herzog zu gehorchen. Es blieb immer noch beim Alten. Bei genauerer Prüfung wollen wir uns nicht verhehlen, daß auch manche Sitte des jungen, unbesonnenen Pastors, daß er z. B. sehr auf seinen Vortheil dachte, es mit seinem Amte nicht genau nahm, an weltlichen Vergnügungen, Fischen und Jagen sich eifrig betheiligte, die Veranlassung gab, seine Unbeliebtheit zu steigern. Er war nicht recht aufrichtig und wohl etwas zu glatt und schlau, als daß er in der derben Zeit gefallen hätte. Durch eine furchtbare Schule mußte er noch gehen, bevor er den Ernst seines Amtes recht verststand, wir werden bald das Verhängniß erkennen, das über ihn hereinbrach.

Was den Bestand der Gemeinde anlangt, so ist zu sehen, daß in der vom Kriegsdruck und innerm Aufruhr freien Zeit, etwa von 1741 an, da die fremden Truppen das Land verließen, besonders aber seit dem Regierungsantritt des gerechten Christian Ludwig die Städte sich hoben. Wir finden am Beginn des siebenjährigen Krieges in Lage folgenden Bestand: 342 Beichtkinder und 171 Schulkinder, zusammen 513 Bewohner. Das Handwerk gedeiht besser, 51 Meister arbeiten ohne, 9 aber mit Gesellen oder 2 Lehrjungen. Einzelne Gewerke haben weniger Arbeit, weil mancher Kleinbürger sich seinen dürftigen Haushalt aus Sparsam=

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keit noch selbst ausstattete, manche Häuser noch Lehmwände hatten. Wirthshäuser gab es drei, und sie brachten viel Geld ein, Schornsteinfeger waren nicht am Orte, Tagelöhner waren nur 15 da (man beachte früher!), außerdem 1 Zöllner, 1 Stadtrichter, 1 Notar, 1 Postmeister, 2 Bürgermeister, 2 Rathmänner, 1 Pastor, 1 Cantor, 1 Küster, 28 Ackersleute, 8 Schuster, 8 Schneider, 12 Weber, 1 Maurer, 1 Zimmermann, 2 Rademacher, 1 Papiermacher, 3 Tischler, 1 Schlachter, 3 Bäcker, 2 Chirurgen (Bader), 1 Händler, 1 Kaufmann, 2 Kramer, 1 Riemer, 1 Bojenmacher, 1 Musikant, 1 Töpfer, 1 Nachtwächter, 1 Altflicker, 1 Reifschläger, 2 Kesselhändler, 1 Färber, 1 Drechsler, 1 Böttcher. 2 Kleinschmiede, 1 Glaser, 1 Schmied, 1 Brauer, 1 Tuchmacher. Um unsere Bemerkungen zu vervollständigen, geben wir noch an 55 Vollhäuser, 20 Halbhäuser, 28 Buden; 141 Pferde, 42 Ochsen, 98 Kühe, 51 Schweine, 129 Schafe, keine Ziegen! In Bewirthschaftung waren 522 Morgen Ackers à 4 Schffl. Man theilte die Gewerbe ein in 55 volle, 11 halbe Gewerbe, 15 Tagelöhner, 4 volle, 3 halbe Brauereien, 8 Brenner. Doch wurde Brauen und Brennen meistens mit anderen Geschäften zusammen betrieben. Man beachte die Menge der Zugthiere, die in keinem Verhältniß steht zu der geringen Ackerfläche, offenbar mußte sich viel Verdienst durch Lastfuhrwerk finden.

Diese gegen früher recht günstigen Resultate wurden indessen sehr bald in Frage gestellt, denn es brach die Noth des siebenjährigen Krieges herein. Das deutsche Reich erklärte sich 1757 gegen Friedrich von Preußen und bewilligte durch seine Stände zur Bestrafung des Reichsfriedensbruches einen dreifachen Kriegsssteuer=Anschlag. Meklenburg hatte keine Veranlassung sich von dem Reiche zu trennen und eine dem vielbedrohten Könige günstige Stellung einzunehmen. Es hatte von dem Nachbarlande bisher noch niemals Gutes, wohl aber viel Schlimmes erfahren. Im empörenden Uebermuthe waren von dort aus seit manchem Jahrzehnte fortdauernd die Menschenräubereien betrieben worden, Christian Ludwig klagte z. B. 1754, daß dem Lande viele Tausend wehrhafte Männer geraubt seien. In der Nothzeit unter Carl Leopold hatte ferner Friedrich Wilhelm I. sich nicht müssig finden lassen, in dem aller Willkür preisgegebenen Lande bedeutende Vortheile zu gewinnen, die vier Aemter Plau, Eldena, Marnitz und Wredenhagen hatte er als Pfand für seine Kosten beansprucht, sein Nachfolger hielt sie noch besetzt. So nahm denn Herzog Friedrich der Fromme (oder der Gütige), der seinem Vater Christian Ludwig 1756 gefolgt war, eine preußenfeindliche Haltung an, ohne gerade

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Truppen ins Feld zu stellen, er hoffte wohl, daß Schweden, welches gleichfalls gegen Preußen vorging, mächtig genug sein würde, sein Land zu schützen.

König Friedrich war der Schritt seines Namensvetters nicht unwillkommen, denn er gab ihm das Recht, aus Meklenburg recht viele Kriegssteuern herauszuschlagen. Im Jahre 1757 erschien zuerst eine preußische Heeresabtheilung in unserm Lande. Von dem Belagerungsheere vor Stralsund detachirt, rückte sie über Malchin heran, erhob Kriegssteuern, forderte Rekruten und Lebensmittel und besetzte 1758 Neukloster, Wismar und Poel, und nach kurzem Widerstande auch Rostock. Der Herzog, der nach Lübeck geflohen war, konnte erst im Frühling 1759, als die Preußen abgezogen waren, in sein Land zurückkehren. Aber schon um die Mitte des Jahres trieb ihn ein neues Occupationscorps wieder ins Exil. Furchtbar hausten die Preußen diesmal in dem eroberten Lande. 1760 geschah ein neuer Einfall, der General von Belling, der Anführer des preußischen Corps, schaltete in dem wehrlosen Lande wie 1759. Er wurde zwar im Juli 1761 durch Schweden bis Neubrandenburg zurückgedrängt, aber schon im Herbste hatte er seine alte Position wieder gewonnen. - Der Friede zu Hamburg im Mai 1762 endete den Hader mit Friedrich dem Großen.

Wie jammervoll sah es damals in Meklenburg aus! Die kaum verharschten Stellen waren alle wieder aufgebrochen, und als die furchtbare Zeit vorübergegangen war, blutete Meklenburg aus tausend Wunden. Von diesen traurigen Jahren an bis zu dem letzten Kriege 1870 - 71, in dem die Waffenbrüderschaft ein engeres Band herbeiführte, fand sich besonders bei unserm Landvolke die tiefste Abneigung gegen Preußen, die selbst nicht durch die Freiheitskriege beseitigt wurde. Preußen sonnte sich im Glanze des Ruhmes und vergaß schnell die frühere Noth, Meklenburg hatte das Gefühl, gemißhandelt zu sein von einem Stärkeren. Das vergißt sich schwer. Argwöhnisch sah der Bauer immer über die Grenze, denn man hatte ihm erzählt, daß einst dorther die übermüthigen Husaren hereingebrochen waren, aus dem offenen, wehrlosen Lande die wehrfähigen Männer geraubt hatten, und daß kein Bitten und Flehen sie abgehalten hatte, die Unglücklichen zu zwingen, für eine Sache zu kämpfen, für die sie kein Verständniß und kein Herz hatten. Gelang es Einzelnen zu desertiren - und es gelang nur wenigen - , so fanden sie bei der Rückkehr insbesondere in den Dörfern die Schränke leer, die Scheunen geplündert, die Stallungen ausgeräumt, Pferde und Vieh weggetrieben. Was keinen Werth für den Soldaten hatte, war oft im grausamen Uebermuth

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zerstört, es machte den Eindruck, als hätten zuchtlose Horden gehaust, wo so lange friedliche Menschen wohnten. Diese Verwüstung Meklenburgs ist ein dunkler Fleck für den Ruhm des großen Friedrich, der um so deutlicher hervortritt, als die Franzosen 50 Jahre später nicht annähernd so grausam und hart verfuhren. Es ist schwer, hier eine Entschuldigung zu finden, etwa daß Meklenburg als Reichsland auch Feindesland war, daß der König von der Wirthschaft seiner Soldaten keine Nachricht gehabt habe. Die Klagen erschallten deutlich genug nach Berlin, aber für den Nothschrei des Landes hatte Friedrich als Erwiderung nur kalten Spott. Was er gebrauchte, war Geld, Proviant, Mannschaft, er fragte nicht gerne, wie er es bekam. Es liegt mir ferne, sein Verdienst nicht bloß um Preußens Macht, sondern auch um Deutschlands Größe zu verkennen, das Urteil der Geschichte über ihn steht unerschütterlich fest, aber bei Einzelbetrachtungen, wie die unsere ist, darf man nicht übersehen, wie sein großes Werk auf zertretenem Menschenglück aufgebaut war. Um ihm Werksteine zuzutragen, zerschlugen seine Leute die Hütten der Armen, und gar zu oft benutzten sie von den Trümmern nur den geringsten Theil.

Wenn die Preußen unser Städtchen nicht zu Grunde richteten, geschah es nur, weil eine andere, höhere Macht schon zuvor eingegriffen hatte. (Siehe hernach das Jahr 1759). Aber so lange aus Lage noch etwas zu haben war, mußte es hergeben. 1758 besetzten die Preußen Rostock, und endlos waren die Durchmärsche durch Lage nach Norden und von Norden. Die schwarzen Husaren waren immer sehr rücksichtlos und ließen sich vom besten Ende bewirthen. Wein, Bier, Branntwein, Weißbrot u. s. w. mußte stets im Ueberfluß geboten werden, sie fuchtelten heftig mit der Klinge, wenn auf ihr Wort hin nicht Alles sprang. Rekruten wurden durchgeführt, Deserteure wurden gesucht Haus bei Haus und Stall bei Stall mit finstern Drohungen und Flüchen. Offiziere zogen mit Weib und Kind nach Rostock, um von dort aus die Brandschatzung dauernd zu ordnen. Die Fremden bezahlten natürlich meistens nicht, am allerwenigsten die Chargirten, viele nahmen gerne noch etwas für die eigne Tasche. Weil überall junge Leute von den Preußen aufgegriffen wurden, so war die Aufregung in der Stadt sehr groß, bei drohender Gefahr wurde ein förmlicher Wachtdienst eingerichtet, und auf die erste Nachricht hin floh die einheimische Jugend in gutes Versteck, die fremden Gesellen huben sich von dannen, die Arbeit blieb ruhen wochen=, monatelang. Die im Versteck Liegenden hatten schon oft Familien im Hause, die dann von "Hunger und Noth" lebten. Zuerst wählte man die Scheunen

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außerhalb des Ortes zum Verbergen, solche Schlupfwinkel stöberten die Soldaten bald aus. Später hub man die Dielen in den Stuben auf und grub Höhlungen darunter, wohin noch zu gelangen war, wenn die Gefahr schon an die Hausthür pochte. Da aber die findigen Reiter mit ihren schweren Stiefeln auf die Dielen pochten, so merkten sie bald am Klange den Zufluchtsort. Sie fingen in solcher Weise z. B. den starken Sohn des Bürgermeisters Marott, zwei Preußen schleppten ihn auf das Rathhaus ins Hauptquartier. Unterwegs auf dem Markte packte er sie plötzlich, stieß ihnen unvermuthet die Köpfe zusammen, riß sich von den Betäubten los und stürzte den Berg hinab in die Plage, einen Wiesenabschnitt im Recknitzthal, woselbst hohes, struppiges Buschwerk stand. Bei allem Suchen konnten seine erbitterten Verfolger ihn nicht finden. Die Lager verdoppelten noch solchen Erfahrungen ihre Wachsamkeit, und es flohen die Bedrohten auf das erste Zeichen in jähen Sätzen über das Feld, über die Wiesen und Gräben und suchten besonders gerne im Grünhörenholze Zuflucht. Auf einem langgestreckten Hügel, der mitten in Wiesen lag, die für einen Menschen mit Gefahr, für einen Reiter überall nicht durchschreitbar waren, war dort ein älterer Holzbestand. In den Wiesen wurde wohl auch Heu geworben, doch ließ man es in Schobern stehen, um es im Winter über das Eis transportiren zu können. In diesen Schobern übernachteten die Flüchtlinge. Die verfolgenden Reiter irrten fluchend am Wiesenrande umher und suchten vergebens einen Uebergang, sie schossen aus der Ferne ärgerlich in die Heuhaufen, um die Flüchtlinge herauszutreiben. Bei Nacht erhielten diese heimlich Speise zugetragen. (Nach vielen Jahren fand man, wie ich hörte, einst dort beim Fällen eines hohlen Baumes ein Gerippe, vielleicht hatte hier ein verschollener, armer Flüchtling einen fürchterlichen Tod gefunden). In der Regel ahnte man schon den Ueberfall, wenn der Stadt befohlen wurde, Rekruten zu stellen; es fand sich natürlich freiwillig Niemand, der Preuße mußte sie selbst holen. So gelang es dem Unteroffizier Lange, der auf Befehl des Oberst Brodeville aus Rostock kam, sieben Rekruten zu fangen, darunter drei junge Bürger, deren Frauen und Kinder mit ihrem jammervollen Geschrei die ganze Stadt erfüllten, als die Versorger der Familien nach Rostock weggeführt wurden. Der Unteroffizier machte es sich obendrein mit dem großten Theil seiner Leute bequem, ließ sich 18 Tage in Saus und Braus verpflegen, nahm noch 12 Pferde mit und verlangte zum Schluß für das gute Commando, das er geführt hatte 10 Thlr., die ihm unweigerlich ausbezahlt werden mußten. Darauf reisten Abgesandte der Stadt nach

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Rostock und baten um Herausgabe wenigstens der drei Bürger, aber sie erhielten sie erst gegen Erlegung eines hohen Lösegeldes. Dieser eine Einfall kostete der Stadt, wenn wir Alles in Geld umrechnen, 598 Thlr. 33 ßl. Auch der Oberst Brodeville forderte schließlich für gute Behandlung der Stadt ein Douceur, ließ sich aber bis auf 20 Thlr. abhandeln.

Wenn sonst eine lose Streifpartie mit maßlosen Forderungen im Orte auftrat, begann alsbald ein Feilschen und Handeln, um sie "abzuschubsen" d. h. andern auf den Hals zu schicken. Dragoner forderten einst zwei Pferde, ließen sich abfinden mit 19 ßl. Ein angeblicher Husaren=Rittmeister von Zühlich kam und brandschatzte wahrscheinlich als Marodeur für eigne Rechnung, er forderte sofort 50 Thlr. und eine Last Hafer oder drohte, mit 100 Mann Husaren eine Nacht Quartier zu nehmen. Er ließ sich abhandeln bis auf 5 Thlr. und erhielt für einen werthlosen Sauvegarde=Brief dazu 5 Thlr. Noch einmal wurden 1758 zwei Männer weggeschleppt, einer derselben sollte angeblich Remontepferde transportiren und wurde nach Berlin gebracht, von dort aus weiter verwendet, bis er endlich nach Breslau dirigirt war. Nach 4 Monaten kam er krank und körperlich vollständig gebrochen zurück, der andere war desertirt. Man verpfändete in der Noth seitens der Kämmerei die Rohr= und Hauskavel= und die Kuhwiese. Die Kosten für das Jahr 1758 stellten sich folgendermaßen:

Baare Contribution nebst Unkosten dabei 860 Thlr. 22 ßl.
105 Schffl. Hafer, 60 1/2 Schffl. Mehl, 202 Ctr. Heu, 53 Bd. Heu, 44 1/4 Schock Stroh, 64 Schffl. Häcksel, dazu Unkosten 1392 " 1 "
>Lösegeld für Menschen, Werth der Pferde u. s. w. 598 " 33 "
Einquartierung, Durchmärsche u. s. w. 392 " 35 "
----- ------- ------- ------- -------
3243 Thlr. 43 ßl.

Wir wollen annehmen, daß die Väter der Stadt in übergroßer Fürsorge zur Sicherung ihrer Ansprüche bei späterer Landes=Entschädigung die Summe etwas zu hoch ansetzten, und müssen doch sagen, daß eine Steuer von 3000 Thlr. für eine Stadt wie Lage ein schwerer Schlag war. Wer mochte arbeiten, säen und ernten für den verhaßten Preußenkönig?

Die Durchmärsche dauerten 1759 fort, man rechnete Mittagbrot für einen Offizier 16 ßl., für einen Diener 4 ßl., Abendbrot die Hälfte, 1 Krug Bier 1 ßl., 1 Fl. Wein 8 ßl., Butter und

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Brot 2 ßl., 1 Kanne Kaffee 18 ßl. Am 28. März zog ein feindliches Infanterie=Regiment nach Rostock durch, von dem 1 Bataillon in Lage Quartier nahm, der Major von Kleist lag bei dem Wirthe Marott, und da er auf längern Aufenthalt in Rostock sich eingerichtet hatte, so fanden sich in seinem Gefolge seine Gemahlin mit 3 Töchtern, 1 Kammerfrau, 1 Kammermädchen, Koch, Köchin,1 Inspector, 2 Kutscher, 2 Vorreiter, 2 Lakaien, 12 Knechte bei den Bagage=Wagen, 1 Junge beim Inspector=Wagen, 1 Kutscher beim Kammerwagen, 1 Klein=Mädchen, 1 Ochsenknecht, 2 Kranke. Ich setze die Rechnung für die Unkosten des eintägigen Aufenthaltes hierher: 1 Lamm 1 Thlr., 13 Pfd. Kalbfleisch à 1 ßl. 6 Pf, 1 geräucherte Schulter 1 Thlr., Fisch 24 ßl., 2 Spickgänse à 10 ßl.,2 Mettwürste zusammen 6 Pfd. à 8 ßl., 6 Pfd. Speck à 6 ßl., 10 Pfd. Butter à 7 ßl, 8 Brote à 14 Pfd., das Stück 9 ßl., 2 Pfd. Zucker à 20 ßl., 3 Pfd. Weizenmehl à 2 ßl., 20 Eier 5 ßl., Sauerkohl 2 ßl., 1 Muskatnuß 2 ßl., Muskatblume 2 ßl., 1/2 Pfd. Kaffeebohnen 24 ßl., 1/2 Pfd. Reis 2 ßl., 1/2 Pfd. Perlgraupen 2 ßl., 1/2 Faden Holz 1 Thlr, Salz 6 ßl., Essig 4 ßl, 2 Kannen Milch 4 ßl., 12 Kannen Branntwein 3 Thlr., 84 Kannen Bier 3 Thlr. 24 ßl., 2 Pfd. Licht 16 ßl., 1 Glas zerbrochen 4 ßl., 1 Bettlaken gestohlen 3 Thlr., 2 Kissen mit Bezügen gleichfalls gestohlen 3 Thlr. 24 ßl. In Summa 24 Thlr. 20 1/2 ßl. - In Demmin war eine große Feldbäckerei eingerichtet, dahin mußten aus dem Darguner Holz Fuhren gethan werden; ferner wurden 3 Pferde requirirt, große Lieferungen an Naturalien ausgeschrieben, schwere Contributionen durch das preußische Kriegscommissariat erhoben, (es sollte ein Erbe mit 15 Thlr. besteuert werden). Execution schwebte über der Stadt, der Feind drohte für jeden Tag Verzögerung 50 Thlr. Strafe zu erheben, mühsam brachte die Stadt 1000 Thlr. zusammen. An Kosten verursachte dieses Jahr 1000 Thlr. baar, 433 Thlr. 8 ßl. für Naturalien und Unkosten, 199 Thlr. 40 ßl. für Pferde nebst Bedienung, 439 Thlr. 23 ßl. für Einquartierung u. s. w., zusammen 2072 Thlr. 23 ßl.

Ein furchtbares Schicksal traf gegen Ende des Jahres 1759 die Stadt. Es war der große Brand von Lage.

Es sind im 18. Jahrhundert größere Brände in meklenburgischen Städten nicht selten, da bei der oben erwähnten Bauart eine schnelle Verbreitung des Feuers nicht zu hindern war, auch darf man sich das Elend eines Abgebrannten nicht so schlimm vorstellen, weil ein Haus leichter hergestellt war, wie heute, es gab noch Eichenholz sehr billig, man baute nur einstöckig. Der Schaden wurde aber wirklich groß, wenn er mehrere zugleich traf, und wenn nun gar

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der größere Theil einer Stadt abbrannte, die an sich schon immer nur kümmerlich ihre Existenz gefristet hatte, so war das ein namenloses Unglück, für das uns jedes Maaß fehlt.

Am 25. November 1759 herrschte ein furchtbarer Sturm aus Südwest. Viele Einwohner waren auf der Hochzeit im Hornungschen Hause, und da ein solches Fest noch im ganz andern Sinne wie heute die Aufmerksamkeit des Ortes in Anspruch nahm, so war auch in der Marktstraße allerlei Getreibe, so daß die Hochzeitsleute Thüren und Fensterladen gegen die zuweilen von außen heftig andringenden Neugierigen verschlossen hatten. Bei dem Pastor Schulze war der Rittmeister von Viereck aus Subsin mit seiner Frau zu Besuch, man saß gerade am Theetisch, als die Rittmeisterin mit dem Rufe: "Herr Jesus, es ist Feuer!" aufsprang. Der Pastor öffnete das Fenster und sah oben aus dem Eulenloch unter dem Dache seiner Scheune das Feuer herausschlagen. (Das ganze Pfarrgehöft lag, wie ich hier bemerken will, nicht an derselben Stelle wie jetzt, sondern fast unmittelbar am Stadtwall.) Er stürzte heraus, band im Viehhause das Vieh los, eilte dann auf die Straße und machte Feuerlärm, als er zurückkam, stand schon das Pfarrhaus in lichten Flammen, der Wind fuhr in die Strohdächer, es hallte wie ein ferner Donner, als er mit den Flammen spielte, er faßte wie mit Riesenfaust die feurigen Massen und jagte einen Funkenregen prasselnd und knatternd über die Stadt, jetzt brannten die der Wehdem nächsten Häuser, ha, da loderte schon eine ganze Straße auf! Wie ein feuriger Strom ergossen sich die Gluthmassen vom Winde gepreßt durch die Thorwege auf die Hauptstraße, sprangen über dieselbe tosend hinweg, indem sie jeden Verkehr sperrten; entsetzt flüchteten die Leute durch die Hinterthüren, ihnen nach, fast schneller noch, folgten hoch aufwirbelnd die loßgerissenen Brände, wohin sie trafen, sprang ein neuer Feuerquell - die ganze Stadt fast eine ungeheure, feurige Lohe. Bevor die Sparren an der Pfarrscheune zusammenbrachen, schossen die Strahlen von den entferntesten Gebäuden im Nordosten auf. Die Hochzeitsgäste hielten den Lärm zunächst für einen neuen Störungsversuch und tanzten fort, einzelne verstanden dumpf den Feuerruf, vorsichtig öffnete man zunächst die obere Hälfte der nach damaliger Sitte noch zweigetheilten Thür, aber es war nicht einmal Zeit, die untere, fester verriegelte zu lösen, über dieselbe hinweg und durch die gesprengten Fenster warfen sich die Menschen. Ein brennendes Strohdach schoß ja meistens schon nach wenigen Minuten hernieder, und jeder wußte, daß, wer dann noch im Hause war, nicht gerettet werden konnte. 63 Bürgerhäuser mit den dazu gehörigen Stallungen und

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24 Scheunen brannten in einer halben Stunde; von den Einrichtungen wurde nichts gerettet, es verbrannte auch sehr viel Vieh, die meisten Bewohner retteten nur das nackte Leben, aber es war ein Wunder von Gott, daß keine Menschen umkamen.

Wie es bei solchem gewaltigen, plötzlich hereinbrechenden Unheil zu geschehen pflegt, der Haufe verlor die klare Besinnung und suchte nach einem Gegenstand, an dem er seine Wuth auslassen konnte. Im Pfarrgehöfte war das Feuer aufgekommen, erzählten Einige. "Im Wohnhause selbst", schrien darauf Viele. Verhaßt war der Mann schon; zuerst hörte man Verwünschungen, dann ballten sich die Fäuste, plötzlich wälzte sich ein wilder Haufe zur Pfarre; "in das Feuer mit dem Brandstifter" war der Gedanke, der ihn trieb. Der fluchend Genannte mußte sich in eiliger Flucht nach Subsin retten (nach mündlicher Ueberlieferung sogar zu Fuß durch die überschwemmten Wiesen, richtiger wohl) im Wagen des Rittmeisters, dessen umsichtiger Kutscher noch Zeit gefunden hatte, die Pferde aus dem Stalle zu ziehen. Die Erregteren behaupteten, daß Pastor Schulze unzufrieden mit dem schlechten Zustande seines Gehöftes, absichtlich das Feuer angelegt habe, Besonnene wollten das bestreiten, aber hielten es für ausgemacht, daß durch Verwahrlosung in der Pfarrküche beim Flachsschwingen, während der Zurüstung eines großen Essens das Unglück entstanden sei. Der Haß blieb auf dem unglücklichen Manne haften, ob man nun Absicht oder Versehen annahm.

Die Untersuchung, die auf Befehl des Herzogs Friedrich angestellt wurde, ergab die Ursache des Feuers nicht: daß es in der Scheune aufgegangen war, bewiesen Zeugenaussagen klar genug, denn wenn auch 14 Tage vorher in dem Holzraum, der an die Küche grenzte, und circa 20 Faden Holz aufnehmen konnte, Flachs geschwungen war - ein gefährliches Ding, aber schon 50 Jahre lang Brauch -, so war doch nachweisbar am betreffenden Tage in der Küche alles still gewesen. Der Pastor Schulze suchte natürlich nach der Veranlassung des Brandes und warf den Verdacht auf Heiden, den Knecht des Pfarrpächters, dessen Gebahren während der Feuersbrunst allerdings ein seltsames gewesen war, der auch zuvor wegen Unsittlichkeit und Rohheit auf Schulzes Anzeige vor dem Consistorium hatte erscheinen müssen und aus seiner Feindschaft gegen ihn kein Hehl gemacht hatte aber bewiesen konnte demselben nichts werden, was allerdings Schulze auf den Stadtrichter Hancke schob, der bei der Untersuchung immer nur des Pastors Schaden ins Auge gefaßt habe. Am 12. Januar 1760 war der Letztere mit seiner Familie noch in Subsin, weil das Verweilen

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in der Stadt für ihn lebensgefährlich gewesen wäre. Es war allerdings das kleine Prediger=Wittwenhaus vom Brande verschont, aber dasselbe hatte auch ein Strohdach, und es wurde von dem Pastor befürchtet, daß man darauf ausgehen würde, ihn und seine ganze Familie im Hause zu verbrennen.

Eine tiefe Verbitterung mußte allmählich in Schulze Platz greifen, der sich seiner Unschuld bewußt war aber überall nur Haß und Feindseligkeiten erwarten durfte. Das spricht sich in einem Briefe aus, den er am 23. Januar 1760 an den Herzog Friedrich schrieb, worin es heißt: "Dies erschreckliche Gericht Gottes hat die Lager, welche größtentheils, einige ausgenommen, verruchte, gottlose Menschen, Lügner, Diebe, Räuber, Säufer, Hurer und Ehebrecher sind, nicht nur nicht besser, sondern zum Theil noch ärger gemacht. Und dieses entsteht alles aus dem Mangel an Gerechtigkeit. (Er meint, der Stadtrichter Hancke wäre schwach und spräche nur Recht, wenn er erwarten könne, einige Thaler zu erwerben.) Wer einen guten Stock schlagen, gut stehlen und rauben, auch dabei gut schmählen kann, der ist hier der beste Mann, der kommt hier noch am besten fort. Die Frommen und äußerlich Ehrbaren werden beschimpft und verlästert und auf das schändlichste verläumdet. Der Rathsverwandte Marott, ein guter, ehrlicher Mann, durfte selbst vor einigen Jahren sich nicht einmal getrauen, ohne Gewehr auf seinen Acker zu gehen, aus Furcht überfallen zu werden. Das Herzeleid, was mir, und die Schmach, die meinen Leuten angethan wird, die nicht einmal mit Frieden auf der Gasse gehen können, ohne beschimpft zu werden, ist gleichfalls nicht auszusprechen."

Die Jahre gingen über das Land, Lage erhub sich wieder aus der Asche, indem der edle Herzog reichlich Hülfe an Materialien zum Aufbau spendete. Er hatte zur Aufnahme der wüsten Stellen und Regulirung derselben einen Landmesser beordert, aber die beabsichtigte Geradelegung der Straßen konnte er nicht durchsetzen, weil die Bürger nicht von ihren Fundamenten und Kellern weichen wollten. Einzelne Häuser, die mitten auf dem Markte standen, durften, obwohl sie durch ihre Lage besonders bei Jahrmärkten Profit gebracht hatten, nicht wieder aufgerichtet werden, zum größten Theil blieb Alles beim Alten. Vier Freijahre wurden der Stadt in Bezug auf Landessteuer bewilligt, aber eine Verlängerung dieser Gunst nicht zugestanden.

Allmählich legte sich der Groll gegen den Seelsorger, als bessere Zeiten kamen, derselbe wohnte sicher in seiner Gemeinde, ja er wurde beliebter. Immer noch trug aber der Bedauernswerthe

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den furchtbaren Druck mit sich herum, daß der Verdacht der Brandstiftung nicht von ihm genommen war. Hatte er früher mancherlei an der Gemeinde verschuldet, so mußte er jetzt schwer dafür büßen.

Zwanzig Jahre gingen über die Stadt dahin, zum größten Theil schöne Friedensjahre. Da meldete sich einst beim Pastor Schulze der Chirurgus Carl Strüwing zur Beichte an und machte ihm das Geständniß, daß er, im Gewissen gedrungen, sich ihm als den Urheber des Brandes offenbaren müßte. Was ferner zwischen den Beiden verhandelt wurde, ist nicht bekannt geworden, wahrscheinlich ist indessen, daß Schulze ihn anhielt, jetzt nachträglich nicht mehr von der Sache zu reden. Strüwing war nicht beruhigt, einst beim Abendmahl ging er feierlichen Schrittes zum Altar und legte daselbst ein schriftliches Bekenntniß seiner That öffentlich nieder. Sein Beichtvater nahm das Schriftstück an sich und verbarg es in seinem Gewande, um es zu unterdrücken in dem Verlangen, daß eine Sache, die er zwanzig Jahre im Stillen getragen hatte, nicht mehr öffentlich im Munde der Leute angeregt werden sollte. Seine Dienstmädchen, die zur Kirche gegangen waren, hatten den auffallenden Act beobachtet, sie erzählten davon der Pastorin, die bei ihrem Manne neugierig nach dem Inhalt der Schrift forschte. Es war ihr auffallend, daß er weitere Auskunft hartnäckig verweigerte, und - verziehen sei ihr diesmal ihre Neugierde - sie suchte heimlich und fand das Papier in der Tasche. Selbstverständlich war jetzt an kein Verbergen mehr zu denken, auf ihr anhaltendes Drängen übergab der Pastor das Bekenntniß, das zurück zu halten er amtlich nicht verpflichtet war, dem Gerichte im Mai 1780.

Es ist mir nicht gelungen, dieses Bekenntniß selbst aufzufinden, aber ein Zweites entdeckte ich, das Strüwing etwas später im August an den Herzog sandte, und da die Angaben, die er darin macht, mit der mündlichen Ueberlieferung einer alten Lager Bürgerfamilie in den Hauptzügen sich decken, so finde ich keine Veranlassung, dort, wo die Letztere ergänzend eintritt, sie mißtrauisch aufzunehmen. Darnach darf ich folgendes erzählen: Der Herr von Viereck in Subsin schuldete dem Strüwing Geld, und auf seine Klage, daß er dasselbe nicht erhalten könne, sagte ihm ein Schlosser Mähl, er solle nur Feuer an das Haus, das sein Schuldner in Lage besäße, legen, es schadete nicht, wenn "der ganze Bettel" mit abbrennen würde, der wäre doch nicht viel werth. Seitdem trug Strüwing sich mit Brandstiftungsplänen. Als Schulze nachdrücklich auf die Neudeckung der Pfarrscheune drängte und den Bürgern in einer Zeit, wo Stroh selten war, die Lieferung von Deckmaterial auferlegt wurde, murrten und schalten Einzelne gewaltig, unter andern auch der Kleinschmied

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Hornung. Der ballte einst, als er mit Strüwing am Pfarrhause vorbei ging, die Faust und rief: "Da gebe ich nichts zu, und den Priester haben wir uns an den Hals processirt, wollen wir ihn wieder los sein, so können wir ihn abprocessen, und wenn das nicht hilft, so gebe Gott, daß einer die Scheune desselben ansteckt, oder daß ein Feuer vom Himmel fiele und ein Donnerwetter aufsteige und schlüge den Priester sammt der Wehdem in Gottes Erdboden. Er thut sonst doch nichts weiter, als daß er mit den Edelleuten tractirt und fährt nach Pommern." Auf solchen rohen Wuthausbruch sprach der Kesselhändler Jörris Verhein: "Behüte Gott!" Strüwing sagte: "Bewahre Gott, wer wollte das thun!" Darauf sah ihn Hornung an und sagte höhnisch: "Das ist man eben so viel. Wenns einer ansteckt, wird ihm kein Mensch was darum thun, wenn es auch alles mit wegginge, darauf will ich leben und sterben!" Seitdem war es bei Strüwing, als ob ihm eine geheimnißvolle Macht zum Anstecken der Scheune trieb. Aus dieser Zeit prägten sich ihm alle Erlebnisse auf Schritt und Tritt ein, so daß er sich nach Jahren derselben bis auf Einzelheiten besann. Er schreibt davon etwa also: "Als ich wieder einmal an der Priesterscheune vorbei ging (er barbierte den Pastor), jammerte mich, dieselbe anzustecken, und ich gedachte bei mir: Das wäre ein Elend. Also ging ich nach der Papiermühle. Da lief vor mir unter die Sohle des Hauses ein Marder, so daß er unter die Bretter der Stubendiele schlüpfte, ich ging hinein und erzählte den Papiermüller=Leuten von dem Marder, also gehen sie hinaus aus der Stube mit einem Hund und wollten das Dings greifen. So komme ich her und nehme meine Flasche und das Becken, allwo ich mit barbiere, gieße in das Becken geschwinde ein Bißchen Wasser und setzte dieses ins offne Röhr mit sammt der Flasche daß es während der Zeit sollte warm werden, daß ich den Papiermüller Lehmann damit barbieren wollte. Ich ging aus der Stube und wollte sehen, ob sie den Marder kriegten, da war er nicht da. Da ging ich wieder in die Stube. Als ich aber zum Röhr kam, und wollte das Becken heraushaben, so war so wenig Becken als Flasche darin, als ich aber genauer zu sah, so war mein Becken mit sammt der Flasche zerschmolzen. Darauf nahm ich eine "Federflücht" und fegte mir das Zinn aus dem Röhr und ging damit den andern Tag nach Rostock und holte mir ein neu Becken und eine neue Flasche, daß meine Frau es nicht zu wissen kriegte, denn sie fragte mich, wo mein Barbierzeug wäre, ich sagte, es sei in der Papiermühle. Nachdem, als ich zu Hause kam, ging ich den andern Tag zu der Papiermühle und barbirte den Papier=

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müller, als ich wieder hereinkam, barbierte ich Klas Behrns. Von da ging ich nach der Wehdem, und da gedachte ich nach meiner Schwachheit: "Wenn doch man Niemand käme und die Wehdem ansteckte, der Mann hat so gefährlich geflucht." Darauf so nahm ich so viel Zunder, als wo man eine Pfeife Tabak bei ansteckt, und hielt den Zunder an meine Tabakspfeife und steckte den Zunder an einen harten, eichen Ständer und gedenke bei mir: "Nun wird der Fluch doch ein Ende haben, von dem wenigen Zunder!"

Wir lassen dahingestellt, ob dieser Ausweg zu seiner Entschuldigung später von ihm erfunden wurde oder ob er wirklich durch den Gedanken an Abwendung des Fluches getrieben wurde. Auch waren die Ständer gerade an der Wetterseite der Scheune, wo das Feuer hernach ausbrach, durchaus nicht mehr fest, sondern gerissen und morsch, so daß auch ein Schwach glimmender Funke gute Nahrung fand. Als der Bader von seinem schlimmen Werke hinweg der Straße zuging, sah er plötzlich von der Höhe über das Thal der Recknitz. Der breite Hügel jenseits, der vor seinen Augen lag, hieß der Köppenberg, dort war 1740 ein Mädchen enthauptet, das rachgierig ein Haus angezündet und damit Veranlassung gegeben hatte, daß ganz Barentin abbrannte. Hier aber an derselben Stelle stand damals eine Frau mit ihrem Sohne, dem sie das schreckliche Schauspiel nur von Ferne zeigte mit der Warnung, daß schlimme That schlimmen Lohn finden müßte, und diese Frau war seine Mutter! Die Erinnerung fuhr ihm durch das Herz, sofort kehrte er um, ihm schien der Zunder ausgeschwält, nur etwas Flugasche war noch da, er versuchte durch Aufdrückung seines Daumens die letzte Gluth zu dämpfen. Am Abend sah er beim Hüten seiner Schafe eine Feuerkugel vom Himmel herniederfallen recht auf die Stadt zu, bald darauf noch eine nach Wardow zu. In der Nacht schlich er zu der Pfarrscheune, und da es ihm schien, als ob der Balken nach innen zu glimme, trug er aus einem benachbarten Brunnen Wasser herzu und schüttete es dagegen, bis ihn das Morgengrauen vertrieb. Noch ein Tag verging, die nächste Nacht, in der er immer noch Brandgeruch witterte, sah ihn wieder bei seiner angstvollen Arbeit. Am nächsten Tage brachte er auf der Hornungschen Hochzeit das Gespräch auf die Himmelserscheinungen, deren Bedeutung ihn sehr erschreckt hatte, aber die Leute erzählten ihm, es hätte "der Drache gezogen". Gleich darauf kam der Feuerlärm und Strüwing, unter den Ersten zur Brandstätte stürmend, sah mit Entsetzen das Feuer an der Seite der Scheune herausschlagen, wo er thätig gewesen war.

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In seiner Seelenangst suchte er Trost im Gotteshause, aber was hörte er dort? Fast alle Sonntage erging der Prediger sich über den Brand, er verwünschte und fluchte von der Kanzel, daß derjenige, der das Feuer angelegt habe, möchte rasend und toll werden. Nach einiger Zeit wurde Strüwings Schwein von einem Hunde angefallen, der ihn, als er zu Hülfe eilte, in den Daumen der rechten Hand biß. Die Sau starb an der Tollwuth in wenig Tagen, er selbst, der das Gefühl hatte, als würden ihm "10 Kübel Wasser über den Kopf gegossen", ließ sich freilich heftig zur Ader, aber, den Fluch des Pastors an sich in Erfüllung gehen sehend, kränkelte er, wurde lahm und epileptisch; er suchte seinen Trost in Geschenken an die Kirche und im Lesen des göttlichen Wortes und fühlte in der That sich dann etwas ruhiger, längere Zeit verschwand er ganz aus Lage, und die Sage behauptete hernach, er sei ins Morgenland zum Grabe des Heilandes gewallfahrtet. Nach seiner Wiederkunft war nämlich sein Gebahren ein sehr auffallendes, er sprach Prophezeiungen aus und behauptete Visionen zu haben. Wir erkennen unschwer, daß seine Angst begann ihn seiner geistigen Klarheit zu berauben. So schreibt er in seinem Selbstbekenntniß: "Also ging ich hinter dem Hause in den Garten, stieg auf einen Borstorfer Apfelbaum und wollte ihn aussägen. Weil ich mit dem Sägen in Arbeit bin, so kommt ein weißer Schwan und fliegt mir immer um den Kopf und schnarcht aus dem Hals, als wenn er mit mir reden will, endlich wirft er sich auf den Mühlenteich nieder. Also kam der Rathsverwandte Lewerentz, der schoß ihn todt." Wie lange ihn diese Noth peinigte, ist nicht klar. "Nach der Zeit ist mir wieder passiert", schreibt er, "ich könnte mir eine Absolution fordern. Das träumte mir vor dem 29. und dem 30. April. Darauf ging ich und legte die Schriften alle auf den Altar hin, die ich hatte, darauf bin ich am 6. Mai arretiert worden." - Zwei Mann wurden ihm in seinem aufgeregten Zustande zur Wache gegeben, und er ängstigte sie mit seinen Behauptungen, Geister um sich zu sehen, wobei es ihm schließlich schien, als ob der Herr selbst bei ihm sich hinstellte. "Seit der Zeit habe ich Ruhe gehabt, daß ich das gesehen habe bei mir; ferner bitte ich Ew. Durchlaucht und seien so geneigt und dasjenige, was ich versehen, sehen Sie meiner in Nachlaß, verzeihen mir solches. Gott der Herr wird an solcher Statt wieder mit Segen überschütten u. s. w. Den 24. August 1780."

Die gerichtliche Untersuchung wurde von Marott, Consul et Judex geführt, dem als Adjunct Joh. Chr. Schaller zur Seite stand, Assessoren waren Lewerentz und Heyde, es ergab sich seine

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Schuld, auch daß Pastor Schulze wohl in Folge seiner Beichte von derselben gewußt, aber nichts davon gesagt habe. Die Acten wurden eingesandt, das Urtheil fiel dahin aus, daß, da sein Verbrechen über zwanzig Jahre her sei, er nicht mehr zu strafen sei, daß aber, da er sich selbst angegeben habe, ihm die Kosten zur Last gelegt würden. Dieser Spruch fand in der Stadt wenig Billigung, alte Schmerzen und Sorgen lebten in der Erinnerung wieder auf, Geld für Kosten konnte Strüwing nicht zahlen, da er völlig verarmt war, sollte er also straflos ausgehen? Dazu kam, daß er bei seiner periodischen Geistesstörung gar leicht wieder Unheil anrichten konnte, darum petitionirte der Rath, daß ihm sein Aufenthalt in Dömitz angewiesen würde. In Rücksicht auf seine Gefährlichkeit wurde dem Folge gegeben, und er blieb in der dortigen Anstalt für Irrsinnige bis in den October 1783 still, sinnend, anscheinend harmlos, so daß er nach dem Berichte des Commandanten entlassen werden konnte, doch mußte er Urfehde schwören, sich nicht in der Stadt Lage betreffen zu lassen. Bettelnd irrte der Arme im Lande umher, in Ludwigslust sah man ihn, in Bützow griff man ihn wieder auf, es nützte kein Verwarnen, es zog ihn mit Macht nach seiner Heimathstadt. Dort wollte sich Niemand seiner annehmen, Mitleid fand er nirgends, keinen Bissen Brot, keinen Trunk Wassers bot man ihm, durch Betteln in der Umgegend erhielt er sich, aber in der Stadt trieb er seltsames Werk. Er suchte Schutthaufen auf, von denen er mühsam Steine hinwegschleppte mit der einförmigen Erklärung, er habe immer noch nicht genug getragen, er müßte noch immer mehr tragen. Des Nachts lag er meistens auf der Gasse und störte die Stadt mit seinem Geschrei, indem er laut redete und predigte. So fristete er sein Dasein noch acht Jahre, oftmals prophezeiete er zu aller Schrecken, daß Lage bald wieder in Feuer aufgehen würde, Brandgeruch witterte man sogar einmal in einem Gebäude, wo Strüwing gesessen und mit Feuer gespielt hatte, obwohl keine Feuerstelle nachweisbar war. Darum bat die Stadt am 16. September 1791 abermals den Herzog, er möchte ihn wegen seiner Gemeingefährlichkeit wiederum nach Dömitz zurücksenden. Der herzogliche Minister war in der Nähe der Stadt (in Rossewitz) gewesen und hatte ihn dort gesehen, derselbe erklärte, daß er sein tiefstes Mitleid erweckt hätte, weil er so ganz verlassen sei, gefährlich wäre er wohl nicht, aber erbarmungswürdig, darum er befürworten müsse, daß er in Dömitz aufgenommen und in der Anstalt bis zum Tode erhalten würde. Es sollte indessen nicht zur Ausführung kommen, eines Morgens fand man Strüwing todt auf einem Schutthaufen.

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Welche erschütternde Tragödie hatte dort ihren Abschluß gefunden!

Wir sind durch die Absicht, vorstehende Schilderung von dem Brande und dessen Nachspiel im Zusammenhang zu geben, der Zeit des siebenjährigen Krieges entrückt und müssen nunmehr in das Jahr 1759 zurückkehren. Die Hand der Preußen lastete noch mit schwerem Drucke auf dem Lande. Gehäuft wohnten die Bürger im Winter in den Häusern, die übrig geblieben waren, in Stallungen oft und auf den Dielen. Gar kümmerlich brachte man sich durch die rauhe Jahreszeit hindurch, alles Gewerbe lag darnieder, die Lager Handwerker liefen bettelnd im Lande umher, um ihre Familien erhalten zu können. Wohl kam zuweilen Befehl von Rostock für die Magazine in Rostock, Ribnitz, Sülze, Tessin oder Demmin Lieferungen zu thun, aber selbst die sonst so harten Preußen mußten sich von dem vor ihren Augen stehenden Elende abwenden und ihre Forderungen lassen. Die Stadt verpfändete die Grandbergs=Wiesen für 200 Thlr., die meisten Hausväter hatten kein Korn, oft nicht das liebe Brot. Die Nachbarschaft, die sonst hätte helfen können, war selbst auf das Aeußerste von den Preußen angespannt, die nicht Abgebrannten wurden mit den Abgebrannten in der Stadt ruinirt, weil eine Familie oft 2 - 3 andere aus der Verwandtschaft ernähren mußte. Das Vieh, das gerettet war, mußte an fremden Orten zur Fütterung gegeben werden, dafür nahm der Fremde meistens die Nutzung. Die Wenigsten konnten im Frühjahr den Acker bearbeiten und zusäen, mit Hülfe der benachbarten Bauern wurde etliches Land bestellt, aber weil keine Düngung stattgefunden hatte, konnte der Ertrag nur gering sein, und natürlich arbeiteten die Bauern nicht umsonst, der Ertrag mußte getheilt werden. Scheunen mangelten, in den Miethen aber verdarb Vieles. Trotz alledem mußte Lage 1760 das wenigstens an die Preußen liefern, was es am leichtesten haben konnte, 26 Ctr. Heu, mußte auch noch Vorspann leisten und 195 Scheffel Hafer in der Nachbarschaft aufkaufen, um dem drohenden Druck sich zu entziehen.

Im nächsten Jahre wurden die Forderungen schon wieder ganz bedeutend gesteigert, nach Neukalen mußten von Lagern zu den Schanzarbeiten Hand= und Spanndienste geleistet werden, jedes Erbe sollte ferner 15 Thlr. geben, die Stadt verpfändete zur Deckung solcher Forderungen die Plagen=, Hörn=, Drittentheils= und Bollen=Wiese, auch verschiedene Aecker, und soviel Speculationsgeist hatten die Einwohner doch schon wieder, daß einzelne Consortien zur Aufbringung der von der Stadt begehrten Anleihe sich zusammenthaten, um sich die Vortheile der Wiesennutzung in

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Zukunft nicht entgehen zu lassen. Die Menschenjägereien begannen wieder in alter, erbarmungsloser Weise. Beim Pastor Schulze diente ein Knecht Buhse, ein starker, breiter Bursche, dem sein Herr in der Scheune sein Versteck hergerichtet hatte, der aber nur ungern drin saß, weil es ihm zu enge war. Einst machte er sich auf, seine Schwester, die in der Stadt verheirathet war, zu besuchen. Als er an deren Fenster vorüberging, sah er sie in der Stube händeringend und weinend stehen, erschrocken beschleunigte er seine Schritte zur Hausthüre und plötzlich trat ihm dort ein Preuße entgegen mit dem Rufe: "Gottes Donner! Führt dich der Teufel hierher!" Bevor aber derselbe seine Hand ausstrecken konnte, floh der Knecht leichtfüßig von dannen, sein Schwager aber war den Werbern in die Hände gefallen und wurde weggeschleppt, man sah ihn niemals wieder. Mit ihm nahmen sie noch zwei jüngere Bürger, alle Mühe der Stadt, sie frei zu bekommen, war vergebens, sie wurden zunächst nach Güstrow in die Kirche geschleppt und dort mit andern Opfern zusammengesperrt, nach fünftägigen Versuchen hatten die ihnen nachgesandten Lager sie nur flüchtig sehen und sprechen können. Nicht allemal freilich hatten die Ueberfälle Erfolg, und man erzählt hie und da noch drollige Geschichten über vereitelte Anschläge. Um die Flucht der Männer zu verdecken, setzten sich die Frauen auf den Hof und dengelten Sensen oder nahmen sonst lärmende Männerarbeit vor, dadurch verlockt schlichen die Werber heran, ordneten sich zum Ueberfall und sprangen dann plötzlich über Zäune und Thorwege, um mit gotteslästerlichen Flüchen zurückzufahren, vom Gelächter der Weiber begleitet. Etliche junge Leute, die nicht mehr hatten ins Freie entkommen können, flüchteten einst auf den Thurm, zu dem nur eine sehr enge, schmale Wendeltreppe hinaufführt; als die Werber nachdringen wollten, rissen jene oben die Stufen der Treppe los und ließen die so gewonnenen Steine heruntersausen, so daß die Gegner, die bei ihrer geringen Zahl ungern eine lange Belagerung vornahmen, abzogen. Die Lücke an der Treppe wurde mir noch gezeigt.

Am 10. Mai 1761 lagerte eine größere Truppenabtheilung des Prinzen von Wartenberg auf dem Stadtfelde und verdarb viele junge Saat, so daß der Schaden auf 188 Thlr. taxirt wurde. Als im October wegen einer preußischen Magazin=Anlage auf ein Erbe zwei Thaler gelegt wurden, schrieb die Stadt an den Engern Ausschuß und bat flehentlich um längere Befristung, "weil wir nicht vermögend sein, in so kurzer Zeit (9 Tagen) die Gelder zusammenzubringen, weil einige Einwohner noch aufs Land gehen, ihre Wohnung zu suchen, viele sind ganz weggezogen, und die

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wenigen Einwohner, so noch hier sind, davon stehen die meisten im Bau und sind nicht vermögend, bei diesen theuren Zeiten das Geringste herbeizutragen". (Am Schluß des Krieges sind über 20 Bürger weggezogen, einige darunter haben ihr Grundstück ohne Weiteres im Stich gelassen). Es fehlt mir der Jahresabschluß für 1761, aber die Kosten beliefen sich zum Wenigsten auf

Contribution, Rekrutengeld, Pferdewerth 4403 Thlr. 10 ßl.
Verpflegungsgelder einzelner Abtheilungen 227 " 24 "
Quartiergelder u. s. w. 938 " 41 "
----- -------- -------- -------- --------
5569 Thlr. 27 ßl.

außerdem 6 Ochsen, 19 Schafe, 6 Pferde, 46 Schffl. Mehl.

Je länger der Krieg währte, je größer die Bedrängniß Friedrichs wurde, je spärlicher die Hülfsquellen seines Landes flossen, um so härteres Joch wurde Meklenburg aufgezwungen. Das Jahr 1762 bezeichnet den Höhepunkt des Druckes, und zwar drängte sich diese Noth auf wenige Monate zusammen, da schon im Mai der Friede geschlossen wurde. Abermals kam der Befehl 10 Rekruten zu stellen, und das war das Signal, daß alle, die irgendwie diensttauglich waren, sich davon machten. Plötzlich brach ein Commando von Husaren und Grenadieren herein, trotz ihres Suchens fanden diese keinen brauchbaren Mann, da griffen sie zu und nahmen, wen sie gerade kriegen konnten, zehn angesehene, ältere Bürger, diese schleppten sie unter allerlei Drohungen fort. Am 27. März kamen sie nach Schwan, am 28. über Schwiesow nach Bützow, am 29. von dort nach Rostock. Mit den Geraubten zogen zwei der gewandtesten Männer aus der Stadtvertretung, um zunächst die Verpflegung derselben zu besorgen, denn was die Soldaten für die Gefangenen abfallen ließen, war bitter wenig, für die Erlaubniß zur Verpflegung forderten die Preußen sehr oft Trinkgelder, diese Reisen verschlangen allein 152 Thlr. Das Geschrei der Hinterbliebenen war jämmerlich, die armen Frauen und Kinder flehten die Bürger um Hülfe an, und so stark war doch der Gemeinsinn, daß man beschloß, lieber das eigene, wenige Vermögen daran zu setzen, als die Opfer, die ja für die Gesammtheit leiden mußten, im Elend zu lassen. Die einzelnen Bürger steuerten 5 oder 10 Thlr. zu und brachten so 523 Thlr. 40 ßl. zusammen, der Rest wurde gegen Pfand angeliehen. Für 1050 Thlr. 40 ßl. gelang es, die Gefangen zu erlösen, jeder Mann galt 100 Thlr., dazu Agio 50 Thlr. 40 ßl. Abermals hatte die Stadt einen Rekruten zu stellen, der sich glücklicher Weise kaufen ließ für 60 Thlr. und vielleicht gedachte, möglichst bald durchzubrennen. Jetzt forderten die Preußen sieben Pferde - wo diese hernehmen? Die

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Bürger hatten so wenige, daß keines entbehrt werden konnte, auch gefielen wohl die magern, schwachen Bürgerpferde den Preußen nicht, es blieb nichts übrig, als sie zu kaufen, und sie kosteten (beim Pferdemangel ein erklärlicher Preis) das Stück 132 Thlr.; dann wurde Contribution ausgeschrieben, zu deren Aufbringung man 151 Eichen verkaufen mußte, das brachte 699 Thlr. 3 ßl.; abermals wurde eine Contribution auferlegt, die vom preußischen Commando gesandten Executionstruppen wollten schon Vieh abpfänden, man fällte lieber noch einmal Eichen für 194 Thlr. 41 ßl. Außerdem hatte die Stadt an baar zusammen ungefähr noch 1000 Thlr. zu erlegen. Wie sie diese Summe aufbrachte, ist mir ein ungelöstes Räthsel geblieben. Solcher Bedrängniß gegenüber tritt als grelles Bild soldatischen Uebermuthes das Gebahren jener Executionstruppen, die unter einem Cornet und dem Unteroffizier Rabe das Geld beitrieben. Der Letztere ließ flott 1/2 Anker Wein auflegen, griff vier Juden, die gerade durch den Ort zogen, auf und ließ sich von ihnen Musik vormachen, dann befahl er der Stadt, jedem dafür 1 Thlr. zu geben, erpreßte für sich ein Trinkgeld von 25 Thlr. und für den Cornet 4 Ldr. Donceur. Außerdem erhielt der Offizier täglich 1 Thlr. 16 ßl., der Unteroffizier 32 ßl., ein Gemeiner 16 ßl. (24 Gemeine blieben unter jener Führung vom 6. Februar bis 6. Mai in der Stadt). Freie Beköstigung verstand sich von selbst. Die Preise für Naturalien stiegen bedeutend, 1 Schffl. Roggen kostete 3 Thlr. 24 ßl., Hafer 2 Thlr., 1 Ctr. Heu (!) 4 Thlr., 1 Bund Stroh 8 ßl.

Bei der Recapitulation, bei welcher alle Leistungen in Geld umgerechnet wurden, giebt der Berechner für 1762 als Ausgaben an:

1. Contribution, Agio, Unkosten dabei. 1871 Thlr. 23 ßl.
2. Korn und Fourage, theils ins Magazin, theils ins Quartier 638 " 23 "
3. Rekrutengelder nebst Unkosten dabei 1464 " - "
4. Currenden, Postporto, Deputirte 23 " 28 "
5. Ankauf von Pferden 1003 " 12 "
6. Executionskosten, Defrayirung des Commandos 1249 " 41 "
7. Durchmärsche, Transporte, Vorspann, Fuhren u. s. w 745 " 47 "
8. Extraordinarie (Stafetten, Juden, Latten u. s. w.) 155 " 6 "
9. Bequartierung durch größere Truppenmassen, Schadenrechnungen der Bürger u. s. w 3732 " 27 "
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10884 Thlr. 15 ßl.
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Allerdings werden, wie ich schon bemerkte, sich die Bürger bei solcher Rechnungsaufnahme der höchsten Sätze bedient haben, und wir können wohl nur, wenn wir ziemliche Summen streichen, der Wirklichkeit näher kommen. Bei der vom Rathe bei der Regierung eingereichten Gesammtrechnung wurde denn auch seitens der Revisionscommission ziemlich reducirt, immerhin konnte später der Rath festsetzen: "Unser Kriegsschaden beträgt nach beigehender Kriegsschadenrechnung 16961 Thlr. 3 ßl. 6 Pf. Es ist zu bewundern, daß ein so kleiner Ort, der noch dazu 1759 fast gänzlich eingeäschert, hat dieses Quantum aufbringen und soviel Credit machen können". Ja, das ist zu bewundern, man glaubt mit jedem Jahre, daß es mit der Stadt nicht mehr schlimmer kommen kann, es müßte sonst mit ihr ganz vorbei sein, aber es kommt doch schlimmer, und sie erträgts.

Ganz bezeichnend für den Zustand der Stadt sind die Antworten des Magistrates auf die Monita betreffend seine Angaben über Steuerpflichtige: Er heißt dort Monitum 3. Es ist nicht glaublich, daß in Lage nicht mehr Knechte, Mägde und Gesellen sein sollten, als in der Specification aufgeführt. Bei keinem membro Senatus ist ein Knecht oder eine Dirne zu finden, da doch bekannt, daß solche Leute bei ihnen im Dienste stehen.

Antwort: In dem membro Senatus sind nur zwei, als Bürgermeister Vogt und Rathsverwandter Marott, so Ackerbau treiben und Leute nöthig haben. Daß sie aber keine Knechte gehabt, muß das Steuer=Register beweisen, weil ihre Leute, so sie zum Betriebe des Ackerbaues gehabt haben, Tagelöhner gewesen. Was die innere Wirthschaft anbetrifft, weil man noch nicht ganz wieder aufgebaut, hat man sich statt Mägde kleine Dirns, so um Zeug dienen, und auch theils mit eigenen Kindern beholfen".

Monitum 5: "Es geschehen keiner Zinsen Erwähnung. - Uebrigens stehet dem Magistrate frei, dem, der sich in bedrängten Umständen befindet, die edictmäßige Steuer bis zur Hälfte nachzulassen, jedoch ist hierbei gewissenhaft zu verfahren".

Antwort: "In Bezug auf Capitalisten, so da Geld auf Zinsen stehen haben sollen, ist wohl nicht glaubhaft, daß Jemand in Lage Geld auf Interessen stehen hat, und es wird den mehrsten hier bange, wann Creditores sich melden, daß sie bona cediren müssen und dennoch ihre Gläubige nicht befriedigen können. Zu bedenken ist der Krieg und das Jahr 1759. Anbauen wollte gerne ein Jeder, allein war Erbarmung bei Ausschreibung der Hufen= und

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Erbesteuer zu finden? Wir mußten, ob wir gleich alle in der Asche gelodert, unsere Erbesteuer, worin wir so vor andern Städten uns sehr graviret befinden, ohne die geringste Nachsicht steuern. Die Execution, da wir nicht im Stande waren zu bezahlen, hielt nicht auf, uns zu torquiren, bis wir alle unsere liegenden Gründe versetzt hatten und nun zur Bezahlung Anstalt machten; unser Vieh wurde aufgetrieben, unsere Kisten und Kasten versiegelt, und alles sollte weggeführt werden. Wer sollte demnach bei so kläglichen Umständen noch Geld auf Zinsen behalten haben, und wer ist jetzo noch im Stande, daß er sagen kann: Mein Haus habe ich Gott Lob ohne Schulden? Wenn ein Jeder nur an seine Schuld denkt, so müssen ihm bei jetzigen Umständen die Haare zu Berge stehen und soll nicht wissen, wie er will aus der Schuld kommen". -

Man darf von den Lager Verhältnissen aus eine Rechnung für das ganze Land aufstellen. Selbst wenn man annehmen will, daß die Nähe von Rostock für Lage verhängnißvoll wurde, so gewinnt man den Eindruck, als ob für Meklenburg durch den großen Friedrich eine zweite, nur etwas abgeschwächte Auflage des dreißigjährigen Krieges geschaffen wurde.


VII. Der Uebergang in die neuere Zeit.

Mit der Beendigung des siebenjährigen Krieges beginnt eine Zeit der Erholung und der Hebung aus dem Verfall. Das Land ward allerdings zunächst noch bedrängt durch die mit der Wiederkehr des Friedens überall entlassenen Soldaten, die oft, verwildert wie sie waren, durch Landstreichen, Stehlen und allerlei sonstige unehrliche Dinge sich ihr Dasein zu fristen versuchten, doch machte sich des Herzogs Friedrich vortreffliches Regiment, das die Schäden nicht nur festsetzte, sondern die Mittel zur Besserung bestimmte, der Stadt Lage bemerkbar, indem es sie schützte und aus der dumpfen, verzweifelten Stimmung, in die sie versunken war, aufzurütteln versuchte. Der Landesfürst verlegte zunächst 1763 eine kleine Garnison nach Lage, ein Lieutenant, zwei Unteroffiziere und etwa 20 Gemeine des von Glürschen Regimentes, dieselbe mußte den Recknitz=Uebergang bewachen, alle Durchziehenden scharf examiniren und visitiren, um der Landstreicher habhaft zu werden; sie stellte an der Brücke einen Posten auf, der dieselbe Tag und Nacht bewachte, auch war sie am Platze, um den gelegentlich auftauchenden Gelüsten nach gewalt=

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samen Werbungen in der Umgegend kräftig entgegen zu treten. Als die Sicherheit unter solcher genauen Ueberwachung sich hob, begann die Stadt das Drückende der Erhaltung ihrer Garnison zu empfinden und bat um eine Verringerung derselben, 10 Mann zogen weg. Im Jahre 1771 wurde der Rest abkommandirt, doch wollte der Herzog auf den Vorschlag, den man ihm treuherziger Weise machte, den alten kümmerlichen früheren Gardereiter Clas Getzmann und den noch kümmerlicheren früheren Musketier Jacob Schmidt, beide aus Lage, als polizeilichen Schutz, etwa nach Weise der heutigen Gensdarmen einzusetzen, nicht eingehen, sondern bestand darauf, daß aus Hagenow von den sogenannten Invaliden ein Unteroffizier und zwei Gemeine, die noch alte Gewehre hätten, nach Lage abgehen sollten.

Sodann richtete Herzog Friedrich sein Augenmerk auf Ueberwachung und Verbesserung des Stadtregimentes und ordnete thunlichst Ersparungen an. Der Bürgermeister Johann Christoph Buhse starb am 3. November 1766, sein nachbleibender College Vogt, war ein alter, schwächlicher Mann, der meist im Bett liegen mußte, und nur bei besonderen Gelegenheiten sich aufraffte, darum wählte man beschleunigt einen neuen Vater der Stadt, Erdmann Friedrich Marott, den ältesten Rathsverwandten. Er war Ingenieur und ein betriebsamer Mann, leider ein nicht sehr zuverlässiger Charakter. Sein Nachfolger als Rathmann wurde gleichfalls bestimmt, beide erhielten die Bestätigung in ihren neuen Aemtern durch den Fürsten und wurden vereidigt. Nach alter Gerechtigkeit mußte der alte Vogt dieselben am nächsten Sonntage in die Kirche führen, woselbst für ihre Amtsführung Fürbitte geschah. 1768 starb auch Vogt, als er sich aus seinem Hause zu einer Reise nach Rostock hervorgewagt hatte. Diesen Augenblick hielt der Herzog für geeignet, eine Vereinfachung der Stadtverwaltung derart herzurichten, daß nur ein Bürgermeister in Zukunft sein sollte, dem die zwei Rathmänner zur Seite standen. Natürlich erhoben diese Beiden sofort Einspruch (denn einer hatte nach alter Sitte Anwartschaft auf den erledigten Posten), warfen Marott vor, er habe der Stadt Rechte zu seinem Vortheil und im Streben nach Allgewalt preisgegeben, und weigerten sich ihm bei der Verwaltung zur Seite zu stehen und irgend eine Arbeit zu übernehmen. Wenn sie sich auch die Vereinfachung der Verwaltung, deren Vortheil handgreiflich war, hätten gefallen lassen, so hielten sie es doch für billig, daß die Einkünfte der erledigten Stelle unter allen Magistrats=Mitgliedern getheilt würden. Das freilich ging wieder gegen die Absichten des Herzogs, denn der wollte gerade in der Erkenntniß, daß ein Bürger=

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meister mit geringen Einkünften, der auf das Suchen nach bürgerlicher Nahrung hingewiesen war, gar zu sehr abhängig und immer versucht sein mußte, Vortheile an andere gegen eigne Vortheile zu vergeben, dem Oberhaupte der Stadt eine selbständige Stellung schaffen. Lange weigerten sich die beiden Rathmänner - was sich besonders empfindlich bemerkbar machte - Bürgerbriefe auszustellen, bevor ihnen nicht zugesichert sei, daß die dem zweiten Bürgermeister bisher dafür zukommende Gebühr nicht allein an Marott falle, aber ein kräftiges Edict des Fürsten, vom Jahre 1770, daß in Zukunft nur ein Bürgermeister sein solle, und dieser immer die Einkünfte beider Stellen beziehen, brachte sie zum Nachgeben. Der Herzog ging noch weiter. Bei der gerade eintretenden Erledigung der Stadtrichter=Stelle beschloß er, dieselbe gleichfalls mit dem Bürgermeister=Posten dauernd zu vereinigen. Von dieser Zeit an datirt also in Lage die Vereinigung von Justiz und Verwaltung; in unsern Tagen ist dieser angebliche Mißgriff wieder beseitigt, aber wir erkennen bei unbefangener Prüfung, daß diese Einrichtung sich in der Hand tüchtiger Männer, wie sie hernach der Stadt bescheert wurden, sehr heilbringend zur festen Gründung von Ordnung und zur Regelung der verworrenen Verhältnisse erwies. Freilich dem in Gerichtssachen ungeübten Ingenieur, dem älteren Manne, der in allerlei Nahrungssorgen befangen war, wurde bald die Arbeit zu groß, und bei der genauen Rechenschaft, die gelegentlich die herzoglichen Commissionen verlangten, wurde ihm recht unbehaglich zu Muthe. In Folge dessen bat er um Beiordnung eines Substituten, der die Aussicht habe, sein Nachfolger im Amte zu werden. Dieser letztere Umstand, der allein locken konnte, weil die Einnahme, die Marott seinem Gehülfen bieten konnte, nur sehr gering war, machte es nöthig, daß der Substitut von Rath und Bürgerausschuß gebilligt wurde, und so fiel die Wahl anders aus, wie Marott es sich wünschte, der Cand. jur. Schaller wurde ihm beigeordnet. Marott machte nach mancherlei Geldnöthen bankerott, und nach vielen Streitigkeiten, die ihre Quelle in seiner besondern Stellung fanden, starb er im Jahre 1783, worauf Schaller als Consul et Judex folgte. Auch dieser war seiner Stelle nicht gewachsen, er war zu jung in die große Verantwortlichkeit hineingestellt und hatte gar kein Verständniß für geordnetes Finanzwesen, wie es gerade der Herzog wollte. Die Rathmänner fanden Grund genug, wegen Unordnung in der Registratur und den Kassenverhältnissen zu klagen, und als nach sechs Jahren, die genügten um eine ziemliche Zerfahrenheit in der Verwaltung herzustellen, eine herzogliche Kommission kam, mußte dieselbe dem Bürgermeister sofort scharf zu Leibe gehen.

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Vorgeladen erschien er nicht, die Commissarien gingen in sein Haus und eröffneten ihm, daß sie ein großes Defizit gefunden hätten und daß, wenn er nicht genügende Caution stellen oder sich rechtfertigen könne, sie sofortige Verhaftung anordnen würden. Tieferschrocken bat er um Frist, versprach und gelobte alles, berief sich auf hohe Verwandte in Güstrow, die ihn lösen und für ihn caviren würden, und somit wurden ihm einstweilen in sein Zimmer zwei zuverlässige Bürger als Wache zugeordnet. Es wurde nach bald geschlossener Untersuchung seine Absetzung bestimmt, und da eine schnelle Ordnung sehr wünschenswerth erschien, so ward der Rechtsgelehrte Joachim Heinrich Christian Lüders zu seinem Nachfolger ernannt. Die Bürgerschaft erklärte, sich die unmittelbare Einsetzung eines Bürgermeisters für diesmal gefallen lassen zu wollen, ohne damit ihren Rechten für die Zukunft etwas zu vergeben.

In der kurzen Zeit in der Schaller regierte, waren auf herzoglichen Betrieb weitere sehr wichtige Dinge in Angriff genommen. Zunächst beachten wir die Regelung der Rathswahlen. Während bisher die ganze Bürgerschaft aus drei vom Rathe vorgeschlagenen Candidaten den Bürgermeister wählte, sollte in Zukunft ihre Vertretung, der Bürgerausschuß, die Entscheidung treffen; zu einer Rathsstelle präsentirte der Magistrat hinfort drei geeignete Männer, und die ganze Bürgerschaft (später der aus Bürgern verstärkte Bürgerausschuß) wählte. Die Bürgervertretung sollte hinfort aus dem vereidigten Stadtsprecher als Vorsitzenden, aus den drei Deputirten und den drei Viertelsmännern bestehen. Während nach bisheriger, allerdings nicht in der Stadtverfassung begründeter Gewohnheit die Ausschußbürger lebenslänglich in ihrer Stelle geblieben waren, beschloß man 1783, daß in Zukunft alljährlich ein Viertelsmann und ein Deputirter ausscheiden und durch Wahl ersetzt werden sollten und zwar derart, daß das Viertel drei Männer vorschlug und der Rath daraus wählte, einer Wiederwahl stand nichts im Wege. Die Deputirten durften Kaufleute oder Handwerker, die Viertelsmänner mußten des Ackerwerks kundige Leute sein, der älteste Rathmann sorgte mit Letzteren für Feld und Weide, der jüngere mit Ersteren für die sonstige Verwaltung. Der Kämmerei=Bürger, der die Ausgaben und Einnahmen besorgte, sollte verantwortlich für die Casse sein, außer ihm durfte Niemand Stadtgelder einziehen.

Wichtig war ferner die auf herzoglichen Befehl in Angriff genommene Ordnung der Verhältnisse der Feldmark (über die wir sogleich Näheres berichten wollen). Eigentlich rettete dieser Um=

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stand sowie die Uebernahme des Pfarrackers in Erbpacht städtischerseits, die sich bald als vortheilhaft auswies, die Stadt vor finanziellem Untergang. Gewissenhafte, einsichtsvolle Männer führten fortan die Verwaltung, so daß die Lage der Stadt sich so sehr hob, daß sie jetzt zu den günstig situirten unter den kleinern Städten zu rechnen ist, obgleich sie nur über eine kleine Feldmark verfügen kann.

1784 war eine herzogliche Commission in Lage anwesend, um über die Wiedereinlösung des verpfändeten Kämmerei=Besitzes zu verhandeln. Sämmtliche Wiesen fast, der größte Theil des Ackers war, wie wir oben ausführten, in fremde Hände oder an Bürger und Bürger=Genossenschaften im Drange der Zeit pfandweise gekommen.

Die Langkavel=Wiesen waren ursprünglich an die Oekonomie in Rostock verpfändet, wurden aber später unter Aufbringung eines Kapitals seitens der sämmtlichen Hausbesitzer, sowie unter Beihülfe eines Kirchen=Kapitals, (zwischen 1740 - 50) wieder eingelöst, so daß dieses Hauptwerthstück der Stadt nicht an Fremde fiel. Die Kämmerei hatte allerdings davon keinen Nutzen, denn die einlösenden Bürger erhielten den Nießbrauch, und da die einzelnen Raten, die diese aufgebracht hatten, ziemlich klein waren, so waren der Nutznießer viele; es hatte sich der Brauch herausgebildet, daß die einzelnen Häuser mit dem Anrecht an die Wiese belegt wurden, Vertrauensmänner theilten dieselbe alljährlich nach Kaveln ein und verloosten diese, ein bestimmter Tag wurde angesetzt, an dem alle Berechtigten zugleich das Mähen des erloosten Theiles vorzunehmen hatten, keiner durfte vorher beginnen oder zu lange säumen. So entfaltete sich auf der Wiese ein fröhliches Treiben, das einen festlichen Zuschnitt erhielt, weil ja auf der einen Fläche wohl hundert Menschen arbeiteten, der Auszug und Heimzug waren von Lachen und Scherzen begleitet. Aber zugleich lag in dieser Ordnung auch eine Quelle von Streit, manchem Theilnehmer war der Termin zu früh angesetzt, einem andern zu spät, das Gras sollte noch wachsen, oder es wurde zu hart, es brach geradezu manchmal ein Krawall aus, der dann aber meist gütlich beigelegt wurde, die Unruhigen gaben sich zufrieden, wenn sie genügend räsonnirt hatten. Die übrigen Wiesen konnten und mußten von der Stadt aus dem Pfandverhältniß gelöst werden, indem dieselbe fremde Kapitalien aufnahm und sodann zum Zinsenabtrag dieselben jährlich verpachtete; dadurch kam ein solcher Ueberschuß, daß bald auch die Kapitalien abgetragen wurden. Die

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Bürger freilich murrten und suchten darzuthun, daß früher vor der Verpfändung die Wiesen immer gegen geringen Kanon an die Bürger verkavelt wären, doch setzte der herzogliche Wille allem Dreinreden zum Glück ein Ziel; ebenso ließ er die verpfändeten Aecker, soweit es möglich war, zurücknehmen. 1770 hatte schon Marott die noch jetzt geltende Schlageintheilung geordnet, Land= und Viehwirthschaft, Holzungen und Weiden traten bald in gute Ordnung, strenge Strafen wurden gegen die Feldfrevler festgesetzt; wer die Befriedigung der Holzzuschläge wegbrach, sollte 10 Thlr. erlegen, wer aber gar sich unterfangen wollte, unter den jungen Forstanpflanzungen zu hüten, sollte im Halseisen stehen. Das geharnischte Edict, durch welches Marott die Felder schützte, lasse ich wörtlich folgen: "Wann seit einiger Zeit hieselbst in Lage allerley Dieberey und Boßheiten scheinen überhand zu nehmen: So haben Bürger=Meister, Gericht und Rath, solchen Frevel, durch nachdrückliche Bestraffung Einhalt zu thun, sich genöhtiget gefunden, nachstehendes, öffentlich zu jedermanns Wißenschaft kund machen zu laßen. Daß von nun an alle diejenigen, welche über kurtz oder lang eines begangenen Diebstahles überführet werden können, er sey so geringe wie er wolle; besonders aber diejenige, welche die Scheuren, Teiche, Garten, Früchte, Zaune, deren Gelender und Stacketten und deren Befriedigung bestohlen und ruiniret haben; Ferner, diejenige welche Schaffe, Fehder Vieh von den Straßen, Holtz von des Nachbahren Höfen, auch durch aushauung der Bohnstöcke die Brüche ruiniren, auch alle diejenige, welche die Eggen, Haken, Pflug, Eysen und Tühder vom Felde Diebischer Weise entwenden, und überhaupt einen Diebstahl begangen haben, sollen nach Befinden, 3 Tage nach einander, und täglich 3 Stunden mit der Straffe des Halß Eysens unabbitlich ohne Ansehen der Person bestraffet werden und zwar so, daß sie die gestohlen Sachen, am Halß=Eysen unter den Armen zu ihrer Schande halten, zugleich aber auch ihr Bürger Recht, Amts und Gilde Gerechtigkeit verlustig seyn sollen. Derjenige aber auch, dem die Außübung des Diebstahles, oder andere Boßheiten öffentlich bekand geworden, und nicht der Obrigkeit davon die gehörige Anzeige thun wollen, vielmehr dieselbige verschweigen und verhehlen, oder gar davon profitiren, sollen gleichfalß nach Befinden, 1 biß 2 Stunden ins Halß Eysen gestellet werden, und seiner Bürgerlichen Gerechtigkeit verlustig seyn. Derjenige aber, welcher den ihn bekand gewordenen Diebstahl treulich anzeiget, und Vorschläge gethan, Wie der Dieb überführet und an Tages Licht zur Bestraffung gebracht werden könne, mithin das Seine, alß ein redlicher Einwohner, mit dazu

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beyträget, daß ein jeder das Seine, wie billig geruhig besitze und behalte, soll nach Befinden, eine Belohnung, von 1, 2 biß 3 Thlr. haben, und sein Nahme soll verschwiegen bleiben. Damit sich nun niemand, mit der Unwißenheit entschuldigen möge; so ist dieses auf Begehren der Obrigkeit öffentlich von der Cantzel verlesen worden. Ein jeder hat solches seinen Kindern und Dienstbohten zur Nach=Achtung anzuzeigen, und dafür zu warnen, auch sich für Schaden und Ungelegenheit, Schimpf und Schande zu hüten, und dahin zu streben, sich und die seinen ehrlich zu ernähren. Publicatum Lage d. 7. Febr. 1768. Bürger=Meister, Gericht und Rath hieselbst".

Im vorstehenden Erlaß ist die Belohnung des Spionirens und des Verraths gewiß recht häßlich und verwerflich, aber das öffentliche Gewissen war noch so verhärtet, daß man das Unsittliche nicht empfand und nur das Zweckfördernde ins Auge faßte, und es stellte sich denn auch bald heraus, daß die Furcht vor öffentlicher Schande die Sicherheit des Eigenthums förderte. 1 ) So, da "das Auge des Gesetzes wacht", repräsentirt durch den alternden Stadtdiener und den Kühler, gewöhnte sich der Lager wieder "zu sanften Sitten", die uns oft recht rauh und borstig noch erscheinen, aber im Vergleich zu früher doch diese Bezeichnung verdienen. Mit der Sicherheit kehrte auch das Behagen am bürgerlichen Wohnen und Hantieren zurück. "Jeder freut sich seiner Ställe", (Schiller verzeihe mir die Veränderung seiner Schreibweise), denn der Stall war der Ort, wo der Kleinstädter zuerst das Anwachsen seines Wohlstandes merkte; die Kundschaft des Handwerkers war nur dürftig und seine Lust zum Geschäft darum auch gering. Aber wenn am ersten Mai früh das Horn des Kuhhirten ertönte, dann blieb keiner, der mit Recknitzwasser getauft war, daheim, Jung und Alt trieb die breitstirnigen Vierfüßler, die aus den Ställen herausdrängten und brüllend verkündeten, daß sie auch ein Verständniß für die Schönheit der weiten, weiten Welt hatten, und achtete darauf, daß sie die alten Bekanntschaften nicht durch zu nachdrückliche Rippenstöße erneuerten. Wild rannten die jüngern Rinder durch die Straßen, die Jugend johlte, die Männer knallten mit den Peitschen, endlich gelangte die Heerde auf die Weide, wo die


1) Der Pranger oder Kaak stand auf dem Markte, es war ein einfacher Pfahl mit Kette und Halseisen. Eine Frau Mehl, die später wegen Hammeldiebstahls daran ausgestellt werden sollte, erhängte sich, um der Schande zu entgehen. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts soll der Pfahl bei Gelegenheit eines Jahrmarktes durch unbefugte Hand herausgezogen sein.
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bekränzten Helden des Tages den Kampf mit einander aufnahmen, das Bollenstoßen begann, das donnernde Gebrüll der kämpfenden Thiere fuhr den Kindern durch das Herz, am Abend erzählten sie sich, daß der rothe Bolle auch in diesem Jahre wieder den Sieg und damit die unbestrittene Herrschaft für den Sommer errungen habe, jene Kleine weinte, daß ihre weißbunte Kuh im allzukräftigen Spiel ihr prächtiges Horn eingebüßt hatte. Wessen Thier aber den Strohkranz heimgetragen hatte, ein Zeichen, daß es als letztes aus dem Stall entlassen war, der brauchte für Spott nicht zu sorgen. War der Sommer ohne besondern Schaden vergangen, dann gab man mit Freuden dem Kuhhirten und dem Schäfer, wenn dieselben zur Winterszeit am Tage vor Weihnachten, auch am Tage vor Neujahr und am Dreikönigstage, auf ihren Hörnern "melodisch" (!) blasend, von Haus zu Haus gingen, jeder mit einem Eimer versehen; sie heimsten Geld oder Bier, je nach der Neigung des Gebers ein. Zu Fastnacht kamen dann die Hirtenfrauen mit einem verdeckten Korbe, und die Bürger gaben ihnen Eier, Fleisch, Brot, auch wohl einen Schilling. - In dieser Zeit, wo die Feldarbeit nicht so andrängte, wurden Meliorationen der Weide und der Wiesen vorgenommen, Gräben gezogen, Dämme aufgeworfen u. s. w., aber nicht etwa von dazu gemietheten Arbeitern, sondern von den Einwohnern selbst, die zu solchem Werke aufgeboten wurden. Aus jedem Hause mußten sich tüchtige Leute zur Arbeit mit dem nöthigen Geräthe einfinden, und es war, da sich nicht viele Tagelöhner im Orte befanden, nicht leicht einen Vertreter zu stellen. Dann hatte das Mühlenviertel etwa den Kuhdamm auszubessern, das Pinnower Viertel auf dem Flachslande Gräben zu ziehen, das Breesener Viertel Gräben aufzumachen. Wenn es auch für das Ganze ging und so jedem wieder Vortheil brachte, so gedieh doch solche Arbeit meist schlecht denn am liebsten ließ man es beim Bestehenden. Nach alter deutscher Weise aber ging zu bestimmten Zeiten der Rath mit dem Bürgerausschuß die Scheiden und Grenzen ab, fünf alte, sieben junge Leute aus der Stadt wurden dazu gezogen, und man entschied bei dieser Gelegenheit etwaige Grenzstreitigkeiten; eine zuverlässige Feldkarte war noch nicht da, und es gab immer Leute, die bereit waren, heimlich den Nachbarn zu schädigen.

Mit der ausgesprochenen Vorliebe der Landstadt für den Ackerbau war freilich der Herzog Friedrich nicht einverstanden, er wünschte mehr die Hebung von Handwerk und Industrie. Fortwährend strömten ihm die Klagen über Darniederliegen aller Geschäfte zu, der Kaufmann beschwerte sich, daß überall auf dem Lande sich Leute aufhielten, die dem städtischen Handel Concurrenz

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machten; die Chirurgen, daß das ganze Land voll Soldaten sei, die schröpften und zur Ader ließen; die Schuster, daß ihre Gesellen so unstät geworden wären durch das früher gebotene, fortwährende Fliehen, alle Sonnabende wäre ihnen das Jahr aus, und sie zögen weiter; der Kesselhändler Jörris Verhein, Stadtsprecher und der unternehmendste Mann der Stadt, der oft in der Noth allein den Kopf oben behielt und 10 Handwerks=Knechte (Gesellen) zum Kesselflicken über Land sandte, klagte, daß seine Nahrung durch die vielen Vagabonden geschädigt sei, die oft das Kesselflicken verständen und die Kundschaft bei ihren Reisen befriedigten. Der Herzog erkannte freilich besser als andere, worin der Hauptgrund dafür, daß in den meklenburgischen Städten das Handwerk nicht auf einen grünen Zweig kommen konnte, zu suchen sei. 1779 erließ er ein Schreiben, das treffend den Zustand seiner Städte schilderte, es heißt darin: "Da sich unsere Städte vor allen Städten in deutschen Reichslanden dadurch zum Gespött aller Fremden und Reisenden auszeichnen, daß in denselben die Einwohner und Bürger sich mehr auf den Ackerbau und die Viehzucht, als auf Künste und Handwerke legen, dahero denn der unleidliche, in andern Reichen und Landen ganz unerhörte Umstand entstehet, daß nicht nur in den kleinern Landstädten auf beiden Seiten der Gassen fast vor allen Häusern das ganze Jahr hindurch große Misthaufen liegen, sondern daß selbst in den größern Städten den ganzen Sommer hindurch täglich die Kühe= und Schweine=Hirten wie in den Dörfern blasend und mit der Peitsche knallend aus= und eintreiben, auch die Kühe und Schweine haltenden Einwohner, welche bei ihren Häusern keine besondern Thorwege haben, solches Vieh stets durch ihre Wohnhäuser aus= und eintreiben und, wenn sie auch den Mist nicht eben, wie in den kleinern Städten geschieht, das ganze Jahr hindurch auf der Straße liegen lassen, doch solchen sodann, wenn sie ihn abfahren lassen wollen, nicht etwa des Nachts, sondern am hellen Tage von ihren Höfen durch ihre Wohnhäuser auf die Gasse hinausbringen und damit in den Gassen wenigstens auf einen oder einige Tage zum Abscheu ihrer oft angesehenen Nachbarn und aller vorbei Passierenden den unleidlichsten Umstand und Gestank anrichten, wobei es vorzüglich auffallend ist, daß besonders in den Bäckerhäusern an solchen Tagen der Brotverkauf auf den Hausdielen seinen Fortgang hat, durch welche der Mist getragen wird, und die davon ganz unrein und stinkend sind." Der Herzog verlangte, daß die Städte den Ackerbau mehr lassen und sich dem Handwerksbetriebe eifriger zuwenden sollten, die Ackersleute thunlichst in die Vorstädte verweisend. Aus Lage wurde geantwortet,

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daß ein vermehrter Handwerksbetrieb wünschenswerth wäre, daß Blüthe in Fabriken und Manufakturen den Wohlstand sehr heben würden, daß aber, da auf dem Lande viele Handwerker, Krämer, Bäcker, Brauer und Brenner wohnten, die Stadt zum Landbau gedrängt würde und überall die Möglichkeit ihres Bestehens nur darin fände. - Auch nachdem die Zeit um 100 Jahre weiter gerückt, ist hierin kein Wandel eingetreten, die kleinen Städte können ohne Ackerbau nicht sein, der Handwerker treibt noch jetzt oft seine Kuh über die Hausdiele und schleppt Jahr aus Jahr ein seine Dungtrage hinterher, er erzielt damit denselben Effect, der den Herzog verdroß, er will es noch immer nicht glauben, daß dieselbe Zeit, die er bei Gartenarbeiten verliert, in seiner Werkstatt zehnmal nutzbringender angewandt werden könnte.

Dem ihm damals entgegengehaltenen Umstande, daß auf dem Lande so viele selbständige Meister wohnten, wandte der Landesvater seine Aufmerksamkeit zu, und es stellten sich bald gar seltsame Dinge heraus. Allerdings beschwerten sich die einzelnen Aemter in den Städten über die Landmeister, aber sie selbst nahmen, natürlich gegen ziemliche Summen, dieselben in ihr Amt auf, gaben ihnen, natürlich wieder gegen gute Zahlung, das Recht, Gesellen zu halten und schrieben ihre Lehrburschen ein und aus, endlich privilegirten sie die Landhandwerker, abermals gegen klingende Gegenleistung, mit ihrer Arbeit sogar zum Verkauf auf die Jahrmärkte zu ziehen. Gegen diese von einer Stadt geduldeten Landmeister erhob nun die Nachbarstadt Klage, als seien sie unleidliche Pfuscher, jedoch ließ auch diese sich frischweg gerne abfinden, so daß die Bedrohten nunmehr an zwei Amtsladen steuern mußten. Kam einmal eine andere Strömung in das Stadtamt, so lehnte es sich entrüstet gegen die Landmeister auf und ließ sie gerichtlich verfolgen. Diesen endlosen Plackereien zu entgehen wünschten dann die Landmeister in die Städte zu ziehen, was dem einzelnen Amte wieder gar nicht gefiel, es legte ein ungebührliches Meistergeld auf und erschwerte den Zuzug nach Möglichkeit, bis oft der Landmeister das Land überhaupt gänzlich zu verlassen sich genöthigt sah. Diesem unerhörten Unfuge zu steuern, forderte der Herzog klaren Bericht über alle Handwerker der Städte und des platten Landes, befahl den Landmeistern den Wegzug in die Stadt, den Städtern ein williges Entgegenkommen, damit also der Stadt allein die Nahrung durch Geschäft und Handwerk zufließen sollte und sie dadurch vor dem Verbauern gerettet würde. In Lage war damals nach dem eingereichten Berichte ein Schusteramt mit 11 Meistern, ein Schneideramt mit 7 Meistern, ein Weberamt mit 8 Meistern, ein

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Bäckeramt mit 4 Meistern und ein Zimmeramt. Die Bäcker klagten, daß die Krüger auf dem Lande backten und das Brot auf den Kirchhöfen Sonntags feil hielten, so daß das Brottragen aus der Stadt aufhörte, ja es ginge soweit (horribile dictu!), daß die Durchreisenden, welche sonst wohl eine Semmel zum Branntwein kauften, jetzt vom Lande sich schon eine Semmel mitbrächten. Die Tischler (5), die Schmiede und Schlosser (5), die Maurermeister (2), Glaser (1), Riemer (2), Rademacher (1), Böttcher (1), Töpfer (1), Drechsler (1). Schlächter (2), Chirurgen (3) hatten kein besonderes Amt, sondern hielten es mit den Aemtern der umliegenden Städte. Auch die Lager hatten, wie sich herausstellte, Landmeister in ihr Amt aufgenommen und deren Lehrburschen aus= und eingeschrieben, besonders die Schuster. Die Schneider hatten nur einen einzigen Landmeister, "welchem der sehl. Major von Lehsten zu Wardow die Stange gehalten, daß er Gesellen halten könne." - Die andern Schneider im District waren Schulhalter und Küster ohne Gesellen. - Die oben erwähnten Aemter datirten ihre Amtsrolle meistens aus den Jahren 1780 - 87; 1797 folgte das Maureramt nach, 1804 das der Tischler, und bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hinein wurde die Errichtung der Aemter fortgesetzt. Es kann jedoch nicht in Frage stehen, daß einzelne Aemter auf eine große Dauer zurückschauen konnten, wie denn z. B. das Bäckeramt 1705 errichtet wurde, die Rolle war wohl im Laufe der Zeit verloren oder verbrannt, so daß 1787 eine Erneuerung des Amtes stattfand, Aehnliches würde sich wohl von den Schustern, Schneidern und Webern annehmen lassen, ja es ist nachzuweisen, daß schon zur Reformationszeit bedeutende Aemter (z. B. der Tuchmacher) in Lage waren.

Es war ein großes Ereigniß für das Städtchen, als 1786 der Chirurgus Hector die Concession zur Errichtung einer Apotheke bekam, nachdem er vom Kreisphysikus ordnungsmäßig geprüft und vereidigt war. Der erste Arzt hieß Brückner, er gab sich für einen vertriebenen katholischen Priester aus und wob damit um sich noch einen gewissen Nimbus zur Hebung seines Einflusses. Vorher ist von Aerzten und Apothekern nicht die Rede, es ließen sich immer nur Chirurgi, die allerdings geprüft sein sollten, in der Stadt nieder, ihre ärztliche Kenntniß erstreckte sich auf die Behandlung von Wunden, Aderlaß, Schröpfen u. s. w. Es war eines Mannes, der sein körperliches Wohl nicht vernachlässigen wollte, heilige Pflicht, sich alljährlich mindestens einmal die Ader schlagen zu lassen, um sein Blut zu erneuern oder in frischen Fluß zu bringen: aber man gab für die Arbeit dem Chirurgen nicht viel, darum

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suchte er sich durch Nebenprofessionen zu ernähren, Faber und Strüwing waren zugleich Barbiere, Vorbrodt war Küster. Die innern Krankheiten wurden durch Quacksalber behandelt, auch durch Wunderdoctoren und zu allermeist durch alte Weiber, die das "Pusten und Suchtenbrechen" verstanden, der Vernünftige fastete oder schwitzte, und eine ordentliche Hausfrau hatte ihre Hausapotheke, in welcher der altberühmte heilkräftige Wunderbaum, Hollunder, eine große Rolle spielte. Wer unter solchen Hülfen nicht genesen konnte, gab sich oft mit einer merkwürdigen Resignation ans Sterben, wie man sie ähnlich noch jetzt zuweilen bei der Landbevölkerung beobachten kann. In sanitätlicher Beziehung sah es auch sonst recht schlimm in Lage aus. Froh, daß er seinen Misthaufen vor dem energischen Anrücken des Herzogs bewahrt hatte, baute sich der Lager denselben im stolzen Bewußtsein seines Rechtes vor seiner Thüre auf und verlangte von seinem Besucher, daß er sich mit seiner Fußbekleidung darnach einrichte. Sobald es anhaltend regnete, konnte man vor den sich bildenden Pfützen kaum von einem Hause ins andere gelangen, zumal die Bürgersteige nicht gedämmt waren. Es läßt sich leicht schließen, daß auch der Horizont des Bürgers durch solchen Misthaufen begrenzt war, aber er fühlte sich hinter ihm wohlig und behaglich, und das war doch zunächst die Hauptsache nach soviel Kummer und Leiden.

Wie mag es dem Fremden ergangen sein, der einmal am Abend spät, müde vom Wandern, seinen Fuß durch die Straßen lenkte, auf denen meistens in der Nacht tiefe Finsterniß lagerte! Der Luxus der Straßenbeleuchtung war völlig unbekannt, (ein halbes Jahrhundert später erwog man die Einrichtung von Laternen). Niemand hatte, so dachte man, etwas draußen zu suchen in so später, in so unsicherer Zeit, die Nacht war keines Menschen Freund, und wer sich leichtsinniger Weise mit derselben befreunden wollte, etwas später beim Nachbarn oder im Wirthshause verweilen, der versäumte nicht, seine große Laterne anzuzünden und damit den Weg durch die vielen Gefahren und Hindernisse zu suchen. Wenn man die Scylla einer Pfütze vermied, konnte man leicht in die Charybdis eines offenen Brunnens oder Sootes fallen, denn wo es einging, da ragte noch der lange schräge Balken in die Luft, der dem Durstigen schon aus weiter Ferne drohte, daß er erst nach schwerer Arbeit seine lechzende Zunge kühlen könnte. Oder es lag am beschränkten Platze die Kette um ein Gewinde, das knarrend und seufzend die Gedanken der damit Arbeitenden verrieth. Ein Fuhrwerk wagte sich, selbst wenn es die Schrecken des beschwerlichen Landweges nicht gescheut hätte, gewiß nicht in die größern Schrecken

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der nächtlichen landstädtischen Straßen, zudem war auch vernünftiger Weise der Zugang zu denselben mit sinkendem Tage versperrt.

Man konnte in Lage nicht sagen: "Und das Stadtthor schließt sich knarrend", denn ein Stadtthor gab es nicht, wohl aber lagen an den drei Eingängen, an denen in älterer Zeit die Thore einmal weggebrannt waren, die bekannten Schlagbäume, bei denen die Thorbuden standen, das Quartier der Einnehmer; Neugierige sammelten sich dort, "wenn etwas los war", die lebhafteste Passage entwickelte sich an den Jahrmärkten. Zweimal im Jahre, zu Johannis und Michaelis, erfreute sich der Lager an dem Leben, das dieselben in den Ort brachten; volksthümlicher war damals nichts, nicht einmal der Königschuß. Am Morgen begaben sich 6 Bürger, die durch das Loos bestimmt waren, zu den Schlagbäumen und ließen dieselben nieder, je zwei und zwei standen sie als Wache dabei und erhuben von jedem einpassirenden Wagen, Pferd, Rind als gesetzliche Abgabe 1 ßl., doch hielt die Behörde es für nöthig, sie jedesmal zur Höflichkeit zu ermahnen; die Einnahmen wurden nach Abzug des Rathsantheils unter ihnen gleichmäßig vertheilt, denn sie hatten, nachdem sie am Tage thätig gewesen waren, noch am Abende ein beschwerliches Werk. Mit Gewehren ausgerüstet mußten sie Patrouille gehen, alle Ruhestörer, alle, die an verbotenen Stellen rauchten u. s. w., in Haft nehmen, um 10 Uhr Feierabend gebieten, die Trunkenen von den Straßen aufheben und unter Obdach bringen. Es ging an diesen Tagen heiß her, damals regierte der Schnaps, und was in den Gemüthern sich im Laufe des Jahres an Unzufriedenheit ansammelte, wurde durch den Korn=Geist entfesselt, so daß der Rath in schlimmeren Zeiten meist ein Commando aus Rostock erbat. Der Handwerker aus der Stadt achtete argwöhnisch darauf, daß sich kein unberufener Verkäufer einschlich, besonders eifersüchtig waren die Schuster, die allerdings auch die meiste Concurrenz anrücken sahen. Sie beschwerten sich 1779, daß die fremden Schuster verbotene und betrügliche Waaren ausstellten, nämlich Schuhe und Pantoffeln aus Roßleder, die sie billiger verkaufen konnten; darum mußten zwei Amtsmeister durch die Reihen gehen und die Waaren mustern, sie wurden aber ermahnt, nicht aus Brotneid gute Waare für schlechte auszugeben. Die Freimeister von auswärts, die man nicht gerne als rechte Meister gelten ließ, suchte man thunlichst abseits zu schieben - es gab eine Fülle von Gelegenheit zum Streit, und sie wurde sehr kleinlich ausgebeutet. Der Waarenumsatz war sehr bedeutend. Da die Juden nur mit Kattun u. s. w., aber nicht mit Wolltuch

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handeln durften, so verdienten die Gewandschneider, die Tuchhändler aus Güstrow oft sehr viel, denn sie boten die einzige Gelegenheit, Tuch zu kaufen. Man behauptet, daß ein gewandter Händler über 700 Thlr. vom Jahrmarkte davongetragen habe. Aber es kamen doch auch jedesmal frische Gedanken in die Stadt und die trägen Geister wurden für längere Zeit in Wallung gebracht, man konnte erfahren, wie es die Nachbarstadt hielt, der Bürger Leiden und Rechte erörtern und besprechen, und darum reisten die Lager zu den Jahrmärkten nach auswärts und litten es heimlich gerne, wenn Auswärtige zu ihnen kamen. Sie prellten ihrer Meinung nach die dummen Bauern und merkten es nicht, wie deren Augen hinter den oft in die Stirn hängenden Haaren ganz pfiffig in die Welt, besser in den schweren Stiefel, den sie zu theuer bezahlen sollten, schauten. Kurzum, es offenbarte sich hier recht die alte Weise der Landstadt, dasselbe Leben, Denken und Treiben, wie es so unendlich kleinlich dem Großstädter, so unendlich wichtig dem Einheimischen, so gemüthlich dem Eingeweihten, so gesund dem Verständigen erscheint, das sich nicht umformen läßt und auch gar nicht anders sein soll, da es natürlich und ungezwungen sich entfaltet. Aus den Kleinstädten strömt der Großstadt unaufhörlich frisches und gesundes Blut zu.

Es entwickelte sich unter dem heilsamen, ächt landesväterlichen Regimente des frommen Friedrich Lage verhältnißmäßig rasch. Es ist erstaunlich, wie schnell die Folgen des siebenjährigen Krieges überwunden worden. 1769 hatte es nur 560 Einwohner, im Laufe der nächsten 50 Jahre vermehrte sich diese Zahl auf 1157, trotzdem die Stadt inzwischen durch den Druck der Franzosenzeit gegangen war. (Abermals 50 Jahre später ist die Zahl erst auf 2000 gestiegen.)

Einen großen Schmerz mußte freilich der Herzog noch seinen lieben Lagern bereiten, sie sollten sich endlich von ihren Strohdächern trennen und harte Bedachung zum Schutz gegen Feuersgefahr einführen. Selten ist eine heilsamere Verordnung erlassen, und die Lager hätten aus eigner Erfahrung die Gefahr, die durch das leicht entzündliche Deckmaterial angerichtet werden konnte, erkennen müssen. Nach dem Brande hatte man natürlich die alte Bedachung überall wieder angewendet, man wohnte ja darunter warm, und die Urgroßeltern hatten es ja auch nicht anders gekannt, wozu also diese Vergewaltigung? Wer aus dem Vorhergesagten die Bürger kennen gelernt hat, wird wissen, daß sie selbstverständlich sich mit aller denkbaren Macht sträubten. Sie wandten

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ein, sie hätten kein Geld. "Geld, wurde ihnen geantwortet, würde niemals willig zu diesem Zwecke da sein, aber es müsse sein." Viele Häuser seien zu leicht gebaut, um eine harte, schwere Bedachung tragen zu können. "So müßten sie abgebrochen werden, und der Herzog sei gewillt, in solchem Falle 15 - 20 Procent des Neubaues zu tragen." Nur Zeit lassen! bat man. "Nichts da, hieß es, gewartet ist lange genug, es würde sofort ein Commando Soldaten abgehen, um die Dächer der Widerspänstigen abzureißen." Endlich spielte man den letzten Trumpf aus: Die geistlichen Gebäude, die doch gleichsam mit gutem Beispiele vorangehen sollten, hätten sich noch bisher unter weicher Bedeckung gehalten. Das war richtig, veranlaßte aber nur ein geharnischtes Edict in Bezug auf diese, der Wille des Herzogs drang schließlich durch, Lage kam abermals einen großen Schritt in der Cultur vorwärts.

Die geistlichen Gebäude waren zum Theil durch den Brand verschont, aber derselbe hätte an diesen wirklich ein gutes Werk leisten können. Das Cantorhaus war im Innern völlig baufällig und konnte nach Außen nur mühsam noch ein wenig Haltung bewahren. Das Küsterhaus hing lebensmüde etliche Fuß zur Seite über und wäre ohne Frage schon längst umgefallen, wenn nicht das Nachbarhaus dasselbe etwas gestützt hätte. Der Nachbar schalt über den Tropfenfall. Wie, wenn er seine Absicht zum Neubau seines Hauses ausführte? Das Prediger=Wittwenhaus stand frei und aufrecht, aber durch seine Wände fegte der Wind, und das Dach lag so bedenklich auf den wurmzerfressenen Platen, daß man nicht sicher darunter schlafen konnte. Zum Pfarrhaus war eins der vom Brande verschonten Gebäude bald nach der Rückkehr des Pastors von seiner Flucht angekauft, aber es war schon anfangs zu klein und winzig, so daß es der Familie nur ein nothdürftiges Unterkommen bot. Schulze war, wie wir oben bemerkten ein eifriger Wirthschafter und mußte das Wittwenhaus, das zur Verfügung stand, als Wirthschaftshaus benutzen, aber auch so konnte er für die Confirmanden keinen Platz schaffen, die armen Kinder saßen in bitterlicher Kälte in der Kirche. Der Pastor säete 325 Schffl. Korn und erntete 1400 wieder, die er auf den Boden des Wittwenhauses schüttete, 5 Pferde standen wegen Stallmangels im überbauten Thorwege, die übrigen im genannten Hause. Der Keller war für Gemüse zu klein, so daß er, wie er selbst mittheilt, "Erdtoffeln" und weißen Kohl auf seine Studirstube legen mußte und kaum einen Spazierweg in derselben behielt. Auch das Dach des Pfarrhauses war schlecht, der Sturm fand verschiedene Löcher und fuhr vergnüglich hinein, zerrte und riß, bis die Bewohner

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beim Regen nicht mehr trocken in den Betten liegen konnten, die Schriften in der Stube verdarben, das Futterkorn auswuchs. An der Wetterseite war das Haus gegen 8 Zoll versackt, die Giebelwand zeigte große Neigung zum Einsturz, gelegentlich fiel eine Tafel aus der Küchenmauer, so daß der Wind von außen ins Feuer blies. Mit seiner alten Rücksichtslosigkeit mochte der Pastor nicht vorgehen, darum geschah wenig zur Besserung. "Wo bleibt hier", schreibt er, "die Liebe zu ihrem Seelenhirten? Sie verliert sich so gänzlich aus den Augen, daß ich auch mit dem besten Perspective und Fernglase sie nicht erreichen kann. Ihren Kühe= und Schweinehirten haben die Herren ihre Wohnungen decken lassen, aber ihrem Seelenhirten nicht. Einem Hunde macht man seine Hütte zurecht, daß er trocken liegt, aber einem Wächter in Zion muß es nicht so gut werden. Das Viehhaus ist so dürftig, daß 40 Häupter Vieh und zwei Knechte leicht vom Sturme erschlagen werden." Wirklich warf auch der Sturmwind die neu (!) erbaute Pfarrscheune einmal zusammen.

Seinen Klagen ward die Anschuldigung gegenüber gestellt, daß er sein Amt ungetreu verwalte, zuviel auf Reisen sei, ohne für genügende Vertretung zu sorgen und sich um den Unterricht der Kinder als Schulinspector nicht ordentlich kümmere. Die Schulverhältnisse waren wieder einmal dürftig. Der alte gute Cantor Stahl war sehr kümmerlich geworden, und alle Verantwortung, die man auf ihn gelegt hatte, belastete ihn zu schwer, Schulze hatte ihm unrechter Weise sogar die Führung des Kirchenbuches aufgezwungen, und als Stahl gebrechlich wurde, ruhte dasselbe verstaubt in der Ecke, es klafft eine Lücke von 15 Jahren, in denen keine Eintragungen gemacht wurden, erst nach dem Tode von Schulze begann die neue, geregelte Buchführung. Der Küster Gottlob Saß war 1750 gestorben, sein Nachfolger, der Musikus Sauer war für die Schule völlig untüchtig. 1768 mußte der Küster Vorbrodt eine sogenannte Nebenschule eröffnen, in der alle ärmeren oder unfähigen Schulkinder gesammelt wurden und eine Gesellschaft bildeten, die selbst den muntersten Lehrer schnell abstumpfen mußte. Seine Einnahmen hatten sich auf freie Wohnung, etwas Acker und 60 Thlr. baar gesteigert. Stahl hatte, wie früher geschildert, nur ein Schulzimmer und ein Schlafzimmer, er ließ im Alter alles gehen, wie es wollte, und saß meistens nur seine Zeit unthätig in der Schule ab. Diese Gelegenheit benutzten Andere und errichteten Privatschulen; Herr Colerus, Herr Thomsen (ein verdorbener Candidat), Frau Spiegelbergen, Frau Wilken und Frau Hoffen wetteiferten, wer die jämmerlichsten Leistungen bieten

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konnte. War es von den Eltern zu verlangen, daß sie ihre Kinder freiwillig in eine Schule sperrten, wo diese keinen weiteren Vortheil hatten, als daß sie auf den Bänken sich etwas beschleunigter die Kleider zerscheuerten? Zur Winterschule kamen die Kinder meistens von 12 Jahren an, der Bürgermeister wollte etwas voraushaben und ließ seine Sprößlinge noch ein Jahr länger reifen, die Sommerschule bedeutete nichts, in allen Localen zusammen fanden sich in der schönen Jahreszeit nicht 8 Kinder, die Jugend trieb sich lieber bei dem Vieh auf dem Felde herum. Natürlich weigerten sich viele Eltern, Holzgeld und Schulgeld zu geben. (Auf dem Lande waren auch Schulen, aber recht schlecht bestellte; als in Breesen 1805 die Lehrerstelle frei wurde, meldeten sich 3 Maurergesellen, 3 Schneider, 1 Weber, 1 Grenadier und ein adjungirter Schulhalter, der Maurer Prödel that den guten Wurf und trat in Funktion.) Man hätte den alten Stahl pensioniren sollen, aber womit? Wer sollte Geld dazu geben? Auf die Straße werfen konnte man den Mann doch nicht, der in kräftigen Jahren sehr getreu seine Pflicht gethan hatte, also ließ man Alles weiter gehen, und die Bürger hätten sich das wohl ohne Murren gefallen lassen, nur empfanden sie es als unerhörten Nothstand, daß ihre Kinder keine Gelegenheit hatten, Latein zu lernen; Lesen und Schreiben prügelte ihnen auch wohl Frau Spiegelbergen ein. 1774 endlich starb Stahl, und der Candidat der Theologie Hildebrandt wurde sein Nachfolger mit dem Titet Rector. Er mußte zunächst in einem Privathause bei der Mühle wohnen, in dessen Küche ein tiefer Soot lag, gelegentlich lockte die Nähe des Mühlenteiches zum Spielen, und verschiedene Unglücksfälle, die sich dabei ereigneten, trieben zum Neubau eines Schulhauses. Allmählich wurden im Laufe des Jahrhunderts noch alle Gebäude tüchtig gebaut, doch erlebte Pastor Schulze diese ruhige Zeit nicht mehr. In seinen letzten Jahren war er allgemein beliebt. Er starb am 16. März 1786. Sein Nachfolger wurde Friedrich Ferdinand Stolte, der berufen war, mit dem Bürgermeister Joachim Heinrich Christian Lüders, später Gerichtsrath, zusammen die Stadt durch jene Zeiten erneuerter Noth zu führen, die man in Meklenburg gewöhnlich die Franzosenzeit nennt.

Es hat diese Zeit schwere Last, aber auch großen Segen für unsere Landstadt gebracht, sie bedeutet gleichsam das gewaltsame Aufbrechen eines Thores, durch welches man den Weg zu bessern Tagen finden konnte. Zurücksehend in die besprochenen alten Zeiten empfinden wir Schrecken vor der Finsterniß, die dieselben deckte, wir können nicht fassen, wie Menschen in ihr zu leben vermochten,

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ja, wie sie gerade das, was uns heute am meisten erschreckt, die Vereinsamung der deutschen Stämme, das selbstsüchtige Streben für den engsten Kreis, den die Landesgrenze oder der Stadtwall zog, das kleinliche Denken ohne größere Gesichtspunkte als Lebensgenuß oder Fristung des Daseins, nicht als bittere Noth empfanden. Aber man bedenke, daß, nachdem der große Krieg ganz Deutschland zerstückelt und die einzelnen Stücke zermalmt und zerrieben hatte, zuerst der Anfang zur Erneuerung durch den Bau des eigenen Hauses gemacht wurde, für dieses wurde natürlich die größte, die einzige Sorge getragen. Dann mußte dem Einzelnen durch das sich entwickelnde Stadtwesen bewußt werden, daß durch die Gemeinschaft ihm viele Wohlthaten zuflossen, seine Theilnahme für die Stadt wurde geweckt. Im ferneren Verlauf spürten die einzelnen Ortschaften den Segen einer geordneten und landesväterlichen Regierung, ihre Liebe zum Lande und zum Fürsten erwachte. Und nachdem das alles geschehen war, da war das größte Hinderniß noch zu beseitigen, das Widerstreben, viele der Eigenheiten, die sich in den 150 Jahren des Aufbauens herausgebildet hatten, nunmehr zum Nutzen eines noch größeren Ganzen daranzugeben. Zu dem Zweck mußte eine starke Faust von außen darein fahren und Land, für Land, Stadt für Stadt, Dorf für Dorf fassen und schütteln, daß alle aus der Stumpfheit erwachten und Anhalt an einander suchten, gleichsam im Nothschrei den Begriff für einen Namen wiederfanden, der in der Zeit der Zersplitterung verloren war, den Begriff für Deutsch, Deutschland, deutsches Volk, deutscher Kaiser; man mußte lernen, daß der Einzelne wirklich erst gedeihen konnte, wenn er das gerade Gegentheil von dem that, was bisher seine Gewohnheit gewesen war, nicht immer an sich, seine Stadt, sein Land zuerst bachte, sondern an das Größte, das weite Vaterland zuerst und an sich selbst zuletzt. Die Vertheidiger desselben durften nicht mehr kläglich für Geld geworben oder mit unerhörter Gewaltthätigkeit gepreßt werden, sondern mußten sich aus der Mitte der edelsten Söhne herzudrängen; heimkehrend durften sie nicht mehr mißtrauisch und scheel angesehen werden wie Leute, denen man das Strolchthum an den Gesichtern ablesen konnte, und bei denen es zweifelhaft war, ob man ihnen ein ehrliches Grab auf dem Friedhofe gönnen sollte, sondern ihre Namen mußten auf Ehrentafeln in den Kirchen dem Gedächtnisse der Nachwelt überliefert werden. Der große Friedrich, der das preußische National=Bewußtsein so gwaltig hob, konnte die Engherzigkeit der Deutschen nicht dauernd brechen. Man jubelte, daß er die hochmüthigen Franzosen demüthigte und vor der ganzen Welt den deutschen

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Namen wieder zu Ehren brachte, aber ärgerte sich über die dominirende Stellung, die er seinem Lande dem Reiche gegenüber gegeben hatte. In Meklenburg hatte der Name Preußen dauernd einen schlimmen Klang, in Lage brach der Groll unaufhaltsam hervor, sobald man der Schmerzen der Eltern und Großeltern gedachte. In Summa: das übermüthige, selbstbewußte Preußen war ein Land, dem man eine Demüthigung durch einen gewaltigen Mann gönnte, der aus Frankreich mit unwiderstehlicher Macht hervorbrach, alle Gegner zu Boden warf und nicht den Eindruck machte, als ob er sich mit dem bisher Errungenen begnügen wollte.

Es lag eine schwüle Luft über dem politischen Horizont. Man erzählte sich im Jahre 1805, daß gegen Napoleon ein Bündniß von England, Rußland, Oestreich und anscheinend auch Schweden sich gebildet habe, und daß die Franzosen unter Bernadotte nicht allzufern von der meklenburgischen Grenze in Hannover ständen. Bald sollte man den Beweis für den Ausbruch des Krieges ganz in der Nähe erhalten. Im October rückten russische Truppen in Lage ein und übernachteten vom 21. auf den 22. in der Stadt, Artillerie unter Major Woicykoff; ihnen folgten sofort Kosaken, die bis zum 25. October blieben, sie belästigten die Bürgerhäuser weniger, denn sie blieben gern in den Scheunen bei den Pferden, und das war ein Glück, man sagte ihnen betreffs Reinlichkeit allerlei Schlimmes nach. Die blauen und rothen Kosaken trotteten fort, um einem Bataillon des Petersburger Grenadier=Regiments Platz zu machen, 744 Gemeine und 25 Offiziere übernachteten vom 28. zum 29. October im Orte. Endlich kam ein russisches Kürassier=Regiment, eine stattliche Schaar, ein stolzes Corps, das nur auserlesene Pferde, meistens Schimmel, besaß; so schöne Truppen hatte man noch nie gesehen, man redete noch lange davon. 134 Pferde, 192 Mann und 4 Offiziere blieben in der Nacht vom 31. October auf den 1. November. Bei solchen Gelegenheiten erfuhr der Bürger, daß man Hannover besetzen wollte, welches vom General Bernadotte geräumt war. Da die Russen Meklenburg in friedlicher Absicht berührten, so hielten sie meisterhafte Manneszucht. Außerdem war der Stadt von der Regierung zugesichert, daß sie für alle Verpflegungskosten vollen Ersatz erhalten sollte. Sie setzte im Ganzen 527 Thlr. 22 ßl. in Rechnung, der Betrag fiel so gering aus, weil aus dem ganzen umliegenden Amte Lieferungen an Korn und Stroh hülfsweise geleistet wurden. Ein Theil des Geldes wurde in der That durch Rußland sofort ersetzt, der Rest, dessen Bezahlung durch die ausbrechenden Wirren unmöglich gemacht wurde, erst im Jahre 1818, aber auf Heller und Pfennig, sogar die

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Zinsen und die Schulden der russischen Offiziere, die alle Kosten aus eigener Tasche hatten bestreiten sollen, kamen zur Deckung. Nach der Schlacht bei Austerlitz mußten die Hannoverschen Besatzungen sich schnell zurückziehen, damals berührten nicht russische, sondern schwedische Truppen unsern Ort; vom 7. auf den 8. December übernachteten von dem Königs=Regiment 22 Offiziere, 520 Mann, 22 Pferde, dazu etwas Artillerie. Auch diesmal kam die Stadt völlig auf ihre Kosten, so daß man ganz vergnügt auf diese gewinnbringenden Durchzüge sah, man hatte gutes, baares Geld in Händen. Die Einsichtigen freilich zuckten die Achsel und fragten, ob der französische Kaiser es sich wohl ungeahndet gefallen lassen würde, daß Meklenburg seinen erklärten Feinden offen gehalten wurde; Napoleon vergaß dergleichen Kränkungen nie.

Ein Jahr fast blieb es still. Preußen rüstete zum Kriege, um am 14. October 1806 in der Schlacht bei Jena alle seine früheren Lorbeeren einzubüßen. Blücher schlug sich durch Meklenburg durch und berührte die mittleren Gegenden von Waren nach Schwerin, von seinem Zuge sowie von den in Eile folgenden Franzosen merkte man in Lage nichts, als daß einzelne Pferde, die die flüchtigen Preußen unterwegs in den Dörfern verkauft hatten, nach dort verhandelt wurden. Dann hieß es plötzlich, daß auch Meklenburg von Napoleon als ein feindliches Land angesehen würde, weil es seinen Feinden wiederholt Vorschub geleistet habe. Jetzt flog die Nachricht durch den Ort: "die Franzosen sind in Güstrow!" "In Kritzkow!" meldete ein zweiter Bote. Aus den Dörfern, die abseits der Landstraße lagen, flüchteten die Bewohner, denn es erzählte der erfahrene Großvater, daß nicht so sehr die geschlossene, große Schaar, als vielmehr die einzelnen fliegenden Abtheilungen, die Marodeure seitwärts des Zuges zu fürchten seien. Die Zehlendorfer Leute lagen drei Tage und Nächte in der kalten Jahreszeit im Freien, zunächst kamen dorthin nur zwei Franzosen, die auf dem leeren Hofe Kisten und Kasten zerschlugen und sogar die Knechtsladen in den Ställen erbrachen, um sich dann mit geraubtem Gelde eiligst weiter zu machen. Ein Knecht, der sie aus der Ferne beobachtet hatte, schlug vor, sie zu erschlagen, aber der Kutscher hielt ihn zurück, weil er größeren Nachzug fürchtete, der letztere ritt auf Kundschaft nach Kritzkow, um zu sehen, ob nicht ein blindes Gerücht sie getäuscht habe, seine Frau war in Folge der rauhen Witterung auf den Tod erkrankt. An der Landstraße wurde er von einer Schaar Reiter, die hinter einer Scheune hervorkamen, ergriffen und zum Führer gezwungen. So kamen die Feinde nach Zehlendorf; sie zogen aber bald nach Zapkendorf

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weiter, aber dem Kutscher haftete lange Zeit der Verdacht an, er habe die Franzosen verrätherischer Weise geholt - aus Frankreich! raunte sich die jüngere Generation in der Ecke zu.

In Lage empfand man "Langen und Bangen in schwebender Pein". Ein Kaufmann Thiemann, der früher im westlichen Deutschland gewesen war und allerlei von den Franzosen gehört hatte, behauptete sie seien nicht so schlimm, wie man sage, sie betrügen sich wie ordentliche Menschen, denen man freundlich entgegen kommen müsse. Jetzt sprengte eine Schaar Reiter über die Straßen auf den Markt und verlangte heftig parlirend einen Führer nach Teterow. Große Rathlosigkeit! Keiner wollte mitziehen. Endlich wandte man sich an obigen Kaufmann, man erinnerte ihn an seine Franzosengeschichten und faßte ihn bei seiner Ehre, man bot ihm eines der angekauften preußischen Pferde, das ja, so hieß es, den Krieg kennen mußte; da Roß und Reiter die einzigen waren, die französische Bekanntschaft hatten, so fanden sie sich in ihre Aufgabe. Der Zug kam nach Diekhof und traf dort andere Franzosen; man machte längeren Aufenhalt, Thiemann entwischte natürlich und schlug wohlgemuth, die Brust geschwellt von dem Bewußtsein bewiesener Bravour, den Rückweg ein. Unterwegs begegneten ihm zwei einzelne französische Reiter, die ihn anhielten und ungestüm sein Geld forderten. Thiemann war kein Dummkopf, er hatte schlauer Weise bei seinem Ritte nur etliche Pfennige eingesteckt, die er mit Achselzucken willig anbot; sie schlugen verächtlich seine Hand bei Seite, und im nächsten Augenblick wurde er mit flacher Plempe gründlich belehrt über seine Pflicht, in Zukunft stets für die kaiserlich französischen Reiter Großgeld in der Tasche zu haben. Kleinlaut, ritt er weiter, von seitwärts her kamen noch einmal zwei Franzosen und riefen: alt! alt! ihn verlangte nicht nach vermehrter gewichtiger Bekanntschaft, er spornte sein Kriegsroß, das ihn auch sicher zum Städtchen zurücktrug. Es war schon anno dazumal so, daß man zum Schaden den Spott hatte, denn lange noch freuten sich die Lager über die Beschlagenheit der Franzosen, mit der sie ihren besten Freund sofort herausgefunden und belohnt hatten. - Am 20. November 1806 rückte die zweite Escadron Muratscher Dragoner ein und nahm eine Woche lang Ouartier, die Reiter munkelten allerlei von Plündern und schnitten grimmige Gesichter dazu, aber man sah, daß es nicht rechter Ernst war, und nach kurzem Handeln konnte man ihren Zorn mit etlicher baarer Münze stillen.

Daß es mit der französischen Invasion bitterer Ernst war, machte sich noch im Laufe des Monats bemerklich, der Herzog

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Friedrich Franz I. flüchtete, und der französische General Michaud nahm von Meklenburg im Namen des Kaisers Napoleon Besitz bekümmerten Herzens rief der Bürgermeister Lüders die Stadtvertretung zusammen und machte die Anzeige, daß der General allen städtischen Behörden befohlen habe, sofort ein von ihm übersandtes Schriftstück, das einen genau formulirten Eid enthielt, durch welchen dem Kaiser der Franzosen Treue und Dienst zugesagt wurde, zu unterzeichnen, mit einem Worte: dem alten Landesherrn ab =, dem neuen Landesherrn zuzuschwören; die Entrüstung war groß, denn die landesväterliche Fürsorge hatte. die Herzen der Bürger dem Fürstenhause fest verbunden. Aber was half Erwägen und Bedenken? Es machte die Herzen nur verzagter, man fügte sich endlich in das Unvermeidliche. Die Obrigkeit wurde also beeidet, die Bürger von der neuen Regierung in Pflicht genommen. Im Anfang des nächsten Jahres verließ der Herzog sein Land, das ja nicht mehr das seine war, die Fürbitte für ihn im Kirchengebete fiel weg, vor dem Hause des nunmehrigen Maire Lüders wurde ein großes Schild mit dem französischen Adler angebracht.

Wer war nun noch, der den Preußen erneute Niederlagen gönnte? Mit Sorge folgte man der Entwicklung des Krieges, ganz Meklenburg wurde von französischen Truppen besetzt, Lage erhielt sogar eine dauernde, größere Besatzung, außerdem zogen fortwährend Abtheilungen durch, französische Chasseurs, die nach dem Frieden von Tilsit zurückkehrten, meistens aber Deutsch=Franzosen, die zum Rheinbunde gehörten und Napoleon Heerfolge leisten mußten, Baiern, Würzburger u. s. w., auch Spanier, Artillerie und Cavallerie bunt durcheinander, so daß man in wenigen Wochen 2534 Mann und 315 Pferde beherbergt hatte, ungerechnet die Durchzüge, die etliche Male ganze Tage dauerten. Die Fremdlinge legten Meklenburg viele Lasten auf, Lieferungen von Naturalien u. dgl., die dann von der Regierung über das Land repartirt wurden. Besonders hoch waren die Forderungen von Schuhlieferungen. In Lage waren, wenn man Alles zusammenrechnete, 18 Schustermeister, darunter jedoch etliche ältere, die nicht mehr recht arbeiten konnten. Im Februar hatten diese eigentlich nichts weiter zu thun, als Schuhe zu machen, alle andere Schusterarbeit blieb liegen, die Lager gingen ohne Sohlen, damit die Franzosen gute Sohlen bekommen konnten. Die Rostocker Gerber dachten nicht daran, in dieser bösen Zeit Leder auf Credit zu geben, zur Baarzahlung hatten die Schuster kein Geld, da schlug sich die Kämmerei ins Mittel und verbürgte sich beim Gerberamt, kostbare Zeit war mit den Verhandlungen verloren, am 28. Februar lieferten dennoch die wackeren

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Meister ihr richtiges Pensum ab, jeder Arbeitsfähige hatte täglich ein Paar hergestellt, das mit 1 Thlr. 16 ßl. vergütet wurde. -

Im August 1807 kehrte Herzog Friedrich Franz zurück, da Rußland im Tilsiter Frieden die Selbständigkeit Meklenburgs durchgesetzt hatte, und die Franzosen räumten das Land bis auf Rostock, woselbst noch einige zur Küstenbewachung blieben, doch zogen auch diese 1808 ab.

Fragt man die älteren Leute in Lage nach dem Benehmen der Franzosen in dieser Zeit von 1806 - 1807, so hört man nichts schlimmes. Außerhalb der Stadt begingen sie allerlei Excesse, das platte Land hatte oft böse Erfahrungen zu machen und rächte sich dafür durch heimliche Blutthat. Einzelnes aus der Ueberlieferung will ich hier anführen.

Ein Arbeitsmann aus Kronskamp wollte nach Lage gehen, als ihm zwei feindliche Reiter begegneten, einer derselben sprach deutsch (wie überhaupt die Franzosen viel mit Deutschen untermischt kamen), und dieser forderte den Mann auf, den Weg nach Kl.=Lantow zu zeigen, ertheilte ihm auch, als man noch wenigen Minuten den Ort sehen konnte, die Erlaubniß zur Umkehr. In demselben Augenblick zog der andere Reiter mit einem französischen Fluche seinen Säbel und schlug den Führer über die Schulter, daß sofort Blut lief; der Deutsche riß des Wüthrichs Pferd vorwärts, und als der Franzose noch einmal zu einem Schlage ausholen wollte, der vielleicht dem Armen den Tod gebracht hätte, fuhr des Deutschen Klinge sofort aus der Scheide und dem Franzosen so dicht und drohend unter die Nase, daß derselbe sich besann und schimpfend weiter ritt.

Jene zwei Reiter waren Quartiermacher, die einen größern Zug anmelden sollten, vielleicht Genossen jener andern Zwei, die sich in Lage nach dem Wege nach Drölitz erkundigten, woselbst sie Einquartierung ansagen sollten. Angekommen forderten sie in ungestümer Weise Geld, weil sie es jedenfalls für richtig hielten, das Beste vor den Nachkommenden vorweg zu nehmen. Die Besitzer, zwei Brüder, verweigerten die Zahlung unter Hinweis auf Armuth und nöthigten die Franzosen in die Stube; sie dachten an das oft erprobte Mittel, mit Essen und Trinken freundlichere Gesinnung beizubringen. Die Feinde benutzten aber ein vorübergehendes Alleinsein und machten sich daran den Schrank aufzubrechen, in welchem in der That die Besitzer ihr Geld aufbewahrten. Das sahen die Letzteren von außen, eilten sofort auf den Hof und riefen

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ihre Leute zusammen. Den Kutscher Oloff voran stürmten sie in die Stube, bevor die Einbrecher sich besinnen konnten, war der eine schon durch einen heftigen Stoß mit einer Forke zu Boden gestreckt, der andere flüchtete in die Ecke und bat flehentlich um sein Leben, es half nichts, man mußte den Mund des gefährlichen Zeugen stumm machen. In der Eile schleppte man die Leichen auf den Dunghof und bettete sie dort tief in den Grund, bald, bevor man die Spuren des Ueberfalls hatte tilgen können, kam die Nachricht, daß eine größere Colonne Franzosen sich auf Drölitz heran bewege. Die fremden Pferde fort! war der erste Gedanke. Man führte sie in ein Scheunenfach und baute bis auf den Raum, wo sie standen, dasselbe sorgsam mit Stroh bis unter die Decke zu, der Kutscher mußte bei ihnen sitzen, um sie zu beschwichtigen. Ein gefährlicher Posten! Wenn sie sich verriethen, war er zuerst verloren. Dann raffte man Hühner, Puter u. s. w. auf dem Hofe zusammen, brachte sie in die Mordstube und schlachtete sie dort, um die Blutspuren erklären zu können. So kam es, daß die Franzosen, die nach ihren Quartiermachern fragten, sich bei der Antwort, daß dieselben weiter gezogen seien, beruhigten. Niemand konnte später wissen, ob sie nicht auf dem Wege anderswohin verlockt und erschlagen seien. Oloff rühmte sich noch lange, als er in Lage wohnte, seiner That und trank auf Kosten seiner Herren, bis er sich todt getrunken hatte.

Es war nichts Unerhörtes, daß der Landmann, dessen Ingrimm mit dem Drucke anwuchs, zu solchen verzweifelten Mitteln griff. Zwei Franzosen, so erzählt man aus der Umgegend der Stadt, hielten eine Schaar Knechte, die nach Leistung von Fuhren mit ihren Pferden heimkehrten, unterwegs an und machten lachend Miene, das beste Pferd auszuspannen, um dafür eine abgetriebene Mähre zurückzulassen. Während sie schwatzend und vergnügt beschäftigt waren, die Umsattlung vorzunehmen, hatten die Knechte, die anfangs verdutzt waren, die Köpfe zusammengesteckt, die Pferde waren ihnen zu sehr ans Herz gewachsen, als daß sie nicht einmüthig diese Vergewaltigung hätten empfinden sollen, bevor die Franzosen, die ihre Hände voll Geschirr trugen, sich helfen konnten, lagen sie todt am Boden, worauf man sie seitwärts ins Holz schleppte und dort verscharrte.

Während so auf dem Lande oft Blut vergossen wurde, ging es in Lage besser zu. Die Fremden erlaubten sich in der ersten Zeit auch wohl einmal Uebergriffe, die Holländer und Süddeutschen am meisten, aber man konnte bei ihren Offizieren klagbar werden und fand auch Gehör, der Gewaltthätige wanderte in Arrest, nur

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die Beköstigung hatte der Quartiergeber zu tragen. Einer der wohlhabenderen Einwohner war der Erbmüller Dehn, der eine große Familie hatte, aber auch eine Frau, die der schweren Zeit völlig gewachsen war. Zuweilen wurden des Abends spät die Kinder aus dem Bette genommen und eiligst in Stroh gepackt, um Franzosen Platz zu machen. 18 - 20 Mann oder 4 Offiziere rückten zugleich ein, und oft gingen täglich 18 Thlr. drauf, ohne daß annähernder Ersatz gegeben wurde. Forderten besonders die Gemeinen sehr unverschämt, so mußten sie sich auch eine energische Zurechtsetzung gefallen lassen. Einem französischen Diener behagte es nicht, daß er nicht so leckeres Essen bekam, wie sein Offizier, und obgleich der letztere ihm seine Klagen wiederholt verwiesen hatte, mäkelte und murrte er immer in der Küche herum, bis einst die gereizte Frau, die gerade beim Kaffeebrennen beschäftigt war, ihm eine Schaufel voll Kohlen um die Ohren warf, daß er prustend und schreiend zur Thüre hinausschoß, um von seinem Herrn obenein ausgelacht zu werden. - Sie traute anfangs der Ehrlichkeit der Franzosen etwas mehr und legte zum Essen gar noch silberne Löffel bereit. Zu ihrem Aerger bemerkte sie einst, daß einer derselben offenbar durch einen einquartierten Soldaten gestohlen war. Die entschlossene Frau rief ihr Mädchen und stieg des Nachts, als alle schliefen, auf den Boden, dort lagen die Franzosen in Reihe und Glied im Stroh und schnarchten; ohne Weiteres untersuchte sie die Taschen derselben, die seitwärts von der Lagerstatt hingen, bis sie ihren Löffel wiederfand. Befriedigt kehrte sie von ihrem gefährlichen Gange zurück, ohne daß sie von Jemand bemerkt war, und legte in Zukunft zinnerne Löffel auf den Tisch. - Einzelne, die sich im Ouartier sehr wohl gefühlt hatten, vertrauten ihr an, daß demnächst ein Zahlmeister in die Mühle gelegt würde, der ein rechter Satan sei. Nach einigen Stunden stellte sich ein aufgeputztes, stolzes Mädchen ein und erklärte, sie würde des Zahlmeisters Quartier beziehen, er selbst würde bald nachkommen. Die Müllersfrau witterte sofort die Geliebte des Erwarteten, und da sie ein unkeusches Verhältniß in ihrem Hause zu dulden nicht gewillt war, so maß sie die Fremde mit ihren scharfen Blicken; diese that frecher Weise, als ob sie nichts merke, und setzte sich zum Warten nieder. Bald kam der Zahlmeister und präsentirte sein Quartierbillet, die Wirthin verlangte ein zweites für das Mädchen, lächelnd und achselzuckend hielt er ihr das eine entgegen. Da wallte ihr Zorn gewaltig auf, ohne ein Wort zu sagen, faßte sie die Fremde und warf sie zur Thüre hinaus, daß diese auf die Gasse flog und Zeter schrie. Der so übel verrufene Zahlmeister

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aber schwieg vor solcher Entschlossenheit einer deutschen Frau verdutzt still. Es ist werth, daß man aus einer Zeit, in welcher der Hohe und Stolze oft Muth und Ehre verlor, das Andenken einer Bürgerfrau ehrt, die beides den Fremdlingen gegenüber bewahrte. Von dem Müller forderte ein Franzose, der längern Aufenthalt nahm, beharrlich mit wiederholtem Drohen seine goldene Uhr. Allen Versicherungen, daß keine Uhr da sei, schenkte er keinen Glauben und beruhigte sich erst, als man für ihn aus Rostock Tuch zu einem neuen Anzug kommen ließ. Beim Wegreiten rief er den Müller heran und flüsterte ihm listig ins Ohr: "daß du goldene Sackuhr ast, weiß ick. Die da schreibt bei die Gericht, at's gesagt!" Also fanden sich auch Verräther unter den Bürgern, die es mit den Fremden hielten. Es war ebenso, wie überall in Deutschland, noch war der Knechtssinn nicht gebrochen. Wenn das Volk sich wehren wollte, geschah es nicht in freier, offener That des Schill, es ging heimlich vor, und viele Mordanfälle, wie die oben geschilderten, sind nie an das Tageslicht gekommen. In Groß=Wokern wurde über ein halbes Dutzend Franzosen, die im Schulhause übernachteten, durch die Dorfleute heimlich beseitigt, die Sache wurde nach dem Kriege erst ruchbar, als zwischen Tagelöhnern und Bauern der Streit über die Vertheilung des Nachlasses ausbrach und erstere beim Amte in Güstrow klagbar wurden. In Cammin fand man 1820 beim Mergelgraben noch sieben Leichname von Franzosen, von denen Niemand sagen wollte, wie diese dorthin gekommen waren.

Wenn größere Commandos im Orte lagen, Douaniers oder Gensdarmen längere Zeit in Quartier waren, hielten die Franzosen sich mit Vorliebe auf den Kegelbahnen auf, wobei sie allerdings schalten, daß noch kein Billard vorhanden war. Die Bürger stellten aus ihren Reihen jenen manche Genossen, die von früh bis spät die Kugel rollen oder die Karten schwirren ließen; die Fremden waren leidenschaftliche Spieler, häufig kamen Reibereien vor, plötzlich prügelten sich die Spieler der verschiedenen Nationen und manches Sacre und Bougre wurde den Bürgern an den Kopf geworfen, die dafür ein deutsches Schimpfwort zurückschallen ließen. Später setzten sich die abgekühlten Parteien, die ja nicht berufen waren, den Weltkampf zu entscheiden, wieder zu einander und tranken brüderlich. In den Gasthäusern war starker Geldumsatz, denn die Garnison bezahlte alles baar in der Stadt, wenn sie sich ihr Geld auch wohl gelegentlich vom Lande zusammenholte. Der Umsatz war freilich ein unsicherer, es war mehr "fliegendes Geld", sagte mir ein alter Mann, das nicht beim Erwerber lange blieb.

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Französische Uhren, die im Spiel erworben waren, hatten die Bürger noch lange nach dem Kriege. Man gewinnt aus allen Erzählungen den Eindruck, als wären die Franzosen gutmüthig gewesen.

Die Stadt setzte ihre Gesammtrechnung über alle Kosten, die ihr bisher erwachsen waren (bis 1807 incl.), auf und fand: Fuhren und reitende Boten 1088 Thlr. 47 ßl., Einquartierungskosten 2273 Thlr. 45 ßl., Fußboten 18 Thlr. 42 ßl., Lieferungen 2 Thlr. 32 ßl., Douceur 34 Thlr. 20 ßl., Handwerker 57 Thlr. 23 ßl., Medicin u. s. w. 13 Thlr. 47 ßl., also in Summe 3490 Thlr. 16 ßl. Vergleicht man die Summe mit der Ausgabe im siebenjährigen Kriege, so ist sie gering. Sie wurde aufgebracht von einer Stadt, deren Wohlstand in langen Friedensjahren gewachsen war, und die außerdem mancherlei Einnahmequellen von Fremden und Hülfe vom Lande hatte; die Regierung, die mit großer Umsicht zu Werke ging, hatte für eine genügende Vertheilung der Lasten Sorge getragen.

Die Jahre 1808 und 1809 vergingen verhältnißmäßig ruhig, dagegen brachte das Jahr 1810 neue Belästigung. Um den Engländern einen tödtlichen Schlag zu versetzen, befahl bekanntlich Napoleon die Continentalsperre. Die meklenburgischen Küsten wurden abermals durch die Franzosen bewacht, weil der Kaiser argwöhnisch beobachtet hatte, daß von dort aus erheblicher Schmuggel ins Werk gesetzt wurde. In Folge davon kamen Douaniers wiederholt durch Lage, lagen auch längere Zeit daselbst. Der meklenburgische Exporthandel war völlig gehemmt, das Getreide verkam fast in Rostock, da es nicht zur See verladen werden konnte, ein Scheffel Roggen galt 17 ßl., Weizen 28 - 30 ßl., Butter 3 1/2 bis 4 ßl. Dagegen stiegen die Preise für Colonial=Waaren sehr hoch, 1 Pfd. Zucker galt 1 Thlr., Kaffee 1 Thlr. 8 - 16 ßl. Die Franzosen nahmen nur Weizenbrot, die Müller und Bäcker in Lage verdienten, die Landleute und Ackersleute waren sehr in Noth, darum auch der von ihnen seine Nahrung erhaltende Handwerker. Viele Fuhren wurden begehrt. Vom August 1810 bis 28. Febr. 1811 hatte die Stadt wiederum circa 1800 Mann, 1700 Pferde beherbergt, die Fuhrleute mußten fast immer auf dem Wege von Rostock nach Teterow und Malchin in Bewegung sein. Die Stadt verfügte, wie sie klagte, nur noch über Pferde zu sieben Vierspännern und zwölf Zweispännern, auch diese waren schließlich so abgetrieben, daß man oft zu einer vierspännigen Fuhre die Pferde von vier Besitzern zusammenleihen mußte. Allerdings wurden die Fuhrherren für jede Leistung bezahlt, aber dennoch litten sie vielen

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Schaden, ihr Acker konnte nicht bestellt, ihre Wirthschaft nicht besorgt werden. Solcher Nachtheil traf auch den kleinen Handwerker, der sein Stücklein Acker durch jene immer hatte bestellen lassen; das Korn wuchs auf dem Felde aus, weil man kein Fuhrwerk schaffen konnte, es in die Scheunen zu bringen. In der Zeit, als Saatkorn gedroschen werden mußte, im September 1811 kam der Befehl, 18 kräftige Männer, mit Schaufel und Spaten versehen, nach Warnemünde zum Schanzenbau zu stellen. 20 brauchbare Tagelöhner waren überhaupt nur da, also mußten die Bürger selbst mit ausrücken, alle acht Tage fand Ablösung statt, nach vier Wochen waren die Arbeiten beendet.

In dieser Zeit, wo die anfangs frische Kraft anfing zu erlahmen, wo die Bürger zu Leistungen widerwillig wurden und es große Schwierigkeiten zu überwinden galt, verlor der Bürgermeister, Gerichtsrath Lüders, allmählich den klaren Ueberblick über das Stadtregiment, die Regierung rügte wiederholt grobe Versehen und Nachlässigkeiten und drohte mit Absetzung, so daß er um die Erlaubniß bat, auf seine Kosten einen Adjuncten halten zu dürfen, der mit ihm die Arbeit theilen sollte in der Weise, daß derselbe die Besorgung der richterlichen Geschäfte allein übernehme. So kam der Abvocat Christian Johann Lüders, ein Sohn des Hofrathes Lüders in Malchin, nach Lage, nachdem die Bürgerschaft zu seiner Wahl zugestimmt hatte. 1 ) Er kam am 8. Februar 1812 an, gerade zu der Zeit, als ein neues Kriegswetter, das aber diesmal auf Napoleons Haupt sich entladen sollte, sich im fernen Osten zusammenzog.

Argwöhnisch beachtete Napoleon, der die Grenzen Frankreichs bis zur Trave vorgeschoben hatte, die Sprödigkeit der Norddeutschen und nöthigte die von ihm abhängigen Fürsten, aus allen ihren Städten an jedem Sonnabend Berichte über alle Reisenden, besondere Ereignisse, Volksstimmung u. s. w. an seine Vertreter einzusenden. Auch nach Lage kam am 10. März 1812 die herzogliche Aufforderung zum Bericht. Da man dort noch nicht ahnte, wohin derselbe stets gesandt wurde, so freute sich der Gerichtsrath zu der Gelegenheit. allerlei Klagen an den Herzog bringen zu können. Außer der Nachricht, daß die Juden ein in Kronskamp verstorbenes und daselbst auf dem Felde begrabenes Judenkind wiederum ausgegraben und nach Güstrow auf den Judenkirchhof gebracht hätten


1) Er wurde 1814 der Nachfolger des Gerichtsrathes, erhielt später den Titel Hofrath und blieb bis 1834, in welchem Jahre er auf einen höhern Posten abberufen wurde. Seine Amtsführung war für die Stadt von sehr großem Segen.
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(in Lage war kein Judenkirchhof), berichtete er, daß um Politik sich eigentlich Niemand kümmere, Vergnügungen hätten längst aufgehört, Klagen über den Druck der Zeit mehrten sich, der Mühlendamm sei in schlimmem Zustande, daß bei dem regen Verkehr bald ein großes Unglück zu befürchten sei u. s. w. Darauf hin wurde er vertraulich bekehrt, daß die Berichte für die kaiserlich französischen Behörden bestimmt seien und Domestica darin nicht recht angebracht. In Folge davon passirte in Lage plötzlich nichts, über Stimmung und Excesse war nichts zu bemerken u. s. w., also, daß der Franzose aus solchem Berichte eben soviel entnehmen konnte, wie aus einem leeren Bogen.

Da bei dem Zusammenziehen und allmählichen Vorrücken der großen Armee nach Rußland sich die Ansprüche an Fuhren ins Unerhörte steigerten, so wurde das Land in Kreise abgetheilt, jeder Kreis hatte seinen Berechner, der, sobald Fuhren verlangt wurden, sie über Stadt und Land gleichmäßig zu vertheilen hatte. Hier zeigte sich die Tüchtigkeit des Adjuncten Lüders zum ersten Male im hellen Lichte, derselbe war Berechner der Fuhren (638 in 11 Monaten) und des Magazins, das von dem ganzen Kreise in Lage errichtet wurde, damit für Truppen und Pferde immer auf Verlangen sofort der nöthige Proviant zur Hand war, die Durchzüge schienen oft endlos - immer nach Osten zu. Was man nicht verhindern konnte, war der Umstand, daß die Fuhrleute in der Sorge mit nach Rußland genommen zu werden, mit aller Macht und List sich heimlich auf die Seite zu drücken strebten; sie zur Rechenschaft zu ziehen, war für die Franzosen unmöglich. Schmunzelnd erzählte man, wie aus einem Nachbarorte die Knechte, sobald sie bemerkten, daß die französische Eskorte achtlos an der Spitze und am Ende des Zuges sich hielt, plötzlich nach verabredetem Zeichen vom Pferde sprangen, die Stränge abschnitten und davonjagten. Nur einer, der überall ein Unglücksvogel wegen seiner Langsamkeit war, versuchte die Pferde regelrecht abzusträngen, den hielten die Franzosen an und zerbläuten ihn in ihrem Aerger gründlich, und daheim wurde er noch lange wegen seines Schicksals geneckt.

Vier Rekruten wurden in Lage zum Kriege ausgehoben, unter ihnen ein Enkel des Cantors Stahl, alle bemühten sich vergebens einen Stellvertreter zu kaufen, kaum daß sie Jemanden gefunden hatten, so kam die Nachricht, daß er davongelaufen sei. Ein verkommener Zinngießer Karsten, der schon früher im Felde gewesen war und eine Marketenderin geheirathet hatte, ließ sich mit seiner

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Frau in die Armee locken, wohl in Hoffnung einer guten Beute in Rußland. Von diesen allen sah man nichts wieder.

Ein halbes Jahr war alles still ein schwerer Winter kam über Land und Stadt, dann schwirrten Gerüchte über Unglück der Franzosen heran, sie gewannen immer deutlichere Gestalt, die fremden Truppen im Lande wurden unruhig, es kam Marschbefehl, am 26. Februar 1813 zogen die Rheinbundstruppen und die gehaßten Küstenwachen ab, wenige Tage darauf kamen die Kosaken, die Helden des Tages, klein, bärtig und schmutzig, wie man sie vor 8 Jahren gesehen hatte. Aber ihre Augen guckten so vergnügt und lustig in die Welt hinein und zwinkerten den Einwohnern so vertraulich zu, daß man den Schmutz und dessen zahlreiche Bewohner vergaß und mit ihnen, als den sehnlichst erwarteten Befreiern, Brüderschaft machte. Draußen in den Scheunen hatten sie wiederum ihre Quartiere, dorthin brachten die Kinder ihnen das Essen, das die Bürger in den Häusern kochten, sie waren auffallend kinderlieb, und die Kleinen sträubten sich nicht, sie in ihr struppiges Bartgewirr zu küssen, weil sie dafür die Pferde durch die Stadt zur Tränke reiten durften. Rauh, klein, mager, ungepflegt waren die Thiere, aber sie kletterten wie die Ziegen den steilsten Hohlweg hinauf und hinab, mit und ohne Reiter, daß die Lager offenen Mundes das Unerhörte anschauten und noch einmal so eifrig mit der Schnapsflasche liefen, die allzeit von den Fremdlingen herzlich geliebkost wurde. Die Kaufleute, so erzählte man mir, hatten Grund, Talglichter vor ihnen zu verstecken, sie verlangten dieselben als Würze für ihr Mahl.

Im März erließ Herzog Friedrich Franz I. einen Aufruf Zur Bildung des Corps der freiwilligen Jäger, nachdem zwei Tage zuvor sein Aufruf an die Meklenburger bekannt gemacht war. Pastor Stolte unterließ nicht, beide von der Kanzel zu verlesen und mit warmen Worten der Gemeinde ans Herz zu legen. Der Bürgermeister entlieh auf den Rath seines Adjuncten die Trommel der Schützenzunft und ließ durch ihren Wirbel die Aufmerksamkeit der Lager bei der nochmaligen Verlesung derselben auf dem Markte erwecken; am Abend wurde den jungen Leuten Gelegenheit zum Gedankenaustausch und zum Aussprechen gegen einander durch ein Volksvergnügen gegeben. Ferdinand Lüders, der Sohn des Bürgermeisters, war der erste, der seinen Entschluß, für das Vaterland zu streiten, kund that, ihm schloß sich Adolf Hector, der Sohn des Apothekers an (geblieben im Felde), es folgte Joachim Maaß, ein Ackersmannssohn, Johann Russow, ein Arbeitsmannssohn, Jacobs, ein Maurergeselle, der seine Familie verließ und den Tod für die

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heilige Sache starb, und einige andere. Etliche Tage gönnte man der Jugend Gelegenheit zum brausenden Austoben, dann zog die Schaar davon. Daheim blieb man in bangem Warten.

Als die wiederholten Niederlagen der Verbündeten (bei Lützen am 2. Mai, bei Bautzen am 20. und 21. Mai) die Aufbietung aller Kräfte nöthig machten, kam das Gebot zur Organisirung des Landsturms erster und zweiter Klasse (Landwehr und Landsturm) auch nach Lage. Am 15. Juni 1813 trat der Magistrat mit der Bürgerschaft zusammen, der Bürgermeister machte den herzoglichen Befehl bekannt und beauftragte etliche Bürger, sämmtliche Einwohner männlichen Geschlechts sofort aufzuzeichnen. Am 17. Juni wurden die zur Landwehr (Landsturm erster Klasse) Verpflichteten in die Kirche geladen, daselbst hielt der Gerichtsrath Lüders folgende Ansprache: "Unser Durchlauchtigster Herzog hat die schleunige Organisirung des Landsturms gnädigst befohlen, um im Falle der Noth für Vaterland und Freiheit zu kämpfen; zu diesem Zwecke ist sämmtliche Mannschaft unserer Stadt verzeichnet, sie wird in zwei Klassen getheilt; die auf heute zusammen Berufenen gehören zur ersten, morgen soll auch die zweite Klasse zusammen berufen werden. Ich bin überzeugt und unser gnädigster Landesherr erwartet es von uns mit Gewißheit, daß wir im Falle, wenn unsere Hülfe nöthig sein sollte, uns als brave Meklenburger und Deutsche bezeigen werden. Wir wissen es ja selbst, wie viele junge Männer sich bereits freiwillig dem Dienste des Vaterlandes und der guten Sache gewidmet haben, man lobt und schätzt sie deshalb. Also wollen auch wir nicht zurückbleiben, sondern nach unsern Kräften mitwirken und uns gleiches Lob und Schätzung erwerben. - Kein braver Deutscher fürchtet sich. - Vielleicht ist unsere Hülfe, wenn hoffentlich der erwünschte Friede zu Stande kommt, gar nicht erforderlich. Aber wird sie erfordert, so laßt uns beweisen, daß wir den Namen Deutsche und Meklenburger mit Recht verdienen. Wir streiten ja mit für uns und die Unsrigen, für eignes Feuer und Heerd. Keiner von uns bleibt ausgeschlossen, wenn er nicht über 60 Jahre alt oder durch körperliche Gebrechen, welche ihn zum Dienst untauglich machen, behindert wird. Selbst die Obrigkeit wird nicht zurückbleiben." Die Landwehr wählte nun, da nur eine Compagnie aufgebracht werden konnte, sechs Unteroffiziere, nämlich den Apothekergesellen Sasserhagen, Handlungsdiener Thielow, Kaufmann Thiemann, Schustermeister Carl Weißmöller, Lackfabrikanten Neckels, Riemergesellen Heinrich Kindt. Diese sechs Unteroffiziere wählten unter sich zum Hauptmann den Advokaten Lüders.

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Am 18. Juni 1813 wurde in der Kirche die zweite Klasse des Landsturms organisirt. Gerichtsrath Lüders hielt abermals eine Ansprache, die Mannschaft wurde aufgerufen, sie wählte acht Unteroffiziere, nämlich Glaser Lorenz, Kaufmann Scholz, Maurer Christian Olischer, Töpfer Rathmann, Glaser Domninck, Organisten Schlichting, Zimmermeister Sabelmann, Chirurg Necker. Diese wälhlten den Gerichtsrath Lüders zum Hauptmann.

Es hatte allerdings die so vorbereitete Hülfe nicht viel zu bedeuten, aber es war doch Jedermann die heilige Pflicht gegen sein Vaterland nachdrücklichst zum Bewußtsein gebracht, es fanden sich auch nur wenige "Buben", die sich derselben fluchtweise zu entziehen suchten. Mit besonderem Eifer griff der Hauptmann der Landwehr, Advokat Lüders, seine Aufgabe an, er ließ seine Mannschaft oft zusammentreten und exerciren, und als der Marsch auf dem Schafdresch durch neugierige Zuschauer gestört wurde, rückte er ohne Weiteres auf die Nachbardörfer, ließ seine Leute des Nachts im Mantel auf der Scheunendiele liegen und beschwichtigte deren Murren dadurch, daß er alle Lasten und Entbehrungen fröhlich in ihrer Mitte ertrug. Ende August mußte seine so geschulte Mannschaft ausziehen, der Waffenstillstand, der lähmend die Gemüther bedrückte, war beendet und die Franzosen rückten bis Schwerin vor. Da die Landwehr drei Wochen fortblieb, so hatte sie bald an Kleidung sowie an allerlei kleinen Genüssen, Tabak, Bier, Branntwein u. s. w. Mangel, darum sammelte man in der Vaterstadt und sandte den Stadtkindern eine Fuhre nach. Sie kamen bis wenige Meilen vor Schwerin und behaupteten später, Franzosen gesehen zu haben, die aber vor den gelben Kreuzen, welche die Landwehr als Abzeichen auf dem Arm trug, nicht hätten Stand halten wollen. Auch in den Landsturm war ein besonderer Geist gefahren, falsche Gerüchte über Annäherung der Franzosen durchschwirrten fortwährend die Luft, plötzlich kam die (allerdings falsche) Botschaft, sie ständen in Polchow östlich von Lage und gedächten einen Vorstoß auf die Stadt zu machen. Die Sturmglocken läuteten, die Männer traten mit ernsten Gesichtern unter die Waffen und freuten sich, als Unterstützung vom Lande heranrückte. Der Pächter Schröder aus Levkendorf hatte den Ruf der Glocke verstanden, seine Leute marschierten mit gerade geschmiedeten Sensen heran, hinter ihnen kam ein mit Proviant hoch beladener Wagen, der ihnen und ihrem Führer den besten Muth machte. Der Gerichtsrath kommandirte vom Wagen aus, seine Unteroffiziere vermochten beim besten Willen keinen Muth zu heucheln und sahen rathlos drein, nur der Maurer Olischer hatte ein großes Wort

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und um den Kaper Scholz oder Scholte drängten sich wegen dessen Kriegserfahrung die Bürger. (Er war früher Schmuggler gewesen und hatte mit weitem Gewissen auch wohl einmal einen räuberischen Angriff auf englische Waaren zur See nicht gescheut, damals hatten angeblich die Engländer ihn aufgegriffen, und er war nur mit Mühe heimlich im Boot dem Tode entronnen.) Der Zug begann recht flott, aber er wurde immer langsamer, je weiter er sich von Lage entfernte. An der Wardower Mühle machte man Halt und sandte Kundschafter aus, die Zeit bis zu ihrer Wiederkehr benutzte man, um sich aus den mitgenommenen Krügen und Flaschen zu stärken. Einer trank dem Andern Muth zu, die Zungen wurden sehr lose und dann bald sehr schwer, große Trunkenheit senkte sich auf den schlachtenfrohen Landsturm, die sich nur steigern konnte, als die Nachricht kam, daß nirgends ein Feind zu sehen sei und offenbar ein falsches Gerücht alle getäuscht habe. - In derselben Zeit hatte es sich auf dem Lande geregt, z. B. sammelten sich auf dem Zehlendorfer Damme alle Männer aus der Umgegend und wollten dem Feinde den Uebergang von Zapkendorf her sperren. Wenns auf die Masse angekommen wäre, so wäre der Streich meisterhaft gelungen, der Damm stand gedrängt voll, die Weiber schrieen und die Männer schwangen ihre Dunggabeln und bedrohten jeden Feigling, der zu Hause bleiben wollte.

Vom 6. - 11. September 1813 war die Güstrower Landwehr=Brigade in Lage und Umgegend einquartirt, 677 Mann und 48 Offiziere lagen in der Stadt, 4000 Mann in der Umgegend. Mit dem Vorrücken der Verbündeten nach Westen trat die Landwehr zurück. Sie hatte bald nur noch die Aufgabe, die Menge der Gefangenen zu transportiren, zuerst Dänen, dann Franzosen. Dieselben wurden, sobald sie in größeren Schaaren anlangten, in der Kirche des Nachts eingesperrt, am nächsten Tage unter Führung des Lieutenants Thiemann von der Landwehr nach Tessin gebracht und an die dortige Abtheilung abgegeben; so von Stadt zu Stadt geleitet, wurden sie nach den preußischen Festungen befördert.

Zuweilen kamen gegen 1000 Mann in einem Haufen. 11 junge Leute der Lager Landwehr wurden am 29. October nur noch zum bleibenden Dienst ausgeloost, abermals am 27. März 1814 wurden etliche davon entlassen, bald kehrten die letzten heim.

Die von Dalwitz entliehenen Messingkanonen verkündeten von der Höhe des Walles bei den großen Eichen (die später bei Ausfüllung des Grabens gefällt sind), die Friedensfeier, die Lager begingen ein frohes Volksfest und freuten sich herzlich des endlichen Sieges.

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Als man die Schlußrechnung über die Gesammtlasten der Stadt aus den Jahren 1806 - 1815 aufstellte, ergab sich nur eine Forderung von 5957 Thlr. 44 ßl. 5 Pf. Wollte man alte Last, die das ganze Meklenburg getragen hatte, in angemessener Weise gleichmäßig vertheilen, so entfiele auf Lage ein Betrag von 10209 Thlr., so daß die Stadt also weit unter dem Durchschnitt gelitten hatte, darum mußte sie auch noch eine Nachzahlung leisten zu Gunsten der Städte, die durch den Krieg am meisten gelitten hatten, speciell an Boizenburg, dem es wohl am traurigsten ergangen war.

Im frohen Bewußtsein der wieder erlangten Sicherheit und gehoben durch das Gefühl des Sieges nicht bloß einer gerechten, sondern auch einer heiligen Sache wandten sich die Lager Bürger aufs Neue ihren Geschäften zu, sie bemühten sich, wacker als Glieder des Deutschen Reiches, jenes großen, neuerbauten Ganzen, zu schaffen und zu streben. Der Gerichtsrath Lüders starb 1814, und es folgte ihm sein bisheriger Adjunct Christian Johann Lüders, der zwanzig Jahre hindurch mit großer Umsicht und Treue das Stadtregiment führte. Bei seinem Amtsantritt hatte die Stadt 1084 Einwohner, als er ging, hatte sie fast um 450 Seelen zugenommen.


Angelangt an einem Hauptabschnitte der Geschichte unserer kleinen Landstadt sehe ich mich genöthigt, von einer Fortführung derselben abzusehen. Die folgenden Ereignisse gehören zu sehr der neuern Zeit und der jetzt lebenden Generation an, als daß es nicht bedenklich wäre, in der Oeffentlichkeit davon zu reden. Auch stehe ich selbst zu sehr in den Kämpfen und Wirren dieser Zeit, um mir ein unbefangenes Urtheil zutrauen zu können. Ich will mich begnügen, wenn ich durch Darlegung der Entwicklung der kleinen Stadt ein wenig das Verständniß der Geschichte des ganzen Landes, dessen Leiden und Freuden sich ja in jenem kleinen Theile ganz getreu wiederspiegeln, gefördert habe. Man darf dem Arndt'schen Worte eine weitere Bedeutung geben, wenn er sagt:

"Das Land, da ihr geboren seid,
Das Land der Treu und Redlichkeit,
War einst ein Land der Schmerzen."

Wir dürfen nie vergessen, wie viele Noth unsere Vorfahren erlitten, wie viele Arbeit sie geleistet, wie viele Trübsal sie bezwungen haben, und zwar allein durch Aufbietung ihrer ganzen Kraft, damit daß große deutsche Vaterland in seiner Herrlichkeit erstehen konnte. Stets müssen wir uns eingedenk sein, welche Pflichten uns dadurch

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von unsern Vorfahren übermacht wurden. Es zeugt von sehr kleinlicher Denkungsweise, wenn zuweilen ausgesprochen wird: "Warum sollen wir bei diesem oder jenem Werke alle Arbeiten thun, alle Lasten tragen, alle Auslagen decken, wir können ja unsern Nachkommen auch etwas zu leisten überlassen." Wer für sein Volk nicht thut, was er kann, wer mit seiner Kraft zurückhält, um bequemer zu genießen, der bildet sich mehr oder weniger zu einem Schmarotzer aus. Zuerst der Einzelne für das Ganze, dann das Ganze für den Einzelnen.


Anhang.


Der Stadt Lage Collecten - Patent
nebst Nachtrag.

Von Gottes gnaden Friedrich Wilhelm, Hertzog zu Mecklenburg, Fürst zu Wenden, Schwerin und Ratzeburg, auch Graff zu Schwerin, der Lande Rostock, und Stargardt Herr. etc. .

Demnach Unß Bürgermeister, Raht und gemeine Bürgerschaft der Stadt Lage unterthänigst zu vernehmen gegeben, welcher gestalt daselbst eine große ungleichheit in denen Stadt Collecten gebrauchet würde, daß ein geringer Handwerks= oder ackermann denenjenigen so die Principalste nahrung der gantzen Stadt an sich zögen, und Vielerley Professionen und handthierungen trieben, wodurch denen geringen ihr Brodt entzogen, und frembden, welche sich bey Ihnen nieder zulaßen entschloßen die Gelegenheit benommen würde; weßfalß dieselbe hiemit eine Stadt und privat - Collecten Ordnung unterthänigst übergeben wolten mit gehorsamster Bitte, wir geruheten Ihnen so gnädig zu erscheinen und Sie mit unserer ratification und Confirmation zu versehen, selbige lautet in ihren Articuln würcklich, wie folget:

  1. Sollen alle Professionen und Gewerbe in gewiße Classes eingetheilet, und einem Jeden eine proportionirte quota beygeleget werden, alß:
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Collecten-Patent
  1. Soll ein Jeder bey seiner Profession die Er erlernet, und wozu Ihn gott berufen hat, bleiben, und sich nicht auf den Ackerbaw legen, denn damit versäumet Er die Zeit, verleuret
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endlich seine Kunden, vergißet sein Handwerk, und geräht in den Müßigang, wodurch die Städte in verachtung Kommen, weil von denen Handtwerkern Keine Arbeit und Befoderung zuerhalten, und also die Verkehrung mit auswärtigen sich mit der Zeit gantz verlieret.

  1. Soll auf dem Acker eine Auflage gemachet werden, umb so vielmehr, weil das gröste Vermögen dieser Stadt in liegenden gründen bestehet, und also der Stadt zum Besten billig gesteuret werden muß, weil Er aber durchgehendts nicht gleich gut, noch bequem gelegen ist, so soll Er gleichfalß in 2. Classes getheilet und von dem Besten und nahe belegenen, von jeder Morgen 6 Pf. von dem weit entlegenen und schlechten aber 3 Pf. gesteuret werden.
  2. Damit aber nicht ein oder anderer auch allen Acker an sich bringen möge, so soll auf dem Jenigen Acker so Er über 16 Morgen hätte, ein Duplum und respective anstaat 6 und 3 Pf., 1 ßl. und 6 Pf. geleget werden.
  3. Da auch viele liegende gründe in frembde Hände gerahten, und dadurch der Stadt vermögen merklich verringert worden, die onera hingegen auff die Einwohner haften bleiben, so sollen die Professores die Stadt onera mit tragen, damit nicht mit der Zeit die Stadt pertinentien gantz und gaar davon alieniret, hingegen die alienirte wieder Beygebracht werden mögen, und also dieselbe von einem Jeden Morgen Acker und wiesen zu einem Simplo 6 Pf. beytragen, und soll das gebauete Korn und Hew dafür jedesmahl haften.
  4. Weil der älteste Bürgermeister von Stadt Sachen die meiste mühe hat, wenn Er zugleich Stadtschreibers Dienste mit verrichtet, so soll Er von einer Profession und 4 Morgen Acker frey seyn; von der übrigen Nahrung aber, so Er etwa treibet, steuren.
  5. Gleiche Freyheit soll der Stadt Vogt genießen.
  6. Und weil die Frembde von denen Gewinsüchtigen unterm vorwandt, daß Sie Einkömlinge wären, gaar unfreundlich und übel begegnet würden, Da Sie doch dieselbe an sich ziehen solten, so soll eine nahmhafte Strafe auf dergleichen Excesse gesetzet, hingegen Frembde dahin zu ziehen, eine 2jährige Freyheit von allen Stadt oneribus gelaßen, Sie hingegen zu einer Caution angehalten werden, nach verlauf solcher Frey
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Jahre nicht von dannen zu weichen, oder auch die Collecten von denen 2 Frey Jahren zu erlegen.

  1. Wenn sich ein Frembder zu bauen angeben sollte, und eine wüste Stelle verlangete, dem Jenigen soll eine Stelle für billige Bezahlung gelaßen, oder der Eigenthümer bey verlust der Stelle angehalten werden, innerhalb Jahres Frist dieselbe zubebawen.
  2. Mehr, alß 2 volle Erben, in eins zu bebawen, soll Niemanden erlaubet seyn.
  3. Mit der Einnahme der Collecten Gelder soll es nach der bißhero observirten Verfaßung gehalten, und unter eines Raths Gliedes und des Cämmerey Bürgers verwahrung beybehalten werden.
  4. Wann durch obige Ahrt zu Collectiren ein Vorrath bei der Stadt gemachet werden Könte, so soll Er zu einigen vorfallungen und zu der Stadt besten, und Abtrag der Stadt Schulden angewandt werden.
  5. Zu solchen Ende soll ordinarie ein Simplum oder Einfache Collecte 4 mahl des Jahrs öfter oder weniger nach erheischender noht angeleget, und nach dieser proportion in andern Anlagen, bey Einquartirungen und Repartitionen verfahren werden, wo von der effect zu der Stadt besten sich Zeigen wirdt.
  6. Damit aber ein oder ander Wiederspenstiger sich dieser zur Billigkeit und Stadt besten abzielenden Ordnung nicht wiedersetzen, noch andere an sich ziehen Könne und müsse; So soll der oder die Jenige jedesmahl, wenn Er oder Sie dawieder handeln solten, mit 5 Reichsthaler Strafe beleget, und dieselbe durch Execution sofort eingetrieben, und darin nicht die geringste Nachsicht gebrauchet werden.
  7. Und weil das Städchen in so schlechten Zustande ist, daß niemandt mit der Außgabe verschonet werden Kann, so soll dennoch denen Einwohnern welche eine wüste Stelle Bebawen, Ein Jahr; denen Frembden aber (wie oben im 8ten punct verfaßet) 2 Jahre Freyheit gelaßen worden. Wenn aber ein Einwohner Bereits ein Hauß gebauet, und deßfalß die Frey Jahre genoßen hätte, soll Er, wenn Er zum andern mahl bauen solte, dieses Frey=Jahr nicht praetendiren.
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  1. Bey Einquartirungen soll ein Bürgermeister, einer des Rahts, die Viertelßmänner und aus Jeden Virtel ein Bürger, aber nicht einer allein, ohne ansehen der Persohn, Keinen zu verschonen, dieselbe einrichten.

Daß wir dahero zu befoderung und Erhaltung guter Nahrung in unser Stadt Laage die unterthänigst gesuchte und gebetene ratification und Confirmation einhalts vorbesagter von unß revidirter articuln der Collecten Ordnung gnädigst eingewilliget, confirmiret und Bestätiget haben; wollen demnach, daß Sie solche Ordnung hinfüro auch ordentlicher weise gebrauchen, und im geringsten nicht dawieder handlen sollen.

Gebieten und Befehlen darauf unsern jetzigen und Künftigen Beampten zu Güstrow, daß Sie Bürgermeister, Raht und Gemeine Bürgerschaft bey allen und Jeden Articuln, so in obberührter Collecten Ordnung begriffen seyn, Kraft dieser unser Begnadigung biß an unß gebührendt schützen und mainteniren sollen, alßo Ihrer vorgesetzten Ordnung ohne Männigliches Verhinderung und Eintrag geruhiglich genießen und gebrauchen laßen bey Vermeidung unserer Ungnade und willkührlicher Strafe. Deßen zu Uhrkundt haben wir diesen unsern Confirmations - Brief mit unserm Fürstl. Insiegel bestärken laßen; So geschehen in unser Residentz - Stadt und Vestung Rostock den 9ten Julij Anno 1704.

(L. S.)

Ad mandatum Serenissimi proprium.

Fürstl. Mecklenb. Verordnete Praesident und Regierungs=Rähte.


V. G. G. Friedrich Wilhelm H. z. M. cum toto titulo:

Demnach Unß Bürgermeister und Rath wie auch gesambte Bürgerschaft Unser Stadt Lage, in Unterthänigkeit zu vernehmen gegeben, wasmaßen unter ihnen wegen haltung des Viehes bey denen allgemeinen Stadtfuhren angelegter Vergleich bewilliget und in gewiße Puncta abgefaßet worden, mit unterthänigster bitte, Wir geruhen wolten, ihnen so gnädigst zu erscheinen und Unsern Fürstlichen Consens und Confirmation darüber zu ertheilen; daß Wir demnach solchem ihrem unterthänigsten und zu Befoderung gemeiner Stadt bestens abzielendem petito gnädigst deferiret, und obberegten Vergleich in allen puncten ratificiret und bestätiget haben. Thun

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auch solches hiemit und in Krafft dieses so viell auß Landes Fürstlicher Hoheit und Macht auch von Rechts und gewohnheit wegen geschehen kan und mag, wißend= und vollbedächtlich Uhrkundtlich etc. . So geschehen, Schwerin d. 21. Septbr. A. 1706.

Puncta.

Worüber hochfürstl. Confirmation unterthänigst gebehten wirdt

  1. Soll von denen Einwohnern in der Stadt Laage, wegen haltung des Viehes folgende Maaße und Ordnung gehalten werden: daß der Jenige so von 24 oder mehr Morgen Acker steuret und also zur ersten Classe gehöret, halten könne 4 Pferde, 4 Ochsen, 4 Kühe, 2 Rinder und 12 Schaaffe, so aber von 12 bis 20 Morgen, der zweiten Classe, 3 Pferde, 2 Ochsen, 3 Kühe, 1 Rindt und 6 Schaaffe, die Jenigen aber so nur von 6 bis 12 Morgen beytragen, und also in der dritten Classe gerechnet sindt, nicht mehr den 2 Pferde, 2 Ochsen, 1 Kuhe und 4 Schaaffe zuhalten befuget seyn sollen.
  2. Die Jenigen welche keinen Acker haben, sollen nicht mehr den eine Kuhe, und 4 Schaaffe auff gemeine Weide bringen, wann aber Jemandt ein mehres außer waß alhier und in Vorigen puncte versehen, an Vieh solte halten wollen, soll, wann Bürgermeister und Raht befinden wirdt, daß dadurch Gemeine Weide nicht übertrieben werde, dafür folgendes Weide geldt gemeiner Stadt, Vor jedes Pferdt oder Stück Rindt Vieh 16 ßl., vor jedes Schaaf aber 4 ßl. erleget werden.
  3. Weiln ein Jeder durchgehendts von besäeten und unbesäeten Acker steuret, hat derselbe den unbesäeten Acker oder Drösch für sich allein zugenießen, und ist also niemandt bey 16 ßl. Straff vor jedes stück Vieh Klein oder Groß so darauf betroffen wird befugt eines andern Drösch zubehüten; wie den auch sich niemandt unterstehen soll, seine Ochsen, bey 2 Rthlr. Straff absonderlich hüten zulaßen, sondern in gemeine Stadt hude zutreiben, damit wegen der angrentzenden Besäeten stücke, wie bishero öffters geschehen, denen benachbahrten an ihren Korn kein Schade zugefüget werde.
  4. Nachdem auch die Schaaffe so in der gantzen Stadt Laage gehalten werden eine Zimliche Anzahl außmachen, soll zu mehreren Nutzen der Stadt und Bürgerschafft damit ein Hürden Schlag angeleget werden und der Jenige welcher das für den lager auff seinen Acker haben will von 2 bis 400
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Schaaffen Jedesmahls für die Nacht 6 ßl. von mehr Schaaffen aber nach proportion ein mehres der Stadt zum Besten bezahlen, und solches der gemeinen Cämmerey anheim fallen.

  1. Soll auch ein Jeder außwärtiger so Acker auff den Laager=Felde hat, gehalten seyn, noch vor der Bevorstehenden Erndte für jeden Morgen per aversionem Einen Rthlr. der Stadt zum Besten zu entrichten, wofür das auff solchen Stücken befindliche Korn hafftet.
  2. Die zur Pfarre gehörige Acker sindt zwar frey, wann aber davon ein Bürger einige in heuer hat, sollen ihme dieselbe in haltung des Viehes nicht zustatten Kommen, Von den Kirchen Acker aber wirdt gebührendt gleich andern gesteuret.
  3. Von einem Jeglichen garten der von einer wüsten Haußstelle gemahet ist, soll der Schoß alß von einen hause nach proportion entrichtet werden.
  4. Wann es sich auch befinden solte, daß ein oder ander von seinen Acker etwas verschwiegen oder Weniger alß Er in der that nach den Einfall hält, angegeben hätte, soll nunmehro da die eingeräumbte frist verfloßen für jeden Scheffel verschwiegenen Acker 1 fl. Straffe erleget werden.
  5. Mit der heu Werbung soll es hinfüro also gehalten werden, daß die Jenigen welche von 24 und mehr Morgen steuren, die 16 bis 24 Morgen haben 8 Persohnen, von 16 bis [12 aber] 12 Persohnen, und die übrigen welche weniger oder gaar keinen Acker haben, 16 Persohnen zu einer Kafel gerechnet werden.
  6. Dahingegen sollen die Jenigen so obgedachter maaßen zur ersten Classe gehören, zu denen Krieges und anderen fuhren 2 Pferde, die von der anderen Classe 2 Pferdt, und von der dritten Classe ihrer Zweene 1 Pferdt hergeben die übrigen aber an gelde nach proportion und Billigkeit zu Zehrungs und andere Kosten Beytrag thun.
  7. Solte auch bey solchen allgemeinen Stadt fuhren und insonderheit in Krieges Zeiten ein oder ander Pferdt Verlohren gehen, und Schaden leiden, auch an denen Wagens Schade geschehen, träget selbigen gemeine Stadt, es wehre dann daß ein solches Pferdt an sich untüchtig gewesen, oder der Eigenthümer und deßen Knecht es vorwahrloset hätte.

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Die Glocken der Lager Kirche.

In dem Thurme hängen zur Zeit drei Glocken. Die kleinste trägt die Inschrift: GAUDIO NOBIS STAT OBVIA TRIBULATIO. ANNO MDCLIII. Ueber dieselbe ist nichts Näheres bekannt. Die zweite Glocke, die Pastor Clasen schon vorfand, war im Jahre 1714 durch Ungeschicklichkeit der Läuter zersprungen und mußte umgegossen werden. Sie hatte 940 Pfd. Gewicht; dem Glockengießer wollte man nicht undedingt trauen, da dieser in steter Versuchung war beim Einschmelzen statt des alten guten Materials schlechtere Speise zu nehmen. Clasen reiste also nach Rostock, kaufte dort selbst 208 Pfd. Metall je 13 1/2 ßl. und ließ in seiner Gegenwart die Glockenspeise in den Kessel thun. Für das Gießen bezahlte er für das Pfund 1 1/2 ßl. Die in Rostock umgegossene Glocke zersprang wiederum am Charfreitage 1728. Da ihm der Rostocker Meister nicht gefallen hatte, wandte er sich an den Gießer Lorenz Strahlenborn in Lübeck und derselbe stellte die jetzige mittlere Glocke her. Dieselbe hat die Inschrift: "Unter der Regierung Ihrer Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit, als Patron dieser Kirche, Herrn Carl Leopold, Herzog zu Mecklenburg, ist diese Glocke Anno 1728 zu Lübeck, nachdem sie am stillen Freitage unter dem Geläute geborsten, auf Veranstaltung des damaligen Pastors Herrn Christian Friedrich Clasen und der Vorsteher Wilhelm Sasse, Christian Albrecht Buseke umgegossen durch Laurenz Strahlenborn". - Obere Rundschrift: "Wachet, denn ihr wisset nicht, welche Stunde euer Herr kommen wird. Matth. 24, 42." Untere Rundschrift: "Ihr Menschen, wachet auf, verlaßt das Sündenleben. - Der Richter kommet bald, euch euren Lohn zu geben. - So oft mein heller Klang euch in die Ohren dringt, - So denkt, daß jede Stund euch vor den Richter bringt!" Außerdem befinden sich auf der der Inschrift entgegengesetzten Seite fünf Abdrücke von Münzen resp. Denkmünzen erhaben aufgelegt. Oben stehen in einer Reihe drei, unten zwei. Die erste oben links zeigt ein weibliches Brustbild mit der Umschrift: CHRISTINA D : G : SVE : GO : WAG : DE : RE : ET : PH :. Die zweite zeigt ein männliches Brustbild mit der Umschrift: D. G. ADOLPH FRIEDRICH III — MECKLENBURG, Die dritte zeigt eine Königs=Krone mit der Umschrift: IIII MARK DANSKE 1724. Die erste unten links hat ein leider undeutliches Wappen, darüber die Inschrift: Inschrift Die zweite zeigt eine Burg

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mit Umgebung, darüber steht: CONSILIO STAT FIRMA DEI. Darunter: MEGAPOLIS IUBILANS ANNO 1717. 31. Oct. Sämmtliche Münzen (die erste ist die kleinste, die letzte die größte) sind größer wie ein Thaler, die letzte etwa wie ein Doppelthaler.

Die größte Glocke endlich stammt aus dem Jahre 1721. Die Mittel zur Anschaffung lieferte ein durch den Müller Hans Voht testamentarisch geschenkter Glockenacker, auch eine Sammlung von milden Gaben (50 Thlr.). Diese Glocke wurde in schöner Weise vollendet, mit feinen Ornamenten (Blattwerk) geschmückt, wog 1923 Pfd. und wurde am 3. Januar 1722 glücklich ohne alle Gefahr auf den Thurm gebracht. Am Dreikönigstage hielt Clasen unter großem Zulauf die Weihrede. Sie hat die Inschrift: "Unter der Regierung Ihrer fürstlichen Durchlaucht, Herrn Carl Leopold, Herzog zu Mecklenburg, ist Anno Christi 1721 diese Glocke im Namen Gottes auf Veranstaltung des damaligen Pastors allhie zu Lage Christian Friedrich Clasen, der Vorsteher der Kirchen Wilhelm Sasse und Christian Buseke gegossen, nachdem der von Hans Vohten seel., gewesenen Mühlenmeister hieselbst, hierzu vormals geschenkter acht Morgen Acker, auch viele milde Gaben, nicht weniger Kirchengelder dazu angewandt". Obere Rundschrift: DEO SOLI GLORIA. Untere Rundschrift: "Laurentius Strahlenborn ME FECIT LUBECAE Anno MDCCXXI. Gloria in excelsis DEO. - Kinder, es ist die letzte Stunde. 1. Joh. 2, 18. - Gott gebe, daß dich nie ein Unglücksfall berühret, - Bis Gott uns allesammt vor sein Gericht citiret. - Weil Erd und Himmel stehen, - Laß er dein helles Klingen - den Sündern jederzeit - durch Herz und Seele dringen." - Der Hauptinschrift gegenüber ist ein großes Crucifix.


Bürgermeister der Stadt Lage.

Bürgermeister der Stadt Lage
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Bürgermeister der Stadt Lage

Stadtrichter in Lage.

Stadtrichter in Stadt Lage
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Stadtrichter in Stadt Lage

Pastoren der Gemeinde Lage.

Pastoren der Gemeinde Lage

Schulmeister oder Cantoren (später Rectoren) in Lage.

Schulmeister oder Cantoren in Lage
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Schulmeister oder Cantoren in Lage

Sagenhafte Nachrichten.

I. Studemund erzählt vom Köppenberg bei Kronskamp: Des Ritters Tochter Marie hatte ein Liebesverhältniß mit einem Knappen, das der Vater entdeckte und untersagte. Hierauf folgten heimliche Zusammenkünfte; ihr Kind ermordete Marie aus Angst vor dem Vater. Man entdeckte die That, und sie wurde auf dem Berge geköpft. Der Knappe stürzte sich in die Recknitz. Man hört in der Nacht vom Köppenberg manchmal den Ruf: "Marie." Im dumpfen ängstlichen Klageton schallt aus der Tiefe des Flusses der Ruf: "Arme Marie".

Anm. Von dieser Sage hört man jetzt nichts mehr. Studemunds Angaben sind nicht ganz zuverlässig.

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II. Der heilige Geistberg war, bevor die Chaussee hindurch gelegt wurde, wüst und mit Buschwerk vielfach bestanden. Die Gegend war unheimlich. Der Jäger Schmidt aus Kronskamp ging einst in der Nacht über den Berg. Plötzlich fühlte er Schauer um sich wehen, sein Hund wollte nicht weiter und drängte sich ängstlich an ihn, schnappte wiederholt in die Luft wie nach etwas Unsichtbarem. Er selbst stand wie gebannt, nahm seine Flinte schußgerecht und wartete. Da war es als hörte er deutlich Jemanden mit schwerem langsamen Schritt den Berg heraufkommen, der offenbar eine große Last trug, er konnte aber nichts sehen. Unmittelbar vor ihm warf Jemand einen schweren Sack oder dergl. auf den Boden, dann war Alles still, der Hund ward ruhiger und sie gingen unangefochten über den Berg. - Wenn der Schäfer aus Klein=Lantow in der Nähe des Berges seine Hürden aufschlug, geschah es wohl, daß die Schafe des Nachts wie toll aufsprangen, entsetzt durcheinander rannten, die Hürde durchbrachen und davon stürmten. (Chausseewärter Schmidt.)

III. Die Gegend bei der Schwenknitz ist berüchtigt durch mancherlei unheimliche Wesen. Besonders treibt dort "dei Lütt" (der Kleine) sich um. Er gesellt sich zu Wanderern und neckt sie, führt sie irre, stößt sie in den Graben u. s. w. Der Pastor Schulze war ein eifriger Freund der Jagd und hatte bei solchem Gewerbe auch einmal Gelegenheit seine Bekanntschaft zu machen. Er vernachläßigte nämlich oft in gröblicher Weise sein Amt; z. B. begegneten ihn einst auf einem Jagdzuge etliche Subsiner, die sich zur Beichte angemeldet hatten und von ihm vergessen waren, er hatte nicht Lust zur Umkehr und nahm unter der Begründung "die Welt ist überall des Herrn" ihnen die Beichte an der Grabenborte ab. Später einmal ging er am Sonnabend Abend, nachdem er am Nachmittage selbst gebeichtet hatte, mit seiner Flinte durch das Holz. Plötzlich gesellte sich "dei Lütt" zu ihm und schritt immer stumm, offenbar unschlüssig, neben ihm her. Der Pastor Schulze faßte sich nach dem ersten Schrecken und fragte, was er wolle. Da sah ihn sein Begleiter seltsam an und sprach: "Ja, wenn Du man hüt nich bicht harst, denn wull ick di woll ganz wat Anners wiesen". Damit war er verschwunden. Schulze ging in Folge dessen in sich und ließ das Jagen. Seitdem beschäftigte er sich mit dem Fischfang, er hatte viel Glück, aber einst fiel er dabei ins Wasser, zog sich eine schwere Erkältung zu und starb. -

Auf dem Subsiner Wege warf "dei Lütt" einst ein Fuhrwerk um, auch erschreckte er den dortigen Verwalter, der oft nach

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Lage kam, spielte und trank, so sehr, daß dieser niemals, sobald es anhub zu dämmern, den Weg mehr ging, sondern einen Umweg über Breesen wählte. Was er erlebte, wollte er selbst in Trunkenheit nicht verrathen. (Frau Senatorin Buhse.)

Auch machte sich in der Schwenknitz oft ein unheimlicher Reiter bemerkbar. Ein Wagen fuhr ganz früh in der Dunkelheit hochbepackt auf der Landstraße, die durch die Gegend führte, um nach Teterow zum Jahrmarkt Waaren zu bringen. Die Begleiter gingen nebenher. Plötzlich hörten alle drei deutlich den scharfen Trab eines Reiters, der von hinten heransprengte. Die Schritte des Pferdes und das Rücken des Reiters im Sattel waren unverkennbar, er kam so überraschend und mitten auf dem Wege heran, daß der Fuhrmann ängstlich zur Seite lenkte, ein Begleiter in den Graben sprang, der andere von hinten auf den Wagen kletterte. Alle sahen sich scheu um, plötzlich war es ganz stille. - Noch einmal begegnete einem Fuhrmann etwas ähnliches. Diesmal hörte er scharf vor sich den Pferdetrab, sprang erschrocken zur Seite. - Alles war still. (Kaufmann Thiemann.)

Unweit der Schwenknitz rechts von der ältesten Landstraße nach Teterow zu (die über den heutigen Schützenplatz führte), lag der Galgenberg, auf dem im Anfange dieses Jahrhunderts noch der Galgen stand, allerdings hatte er sich geneigt und stützte schwerfällig seinen Arm auf den Boden. (Später wurde die Landstraße verlegt und ging in der Richtung des heutigen Subsiner Steiges.) Einst kam ein lustiger Wanderbursche die Straße daher, am Galgen hing ein Gerichteter, er ging frisch auf ihn zu und grüßte ihn spöttisch. Da fing der Todte an zu reden und sprach: "Morgen um diese Zeit erwarte ich dich; kommst du nicht, so hole ich dich!" Entsetzt stürzte der Bursche von dannen und eilte in die Stadt, laut sein grausiges Schicksal beklagend. Alle, die ihn hörten, erfaßte Schrecken und Mitleid, aber sie wußten nicht zu rathen. In seiner Noth schlich er betrübt zum Geistlichen, doch fand er hier guten Trost: "Hingehen mußt du, sprach der Pastor, sonst holt er dich, und du bist sicher verloren. Aber ich will mit dir gehen und seiner Macht mit Gebeten und Sprüchen wehren; so wirst du gerettet". Am nächsten Tage wurden die Glocken geläutet, ein großer Haufe Volkes gab dem muthigen Pastor und dem zitternden Burschen das Geleite, doch wurde die Schaar mit der wachsenden Entfernung von der Stadt immer kleiner, die Muthigsten blieben dort, wo der Weg durch einen Einschnitt in den Berg führte, denn mit gesträubten Haaren sahen sie, wie der Gehenkte allerlei lustige Sprünge am

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Galgen machte, als freue er sich und winke seinem Opfer. Unverzagt im Gottvertrauen schritt der Pastor, den Begleiter stützend, heran, laut betend und beschwörend. Krachend stürzte der eben noch so Bewegliche herab und lag steif und starr am Boden, der Pastor grub ihm mit Hülfe seines Begleiters ein Grab, und unter lautem Lobpreis Gottes kehrten sie ungefährdet zur Stadt zurück. (Kaufmann Thiemann. Die obige Sage wird auch aus einer andern Gegend Meklenburgs, soweit mir bekannt, erzählt.)

IV. Der Bürgermeister Artener hatte durch sein schlimmes Regiment außerordentlich viel Leid über die Stadt gebracht, in Folge einer grausamen Gewaltthat wurde er von einer Frau (Bunkenburg) verflucht, daß einst noch die Thiere mit seiner Leiche herumstoßen würden. Als er gestorben war, trug man seinen Leichnam im Sarg in üblicher Weise vom Wohnhause am Markt durch die Kirchenstraße; bevor man indessen den Kirchhof betrat, erscholl der Ruf, es brenne im Artenerschen Hause ein heller Schein leuchtete auf, als führe er aus dem brennenden Schornstein, eiligst stellte man die Bahre auf die Straße und stürzte zum Löschen zurück. Da behaupteten Etliche ganz gewiß, daß sie eben gesehen hätten, wie der Todte breit im Fenster gelegen und sie höhnisch angegrinst hätte, man fand kein Feuer und stand erschrocken und zweifelnd, was das Ganze bedeute, still. Inzwischen ließ ein Kaufmann aus der Nachbarschaft seine Ochsen aus dem Thorwege, um sie zur Tränke zu treiben, diese kamen zu der unbeachtet stehenden Bahre, scheuerten sich an dem Sarge, derselbe fiel und erschreckt durch sein Poltern fuhren die Ochsen auf ihn ein, daß er zersprang und der Leichnam auf den Hörnern hing, sie schleuderten ihn hin und her, bis man sie vertrieb. Obwohl nun Artener ein ehrliches Grab fand, hatte er in demselben keine Ruhe, er spukte fortwährend in dem Hause, das er bisher bewohnt hatte. Insbesondere hörten die Leute spät am Abend, wenn sie in der unteren Stube saßen, in der Giebelstube über sich plötzlich ein Scharren, als ob ein Tisch zurückgeschoben würde, an dem Leute gesessen hatten. Dann sagten sie: "Hei spält all werre Korten". Da man die Stube nicht benutzen konnte, so ließ man endlich zwei Jesuiten kommen, die als Geisterbanner bekannt waren. Dieselben bannten ihn auf den hohen Kamp, in der Nähe des Kuhdammes stand eine Gruppe Erlen, in einen Baum hinein wurde er gebannt, und das Loch, durch welches er einschlüpfte, wurde sorgfältig zugepflockt. (Frau Senatorin Buhse.)

V. Das Schatzgraben war noch am Ende des vorigen Jahrhunderts in Brauch. Den Küster hatte man in Verdacht, daß

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er die Schätze aus den alten Särgen, die im Gewölbe unter dem Kirchenchore standen, gehoben habe. Auf der Stelle des alten Schloßberges brannte oft ein Schatz, der aber nicht gehoben wurde. Bei Polchow lag ein sog. rauher Berg unweit des Sees, auf dem gleichfalls zuweilen ein Schatz sich meldete. Drei Lager machten sich auf, um ihn zu erwerben. Da sie indessen noch nicht erfahren genug bei ihrer Arbeit waren, so hub sich plötzlich am jenseitigen Ufer des Sees eine Flamme, zog über das Wasser, kam zu ihnen und fiel vor ihnen in den Boden, worauf sie erschrocken sich davon machten. Durch diese Erscheinung war aber die Anwesenheit des Schatzes festgestellt. Nachdem sie bei einem Sachverständigen in die Lehre gegangen waren, machten sie sich abermals auf, alle Geräthe wurden durch Kreide mit den nöthigen Zeichen versehen, es ward ein Kreis gezogen, in den alle traten. Unter tiefstem Schweigen begann das Graben. Ein großer Stein lag ihnen im Wege, um den sie glücklich herumgruben, aber bei Tagesgrauen hatten sie noch nichts gefunden. Etwas entmuthigt gingen sie heim. Am nächsten Nachmittage mit sinkender Sonne waren sie wieder da. Wer beschreibt ihren Aerger, als sie sahen, daß der große Stein aus seiner Lage gerückt und in die Grube gewälzt war, hinter dieser aber eine Höhlung sich zeigte, in der offenbar der Schatz geruht hatte, er war fort. Von Stund an besserte sich der Wohlstand des Küsters von Polchow, er konnte sich gute Tage machen und seine Söhne tüchtig ausbilden lassen. Offenbar hatte er am hellen Tage die Grube gesehen, neugierig den Stein gerückt, den Schatz gefunden. (Kämmerarius Dehn.)

VI. Beim Scheibenstand in der Ueker war es nicht richtig. (Der älteste Scheibenstand war im Wallgraben, von dort wurde er in die Ueker verlegt, hernach zum Judenkirchhof, endlich auf seinen jetzigen Platz.) Ein Scheibenzeiger ging längere Zeit vor dem Schützenfeste einst am hellen Tage mit einigen Begleitern durch die Gegend, plötzlich sehen sie bei dem Scheibenstande einen Mann, der winkte mit einer rothen Fahne, als wollte er Zeichen geben. Beim Näherkommen war er verschwunden. Als der Königschuß nahte, drang man allgemein in den Scheibenzeiger, diesmal seines Amtes nicht zu walten; obwohl man ihm alle Vergünstigungen desselben zusagte weigerte er sich zurückzutreten. Eine Kugel, die wahrscheinlich irgendwo abgesetzt hatte, traf ihn so, daß er sofort todt war. (Kämmerarius Dehn.)


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Nachtrag einzelner Nachrichten.

1552. Restaurirung des abgebrannten Thurmes.
1577. Herzog Ulrich befiehlt auf Klage des Müllers Marschalk Berner, daß die Bürgerschaft den Mühlenbach (die Recknitz) krauten soll, alle Wehre, Stege, Dämme, die sie hineingebracht, herausreißen, weil dadurch das Mahlen geschädigt und den Mühlmetzen des Fürsten Abbruch gethan wird.
1593. Die Tuchmacher in Lage beschweren sich, daß die Gewandmacher in den umliegenden Städten ihnen entgegen sind, und nicht leiden wollen, daß sie ihr Gewand auf öffentlichen Märkten verkaufen, während doch Tuchmacher von Alters her in Lage gewesen sind.
1594. Der Rath stellt ihnen ein darauf bezügliches Zeugniß aus.
1612. Vier Schweine wurden sonst vom fürstlichen Amte auf die Mühle gethan und daselbst fett gemacht. Hans Albrecht von Meklenburg erläßt die Last auf 10 Jahre.
1629. Die Lager klagen beim Fürsten, daß der Adel auf dem Stadtfelde jage, die Saaten zertrete, mit Netzen auf Stadtgebiet fische.
1636. Vorsteher klagen, daß so viele Schulden an die Kirche nicht entrichtet würden, deren Thurm nothwendig reparirt werden müßte.
1661. Der Magistrat der Stadt bittet nach abgelegtem Huldigungseide den Herzog Gustav Adolf um Bestätigung der städtischen Privilegien. Dieselbe erfolgt im nächsten Jahre.
1663. Die Bürger sollen die Recknitz räumen, Handmühlen abschaffen, ihr Korn nicht zu andern Mühlen fahren. Die Bürger haben auch Grützmühlen, der Amtsmüller und der Kornschreiber reißen sie weg. Darauf beschweren sie sich, weil sie solche seit undenklicher Zeit gehabt haben.
1667. Der Müller beschwert sich, daß der Landrath von Lehsten auf Wardow einen Mühlenbau auf seinem Gute beabsichtigt.
1669. Die Recknitz ist seit 40 Jahren nicht geräumt. Es wird vorgeschlagen, daß die angrenzenden Vogteien dieselbe in zweitägiger Arbeit aufräumen sollen.
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1670. Der Herzog decretirt der Kanzlei, daß das jus primae instantiae über Lage, Krakow und Teterow dem Amte Güstrow, und so lange kein Hauptmann vorhanden sei, dem Kammerrath Hans Albrecht Schütze bei seiner Bestellung beigelegt werde.
1673. Zu Weihnachten ist durch außerordentliche Wasserfluth und Sturm, gegen welche die Oeffnung aller Schütten nichts nützte, der Damm bei Lage an mehreren Stellen durchbrochen und unpassirbar gemacht. 4 Löcher wurden gerissen, 12 Ruthen Damm verschwanden. Beim Müller stand im Hause das Wasser ellentief, wenn der Damm nicht gebrochen wäre, so wäre die Mühle weggeschwemmt. Der Mühlenmeister Hans Voht bat um Restaurirung. Der Amtsverwalter erchielt Befehl, den Damm machen zu lassen, der Zöllner sollte ihm das Geld dazu geben.
1674. Hans Albrecht Bunkenburg bittet ds Stadtvogt die fürstlichen Beamten, nach üblicher Weise, wie sonst alljährlich, einen Gerichtstag in Lage abzuhalten, da bisher viele Sachen darauf verschoben sind.
1683. Die Stadtregister werden im Beisein der Stadtvertretung vom Amtsverwalter aus Güstrow aufgenommen.
1692. Die Stadt verkauft an den Bürger Samuel Kägeler soviel Boden am Pludderbach, daß er eine kleine Papiermühle darauf anlegen kann. Er darf aber nur zwei Stampfen errichten, ohne eigne Wohnung.
1694. Ein großer Brand (der vierte) in Lage.
1697. Der Müller Christian Mau beschwert sich über den Bürgermeister Rosenow, daß er ihn aus dem Vogtstuhle ausgewiesen habe (in der Kirche), auch nicht leiden wolle, daß er einen Kahn auf dem Flusse halte und Rohr werbe.
1703. Conrad Walter, Stadtmusikant in Güstrow, erhält das Privilegium, allein im Amte Güstrow, also auch in den Städten Lage, Teterow, Krakow bei Gelegenheit von Hochzeiten u. s. w. Musik zu machen. Dagegen bittet der Rath in Lage um einen eigenen Musikanten.
1705. Die Bäcker haben bisher kein Amt gehabt und nun solches unter sich aufgerichtet.
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1707. Die Schützenzunft bittet den Herzog, die ihnen gewordene Gabe aus der Accise von 10 Thlr. auf 15 - 16 Thlr. zu erhöhen.
1708. Die Stelle eines Mühlen= und Accise=Aufsehers ist erledigt, es findet sich Jaspar Hartwig zu derselben, wenn er sicher gestellt wird, daß ihn Niemand wegen solcher Function attakiren und für unehrlich halten darf, ferner daß er nicht aus der Schützenzunft gestoßen wird, daß sein Salarium gebessert, etwaige Versehen nur an seinen Gütern gestraft werden.
1712. Herzogliche Verordnung, daß die Feuerstellen im Orte nachgesehen werden, geändert, wo sie feuergefährlich sind. Das Korn soll nicht in die Häuser gefahren werden, sondern in die Scheunen. Neue Scheunen sind außerhalb der Stadt anzulegen.
1715. Weil der Licent=Aufseher zugleich Stadtknecht ist, muß er oft dem Rathe dienen und zu dieser Zeit geschieht viel Unterschleif. Beide Posten sollen getrennt werden, was dem Rathe nicht gelegen kommt, er versucht, die Thorbude als Stadtknechtswohnung zu reclamiren und wird beschuldigt, daß er gerne defraudiren möchte.
1718. Die fürstliche Wege=Commission bittet, den Amts=Küchmeister in Güstrow anzuweisen, Steindamm und Mühlenbrücke bei Lage zu restauriren.
1720. Restaurirung des Thurmes.
1723. Erweiterung der Concession an den Papiermüller Dethlof Heuser und Erlaubniß, sich bei der Mühle niederzulassen.
1730. Der Zöllner darf den vor der Stadt nahe an der Recknitz belegenen Zollberg bebauen und den dazu gehörigen Raum als Garten nutzen.
1732. Der Procurator camerae theilt dem Fürsten eine Beschwerde des Güstrower Amtes mit, darüber, daß seit 1718 vor demselben seitens der Stadt Lage nicht das Geringste eingeklagt sei, so daß es scheine, als wolle sich die Stadt der Jurisdiction des Amtes entziehen.
1737. Christian Ludwig bescheinigt, daß die Aufräumung der Recknitz niemals Schuldigkeit der Lager gewesen sei, vielmehr solches Pflicht des Amtes sei. Wenn die Lager die Aufräumung besorgten, so sei das nur guter Wille.
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1749. Der Stadtrichter Hancke, der vom Herzog zum Commissar bei dem Königschuß ernannt ist, beschwert sich bei demselben, daß er nicht genügend geehrt sei. Es sei Sitte gewesen, daß der Commissar sonst durch die Fahne und 12 bis 16 Mann unter Musik abgeholt sei, diesmal sei er nur durch 5 Mann abgeholt und zurückgebracht. Auch hätten sich die Bürger in seiner Gegenwart geschimpft und geprügelt, so daß er weggehen mußte.
1752. Tischlermeister Heidtmann wurde jämmerlich von einem Bösewicht erschossen und hinterließ eine Wittwe mit sieben Kindern.
1755. Es wird ein zweiter Klingbeutel eingeführt, dessen Ertrag Cantor und Küster theilen sollen.
1775. Die beiden Kirchenvorsteher legen ihr Amt nieder, es wird ein Kirchenvorsteher oder Kirchenprovisor Rocksin bestellt.
1781. Starke Ruhr in Lage.
1795. Einweihung der durch den Orgelbauer Friese=Polchow für 595 Thlr. gelieferten Orgel.
1799. Die Bürger hindern gewaltsam das Auskaveln der Langkavelwiesen, weil ihnen der Termin zu früh ist.

Flurnamen.

Es ist nicht ohne Interesse, auf die Flurnamen zu achten, eine Fülle von Bezeichnungen ist über die Feldmark ausgestreut; meist alt, oft recht treffend sind sie, der Ackersmann konnte mit ihrer Hülfe sich auf dem vielgetheilten Grunde leicht zurecht finden.

Im Allgemeinen muß auffallen, daß die Niederungen sämmtlich ächt deutsche Namen tragen, wohl weil die Einwanderer sie erst nutzbar machten und entwässerten, dagegen haben etliche größere Ackerflächen wendische Namen.

I. Wendische Namen.

1) Auf dem Pinnower Felde. Allerdings weiß zur Zeit kaum ein Lager noch, wo solches zu suchen ist, der Name ist seit

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der Neugestaltung der Schläge vor hundert Jahren im Volksmunde verschwunden, früher war er sehr geläufig, wie die Visitationsprotokolle nachweisen, die Kirche hatte viele Stücke auf dem Pinnower Felde, nach damaligen Angaben läßt sich seine Lage leicht bestimmen, es findet sich auf jenem Viereck, das so auffallend nach Wardow vorspringt. Wir haben schon gehört, daß die Stadt es 1346 ankaufte. Auf der Karte findet man in der Nähe "die Dorfstellen", dabei den Pinnower Teich. Nach Kühnel bedeutet Pinnow Ort, wo Baumstämme sind. (Unmittelbar an die Dorfstellen rührt das Steinland, wo sich der frühere alte Bestand von mächtigen Eichen fand.) Die Eintheilung des Feldes nahmen die Städter nach Erwerbung desselben vor und rechneten von der Stadt aus nach dem vordersten, mittelsten, hintersten Schlage.

2) Auf der Ture. Der Lager meint heute "auf der Tour" müsse man schreiben, als ob es ein so weiter Weg zu jenem Acker wäre. Er liegt bei den Dorfstellen und gehörte sicherlich einst zum Dorfe Pinnow. Es kommt dieser Name zur Wendenzeit in Meklenburg vor, gab es doch einst ein Land Ture, wo jetzt das Amt Lübz sich ausdehnt (Jahrbuch X, 33 - 35). Nach Kühnel stammt der Name von turu, Auer=Ochse, und bedeutet "Auerort".

3) Auf der Schwenknitz oder Schwendnitz. Vom wendischen Burgwall östlich am Wiesenquerthale entlang erstreckt sich das so bezeichnete Land, wo heute meistens Kiefern stehen, es gehörte darum wohl den Bewohnern der Vorburg. Nach dem altslavischen svetu, heilig, wäre es heiliger Ort zu deuten.

4) Auf der Dickstow. Der so genannte Acker liegt unweit des vorigen. Die jetzige Schreibart "Dieckstau", (als ob dort ein Teich gestaut wäre) ist geschichtlich unberechtigt. Ich vermag den Namen allerdings nicht zu deuten. - Auffallend ist, daß der der Pfarre sicherlich schon bei deren Gründung überwiesener Acker auf wendischem Grunde liegt, wahrscheinlich ist mit bestimmter Rücksicht auf den dem Heidenthume abgerungenen Boden auch hier verfahren.

II. Deutsche Namen.

Ein Blick auf die Karte lehrt, daß nach Gründung der deutschen Stadt, die entfernt von wendischen Ansiedlungen angelegt wurde, alle Aecker in deren nächsten Umgebung deutsche Namen erhielten.

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a. Mehrfach findet sich die Zusammensetzung mit "Stücke" zur Bezeichnung von Aeckern so: Fußstücke, Pachtstücke und Paalstücke (1330). Ebenso mit "Kavel" (Theil) so: Langkavel, Hauskavel.

b. Etliche Namen stammen von frühern Lager Einwohnern z. B. Gruwelskamp (1578), Tessins Koppel, Getzmannskamp (neueren Ursprungs), Kampmannssoll, Karocks=(Karschen=) Bruch, Lewerenztannen, Surower Berg.

c. An Dotationen für bestimmte Aemter u. s. w. erinnern Richteracker, Landreiterkamp, Raths =, pfarr =, Viertelmanns =, Kühler =, Hirten =, Stadtsprecher=,Drittentheils=Wiese. (Letztere Bezeichnung daher, daß alle drei Stadttheile in der Nutzung einst wechselten.)

d. Nach Gestalt oder Boden heißen Schlatenbrink (geschlossener Brink), Kellerbrink, Der hohe Kamp, Dreienrücken, Krumme Trift, Scheben(schief)berg, böse Berg, süße Grund, Grandberg, sowie das Steinland. Häufig findet sich die Zusammensetzung mit Hörn, Hören (Horn), und in diesem Falle hat man meist an eine Höhe, die sich in Niederungen, auch an eine Niederung, die sich in Höhen vordrängt, zu denken, z. B. bei Grünhören, Hasenhören, Nickelshören, Stuwen(stumpf)hören, Kehlhören, Hörnwiese.

e. Historische Erinnerungen knüpfen sich an den Burgwall, Predigtberg, Spitalberg, St. Jürgen, Beguinenstück.

f. An frühere Anlagen oder Benutzungsweisen erninern Backhauskoppel, Windmühlenberg (1330), Pferdekoppel, Hoppenhäwen (Hopfenhof 1330), Papenhof.

g. Nach Pflanzen oder Thieren wird meistens der Soll, das Wasserloch benannt, so Siggen =, Duwick =, Bült =, Wriedbusch=Beeschen =, Kater=Soll, Ihlenpohl, Fischteich, Rohrteich, auf den sieben Weiden, Hühnersoll. Auch etliche Berge heißen nach Pflanzen z. B. Nelken =, Erdbeerberg, vielleicht auch Ecker=(Buchecker =) Berg.

h. Schließlich füge ich noch die Bezeichnungen Ueker (ein Thal, früher vom Bach durchzogen), die Plage (ein Wiesenstück), die Sääg (eine Niederung), den Klapper =, Boller =, Tippen=Berg an.


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Berichtigung.

Im 1. Theil der Stadtgeschichte, Jahrbuch 1887, Seite 233 heißt es: "Unser Staatskalender, der die jetzige Präpositur Lüssow, zu der auch Lage gehört, zu Kammin rechnet, würde also auch hier irren". Diese Bemerkung ist durch ein Versehen eingefügt und paßt nur auf die Staatskalender von 1819 bis 1848.

Außerdem muß auf Seite 227 die für Berthold und Lüder als Bürgermeister angegebene Zahl in 1356 (Febr. 2.) umgeändert werden.

 

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II.

Das Amt der Zinngießer in Rostock.

Von

Professor Dr. Wilhelm Stieda

zu Rostock.


B ereits im dreizehnten Jahrhundert läßt sich in meklenburgischen Städten das Handwerk der Grapengießer nachweisen. Das Verzeichniß der Einkünfte der Wismarschen Kämmerei aus den Jahren 1274 - 1300 führt Kupferschmiede und Grapengießer (ollifices) auf, die von ihrer Verkaufsstätte jährlich 8 Schillinge zu entrichten hatten. 1 ) In Rostock wird im Jahre 1299 an Johann den Grapengießer (fusor ollarum) ein Erbe neben der Badstube zu St. Peter verkauft 2 ) und in Malchow wird im Jahre 1287 Tumarus, ein Grapengießer (fusor ollarum) als Zeuge bei einem Verkaufsgeschäft nahmhaft gemacht. 3 ) Gewerbetreibende, welche Zinn verarbeiten, stoßen in derselben Zeit nicht auf. Doch da gelegentlich - so z. B. im Jahre 1372 bei Aufzählung des Kriegsschadens, welchen Rostocker Raubfehder dem Kloster Doberan zugefügt haben 4 ) - auch zinnerne Töpfe (olla stanni) erwähnt werden, so wird es an Verfertigern derselben in Meklenburg kaum gefehlt haben.

Ob diese Grapengießer in der angegebenen Periode ein eigenes Amt bildeten, kann nicht mit Gewißheit behauptet werden. 5 ) Jedoch ist es wahrscheinlich, wenn man erwägt, daß sie schon um 1285 so zahlreich waren, daß in Rostock eine Straße nach ihnen


1) Meklenburgisches Urkundenbuch Bd. 2, Nr. 1264.
2) Mekl. Ub. Bd. 4, Nr. 2533.
3) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 1914.
4) Mekl. Ub. Bd. 5, Nr. 3520, S. 635.
5) Vergl. Nettelbladt, Histor.=Diplom. Abhandl. von dem Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame, S. 147.
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benannt wurde (grapenghetere strate) 1 ) und sie im Jahre 1325 nach dem Rostocker Kämmereiregister von jeder Verkaufsstätte, die sie innehatten 2 ) - oder sind besondere Grapenhändler gemeint 3 ) - regelmäßig ein Jahreszins von acht Schillingen gefordert wurde.

Vom einem Amte der Kannen= und Grapengießer erfahren wir gelegentlich einer Vereinbarung der Seestädte Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald und Stettin in den Jahren 1354 und 1361, welche die Metallmischung, aus welcher die Erzeugnisse genannter Handwerker hergestellt werden sollten, genau festzusetzen unternimmt. 4 ) Die ältesten uns erhaltenen Rollen stammen aus Hamburg vom Jahre 1375 (für Kannen= und Grapengießer zugleich) 5 ) und aus Wismar vom Jahre 1387 (gleichfalls für beide in einem Amte vereinigten Gewerbe). 6 ) Kannengießer werden im 14. Jahrhundert namhaft gemacht in Frankfurt a. M., Köln, Breslau und Nürnberg. 7 ) Dagegen scheint das Handwerk der Grapengießer eine Eigenthümlichkeit norddeutscher Städte zu sein.

Die Leistungen der letzteren bestanden in der Anfertigung von Kesseln, flachen Tiegeln und Grapen auf Füßen und mit Handgriffen versehen. Es scheint, daß solche Geräthe in keinem norddeutschen Haushalte fehlen durften. Man findet sie in den Küchen von Privatpersonen und den Klöstern. So ist 1284 in das Rostocker Stadtbuch ein Vertrag eingezeichnet, nach welchem die Stadt 2 »ollas« im Gewichte von 3 1/2 Schiffpfund übernahm. 8 ) Das Doberaner Kloster besaß im Jahre 1312 »unam magnam ollam« im Werthe von 24 Mark und »sex ollas mimutas«, zusammen im Werthe von 2 Mark 9 ) und in dem Vermächtniß einer gewissen Wobbe in Rostock an die Franziskaner daselbst sind »ollae majores et minores« namhaft gemacht. 10 ) Dietrich, der Pfarrer zu St. Peter in Rostock hinterläßt im Jahre 1345 seinem Nachfolger u. a. »1 ollam et unum caldarium auricalceum«. 11 ) Alle


1) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 1800.
2) Mekl. Ub. Bd. 7, Nr. 4608, S. 256.
3) Vergl. m. Aufsatz "Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe" in Hans. Geschichtsblätter, Jahrg. 1886.
4) Hanse=Recesse. I. Abtheil. Bd. 1, Nr. 188, 257.
5) Rüdiger, die ältesten Hamburgischen Zunftrollen S. 123.
6) Burmeister, Alterthümer des Wismarschen Stadtrechtes S. 52.
7) Vergl. m. Aufsatz in Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1886.
8) Mekl. Ub. Bd. 10, Nr. 7199, S. 491.
9) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 3520, S. 625.
10) Mekl. Ub. Bd. 9, Nr. 6148.
11) Mekl. Ub. Bd. 9, Nr. 6522.
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Fabrikate der Grapengießer wurden aus Kupfer unter einem Zusatz von Zinn, oder aus Eisen, hergestellt.

Die Kannengießer machten Flaschen, Schüsseln, Salzfässer, Waschbecken, Standen, Teller, Löffel u. dergl. m., theils aus reinem Zinn, theils aus einer Mischung von Zinn und Blei. Mit ihnen verwandt sind die Apengeter oder, wie sie nachher genannt werden, Rothgießer, die in Lübeck sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1 ) in Rostock und anderen norddeutschen Städten als besonderes Amt erst im 16. Jahrhundert nachweisen lassen 2 ) Ihr Arbeitsmaterial scheint die Composition von Zink und Kupfer gewesen zu sein, die später als Rothguß oder Tombak bekannt geworden ist. Wie Wehrmann annimmt 3 ) verarbeiteten sie rothes sprödes Metall im Gegensatz zu den Gelbgießern, die gelbes geschmeidiges Metall benutzten. Doch mögen sie sich nicht auf eine bestimmte Composition beschränkt, sondern auch Glockenmetall, Münzmetall, das später sogen. englische Metall (Messing und Zink) u. a. m. verarbeitet haben. 4 ) Da nicht einmal Gelbgießer neben ihnen erwähnt werden, so mögen sie selbst Messing benutzt haben. Messingschläger, d. h. Handwerker, die mit dem Hammer aus Messing Gegenstände herstellten, treten dagegen schon sehr früh in Lübeck, bereits im Jahre 1330, auf und zwar in der nicht geringen Anzahl von 14. 5 ) Nach der Rolle von 1400 bildeten sie in Lübeck ein besonderes Amt 6 )

Während des 14. und 15. Jahrhunderts scheint die Arbeit der Apengeter vorzugsweise in der Herstellung kleinerer Gegenstände bestanden zu haben, die sie sowohl in feinerer als auch in gröberer Ausführung boten, wie Fingerhüte, Leuchter, Hähne, Weihrauchfässer, Schalen u. m. 7 ) Indeß durften sie wenigstens in Lübeck auch Waschbecken (hantvate) gießen und sich mit der Flickarbeit kleinerer Grapen befassen. 8 ) Nach einer Erklärung des Stralsunder Rathes vom Jahre 1438 stand ihnen ausdrücklich das Recht zu, Grapen zu flicken und Füße und Griffe aufs Neue anzugießen, eine Arbeit, die ihnen nicht zur Unehre gereichen sollte


1) Rolle von 1432 bei Wehrmann, Lübeckische Zunftrollen, S. 157.
2) Rostock, Rolle von 1585. Rollenbuch des Gewetts im Rathsarchiv. Rüdiger, Gesellendokumente S. 44. Schanz, Gesellenverbände S. 273.
3) a. a. O. S. 157.
4) Siehe hierüber Sprengel, Handwerker und Künste Bd. 5, S. 5 u. 6.
5) Lübeckisches Urkundenbuch II, S. 474.
6) Wehrmann a. a. O. S. 330.
7) Wehrmann a. a. O. S. 158.
8) Wehrmann a. a. O. S. 228.
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(gr oe pene sch ue ghen, br oe kene v oe te, oe rde unde sch oe rde olden grapen wedder angheten). 1 ) In älterer Zeit mag man sich unter den Apengetern auch mitunter Stückgießer und Glockengießer vorzustellen haben, die ja nirgends so zahreich waren, daß sie ein eigenes Amt bildeten. Auch mögen die ansehnlichen Kirchenleuchter, die man noch jetzt in älteren Kirchen antrifft, aus der Werkstätte der Apengeter hervorgegangen sein. Wie denn in einer Lübecker Verordnung vom Jahre 1483 ihnen ausdrücklich zugestanden wird, messingene, eiserne, kupferne und blecherne Leuchter (handleuchten) anzufertigen, 2 ) was anzudeuten scheint, daß sie die Leuchterfabrikation überhaupt gern pflegten. Jedenfalls berührten sich ihre Leistungen eng mit denen der Grapengießer, so daß in Lübeck der Rath sich im Jahre 1439 veranlaßt sah, jedem der beiden Gewerbe die Arbeitsgrenzen genau vorzuschreiben. 3 ) In Hamburg schieden die Apengeter erst im Jahre 1577 aus dem Amte der Kannen= und Grapengießer aus, die vereinigt zurückblieben. 4 )

Wie diese verschiedenen Metall verarbeitenden Handwerker sich nebeneinander entwickelt haben und allmählich zur Errichtung selbständiger Aemter geschritten sind, entzieht sich gegenwärtig noch genauerer Feststellung. Am Ende des 16. Jahrhunderts erscheinen in Norddeutschland überall die Apengeter auf der einen, die Grapen= und Kannengießer auf der anderen Seite in getrennten Aemtern. In der Verbindung der letzteren sind dann die Grapengießer allmählich ausgestorben 5 ) - etwa durch die Kupferschmiede ersetzt - und später ist nur von Kannengießern die Rede, die seit dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts ihren Namen in "Zinngießer" umwandelten. In Süddeutschland ist die Organisation vielfach anders gewesen. In Nürnberg z. B. stehen im Jahre 1363 Kanelgießer in einer Zunft, Messingschmiede, Gürtler, Zinngießer und Spengler in einer anderen zusammen, 6 ) während in Frankfurt a. M. alle Feuerhandwerker zur Schmiedezunft gehören. 7 ) Die Arbeit der Apengeter - dieses Wort ist selbstverständlich niederdeutsch - fiel in Nürnberg den Rothschmieden, die der norddeutschen Gelbgießer und Messingschläger den Beckenschlägern, Messingschabern


1) Lübeckischer Urkundenbuch Bd. 7, S. 773.
2) Wehrmann a. a. O. S. 160.
3) Wehrmann a. a. O. S. 227.
4) Rüdiger a. a. O. S. 1.
5) In Lübeck gegen Ende d. 16. Jahrh. Wehrmann a. a. O. S. 225.
6) Hegel, Chroniken der deutschen Städte II, S. 507 fld.
7) Bücher, die Bevölkerung von Frankfurt a. M., S. 93.
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und Messingbrennern zu. An Stelle der Grapengeter giebt es Kupfer= und Pfannenschmiede. 1 )

In welchen Zeitpunkt die Bildung des für sich bestehenden Kannengießer=Amts in Rostock zu verlegen ist, läßt sich nicht genau angeben. Die älteste uns erhaltene Rolle 2 ) vom 16. Mai 1482 ist die der vereinigten Grapengießer und Kannengießer und das älteste Protokollbuch in der Lade, im Jahre 1575 angefangen, führt die Aufschrift »Kannengeter unde Grapengeter ehr boeck«. Dagegen heißt ein zweites Protokollbuch vom Jahre 1597 das Amtbuch der Rostocker Kannengeter und diese Benennung erfährt das Amt auch in dem Zusatz zu einer Copie der alten (1482er) Rolle vom Jahre 1678, während endlich auf dem Titel des dritten uns erhaltenen Protokollbuches aus dem gleichen Jahre steht »das löbliche Ambt der Zinnengiesser Buch«. Hiernach ist es wahrscheinlich, daß die Trennung der beiden Handwerke am Ende des 16. Jahrhunderts vor sich gegangen ist. Die Grapengießer scheinen damals vom Schauplatz abgetreten zu sein; wenigstens ist von ihrer Zugehörigkeit zum Amt nicht mehr die Rede.

Den Kannengießern, bei welchen es nach dem Absterben ihrer einstigen Genossen, der Grapengießer, noch 300 Jahre dauerte, bis auch ihr Stündlein schlug, passirte das Mißgeschick bei der großen verheerenden Feuersbrunst, welche im August 1677 Rostock heimsuchte, ihre Originalrolle und vermuthlich auch andere Papiere einzubüßen. Eine Abschrift ihres Statuts konnte ihnen aus dem großen Wette= und Rollenbuch im folgenden Jahre geliefert werden, wobei eine Uebersetzung des Niedersächsischen ins Hochdeutsche für angemessen erachtet wurde. 3 ) Die übrigen Documente waren natürlich unwiederbringlich dahin bis auf die bereits erwähnten Amtsbücher. Das Jahr 1678, das Jahr nach dem Brande, schien zu einem Wendepunkt in der Geschichte unseres Gewerbes ausersehen. Man begann ein neues Protokollbuch und legte sich einen neuen Namen bei. Indeß ist es zu einer regelrechten Benutzung des Buches nicht gekommen. Die hauptsächlich wichtigen Eintragungen über die aufgenommenen Meister und eingeschriebenen Lehrlinge bis auf die neueste Zeit finden sich in den älteren Bänden, die vielleicht in der Unruhe des Brandes verloren gegangen, sich später als gerettet herausstellten.


1) (Stockbauer, Nürnbergisches Handwerkerrecht des 16. Jahrhunderts, führt die obengenannten Handwerke in Nürnberg vorkommend an.
2) Die obige Darstellung gründet sich auf das in der Lade der Zinngieser vorhandene Urkunden= und Aktenmaterial (Rathsarchiv).
3) Anhang Nr. 6,
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Die Rolle von 1482 1 ) hat dem Amte bis zum letzten Augenblick seines Bestehens, nur verändert durch eine im Jahre 1585 getroffene Verordnung über die Feier von Meister=Essen und Aeltermanns=Mahlzeiten, welche für alle Handwerke in ganz Meklenburg galt, 2 ) gedient. Wohl fühlten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die ehrsamen Zinngießer das Bedürfniß nach einem den modernen Anforderungen gemäß umgestalteten Statut, »da die alte von 1482 herige Amptsrolle so sehr tunckel und nichts auf jetzigen Zeiten Passendes in sich enthält«. Es seien nun bald 300 Jahre, heben sie in dem Brouillon zu einer Eingabe an den Rath hervor, seit dem Erlaß der alten Rolle verflossen » in welcher Zeit die Weldt ganz andere Meinungen gefasset« und baten daher um eine neue Rolle, zu der sie einen Entwurf vorlegten. 3 ) Doch der Rath erhörte ihr Gesuch nicht und so behielt das alte Statut von 1482 bis 1880 für die Mitglieder des Amts bindende Kraft. Ein Unglück war das eben nicht, denn die neue Rolle von 1773 hatte es vorzugsweise auf die Regelung der ausschließenden Absatzverhältnisse und der Bedingungen des Meisterwerdens abgesehen, d. h. die bloß eigennützigen Absichten der damaligen Handwerker zum Ausdrucke gebracht.

Wann die »Neu-Revidirte und Renovirte Punctationes« entstanden sind, die im dritten Protokollbuche, scheinbar von einer Hand des 18. Jahrhunderts, stehen, läßt sich nicht bestimmen. 4 ) Sie weisen kein vollständiges Statut auf, sondern regeln nur einige Punkte und zwar namentlich die Bedingungen, welche für die Erlangung des Meisterrechtes zu erledigen waren. Die »Fernere gebreuchliche Ambtsaussgaben undt Nachrichten«, 5 ) von derselben Hand in demselben Protokollbuche eingetragen, also vermuthlich aus der gleichen Zeit wie die Punctationes, wollen ebenfalls nur einige, etwa zweifelhaft gewordene Observanzen ins Reine bringen und sind nicht als eine Rolle im gewöhnlichen Sinne anzusehen.

Uebrigens deutet dieses Festhalten an der alten Rolle nicht an, daß jede Weiterbildung des Sonderrechts aufgehört hatte. Vielmehr fand eine solche auf den Versammlungen statt, welche


1) Anhang Nr. 1.
2) Anhang Nr. 3.
3) Anhang. Nr. 11.
4) Anhang Nr. 9.
5) Anhang Nr. 10.
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Deputirte der verschiedenen Zinngießer = Aemter alle 7 Jahre in Lübeck abzuhalten pflegten. Wann diese zuerst begonnen haben, läßt sich zur Zeit nicht bestimmen. Bereits aus dem 15. Jahrhundert liegen Beschlüsse derartiger Vereinigungen vor. So z. B. von den Schmieden der wendischen Städte. 1 ) Die Kannengießer waren schon in den Jahren 1589, 1603 und 1617 in Lübeck zusammengekommen, wie aus dem Protokollbuche hervorgeht, ob damals, wie es den Anschein hat, in bestimmten Zeiträumen, etwa alle 14 Jahre, regelmäßig wiederkehrend, oder ad hoc, je nach Bedürfniß zusammentretend, entzieht sich unserer Kenntniß. Ebenso schickten die Rostocker Zinngießer Vertreter zu den Versammlungen in den Jahren 1640 und 1662. Recesse ihrer Zusammenkünfte haben sich aus den Jahren 1678, 2 ) 1705, 3 ) 1710, 1719 und 1729 erhalten. Wieviel Versammlungen außerdem in dieser Periode vorkamen, läßt sich natürlich nicht sagen. Es scheint aber, als ob dieselben überhaupt nicht in der ursprünglich festgesetzten Weise, alle 7 Jahre, veranstaltet wurden, sondern, weil die Kosten der Beschickung zu große wurden, in längeren Zwischenräumen. Auf der Tagfahrt von 1729 wurde ausdrücklich beschlossen, daß wenn nichts "Hauptsächliches" zur Sprache kommen sollte, die Einberufung der Deputirten 2 bis 3 Jahre über den 7jährigen Termin hinausgeschoben werden könnte. Daß die Kosten unter Umständen ein Hinderniß für die Beschickung werden konnten, ergiebt sich daraus, daß z. B. der Vertreter der Rostocker Zinngießer im Jahre 1640 30 Gulden, die beiden Meister aber, die im Jahre 1662 nach Lübeck reisten 61 Gulden und 10 Schillinge Reisespesen vergütet bekamen.

Die Verhandlungen, die hier geführt wurden, erstreckten sich zum Theil auf ganz untergeordnete Dinge. Es handelte sich z. B. um die Bestimmung darüber, welche Landstädte den Vororten zugezählt werden sollten oder welche Märkte den einzelnen Städten zu beschicken gestattet war. Jeder Stadt war der Umkreis, innerhalb dessen Zinnsachen zum Verkauf ausgeboten werden konnten, genau vorgezeichnet und man achtete nur darauf, daß dieser eingehalten wurde. So war der Parchimsche Markt den Wismarschen zugewiesen und nur zu Michaelis durften ihn die Schwerinschen Zinngießer beziehen. Schleswig hatte das Recht, die Märkte in Flensburg zu besenden. Neustadt, Oldenburg und Lütjenburg


1) Wehrmann a. a. O. S. 446 - 448.
2) Anhang Nr. 7.
3) Anhang Nr. 8.
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durften von den Lübeckern bezogen werden. Der Markt zu Gadebusch stand den Wismarschen, Lübeckern und Schwerinschen gleichmäßig zu. 1 ) Anklam und Greifswald sollten wohl den Markt zu Demmin, nicht aber den zu Stralsund besuchen dürfen.

Diese Grenzen wurden nicht selten überschritten, wie denn im Jahre 1710 bestimmt wurde, daß nicht die Wismarschen, sondern die Rostocker Zinngießer das Recht hätten, den Bernittschen Markt zu versorgen. Wegen des Besuches von Gabebusch war im Jahre 1667 zwischen Lübeck und Wismar ein Streit ausgebrochen.

Neben der Erledigung solcher Streitigkeiten wurden Fälle von Uebertretungen der Rollen zur Sprache gebracht. So hatte sich im Jahre 1719 ein Meister aus Wismar zu verantworten, weil er der Bestimmung sich mit einer Meisterswittwe oder Meisterstochter zu vermählen, nicht nachgekommen war. In solchen Fällen wurden Geldstrafen verhängt.

Endlich wurden manche neue Zusätze und Beliebungen zu den alten Rollen erörtert und beschlossen. Man baute das geltende Recht aus, zwar in dem Sinne der auf die Dauer engherzigen Zunftpolitik, fand immer neue Einschränkungen und Fesseln, ordnete aber dazwischen auch Treffliches und Gutes an. Zu den Neuerungen der ersteren Art gehörte z. B. der 1678 gefaßte Beschluß, daß ein Meister oder Geselle, der freien wollte, für seine Frau den Beweis ihrer ehelichen Geburt beibringen mußte, 2 ) der im Jahre 1710 dahin vervollständigt wurde, daß ein angehender Meister sich stets nur mit einer Meisterswittwe oder=Tochter verheirathen dürfe. Zu den letzteren dagegen möchten sich die Anordnungen, daß die Aelterleute 5 Mal im Jahre 3 ) durch Umgang in den Werkstätten sich von der Richtigkeit der Probe überzeugen sollten, daß die Verfertiger falscher Wein= und Biermaaße stets strenger Strafe unterworfen würden, 4 ) die mancherlei Verfügungen über die Behandlung der Gesellen - zu rechnen sein.

Eine zu große Vorstellung darf man sich allerdings von dieser Ergänzung und Vervollständigung der Statuten nicht machen. Im Allgemeinen war der Gewerbetreibende ein conservativer Mann und sah darauf, »dass alle vorige ertheilte undt geschlossene Beliebungen in ihrem Vigore undt Kräften verbleiben undt ge-


1) Anhang Nr. 7 § 8.
2) Anhang Nr. 7 § 5.
3) Anhang Nr. 7 § 3.
4) Anhang Nr. 7 § 4.
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halten werden. « 1 ) Auf den Versammlungen von 1710, 1719 und 1729 wurden daher größtentheils die alten Beschlüsse nur durchgesehen und mit relativ geringen Veränderungen bestätigt. Große Lebhaftigkeit sprach sich in den neuen Zuthaten nicht aus. Von diesen Verhältnissen auf die Zustände im Handwerk überhaupt zu schließen, wäre vielleicht insofern nicht ganz richtig, als wir in dem Zinngießer=Gewerbe des vorigen Jahrhunderts ein allmählicher Auflösung entgegengehendes Handwerk vor uns haben.

Nahe genug liegt die Frage, mit einem wie zahlreichen Amte man es bei den Zinngießern zu thun hat. Leider läßt sich das für die ältere Zeit nicht ermitteln. In Nürnberg lebten im Jahre 1363 14 Kanelgießer neben einer gewissen Zahl Zinngießer; 2 ) in Frankfurt a. M. lassen sich für das Jahr 1387 nur 5 Kannengießer nachweisen, für das Jahr 1440 nur 7. 3 ) Gewinnt man hieraus den Eindruck, daß es ein nur schwach besetztes Gewerbe war, so wird dieser bestätigt durch die Nachrichten, die uns über Rostock seit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts zur Verfügung stehen. Nach dem ältesten Protokollbuch gab es im Jahre 1575 zehn Meister; aber schon 20 Jahre später nach dem Ausscheiden der Grapengießer - 1597 - werden nur 4 Amtsbrüder namhaft gemacht. Im Jahre 1627 zählte das Amt 7, im Jahre 1633 5, im Jahre 1722 ebenfalls 5 Mitglieder. Auf einem undatirten Blatte, das nach der Handschrift in das Ende des vorigen Jahrhunderts zu setzen wäre, sind 4 Meister namhaft gemacht. Im 19. Jahrhundert scheinen nicht mehr als 3 Meister gleichzeitig neben einander gewirkt zu haben. Viele Jahre hindurch bestand das Amt nur aus einem Meister und mit dem Tode des letzten, Friedrich Carl Wulkop, im Jahre 1880, ging es ein. Mögen diese Angaben, die verschiedenen gelegentlichen Aufzeichnungen in der Lade des Zinngießer=Amts entnommen sind, mitunter ungenau sein - soviel ist sicher, um ein großes und ansehnliches Amt hat es sich in Rostock nicht gehandelt. Es ist dies um so auffälliger, als Jahrhunderte hindurch Zinngeschirre außerordentlich verbreitet waren. Die kleine Zahl der Gewerbetreibenden mag mit der großen Dauerhaftigkeit der Gefäße zusammenhängen. Das Zinngeschirr wurde bei der Begründung des Hausstandes fürs Leben, oft genug auch für die Nachkommenschaft eingekauft.


1) Anhang Nr. 7 § 1.
2) Hegel a. a. O.
3) Bücher a. a. O., S. 142, 216.
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Höchstens verlangte die Mode oder die Abnutzung von Zeit zu Zeit einen Umguß des veralteten oder schadhaft gewordenen Geräthes 1 ) oder gestattete spätere Behäbigkeit die allmähliche Vervollständigung des Vorraths fürs Haus. Erwägt man nun noch den Import von englischen Zinnsachen, 2 ) so begreift man, daß eine geringe Zahl dieser Gewerbetreibenden in der Lage war, das einheimische Bedürfniß zu befriedigen, das in unserer Zeit bekanntlich überhaupt ganz aufhörte.

Eine Zusammenstellung der in die Protokollbücher eingetragenen Meister=Namen nach den Jahren, in welchen das Amt die betreffenden Männer zu Meistern aufnahm, ergiebt, daß in dem langen Zeitraum von nahezu 300 Jahren von 1590 bis 1862 nur 45 Zinngießer in Rostock Meister wurden, die sich den Jahren nach, wie folgt, vertheilen. Es wurden in den Jahren

1590 - 1597 4 Jungmeister aufgenommen,
1600 - 1700 18 " "
1701 - 1800 19 " "
1801 - 1862 4 " "

Vielleicht enthalten die Eintragungen aus dem 17. Jahrhundert Lücken; sie vertragen sich indeß mit den landläufigen Vorstellungen über das Darniederliegen des Gewerbes während der Dauer des 30jährigen Krieges. Charakteristisch ist die Fortpflanzung des Handwerks vom Vater auf den Sohn. Die Schlüter, Voß und Gottespfenning sind derartige Familien, in denen von Generation zu Generation die Geschicklichkeit sich fortpflanzt. Die Westfals und Blawkogels aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mögen gleichfalls dazu zu rechnen sein. Ein Michel Westpfall kommt schon unter den Amtsgenossen im Jahre 1575 vor, freilich ohne daß sich der Zusammenhang mit den späteren Westfals nachweisen läßt.

Die Namen dieser Männer, die in den nebenstehend angegebenen Jahren Meister wurden, sind, so weit die Protokollbücher sie aufbewahrt haben, diese:


1) So wird für den Bedarf des Großkomthurs von der Königsberger Großschäfferei ein halbes Schiffpfund Zinn jedes zweite Jahr angesetzt. Sattler, Handelsrechnungen S. 169, 12.
2) In Danzig bereits im Jahre 1422 nachgewiesen. Hanse=Recesse 2. Abth. Bd. 1, Nr. 381 § 19. Vergl. m. Aufsatz "Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe" in Hansische Geschichtsblätter. Jahrg. 1886.
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1590.
1592.
1597.
1597.
1611.
1622.
1623.
  Jürgen Detloff.
Hans Meyer.
Jürgen Meyer.
Jochim Vycke.
Franz Kruding.
Heinrich Westfall.
Michel Westfall.
Vor 1627,  Jochim Bycke der Junge.
aber unbe= Hans Blawkogel.
stimmt Melcher Ertmann.
wann. Claus Hulsemann.
1633.
1638.
1640.
1657.
1660.
1671.
1673.
1673.
1675.
1677.
1687.
1701.
1702.
1705.
1708.
1714.
1717.
1717.
1728.
1732.
1745.
1746.
1747.
1747.
1749.
1776.
1780.
1788.
1791.
1799.
1832.
  Marcus Blawkogel.
Ulrich Schlüter.
Martin Blawkogel.
Hans Boyse.
Abraham Wordtmann.
Ulrich Schlüter.
Andreas Wösthoff.
Herman Möller.
Jacob Schlüter.
Michel Voß.
Hans Boyse.
Heinrich Schlüter.
Jürgen Weideman.
Jochim Voß.
Ulrich Wösthoff.
Hans Conrad Gottespfenning.
Jochim Schlüter.
Nicolaus Röhrdantz.
Christian Bartold Schacht.
Bartholomeos Henborg.
Joachim Voß junior.
Johan Christian Gottespfenning.
Benjamin Heinrich Gottespfenning.
Christian Schlüter.
Friderich Voß.
Johann Nicolaus Schacht.
Jochim Adam Hecht.
Jochim Daniel Gottespfenning.
August Friedrich Hassoldt.
Hans Christoph Reincke.
C. Gottespfenning.
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1846.
1846.
1862.
  J. Reincke.
P. Rahncke.
Friedrich Carl Wulkop.

Wo es so wenig Meister gab, konnte natürlich auch nur ein geringer Nachwuchs erwartet werden. Ueber die Zahl der Lehrlinge, die der einzelne Meister halten durfte, besagt die Rolle von 1482 nichts. Vermuthlich war es nicht erforderlich durch Beschränkungen dem Andrange wehren zu wollen. Selbst die Dauer der Lehrzeit wird nicht bestimmt. Sie scheint nach den in die Protokollbücher aufgenommenen Verträgen über 4 Jahre nicht hinausgegangen zu sein. Nur eheliche und deutsche Geburt war als Bedingung für den Beginn der Lehrzeit vorgesehen. (Art. 7 der Rolle von 1482.) Bei der Aufnahme in's Amt hatte der Lehrling 6 wendische Schilling, später 2 Gulden zu entrichten. Doch sollte man beim Einkassiren der letzteren nachsichtig sein. Den Namen der Lehrlinge und das Datum der Annahme, mehrfach auch den Geburtsort findet man in dem Protokollbuch seit 1610 aufgezeichnet. Die Aufnahme des letzten Lehrjungen fand im Jahre 1864 statt. Er hieß Johann Christian Julius Witt, gen. Wittenburg, und stammte aus Ribnitz.

Im Ganzen sind von 1610 - 1864 192 Lehrjungen angenommen worden. Ob sie alle vollständig ausgebildet wurden, ihren Cursus beendeten, kann nicht angegeben werden, da die controlirende Angabe über die Zahl der nach beendeter Lehrzeit Freigesprochenen fehlt. Vergleicht man die Lehrthätigkeit des Zinngießeramts mit dem des Hosenstrickeramts für welches die entsprechenden Daten aus dem 17. Jahrhundert vorliegen, 1 ) so erscheint die erstere bedeutend lebhafter. Bei den Zinngießern wurden von 1610 - 99 122 Lehrlinge eingeschrieben, bei den Hosenstrickern von 1614 - 99 nur 45. Im vorigen Jahrhundert ist dann von Jahr zu Jahr weniger Neigung zur Erlernung des Zinngießerhandwerks vorhanden. Mehrere Jahre verstreichen nach der Reihe, ohne daß ein einziger Junge eingeschrieben wird. Seit dem Jahr 1758 hat das Rostocker Zinngießeramt nie mehr als einen Lehrling gehabt, manches Jahrzehnt hindurch, z. B. von 1759 - 68, 1805 - 26, 1827 - 38, nicht eimnal einen. Man sieht recht deutlich, daß das Gewerbe auf den Aussterbe=Etat gesetzt ist.


1) Vergl. m. Aufsatz "Aus dem Rostocker Gewerbeleben des 17. Jahrhunderts" in der Rostocker Zeitung 1886, Nr. 195, 197, 199, 203.
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Ueber die Vertheilung der Lehrlinge auf die einzelnen Jahre der angegebenen Periode geben die beiden nachfolgenden Uebersichten Auskunft.

1. In der Periode 1610 - 1699 aufgenommene Lehrlinge:

Aufgenommene Lehrlinge
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2) Zahl der seit 1702 in's Zinngießeramt aufgenommenen Lehrlinge:

Lehrlinge im Zinngießeramt

Hinsichtlich der im Amte beschäftigten Gesellen geben die Urkunden, welche die Lade aufbewahrt, keine Auskunft. Nach der allgemeinen Sitte der Zeit bildeten die Gesellen eigene Bruderschaften oder Gesellenschaften und führten selbständig Bücher über die zuwandernden Gesellen, sowie über die aus dem Lehrlingsstand auf die höhere Stufe tretenden Junggesellen. Von den Rostocker Zinngießer - Gesellen haben sich derartige Nachweise bis jetzt nicht gefunden, sind möglicherweise bei der Kleinheit des Amts und da der Zufluß an einwandernden Gesellen wohl nie sehr lebhaft war, überhaupt nie geführt worden. Es wird die höchste Ziffer der Gesellen, die zu gleicher Zeit im Amte thätig waren, gewesen sein, wenn uns gemeldet wird, daß im Jahre 1617 14 Gesellen an dem von einem neu eintretenden auswärtigen Meister gezahlten Geld ihren Antheil bekamen (de alle ehren deel strafe hirvan untfangen). Im Jahre 1757 arbeitete in Rostock ein Geselle, der, wie er sich gelegentlich einer Klagesache gegen das Amt ausdrückte, geraume Zeit "der einzigste Geselle" gewesen war. Seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts ging das Zinngießergewerbe überhaupt zurück, so daß in anderen Städten nicht selten Mangel an Gesellen eintrat. Das ging so weit, daß man nach dem Receß von 1710 (Art. 22) bisweilen in Verlegenheit war, die zwei Gesellen zu beschaffen, die nach der Vorschrift nöthig waren, um einen Lehrling freisprechen und zum Gesellen machen lassen zu können.

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An den Beschlüssen der Kannengießer=Aemter der wendischen Städte zur Regelung des Gesellenwesens nehmen indeß unsere Rostocker Meister stets regen Antheil. Schon an denen des Jahres 1526, zu welchen Hamburg, Lübeck und Lüneburg sich vereinigen, sind die Rostocker betheiligt. 1 ) Ungefähr 50 Jahre später - 1573 - ist Rostock mit den genannten Städten und einigen andern zur Ausarbeitung einer neuen Gesellen - Ordnung zusammengetreten 2 ) und dieser folgen in gemeinsamer Aufstellung diejenigen von 1662 3 ) und 1729. Alle diese Statute lassen erkennen, daß man von den unbehaglichen Zuständen, wie sie der Uebermuth und die Unbotmäßigkeit der Gesellen überall erregten, in Rostock nicht verschont blieb; nur daß man sie hier nicht so drückend empfunden haben mag, wie an andern Orten, weil die Nachfrage nach Gewerbsprodukten größtentheils durch die Meister allein befriedigt werden konnte.

Allgemein interessant ist die Wahrnehmung wie stereotyp diese Ordnungen bleiben. Obwohl es sich um Regulirungen aus drei verschiedenen Jahrhunderten handelt - 1573, 1662, 1729 - so treten besondere Abweichungen nicht zu Tage. Abgesehen von dem Gebrauch des Hochdeutschen in den beiden letzten Erlassen gegenüber dem Niederdeutschen in den älteren, sind einschneidende Veränderungen nicht nachzuweisen. Ein merklicher Unterschied zeigt sich nur in den beiden Verordnungen aus dem 16. Jahrhundert.

Die Beschlüsse von 1526 charakterisiren sich als Festsetzungen über die Art und Weise, wie die Knechte selbständige Meister werden können. Es ist eine Art Präventivpolitik, die aus ihnen spricht. Um allen Zwistigkeiten, die entstanden sein mochten, weil keine festen Gesetze vorhanden waren, auf die man sich in streitigen Fällen berufen konnte, vorzubeugen, beschlossen die genannten Städte ihr Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Mancher Zank war zwischen Meistern und Gesellen entbrannt, weil das Recht vielleicht nicht immer gleichmäßig gehandhabt worden war. So beschließen die Meister nun fortan: »desse nabeschrevene bewilligung unde articuln ernstlick tho holden«. Anders verhält es sich mit der Vereinbarung von 1573. Sie tritt als eine Repressivmäßregel auf: »Na dem und also to dissen bösen tyden under unseres amptes gesellen vele unlust overdaent und mötwille dageliches


1) Rüdiger, Gesellendokumente, S. 32.
2) (Stieda in Conrad's Jahrbüchern für Nationalökonomie u. Statistik. Bd. 33, S. 336. Anhang Nr. 2.
3) Anhang Nr. 5.
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erwasset« sehen sich die Meister veranlaßt eine strenge Satzung aufzustellen. Die Gesellen, die widerspenstigen, trägen, liederlichen, zu Ausschreitungen jeder Art sofort bereitwilligen Bursche, sollen kurz gehalten und darüber belehrt werden, wessen sie sich zu gewärtigen haben, wenn sie nicht in den Grenzen des Hergebrachten bleiben. So freundlich und wohlwollend die Beschlüsse von 1526 klingen, so hart und rauh fällt die Vereinbarung von 1573 aus. Die Zeiten haben sich eben geändert. Keine einzige Freiheit wird den Knechten eingeräumt. Bündig erklären die gereizten Meister die schweren Bedingungen, unter welchen fortan gearbeitet werden soll. Der Wochenlohn wird ein für alle Male bestimmt (Art. 2), die tägliche Arbeitszeit auf nicht weniger als 16 Stunden angesetzt (Art 4), die früher reichliche Beköstigung wird beschränkt (Art. 6), das Freibier, das die Gesellen sich gegenseitig zu schenken pflegten, nur ausnahmsweise zugelassen (Art. 9), die Zahl der Krugtage, d. h. der Kneipgelage (Art. 10) vermindert und dergleichen mehr.

Auf diesem Standpunkte bleiben die späteren Beschlüsse dann stehen. Neuerungen fehlen natürlich nicht ganz, aber sie hauchen denselben Geist aus wie die oftmals wiederholten Bestimmungen der alten Recesse - den Geist kleinlicher Beschränkung der freiheitlichen Bewegung der Gesellen, dem gegenüber man nicht immer sicher ist, ob er wirklich nur dem Wunsche, bestehenden Ausschreitungen und Uebergriffen zu begegnen, entsprang. So wenn der abziehende Geselle nur von einem Genossen ans Stadtthor gebracht, zu Hause kein Tabak geraucht werden durfte und ohne Licht zu Bette gegangen werden mußte. Auf der anderen Seite werden freilich auch sehr verständige Maßregeln laut. So wird den Gesellen verboten, von der Arbeit in der Werkstatt weg, zur Bewillkommnung eines zuziehenden Gesellen in den Krug zu laufen, die Arbeit beliebig in der Woche für einen Tag oder einen halben niederzulegen, um spazieren zu gehen, den Meister in der Woche zu verlassen - nur am Sonntag sollen sie die Wanderschaft fortsetzen -, von den Lehrlingen, wenn sie dieselben zu Gesellen machen, nicht zu viel Geld zu fordern u. a. m.

Doch gehen die Meister in ihren Anforderungen weiter. Sie wollen nicht nur sich vor Schaden bewahren, der ihnen aus dem tölpelhaften Benehmen der Gesellen erwachsen könnte - sie erblicken in dem Gesellen den zukünftigen Konkurrenten und lassen ihn demgemäß ihre Macht fühlen. Die Zeit des dreißigjährigen Krieges war offenbar nicht dazu angethan, den Erwerb zu erleichtern. So sah man es ungern, wenn die Gesellen zahlreich kamen, weil man fürchtete, dermaleinst mit zu vielen das schmale

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Stücklein Brod theilen zu müssen. Demgemäß suchte man ihr Fortkommen eher zu hindern als zu befördern. Man bestrafte den Gesellen, der sich unterfing bei einem außerhalb der Beliebung stehenden Meister Arbeit zu nehmen. Man duldete nicht, daß die Gesellen außerhalb des Hauses ihrer Meister irgend welche Arbeit in Angriff namen. Man verlangte vor allen Dingen, daß der einwandernde Geselle, der sich schließlich in Rostock niederlassen wollte, die Tochter eines Meisters oder eine Meisterswittwe heirathen sollte. Man gestattete auch nicht, daß der zuziehende Geselle den Meister, bei welchem er arbeitete, sich auswählen konnte, sondern wies ihn dahin, wo gerade Bedarf an Arbeitskräften war, unabhängig davon, ob der Geselle sich in der betreffenden Werkstatt vervollkommnen konnte oder nicht.

Weiß man gegenüber diesen Verfügungen nicht, inwieweit sie in Rostock überhaupt nöthig waren oder die Meister sich vielleicht einfach den Beschlüssen der anderen Städte unterwarfen, so liegt uns doch auch eine Rostocker Local=Verordnung vor, allerdings erst vom Jahre 1775. 1 ) Meister und Gesellen des ganzen Zinngießer=Amts zusammen bestimmen in ihr für die "Oberlender Gesellen", wie es mit diesen gehalten werden soll. Wenn sie in Rostock eintreffen, soll der Schaffer (wohl der Altgesell), falls sie es verlangen, für sie um Arbeit sich umschauen und wenn sie wieder den Wanderstab weiter setzen, sollen sie ihren Fortgang bei dem Altgesellen anmelden.

Ergiebt sich aus der Zahl der Meister und Lehrlinge, daß es nur ein kleines Amt war, dessen Vergangenheit wir erforschen, so füllte dasselbe im städtischen Leben doch seinen Platz aus wie alle andern. Es war regelmäßig im zweiten Quartier vertreten, selbst dann, als zeitweilig nur ein Mitglied im Amte war und dieses sich selbst wählte, und es trug gleich den andern Aemtern, wenn es nöthig wurde, die communalen Lasten. So mußte es im siebenjährigen Kriege, in welchem Meklenburg, ohne an demselben thätigen Antheil zu nehmen, doch ein Tummelplatz der kämpfenden Preußen und Schweden war, 2 ) an das Königliche Preußische Feld=Kriegs=Commissariat die erhebliche Summe von 100 Thlr. zahlen. Die Quittung hierüber, aus welcher ersichtlich, daß in 4 Terminen, vom 7. April bis 13. Mai 1762, das Geld wirklich beschafft wurde, liegt unter den Papieren der Lade.


1) Anhang Nr. 15.
2) Boll, Mekl. Gesch. Bd. 2, S. 300.
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Daß die Herbeischaffung einer solchen Summe für das Amt die allergrößten Schwierigkeiten hatte, wird man gewahr, wenn man sich über den gewöhnlichen Stand ihrer Finanzen zu unterrichten sucht. Es liegt uns zwar nur eine einzige Amts=Rechnung vor, welche die Zeit vom 20. März 1721 bis 8. Februar 1723 umfaßt, doch dürfte dieselbe als typisch zu betrachten sein. In diesem Zeitraum von fast 2 Jahren betrugen die gesammten Einnahmen des Amts 61 Thlr. und 15 Schillinge, die Ausgaben 65 Thlr. 4 Schillinge und 6 Pfennige. Vermuthlich besaß das Amt außerdem einiges Vermögen. Wenigstens ist z. B. bis 1578 im Protokollbuch der Betrag einer Jahres=Rente von 4 Gulden nachgewiesen, welche der Rath für ihm geliehene 200 Mark Sund zahlte. Auch ein Privatmann steht mit einer Schuld von 100 Mark Sundisch, die er mit 2 Gulden jährlich zu verrenten hatte, in den Jahren 1569 - 1578 verzeichnet. Einmal machte das Amt (im Jahre 1603) sogar eine Erbschaft, indem eine Wittwe, vielleicht die Frau eines einstigen Genossen, ihm 100 Gulden Lübisch testamentarisch zugewiesen hatte. Die Summe wurde auf das Haus eines Amtsbruders, Michael Westfal, »bi dem water nedden in der grapengeter strate« eingetragen und mit 5 Prozent jährlich verzinst. Indeß weist das Protokollbuch aus späterer Zeit derartige Glücksfälle nicht mehr nach und es ist sehr zu fürchten, daß in der Bedrängniß des 30jährigen Krieges dieses kleine Vermögen aufgebraucht worden war, und während des 18. Jahrhunderts nur unvollkommen ersetzt wurde.

Abgesehen von diesen zufälligen Einnahmen war die Zunft angewiesen auf das sog. Stättegelt (Steydtegelt) der Meister, das jeder für seine Verkaufsstelle mit 2 Thlrn. zu entrichten hatte, die Gebühren für das Einschreiben der Lehrlinge. die Meister= und die Strafgelder. Daß in einem Amte von durchschnittlich 5 Meistern aus diesen Quellen für gewöhnlich keine großen Einnahmen zu verzeichnen waren, liegt auf der Hand. In dem genannten Rechnungsjahr war der Betrag höher als sonst gewesen, weil ein Amtsbruder eine Strafe von 20 Rthlrn. zu begleichen gehabt hatte.

Die Ausgaben der Zunft erstreckten sich einmal auf jährliche Bezahlung des sog. Rollgeldes, d. h. der Summe, welche das Gewett dafür empfing, daß es die Amtsrolle zur Verlesung brachte und die Aufrechterhaltung ihres Inhalts zu überwachen versprach. »Anno 1625, den 14. Januar« heißt es im Protokollbuch »des Amptes Rulle vor den geweddeherren verlesen unde confirmeret Ein erbar ampt darby tho beschutten im nahmen erbarn hochwisen rades sich vorpflichtet unde angelavet«. Diese

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Vorlesung kostete dem Amte ursprünglich jährlich 2 Gulden 14 Schillinge, in welchen Betrag sich der Gewettsherr, der Secretär und der Diener theilten. Zehn Jahre später findet man den Betrag auf 5 Gulden und 12 Schillinge erhöht, ohne daß ein Grund dafür angegeben werden kann. Im Protokollbuch heißt es darüber: »den 20. January 1625 heft Hartich Budeholt einen mitoldesten Frantz Kruding to sich forderen laten unde ehme dise 2 Fl. 14 Schill. wedder thogestellet unde hebben jederem weddeherren moten geven einen riksdaler, dem secretario einen halven riksdaler und dem dener twelf Lubs. schillinge, facit 5 Fl. 12 Schill.« In jener Amtsrechnung vom Jahre 1721 ist das Rollgeld mit 5 Thalern und 12 Schill. angesetzt. An die Verlesung der Rolle knüpfte sich ein Frühtrunk, der gleichfalls auf allgemeine Kosten veranstaltet zu sein scheint. Wenigstens ist einige Male dafür der Betrag von 2 bis 6 Gulden ins Protokollbuch eingetragen.

Eine weitere Ausgabe betraf die Morgensprachen, jene Versammlung der Amtsbrüder, die ein bis zwei Mal im Jahre stattfand und auf der alle gemeinsamen Angelegenheiten zur Sprache kamen, die Anmeldung zukünftiger Meister, die Rechenschaftsablegung des verflossenen Jahres, die Einschreibung neuer Lehrlinge u. s. w. Offenbar waren diese Zusammenkünfte mit gemeinsamen Mahlzeiten verknüpft. Die Kosten hierfür sind es wohl, die gelegentlich in den Jahren 1584 - 1627 im Protokollbuche nachgewiesen sind. Sie beliefen sich

Kosten

Angaben für die neuere Zeit fehlen.

Neben diesen Hauptposten gab es Unkosten für die Correspondenzen mit den benachbarten Städten, für die Abschrift von Privilegien, für die Gänge aufs Niedergericht, für die Abfassungen von »Conclusa und Decreta«, für Trink= und Bestellgelder an die

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Rathsdiener, für Honorare an die Rechtsgelehrten, deren Meinung in manchem Prozeß angesprochen wurde. Es scheint, daß diese Liebhaberei für gerichtliche Geltendmachung bestrittener Rechte dem Amte kein kleines Sümmchen kostete. Herr Professor Petersen liquidirte in den Jahren 1721/22 9 Thlr. 12 Schill. für Mitwirkung in einem Prozeß gegen den Goldschmied Schröder, der einen Eingriff in die Arbeitsgrenzen der Kannengießer gethan hatte. Hofrath Rönnberg, der im Jahre 1791 dafür sorgte, daß eine in Vergessenheit gerathene herzogliche Verordnung über die accisfreie Einfuhr von altem Zinn wieder in Kraft trat, 1 berechnete sich 7 Thlr. 7 Schill. (N2/3), nämlich 2 Thlr. Honorar für eine umständliche Conferenz mit dem Accise=Einnehmer und das Aufsetzen der Klage, den Rest für Porto, Abschriften u. dgl. m. Ein Prozeß mit den Brauern und Kaufleuten, die den Handwerkern das Recht zum Brauen eines Haustrunks und die Berechtigung zur Ausfuhr von Getreide streitig machten, am Anfang des vorigen Jahrhunderts, kostete dem Zinngießer=Amt auf seinen Theil die beträchtliche Summe von 104 Gulden. Man begreift es eigentlich nicht, wie das wenig zahlreiche Amt derartige Beträge, die mit dem ihm für gewöhnlich zur Verfügung stehenden Mittel nicht recht in Einklang standen, beschaffen konnte.

In seiner inneren Organisation bietet das Amt keine Abweichungen von dem gewöhnlichen Zuschnitte derartiger Korporationen und es hat daher kein Interesse bei ihren Einzelheiten zu verweilen. Ein Blick in die Rolle von 1482 belehrt uns, daß diese Zunft sich der gleichen Eigenthümlichkeiten erfreute und an denselben Uebelständen krankte wie alle anderen. Nur ein Punkt, der naturgemäß bei den einzelnen sich verschieden gestalten mußte und der zur Beurtheilung der Bedeutung der ganzen Zunftverfassung wichtig ist, sei hervorgehoben, nämlich die Bedingungen, unter welchen das Meisterrecht erworben werden konnte. Sie bestanden, abgesehen von der vorschriftsmäßigen Lehrlings =, Gesellen =, Wander= und der sog. Muthzeit (ein Ausdruck, der in Rostock nicht üblich gewesen zu sein scheint), d. h. einem ein=bis zweijährigen Dienst bei einem hiesigen Meister vor der Niederlassung, 1) in der Anfertigung eines Meisterstücks, 2) der Erlegung einer Geldsumme und 3) der Veranstaltung einer oder mehrerer Mahlzeiten. Doch ist hierbei zu unterscheiden zwischen denen, welche darum nachsuchten sich als Meister in Rostock niederlassen zu dürfen und


1) Anhang Nr. 14.
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denen, welche, obwohl in anderen Städten ansässig, dennoch Meister des Rostocker Amts werden wollten.

Nach einer Vereinbarung der Zinngießer=Aemter der Seestädte, deren Zeitpunkt sich nicht ermitteln läßt und die man auch bei anderen Aemtern findet, waren in unserem Handwerk einige Städte als Hauptort ausersehen. Dem in diesen bestehenden Amt schlossen sich die Meister der kleineren Städte an, ohne eine eigene Verbindung zu bilden. Bereits im Protokollbuche von 1597 sind unter dem Vermerk »wat wi van Rostock vor stede under uns tho strafen hebben« Malchin, Neubrandenburg, Friedland, Bützow und Teterow namhaft gemacht. Aus einer späteren Aufzeichnung erfährt man, daß zum Rostocker Amte die Zinngießer der Städte Güstrow, Plau, Malchin, Neubrandenburg, Wahren, Ribnitz, Bützow und Teterow gehörten. Ueber die Vertheilung der kleineren Städte unter die größeren scheint es dabei mitunter Streitigkeiten gesetzt zu haben. So werden die Schweriner Zinngießer ursprünglich nach Wismar, später nach Lübeck gewiesen, und noch im Jahre 1814 regelte eine großherzogliche Verordnung die Zugehörigkeit der kleineren Landstädte zu den Zinngießer=Aemtern in Güstrow, Schwerin u. s. w. Man nannte derartige Meister zuerst die »gestraften«, später die »incorporirten«. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts finden sich im Protokollbuche zwei Zinngießer aus Neubrandenburg genannt, die sich auf diese Weise von dem Amte in Rostock strafen ließen. Ich weiß den Ausdruck nicht besser zu erklären, als daß diese Meister sich der Jurisdiction der Rostocker, d. h. der etwa über sie zu verhängenden Strafen, unterwarfen. Solche Meister gab es nicht wenig: im Jahre 1721 beispielsweise 11. War ein derartiger Meister aufgenommen, so wurden die anderen verbündeten Städte davon in Kenntniß gesetzt. In der Lade der Rostocker Zinngießer finden sich mehrere derartige Briefe aus Lübeck, Wismar u. s. w., sowie Formulare für die jedesmal gleichlautenden, in solchen Fällen aufzusetzenden Anzeigen. Diese incorporirten Meister wurden, wenn ihre Papiere in Ordnung waren, ohne weiteres aufgenommen und hatten nur eine Geldgebühr zu entrichten, die im 17. Jahrhundert 8 Thlr. betrug, im vorigen auf 12 Thlr. sowie 40 Schillinge für das Aufgebot des Amts und die Ausstellung des Meisterbriefs erhöht wurde.

Was nun die Rostocker Meister anlangt, so interessirt uns von den ihnen auferlegten Bedingungen namentlich das Meisterstück. Die Rolle von 1482 sieht die Anfertigung eines solchen auf der Werkstube des Aeltermanns im 9. Artikel vor, giebt aber

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nicht an, worin es bestehen solle, sondern verlangt nur, daß drei Stücke gegossen werden sollen. Wie es scheint, waren dieselben nie fest bestimmt, sondern ihre Wahl dem Bewerber überlassen. Nach den Einträgen im Protokollbuch über die von den einzelnen Meistern seit dem Jahre 1701 angefertigten Stücke wechselten in bunter Reihenfolge Waschgefäße, Schüsseln, große Schalen, Weinkannen, halbstöfige Kannen, Bettpotte, Gelachskannen, Willkommen, Terrinen mit und ohne Deckel, u. a. m., je nach der Neigung und Geschicklichkeit des Kandidaten, mit einander ab. Eine hierbei namhaft gemachte »Volcks - Schahle«, im Gewichte von 5 bezw. 6 Pfund, weiß ich nicht zu deuten.

Die Formen zu seinen Güssen mußte der angehende Meister selbst herstellen. Sie wurden wohl meist aus weichem Sandstein gedreht, den der Steinmetz vorher nach Anweisung des Zinngießers bearbeiten mußte. Es kam darauf an, schon bei Verfertigung dieser Formen Geschicklichkeit zu beweisen. Messingformen, die wegen ihrer Dauerhaftigkeit vor allen den Vorzug verdienen, wurden in Rostock erst spät gebräuchlich und waren der größeren Kosten wegen wohl nie allgemein verbreitet. Nach einer Angabe in Sprengels Handwerken und Künsten (aus dem vorigen Jahrhundert) 1 ) konnte ein angehender Zinngießer, wenn er Messingformen anschaffen wollte, leicht dafür 2000 Rthlr. ausgeben. Dieser Aufwand nöthigte in größeren Städten die Zinngießer häufig zum gemeinschaftlichen Ankauf dieser Formen; in den kleineren Städten bedienten sich die Handwerker der steineren. Als im Jahre 1880 das Rostocker Amt sich auflöste, waren unter 21 Formen, die in seinem Besitze waren, nur 4 aus Messing - sämmtlich zur Anfertigung von Hähnen bestimmt - und 2 aus Gußeisen, alle übrigen aus Stein.

Das fertig gegossene Stück mußte, ehe es die Werkstätte verließ, mit dem »r« als dem Stadtzeichen und dem Handwerkszeichen des Erzeugers versehen werden. Das letztere findet sich in der Regel zwei Mal angebracht, vielleicht um für den Fall, daß die eine Marke sich verwischen sollte, aus der anderen den Meister in Erfahrung bringen zu können.

Ueber das zur Verwendung kommende Rohmaterial gab es im Statut keine eingehenden Vorschriften. Die älteste Rolle verlangte nur (Art. 2), daß Flaschen und Kannen aus so gutem Zinn gegossen werden sollten, wie es in den Seestädten gebraucht werde


1) Bd. 4, S. 99.
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und der Entwurf von 1773 1 ) schreibt vor, daß probemäßiges englisches Zinn oder Mankgut benutzt werde, übrigens auch schlechteres Zinn zur Verwendung kommen könne. Ueber das Maaß des erlaubten Bleizusatzes verlautet nichts. Im 14. Jahrhundert war die Feststellung der zur Anfertigung der Zinngefäße bestimmten Mischung von Zinn und Blei der Gegenstand mehrfacher Verhandlungen auf dem Hansetage. 2 ) Die Handwerker behaupteten, ohne die Beimischung von Blei das Zinn nicht mit Erfolg bearbeiten zu können. Ueberdies war Blei wohlfeiler als Zinn. Es lag daher nahe, daß mit dem Zusatz Mißbrauch getrieben wurde, und dem wollten die Obrigkeiten entgegenarbeiten. Man einigte sich auf der Versammlung von Stralsund im Jahre 1376, nachdem mehrere fruchtlose Besprechungen vorausgegangen waren, dahin, daß bei Kannen eine Mischung von drei Theilen Zinn und einem Theil Blei zu Grunde gelegt werden mußte, Standen, Flaschen, Schüsseln, Salzgefäße u. dgl. m. aber aus reinem Zinn gegossen werden sollten. Nach Sprengel 3 ) benutzte der Zinngießer des vorigen Jahrhunderts sein Metall überhaupt nie unvermischt, sondern jederzeit unter Zusatz eines andern Metalles oder Halbmetalles. Verarbeitet wurde in Rostock offenbar vorzugsweise englisches Zinn, dessen Transport zur See bequemer und billiger gewesen sein dürfte als der des böhmischen oder sächsischen Zinns. Ostindisches Zinn spielt erst seit dem vorigen Jahrhundert eine Rolle im Handel, doch war es bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts in Europa bekannt. 4 ) Australisches Zinn 5 ) ist wohl überhaupt erst in der Mitte unseres Jahrhunderts zur Geltung gekommen. Ueber die Bezugsquellen der Rostocker Zinngießer läßt sich zur Zeit nichts mittheilen.

Mit der Anfertigung des Meisterstücks allein war es nicht gethan. Eine Geld=Abgabe an das Amt und die Aelterleute kam hinzu. Die letztere Summe repräsentirte gleichsam eine Entschädigung für die Unbequemlichkeit, welche der angehende Meister dem Aeltermann verursachte, indem er in dessen Werkstätte arbeitete. Wie groß diese Summe im 15. Jahrhundert war, läßt sich leider nicht angeben, da die Rolle nur verfügt, daß der Betreffende thun soll »den oldirluden unde ampte, wes en na older lovelker wonheyt


1) Anhang Nr. 11, Art. 2.
2) Vergl. dazu m. Aufsatz in "Hansische Geschichtsblätter" a. a. O.
3) A. a. O. Bd. 4, S. 72.
4) Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen Bd. 4, S. 379.
5) Seubert, Handbuch der allgemeinen Waarenkunde S. 56.
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behort.« 1 ) Sie forderte übrigens den Nachweis eines Vermögens von 30 Mark und einen Betrag von einer Mark als sog. "Harnischgeld", d. h. zur Bestreitung der Unkosten, welche die kriegerische Ausrüstung einiger Genossen, die das Amt auf sich zu nehmen hatte, verursachte. Auch über die Höhe des im 16. Jahrhundert gezahlten Betrages kann man sich eine klare Vorstellung nicht entwerfen. Im Protokollbuch von 1575 heißt es, daß den Aelterleuten bei der ersten Einreichung des Gesuches um Zulassung zur Meisterschaft 4 Schillinge zu zahlen waren. Dieser Summe folgten, wenn das Meisterstück angefertigt worden war, 4 Mark Harnischgeld, 6 Gulden »vor dat stovenlach« (eine Abgabe, die wie es scheint, bei der Verheirathung zu zahlen war) und 12 Gulden für die Amtsköste, wobei sich nicht feststellen läßt, ob dieser letztere Betrag statt der Mahlzeit gezahlt wurde oder mit ihm das Essen angerichtet werden sollte. Im 17. Jahrhundert mußten 38 Gulden und 16 Schillinge entrichtet werden, nämlich 1 Gulden 8 Schillinge beim ersten Gesuch »weil das ambt darumb zusamenkumbt«, 2 Gulden jedem Aeltesten, deren das Amt zwei hatte und 33 Gulden 8 Schilling in die Amtskasse. Eine Erhöhung erfahren diese Beträge jeweilig dadurch, daß für nicht in Ordnung befindliche Papiere, für ein nicht zu voller Zufriedenheit ausfallendes Meisterstück u. s. w. Strafgelder gezahlt werden mußten. Dem entsprechend kostete einigen Meistern am Ende des 17. Jahrhunderts die Niederlassung 46, bezw. 52 Gulden.

Diese Summe wurde im vorigen Jahrhundert auf 35 Thlr. und 40 Schill. umgerechnet, nämlich 24 Schillinge für das Aufgebot des Amts, jedem Aeltesten 1 Thlr. und 33 Thlr. 16 Schill. in die Amtslade. Später scheint der Betrag auf 40 Rthlr. erhöht worden zu sein. Wenigstens antworten, als im Jahre 1813 ein herzogliches Rescript vom 4. März die Kosten des Meisterwerdens bei den einzelnen Gewerben festzuhalten wünscht, die Zinngießer am 26. April, wie folgt:

1) Dafür, daß ein angehender Meister sein Meisterstück in dem Hause des Aeltesten machen muß, dieser ihm seine Werkstatt, seine Geräthschaften zur Verfertigung des Meisterstücks liefert, muß derselbe an den Aeltesten bezahlen Rthlr. 6.

2) Bey dem Gutbefinden des verfertigten Meisterstücks muß derselbe die Hälfte des zu erlegenden Quantums von 34 Rthlr. N 2/3, nämlich 17 Rthlr. sogleich an die Amtskasse erlegen, die andere Hälfte aber jährlich mit 2 Rthlr. abtragen.


1) Anhang Nr. 1, Art. 9.
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Es ist nun ganz charakteristisch, daß diese Summen fast nie vollständig auf ein Mal von den angehenden Meistern bezahlt werden können. In den meisten Fällen überstiegen sie vermuthlich die materielle Leistungsfähigkeit der Betreffenden. Eine geringfügige Summe wurde gleichsam als Abschlagszahlung in der Lade niedergelegt und der Rest als Schuld betrachtet, die jährlich zu verzinsen und in kleineren Raten zu tilgen war. Jahre vergingen darüber, bis der Einzelne seinen Verpflichtungen genügt hatte und mancher starb hinweg, ohne daß ihm dieses gelungen war, so daß das Amt sich, wie in einem gegebenen Falle, an den vom Verstorbenen hinterlassenen Formen schadlos zu halten suchen mußte. Dabei war dieser Meister nicht etwa eines frühzeitigen Todes verblichen. Im Jahre 1687 Meister geworden, starb er 1722 und hatte demnach in 35 Jahren nicht die Summe von 33 Gulden abzutragen vermocht. Seit 1673 bis zum Jahre 1791, in welcher Zeit 23 Meister neu aufgenommen wurden, findet sich nicht ein einziger, der seinen Geldbetrag sofort baar entrichtet hätte. Vielmehr dauerte es, abgesehen von einem Meister, der schon nach 2 Jahren das Fehlende hatte beibringen können, in den günstigen Fällen 7 - 8 Jahre, in den weniger günstigen 12 - 17 Jahre und in den ungünstigsten 22 - 25 Jahre, bis alle Ansprüche des Amts befriedigt waren. Seitens des Amts war man auf diese Säumigkeit vollständig eingerichtet und scheint auch nicht das geringste Bedenken darin gefunden zu haben, wie der zweite Absatz der Antwort auf das herzogliche Rescript von 1813 beweist. Doch mag diese langwierige Verschleppung nicht immer Allen nach Wunsch gewesen sein. Wenigstens sieht der Entwurf von 1773 vor, daß die Hälfte der vorschriftsmäßigen Summe, also 16 Thlr. und 32 Schill, von vornherein baar entrichtet werden müsse und nur ein ebenso großer Rest gestundet werden könne.

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß in diesen hochgeschraubten Geldforderungen ein Hauptgrund für das Elend lag, in welchem das deutsche Handwerk seit dem 30jährigen Kriege schmachtete. Was hier von den Zinngießern genauer nachgewiesen werden kann, stellte sich in den anderen Gewerben durchaus nicht besser. Ueberall waren, um vom Eintritt in das Amt abzuschrecken, die Gebühren im Laufe der Jahre stark erhöht worden; die Klage darüber ist eine allgemeine. Wenn nun der mittellose Handwerker sein Geschäft, zu dessen erster Einrichtung er doch auch des Kapitals bedurfte, schon mit Schulden begann, so kann man sich denken, wie sehr ihm sein Vorwärtskommen erschwert war. Sich dem Amte zu entziehen, konnte er aber nicht wagen, weil er als Freimeister, von allen verfolgt

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und zurückgestoßen, ganz sicher eine kärgliche Existenz fristete, während er als Amtsgenosse, wenn das Glück ihm hold war, mehr verdienen zu können hoffen durfte. Darnach zu urtheilen, daß die Abtragung der Restzahlung so lange Zeit beanspruchte, müssen freilich solche Hoffnungen unserer Rostocker Zinngießer oft getäuscht worden sein.

Zu diesen Geldabgaben kamen schließlich noch die Unkosten für die zu veranstaltenden Mahlzeiten, die sog. Meister=Essen. Auf diese scheinen die meklenburgischen Gewerbetreibenden von jeher großes Gewicht gelegt zu haben, ließen sich wohl auch manche Uebertreibung zu Schulden kommen. Denn schon die ältesten Landespolizei=Ordnungen des 16. Jahrhunderts eifern gegen das Uebermaaß bei der Veranstaltung dieser »Kösten«. Das Protokollbuch von 1575 hat uns einen culturhistorisch nicht uninteressanten Speisezettel aufbewahrt, der bei Gelegenheit der Erlangung der Meisterschaft eingehalten zu werden pflegte. Er lautet:

"Hernach volget watt man vor gerichte spyset up datt vorbenomede ampt.

Thom ersten spiset he den olderluden und olderfrowens eine schincken unde droge flesch und grapenbrade myth mandelen unde rosinen und ein richte Honern myth bygot 1 ) und eine brade; darna botter unde kese.

Thom andern deith he de meisterkost und hefft dat gantze ampt, unde spiseth ehn alßden grapenbrad myth mandelen unde rosinen, darna lahmsfleisch, darna ryeß, darna braden und gebraden honer, darby entlichenn botter unde kese, und op den avendt even desulve gerichte und ein gericht heketh 2 ) darbeneven.

Thom dridden deith he den wynkosth, wen idt den olderluden geleveth, und spiset ehne grapenbrade myth mandelen unde rosinen, darna honer myth bygoet, darna lamfleisch, darna wyenmoeß, darna Lammesbraden myth gebraden honern, suletzt botter unde keeß, und schencket clareth 3 ) unde wyen; up dat afent en gerychte heket. 2 )"

Diese vielleicht weniger an sich schwelgerischen aber die Mittel unserer Handwerker in der Regel wohl übersteigenden Mahlzeiten wurden am Ende des 16. Jahrhunderts durch landesherrliche Verordnung eingeschränkt. In dem Güstrowschen Erbvertrag von 1585 wurde den Handwerkern die Abhaltung solcher Festlichkeiten bei Strafe von 50 Thlrn. ganz verboten. Statt der "Ambtsköste" sollte ein junger Amtsbruder jedem Aeltermann 1 Gulden, der


1) Sauce.
2) Hecht.
3) Würzwein.
2) Hecht.
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Amtsbüchse 10 Gulden und ebensoviel zum Ankauf von Silbergeschirr geben. 1 ) Obwohl nun diese Verfügung den Gewerbetreibenden sämmtlich mitgetheilt wurde, indem man sie den Rollen der einzelnen Aemter als Zusatz anfügte, scheint ihr Erfolg doch nur ein unbedeutender gewesen zu sein. Man nahm seit der Zeit von dem jungen Meister Geld (das ursprünglich als Abfindung für die Mahlzeit gedacht war), erhöhte diesen Betrag sogar allmählich und ließ ihn die "Köste" trotzdem veranstalten. Das einzige, wozu man sich bequemte, war größere Sparsamkeit in der Anordnung des Essens, wozu indeß vielleicht auch die Noth drängte. Die »Punctationes« 2 ) sprachen von einem Meister=Essen, das aus Braten, Fisch (Hecht oder Lachs), Käse und Butter, einer Kanne Rheinwein und Bier nach Bedarf bestand, und der Entwurf von 1773 3 ) sieht sogar die Möglichkeit vor, daß wegen der Mahlzeit "ein Billiges mit dem Amte accordiret werde".

Läßt die ganze Behandlung und Auffassung der Erlangung des Meisterrechts erkennen, daß mit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch die Blüthezeit des Zunftwesens ihr Ende erreicht hat, so tritt bei einer anderen Erscheinung gleichfalls hervor, daß es mit demselben bergab geht, nämlich bei den Streitigkeiten um die Arbeitsgrenzen. In weiterschreitender Arbeitstheilung waren Handwerker, die ursprünglich zu einem Amt gehört hatten, von einander getrennt worden und bildeten selbständige Korporationen. Diesen mußten nun von Obrigkeitswegen die Grenzen ihrer Thätigkeit genau gezogen werden. Was dem einen Amte erlaubt war, mußte dem andern verboten sein. Dies hatte von vornherein, wie leicht erklärlich, Anlaß zu Unzufriedenheit unter den Betheiligten gegeben. Bis ins 14. Jahrhundert reichen die Nachrichten über derartige Zunfthändel zurück. 4 ) In dem Maaße nun, als die Erwerbsgelegenheit stockte, als es den Mitgliedern der einzelnen Aemter schwer wurde, den nöthigen Lebensunterhalt zu verdienen, mehrten sich die Uebergriffe und die Klagen darüber. Man fragte nicht mehr, ob die Leistung, die verlangt wurde, zu liefern in der Rolle erlaubt war, oder ob sie eigentlich in einen andern Arbeitsbezirk fiel, man griff zu und war froh, überhaupt Beschäftigung zu finden. Bei den zur Vornahme der betreffenden Arbeit privilegirten Meistern erregte solches Vorgehen selbstverständlich böses Blut und


1) Anhang Nr. 3.
2) Anhang Nr. 9, Art. 13.
3) Anhang Nr. 11, Art. 7.
4) Vergl. m. Aufsatz "Zunfthändel im 16. Jahrhundert" in Maurenbrechers "Historisches Taschenbuch". Jahrgang 1885.
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nicht immer konnten sie sich dadurch helfen, daß sie ihrerseits Eingriffe in die Vorrechte anderer Aemter sich gestatteten. Die Beschwerden über Beeinträchtigung des Arbeitsgebietes rissen im vorigen Jahrhundert nicht ab und als erst die Fabriken in größerer Zahl entstanden, wurde der Jammer noch stärker. Die Handwerker kämpften einen aussichtslosen Kampf, wenn sie auf die Einhaltung des ihnen zugewiesenen Arbeitskreises pochten; aber sie waren unermüdlich darin und wurden es selbst nicht gewahr, daß sie damit eigenhändig einen Nagel mehr in den Sarg, der die alte Amtsherrlichkeit aufzunehmen bestimmt war, schlugen.

Die Kannen= und Grapengießer geriethen, wie bereits erwähnt, nur zu leicht in Konflict mit den Rothgießern. Unseren Rostockern wird daher in der Rolle von 1482 zugesichert, daß kein Apengeter oder Ketelböter (Kesselflicker) irgend eines ihrer Fabrikate stückweise verkaufen oder in das Fenster seines Hauses, d. h. zum Verkauf anbieten, setzen dürfe »deme vorgescreven ampte to vorfange«. Aber nicht nur gegen andere Gewerbetreibende, auch gegen andere Bürger, d. h. offenbar gegen Kaufleute, die mit den Erzeugnissen der Grapen= und Kannengießer Handel zu treiben wünschten, wurden die letzteren in Schutz genommen. Mehrere Artikel (§§. 15 - 18) schreiben vor, daß Bürger mit rothen und weißen Kesseln, mit Becken, selbst mit dem Rohstoff, Stahl und Eisen, keinen Detailhandel treiben sollten.

Wie diese Bestimmungen während des 16. Jahrhunderts gehandhabt wurden, ist nicht bekannt. Aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts haben wir ein sicheres Anzeichen, daß die Handwerker ängstlich auf ihre Ausführung gewacht haben werden. Wenigstens lassen sich die Zinngießer im Jahre 1625 von einem Kupferschmied dafür, daß er während des Pfingstmarktes seine Verkaufsstätte unter den ihrigen aufschlagen darf, eine Entschädigung von einem Gulden bezahlen. 1 ) Der Pfingstmarkt war unseren Gewerbetreibenden überhaupt nicht angenehm. Für die Dauer desselben waren alle Privilegien aufgehoben und auf diese Weise erwuchs ihnen eine empfindliche Concurrenz. Diese abzuschwächen, erwirkten sie im Jahre 1718 das Verbot für die Löffelgießer, mit ihren Waaren während des Pfingstmarktes in der Stadt zu hausieren. Dieselben durften mit ihren Erzeugnissen nur ausstehen. Später, in den Jahren 1767 und 1768 suchten sie darum nach, daß der Verkauf von auswärts zubereitetem und verarbeitetem Zinn auf dem Pfingstmarkte nicht erlaubt sein sollte. Doch dürfte


1) Anhang Nr. 4.
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der Rath hierauf kaum eingegangen sein. Eine Antwort auf diese Eingabe ist in den Akten nicht vorhanden.

Einen Goldschmied verklagte das Zinngießer=Amt im Jahre 1728 vor dem Wettgericht, weil derselbe zinnerne Arbeit mache »in Zieraht, in Schildern, an Särgen und sonsten«. Insbesondere die Anfertigung von Zinnsärgen, die er wiederholt vorgenommen hatte, zuletzt für einen verstorbenen Schwedischen Bürgermeister, verdroß, wohl wegen des ansehnlichen Gewinnes, der hierbei erzielt worden war. Der Goldschmied erwiderte, daß kein Zinngießer so wohlfeil arbeite, wie er, daß keiner an Geschicklichkeit es ihm gleich thue und solche verlangte feine Arbeit zu liefern im Stande sei, endlich daß durch seine Thätigkeit verschiedene Einwohner in der Stadt Vortheile zögen. Ob der Rath sich durch diese Argumentation bewegen ließ, dem Goldschmied die Fortsetzung seiner Arbeit zu gestatten oder den Zinngießern Recht gab, ist unbekannt.

Mit einigen angesehenen Kaufleuten kamen die Zinngießer im Jahre 1768 aneinander. Diese nämlich ließen englische Zinnfabrikate kommen und kündigten den Verkauf derselben in den öffentlichen Blättern an. Einer von ihnen verkaufte auch irdene Krüge mit zinnernen Deckeln und Füßen. Auch ein Gelbgießer gab Veranlassung zur Beschwerde, weil er zinnerne Patronen zu Sargbeschlägen angefertigt hatte. Mit dem Hinweis auf die Verfügung in der Rolle von 1482, 1 ) daß kein Rothgießer oder Kesselflicker Zinnwerk Stückweise verkaufen oder ins Schaufenster setzen dürfe, glaubten sie eine Eingabe an den Rath, in welcher sie baten jenen solchen Handel zu verbieten, stützen zu können. Die Kaufleute vertheidigten sich damit, daß die Rostocker Meister, weil sie keine messingene Formen besäßen, nicht so gute Erzeugnisse wie die englischen liefern könnten. Im Uebrigen dürfte ein Kaufmann mit allen Waaren so lange Handlung treiben "biß daß derjenige, welcher ihm in Ansehung einer gewissen Species, Contradiction machet, ein ihm dieserhalb zustehendes jus prohibendi dargethan und erwiesen habe". Dieses »jus prohibendi« könnte das Amt aus seiner Rolle augenscheinlich nicht erweisen.

Hierbei wird es sein Bewenden gehabt haben und den Kaufleuten der Handel unverwehrt geblieben sein, denn in den »Gravamina« der Zinngießer vom Jahre 1773 spielt die Klage über Beeinträchtigung durch die Kaufmannschaft noch immer eine große Rolle. Dieselbe begnügte sich nicht damit, die englischen Erzeugnisse in ihren Läden zu verkaufen, einzelne Mitglieder derselben schickten


1) Art. 19.
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- horribile dictu - selbst alte Weiber mit Löffeln hausieren. Es kann damals, nach dieser Beschwerde zu urtheilen, mit den Rostocker Zinngießern nicht zum Besten ausgesehen haben. Die Einheimischen ließen aus nicht näher bekannten Ursachen viel in Wismar und in Lübeck arbeiten. Selbst die Hagel=Fabrikation, mit der die Zinngießer sich gleichfalls befaßten, war eingegangen. »Wo hierin nicht baldt ein. Wandel geschicht«, so schließen die »Gravamina«, »dass entweder eine schwere Accise darauf geleget oder durch sonstige Mittel uns geholffen werde, so wirdt unser Ampt in kurtzen ausgehen müssen.«

Man darf diese Bestrebungen, sich den bisherigen Absatzkreis ungeschmälert zu erhalten, den Zinngießern nicht übel deuten. Seit Anfang des Jahrhunderts ging es augenscheinlich mit dem Gewerbe rückwärts. Der Absatz stockte und speculirende Köpfe waren bereits auf den Gedanken gekommen, auf den Jahrmärkten das sonst unverkäufliche Zinngeschirr mit Würfeln ausspielen zu lassen. Das Verbot, für Kaufleute zu arbeiten, die mit Neu=Zinn handeln, hatte der Receß von 1710 schon ausgesprochen, sowie damals auch daran festgehalten wurde, daß man den herumziehenden Kesselträgern keine Zinnsachen verkaufen sollte, um die Absatzmöglichkeit nicht noch mehr einzuschränken. Bei derartigen Zuständen werden die Kämpfe unserer Rostocker Zinngießer erklärlich.

An einen Verzicht auf ihre Privilegien dachten die Zinngießer weniger als je und noch im Jahre 1854, nachdem kurz vorher ein Klempner, der verschiedene Gußwaaren, wie zinnerne Knöpfe, Senkblei u. dgl. m. angefertigt hatte, verklagt worden war, mußte das Gewett auf Antrag des Zinngießer=Amts bekannt machen, daß "demselben das ausschließliche Recht auf die Anfertigung und den Verkauf zinnerner und bleierner Gußwaaren, soweit nicht in der Amtsrolle Beschränkungen enthalten und andere Innungen oder Concessionisten gleichberechtigt sind, zusteht."

Die Landesregierung hatte für die Nothlage unserer Handwerker stets ein williges Ohr. Im Jahre 1710 hatte Herzog Friedrich Wilhelm alle fremden Zinngießer, die im Lande herum vagiren und mit Gieß= und Verfertigung allerhand Zinnengeschirres den Einheimischen ihr Brod und Nahrung entwenden, aus dem Lande entfernt. 1 ) Herzog Friedrich begünstigte die Zinngießer, indem er ihnen durch Decret vom 3. Octbr. 1776 2 ) zugestand, altes Zinn accisefrei in Rostock einzuführen. Auf diese Weise konnten


1) Gesetzsamml. f. d. Mekl.=Schwer. Lande, Bd. 5, Nr. 1450.
2) Anhang Nr. 12, 13.
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die Rostocker Meister altes Zinn auf dem Lande aufkaufen oder sich alte Stücke zum Umguß auf Bestellung schicken lassen, sahen also ihren Kundenkreis erweitert. Später scheint diese Verfügung in Vergessenheit gerathen zu sein. Aber es bedurfte nur einer Beschwerde des Amts, um Herzog Friedrich Franz I. zu veranlassen, durch Decret vom 31. August 1791 die Accise=Freiheit für altes Zinn, aber wohlverstanden nur für die Zinngießer, aufrecht zu erhalten. 1 )

Achteten die Amtsgenossen darauf, daß ihre Privilegien nach außen hin keine Beschneidung erfuhren, so wachten sie gleichzeitig nicht minder über die Aufrechterhaltung der Statuten im Innern. Uebertretungen derselben wurden verfolgt und wenn hierbei mitunter Neid und Mißgunst im Spiel zu sein schienen, so hatte diese Strenge nach einer anderen Richtung wieder etwas unleugbar Gutes. Einige Beispiele mögen das zum Schluß erweisen. So wurde im Jahre 1597 ein Meister zur Verantwortung gezogen, weil er auf einem "Junckerhofe" statt in seiner Werkstätte gearbeitet hatte, d. h. daß er statt die Bestellung des Adeligen zu Hause zu erledigen, auf dessen Gut sich begeben hatte, was sich wohl mit der Meisterwürde nicht vertrug. Viel Verdruß hatten unsere Kannengießer im Jahre 1672. Ein angehender Meister, der allen Anforderungen sonst zu entsprechen in der Lage war, weigerte sich, die ihm herkömmlich zugedachte Meisterstochter zu heirathen. Das Amt wollte ihn deshalb nicht zur Meisterwürde zulassen, Michel Voß - so hieß der Mann - wußte aber den Rath für sich zu gewinnen und dieser machte dem Sträuben der Handwerker gegenüber kurzen Prozeß. Er nahm dem Amte seine Lade, sein Petschaft und seine Rolle weg. Trotzdem gab dieses zunächst nicht nach und es vergingen einige Jahre, bis es einem Amtsgenossen, der den Widerspruch des Michel Voß für völlig angemessen hielt, gelang, das Amt zum Nachgeben zu bewegen. Michel Voß erklärte sich bereit, die mittlerweile in der Streitsache aufgelaufenen Gerichtskosten zu tragen. Ins Protokollbuch aber, in welchem der Fall ausführlich beschrieben wurde, trug man ein, daß dasselbe nicht als Präjudiz für die Zukunft angesehen werden solle. Den Meisterstöchtern blieben ihre Aussichten ungeschmälert!

Einen besseren Eindruck machen zwei andere Klagesachen, die eine aus dem 17., die andere aus dem 18. Jahrhundert, weil sie


1) Anhang Nr. 14.
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Zeugniß davon ablegen, daß der Begriff der alten Handwerksehre, die auf untadelige sorgfältige Arbeit achtete, in unsern Zinngießern nie unterging. Es handelte sich in beiden Fällen um nicht probemäßiges Zinn. Im Jahre 1611 klagten die Aelterleute gegen Hans Meyer vor dem Gewette, weil er kein probehaltiges Zinn verarbeite. So oft sie bei ihm Umschau hielten, weise er nur gutes Zinn auf; wenn sie aber weg wären, fertige er nur "geringes guth" an. Schon vor 5 bis 6 Jahren deshalb zur Rede gestellt, entschuldigte sich Meyer damit, daß er längere Zeit außerhalb des Hauses beschäftigt gewesen sei und seine Werkstätte nicht habe beaufsichtigen können. Er versprach, daß schlechte Arbeit aus derselben nicht mehr hervorgehen sollte. Aber er hielt das Versprechen nicht und bald lagen neue Stücke vor, die ihn abermals der Fälschung ziehen. Da man das entdeckte, änderte man seinen Stempel und setzte dem »r« »zwei Punctlein dabey, auff dass sie dasjenige guth, so darunter gemacht, van vorigen seinem gemachten Zeuge unterscheiden möchten«. Der hartnäckige Meyer aber feilte das eine "Tüttelken" flugs wieder ab, wurde natürlich bald darüber ertappt und nun vor das Gewett gebracht. Hier vertheidigte er sich abermals damit, daß das nicht probemäßige Zinn ohne sein Wissen in seiner Werkstätte gegossen sei. Das »ein pünctlein bey seiner marcke« aber habe er abgeschafft »weil es ihm ein gross schimpff und verkleinerung gewesen«. Das Gericht ließ sich durch diese Einwände nicht irre machen, sondern verurtheilte ihn zu einer Geldstrafe. Im Stempel aber behielt das »r« allerdings nur den einen Punkt.

Ein ähnlicher Fall spielte mehr als 100 Jahre später. Im Jahre 1718 wurde Meister Jochim Voß belangt, weil er viele Stücke angefertigt hatte die nicht mit der rechten Probe übereinstimmten. Auch er mußte seinen Stempel ändern und zu seinem Namen die Zahl 18 setzen, damit man unterscheiden könnte, was er vorher und nachher gemacht habe. Fände man ein mit dem neuen Stempel gezeichnetes Stück, das nicht die richtige Probe hielte, so drohte ihm Ausschluß aus dem Amte. Außerdem mußte sich Jochim Voss zur Deckung aller Gerichtskosten verstehen und verpflichten, alle seine schlechten Stücke, falls sie ihm präsentirt würden, unentgeltlich umzugießen, ja sogar 40 Gulden in der Amtskasse deponiren, damit auch nach seinem Tode das aus seiner Werkstatt stammende falsche Zinn verbessert werden könnte. Trotz dieser harten, wenn auch gerechten Strafe, verfiel Meister Voß nicht lange in den gleichen Fehler. Im Jahre 1723 steht er unter derselben Anklage vor dem Gewett. Seine Strafe bestand u. a. in einer

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neuen Veränderung seines Stempels, in dem man in der Mitte "zum Andenken einen großen Punkt" machte. Kannen mit diesem Stempel sind noch mehrfach in Rostock anzutreffen, z. B. in der Sammlung von Zinngeschirren des Museums Rostocker Alterthümer und auch im Privatbesitz.


Anhang. 1 )

1.

Rolle der Kannengießer und Grapengießer in Rostock.
1482, Mai 16.

Wytlick sy dat nha der bort Christi unses heren dusent verhundert dar nha yn deme twe unde achtentigesten yare umme trent unses heren hemelvart de ersamen manne heren borgermeistere unde ratmanne der stadt Rozstock deme almechtigen gode to love umme vorbeteringe wille dersulven erer stadt bestantnisse unde endracht des amptes der grapengeter unde kannegeter darsulves na ripeme rade unde wolbedachten můde hebben angherůmet, gůnd unde irlovet den olderluden unde gemenen broderen dessulven amptes alle puncte stucke unde artikele hyr na begrepen unde gescreven jedoch sich beholdende vulkammene macht sodane puncte


1) Der Abdruck der nachstehend mitgetheilten Stücke erfolgt getreu nach dem Original unter Befolgung der von Koppmann in den Hanse=Recessen, Bd. 1, aufgestellten Editions=Grundsätze für die ersten Stücke. Die jüngeren Stücke, von Nr. 4 an, sind mit allen Eigenthümlichkeiten der Original=Schreibweise wiedergegeben. Die Paragraphirung ist bei den Stücken, wo die Zahlen eingeklammert sind, vom Herausgeber hinzugefügt worden, Sämmtliche Stücke befinden sich im Rathsarchiv zu Rostock.
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stucke unde artikele na vorlope der tyt to corrigernde, to vorbeternde, to vormerende unde to vormynrende, zo vakene alze en dat duncket nutte sin unde van noden.

(1) Int irste myt den nyen grapen to ghetende, scholen unde wil wy dat holden alze dat unse nabere helden yn anderen bybelegen steden, alze mit namen to Lubeke, tor Wismer, tom Stralsunde etc., so dat nůgafftige grapengheten, dar de kopman unde andere vrame lude ane vorwart sindt; weme anders funde, dat scholen de olderlude vorkundigen den weddeheren, tor tyt wesende, den umme en sodans to straffende alze borlick yss.

(2) Item schal eyn yderman de kannen maken by sick unde vlasschen unde vathe schalme maken van gudeme tynne alzo men de maket yn andern guden steden by der ze belegen; wert dat sick yennich amptbroder hyrane vornickede unde de olderlude des amptes dat so by ene befunden, so schal he dat wedden deme rade dat stucke teyn schillinge, unde dat gud schal he wedder vorsmelten sunder yennigerleye insage edder geverde.

(3) Item welck man de van desseme vorgescreven ampte ketele koft van buten tho, de hyr yn de stadt gekamen sindt, de schal he beden ynt ampt, wat baven eynen syntener yss.

(4) Item welck kannengeter des vorgescreven amptes bynnen Rozstok kofft tyn effte blye, dat baven viff litzpunden unde myn iss, dat schal he delen yn dat ampt, weme dat ampt des nicht wil beloven, de schalt deme kopmanne vornůghen.

(5) Item welck grapengheter bynnen Rozstock kofft eyn halff schippund koppers, des schal he syneme nabere mede to hebbende nicht weygern, so verne de kopman kopman (!) mede vornughen kan.

(6) Item schal nemand des vorgescreven amptes deme anderen sine knechte entmeden, dewile dat ze yn sineme brode sind, sunder orloff eres meisters, we dar enbovene dede, de breckt deme rade dre mark sulvers.

(7) Item welck man effte meyster entpfenget enen leeryunghen an dat vorgescreven ampt, de schal den entpfanghen vor den olderluden dessulven amptes unde schal tughen, dat

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he echte unde rechte gebooren ys van guden Dudesschen luden unde schal gheven den olderluden zos Sundische schilling.

(8) Item stervet eyner vrouwen des vorgescreven amptes ere man aff, unde de man leth achter sick na synem dode enen sone, so mach ze des amptes vortahn brůken, men hefft ze nenen zone, so schal ze des amptes nicht lengher bruken wen yar unde dach, sunder willen des amptes unde broke des rades.

(9) Item welck man, de yn desseme vorscreven ampte sines sulves wil werden, de schal tovorne spreken myt den oldirluden unde denne mit eneme meystere synes amptes twe yar langk sunder myddel denen, so dat em de meyster, den he hefft gedenet, gutliken bedancke, unde schal maken dre stucke synes amptes uppe der oldirlude werckstede, de deme ampte nůghaftich sind, dar to schal he hebben 30 mark; ock schal he gheven ene mark to harnesche, don den oldirluden unde ampte, wes en na older lovelker wonheyt behort unde vorborghen deme ampte na to donde, alze olden hebben vorgehen gedan.

(10) Item wanner denne dat vorgescreven ampt van des radess wegen vorbadet wert, we denne mcht enkummet to klockentyt, de schal breken teyn schillinge Sundisch.

(11) Item wert dar ock we vorbadet van des amptes weghen, de nicht kummet to klockentyt, alze he vorbadet yss, de brecket enen witten; ghifft he den witten nicht uth, so mach me ene panden. Isset denne dat he de pande weygerde, dat schal he betern den weddeheren mit teyn schillingen Sundisch.

(12) Item ys beramet welckere de tom latesten yn dyt vorbenompde effte vorgescreven ampt kummet, de schal dat ampt, wen des ys to donde, vorbaden, beth so lange eyn anderer nye kummet, de ene darvon vorlosset.

(13) Item ys beramet, dat de ene des vorscreven amptes den anderen uthe syner waninge nicht schul hůren; ock schal de ene deme anderen syne koplude nicht entwennen edder entheen sunder brok des rades.

(14) Item efft yemende van dessen vorgescreven ampten yennich driftich gudt tor handt qweme, dar em ane mysduchte, dat schal he toven up enen warsaghen; mach he den

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nicht hebben, so schal me dat averantwerden den weddeheren up eyn recht.

(15) Item mach eyn yslick borgher kopen effte smeden laten ketele, zellende by schippunden effte halven schippunden efft vyf lytzpunden; wert, dat we darneddene zellede, dat ys deme ampte to na, unde de rath hefft dar broke ane. Ock schal me sodane ketele nicht up dat vinster setten edder to lande verkopen, men allene tor zewart.

(16) Item eyn iewelick borgher mach kopen witte ketel, rode ketele unde beckene, men he schal ze nicht myn wedder vorkopen wen by syntenern unde halven syntenern, by des rades broke. Ock schal he ze nicht uppe dat vinster setten edder to lande vorkopen men allene to der zewart.

(17) Item mach eyn yslik borgher kopen yssere by schocken unde mach dat wedder uthsellen by schocken, halven schocken unde by verden delen, alle wegheyseren nicht myn to vorkopende wen by schippunden unde verndelen, unde schal dat ock nicht upt vinsteren setten.

(18) Item eyn yewelck borgher mach kopen eggestael unde osemunt by vůllen vathen unde mach dat ock by vullen vaten wedder vorkopen unde schal ock den osemund by stucken nicht wedder utsellen men by viftigen, dat van oldinges ys geheten eyn hundert unde nicht myn, by dren marken zulvers, unde ock dat eggestal dergeliken. Ock schal me dat nicht uppet vinster setten.

(19) Item schal nen apengeter edder ketelboter yennigerleye werck by stuckentale vorkopen effte uppt vinster setten deme vorgescreven ampte to vorfange.

(20) Item nen man, frauwe, knecht edder yemandes anders under dessen vorgescrevenen ampte beslagen, schal den anderen beswaren mit yenigerleye rechte, he vorsoke unde vorvolge dat ersten vor den olderluden; wer dar baven deyt, de schal dat beteren den weddeheren unde an yewelcken olderman dre mark sulvers.

Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum. S. XXVI - XXVII.


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2.

Beschlüsse der Kannengießer=Aemter von Lübeck, Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam, Stettin, Bremen, Stade, Itzehoe, Kiel, Brandenburg und Schwerin gegen die Gesellen.

1573, März 30.

Abgedruckt Conrads Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 33, S. 336 - 339.


3.

Landesherrliche Verfügung über die Veranstaltung von Amts= und Aeltermanns=Kösten.

1585.

Anno 1585 im September ist mit diesem Ambte auff dem iüngst getroffenen Güstrowschen Erbvertrag dahin geschlossen, dass die Ambt und Aeltermanskoste solten gentzlich eingestellet sein; theten sie dawieder, solten sie der Stadt funffzig Thaler Straffe geben; es solte aber ein jungk Alterman an stat seiner Altermansköste dem Ambte geben eine thonne bieres und achte gülden in des Ambts büchse, und durchauss nichtes mehr womit beschwehret werden. Ein iungk Ambtbruder soll geben an stat der Ambtköste für's erste einem jeden der Aelterleute, wan er dass Amt eschet, einen gülden, dem Ambte eine thonne bier, in des Ambts büchse zehn gulden, davon dem Ambte und der Stad zu ehren ein thaler zu harnische soll gegeben werden und überdass noch zehen gülden zum

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silbern becher und nirgends womit mehr beschwehret werden, alles bey zuvor angedeuteter straffe, welche von demselben, so hiewieder zu handeln ursache gegeben, soll genommen werden.

(Als Zusatz zur Rolle von 1482 auf einer Abschrift derselben von 1678.)


4.

Bescheinigung über die Zahlung des Kupferschmieds Hans Garke an das Zinngießeramt zu Rostock für die Vergünstigung einen Platz unter ihren Verkaufsständen auf dem Pfingstmarkte einnehmen zu dürfen.

1625.

Anno 1625 den 17. Januarij gaf Hans Garken der kopperschmit unsem ampte 1 fl. darfor, dat ehme vorgunt wort van dem ambte, dat he sinen kram up unse steden den vorgangen pingstmarcket buwen mochte, soferne he achter da staen wil unde ein Erbar ampt eem solches wil vorlofen, modt he des amptes willen darfor maken.

Eintrag im 2. Protokollbuch, das im Jahre 1597 angefangen ist.


5.

Beschlüsse der Kannengießer=Aemter der wendischen Städte gegen die Gesellen.

1662, April 27.

In Gottes Nahmen Amen. Wissent sey hirmit allen den diese Schrifft vorkömpt insonderheit den Aeltisten und Meistern des Kannengiesser - Ambts. Unsere Liebe Ambtsbrüder und

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Ambtsverwandten, so itziger Zeit leben und könfftig zukommende, daz nachdehm vornemlich zu diesen itzigen bösen zeiten unter eins Ambts gesellen viel unlust wie auch viel Muthwillen täglich erwachset, damit nun diesen allen vorzukommen, also daz erstlich Gott gefürchtet, die Obrigkeit geehret, wie auch unser Löbliches Ambt in Ehren müge gehalten werden, damit wir in unser Vocation und Beruff uns mögen mit Gott und Ehren ernehren. Diesem nach sollen nachbeschriebene Meister folgende Puncte und Articulen bey angehengter Poene, wie hernach folget, und einhellig beliebet, zu halten verbunden sein, jedoch aber einer jeden Stadt Obrigkeit, Gerichtsgewalt und Herrlichkeit ohnverfenglich.

(1) Zum Ersten werden wir aus Gottes Wohrt vermahnet Gottes Reich und seine Gerechtigkeit erstlich zu suchen. Also sollen alle Meister ein gottsäliges Leben und Wandel führen und in allen Tugenden und guthen Exempeln ihren Gesellen und gesinde fürgehen, und darzu reitzen und anmahnen, wie solches einen Christlichen Haussvater wohl anstehet und zu thunde gebühret.

(2) Zum Andern welcher Gesell unsers Ambts Arbeit vollenkommen weis zu verrichten, soll sechs Schilling Lüb. Machelohn haben, darjegen die Bereder fünff Schilling, wofern er die verdienen kann.

(3) Zum Dritten soll kein Meister mehr als drei Gesellen halten und zwey Jungen, welche nach alten Gebrauch drey Jahr lernen sollen, komt aber ein Gesell wandern und wird von einem Meister angenommen, so soll der Meister einen andern Gesellen nach verlauff viertzehn Tagen wieder wandern lassen, wan auch einer von erwehnte zwey Jungens zwey Jahr hat gelernet, mach der Meister einen Jungen in den dritten Jahr zu lehren annehmen.

(4) Zum Vierten soll ein jeder Gesell des Montages Morgens zu fünff uhr auf der Werckstelle sein und arbeiten biss Neüne; und also die andern Tage nach alter Gewohnheit, aber des Donnerstages und Sonnabends zu Sechs Feyrabend haben, und wofern sie Montag machen, soll solches Ihnen abgerechnet werden. Wan dan vorfallen möchte, daz ein Meister einen Gesellen hierüber und sonsten andre Gebrechen halber vorklagen würde, so sollen die Aeltesten und die beyden Schaffers solches vertragen und straffen, auch von der Gesellen Straffe den Gesellen den dritten Pfennig zukommen lassen.

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(5) Ferner so ein Gesell von Einem Meister wandern würde ohn beweiss, soll er nicht gefodert werden, und soll solches beweiss mit des Ambts Pittschafft versiegelt werden.

(6) Ferner soll sich kein Gesell unterstehen in Kriegesleufften sich zu begeben, es geschehe dan zu behuff und Nothturfft der sechs Wendischen Städten oder sonsten der andern Ehrbaren Hänsestädte. Darzu ist es Ihnen erlaubet und frey gegeben. Würde sich aber ein Gesell unsers Ambtes bey frembde Heren und Fürsten in erwehnte Händel gebrauchen lassen, der soll seine Straffe nicht wissen, sondern nach erkantnus des Ambts in Straffe genommen werden.

(7) Ferner so soll ein Meister des andern seinen Gesellen nach alter gewohnheit und einhalt der Rollen nicht abspändig machen.

(8) Würde sich ein Gesell unterstehen Einen Meister unsers Ambts einen Jungen abspändig zu machen, imgleichen auch einen Gesellen aufzufodern, soll auf erkäntnus des Ambts Ernstlich gestraffet werden.

(9) Ferner sollen die Gesellen von keinen Gesellen mehr vor daz Tohr begleitet werden, als nur von einen, dehme soll es frey stehen; würde Jemand darwieder thun, soll vom Ambte gestraffet werden mit 1 mr. Lüb.

(10) Es soll auch kein Gesell macht haben, wan ein Gesell wandern komt von seines Meisters Werckstede aufzustehen, und mit demselbigen nach dem Kruge zu lauffen; imgleichen soll kein Gesell dem andern, von seines Meisters Werckstelle und Arbeit auffodern bey Ernstlicher Straffe.

(11) Ferner sollen die Gesellen vor 10 Uhr in des Meisters Hausse sein und da einer nach Elff Uhr kommen würde, demselbigen soll die Tühre mcht eröffnet werden, bey Poene ernstlicher Straffe.

(12) Ferner soll sich kein Gesell unternehmen oder verdriessen in des Meisters Hausse, es sey, wan es wolle, vornemlich, wan er des Abends einkomt, einige Schlägerey, Gezanck, Unlust und Ungebühr anzurichten oder zu erregen, auss welchem Schade und unglück leichtlich erwachsen kan; der daz thut, soll von den Meistern nach gestalt der Sachen gestraffet werden mit 3 Mr. Lüb.

(13) Ferner sollen die Gesellen bei Leicht anheben zu arbeiten, vier Wochen vor Michaeli biss auf mitfasten und soll Ihnen kein Biehr über die Mahlzeit gegeben werden.

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(14) Ferner wan unser Gesellen würden betroffen werden, daz sie sich ausserhalb oder in dem Kruge würden haartogen, schlagen und bluthwunden, die sollen von unsern Ambte kein beweiss erlangen, sie haben dan vorhin in der Stadt, da solches geschehen, vor die Hern abgewettet, und sich mit Ihnen vergleichet.

(15) Ferner, wan sich begeben möchte daz Haader oder Zwist zwischen Meister und Gesellen vorfiele, soll solches darselbst in der Stadt vor dem Ampt vortragen werden oder vor die Herrn der Wette (wofern ein Ambt solches nicht beylegen kan) solches kommen und erkennen lassen; würde aber einer hirgegen handeln und solches vor einer andern Stadt hinterbringen und klagen, der soll als ein verächter der Obrigkeit und des Ambts in straffe genommen werden.

(16) Ferner so ein Gesell befunden würde, der Unzucht in seines Meisters Hausse triebe und also des Meisters Brodt schendete, der soll des Ambts gantz verlüstig sein.

(17) Ferner so Einer unser Handwerck lehren will, sol niemand solches geweegert werden, wofern Er von Ehrlichen Aeltern gebohren ist.

(18) Ferner weillen auch Klage eingekommen und fast die erfahrung bey allen giebet, daz bisshero sich die Gesellen haben gelüsten lassen jede Woche an welchem Tage sie gewolt ausspatziren zu gehen und von der Arbeit zu bleiben, soll solches gäntzlich abgeschaffet und verboten sein bey Poene; so offt sich einer solches unternimbt, soll er in des Ambtes Straffe verfallen sein.

(19) Dieweil auch in erfahrung gebracht wird, daz eintheils Gesellen sich unternommen bey ungestrafften Meistern, die ausserhalb unser beliebung sein, zu arbeiten, so lange sie wollen, den sämbtlichen Ehrbahren Städten zu merklichen Schaden und nachtheil, wer nun solches weiss oder erfähret, und gleichwoll solche Straffbrüchige Gesellen nicht anmeldet, der oder dieselbigen, sie sein Meister oder Gesellen, sollen ohn unterscheid Ernstlich gestraffet werden.

(20) Es sollen auch kein Amtsbruder sich unternehmen Ihre fürgesetzte Aeltisten mit Unhöfflichen Schimpffworten anzufahren; so einer sich solches würde unterwinden, der soll nach gestalt der Sachen vom Ambte gestraffet werden.

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(21) Ferner ist beliebet, daz wan sich ein Gesell unternehmen würde bey einen ungestrafften Meister zu arbeiten lenger als 14 Tage, und der Meister sich hernach Straffen liess, so soll doch der Gesell nach gestalt der Zeit, so er bey Ihm gearbeitet hat, eben woll Straff geben oder er soll nicht geehret werden.

(22) Würden sich aber die Gesellen Jeden oder allen vorgeschriebenen Puncten und Articulen zugegen setzen, und darvonreisen, und an einen andern Ohrte sich begeben, und sonsten in einer Landstadt sich niedersetzen, die selbigen sollen als verächter und verfolger unsers Ambts geachtet und gehalten werden, darzu von diesen Kreiss und unsers Ambtsverwandten nebenst dero nachkommen miemahln geehret, noch gefodert werden, Es sey dan daz sie auss Gnaden nach vollkommener Ausssühnung wieder angenommen werden.

(23) Wie auch im gleichen alle nachbeschriebene alhier versamblete Meisters, so in diese beliebung mit bewilliget (weiln es unsern Ambte zum besten geschehen) und gleichwoll diese Ordnung brechen würden, und mit allen Ernst darüber nicht halten, die selbigen sollen von aller Vorwand - und Bruderschaft unsers Ambts abgeschieden sein, und wer dieselbigen Ehret oder fodert, sollen vorberührte gleich geachtet und gehalten werden, so lange biss sie solches Vollenkommen vor die Obrigkeit oder dem Ambt nach gelegenheit der Uebertretung abgesühnet haben.

24) Ueber diese beliebung und bewilligung aller vorbeschriebenen Puncten und Articulen (so Anno 1573 aufgerichtet und biss Anno 62 gehalten und vollenzogen worden) seind gewesen die Ehrsahme und bescheidene Meisters Alterleute des Ambts der Kannengiesser aus die sex Wendischen Städte, wie auch alle diejenigen, so zu unsern Bundsverwanten gehören, wie ein Jeder Nahme und untergesetzte Pittschaften unter Jeder beliebung aussweiset, so Gegeben in Lübeck Anno 1662. Cantate.

Original auf Papier mit dem Siegel des Lübecker Kannengießer=Amtes. Unterschriften und andere Siegel überhaupt nicht vorhanden gewesen.


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6.

Mittheilung über eine im Jahre 1678 vorgenommene Abschrift der Zinngießer=Rolle.

Anno 1678, den 21. Februar auff Anordnung des präsidirenden Wetteherren Herrn Jacobi Schlorffen und der hiesigen lobsamen Kannengiesser Anhalten, nachdem voriges Jahrs bey der am 11. Augusti entstandenen jämmerlichen Fewersbrunst und damaliger grosser Confusion gemelter Kannen - und Grapengiesser - Rolle hinweggekommen, habe dieselbe ich niedenbenahmter auss dem Rostocker Wette - und Rollenbuch hinwieder extrahiret, zugleich auch auss dem Niedersäschsischen ins Hochdeutsche vorsetzet und auf diess pergamen gebracht, welche dan dem doselbst befindlichen Exemplar allerdings conform und zustimmig.

Georg Amsel     
Secretarius m. pr.  

Schlußbemerkung auf der Pergament=Rolle aus dem genannten Jahr, die mit der von 1482 vollkommen übereinstimmt mit dem Unterschiede, daß sie hochdeutsch, die ältere niederdeutsch abgefaßt ist.


7.

Receß der Kannengießer=Aemter von Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Lüneburg, Bremen, Schwerin und Mölln.

1678, Juni 9.

Anno 1678 den 9 Tags Junij seind abermahl laut löblicher Anordnung undt Beliebung der lieben Gottseeligen Voralten, der ehrbahren sechs wendischen unndt dehren mittvereinigten undt verbundenen Städte Abgesandten dess löblichen Ambts der Kannengiesser, in dero Kayserlichen freyen undt dess heiligen Reiches Stadt Lübeck auff dero Citation beysammen gewesen, dehren Nahmen zu Ende gezeichnet, undt

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haben, in Gottes Nahmen ihren Anfang hiemit gemacht, dass sie einen jeden unsers Ambts genossen ermahnet, dass er Gott fürchte, die Obrigkeit ehre, ihre Gesetze undt Ordnungen nicht verachte, unser Ambt in Ehren undt Würden halten undt ein Jeder in sein Vocation undt Beruff mit Gott und Ehren sich ernehre. Negest diesen ist aller Zwist undt Hader, so vor diesem wie auch bey gestriger Beysammenkunft, möchte fürgefallen sein, in Grund ausgehoben.

Darneben einhellig beliebet unserer Voralten, wie auch jetziger Zeit wollgemeinte Beliebung in guter, steiffer undt fester Obacht zu nehmen undt festiglich zu halten.

1. Und sollen für's Erste alle vorige ertheilte undt geschlossene Beliebungen in ihrem Vigore undt Kräften verbleiben undt gehalten werden, wie auch sonderlich der ander Articul, so Anno 1589 beliebet undt geschlossen worden, nemblich, dass auff der ehrbahren Meister von Lübeck Citation - Schreiben, die ehrbahren Wändische undt darzu gehörige Städte alle sieben Jahr durch ihre Abgesandten gutwillig erscheinen sollen; hiebey erklären sich die von Lübeck, dass sie 4 Wochen vorhero an einen guten Freundt dess Ambts in Hamburg und Wismar solches wollen kundt thun.

2. Zum Andern so seyn die alten wie auch die neuen Beliebungen nochmals mit Fleiss durchgesehen, undt bleiben selbige allesampt in ihren Kräfften undt Würden.

3. Es sollen 2 Aeltesten alle Jahr 4 und 5 mahl ummegehen undt ihr Zinn proben, undt so es solte falsch befunden werden, der soll in ernstliche Straffe für dem Ambt gezogen werden.

4. So einer wurde befunden, der falsche Wein - und Bier - Maasse würde machen, der soll ernstlich von dem Ambt gestraffet werden; wurde er zum andermahl betroffen, so soll er von der Obrigkeit gestraffett werden.

5. Wann ein Meister oder Gesell wirdt freyen, es sey in einer Stadt oder Landstadt, so soll die Frau ein ehrlich Beweiss ihrer ehrlichen Gebuhrt beybringen.

6. Solle sich über Verhoffen einer auffwerffen, undt wolte sich ohne Consens des Ambts, in einer Stadt niedersetzen mit Uhrlaub dess Rahtes, der soll als ein Verächter dess Ambts, er undt sein Volck, nirgend geehret noch gefodert werden,

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sondern von unsern Kreiss ausgeschlossen undt nimmer wieder angenommen werden.

7. Wenn einer sich in Schwerin will niedersetzen, der soll sich zu Lübeck angeben undt dem Ambte zu Lübeck achte Reichsthaler zustellen, wovon die von Lübeck 1 Rthlr. sollen behalten, undt die übrigen 7 an das Ambt zur Wismar senden.

8. Das Gadebuscher Marckt sollen die von Lübeck, Wismar undt Schwerin beziehen.

9. Wegen Oldenburg wollen die Ehrbahren von Hamburg wie auch von Bremen umb 4 Wochen ihre ältiste Beweisthümer durch einen geschwornen Notarium vidimirt, nach Lübeck senden, undt der den ältisten Beweisthumb hat, dem ist Oldenburg zuerkannt.

10. Wann ein Geselle hat 14 Tage bey seinen Meister gearbeitet, so soll der Meister ihn fragen, ob er will Bier auff die Mahlzeit haben oder Geldt; will er kein Bier haben, so soll er 12 sl. haben, will er Bier haben, so soll er 6 sl. Wochenlohn haben.

11. Ferner ist beliebet, es sollen die Gesellen nach altem Gebrauch dess Montags Morgen wie auch alle Morgen umb 5 Uhr auff der Wörckstädte sein undt arbeiten, dess Montags, Dornnerstags undt Sonnabends biss 6 Uhr, dess Dingstages, Mitwochens undt Freytages biss 9 Uhr, aber vier Wochen vor Michaeli biss Fastelabend soll angefangen werden zu arbeiten alle Tage dess Morgens von 5 Uhr nnd alle Abendt biss 7 Uhr.

12. Es sollen die Gesellen dess Abends vor 10 Uhr in ihres Meisters Hause sein undt soll ihme nach 10 Uhr die Thür nicht geöffnet werden bey 1 Rthlr. Straffe.

13. Es sollen die Gesellen hinfüro in keiner Stadt, es sey an was Ohrt es wolle, keine vier Wochen, sondern nur alle viertel Jahr ihr Geschenk, undt ihre Wanderzeit halten.

Bey dieser Beliebung undt Zusammenkunfft seindt gewesen die ehrbahre vernünfftige und wollgeachte Alterleute und Meistere dess Kannengiesserambts, als nemlich:

Von Lübeck: Gerdt Pohle, Jacob Petersen, Berendt Timmerman undt Hans Kempe, Alterleute.

Von Hamburch: Gerdt Blohme, Bertold Wolters, Alterleute.

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Von Wismar: Peter vom Felde, Alterman; Christian Schlüter Gevollmächtiger.

Von Rostock: Andreas Woesthoff undt Michell Foss, Aelterleute.

Von Lüneburg: Hans Strep, Alterman; Hinrich Witt, Gevollmächtiger.

Von Bremen: Elerdt Meyer, Gevollmächtiger.

Von Schwerin: Marius Pohlman, Alterman; Robbert Simerling undt Berendt Timmerman, Gevollmächtige.

Von Mölln: Johann Pollheidt.

Original auf Papier mit dem Siegel des Rostocker Kannengießer=Amts.


8.

Receß der Kannengießer=Aemter von Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Lüneburg.

1705, August 17.

(1) Auff Anordnung und Beliebung der Zinnengiesser in den unten benandten fünff Wendischen Städten ist durch ihre Deputirte alhie in Hamburg Anno 1705 den 17. Augusti eine extraordinaire Zusammenkunff gehalten worden, allwo von ihnen festgeschlossen worden, dass die uhralte Gerechtigkeit möge conservirt und erhalten werden, nemlich, dass wenn einige Zinnengiessere in einer Stadt sich mit uns vereinigen wollen, so sollen sie bey der ihnen negst belegenen Wendischen Stadt sich angeben und verbleiben.

(2) Sodann soll die im Jahre 1640 auffgerichtete Ordnung dem Ambt zu Stralsund mitgetheilet werden und in ihren Würden und Kräfften bleiben.

(3) Ferner so soll derselbe, welcher in einem oder andern einer Wendischen Stadt Eingriff thun würde, mit hoher Straffe angesehen werden.

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Dieses ist, um Ruhe Friede und Einigkeit zu erhalten, also beeidet worden.

Zu Festerhaltung dessen sind 5 Exemplaria hievon aussgefertiget und unter jedes fünff Siegel gedruckt. Geschehen in Hamburg, den 17. August Anno 1705.

Original auf Papier mit 5 darauf gedrückten Siegeln. Die Unterschriften fehlen, doch

ergeben sich aus den Siegeln die Namen der Städte.


9.

Neu=Revidirte und Renovirte Punctationes.

o. J. Etwa erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

1. Ess soll keinen Ehrlichen Gesellen dass Zinnengiesserambt gewehret werden, der ess redlich gelernet undt ehrlich nach getrachtet hatt.

2. Er sol aber nach alten löblichen gebrauch, so Anno 1500 geschlossen, eine Witwe oder Meisterstochter freyen, damit nicht die Witwen undt ambtsskinder verstossen werden.

3. Will ein geselle nicht ins ambt freyen, soll er das ambt ohn eintziges wiedersprechen lossdienen bey einem Meister 5 Jahr, undt soll ihm gesellenlohn gegeben werden, wie sichss gebühret. Er soll aber alle abendt ümb 9 Uhr inss meisters hause sein bey poen 8 Schill. Lübsch, undt wo er unlust ins meisters hauss anrichtet, soll er nach recht vor dem ambte gestraffet werden, so aber der Geselle über seinen meister klaget, dass er ihm nicht sein gebühr thuet, und der meister überwiesen wirdt, mach er sich einen andern Meister wehlen, undt muss ihm die vorige Zeit gerechnet werden. So auch aber der geselle wolte einen Meister Viel unlust machen, also daz er gedächte damit looss zu kommen, undt der meister ihm on hass überweisen kan, soll er von vorn wieder anfangen undt die vorige zeit nichtss gerechnet werden oder, darnach die sache, dass ambt gantz verlüstig sein.

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4. Wan dan ein geselle anfoderung thuet, dass er will meister werden, soll er zum ersten seinen gebuhrts brieff auffweisen, wen er ein frembder ist, undt nicht ehe angenomen werden, biss er ihm hatt dem Ambte gereichet, ob er auch gueth ist.

5. Wen ein geselle zum ersten mahl das Ambt fodert, soll er soforth zum Antrit geben, weil dass Ambt darum zusammenkombt 1 fl. 8 sl. und jedem Aeltesten 2 fl. Ist aber nur ein Aeltester, krigt er 4 fl.

6. Wen den ein geselle auffs meisterstück gewiesen wirdt, soll er wieder dem Ambte geben 2 fl.

7. Undt soll er dass Meisterstück in eines Aeltesten hause machen, undt sich selber Lehm undt Stein verschaffen; ess soll ihm aber vor gelt Keiner etwas wehren im ambt, den ess bleiben ambtsform.

8. Ess soll dass meisterstück von Stein undt Lehm gemachet werden alss 3 form, wen ess ein ehrbar ambt begehret, undt soll in einer jeden form ein Stück Zinn fertig machen, undt alles in 14 Tagen.

9. Ess sollen die Eltesten den Ellften in den Viertzehn Tagen hingehen, wen er Sie gefodert, undt alssdan in einer jeden form ein Stück giessen lassen, undt sollen die Eltesten vor ihrer mühe den haben ein jeder ein pott wein.

10. So aber nur ein Aeltester ist, soll er einen andern Meister auss dem ambte mitnehmen, damitt ess recht zugehet; soll aber nur ein meister in der Stadt sein, kan er ess allein thuen, weil ess noth ist, doch auff recht.

11. Ess soll dass Meisterwerck den nechst folgenden Montagk vor dem gantzen ambt auffgewiesen werden, und darauff erkant werden, wass darauff felt.

12. Ess soll aber bey dem auffweisen des meisterstücks von dem jungen Meister in der Ambtsladen gegeben werden 33 fl. 8 sch. Dass übrige als 33 fl. 8 sl. soll ihm auf Termin gesetzet werden, alss den andern Termin dess nechstfolgenden undt nach auffweisung des Meisterwercks geendigten Vierteljahres 16 fl. 16 sl., zum dritten undt letzten Termin, alss gleichfallss ein Vierteljahr hernach, 16 Fl. 16 sl.

13. So soll er auch bey dem auffweisen speisen die Meister, undt soll darzu haben einen guten braten, ein gericht

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hecht oder saltzen Lachss, Käss undt Butter, Ein Kan Reinschen Wein undt so viel Bier als vertruncken wirdt.

Wann dieses alles geschehen, soll er unverhindert sein handtwerk treiben nebest andern meistern.

Drittes Protollbuch des Zinngießeramts, S. 12 - 14.


10.

Fernere gebräuchliche Amtsausgaben und Nachrichten.

o. J. Wohl wie die vorhergehende Nummer zu datiren.

1. Wan ein Eltester gewehlet wirdt, soll ess mit Consens dess ambtss geschehen, damit einer erwehlet werde, so unthadelhafft ist.

2. Wan dan ein Eltester erwehlet ist, derselbe soll seinen miteltesten geben 2 fl.

3. Er soll auch eine Aeltermanss - Köste thuen 2 Tage, undt dabey die Frawen und Kinder haben.

4. Ess sollen die Eltesten dem ambte alle Jahr auff Fastnacht Rechnung ablegen; der gesellen lade aber undt geschirr bleibet bey den Eltesten, so lange er lebet.

5. Ess sollen die Eltesten alle Jahr drei Mahlen Visitation halten mit Zinnproben, undt den dass ambt forth zusammenfordern undt vortragen wass vorgefallen ist.

6. Wan auch einen Meister im ambte seine Fraw solte absterben, undt er sich wieder befreyen wolte, soll er vor seine wieder genommene Fraw dem ambte geben alle mahl eine Tonne Bier.

7. Heurahtet er ausserhalb der Stadt, so soll er schüldig sein der freyenden person ihren Echtbrieff dem ambte vorzuzeigen, ob sie auch ehrlich geboren ist, undt in einem unbefleckten Ehebette gezeuget.

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8. Wan ein Meister einen Jungen annimbt, so soll er darhin sehen, dass er von ehrlichen Leuten ist.

9. Ess soll ein Junge vor dem Ambte angenommen werden, undt inss ambtbuch geschrieben werden, wie lange er lernen soll, nicht unter 4 Jahr, und soll der Junge dem Ambte geben 2 fl., der ess hatt, so aber nicht, soll die billigkeit gebrauchet werden.

10. Ess muss der Jüngste Meister die Jüngstschafft verwalten, biss er von einem andern abgelöset wirdt, der nach ihm kömbt.

Drittes Protokollbuch, S. 20 - 21.


11.

Entwurf zu einer Zinngießer=Rolle.

1773.

Da die alte von 1482 herige Zinngiesser - Amptsrolle so sehr tunckel, und nichts auf jetzigen Zeiten Passendes m sich enthält, so hat E. E. Raht der Stadt Rostock auf Ansuchung E. E. Ampts der Zinngiesser nicht ermangeln wollen ihnen mit einer neuen unzerbrüchlichen Rolle an die Handt zu gehen, und folgende Artickeln zu bestätigen und zu confirmiren.

Art. 1. Sollen alle, so zu diesem Ampte gehörig, Godt vor allen Dingen ehren, fürchten und lieben, darnach ihrer vorgesetzten Obrigkeit in Ehren halten, Ihnen in Aufrichtigkeit, Treue und Gehorsam zu leisten schuldig.

Art. 2. Soll und kompt einen jeglichen Amptsmeister alleine zu in Englischem ordinären Zinn und Manckguht, auch schlechteren Zinn, wie es sich in der Probe befindet, zu arbeiten und von englischem ordinären Zinn auch Manckguth zu machen und zu verfertigen, Flaschen, Kannen, Schüssel, Teller, Schalen, Cofe - et Teekan, Spielkum, Leuchter, Saltz-

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fässer, Leffel, zinnerne Särge und Sargen - Beschläge und alles was Nahmen haben mag und von Zinn ist und von Zinn verfertiget werden mag, und sol es bei sich selbst in seinen eigenen Hause verfertigen und nicht umher vagieren, und sol auch wass er verfertiget an englischem ordinären Zin, auch Manckguht, nach guter und richtiger Probe verarbeiten und mit seinen Stempel bezeichnen, wie in andern guten Städten, so an der See belegen. Wäre es, das ein Amptsbruder dawieder handelte und vom ampte überführet würde, das er falsche Probe verarbeitet hätte, so sol er das erste mahl von E. E. Ampte mit 10 Rthalern und Enderung seines Stempels bestraffet werden; würde er aber zum zweiten mahl überführet, so soll er von E. Ehrb. Gewedt bestrafet werden mit ? Rthlrn., von welcher Strafe jedennoch dem Ampte den dritten Teil verbleibet; würde dieses noch nicht helffen und er würde zum dritten mahl überführet, so sol er des Amptes gäntzlich verlustig sein und niemahlen den ampte Eingriff zu tuhn erlaubet, so lang er lebet.

Art. 3. Auch stehe es einen jeglichen Amptsmeister zu in Bley zu arbeiten und davon zu verfertigen bleyerne Röhren, Tabacksdosen, Hagel, Tindtefässer und was sonsten Nahmen haben mag und von Bley verfertiget werden kan; und sol Keiner ausser vorbeschriebenen ampte, es sei unter was Vorwandt es immer wolle oder sein möge, von aussen zu, was von hiesigen Ampte an Zin und Bley verfertiget werden kan, nicht eingebracht werden, bei Straffe der Confiscation. Auch solte sich in oder ausser der Stadt Jemandt finden, der vorbeschriebenen Ampte Eingriff auf einigerlei Art und Weise in Zin und Bley duhn wolte, sol ihm nicht allein sein Geräht, womit er Eingriff duhn wollen, sondern auch das verfertigte Guht selber, confisciret sein. Beide Fälle, wo selbige existiren, fält die Helffte dem Weisenhause, das übrige dem Ampte anheim.

Art. 4. Und damit auf die richtige Zinprobe möge gehalten werden, so ist der, oder die Eltesten schuldig wenigstens alle Jahr ein mahl bei jeglichen Amptsmeister mit der Zinnprobe zu gehen und nachzusehen, das er richtige Probe arbeite. Vor die Bemühung bekompt er acht Schillinge.

Art. 5. Welcher Amptsmeister oder Gesel oder dem Ampte zugehörig seinen vorgesetzten Eltesten mit unhöfflichen Worten ankommen würde, der sol nach Befinden bestrafet werden.

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Art. 6. Wan ein Meister einen Jungen in die Lehre nimpt, so sol er ihn nach einvierteljähriger Haltung vorm Ampte einschreiben lassen und durch einen Schein beweisen, das der Junge echt und recht gebohren sei von guten ehrlichen Eltern, und sol dafür erlegen 24 Schill. und mag ihn auf 4 oder mehrere Jahre annehmen zu erlernen, und, wan seine Lehrjahre verflossen ihn wiederum vor den Ampt ausschreiben lassen, und erleget auch davor 24 Schill.

Art. 7. Wan ein Gesel Meister werden wil, so muss er zuvor wenigstens 14 Tage bei einen Meister alhier in Arbeit gestanden haben, und alsdann sich gebührendt melden bey den wordthabenden Altermann, das er Meister werden wil, welcher darauf das Ampt fodern lässt, wofür er bezahlet 24 Schill. Ist der Gesell ein Frembder und kein hiesiger Meisterssohn, so muss er vorm Ampte die Witwe oder Meisterstochter, womit er sich versprochen zu heuraten, anzeigen und wirdt ihnen eine kurtze Bedenkzeit von etlichen Tagen aufgegeben. Nach Verfliessung selbiger wirdt er abermahlen vorn Ampte gefodert und bezahlet vor die Gebühr 24 Schill., und wirdt ihn alsdan nach guten ehrlichen Zeugnuss und Vorlegung des Lehrbrieffes, das Meisterstück zu machen aufgegeben. Selbiges bestehet in drey dem Ampte nützliche Formen, beide Teile von Steinen, und in jeglichen Formen ein Stück von Zin verfertiget, und muss in 14 Tagen in des Worthabenden Eltesten Hause verfertiget sein; die Formen bleiben dem Ampte gemein, das Zin aber den Jungmeister und giebt einen jeden Eltesten 1 Rthlr., in der Amptslade an bahren gelde 33 Rthlr. 16 Sch. und dem Ampte eine Mahlzeit oder anstat dessen accordiret er ein Billiges und verhält sich so wie seine Vorgänger getahn haben. Solte er die 33 Rthlr. 16 Sch. an E. E. Ambt nicht gleich auszahlen können, und er sich dieser wegen bei E. E. Ampte beschwert, so mach ihn, jedoch muss er wenigstens die Helffte von vorstehender Summe sogleich erlegen, mit den übrigen Nachsicht gegeben werden, jedennoch mit dem Beding, das er järlich bei Aufnahme der Amptsrechnung wenigstens 2 Rthlr. davon abtrage. Solte aber ein solcher junger Meister mit Tode abgehen, ehe er den vorgeschriebenen Rest an E. E. Ampt abgetragen, so hat E. E. Ampt auf das noch Restirende an seinen Nachlass das Vorrecht.

Art. 8. Der jüngste Meister im Ampte ist schuldig, wan der Elteste von Ampts wegen zu ihm schicket, ohnweigerlich

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zu kommen, das Ampt zu verbotten, so lange bis ein anderer kömpt und Jüngster im Ampte ist, ihn davon ablöset.

Art. 9. Wan das Ampt verbodt ist, und wer dan nicht kömpt zur gesetzten Zeit, der ist in 4 sl. Straffe verfallen, wer aber gahr vorsetzlich ausbleiben solte, der bricht 8 Sch. Strafe.

Art. 10. So sol auch ein Meister den andern nicht aus ihrer Wohnung heuren, auch nicht einer den andern seine Kaufleute entziehen oder abspenstig machen bei Straffe.

Art. 11. Wan ein Amptsmeister verstirbet und die Witwe gedencket die Profession vortzusetzen, und hätte keinen Gesellen, es befünde sich aber alhie ein gesel bei einem Meister in Arbeit, der ihre Arbeit vorstehen könte, und sie verlanget ihn in ihrer Arbeit, so soll der Meister schuldig sein selbigen Gesellen an ihr sofort zu überlassen, wolte aber der Gesel nicht folgen, so ist er schuldig und verbunden zu reisen.

Art. 12. Wan aber ein Gesel, so bei einer Witwen arbeitet, Abschied nehmen und reisen wil, so ist er schuldig und verbunden ihr solches 4 Wochen vorhero anzuzeigen, damit sie sich kan in die Zeit nach einem andern Gesellen umsehen.

Art. 13. Solte jemandt verdächtig Zinn zu Handen kommen, so mag er es an sich halten bis auf Nachfragen, und solte sobaldt keine Nachfrage erfolgen, so mag er es verwahrlich aufbehalten.

Art. 14. Kein Meister, Witwe oder Gesel oder sonsten diesen Ampte zugetahn, sol den Andern beschweren mit einigerlei Recht, er versuche es den erstlich vor das Ampt. Wer da wieder tuht, sol in Straffe des Amptes sein.

Art. 15. Wan ein Meister von E. E. Raht zum Eltesten bestellet wirdt, so gibt er an seinen Herrn Collegen 1 Rthlr. und dem Ambte eine Eltesten - Köste, so wie seine Vorfahren getahn haben, und sol weiter vom Ampte mit nichts mehr beschweret werden.

Art. 16. Wan einer aus einer kleineren Stadt sich bei E. Z. Ampte eincorporiren wil, so ist er zwar frei von Verfertigung eines Meisterstückes, bezahlet aber an einen E. Ampte accordmässig, wan er vorhero vor ein Amptsverbot 24. Sch. erleget hat, doch nicht über 12 Rthlr.

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Art. 17. Und damit ein solcher eincorporirter Meister auch sein verfertigendes Zin nach richtiger Probe arbeite, so soll ihn von den wordthabenden Eltesten bei seiner Aufnahme in Ampte die richtige Zinprobe benebst einen Meisterbrief zugestellet werden, wofür er an den Eltesten bezahlet 1 Rth. 16 Sch. und solte er nach Befinden nicht nach der Probe arbeiten, so sol mit ihm, also wie der Art. 2 besaget, verfahren werden.

Art. 18. Und solte ein solcher eincorporirter Meister sich einfallen lassen von seinen Ohrte alwo er gewohnet sich weg zu begeben und in Rostock bei uns einzuziehen, und die Profession neben uns zu gebrauchen, so kan solches geschen, allein erstlich mus er sein Meisterstück verfertigen und dem Ampte im Uebrigen so genügen, wie der Art. 7 zeiget.

Art. 19. Auch ist selbiger schuldig den 8. Artikel dieser Rolle sich gehorsam zu erzeigen und jung Meister so lange zu bleiben bis ein anderer kömpt, der ihn davon ablöset.

Art. 20. Ein eincorporirter Meister in einer kleineren Stadt bezahlet zur Unterstützung der jährlichen Onera des Amptes nach Beispiel anderer Aempter jährlich 24 Sch. und selbige 24 Sch. schicket er jährlich an E. E. Ampte franco ein; solte aber einer oder anderer sich hierinnen seumig finden lassen, so soll ihme, wan er Jungens ein - oder ausszuschreiben hätte, nicht eher darinnen gewilfähret werden, er habe dan das restirende richtig abgetragen.

Art. 21. Auch ist ein solcher eincorporirter Meister schuldig, wan er einen Jungen in die Lehre nimbt, das er ihn nach Art. 6 beim E. Ampte einschreiben lässet, doch bleibet ihnen frey, wan er den Echtschein nebst die 24. Schill. franco einschicket, durch ein Schreiben genüget, gleichergestalt auch, wan seine Lehrjahre verflossen, mit der Ausschreibung auch also verfähret.

Art. 22. Wan des Lehrburschen seine Lehrjahre verflossen und befinden sich 2 Gesellen bei ihnen, so kam er ihn bei sich zum Gesellen machen lassen, ist aber nur 1 Gesel aldorten, so kan er sich 1 Gesellen von uns dazu verschreiben, wan er ihn wil bei sich zu Geselle machen lassen; ist aber gahr kein Gesel bei ihnen, so schicket er den Burschen 4 Wochen vor die Schenkzeit über, welche 4 Wochen über er bei den hiesigen Eltesten arbeitet, und dan zum Gesellen gemachet wirdt.

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Art. 23. Auch muss ein solcher wan er sich beim Ampt eincorporiren wil, seinen Lehrbrief produciren und ist schuldig und verbunden nach allen vorstehenden Artikeln und Clausulen als ein Ampts Mitmeister sich zu achten und sie genau zu erfüllen.


12.

Herzogliche Verordnung über die accisfreie Einfuhr von altem Zinn in Rostock.

1776, Octbr. 7.

Friedrich von Gottes Gnaden, Herzog zu Mecklenburg. Liebe getreue! Wir geben Euch auf Euer unterthänigstes Gesuch in Betreff der accisefreyen Einpassirung des alten Zinns hiemit zu vernehmen, das Wier unter heutigen Dato Unsern Acciserath Eschenbach alldort gnädigst aufgegeben haben, das alte Zin bis auf weitere Unsre Verordnung accisefrey einpassieren zu lassen, wornach ihr Eüch zu richten. Datum auf Unsere Vestung Suerin den 7. October 1776. Ad Mandatum Serenissimi proprium Herzogl. Mecklenburg. zur Regierung Verordnete Praesident, Geheime - und Räthe, A. G. Bassewitz.


13.

Anweisung des Acciseraths Danckwarth an die Accise=Einnehmer über die steuerfreie Durchfuhr von altem Zinn.

1777, November 26.

Zum Unterricht der Zeicheneinnehmer das von Lande einkommende alte Zinn betreffend, wird der hohe Herzogl.

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Befehl bis auf Höchst Dero weiteren Verordnung hiedurch bekandt gemacht;

Dass dasjenige alte Zinn, welches Landtwerts in den Thören komt, von den Zeicheneinnehmern mit einem Zettel zu versehen, und die Einbringer gehörig Pfandt zu setzen haben: wann aber dieser Zettel zurückekomt und von einen hiesigen Amtsmeister der Zinngiesser, das er dieses zum Umgiessen empfangen oder auch selbst gekauffet hat, bescheiniget seyn wird, so kan ohne weitere Umstände und ohne dass der Zettel auf der Herzogl. Accisebude unterschrieben worden, das Pfandt wieder zurückgegeben werden, weil ihro Herzogl. Durchlaucht gnädigst befohlen haben, dass die hiesigen Zingiesser für altes Zinn, so sie vom Lande kauffen, oder zum Umgiessen erhalten, keine Accise erlegen sollen.

Alle sonstige hiesige Einwohner aber müssen von altes Zinn, was sie entweder selbst auf dem Lande gekauft haben, oder zum Verkauf an sie eingebracht wird, dasselbige gehörig frey machen und die ordentliche Accise dafür erlegen.

Rostock den 26ten Novbr. 1777. Joh. Danckwarth, Sm. Acciserath.


14.

Herzogliche Verfügung an den Acciserath Danckwarth in Rostock über die Accise für altes Zinn.

1791, August 31.

Auf unterthänigste Vorstellung des dortigen Amts der Zinngiesser befehlen Wir euch hiemit gnädigst: Es zu verfügen, dass

1) alles alte von dortigen Zinngiessern auf dem Lande gekaufte und mit dem Rostocker Stempel bezeichnete Zinn zwar accisefrei sei, jedoch am Thore ein Pfand hierfür gesetzet, sodann selbiges Zinn mit einem Thorzettel ans Neue Haus

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gewiesen, daselbst nachgesehen und dann beim richtigen Befund der Thorzettel von den Accise - Einnehmern unterschrieben, das Pfand aber wieder zurückgegeben werde, dass

2) alles geräthschaftliche Zinn ohne Rostocker Stempel, welches von den Landleuten zum Umgiessen hereingebracht wird, ebenfalls am Thore mit genugsamer Pfandsetzung versehen werden müsse, und wenn sodann es dort verarbeitet, nach dem Neuen Hause mit dem Schein des Amtsmeisters geliefert, der Thorzettel von dem Neuen Haus - Inspector unterzeichnet und darauf auf der Accisestube zur Unterschrift produciret worden, selbiges gleichfalls für accisefrei erkläret, und sodann das Pfand ebenmässig zurückgegeben werde. Schwerin den 31. Aug. 1791.


15.

Beliebung des Rostocker Zinngießer=Amts über die zuwandernden "Oderlender" Gesellen.

1795, Mai 11.

In Betreff der Oberlender Gesellen wegen alle Unordnung zu vermeiden, so ist von Amtswegen mit Zustimmung der Gesellen beschlossen und vestgesetzet worden.

Erstens. Wen ein oberlender Gesell zugereist komt und den Schaffer um die Schau anspricht, so soll der Schaffer schuldig seyn, wen es der Fremder begehret, sogleich ihnen umzuschauen.

Zweitens. Ist der oberlender Gesell auch schuldig und verbunden, wan er alhier in arbeit stehet und Abschied nimt oder Abschied bekomt, sich sogleich bey den altgessellen als Frembder zu melden; wer dieses nicht thut, bekomt keine Kundschaft.

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Dieses ist von Meisters und Gesellen unterschrieben und mit Amts - Siegel besiegelt. Rostock den 11ten May 1795.

Altermann Jochim Adam Hecht und semtliche Amts - Meister hieselbst.

Altgesell Nicolaus Hamm.

Original; grobes Papierblatt mit einem schwarzen Abdruck des Amts=Sieges.

 

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III.

Meklenburger auf der Universität Bologna.

Zusammengestellt

von

Archivrath Dr. Grotefend.


D ie Matrikel der deutschen Nation der Universität zu Bologna von 1289 bis 1562 hat soeben unter dem Titel:

Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis . . . ediderunt Ernestus Friedländer et Carolus Malagola, Berolini 1887

die Presse verlassen.

Abgesehen von dem Werthe, den die Publikation für die Kenntniß des mittelalterlichen Universitätswesens überhaupt und der wichtigen Juristenschule zu Bologna insbesondere besitzt, ist sie auch für die einzelnen deutschen Landschaften von Wichtigkeit, die ihre Söhne dieser alma mater zum Studium geistlichen wie weltlichen Rechtes anvertrauten. Waren es doch meist die auserlesensten Geisteskräfte deutscher Nation, die den Ritt nach Welschland unternahmen, um von dort Wissen und meist auch akademische Würden heimzubringen, die ihren Trägern in so vielen Fällen rasch den Weg zu den einflußreichsten Aemtern bahnten. Die im nachfolgenden versuchte Zusammenstellung der in der Matrikel enthaltenen Meklenburger möge sich an die früheren gleichen Veröffentlichungen des Geh. Finanzrath Balck an dieser Stelle (Jahrb. XLVIII, XLIX, L) anschließen. Sie umfaßt auch die für Meklenburg aus irgend einer wenn auch nur vorübergehenden Beziehung bedeutsamen Männer. Die angehängten Bemerkungen sollen die Aufnahme des Namens rechtfertigen oder die Wichtigkeit der Person horvorheben, keineswegs aber erschöpfende Angaben der

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über sie vorhandenen Literatur darstellen. Dazu fehlte mir sowohl Zeit wie Veranlassung.

1) 1295 dominus Gerhardus de Ratstock XIIII solidos. Im Register von Friedländer auf Ratschach in Krain oder auf Rathstock im Regb. Frankfurt a. O. bezogen, er ist aber wohl identisch mit dem 1289 in Nr. 2029 des Urkb. genannten Anwärter auf eine Bützower Präbende. Sein juristisches Studium scheint nicht ohne Erfolg gewesen zu sein. Wir finden ihn 1321 als Procurator der Audientia curie Romane (Nr. 4201, Note), was er 1333 noch ist (Nr. 5117, 15).

2) 1296 dominus Syfridus de Gykow XXX solidos. Auch er wird als Siegfried von Trechow 1289 (Nr. 2029) als Anwärter auf die ebengenannte Bützowsche Präbende genannt, dann als Domherr von Camin 1300 (Nr. 2626), als Archidiakon von Stolpe 1305 (Nr. 3007), als Dechant von Camin 1309 (Nr. 3282), immer als Siegfried von Trechow. Daß er identisch war mit diesem Siegfried von Giekow, zeigt sein Siegel als Dechant von Camin 1311 (Nr. 3344B), das ihn in der Umschrift S. D e   S hI c OW e nennt. Siegfried wird in der Matrikel zum Jahre 1299 und 1300, wo er als Procurator der deutschen Nation genannt wird, als Caminensis ac Zwerinensis ecclesiarum canonicus bezeichnet.

3) 1296 dominus Alvericus de Plesse XXV solidos. Seine Aufführung gleich hinter dem vorhergehenden läßt ihn als Meklenburger erkennen, wenn er nicht der Lübecker Familie van Plesse (Jahrb. X, 94) angehörte.

4) 1305 dominus Johannes Zvirensis canonicus X solidos. Domherren von Schwerin des Namens giebt es zu der Zeit mehrere.

5 u. 6) 1305 dominus Henricus Nortmann Klammer  
de Saxonia XX solidos.
dominus Engelbertus de Zvirin

Wohl der 1316 (Nr. 3854) zuerst genannte Ritter Heinrich Nortmann etwa mit einem geistlichen Begleiter.

7) 1332 a domino Ernesto Budde Suerinensis dyocesis de Saxonia XII solidos. Die Familie, in deren Reihe Ernst auch sonst vorkommt, ist im 14. Jahrhundert von den Fürsten von Werle belehnt. Er wird im Jahre 1334 Procurator der Nation neben Herzog Friedrich von Oestreich, überträgt das Amt aber statt seiner Wernero regulari canonico ecclesie Havelbergensis, der mit ihm gleichzeitig 1332 gegen Zahlung von XVII Schilling immatriculirt wurde, also vermuthlich zu ihm in näherem Verhältnisse (als Magister etwa) stand.

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8) 1335 dominus Nicolaus dictus Soldman de Rostoc de Saxonia Swerinensis dyocesis juratus contribuit XII solidos. Die Rostocker Familie Soltmann, Salzmann kommt mehrfach im Urkb. vor, doch kein Nicolaus.

9) 1335 dominus Lampertus Gr oe ppelin de Rostoc de Saxonia Swerinensis dyocesis XII solidos. Magister Lambertus, Sohn des Konrad Kröpelin zu Rostock, kommt urkundlich 1340 und 1341 vor (Nr. 6044, 6158). Noch 1339, März 8, war er in Bologna (als Zeuge Acta nationis 359). S. unten Nr. 17.

10) 1336 dominus Eghardus de Bucawe Swerinensis dyocesis contribuit XII solidos. Scheint der Wismarer Rathsfamilie zu entstammen und kommt 1342 zuerst urkundlich vor (Nr. 6200 und 6247 b).

11) 1340 Jacobus de Rostock de Saxonia IX solidos. Jacob von Rostock, Geistlicher, kommt mehrfach urkundlich vor, bei seinem erstmaligen Auftreten 1340, März 16, (Nr. 6033) braucht er nach der Fassung der Urkunde nicht gegenwärtig zu sein, kann also ganz wohl mit dem damals zu Bologna studirenden identisch sein.

12) 1341 dominus Johannes Parchem plebanus in Tauglim XIIII solidos. Nur wegen des auf meklenburgischen Ursprung deutenden Namens hier angeführt.

13) 1345 a domino Johanne de Ponte Lubicensis et Zwerinensis ecclesiarum canonico pro se et socio suo Raymaro dyocesis Hildesemensis XXIIII solidos. Johann war im Jahre 1348 rector dominorum ultramontanorum scolarium utriusque juris Bononie, s. auch Nr. 14. Sein famulus damals hieß Johannes Longus.

14) 1345 item a domino Hyldemaro de Ponte Lubicensis et Haymburgensis ecclesiarum canonico pro se et magistro suo Hilprando XXIIII solidos. Die Lübecker Familie von der Brügge stellte mehrere Domherren für die benachbarten Kirchen, auch für Ratzeburg.

15) 1345 a domino Johanne de Saxonia dyocesis Zwerinensis VIII solidos.

16) 1346 a domino Petro de Wismaria X solidos Bononiensis.

17) 1348 a domino Dyetmaro decano Gustroensi X solidos. Dietmar, der Notar des Nicolaus III. von Werle=Güstrow, erscheint in Meklenburg zuletzt 1348, Aug. 22 (Nr. 6874), und zwar als Thesaurarius der Güstrower Kirche. Im Jahre 1353 ist Lambrecht Dekan (Nr. 7710), nach der noch unveröffentlichten

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Nr. 9000 des Urkundenbuchs von 1362, Febr. 10, Lambertus Cropelin (s. Nr. 9) decanus Gustrowensis Caminensis dyocesis et canonicus Lubicensis.

18) 1351 a domino Johanne Pepersac X solidos. Ob dieser ein Glied der gleichnamigen Rostocker Familie? Vor ihm wird ein von Wedirden, also ein Märker, nach ihm einer von Colberg aufgenommen.

19) 1367 dominus Johannes de Bulow canonicus Gustrowensis Caminensis dyocesis dedit XX solidos. Im Jahrbuch XXXV, 184 wird Johann von Bülow, Dompropst zu Güstrow, 1404 erwähnt. Familienbuch der von Bülow I, Nr. 69.

20) 1367 Heinricus Buwenna perpetuus vicarius in Rostock VIII solidos. Dieser der Familie Buweman (Baumann) in Rostock entstammende Geistliche (Buwenna ist wohl Lesefehler) scheint, da er gleich hinter dem vorigen aufgeführt wird, dessen Begleiter gewesen zu sein. Er wird nicht identisch sein mit dem Hinrik Buwman, der im Jahre 1470 als vormaliger Besitzer des im Jahre 1464 vom Kreuzkloster zu Rostock dem Brüderhause geschenkten verfallenen Bauhofes genannt wird (Jahrb. IV, 214, 215), denn bei Krabbe, die Universität Rostock, S. 240 wird eine Schenkung dieses Heinrich Buwman aus dem Jahre 1439 erwähnt, die derselbe in dem genannten Bauhof radiciren ließ. Er hätte damals also hoher Achziger sein müssen.

21) 1367 dominus Johannes Wangelin clericus Caminensis dyocesis dedit XVI solidos. Das hohe Einstandsgeld läßt wohl schließen, daß wir es hier mit einem Gliede der adligen Familie von Wangelin zu thun haben, die u. a. auch Schwerin einen Bischof (Heinrich 1419 - 1429) gab.

22) 1368 dominus Meynhardus de Hachede canonicus Gustruensis diocesis Caminensis dedit XX solidos. Er erscheint 1371, Oct. 12, als Canonicus von Güstrow in Warin urkundlich (Urkb. X, 445, Z. 8).

23) 1374 a domino Hardolfo de Helpede magistro in artibus et licentiato in jure solidos XII. Friedländer erklärt Helpede für Helfta, Reg.=Bez. Merseburg. Es kann ebenso gut Helpte im Strelitzischen sein, dessen Besitzer (im 16. Jahrhundert ausgestorben) von Helpede geschrieben werden.

24) 1374 a domino Wernero Bulow Lubicensis et Swerinensis ecclesiarum canonico solidos XX. Jahrb. XVII, 127 wird dessen Abstammung von Heinrich von Bülow auf Plüschow, Pfandbesitzer von Wittenburg, Hagenow, Grevesmühlen, Plau und Krakow auseinandergesetzt. Familienbuch der von Bülow I, 73.

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25) 1374 a domino Henrico Bouse alias de Rene rectore ecclesie parrochialis in Schonenberg Razeburgensis diocesis pro contributione solidos XX.

26) 1381 Eberhardus Parvi Swerinensis diocesis nichil dedit.

27) 1381 Item dominus Mathias Spiegel Raczeburgensis diocesis. Beide hinter einander stehende scheinen nichts gegeben zu haben.

28) 1387 a domino Bernardo Bulow de Saxonia X solidos. Eine andere Ausfertigung nennt ihn Bulaus. Nach Jahrbuch L, 348, Nr. 1998 studirte er auch in Prag, wo er noch 1405 als decanus Tarbatensis Rector war, sein Antritt des Bisthums Dorpat als Bernhard III. muß daher nach 1405 fallen. Er starb vor 1413, März 4.

29) 1408 Dominus Michael Brede dedit X solidos.

30) 1408 Item dedit dominus Nicholaus Molenvelt de Wismaria X Bologninos. Die geringe Summe läßt ihn als Begleiter des gerade vor ihm eingetragenen Brede erscheinen, der vielleicht der Adelsfamilie Breide oder der gleichnamigen Rostocker Familie entstammte. Der Name Michael ist in letzterer nicht unbekannt Jahrb. XL, 181).

31) 1430 honorabilis dominus Bertramus Biscopp pastor in Sondis Swerinensis diocesis scholaris nationis Alamanie.

32) 1439 a venerabili et nobili viro domino Eckardo de Wenden ecclesie sancte Crucis (Zusatz et majoris) Hyldesemensis preposito nec non Halberstetensis Hildesemensis ecclesiarum canonico XX solidos Bolonienses. Hier nur angeführt, weil er der XLVII, 112 erwähnte Oheim des Hinrich Boger zu sein scheint, der demnach nicht Wendt sondern von Wenden heißt. Unter Nr. 37 wird ein zweiter Eggehard de Wenden aufgeführt, der auch Propst des hl. Kreuzklosters in Hildesheim war. Balduin von Wenden war von 1435 - 1441 Erzbischof von Bremen. Es war demnach eine vornehme, dem Lüneburger Adel entstammende Verwandtschaft.

33) 1452 a domino Godfrido Langen de Luneburch Lubicensis et Bardewicensis ecclesiarum canonico pro se et domino Borchardo de Guntersberge 1 florenum Renensem. Ersterer war, wie auch eine spätere Hand hinzusetzte: postea effectus episcopus Swyrinensis, nämlich von 1457 - 1458. Er bezahlte auch

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34) 1452 pro Johanne Repkow clerico Magdeburgensi familiari dicti domini Gotfridi IIII Bologninos, also eine ganz geringe Summe.

Ueber Gotfried Lange ist zu vergleichen Crulls Aufsatz in Jahrb. XXIV, 37, über seinen Tod besonders 40. Johannes Repkow blieb seinem Freunde auch nach dem frühen Tode treu und vertrat als Halberstädter Official 1461 des Vaters Sache gegen den resignirten Vorgänger Gottfrieds.

35) 1458 honorabilis dominus Gerwinus Rennegarne de Sundis (clericus diocesis Swerinensis) juravit et solvit XII solidos. Hier nur genannt, weil Stralsund zur Schweriner Diöcese gehört.

36) 1461 a domino Bertoldo Oldense de Luneborch canonico Suerinensi XI Bologninos; er wird noch einmal genannt 1463 als Bertoldus de Lunenburg Swerinensis ecclesie canonicus inclite nationis dominorum Alamanorum sive Theotonicorum procurator.

37) 1476 a nobili viro domino Eggehardo de Wenden Hildensheimensi canonico XVI solidos Bononienses (Zusatz: postea prepositus ecclesie sancte Crucis ejusdem diocesis). Siehe das bei 32 gesagte. Er entfernt sich 1477 aus Bologna.

38) 1476 a domino Arnoldo Seghenberg de Grippenswaldis IIII grossos Bononienses. Rechtslehrer zu Rostock nach Krabbe, Univ. Rostock, S. 245.

39) 1476 a domino Johanne Brugk de Wismaria X solidos.

40) 1478 a domino Bernardo Roer de Marchia Brandenburgensi (Havelbergensis diocesis) XIII solidos. Noch 1481 ist er Zeuge bei der Jahresabrechnung. Comthur der Johanniter zu Wildenbruch (Mark) und Nemerow (Strelitz). Vergleiche über ihn Jahrb. XLVII, 138.

41) 1479 a domino Theodrico de Bulow clerico Verdensis diocesis VIII grossos. Zusatz: postea electus in episcopum Lubuzensem (Lebus 1490 - 1523) cujus laudes veneranda celebrat posteritas, nam presulum norma fuit. Dietrich war bis 1486 in Bologna, wo er seinen doctor legum machte. 1484 findet sich über ihn folgender Eintrag: A domino Eckardo Dolgeman ecclesie parrochialis opidi Brinams plebano medium florenum Renensem quem pollicitus erat dare sed morte preventus reliquit in ultime sue voluntatis eulogio [quatuor

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Renenses florenos, quos accepit dominus Theodoricus Bulow ut executor voluntatis sue, de quibus quatuor florenis in officio nostro cum medio floreno Renensi nihil ad nos pervenit]. Zum Jahre 1486 ist sodann eingetragen: Receperunt (dicti procuratores) a domino Theoderico de Bulow legum doctore ex parte legati facti a domino Eckardo Dolgeman 4 florenos Renenses. In Folge dieser Zahlung sind die oben [ ] eingeklammerten Worte getilgt.

Eckhard Dolgemann ist bei der Greifswalder Matrikel, Jahrbuch XLIX, 79, Nr. 560, behandelt.

Dietrich bekümmerte sich zu Gunsten seiner Familie mehrfach um meklenburgische Angelegenheiten. So mischte er sich durch mehrfache Empfehlung eines Vetters Joachim von Bülow (S. Nr. 67 unten) in die Frage der Besetzung der Petri=Pfarre zu Rostock. Familienbuch der von Bülow IX, Nr. 80. Uebrigens studirte der vor ihm zum Bischof von Lebus erwählte Günther von Bünau, der die kurfürstliche Bestätigung nicht fand, auch von 1480 bis 1485 in Bologna.

42) 1480 a domino Johanne Thůn plebano ecclesie sancti Petri opidi Rostock VI grossos. Zusatz: Hic Johannes Thun postea eligebatur in episcopum Suerinensem. Thun war von 1504 bis 1506 Bischof von Schwerin (gewählt 1504, März 11, nach Jahrb. II, 190, starb 1506 nach August 28, nach Jahrb. XII, 361). Er starb also nicht, wie Jahrb. XXXVI, 164 Anm. und im Register (von 1887) steht, 1504, hieß aber auch nicht, wie Friedländer in der Anmerkung sagt, Joh. von Thun, sondern Joh. Thun. Siehe die Urk. in Jahrb. IV, 252 (nicht 255, wie im Reg. IV steht) und XXVII, 62.

43) 1480 a domino Alberto Maken canonico Raceburgensi VI grossos. Zusatz: modo episcopus ejusdem ecclesie. Albert Make war, wie Friedländer nach Masch Gesch. d. Bisth. Ratzeburg, S. 388, hervorhebt, nicht Bischof, sondern nur Prior des Domkapitels zu Ratzeburg und zeitweise daneben (nach Jahrb. XV, 304) Verweser der Propstei zu Rehna. 1484 war er noch zu Bologna als Zeuge der Jahresabrechnung.

44) 1487 a domino Henrico Bocholt canonico ecclesie Utinensis octo grossetos. Mit dem westphälischen Bocholt, wie Friedländers Register annimmt, hat dieser Bokholt aus Hamburg nichts zu thun. Nach dem Canonikat von Eutin erhielt er ein Lübecker, dann wurde er Lübecker Domprobst und 1523 Bischof.

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Seine Beziehungen zu Heinrich Boger (s. Jahrb. XLVII, 114, 136) verschaffen ihm hier Aufnahme.

45) 1489 a domino Henrico de Leveszow de Rostock Swerinensis diocesis VI grossos. Jahrb. XLIX, 83, Nr. 662 bei Greifswald behandelt, wo er Professor war.

46) 1489 a domino Heyno clerico Swerinensis diocesis VI grossos.

47) 1491 a domino Andrea Begker Magdeburgensis diocesis XXI Bolendinos quadrinos IIII. Er wird 1499 als artium et utriusque juris doctor de Magdeburg zum Rechtslehrer in Rostock erwählt. Krabbe, Univ. Rostock, S. 246 und 244 Anm.

48) 1491 a domino Ulrico Malchove Bolendinos XVIIII quadrinos III. Bereits behandelt in Jahrb. XLIX, 83, Nr. 665 bei der Matrikel von Greifswald, in welche er als Dr. jur. 1493 eingetragen wurde. S. auch Krabbe, Univ. Rostock, S. 307.

49) 1491 a domino Johanne Schilt Suerinensis diocesis XV Bolendinos quadrinum I.

50) 1492 a nobili viro domino Busso de Alvensleve medium florenum Renensem. Zusatz: Hic Busso de Alvensleve bonarum litterarum virtutisque sui ornamentis in episcopum Havelbergensem electus et confirmatus est anno 1523. Er war Bischof von Havelberg von 1522 - 1548. Auch sein älterer Namensvetter und Vorgänger im Bisthum, Busso I. von Alvensleben, hatte seit 1480 in Bologna studirt, allein da Busso I. schon 1493 starb, dieser Busso II. dagegen noch im Jahre 1502 als Zeuge (sindicus) bei der Jahresabrechnung der deutschen Nation zu Bologna erscheint, zu welcher Zeit Heinrich Boger daselbst lebte, so ist dessen in den Jahrbüchern XLVII, 118 erwähnte Gedicht für den Doktorschmaus Bussos auf Busso II. zu beziehen.

51) 1492 a nobili viro Otto Schacken 6 grossetos.

52) 1492 a honorabili viro Petro Schadelkaw 6 grossetos.

Diese beiden gleich auf Busso v. Alvensleben folgenden Personen scheinen zusammen zu gehören und weist der honorabilis dem letzteren eine untergeordnete Stellung an. Otto Schack erscheint 1501 als Domherr von Ratzeburg Jahrbuch XII, 358).

53) 1495 a domino Hermanno Bussio de Westvalia grossetos 6. Seine Beziehungen zu Rostock und Wismar siehe Krabbe, Univ. Rostock, S. 259 ff.

54) 1498 a domino Henningo Lotze Caminensis diocesis Bologninos XXIIII. Ein Henning Lotze wurde Archidiakon von

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Triebsees und Canonikus von Schwerin, und erscheint als solcher noch bei der Uebernahme der Administration des Bisthums Schwerin durch Herzog Magnus von Meklenburg 1532 (Jahrb. XXIII, 248). Ein anderer (oder derselbe) Henning Loetz (Loitze), Camminer

Diöcese, war Sohn des Bürgermeisters von Greifswald, Wedego Loetz, und Ulrich von Huttens Feind (Krabbe, Univ. Rostock, 267).

55) 1499 a domino Joanne Blanckenfelt Brandenborgensis diocesis medium ducatum. Zusatz: Johannes Blankenfeldt de Berlin episcopus Regensis obiit nunc. Joh. Bl. war Bischof von Reval von 1514 - 1524, von Dorpat von 1518 bis 1527, Erzbischof von Riga von 1524 - 1527. Zu seiner Doctor=Promotion verfaßte Boger ein Epithalamion (Jahrb. XLVII, 118).

56) 1500 domino Henricus Bromsse Lubicensis medium ducatum. Aus seinen Aufzeichnungen, mitgetheilt Jahrb. VIII, 195, ging bereits hervor, daß er mit Herzog Erich (Nr. 57) in Bologna studirte. Hier ist die Gewißheit. Er war sogar, als Erich 1502 kam, Procurator, und vollzog die Aufnahme desselben. Vergl. auch Jahrb. XLVII, 123.

57) 1502 Illustris princeps et dominus dominus Ericus Magnopolie dux, Wandalie princeps, comes Swerinensis, Rostochii et Stargardie dominus, pro se et familia videlicet:

58) domino Henrico Boger theologie doctore decano ecclesie collegiatae Rostockcensis.

59) domino Levino de Velthem, filio Henrici de Velthem (Zusatz: Hildesemensis diocesis nunc ejusdem ecclesie prepositus.)

60) domino Johanne Katten.
61) domino Nicolao Karckdorp.
62) domino Joachim et
63) domino Ludolpho Moltzaen fratribus.
64) domino Johanne Unwerde. (Zusatz: obiit hîc.)
65) domino Johanne Sulter florenos sex.

Zusatz zu 62: Hic miles auratus factus regi Gallorum et duci Mediolani a consiliis fuit.

Zusatz zu 63: Hic Pavie obiit, demum frater repudiatis litteris milicie operam locavit et felicissime quidem, nam non parum accessionis bonis paternis adjunxit.

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66) 1502 Dominus Detlevus Ransow Bremensis dyocesis medium florenum.

Zum Jahre 1503 steht zu Dietlevus de Rantzo, der zum procurator erwählt war: qui obiit eodem anno.

Ueber Herzog Erichs Aufenthalt zu Bologna handelte schon Krause im Jahrb. XLVII, 122 ff., in dem schon mehrfach angeführten Aufsatze über Heinrich Boger. Die Matrikel bestätigt manche seiner Annahmen über das Gefolge des jungen Herzogs. so in Betreff Bogers und Kattes (S. 122). Die von Krause vermutheten Maxmilian, Heinrich und Richard (Greifenklau) finden sich nicht durch die Matrikel bestätigt, doch finden sich in ihr, und zwar wie Krause richtig vermuthete, als selbständiger Student, Detlev von Rantzau, dessen Tod auf der Heimreise Boger besingt (S. 123), und dessen ebenso die Matrikel Erwähnung thut. Claudius konnte als Savoyer gar nicht in der Matrikel, die ja nur Deutsche umfaßt, gesucht werden.

Was die einzelnen Begleiter anbetrifft, so ist über Boger außer Krauses Aufsatz noch Jahrb. XII, 379, 499 zu vergleichen.

Levin von Veltheim war später als Propst von Friedland mit Meklenburg verbunden (Jahrb. XII, 143).

Ueber Dr. Johann Katte vergleiche neben Jahrb. XLVII, 122, Anm. 9 noch V, 146; XII, 143; XXXIX, 188.

Klaus von Kardorff ist entwder der in Masch, Familie von Kardorff §. 28, behandelte, auf Grantzow, oder eher noch der §. 38 genannte auf Schabow.

Joachim Maltzans Lebensabriß ist in Jahrbuch XX, 3 ff.

Aus der Matrikel sehen wir, daß Joachim und Ludolf schon vor ihrer Immatrikulation in Leipzig eine Universität besucht hatten; die Universität, welche sie nach ihrer Gefangenschaft besuchten, war wohl Pavia, wo Ludolf - wie wir hier lernen - starb. Joachim wurde auch in Wittenberg in die Matrikel eingetragen, Jahrb. XLVIII, 62, Nr. 115, 130.

67) 1507 Dominus Joacheimius de Bulaw I florenum Reinensem, nach einer Einzeichnung zu 1510, wo er Procurator der Nation war, diocesis Ratzeburgensis. Er war wohl der nach Jahrb. III, 86 mehrfach, zuletzt 1507, zum Pfarrer von Rostock vorgeschlagene. Sein Vetter, der Vorschlagende, hatte ja auch Bolognas Schule an sich erprobt. Siehe Nr. 41. Joachim studirte übrigens noch 1513, wo er der Jahresabrechnung als Zeuge beiwohnte, † 1587. Familienbuch der von Bülow IX, Nr. 35.

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68) 1508 Dominus Joannes Oldendorp Hamburgensis quinque Carlinos. Daß wir den Rostocker Stadtsyndicus und Förderer der Reformation vor uns sehen, zeigt der Zusatz: ejus opuscula in jure extant. Dieselben finden sich zum Theil aufgeführt Jahrb. IV, 115, 174, 175, 179. Ueber sein Leben s. Krabbe, Univ. Rostock, 374 ff., 402 ff. Ueber seinen Weggang von Rostock besonders Jahrb. XXIV, 156 und Krabbe 406.

69) 1518 a domino Jodoco de Dewitz unum florenum Renensem.

70) 1521 dominus Theodericus de Moltzan terrae Schlaviae hereditarius marscalcus inscriptus dedit 1 florenum Renensem. Er war noch bis 1524 in Bologna nach mehrfachen Erwähnungen der Matrikel. Dietrich Maltzan auf Grubenhagen († 1563), für die meklenburgische Reformation wohl die einflußreichste Persönlichkeit, als solche gewürdigt Jahrb. XVIII, 8 und XXIV, 54. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., 19, 25. Derselbe giebt noch einmal 1523 pro inscriptione 50 Bologninos und weiter 1524 ex debito 24 Bolandinos 3 quadrantes, ein Beweis, daß auch dem wohlhabendsten Bruder Studio im fernen Welschland "der Wechsel ausbleiben" konnte. Vorher (1514) finden wir ihn in Wittenberg, Jahrb. XLVIII, 60, Nr. 80.

71) 1523 a domino Theodoro Moltzan nomine Joannis Hilbrandi 25 Bologninos.

72) 1534 a nobili domino Georgio a Schleinitz. Er war später am Hofe Herzog Johann Albrecht des I. Schirrmacher, Herzog Joh. Albr. I., Bd. 1, 760.

73) 1541 a domino Thimotheo Jung Augustano Bononienses 55 quatrinos 3, und dann 1547 dominus Thimotheus Jung Augustanus Ferrarie sub Alciato in doctorem juris promotus VIII. Junii libras duas. Jung war für Meklenburg wichtig als kaiserlicher Commissar im Streite der Herzöge Johhann Albrecht und Ulrich mit Rostock, 1567 und 1568. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I, Bd. 1, 600 - 634, 697, 714.

74) 1542 a domino Johanne Hofman Lignicensi unum coronatum, und dann 1543 nobilis dominus Joannes Hofman Silesius legum doctor libras tres Bononenos decem et octo. Er wurde 1547 als Professor des Civilrechts nach Rostock berufen, (als Wratislaviensis bezeichnet), blieb es bis 1557. Krabbe, Univ. Rostock, 469. Er war als Rath des Herzogs Johann Albrecht "von Haus aus" mehrfach, auch nach seinem Fortgange nach Königsberg,

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thätig. Siehe Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 288, 296, 307, 379, 523, 649.

75) 1545 dominus Joachimus Mollerus Hamburgensis libras quatuor. Zunächst in Braunschweig=Lüneburgischen Diensten, dann 1573 als Kanzler Herzog Ulrichs auftretend. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 746.

76) 1548 dominus Christophorus Arend ab Acken ad Albim Saxo libras quattuor. Rath Herzog Johann Albrechts bei der Handlung zu Jüterbogk, 1561. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 388.

77) 1555 dominus Georgius Kummer libras duas. Ob dieser der spätere Rostocker Professor des Rechts, Georg Kummer aus Meißen, war? Krabbe, Univ. Rostock, 691. Man war vielleicht durch Lambert Kirchhoff (Nr. 79) auf ihn aufmerksam geworden. Nach Rost. Etwas 1738, S. 829 ereilte ihn ein trauriges Geschick. Er wurde unschuldiger Weise geköpft.

78) 1555 Dominus David Peiferus liberalium artium et philosophiae magister poeta laureatus Lipsensis libras duas. Nach Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 388, war er Rath desselben bei dem Tage zu Jüterbogk, 1561. Er ging auch 1565 als Gesandter nach Polen (ebenda 651). Vergl. auch S. 678.

79) 1555 dominus Lampertus Kyrckhoff Rostockiensis libras duas. Dr. Lampert Kirchhoff spielt 1559 als Anhänger des Johannes Drach (Draconites) zu Rostock eine Rolle (Jahrb. XIX, 110, 122). Ebenso während des Streits mit den Herzögen. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 495.

80) 1555 nobilis dominus Gotslavus Rotermundt Pomeranus libras quatuor. Rath Herzog Ulrichs. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1. 584, 607, 683.

81) 1555 nobilis dominus Joachimus Wopersnow Pomeranus, libras quatuor. Rath Herzog Ulrichs. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I, Bd. 1, 493, 561, 584, 683, 704, 706, 754.

82) 1556 Dominus Joannes Richius Annoverensis juris utriusque doctor libras duas. Er geht 1565 als Rath Herzog Johann Albrechts nach Polen. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 651.

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83) 1557 dominus Joachimus Kettelius Pomeranus libras duas. Er ist wenig später Rath Herzogs Johann Albrecht I. und 1562 Mitgesandter desselben an Herzog Christoph nach Riga. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 637.

84) 1557 nobilis dominus Georgius a Below Pomeranus, libras quatuor. Wohl nicht der bei Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 521 erwähnte Rath Herzog Ulrichs, der nach S. 535 auf Kargow ansässig war, und nach S. 387 vorher in Herzog Johann Albrechts Diensten als Amtmann in Güstrow stand.

85) 1559 dominus Christianus Farenheid Rostockiensis libras duas. Studirte vorher zu Königsberg, 1547, (Jahrb. XLIX, 129, Nr. 1794) und Frankfurt a. d. Oder (1557, Jahrb. L, 360, Nr. 2262), nach Bologna noch zu Wittenberg (Juni 1560, Jahrb. XLIX, 111, Nr. 1362).

86) 1559 dominus Laurentius Panklou Rostochiensis libras duas. Er war 34 Jahre lang, seit dem Jahre 1560 juristischer Professor zu Rostock. Krabbe, Univ. Rostock, 687. Studirte vorher (1555) in Frankfurt a. O. Jahrb. L, 359, Nr. 2252.

87) 1559 Dominus Joannes Kolerus Saxo libras duas. Secretair Herzogs Christoph von Meklenburg, mit ihm in Polen gefangen. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 648.

88) 1559 illustres et generosi domini Philippus et Hernestus fratres comites in Mansfelt pro se et praeceptore domino Henrico Sibero libras sexdecim. Heinrich Sieber wurde 1572 neben Johannes Caselius (Nr. 89) Lehrer der Söhne Herzogs Johann Albrecht (Jahrb. XIX, 26). Als solcher in der Jenaer Matrikel 1578. Jahrb. XLVIII, 66, Nr. 182.

89) 1560 dominus Joannes Caselius Gothingus libras quatuor Bononienses tres. Johann Caselius "der größte und berühmteste Mann aus der Regierungszeit Johann Albrechts I." Ueber seine Sendung nach Italien siehe Jahrb. XIX, 19. Daß sein Bruder Christoph (Nr. 94) ihn dort ablöste, ebenda 21. Sonst Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, an den verschiedensten Stellen, besonders S. 764 ff.

90) 1560 nobilis dominus Bernhardus Bugenhagen Pomeranus libras quatuor Bononienses tres. Bugenhagens Beziehung zu Caselius stammt aus dessen Aufenthaft zu Fürstenberg, wo Bugenhagens Vater Voigt, des Caselius Vater Schulmeister war (Jahrb. XIX, 9). Bugenhagen wird von Herzog Johann

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Albrecht daher 1563 als civis meus bezeichnet (ebenda 48). Siehe auch Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 760.

91) 1560 nobilis dominus Joachimus Hane Megapolensis libras quatuor Bononienses tres. Daß Joachim Hahn von Basedow nicht nur, wie wir hier sehen, damals mit Caselius zusammen in Bologna lebte, sondern auch während des zweiten Aufenthalts des Caselius in dessen Hause war, siehe Jahrb. XIX, 23. Vergl. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 760.

92) 1560 dominus Zacharias Weise Freistadiensis Silesius libras duas. Rostocker Advokat, besonders gelegentlich des Streits mit den Herzögen hervortretend. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 567 ff., 631, 682.

93) 1561 dominus Antonius Witershemius Hagensis libram unam cum dimidia. Rostocker Stadtsecretair, dann Stadtadvokat. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 593, 608, 610, 631, 682, 698.

94) 1561 Dominus Christophorus Caselius Gothingius libras duas. Der Brüder Zusammensein in Bologna ist aus des Johann Caselius Brief von 1561 zu deuten (Jahrb. XIX, 35, Anm. 3).

95) 1561 nobilis dominus Henricus a Luhe Megapolensis unum coronatum. Er spielte unter Herzog Johann Albrecht auch eine politische Rolle, u. a. sandte er ihn auf Husans Betrieb 1570 mit einer Gesandtschaft nach Frankreich (Jahrb. VIII, 114), 1569 wird er noch als Rath des Herzogs Julius von Braunschweig bezeichnet. Schirrmacher, Herzog Johann Albrecht I., Bd. 1, 756. 1551 studirte er zu Greifswald, Jahrb. XLIX, 88, Nr. 781.

96) 1562 Dominus Samuel Fabricius Megapolitanus libras duas. Ueber Fabricius, des ersten Meklenburgischen Archivars, Aufenthalt in Italien siehe Jahrb. XIX, 20. Ueber seinen Tod 1592, Jahrb. XVIII, 103.

Mit ihm schließt die Matrikel. Die nun folgende Doctorenmatrikel ergiebt für Meklenburg nur geringe, im obigen gleich mit verarbeitete Ausbeute.

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Personen=Register.


Herzog Erich von Meklenburg 57.

A lvensleben, von 50.
Arend 76.
B aumann 20.
Begker 47.
Below, von 84.
Bisschop 31.
Blanckenfelt 55.
Bocholt 44.
Boger 58.
Bouse 25.
Brede 29.
Brömsse 56.
Brugk 39 s. Ponte, de.
Budde 7.
Bugenhagen 90.
Bukau, von 10.
Bülow, von 19, 24, 28, 41, 67.
Busch 53.
C aselius 89, 94.
D ewitz, von 69.
Dietmar 17.
Dolgeman 41.
F abricius 96.
Farenheid 85.
G ikow, de 2.
Gröpelin 9.
Guntersberge, von 33.
H achede, de 22.
Hahn 91.
Heino 46.
Helpede, de 23.
Hilprand (Hilbrand) 14, 71.
Hofman 74.
J ung 73.
K ardorff 61.
Katte 60.
Kettelius 83.
Kirchhoff 79.
Klein (Parvus) 26.
Kolerus 87.
Kummer 77.
L ange 33.
Leveszow, de 45.
Lotze 54.
Lühe, von der 95.
M ake 43.
Malchow 48.
Maltzan, von 62, 63, 70.
Molenvelt 30.
Moller 75.
N ortmann 5.
O ldendorp 68.
Oldensee 36.
P anklow 86.
Parchim 12.
Pepersac 18.
Pfeifer 78.
Plesse, de 3.
Ponte, de 13, 14 s. Brugk.
R antzau 66.
Rhena, de 25.
Rennegarn 35.
Repkow 34.
Richius 82.
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Rohr 40.
Rostock, de 1, 11.
Rotermundt 80.
S axonia, de 15.
Schack 51.
Schadelkow 52.
Schilt 49.
Schleinitz, von 72.
Schwerin, de 4, 6.
Seghenberg 38.
Siberus 88.
Soldman 8.
Spiegel 27.
Sulter 65.
T hun 42.
U nwerd 64.
V eltheim 59.
W angelin 21.
Weise 92.
Wenden, von 32, 37.
Wietersheim 93.
Wismaria, de 16.
Wopersnow 81.

 

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IV.

Meklenburg und der 7jährige Krieg.

Von

W. v. Schultz,

Oberst im Großherzoglichen Meklenburg=Schwerinschen Militär=Departement.


Einleitung.

N ach mannigfachen Verschiebungen in der Gruppirung der Großmächte hatte sich die allgemeine politische Lage Europas im Frühling des Jahres 1756 so gestaltet, daß die Kaiserinnen von Oestreich und Rußland ihren ursprünglichen Plan, den König von Preußen noch in diesem Jahre mit Krieg zu überziehen, aufgegeben, den Angriff aber definitiv auf das kommende Frühjahr verabredet hatten. Zu gleicher Zeit hatte Oestreich mit Frankreich ein Defensiv=Bündniß abgeschlossen - 1. Mai -, welches die letztgenannte Macht verpflichtete, Oestreich, falls es angegriffen würde, mit 32,000 Mann zu Hülfe zu kommen. Zu Weiterem hatte sich König Louis XV. vorläufig nicht herbeilassen wollen, doch hoffte man in Wien mit voller Bestimmtheit, daß es der Geschicklichkeit des Grafen Starhemberg in Versailles gelingen werde, mit Hülfe der Marquise Pompadour den König zu bewegen, im nächsten Frühjahr dem Offensiv=Bündnisse der beiden Kaisermächte mit dem ganzen Gewicht seiner Streitkräfte beizutreten.

Von diesen Plänen wurde König Friedrich II. um die Mitte des Juni auf das Genaueste unterrichtet; theils durch die Berichte seiner Diplomaten und Generale, theils durch die zwischen den Höfen von Wien, Petersburg und Dresden gewechselten Depeschen, welche ihm ein erkaufter Secretair des östreichischen Gesandten in

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Berlin und der sächsische Kanzlist Mentzel abschriftlich übermittelten, theils aber auch durch vertrauliche Briefe "von hoher Hand" aus Petersburg. 1 ) Der König ersah aus allen diesen im Wesentlichen gleichlautenden Mittheilungen mit völliger Sicherheit, daß er im Frühjahr des Jahres 1757 gegen eine überwältigende Uebermacht zu kämpfen haben werde, aber auch, daß er, wenn er sich entschlösse, sofort das Schwert zu ziehen, in diesem Jahre nur die Armeen Oestreichs und Sachsens, und auch diese nur unvollkommen gerüstet, gegen sich im Felde finden würde.

König Friedrich schwankte keinen Augenblick. Nachdem er dem englischen Gesandten Mitchel, als dem Vertreter der einzigen Macht, von welcher ein Bündniß für Preußen zu erhoffen war, seinen Plan enthüllt und auf dessen dringende Vorstellungen vor dem Losschlagen zwei, jedoch vergebliche Sommationen an die Kaiserin Maria Theresia gerichtet hatte überschritten seine völlig kriegsbereiten Colonnen am 29. August die sächsische Grenze und hiermit begann der gigantische Kampf, welcher fast 7 Jahre lang die gesegneten Fluren des deutschen Vaterlandes zum Kriegsschauplatz für die Heere aller Großmächte Europas machte. -


Die Lage Meklenburgs bei Ausbruch des Krieges.

Während so die Kriegswetter von allen Seiten heraufzogen, hatte im Herzogthum Meklenburg=Schwerin am 31. Mai 1756 Herzog Friedrich den Thron seiner Väter bestiegen.

Es war eine schwere Zeit für die meklenburgischen Lande, als dieser edle, pflichtgetreue Fürst, welchen sein Volk "den Frommen" beigenannt hat, die Zügel der Regierung in seine Hände nahm. Wenn der Ausbruch eines Krieges zwischen zwei Großmächten schon an und für sich eine mißliche Situation für ein kleines Land schafft, welches durch seine geographische Lage in der Machtsphäre beider oder auch nur eines der kriegführenden Staaten liegt und eine strikte Neutralität oft beim besten Willen nicht aufrecht zu erhalten ist, so war die Lage Meklenburgs beim Ausbruch des Krieges zwischen Preußen und Oestreich eine im höchsten Grade gefahrdrohende, weil der Krieg mit der gewaltsamen Besitznahme des


1) Man nimmt bestimmt an, daß Großfürst Peter der Schreiber dieser Briefe gewesen ist, obwohl sich dieselben nirgends in den Archiven vorgefunden haben.
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Staates eines anscheinend gänzlich unbetheiligten Reichsgliedes durch die preußische Armee begann und dadurch dem deutschen Kaiser eine Handhabe gegeben wurde, die Angelegenheit als einen Friedensbruch innerhalb des deutschen Reiches anzusehen und vor das Forum des Regensburger Reichstages zu bringen. Dort mußte jeder, auch der kleinste und friedlichste Staat Farbe bekennen und konnte durch Majoritätsbeschluß gezwungen werden, sich activ an einem Kriege zu betheiligen, an dessen Entstehen er nicht die allermindeste Schuld trug. Dazu kam, daß Herzog Friedrich von Meklenburg sich bei seiner Thronbesteigung in Folge der von Preußen gegen sein Land wegen der Werbestreitigkeiten ausgeübten Gewaltthätigkeiten thatsächlich fast im Kriegszustande mit seinem mächtigen Nachbar befand und die Stimmung zwischen den beiden Regierungen eine hochgradig erbitterte war. Zwar hatte der Herzog, dessen Charakter=Grundzug die aufrichtigste Friedensliebe war, nach seinem Regierungsantritt unverzüglich Schritte gethan, um die widrigen Werbestreitigkeiten beizulegen und seinen fortgesetzten Bemühungen war es auch Anfang August dieses Jahres gelungen, einen Vertrag zustande zu bringen; allein, da der König sich weigerte, den Vergleich in der Fassung, in welcher derselbe zwischen den beiderseitigen Comitialgesandten in Regensburg, dem Freiherrn von Plotho und dem Baron Teuffel von Pürkensee abgeschlossen war, zu ratificiren, so waren, als der Krieg zwischen Oestreich und Preußen ausbrach, die Zwistigkeiten nicht nur nicht beigelegt, sondern die langjährigen gespannten Beziehungen zwischen beiden Fürstenhäusern hatten an Schärfe erheblich zugenommen. Man hatte das Spiel, welches Preußen mit Meklenburg getrieben, am Schweriner Hofe jetzt völlig durchschaut. Der Freiherr von Plotho hatte den Vertrag, welcher die meklenburgischen Forderungen fast ausnahmslos zugestand, abschließen müssen, um zu verhindern, daß die, wie man sich in Berlin nicht verhehlen konnte, durchweg begründeten Beschwerden über die bei Gelegenheit der preußischen Werbungen in Meklenburg verübten Gewaltthaten, welche die Schweriner Regierung im Februar und März dieses Jahres bei Kaiser und Reich vorgebracht hatte, bei der Reichsversammlung in Regensburg zum Diktamen gebracht wurden. Geschah dies, so war, da das Haus Oestreich über eine erdrückende Stimmenmehrheit im Reichstage frei verfügte, ein gegen das Kurfürstenthum Brandenburg gerichtetes Reichsgutachten, und demnächst die Reichsexekution leicht herbeizuführen, welche König Friedrich nun seinerseits nicht abgewartet, sondern durch einen raschen Angriff beantwortet haben würde. Einen wesentlich anderen Verlauf würden dadurch allerdings die Ereignisse nicht genommen haben,

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denn im August, als der König die Ratificirungen des Vertrags verweigerte, war die Eröffnung des Feldzugs bei ihm festbeschlossene Sache. Aber es war in den Augen Europas doch ein Unterschied, ob König Friedrich den Krieg als Reichsfürst begann, welcher Gewalt und Unrecht gethan und sich nun gegen Kaiser und Reich auflehnte, oder ob er als Herrscher einer Großmacht das Schwert zog, um eine Provinz zu vertheidigen, welche er allerdings erst vor kurzem erobert, aber deren Besitz ihm durch die Friedensschlüsse von Breslau und Dresden feierlich zugesprochen war. Lediglich aus diesem Grunde hatte der König den für Meklenburg so günstigen Vertrag abschließen lassen, mit der bestimmten Absicht, demselben durch Verweigerung der Ratifikation keine bindende Kraft beizulegen.

In Meklenburg dagegen hatte man die Sache ganz anders aufgefaßt. Von Ministern und Diplomaten liegen Briefe bei den Akten, in welchen über den abgeschlossenen Vertrag als über einen erfochtenen Sieg triumphirt wird. Um so größer war die Enttäuschung und Erbitterung der Regierung, als man sich so gründlich getäuscht sah, und ganz frei wird Herzog Friedrich von diesem Gefühle auch nicht gewesen sein.

Dazu kam beim Herzog ein tief eingewurzeltes Mißtrauen gegen die Absichten des Königs von Preußen und die lebhafte Befürchtung, selbst ein Opfer seines gewaltthätigen Nachbars zu werden. Was hatte er von einem mächtigen König, dessen Schwadronen mitten im tiefsten Frieden sein Land von einem Ende zum anderen durchzogen hatten, um sich Rekruten zu holen und welcher höhere Beamte und die Pächter seiner Domainen als Missethäter auf die Festung Spandau hatte bringen lassen, beim Ausbruch eines Krieges zu erwarten, welcher ganz Europa in Flammen zu setzen drohte? Konnte seinem Lande nicht dasselbe Schicksal bereitet werden wie Sachsen, welches der König, wie der Herzog annahm, ohne Grund überfallen hatte?

Für die meklenburgische Regierung gab es drei Wege, welche sie einschlagen konnte, wenn der Kaiser den Einfall der Preußen in Sachsen zur Reichssache machte: sie konnte sich auf Seite Oestreichs stellen, sie konnte mit Preußen gehen oder sie konnte endlich für eine Vermittelung durch das Reich stimmen, wie es mit anderen Reichsständen Meklenburg=Strelitz that, welches durch dies Verfahren die Leiden des Krieges fast ganz von seinen Grenzen fern hielt. Wäre die Schweriner Regierung nur den oben geschilderten Gefühlen der Gereiztheit, des Mißtrauens und der

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Furcht gefolgt, so würde sie dem Baron Teuffel in Regensburg dieselbe Rolle zugewiesen haben, wie sie dem Comitial=Gesandten, welcher die Stimme von Meklenburg=Strelitz führte, von der dortigen Regierung zu Theil wurde. Dadurch würde aber die Schweriner Regierung sich das Wohlwollen des Wiener Hofes und seiner Verbündeten völlig verscherzt haben. Und dies Wohlwollen glaubte man in Schwerin schlechterdings nicht entbehren zu können, denn man knüpfte dort an den glücklichen Ausgang des Krieges eine Hoffnung, deren Erfüllung für das Land von hervorragender Wichtigkeit war.

Im Jahre 1735 hatten die hannöversch=braunschweigischen Executionstruppen, sowie diejenigen preußischen Regimenter, welche König Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1733 in Meklenburg hatte einrücken lassen, das Land geräumt. Beiden Staaten waren aber, weil der Herzog=Administrator Christian Ludwig nicht im Stande gewesen war, die Executionskosten zu zahlen, 12 Aemter verpfändet worden und zwar 8 an Hannover 1 ) und 4 an Preußen. 2 ) Später hatte der Herzog wiederholt versucht, die Aemter auszulösen, hatte dies aber nicht erreichen können, trotzdem er die volle Summe mit Zinsen offerirte. Jetzt schien die Gelegenheit günstig. Siegten Oestreich und seine Bundesgenossen und ging die Schweriner Regierung mit ihrer Simme in Regensburg den noch schwankenden evangelischen Reichsständen mit gutem Beispiel voran, secundirte überhaupt alle Pläne des Kaiserhauses, so war anzunehmen, daß der Wiener Hof als Gegenleistung dem Herzog Friedrich beim Friedensschluß die 4 an Preußen verpfändeten Aemter sicher, vielleicht auch die 8 an Hannover verpfändeten wieder verschaffte.

Die Regierung ging aber in ihren Hoffnungen noch weiter; sie gedachte sich das Herzogthum Sachsen=Lauenburg, welches jetzt der Krone Hannover gehörte und auf welches das meklenburgische Fürstenhaus einer alten Erbverbrüderung zu Folge Anrecht zu haben glaubte, beim Friedensschlusse durch anderweitige Entschädigung Hannovers zu verschaffen, und die Stadt Wismar mit den Aemtern Poel und Neukloster, welche im westfälischen Frieden an Schweden abgetreten war, wieder zu erlangen.

Dies waren die Gefühle, die Wünsche und die Hoffnungen Herzog Friedrichs und seiner Räthe, als im September des Jahres 1756 die Nothwendigkeit an sie herantrat Farbe zu bekennen und


1) Boizenburg, Grevesmühlen, Gadebusch, Rehna, Wittenburg, Meklenburg, Zarrentin und Bakendorf.
2) Plau, Eldena, Marnitz und Wredenhagen.
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sich für Oestreich oder für Preußen zu entscheiden. Wir sehen aus Allem, daß der Herzog nicht, wie manche Geschichtsschreiber demselben vorgeworfen haben, lediglich von Haß und Rachsucht geleitet, in verblendetem Leichtsinn handelte, als er in die erste Linie derer trat, welche gegen Preußen Front machten, sondern daß er nach einem wohl überlegten Plane verfuhr, dessen Chancen er nach allen Richtungen hin mit seinen Räthen auf das Sorgfältigste geprüft hatte.

Der Herzog verkannte die Gefahren, welche seine Stellungnahme gegen den mächtigen Nachbar im Gefolge haben konnte, keineswegs und es ist wohl denkbar, daß er nicht so unbedingt den Rathschlägen seiner Minister gefolgt wäre und nicht so hartnäckig an dem gefaßten Entschlusse festgehalten hätte, wenn nicht seine ganze Sinnes= und Gemüthsart in vollem Einklang mit dem gewesen wäre, was ihm die Räthe seiner Krone als vortheilhaft für das Ansehen seines Hauses und das Wohl des Landes dargestellt hatten. Herzog Friedrich war ein frommer und gottesfürchtiger Herr, welcher sich täglich in ernsten Betrachtungen und eifrigen Forschungen in der Bibel die schweren Pflichten, welche Gott auf seine Schultern gelegt hatte, vor Augen führte. Er haßte Gewalt und Unrecht, und Blutvergießen, selbst in dem gerechtesten Kriege, widerstrebte dem Fürsten auf das Aeußerste. Bei solcher Sinnesart war es erklärlich, daß dem Herzog der Krieg, den Friedrich der Große zur Eroberung Schlesiens unternommen hatte, als schwere Versündigung gegen Gottes Gebot erschienen war, und als nun derselbe König in Sachsen einfiel, ohne Grund wie er annahm, da er die hervorragende Thätigkeit König Augusts für die Coalition gegen Preußen nicht kannte, erblickte er in Friedrich II. wiederum den Störer des europäischen Friedens und stand mit seinem Herzen voll und ganz auf der Seite Oestreichs und seiner Verbündeten. Da seine religiöse Ueberzeugung billigte, was ihm sein Verstand als vortheilhaft für das Wohl seines Landes hinstellte, wurde ihm sein Entschluß nicht altzu schwer.

Eine andere Frage ist es freilich, ob der Weg, den die Regierung einschlug, im gegebenen Augenblick auch wirklich der Staatsklugheit gemäß war. Auch hier können wir nicht so unbedingt in den Tadel derer einstimmen, welche dem Herzog vorwerfen, er habe durch seine Parteinahme gegen Preußen das unsägliche Elend, welches über Meklenburg hereinbrach, allein verschuldet, wir finden im Gegentheil diesen Vorwurf hart und ungerecht, denn der so Urtheilende versetzt sich nicht in die Zeit und die Lage der handelnden

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Personen, was doch jeder gerechte Kritiker thun soll, sondern urtheilt einzig und allein nach dem Erfolg. Und wie war denn im September 1756 die politische Lage in Europa? Der König von Preußen, welcher sich wohl in zwei Feldzügen als tüchtiger Heerführer gezeigt hatte, aber noch keineswegs, wie nach dem 7jährigen Kriege, als weltbewegendes Genie von ganz Europa angestaunt wurde, war im zweiten schlesischen Kriege nur mit großer Mühe und unter enormen eigenen Verlusten der östreichischen Armeen Herr geworden. Nun sollte er den vereinten Heeren Rußlands, Oestreichs, Frankreichs und wahrscheinlich auch Schwedens die Spitze bieten, ohne Bundesgenossen, denn auf Englands Hülfe, welches unter dem energielosen Ministerium Newcastle im Seekriege gegen die Franzosen Schlappe auf Schlappe erlitt, konnte man mit Sicherheit nicht rechnen. War es unter diesen Umständen dem Herzog und seinen Räthen als politische Kurzsichtigkeit zuzurechnen, wenn sie an den Sieg der übermächtigen Coalition glaubten und auf die Seite der mächtigen Freunde traten, von denen sie sich Schutz gegen einen gewaltthätigen Nachbar und außerdem gewichtige Vortheile versprachen?

Eins müssen wir hier noch erwähnen, um die unbedingte Fügsamkeit der meklenburgischen Regierung unter den Willen Oestreichs zu erklären. Seit der Thronentsetzung der beiden Herzöge während des dreißigjährigen Krieges und der Suspension Carl Leopolds von der Regierung im Jahr 1728, hatte sich die kaiserliche Autorität in Meklenburg so fühlbar gemacht, wie in keinem anderen Staate des Deutschen Reichs. Während der langen Administration des Landes unter Herzog Christian Ludwig regierte sogar der Kaiser durch den Reichshofrath, welcher wiederum mit den meklenburgischen Ständen in enger Verbindung stand, in so unumschränkter Weise, daß er sich dem Herzog Friedrich sehr ungnädig bezeigte, als dieser die Werbestreitigkeiten mit Preußen, welche sein Vorgänger bereits bei Kaiser und Reich anhängig gemacht hatte, durch einen Vertrag gütlich zu begleichen suchte, weil dem Kaiser dadurch die Gelegenheit genommen wurde, den König von Preußen in den Augen Europas eclatant ins Unrecht zu setzen. "Wenn man so wankelmüthig in Schwerin ist, wird Kaiser und Reich auch nicht eine Hand zur Hülfe rühren, wenn es dem König wiederum gefallen wird, seine Schwadronen in Meklenburg einfallen zu lassen", hatte der Graf Coloredo gedroht. Nur mit Mühe war es dem Herzog durch eine eigne Abschickung nach Wien gelungen, den Kaiserlichen Unwillen, vor dem man zitterte, zu besänftigen. Dies war im August 1756 geschehen und die drohende Kaiserliche Ungnade

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noch in so frischer Erinnerung in Schwerin, daß im Ministerrathe die Frage, ob man sich der Machtsphäre des Kaiserlichen Willens entziehen könne, immer mehr in den Hintergrund trat, wohl aber eifrig erörtert wurde, welche Vortheile das Land aus einer bedingungslosen Hingabe an das Haus Oestreich ziehen könne.


Der Reichstagsbeschluß vom 17. Januar 1757.

Am 29. August 1756 hatte die preußische Armee die sächsische Grenze überschritten und bald darauf Dresden besetzt. Der Kurfürst von Sachsen hatte sein Land verlassen und sich mit einer Klageschrift und mit der Bitte um Hülfe an Kaiser und Reich gewandt. Daraufhin war vom Kaiser "aus obristrichterlicher Machtvollkommenheit" durch den Reichshofrath jenes Dehortatorium vom 13. September 1756 erlassen, durch welches der Kurfürst von Brandenburg ermahnt wurde, "von seiner Gewaltthat gegen Sachsen und von seiner sträflichen Empörung gegen das Reich abzulassen". Diesem Dehortatorium waren in rascher Reihenfolge Monitoria, Excitatoria, Exhortatoria und Prohibitoria an sämmtliche kreisausschreibende Fürsten gefolgt, "sie sollten sich in die Verfassung setzen, daß sie dem bedrängten Kurlande Sachsen Hülfe leisten und das deutsche Vaterland vor schwerem Schaden bewahren könnten"; endlich ein Avokatorium, in welchem "alle brandenburgischen Generale, Offiziere und Soldaten vom Kaiser ihres Fahneneides entbunden und aufgefordert wurden, die Reihen ihres Kurfürsten zu verlassen". Durch diesen Schritt des Kaisers war der Krieg des Königs von Preußen gegen Oestreich zu einer Reichsangelegenheit gemacht, und sämmtliche Reichsstände mußten darauf gefaßt sein, da an eine Nachgiebigkeit Preußens nicht zu denken war, in nächster Zeit auf dem Reichstage zu Regensburg ihr Votum abgeben zu müssen, ob für oder wider Oestreich.

Am Schweriner Hofe hatte man seinen Entschluß gefaßt und wurde in dieser Gesinnung noch durch den Bericht des Comitialgesandten in Regensburg, des Baron Teuffel von Pürkensee, bestärkt.

Baron Teuffel war ein kluger, gelehrter, in der Verfassung und dem Herkommen des Reichs wohlbewanderter Diplomat, eng liirt mit den Kaiserlichen Ministern in Regensburg und persona gratissima am Wiener Hofe. Er hatte es mit großer Geschicklichkeit verstanden, die im August dieses Jahres eingetretene Trübung

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der Beziehungen zum Kaiserhofe, im persönlichen Verkehr mit beiden Majestäten, sowie mit dem Kanzler Grafen Kaunitz, zu beseitigen, und gehörte mit Leib und Seele jener Partei an, welche in dem engsten Anschluß an das Haus Oestreich das Heil des deutschen Vaterlandes erblickte und Preußen als den Erzfriedensstörer in Europa so recht von Herzen haßte. Obwohl Protestant, war er stets an der Spitze derjenigen evangelischen Reichsstände zu finden, welche einen einstimmigen Beschluß des corpus evangelicorum zu hindern suchten, wenn derselbe gegen Oestreich gerichtet war. Sein persönliches Verhältniß zu dem preußischen Comitialgesandten, dem Freiherrn von Plotho, war ein besonders gespanntes, seit er den bekannten, für Meklenburg so überaus günstigen Vertrag zur Beilegung der Werbestreitigkeiten mit demselben abgeschlossen hatte, sich hinterher aber gründlich düpirt sah, als der König die Ratifikation dieses Vertrags verweigerte.

Schon am 25. September berichtete der Baron Teuffel, daß demnächst ein Kaiserliches Commissionsdekret, in welchem die Reichsexekution gegen Preußen wegen seines Einfalles in Sachsen und Böhmen gefordert würde, zum Diktamen in der Reichstagsversammlung gebracht werden solle und bat um Instruktion. Der Gesandte beklagte "das horrible Anwachsen der Macht Preußens" und warnte dringend, doch nicht freiwillig den Hals unter das Joch zu beugen. "Ich zweifle auch keineswegs", schloß der Bericht, "daß Eure Durchlaucht, da doch der Kurfürst von Sachsen der Erste gewesen, der Eure Durchlaucht in den Werbestreitigkeiten so kräftig soutenirt, Eure Herzogliche Durchlaucht mich jetzt instruiren werden, per omnia die kursächsische Sache zu unterstützen."

Als der Herzog an diese für sein fürstliches Haus, wie sein Land gleich folgenschwere Entscheidung herantrat, standen ihm drei durch Klugheit und Kenntnisse gleich ausgezeichnete Männer als Berather zur Seite: der Minister und Geheime=Raths=Präsident Graf von Bassewitz, der Vicekanzler Baron von Dittmar und der Geheime=Rath Johann Peter Schmidt. Während Letzterer sich vorwiegend den Verwaltungsangelegenheiten des Landes widmete, lag es dem Vicekanzler ob, die Verhandlungen mit den fremden Regierungen zu führen, sowie die Instruktionen für den Comitialgesandten in Regensburg und die Geschäftsträger an auswärtigen Höfen, deren Zahl sich bei Ausbruch des Krieges auf zwei beschränkte, Berlin und Wien, zu bearbeiten. Da nun in dieser Periode die auswärtigen Angelegenheiten die Herzogliche Regierung ganz besonders in Anspruch nahmen, und der Leiter derselben hervoragende diplomatische Geschicklichkeit und staatsmännische Einsicht besaß, so war

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es erklärlich, daß Letzterer den größten Einfluß auf den Herzog gewann und als die Seele des meklenburgischen Geheimen=Raths=Collegium betrachtet werden muß. Die sehr zahlreich bei den Acten liegenden Briefe, Exposés, Pro Memorias und theoretischen Streitschriften sind alle eigenhändig von dem Vicekanzler verfaßt und sind, was Gedankenfülle, logische Schlußfolgerung und Klarheit der Diktion betrifft, als wahre Meisterstücke der Staatskunst zu betrachten; bekunden aber auch einen solchen Feuergeist und sind so scharfen und schneidigen Inhalts, daß der Graf Bassewitz seine klar besonnene und ruhiger erwägende Feder mitunter einsetzen muß, um zu weitgehende Maßregeln, welche sein heißblütiger College in Vorschlag bringt, zu bekämpfen oder doch zu mildern. So entstanden oft bogenlange Dispute zwischen den beiden scharfsichtigen Ministern, welche aber nie zu einem Conflict führten - wenigstens nicht bis zur Mission Dittmars nach Wien -, da beide Minister principiell auf demselben Standpunkte standen und nur in der Wahl der Mittel zu Zeiten auseinander gingen. Die Entscheidungen des Herzogs fielen fast immer im Sinne Dittmars aus, und so kann man wohl die Behauptung aufstellen, daß die schlimme Wendung, welche der Lauf der Ereignisse für das Land nahm, dem Einfluß dieses hervorragenden, aber leidenschaftlichen Staatsmannes beizumessen ist.

Schon Anfang October platzten in Regensburg die Geister in einem Vorposten=Scharmützel auf einander. Das kurmainzische Directorium hatte der Geschäftsordnung entgegen eine Sitzung der Reichstagsversammlung während der Ferien, welche bis Ende October währten, angesetzt. Der kurbrandenburgische Comitialgesandte protestirte hiergegen auf das Lebhafteste und suchte die evangelischen Gesandten zu bewegen, die Sitzung nicht zu besuchen. Da ihm dies bei Einigen derselben gelang, Andere aber der Ferien wegen abwesend waren, so traf es sich, daß in der Versammlung, außer den katholischen Reichsständen, welche sämmtlich zu der Sitzung herbeigeeilt waren, von den evangelischen nur der meklenburg=schwerinsche Gesandte anwesend war. Der Baron Teufel wurde dieserhalb von allen Seiten freudig beglückwünscht und konnte seiner Regierung berichten, daß sein Verhalten von den kaiserlichen Ministern ungemein wohl aufgenommen und lobend nach Wien berichtet sei. Alle Zeitungen Deutschlands und Europas aber durchlief die Kunde, daß sich der Herzog Friedrich von Meklenburg=Schwerin an die Spitze der evangelischen Feinde des Königs von Preußen gestellt habe. Den König berührte diese entschiedene Stellungnahme Meklenburgs um so unangenehmer, als er bisher noch gehofft hatte,

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einen für ihn ungünstigen Beschluß des Reichstags, welcher den Reichskrieg gegen ihn zur unmittelbaren Folge haben mußte, dadurch abzuwenden, daß es ihm gelang, die Stimme aller evangelischen Reichsstände für sich zu gewinnen. Zwar war die Mehrzahl der katholischen Stände, welche zweifelsohne unisono gegen ihn stimmen würden, noch immer eine erdrückende, aber wenn der König der Stimmen des corpus evangelicorum sicher war, so konnte er eine itio in partes beantragen und dadurch jeden bindenden Beschluß hindern.

Ueber die Anwendbarkeit dieser itio in partes war man in der Reichstagsversammlung sehr verschiedener Ansicht. Die Fassung des §. 52 des Westfälischen Friedens, über welchen bei den Friedensverhandlungen lange und lebhaft gestritten worden war, ließ es Einigen unzweifelhaft erscheinen, daß die itio in partes nur in religiösen Angelegenheiten zulässig sei, Andere aber - zu diesen gehörte auch der Baron Teuffel -, legten den Paragraphen so aus, daß die itio in partes auch bei Abstimmungen über politische Dinge anzuwenden sei, der Beschluß aber nur in dem Falle Gültigkeit haben solle, wenn derselbe einstimmig gefaßt wurde. Da sich nun der Einfall des Königs von Preußen in Sachsen und Böhmen auf das religiöse Gebiet nicht füglich verlegen ließ, so kam für Preußen Alles darauf an, sämmtliche evangelische Stimmen zu gewinnen. In diesem Sinne bemühten sich der Freiherr von Plotho und die allerdings wenig zahlreichen Freunde Preußens in Regensburg; zunächst aber erging eine Circular=Note an sämmtliche Reichsstände, in welcher der König erklärte, er führe lediglich Krieg mit der Kaiserin von Oestreich und den Durchmarsch durch Sachsen habe er nur unternommen, um nach Böhmen zu gelangen; gänzlich falsch sei es, wenn das kaiserliche Commissionsdekret ihm die Absicht imputire die Reichsverfassung umstürzen zu wollen. "Preußen hat doch noch immer vor dem Riß gestanden", schloß das Schreiben, "wenn es die Erhaltung der Prärogative und Freiheiten der Reichsstände gegolten hat!"

Die sehr kräftige Sprache dieser Circular=Note scheint ihre Wirkung auf die evangelischen Reichsstände nicht gänzlich verfehlt zu haben; wenigstens zögerten ihre Gesandten, mit ihrer Ansicht und mit ihrem Votum ans Licht zu treten.

Auch die meklenburgische Regierung, ohnedies stutzig gemacht durch den Eclat, welchen die Anwesenheit ihres Gesandten in der oben erwähnten Feriensitzung gemacht, beeilte sich dem Baron Teuffel zu schreiben - 1. November -, er solte ja vorsichtig und

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mit allem erdenklichen Menagement vorgehen und sich zuvor nach der Instruction der anderen unparteiischen Stände erkundigen, auch zu erforschen suchen, wie diese die preußische Circularnote zu beantworten gedächten. Man wolle in Schwerin nicht der Erste oder gar der Einzige sein, der die Kastanien für Oestreich aus dem Feuer hole. Für den Baron Teuffel war es aber keine leichte Sache, die Collegen auszuforschen, welche ebenso wie er, zur Belustigung der katholischen Gesandten, welche aus ihrer Instruction kein Hehl zu machen hatten, bis an den Hals zugeknöpft dahergingen, sich wandten und krümmten und Verstecken spielten.

Auf der anderen Seite drängten die kaiserlichen Minister die Gesandten ungestüm auf die Abgabe ihrer Voten, besonders den Baron Teuffel, wohl weil sie wußten, daß dieser sich gern drängen ließ. Aber nicht allein in Regensburg, auch von Wien aus setzte man den Hebel an. Der Hofrath Edler von Schmidt, welcher Meklenburg in Wien vertrat, berichtete, der Reichs=Minister, Vicekanzler Graf Coloredo, habe ihm die feste Ueberzeugung ausgesprochen, daß der Herzog, in dessen Landen doch die brandenburgischen Gewaltthätigkeiten begonnen und noch im frischen Andenken sein müßten, standhaft zu Kaiser und Reich stehen würde; man könne dagegen fest überzeugt sein, daß der Kaiser nichts gegen die evangelische Religion unternehmen würde. Graf Coloredo betonte Letzteres ganz besonders, da ihm wohl bekannt war, daß dem frommen Herzog die Aufrechterhaltung des Glaubens seiner Väter noch mehr am Herzen liegen würde, als die Sicherheit von Kaiser und Reich.

Ganz ohne Besorgniß war übrigens auch der Baron Teuffel nicht. Er stellte den kaiserlichen Ministern in dringlicher Weise die gefährliche Lage vor, in der Meklenburg sich dem übermächtigen Nachbar gegenüber befände. Aber die östreichischen Diplomaten beruhigten ihn, die russischen und französischen Heere ständen schon an der Grenze, der König sei unrettbar verloren; auch brauche ja der Herzog seine Truppen nicht zu stellen, aber stimmen müsse er unter allen Umständen mit dem Kaiser. Der Gesandte berichtete dies nach Schwerin und schloß: "Die Kaiserlichen sprechen in einem sehr hohen Ton; Gott gebe, daß der Ausgang damit übereinstimme; ich fürchte, es werden noch mehrere Staaten das Schicksal Sachsens theilen!"

Am 12. November erhielt der Baron Teuffel endlich seine Instruktion, zu welcher er selbst den Entwurf eingesandt hatte: Meklenburg stimme Allem bei, was der Kaiser infolge der Exekutionsordnung zur Wiederherstellung des Friedens im Reich proponiren

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werde und es wäre nöthig, daß die Kreise ihre Contingente um das dreifache vermehrten - armatura ad triplum - und in marschfertigen Zustand setzten; "insofern die Zustände es erlaubten", hatte die Regierung vorsichtig hinzugesetzt. Da aber der Gesandte zum Schluß wieder auf die Instruction vom 1. November verwiesen wurde, welche Vorsicht und Abwarten empfahl, so blieb seine Verlegenheit dem täglichen Drängen des kaiserlichen Principal=Commissars, des Fürsten Thurn und Taxis, gegenüber genau dieselbe. In heller Verzweiflung schickte er noch an demselben Tage einen Kurier nach Schwerin mit der dringlichen Bitte um bestimmte Instruction. Er solle sich nicht vor anderen Ständen äußern, schrieb er, die katholischen hätten sich aber Alle erklärt, gegen Preußen stimmen zu wollen und von den evangelischen hüte sich Jeder mit der Sprache herauszugehen. "Nach welchen Ständen soll ich mich denn nun richten?" schloß der Gesandte. "Die Kaiserlichen sagen, das Rescript Euer Durchlaucht vom 1. November sei doch unmöglich anders zu verstehen, als daß ich mich nach der Majorität richten solle. Fällt die Entscheidung, ehe ich Antwort habe, muß ich so stimmen". Man sieht, der Baron Teuffel war völlig in den Händen der Kaiserlichen.

Aus der mit umgehendem Kurier einlaufenden Antwort seiner Regierung, er solle gemäß der Instruction vom 12. November votiren, nahm der Gesandte die Veranlassung, den Fürsten Thurn und Taxis wegen Abgabe seines Votums völlig zu beruhigen und wiederum durchlief die Kunde Regensburg, der Herzog von Meklenburg=Schwerin habe sich an die Spitze der Feinde Preußens gestellt.

In Regensburg zweifelte Niemand mehr daran, daß die bevorstehende Entscheidung im Sinne Oestreichs ausfallen würde. Dennoch gaben die mit Preußen befreundeten Staaten die Hoffnung nicht auf, durch eine Reichs=Vermittelung die gegen Preußen beabsichtigte Execution abwenden zu können. Im November versuchte der Herzog Friedrich zu Sachsen=Gotha die evangelischen Stände durch ein Circularschreiben für diese Absicht zu gewinnen und im December schrieb die hannöversche Regierung nach Schwerin, sie hätte gehört, der Herzog wolle ganz anders votiren, als die übrigen evangelischen Stände; sie bäte, Seine Durchlaucht möge doch keine heftige, offenbar das Unglück vermehrende Mittel unterstützen, sondern für friedliche Vermittelung stimmen. Beiden Regierungen wurden höflich ausweichende Antwortschreiben übersandt.

Auch die preußische Regierung versuchte eine directe Verständigung mit Meklenburg herbeizuführen. "Wir hoffen", schrieben

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die Geheimen Etatsräthe Graf von Podewils und von Finkenstein am 27. December nach Schwerin, "daß Meklenburg so votiren wird, wie es nach den noch kürzlich erneuerten Hausverträgen und im Interesse der evangelischen Sache zu erwarten ist. Es würden Eure Durchlaucht hierdurch dem Könige ein ganz besonderes Merkmal Ihrer Freundschaft geben".

Die herzogliche Regierung erwiderte kurz und kühl, ihr Gesandte sei bereits instruirt, versicherte dabei aber, daß seiner Durchlaucht reichsfürstlich =patriotische Gesinnung in dieser Sache nie von der besonderen Hochachtung Seiner Majestät getrennt werden würde.

An demselben Tage ließ der Herzog nach Wien melden, er würde allemal so votiren, daß er dadurch des kaiserlichen Allerhöchsten Beifalls und Schutzes sich würdig mache.

Die Nachricht, daß Meklenburg=Schwerin auf die Seite der katholischen Stände treten würde, durchlief wiederum alle Zeitungen. Der Altonaer Merkur schrieb, daß alle evangelischen Stände preußisch gesinnt seien, mit Ausnahme Meklenburgs, und dem Reichspostreuter, welcher ebenfalls in Altona erschien, wurde dieselbe Nachricht mit folgendem Zusatz mitgetheilt: "Der Freiherr von Plotho hat gesprächsweise an den Orten, wo man Preußen entgegen ist, erklärt, er werde ruhig abwarten, wie sie votiren und ob sie Preußen als Reichsfeind erklären würden; thäten sie dies, könne man seine Majestät nicht verdenken, wenn Sie diejenigen Stände, welche sich feindselig wider Sie darstellten, auf demselben Fuße nähme, als sie sich seiner Majestät zu erkennen gegeben hätten".

Diese officiöse Warnung, aber auch unverhohlene Drohung allarmirte den Schweriner Hof sehr, änderte aber nichts in seinen Entschlüssen.

Am 10. Januar 1757 fand die Abstimmung über das kaiserliche Commissionsdecret im Reichstage statt. Seit Menschengedenken hatten diese an öde, unfruchtbare Langweiligkeit gewöhnten Räume eine so wild erregte Versammlung nicht gesehen. Lange währte es bis das Directorium die Ruhe soweit hergestellt hatte, daß die einzelnen Gesandten ihr oft recht ausführliches Votum zu Protokoll geben konnten. Denn anstatt, wie Viele geglaubt, sich dem allgemeinen Sturm zu beugen, wich der Freiherr v. Plotho nicht einen Zoll zurück und hörte nicht auf, mit weithin schallender Stimme und so drohenden Gebärden, daß mancher ältere Herr besorgt seine Nähe mied, gegen dies Verfahren zu protestiren, welches gegen die Reichsverfassung und gegen die Wahlcapitulation verstoße.

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Am 17. Januar wurde das in allen drei Collegien - der Kurfürsten, der Fürsten und der Städte - mit großer Majorität gefaßte Reichsgutachten, "daß gegen Preußen mit der Reichsexecution vorzugehen sei und daß die Reichsstände ihre Contingente in dreifacher Stärke in marschfertigen Stand setzen sollten" publicirt. Dafür hatten die Katholiken und von den Evangelischen Meklenburg=Schwerin, Pfalz=Zweibrücken, Brandenburg=Anspach, Holstein=Gottorp, Schwarzburg und Darmstadt gestimmt; die übrigen evangelischen Stände unter Führung Hannovers hatten sich für eine friedliche Vermittelung des Reichs ausgesprochen.

Aus dem Bericht des Baron Teuffel über diese Sitzung ersehen wir, welch großer Jubel über den errungenen Sieg im Lager der Kaiserlich Gesinnten herrschte. Der Gesandte rieth seiner Regierung, die freudige Stimmung des östreichischen Hofes auszunutzen und in Wien streng vertraulich an die Rückgabe der hypothekarisch an Preußen verpfändeten Aemter zu erinnern. "Das Tempo ist jetzt günstig", schloß der Bericht, "da Eure Durchlaucht soeben durch Dero Votum dem Kaiser einen so großen Dienst erwiesen haben; aber ganz secret muß es geschehen, sonst könnte es uns wie Sachsen ergehen, wo man auch das Fell der Bären schon getheilt hatte, ehe derselbe noch erlegt war."

Die Folge des Reichstagsbeschlusses war, daß der Freiherr von Plotho auch schriftlich seinen Protest zum Dictamen bringen wollte. Es kam hierüber zu den heftigsten Auseinandersetzungen mit dem kurmainzischen Directorium, denn das preußische Promemoria war so derb gehalten und die Ausdrücke gegen Kaiser und Reich so anstößig, daß manche Gesandten schon darüber zu Rathe gegangen waren und bei ihren Regierungen angefragt hatten, ob sie dasselbe nicht dem Freiherrn von Plotho zurückschicken sollten. Es bestand nämlich am Reichstage die Sitte, daß alle Schriftstücke, welche in der Versammlung zum Dictamen gebracht werden sollten, vorher den einzelnen Gesandten zur Kenntniß ins Haus gesandt wurden.

Bei Gelegenheit des Dictamens dieses Protestes kam es zu einer äußerst stürmischen Scene im Kurfürsten=Collegium. Als der Freiherr anfing zu dictiren, erhob das Directorium Einsprache; der Protest sei zu lang, ob denn der Herr Gesandte verlange, daß man 24 Stunden lang seine Schmähungen anhören solle? Plotho dictirte unbeirrt weiter. "Wenn der Herr Gesandte nun nicht aufhöre, sehen sich alle Mitglieder des Collegiums, auch der Secretair veranlaßt, den Saal zu verlassen!" rief erregt der Vorsitzende. Mit einem Achselzucken und einer Miene, welche sein schmerzliches

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Bedauern hierüber ausdrückte, fuhr Plotho fort zu dictiren und und dictirte so lange, bis er mit dem kurbraunschweigischen Gesandten allein das Feld behauptete. Aehnliche Scenen waren nicht selten; Friedrich II. verstand es die richtigen Männer auf den richtigen Platz zu stellen. Scharf und schneidig wie Seidlitz bei Roßbach mit dem Schwert, führte der Freiherr v. Plotho in Wort und Schrift die Sache seines Königs am Regensburger Reichstage.

Schwer beleidigte aber der preußische Gesandte in diesem Dictamen, welches bald darauf gedruckt in alle Welt ging, den Herzog Friedrich von Meklenburg und seinen Comitialgesandten. Den Letzteren hatte er einen reichskundigen Partisan des kaiserlichen Hofes genannt, der nicht ermangelt hätte, seine Durchlaucht seinen Privatabsichten gemäß zu dem abgegebenen Votum zu verleiten und wenn man zugleich andere bekannte domestique Umstände des Herzogs - derselbe war beim Reichshofrath in Wien wegen der von Herzog Carl Leopold contrahirten Schulden verklagt -, weshalb er den kaiserlichen Hof oder vielmehr dessen Reichshofrath zu fürchten hat, betrachtete, so sähe wohl ein Jeder ein, daß das meklenburgische Votum kein reichssatzungsmäßiges freies, sondern ein parteiisches, wenn nicht gar animoses genannt werden müsse."

Baron Teuffel fühlte sich tief beleidigt. "Ich will das Benehmen des Freiherrn von Plotho mit genereusem Stillschweigen übergehen", sagt er in seinem Bericht, "denn es ist unanständig; wenn die Argumente fehlen, nimmt man zum Schmähen und Lästern seine Zuflucht." Um aber die teuflische Bosheit des preußischen Gesandten in das rechte Licht zu stellen, schickt er ein in Wien auf denselben erschienenes Pasquill ein, betitelt:

Kydyrefnisacton (?), ein Höllengedicht mit dem Motto:

Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo, dessen letzter Vers hier Platz finden möge:

"Hier sah man Pluthos Hand nach jener Feder langen,
Um die sich schon zur Zier zehn Vipern schwangen,
Prinz Griphael gab sie der wohlgeklau'ten Faust
Und Plutho schrieb, daß Kiel und Blatt gesauft.
Er unterschrieb den Namen Plutho so erhitzet,
Daß noch anstatt des "U" ein "O" dort sitzet." -


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Der erste Vertrag mit Frankreich vom 1. April 1757.

Als die herzogliche Regierung im November 1756 ihren Comitialgesandten instruirt hatte, voll und ganz für die kaiserlichen Propositionen einzutreten, war sie, wenn sie auch öffentlich geltend machte, mit ihrer nach Pflicht und Gewissen vollzogene Abstimmung den Rechtsboden der Reichsgesetze nicht verlassen zu haben, doch darauf gefaßt, das Schicksal Sachsens zu theilen, wenn der weitere Verlauf der Kriegsereignisse dem Könige die freie Verwendung seiner Streitkräfte gestatten würde. Sie ergriff daher mit Freuden die Gelegenheit, die sich ihr darbot, um sich den Schutz einer auswärtigen Großmacht zu sichern. Am 12. November schickte König Louis XV. von Frankreich, als Garant des Westfälischen Friedens auftretend, seinen Residenten am niedersächsischen Kreise, den Sieur de Champeaux, welcher seinen Wohnsitz in Hamburg hatte, an den Schweriner Hof, "als Dolmetscher der Gefühle Seiner Majestät und in dem festen Vertrauen, daß der Herzog, der so eifrig für das Wohl des Deutschen Reiches besorgt sei, willig dazu beitragen werde, Recht und Gesetz in demselben wieder herzustellen."

Der Gesandte wurde mit offenen Armen in Schwerin aufgenommen und die Vorbesprechungen nahmen einen günstigen Verlauf. Am 10. Januar 1757 - dem Tage der verhängnißvollen Abstimmung in Regensburg - übergab derselbe der herzoglichen Regierung seinen ersten Vertragsentwurf.

So geheim aber auch die Verhandlungen geführt wurden, dieselben kamen doch bald in die Oeffentlichkeit; König Friedrich wurde zu gut durch seine Diplomaten bedient. Im März wurde dem Altonaer Reichpostreuter aus dem Haag geschrieben, "daß man in Schwerin beschäftigt sei, eine weitläufige Deduction von den Forderungen des Herzogs aufzustellen, daß Frankreich in wichtigen Unterhandlungen mit dem Schweriner Hofe stehe und gewillt sei, dem Herzog soviel Geld zu zahlen, daß er die an Preußen und Hanover verpfändeten Aemter wieder einlösen könne".

Dieser Artikel erregte in Schwerin große Bestürzung. Wenn nach den Satzungen des Westfälischen Friedens auch jedem deutschen Staate zustand, Traktate mit auswärtigen Mächten abzuschließen, sofern dieselben nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet waren, so konnte es auf der anderen Seite doch keinem Zweifel unterliegen, daß derjenige Staat, gegen welchen eine solche Allianz geschlossen

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wurde, das Recht hatte, die Verbündeten seiner Feinde auch seinerseits als Feinde zu behandeln. Dieser französische Vertrag war daher verhängnißvoll für Meklenburg, denn er gab dem Könige von Preußen das formelle Recht in die Hand, dasselbe als im Kriegszustande mit sich zu betrachten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob dieser Vertrag defensiver oder offensiver Natur war, ob der Herzog von Meklenburg seine Truppen zur Armee des Königs von Frankreich stoßen ließ oder ob er die Operationen desselben nur indirect unterstützen half. Die Regierung war sich der Gefährlichkeit ihres Verfahrens auch völlig bewußt; erschreckt gab sie sofort ihrem in Altona stationirten Postmeister den Auftrag, den Redacteur des Reichspostreuters zu veranlassen, die gefahrdrohende Nachricht zu widerrufen. Dies geschah in einer der nächsten Nummern der Zeitung, aber mit der Geheimhaltung des abschließenden Bündnisses war es vorbei.

Am 1. April wurde folgender Vertrag von Mr. de Champeaux, den meklenburgischen Ministern Graf Bassewitz und Baron Dittmar und dem Kammer=Präsidenten von Both unterzeichnet:

Art. I. Der Herzog verspricht den Feinden des Königs von Frankreich und dessen Verbündeten, nämlich der Kaiserin=Königin und deren Alliirten, weder direct noch indirect Hülfe an Truppen, Rekruten etc. . zu gewähren.

Art. II. Der Herzog verpflichtet sich in Befolgung des Reichstagsbeschlusses vom 17. Januar 1757 seine Stimme und seinen Beistand nicht zu dem Zweck abzugeben, um aus dem gegenwärtigen defensiven Kriege einen Religionskrieg zu machen oder die Beschlüsse des Reichs zu durchkreuzen, noch sich dem Einmarsch fremder Truppen zu widersetzen, welche der König als Garant des Westfälischen Friedens und als Bundesgenosse der Kaiserin=Königin nach Deutschland senden wird, um die Unruhen im Reiche zu stillen.

Art. III. Der Herzog verspricht den Truppen des Königs und seiner Alliirten freien Durchzug durch seine Lande gegen Bezahlung in den Etappen.

Art IV. Der König und der Herzog verpflichten sich gegenseitig ihre Deserteure auszuliefern.

Art. V. Dagegen verspricht der König seine guten Dienste zur Wiedererlangung der 12 Aemter, welche von Meklenburg an Preußen und Hannover verpfandet sind und von diesen Mächten zurückbehalten werden.

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Art. VI. Wenn in Folge dieses Vertrages die Lande des Herzoges während des gegenwärtigen Krieges angegriffen werden sollten, verpflichtet sich der König, die wirksamste Hülfe zum Schutz und zur Vertheidigung dieses Landes zu leisten.

Art. VII. Der Vertrag soll so lange währen, bis der Friede in Deutschland hergestellt ist.

Art. VIII. Es soll ein unverletzliches Stillschweigen über diesen Vertrag beobachtet werden.

Art. IX. Der Vertrag soll spätestens 6 Wochen nach der Unterzeichnung ratificirt werden.

In einem dem Vertrage beigefügten Separat=Artikel wurde gesagt, der König und der Herzog wären einverstanden, daß, wo in dem Vertrage von den Feinden Seiner Allerchristlichen Majestät und seiner Alliirten die Rede sei, unter diesen die Könige von England und Preußen zu verstehen wären.

Der Vertrag wurde am 19. April zu Versailles durch Louis XV. - gegengezeichnet Bouillé - und am 29. April von Herzog Friedrich ratificirt.

Im Mai wurde eine Abschrift dieses Tractats unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses dem Hofrath Schmidt und dem Baron Teuffel zur Mittheilung an die kaiserlichen Minister übersandt. Als Mr. de Champeaux bald darauf nach Versailles abreiste, wurde demselben ein Schreiben mitgegeben, in welchem der Herzog dem Könige von Frankreich in den verbindlichsten Ausdrücken auch dafür dankte, daß seine Güte ihm die Freundschaft und den Schutz der Krone Schweden verschafft habe.


Die Verhandlungen in Regensburg über die Gestellung der Contingente und die Bewilligung der Römer - Monate.

Nachdem die Stände des Reichs die Reichsexecution gegen den Kurfürsten von Brandenburg und die Marschbereitschaft der Contingente beschlossen, kam es darauf an dieselben zu bewegen, die Gestellung der dazu nöthigen Truppen und Gelder zu bewilligen. Am 26. Februar ging ein kaiserliches Commissionsdecret

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beim Reichstage ein, welches forderte, die Contingente in dreifacher Stärke zu Roß und zu Fuß bis Ende März zu gestellen und zur Errichtung einer Operationskasse 30 Römer=Monate einzuzahlen. Der Baron Teuffel fügt seinem desfalsigen Berichte den guten Rath bei, "in den sauren Apfel zu beißen und die Gelder - die Rate für Meklenburg betrug 12000 Kaisergulden - zu bewilligen; dies sei vielleicht ein gutes Mittel, um von der Stellung der Truppen entbunden zu werden. "Hoffentlich ist Friede", schließt der Gesandte sehr optimistisch seinen Brief, "ehe eine Reichsarmee zusammenkommt".

Wenn der Gesandte mit dieser Aeußerung hätte andeuten wollen, daß es sehr lange währen würde, bis die Reichsarmee schlagfertig dastände, so würde er nicht Unrecht gehabt haben. Abgesehen von den hannoverschen, braunschweigischen und den Truppen des Landgrafen von Hessen=Cassel, welche offen auf Seite Preußens standen, befanden sich die Mehrzahl der Contingente der deutschen Staaten in einem erbärmlichen Zustande; die Widerwilligkeit der Stände, das Geld für die Römer=Monate aufzubringen und die Furcht, sich bei allzugroßer Willfährigkeit die Feindschaft Preußens zuzuziehen, war so groß, daß es für den kaiserlichen Principal=Commissar in Regensburg keine leichte Sache war, die Comitialgesandten zu einer Beschlußfassung zusammenzubringen. Die Monate März und April vergingen den Kaiserlichen in dem vergeblichen Bemühen, die Reichsstände zu bewegen, ihre Gesandten mit Instruction zu versehen. Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit der gänzliche Verfall des Deutschen Reiches so recht im grellsten Lichte.

Inzwischen hatte die herzogliche Regierung im März ihre Wünsche wegen Wiedererlangung der verpfändeten Aemter sowohl in Wien beim Vice=Kanzler Graf Coloredo, als auch in Regensburg beim kaiserlichen Principal=Commissar zur Sprache bringen lassen. Es war dies eine willkommene Handhabe für den Wiener Hof, den Herzog zu drängen, bei der Bewilligung der Römer=Monate die Führerschaft unter den evangelischen Ständen zu übernehmen. Auch ein anderes, unter diesen Umständen für Meklenburg odiöses Geschäft muthete man der herzoglichen Regierung zu. Es war nämlich Hessen=Darmstadt auf dem Reichstage durch keinen eigenen Gesandten vertreten und da kein Gesandter aus dem corpus evangelicorum die Vertretung dieses Staates, welcher sich durch feindselige Gesinnung gegen Preußen ganz besonders hervorgethan hatte, übernehmen wollte, so wurde Baron Teuffel unaufhörlich bestürmt, die hessische Stimme in der Reichsversammlung

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mit zu führen. Die Regierung sträubte sich lange, denn man wollte den König nicht unnöthig reizen, allein die kaiserlichen Gesandten erklärten den meklenburgischen Comitialgesandten rund heraus, wenn der Herzog nicht mehr patriotischen Eifer zeige, dann würde auch die kaiserliche Resolution in Betreff seiner Wünsche sehr mager ausfallen. Dies Argument unterstützte Baron Teuffel in einer langen Depesche, die mit der energischen Mahnung schloß: "Eure Durchlaucht müssen durchaus optiren, welche Partei Sie nehmen wollen, die preußische oder die kaiserliche, auf beiden Achseln läßt sich nicht tragen. Meines Erachtens kann die Wahl nicht schwer fallen, aber es gehört fermeté dazu. Sollten Eure Durchlaucht aber anderer Ansicht sein, ist es besser, wenn Eure Durchlaucht gar keinen Comitialgesandten hier haben, dann wird der Kaiserhof nicht so gar direct disgustirt, wiewohl es allemal übel angesehen werden wird." Der Herzog bewilligt hierauf Beides, die Römer=Monate und die Vertretung des hessischen Gesandten.

Endlich im Mai gelang es auch die übrigen Stimmen für die kaiserlichen Propositionen zusammenzubringen, aber die Gestellung der Truppen und die Einzahlung der Gelder vollzog sich mit unglaublicher Langsamkeit. Erst die Schlacht bei Kollin brachte die Truppenbewegungen in rascheres Tempo. In Regensburg jubelte man um so lauter über diese unvermuthete Wendung, als man dort bereits angefangen hatte, um die eigene Sicherheit besorgt zu werden. Der kühne Streifzug des Oberst von Mayer nach Franken schreckte manche Reichsstände von der Gestellung ihrer Truppen ab und drohte dem Reichskrieg noch vor seinem Beginnen ein klägliches Ende zu bereiten; die preußischen Husaren streiften bis vor die Thore Regensburgs und allarmirten die dortige Diplomatenwelt aufs Aeußerste. Um diese Zeit kam der Kammerherr, Oberst von Montgelas, welchen der Kurfürst von Bayern in das Lager von Prag zu König Friedrich gesandt hatte, um die Abberufung des Oberst von Mayer aus seinem Lande zu bewirken, zurück und verweilte einige Tage in Regensburg. Baron Teuffel traf in einer Abendgesellschaft beim Fürsten Thurn und Taxis mit demselben zusammen. Der Oberst wußte nicht genug zu erzählen, wie schnöde und verächtlich er vom Könige abgefertigt sei; "Sie haben keinen Begriff, meine Herren", sagte er zu den erregten Gesandten, welche ihn in dichtem Kreise umgaben, "mit welcher hauteur und arrogance die preußische Majestät mich - mich den Abgesandten des Kurfürsten behandelte!" » » Je me fiche de tous petits princes de l'empire « « waren seine Worte, » » je leurs ferai voir, ce que c'est de se frotter contre le roi de

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Prusse. Je finirai cette affaire, que j'ai si glorieusement commencé à la pointe de mon épée; je me moque de tous les conclusum et Reichsgutachten de la Diette et je ferai bien un jour décamper tous ces Messieurs de Ratisbonne! « «

Bei diesen Worten waren Manche der alten Herren, welche ihr langjähriges behagliches Stillleben in Regensburg so jäh bedroht sahen, erschrocken zurückgefahren und hatten Befehl gegeben, mit dem Packen der Koffer zu beginnen, aber - ganz in der Stille, damit nicht der Nachbar davon erfahre und seinem Hofe Bericht erstatte.

Da war die Freudenbotschaft von Kollin gekommen. Alle Besorgnisse waren verschwunden; man beglückwünschte sich, schüttelte einander die Hände und drehte dem Baron Plotho, dem mancher vorsichtige Diplomat bereits wieder ein freundliches Gesicht gezeigt hatte, stolz den Rücken. Der Kurfürst von Brandenburg war ja verloren, unwiederbringlich verloren! "Es ist probabel", schreibt Baron Teuffel nach Schwerin, "daß man noch in diesem Jahre die Friedenssonne in dem deutschen Vaterlande wieder scheinen sieht"; und schloß höhnend: "Nach einer so decisiven Victoria wird sich jeder Reichsstand nunmehr wohl von selbst pressiren, seine Truppen marschiren zu lassen!"

Und so geschah es auch. Anfangs August war die Reichsarmee in einer Stärke von 30000 Mann bei Fürth versammelt und in die Operationscasse ein Kriegsschatz von 219352 Fl. 48 Kr. und 3 1/3 Pf. (!) eingezahlt. Zum Oberbefehlshaber dieses auserlesenen Kriegsvolks hatte der Kaiser den Prinzen von Hildburghausen ernannt.


Die Lage Preußens nach der Schlacht bei Kollin und die Pläne der Coalition.

Der Tag von Kollin war der Anfang einer Reihe von Unglücksfällen, die Preußen Schlag auf Schlag trafen. Die nächste Folge war die Aufhebung der Belagerung Breslaus und der verlustreiche Rückzug aus Böhmen gewesen. Vergeblich hatte der König in der Lausitz Halt gemacht und dem Prinzen von Lothringen und dem Feldmarschall Daun die Schlacht angeboten. Im Nordwesten Deutschlands war der Herzog von Cumberland dem Marschall d'Estrées unterlegen und die mit den Franzosen unter

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Soubise vereinte Reichsarmee rückte von Süden heran. Es war die höchste Zeit, der Letzteren einen Schlag beizubringen, und zu dem Ende marschirte der König, den Herzog von Bevern mit dem General von Winterfeld in der Lausitz zurücklassend, am 20. August nach Thüringen ab.

Auf dem Marsche dorthin traf ihn eine Unglücksnachricht nach der anderen: daß Hannover mit der Kaiserin=Königin unterhandle; daß der Feldmarschall von Lehwaldt bei Groß=Jägerndorf von den Russen geschlagen sei (30. August); der Abschluß der Convention von Zeven (8. September); der Abmarsch der Franzosen nach dem Halberstädtischen und der Tod seines Freundes Winterfeld in dem Treffen bei Moys (7. September). Auch von Norden her drohte Gefahr; die Schweden hatten am 12. September die Peene überschritten und waren bis Pasewalk vorgedrungen. Der Weg in das Herz der preußischen Monarchie stand ihnen offen.

Der meklenburgische Gesandte am Berliner Hofe, der Geheime Rath von Hövel berichtet uns von der Stimmung, welche zu dieser Zeit in Berlin herrschte. Viele Familien der Hauptstadt, darunter die ansehnlichsten preußischen Vasallen wollten Berlin verlassen und in Meklenburg Zuflucht nehmen. Sie fragten Hövel, ob der Herzog ihnen wohl den Aufenthalt in seinem Lande gestatten würde? Sie wüßten zwar, das Seine Durchlaucht groß, weise und christlich dächten, allein er habe doch gar zu Widriges früher von ihrem Monarchen erfahren. Ihnen wurde die Antwort, daß Meklenburg allen ehrlichen Leuten, namentlich in betrübten Zeiten offen stehe. "Die Gemüthsverfassung des Königs", schloß der Gesandte seinen Bericht "soll an Tiefsinnigkeit grenzen und hier sieht sich Alles fast bis an die Grenzen der Verzweiflung gebracht".

Nach dem Siege von Kollin trugen sich die Feinde des Königs mit den weitgehendsten Plänen. Während die Reichsarmee die Preußen aus Sachsen treiben sollte, fiel dem Herzog von Richelieu, welcher seit dem 4. August den Marschall d'Estrées im Obercommando der französischen Armee ersetzt hatte, die Aufgabe zu, sich an der Elbe festzusetzen und Magdeburg zu belagern. Demnächst sollte dieser Marschall, nachdem der König von Frankreich die durch die Auflösung der Cumberlandschen Armee in ihr Land zurückgesandten hessischen und braunschweigischen Contingente - 18000 Mann - in seinen Sold genommen, diese Truppen zu den Schweden in Pommern stoßen lassen. Diese nur aus Protestanten bestehende Armee sollte unter einem französischen

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Obergeneral operiren und zur Verabredung der gemeinsamen Operationen war der Marquis von Montalembert Ende October in das schwedische Hauptquartier gesandt worden.


Der 2. Vertrag mit Frankreich vom 1. December 1757.

Ein Blick auf die Karte genügt, um den hohen Werth würdigen zu können, welchen die Minister Louis des XV. unter diesen Umständen darauf legen mußten, in Meklenburg festen Fuß zu fassen. Der Vertrag vom 1. April hatte den französischen Truppen nur das Recht des freien Durchmarsches gegeben; das genügte jetzt nicht mehr, man mußte Plätze in Händen haben, welche man befestigen und dauernd mit Truppen besetzen konnte, man mußte, wie der Comte de Bernis sich auszudrücken beliebte "Herr des Landes Meklenburg sein". Weitere Verhandlungen in diesem Sinne anzuknüpfen, wurde Mr. de Champeaux mit Vollmachten versehen und Anfang November wiederum nach Schwerin geschickt.

Der Gesandte fand am Schweriner Hof im Ganzen ein günstiges Terrain für seine Aufträge. Mit lebhafter Freude und weitgehenden Hoffnungen hatte man hier die Waffenerfolge der Alliirten begrüßt, namentlich das Vorrücken der Fanzosen an die Elbe und der Schweden über die Peene. Auf der anderen Seite verschloß man sich aber auch nicht den ernsthaftesten Befürchtungen. Die Sprache des preußischen Comitialgesandten in Regensburg war eine geradezu bedrohliche geworden und als ein sicheres Merkmal einer feindseligen Gesinnung sah es der Herzog an, daß der König von Preußen es unterlassen hatte, ihm den im Juni erfolgten Tod seiner Mutter anzeigen zu lassen. Allerdings widerstrebte es dem Gefühl Herzog Friedrichs sein Land durch fremde Truppen besetzen zu lassen und so vielleicht zum Schauplatz eines blutigen und verheerenden Krieges zu machen, und deshalb hatte der französische Unterhändler so leichtes Spiel, wie der Hof von Versailles es geglaubt, in Schwerin nicht. Erst als der Baron Dittmar in einem sehr ausführlichen Promemoria die Nothwendigkeit der Einräumung eines festen Platzes in Meklenburg an die Franzosen bewiesen hatte, willigte der Herzog ein, stellte aber als Gegenleistung sehr hohe Forderungen - zahlbar allerdings erst beim Friedensschlusse -. » Si j'avais Lauenburg et Wismar avec mes douzes baillages par le moyen de Mr. l'Envoyé, cette acquisition vaudra à

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Mr. l' Envoyé deux cents milles livres «, hatte der Herzog, um Mr. de Champeaux willfähriger zu stimmen, eigenhändig unter den Vertragsentwurf, welcher dem Gesandten zur Abänderung zurückgeschickt worden war, geschrieben.

In diese weitaussehenden Pläne der Coalition fuhr wie ein Donnerschlag die Nachricht von der Schlacht bei Roßbach hinein. Selten hat ein Waffenerfolg eine so große moralische Wirkungssphäre gehabt, wie dieser Sieg Friedrich des Großen. Am 5. November wurde die Schlacht geschlagen und schon am 9. desselben Monats schrieb der Marschall von Richelieu dem schwedischen Oberbefehlshaber, daß ihm nunmehr eine Cooperation mit der schwedischen Armee völlig unthunlich erschiene. Allerdings trug zu dieser Entmuthigung des Marschalls der Umstand nicht wenig bei, daß er zu dieser Zeit bereits wußte, daß die hannoverschen Truppen die Convention von Kloster Zeven demnächst brechen würden und daß er sich dann schwerlich an der Elbe werde behaupten können.

Die französischen Minister waren indeß anderer Ansicht. Sie hofften noch immer, daß die Convention von Kloster Zeven, wenigstens was die braunschweigischen und hessischen Truppen anbeträfe, zur Ausführung kommen und es ihnen dann gelingen würde, diese Truppen in französischen Sold zu nehmen. Geschah dies, so konnte sich der Herzog von Richelieu, trotz der Niederlage der Reichsarmee, sehr wohl an der Elbe behaupten. Derselben Ansicht waren auch die meklenburgischen Minister und so nahmen die Verhandlungen ihren Fortgang.

Am 1. December 1757 wurde von dem Grafen von Bassewitz und dem Baron Dittmar ein zweiter Traktat mit Mr. de Champeaux folgenden Inhalts abgeschlossen, welcher nur eine Erweiterung (développement) des ersteren sein sollte:

Art. I. Der Herzog verspricht für den Fall, daß die französische Armee nach Brandenburg oder Pommern vordringt, Stadt und Festung Dömitz dem König von Frankreich oder dem Kaiser und Reich in Verwahrung zu geben, jedoch soll der französische Commandant dem Herzog von Meklenburg als Eigenthümer dieses Platzes den Eid leisten; auch willigt derselbe ein, daß französische Truppen die an Preußen und Hannover verpfändeten Aemter während des Krieges besetzen und dieselben für die Sache des Reichs benutzen.

Art. II. Dagegen verspricht der König von Frankreich, seine Truppen nicht aus den meklenburgischen Plätzen herauszuziehen,

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ohne den Herzog davon zu benachrichtigen, und dieselben zurückzugeben, wenn Letzterer beabsichtigt, die Städte und Aemter durch seine Truppen besetzen zu lassen.

Art. III. Dem Könige soll es freistehen, Dömitz und die übrigen besetzten Plätze des Landes mit Befestigungen zu versehen, um dieselben zu sichern und vor Ueberrumpelungen zu schützen.

Art. IV. Für den Fall, daß die Ereignisse des Krieges ungünstig ausfallen und die Festung Dömitz von den Truppen des Königs von Preußen eingenommen würde, verspricht der König nur unter der Bedingung Frieden zu schließen, daß der Platz oder sonstige ihm abgenommene Gebietstheile dem Herzog von Meklenburg wiedergegeben werden. Auch verheißt der König seine guten Dienste zu dem Ende, daß der Kaiser beim Friedensschluß sein Versprechen wegen Schadloshaltung des Herzogs erfülle.

Art. V. Der König verpflichtet sich, beim Friedensschluß den Herzog in denselben mit einzubegreifen und nach Abschluß des Friedens, um den Herzog gegen das Uebelwollen der demselben feindselig gesonnenen Mächte sicher zu stellen, eine Defensiv=Allianz mit Meklenburg und Schweden einzugehen, welche den Zweck hat, im Falle eines Angriffs diese Staaten sicher zu stellen.

Art. VI. Für den in Artikel IV angenommenen Fall verspricht der König, beim Friedensschluß seinen ganzen Einfluß anzuwenden, damit dem Herzog die 12 Aemter gegen Zahlung der Pfandsumme von Preußen und Hannover zurückgegeben werden.

Art. VII. Nehmen die Kriegsereignisse aber einen günstigen Verlauf, verspricht der König, sich die 12 Aemter abtreten zu lassen und sie an Meklenburg zurückzugeben, unter der Bedingung, daß der Herzog für den Dienst des Königs in Deutschland . . .

Jahre lang 1000 Mann Fußvolk unterhält, welche jedoch niemals gegen Kaiser und Reich, noch in einem Religionskriege gegen die protestantischen Höfe verwendet werden dürfen.

Art. VIII. Wenn die Feindseligkeit mit dem Kurfürsten von Hannover wieder beginnen sollte, verspricht der König, sobald der Lauf der Ereignisse es gestattet, die 8 an Hannover verpfändeten Aemter, sowie das Fürstenthum Sachsen=Lauenburg besetzen und dem Herzog unter den im vorigen Artikel aufgeführten Bedingungen unvorzüglich übergeben zu lassen, gegen die weitere Verpflichtung des Herzogs, ein zweites 1000 Mann Fußvolk für den Dienst des Königs zu unterhalten. Erlauben aber die Verhältnisse eine Besetzung Lauenburgs nicht, so verheißt der König, beim Friedens=

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schluß seine guten Dienste, um die Rechte des Herzogs auf dies Fürstenthum anerkennen und in Kraft treten zu lassen.

Art. IX. Der König verpflichtet sich mit seinen Bundesgenossen, den König von Preußen zu veranlassen, gerechte Ansprüche, welche der Herzog an diesen Monarchen hat, zu erfüllen, auch den Vertrag über die Werbestreitigkeiten vom 1. August 1756 zu ratificiren.

Art. X. Der König verspricht zu bewirken, daß der Kaiser, die Kaiserin von Oestreich und der König von Schweden diesem Vertrage beitreten.

In zwei Separat=Artikeln heißt es weiter:

Art. I. Der König von Preußen hat sich vor mehreren Jahren widerrechtlich einiger meklenburgischer Dörfer bemächtigt und dieselben mit der Besitzung eines seiner Vasallen in Pommern vereinigt. Da es nun nicht in der Absicht Schwedens liegen kann, diese Dörfer zu behalten, wenn es die brandenburgische Provins Pommern erobert haben wird, so verspricht der König von Frankreich, sein Möglichstes zu thun, um Schweden zu bewegen, daß es die Dörfer an Meklenburg zurückgiebt.

Art. II. Da der Herzog geltend gemacht, daß es für ihn sehr vortheilhaft sein würde, in den Besitz der Stadt Wismar und der Aemter Poel und Neukloster zu gelangen und daß hieraus Vortheile für den König durch Abschluß eines Handels= und Schifffahrtsvertrages mit Frankreich, welchen der Herzog sich verpflichten würde, abzuschließen, sich ergeben könnten, verspricht der König, seinen ganzen Einfluß aufzuwenden, um Schweden zu bewegen, gegen Erlangung anderer Vortheile dem Herzoge von Meklenburg Wismar und die genannten Aemter abzutreten. Dagegen würde der Herzog seinen Ansprüchen auf Schweden, Dänemark, das Kurhaus Sachsen, sowie auf zwei Kanonikate in Halberstadt und Magdeburg zu Gunsten der Krone Schweden entsagen. -

Dieser zweite Traktat mit der Krone Frankreich, von "Champeaux, Dittmar und Bassewitz" unterzeichnet, ist im Schweriner Archiv aufbewahrt, eine Ratifikations=Urkunde findet sich aber daselbst nicht vor. Trotzdem ist es sicher, daß eine beiderseitige Ratificirung stattgefunden hat. Daß Herzog Friedrich, welcher sich große Vortheile von dem Vertrag versprach und über den Abschluß hoch erfreut war, denselben sofort ratificirt und nach Versailles geschickt hat, geht aus den Akten zur Genüge hervor. Aber auch der König von Frankreich hat den Vertrag ratificirt. Es

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liegen nämlich zwei Briefe des französischen Ministers des Innern, des Grafen von Bernis, vor, welche dies bestätigen. Am 22. December 1757 schreibt derselbe an den Gesandten am Wiener Hofe, dem Grafen von Stainville: "Unser Vertrag mit dem Herzog von Meklenburg ist am 1. d. M. unterzeichnet und Seine Majestät hat ihn ratificirt"; und am 19. Februar des folgenden Jahres an Mr. de Champeaux: "Da der Herr Marschall von Richelieu keine hinlänglich sichere Gelegenheit gefunden hat, die Ratification der Vertrags nach Schwerin zu senden, hat er mir dieselbe zurückgeschickt. Bemerken Sie dem Herzog von Meklenburg, daß die Verzögerung der Unterhandlung nur daher kommt, daß man ein Geheimniß nicht aufs Spiel setzen wollte, welches dem König von Preußen einen Vorwand geben würde, die Excesse, welche er in dem Herzogthum Meklenburg begeht, zu rechtfertigen, daß aber Seine Durchlaucht diese Ratifikation so betrachten möchte, als ob er sie wirklich in Händen hätte, und daß ich sie nur mit einer völlig sicheren Gelegenheit abschicken würde."

Trotz jahrelanger, vielfacher Bemühungen seiner Minister ist diese Ratifikation aber niemals in die Hände des Herzogs gelangt; der französische Hof suchte und fand stets Ausflüchte, denn in Wahrheit, er wollte denselben nicht ratificiren. Nach dem Rückzuge des Marschalls von Richelieu hinter die Aller und der Capitulation der französischen Besatzung in Harburg (30. December) war der Vertrag wenigstens vorläufig völlig gegenstandslos geworden, und da man im französischen Hauptquartier, angesichts des traurigen Zustandes der Armee, allen Ernstes den Rückzug an den Rhein in Erwägung zog, war es der Klugheit nicht angemessen, unter diesen Umständen sich durch die Ratificirung des Vertrags schwerwiegende Verpflichtungen für die Zukunft aufzuerlegen, ohne dafür greifbare Vortheile für die Gegenwart zu erlangen. Aus diesem Grunde, nicht aber, weil es ihm nicht möglich gewesen wäre, das Document auf sicherem Wege nach Schwerin zu schaffen, hat der Marschall von Richelieu in richtiger Würdigung der Interessen seines Souverains den ratificirten Vertrag zuerst wohl auf eigene Verantwortung zurückbehalten, dann aber auf Befehl seiner Regierung zurückgesandt.

Auf diese Weise hat der zweite mit der Krone Frankreichs abgeschlossene Traktat niemals rechtsgültige Kraft erlangt. Fünf Jahre lang ließ sich die Schweriner Regierung durch die wälschen Ränke und Lügen hinhalten und die Geduld der meklenburgischen Staatsmänner; wird nur dadurch einigermaßen erklärlich, daß König Louis an Meklenburg monatlich 25000 Livres zahlte welche Summe er

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dem Herzog in einem Briefe vom 4. Februar 1758 "aus freien Stücken" bewilligte, zu welchem er sich aber, um den Herzog stets in der Hand zu behalten, niemals fest verpflichtet hatte. Wir kommen auf die Verhandlungen mit Frankreich später zurück.


Erste Invasion der Preußen.

Seit dem Schreiben der Grafen Finkenstein und Podewils an den Herzog Friedrich vom 27. December 1756 hatte ein geschäftlicher Verkehr zwischen der preußischen und der meklenburgischen Regierung überall nicht mehr stattgefunden. Der Geheime Rath von Hövel war zwar auf seinem Posten in Berlin geblieben, schwebte dort aber völlig in der Luft. Von der preußischen Regierung erhielt er keinerlei Mittheilungen und die Gesandten der fremden Mächte mieden seine Nähe. Infolgedessen erfuhr er von den diplomatischen Verhandlungen, welche zwischen Berlin und den auswärtigen Höfen schwebten und welche Letztere untereinander pflogen, so gut wie nichts. Seine nicht allzuhäufigen Berichte an die herzogliche Regierung bringen nur Klagen über seine Isolirung und durchaus unverbürgte Nachrichten über den König und die Armee. Der einzige Gesandte, dem er mitunter sein Herz ausschütten konnte, war der dänische, doch auch dieser benahm sich sehr zurückhaltend ihm gegenüber, wie es ihm von seinem Hofe, welcher die strikteste Neutralität inne gehalten wissen wollte, vorgeschrieben war.

In Schwerin war man sich wohl bewußt, daß der König über die Stellungnahme der meklenburgischen Regierung am Reichstage im hohen Maaße erzürnt, ja geradezu feindselig gegen Meklenburg gesinnt war. Wenn auch dem Herzog keine directe Mittheilungen vom Könige zugingen, so wurden ihm doch manche Aeußerungen desselben hinterbracht, die ihn mit lebhafter Sorge erfüllten und als der Berliner Hof es unterließ, ihm den im Juni des Jahres 1757 erfolgten Tod der Königin=Mutter anzuzeigen, empfand er dies als eine ihm zugefügte absichtliche Kränkung und als einen Avis, daß zwischen den beiden Fürstenhäusern das Tafeltuch entzwei geschnitten sei. Nimmt man hierzu das Benehmen der Minister und der Berliner Hofkreise gegen den Geheimen Rath

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von Hövel und die drohende Sprache des Freiherrn von Plotho, welcher Jedem, der es hören wollte, sagte, man möge sich in Schwerin vor des Königs Zorn hüten, so lag es auf der Hand, daß der Herzog wohl Grund hatte, das Schlimmste zu fürchten. Dieser Stimmung begegnen wir auch in allen Depeschen an die meklenburgischen Gesandten in Regensburg, Wien und Berlin, in der Correspondenz mit den auswärtigen Höfen und in den zahlreichen Artikeln, welche die Regierung in die Altonaer Zeitungen einrücken ließ. In allen diesen Schriftstücken wurde wieder und immer wieder betont, daß man sich stets bemüht habe, als loyaler Reichsfürst seine Pflicht zu thun, daß man niemals die Grenzen der strengsten Neutralität überschritten habe, noch überschreiten werde. Man hatte das Gefühl, sich wegen seiner Haltung Preußen gegenüber entschuldigen zu müssen, um drohendes Unheil abzuwenden. Daneben lief aber das freudige Gefühl, das Preußens Niederlage unabwendbar und daß man bald am Ziel seiner Hoffnungen sein würde.

Ende September 1757 gestalteten sich die Verhältnisse günstiger für den König von Preußen. Auf Veranlassung der Großfürstin Katharina von Rußland, welche wie Jedermann in Petersburg an eine nahe Auflösung der Kaiserin Elisabeth glaubte, führte der Feldmarschall Apraxin, unter dem Vorwande, die Truppen in Feindesland nicht mehr ernähren zu können, seine Armee über die Memel zurück. Der Augenblick, den Friedrich II. lange ersehnt hatte, war da: die Schweden über das Meer zu jagen und - Abrechnung mit dem Herzog von Meklenburg zu halten.

Der Abmarsch der Armee, welche der Feldmarschall Lehwaldt gegen die Russen befehligt hatte, geschah aber nicht sofort; der König hatte Befehl gegeben, dieselbe bei Marienwerder zu concentriren, damit sie von dort nach der Elbe und den Marken in Marsch gesetzt werde. Als aber dort die Verhältnisse sich günstiger gestalteten, befahl er den Abmarsch nach Pommern, und Anfang December stand die Armee in und um Stettin in der Stärke von 24 Bataillonen und 50 Eskadrons == 25000 Mann.

Während der Feldmarschall Lehwaldt das Gros der Armee in 2 Colonnen auf Demmin und Anclam vorrücken ließ, entsandte er den General=Lieutenant Prinz von Holstein mit 5 Bataillonen und 30 Eskadrons in die rechte Flanke der Schweden. Derselbe überschritt die Peene bei Verchen und Malchin, um eine Aufstellung bei Dargun zu nehmen und nun ergoß sich der Strom der preußischen Invasion in die meklenburgischen Lande.

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Bevor wir auf die Schilderung der Ereignisse eingehen, wollen wir einen Blick auf den damaligen Stand der meklenburgischen Truppen werfen.

Das Commando über das Contingent führte der General=Major von Zülow, welcher zugleich Chef des in Schwerin garnisonirenden Infanterie=Regiments Alt=Zülow war. Dies Regiment war 6 Compagnien stark und hatte einen Etat von in Summe 630 Köpfen. Nach Abzug der Beurlaubten, Kranken und Commandirten bleiben aber nur 396 Mann zum Dienst; 2 Compagnien des Regiments, unter dem Befehl des Capitain von Wendtland waren nach Güstrow detachirt.

In Rostock stand das Regiment Jung=Zülow, unter dem Befehl des Obersten von Zülow, welcher zu gleicher Zeit Commandant der Stadt war. Dasselbe zählte 5 Compagnien und sollte 500 Köpfe stark sein, hatte aber nach Abzug der Beurlaubten u. s. w. nur 283 Mann zum Dienst. Die Besetzung der Festung Dömitz bestand in dem Alt=Dömitzer Infanterie=Bataillon, 2 Compagnien stark; der Etat des Bataillons war 168 Köpfe, zum Dienst waren jedoch nur 84 zum Theil invalide Mannschaften verfügbar.

Außerdem bestand noch eine Leibgarde zu Pferde unter dem Befehl des Oberst von Barssen, 36 Reiter und einige unberittene Mannschaften stark. Chef dieser Leibgarde, welche in Schwerin in Garnison stand, war der Erbprinz, Herzog Ludwig zu Meklenburg.

Von den beiden Infanterie=Regimentern waren Commandos von je 1 Officier und 24 Mann in verschiedenen Städten des Landes postirt, so in Bützow, Sternberg, Grabow, Malchin und Neustadt. Diese kleinen Detachements hatten den Zweck gehabt, die Einwohner gegen die Gewaltthätigkeiten der preußischen Werber und die Streifereien der Ziethen=Husaren zu schützen. Da aber der Herzog auf das Peinlichste jeden Widerstand mit den Waffen in der Hand gegen preußische Truppen vermeiden wollte, hatte ihr Verbleiben in den kleinen Städten unter den jetzigen Umständen keinen Zweck mehr. Der Herzog ordnete daher auch den Abmarsch derselben in ihre Garnisonen an, als der Detachementsführer in Malchin ihm gemeldet hatte, daß am 8. December eine Schwadron vom schwarzen Husaren=Regiment Ruesch seine Thorwachen bei Seite gedrängt und trotz seines Protestes mit der Versicherung durch die Stadt geritten sei, sie kämen als Freunde und das Land hätte nichts von ihnen zu befürchten. Ehe jedoch der Befehl zum Abmarsch nach Malchin gelangt war, hatte der Officier nunmehr

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seine Instruction, keine fremde Truppen in die Stadt zu lassen, gewissenhafter befolgend, die Stadtthore Tag und Nacht geschlossen gehalten, und war dadurch fast täglich in ärgerliche Conflikte mit den preußischen Truppen gerathen, deren Verkehr untereinander von einem Ufer der Peene zum anderen, er in empfindlicher Weise erschwerte. Wiederholt hatten ihm preußische Officiere, welche den Uebergang bei Malchin gesperrt gefunden hatten und nun gezwungen waren einen weiten Umweg zu machen, durch seine eigne Schildwachen die gröbsten Complimente und Drohungen sagen lassen und als er endlich am 15. December abmarschirte, sah er sich bald von einem Trupp Husaren umringt, welche seine Leute entwaffneten, ihm den Degen abnahmen und zum Rückmarsch nach Malchin zwangen. Hier begegnete ihm der commandirende preußische Officier, der Major Graf Dohna, sehr höflich, gab ihm seinen Degen zurück und sagte, er habe ihm nur mittheilen wollen, daß er Malchin als Uebergangspunkt für seine Truppen nicht entbehren könne; jetzt könne er seinen Marsch fortsetzen und da seine Leute wohl ermüdet wären, würde er sich erlauben, ihnen ihre Tornister und Gewehre bis Teterow fahren zu lassen.

Dieser so harmlos verlaufene Vorfall hatte die traurigsten Folgen für den unglücklichen Lieutenant. In Rostock angekommen, wurde er arretirt und auf Befehl des Herzogs vor ein Kriegsgericht gestellt. Letzteres verurtheilte ihn zur Cassation wegen kriegsordnungswidrigen Verhaltens, weil er nicht Gewalt mit Gewalt vertrieben und sich eine kurze Strecke von dem ihm unterstellten Commando entfernt hatte 1 )

Inzwischen hatte sich in rascher Folge der Strom der preußischen Invasion über die Städte und Dorfschaften der Ostgrenzen Meklenburgs ergossen. Von Malchin über Neukalen, Dargun, Gnoien bis Sülze und Marlow waren alle Ortschaften dicht mit Einquartierung belegt. Mann und Pferd lebten auf Kosten der Bevölkerung, auch mußten zum Theil recht hohe Douceurgelder an die Befehlshaber gezahlt werden. Doch hielten die Truppen die beste Disciplin, da die Lieferungen von den herzoglichen Beamten, welche in das Hauptquartier des Prinzen befehligt waren, ordnungsmäßig auf die Gemeinden vertheilt wurden


1) Der Lieutenant Häckels - er zählte 36 Dienstjahre und war 56 Jahr alt! - hatte sich im Moment der Attacke bei dem Krankenwagen, der dem Commando vorauf gefahren war, befunden. Auf dem Gnadenwege - er hatte Frau und Kinder - erhielt er eine Pension von 5 Thaler, welche dem jedesmaligen jüngsten Officier des Regiments abgezogen werden sollten.
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Die Regierung hatte sich zuerst mit der Hoffnung geschmeichelt, daß die preußischen Truppen nur einen Durchmarsch durch Meklenburg beabsichtigten, um an die Schweden zu gelangen; als aber aus den verschiedenen Aemter die beweglichsten Klagen über das gebieterische Auftreten der preußischen Befehlshaber einliefen, als sogar die herzoglichen Kassen in den Post= und Steuerämtern mit Beschlag belegt wurden und der Feld=Kriegs=Commissar von Kleist weit größere Lieferungen ausschrieb, als zum unmittelbaren Bedarf der Truppen nothwendig waren, gewann man in Schwerin die Ueberzeugung, daß es auf eine dauernde Besetzung des Landes abgesehen und daß dies die Antwort des Königs auf die Abstimmung in Regensburg und das Bündniß mit Frankreich sei. Nach den Vorgängen in Dresden mußten die Minister um die persönliche Sicherheit des Herzogs besorgt sein und riethen ihrem Herrn, das Land zu verlassen und eine Zuflucht in Lübeck zu suchen. Kurz vor dem Weihnachtsfeste verließ Herzog Friedrich mit seiner Familie seine Residenz Ludwigslust; es begleiteten ihn die Minister und seine nächste Umgebung. Der Erbprinz Ludwig blieb in Schwerin zurück, aber nicht zur Uebernahme der Regierungsschäfte, welche von Lübeck aus weiter geführt wurden.

Ende December ging das Detachement des Prinzen von Holstein, kleinere Commandos zur Beitreibung der Lieferungen in Meklenburg zurücklassend, bei Beestland über die Trebel. Durch das Erscheinen dieser Truppen, deren Husaren=Schwadronen keck bis Triebsees und Grimmen streiften, in der rechten Flanke der schwedischen Armee, sowie durch das gleichzeitige Vorrücken des Feldmarschall Lehwaldt auf Demmin, wurde der schwedische Oberbefehlshaber, der Feldmarschall Ungern, zu jenem übereilten Rückzuge genöthigt, welcher erst in Stralsund und auf der Insel Rügen endete. Am 10. Januar wurde Stralsund von einem Theil der preußischen Truppen blockirt, während das Gros derselben hinter der Einschließungslinie Cantonnements bezog. Das Detachement des Prinzen von Holstein blieb theils in Pommern, theils rückte es in das Meklenburgische, um zur Eintreibung der Contributionen und Lieferungen, welche inzwischen dort im großartigen Maaßstabe ausgeschrieben waren, zur Hand zu sein. Das Kriegs=Commissariat des Lehwaldtschen Armeecorps war in Verlegenheit, an welche Adresse es seine Ausschreibungen richten sollte, da der Herzog mit seinen Ministern das Land verlassen hatte, ohne für eine Stellvertretung zur Weiterführung der Regierungsgeschäfte gesorgt zu haben. Es wandte sich daher durch die Vermittelung des Kloster=Hauptmanns von Levetzow auf Teschow an den zweiten Factor

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der meklenburgischen Gesetzgebung, an den engeren Ausschuß der Ritter= und Landschaft zu Rostock und theilte diesem seine Forderungen schriftlich mit (5. Januar). Diese bestanden in:

2500000
4368
9282
8220
202380
23616
 Reichsthaler,
 Wispel Mehl,
 Wispel Roggen,
 Wispel Hafer oder dafür 5480 Wispel Roggen,
 Centner Heu und
 Schock Stroh.

Das Geld war zahlbar in 3 Raten bis zum 21. Februar; das Getreide und die Fourage sollte bis zum 1. Februar vollständig geliefert sein; Alles bei Strafe sofortiger scharfer Execution. Der Engere Ausschuß wurde ersucht, die Repartition auf die herzoglichen Domänen, die Städte und die Ritterschaft auf das Schleunigste vorzunehmen.

Da Gefahr im Verzuge war, so sandten die Mitglieder des Engeren Ausschusses, der Gewalt weichend, sogleich Deputirte in das preußische Hauptquartier, um das Nähere mündlich zu ordnen, schrieben aber zugleich an die Regierung 1 ) und baten um Absendung eines herzoglichen Commissars, da ihnen der Hufenstand der Domainen nicht bekannt sei.

Bei einem unbefangenen Beurtheiler kann wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß das Verhalten des Engeren Ausschusses durchaus loyal und sachgemäß war. Gewiß war es dem Wortlaute des Erblandgrundvergleichs 2 ) nach ein ungesetzliches, denn die Ritter= und Landschaft hatte nicht das Recht, sich in Unterhandlungen mit dem preußischen Befehlshaber einzulassen, ohne von der Regierung dazu autorisirt zu sein; aber ebenso gewiß setzte auch der Erblandgrundvergleich voraus, daß es überhaupt eine Regierung in Meklenburg gab, und das war, da dieselbe vor dem Feinde nach Lübeck geflohen, factisch nicht der Fall. Wie sollte der Engere Ausschuß anders handeln, zumal die erste Geld=Rate - 840000 Thaler - schon nach 20, die erste Getreide=Lieferung nach 7 Tagen fällig war?


1) Das Schreiben ist unterzeichnet von "Joachim Ludolph von Bassewitz und Christian Anton Mantzel"; Ersterer von der Ritterschaft, Letzterer war Bürgermeister der Stadt Rostock.
2) Der Vergleich war im Jahre 1755 zwischen der Regierung und den Landständen abgeschlossen und beendete die langjährigen Streitigkeiten der beiden Regierungs=Factoren.
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Die herzogliche Regierung, welche es schon sehr übel vermerkt hatte, daß die Stände sich auf dem letzten Landtage der Bewilligung der Römer=Monate gegenüber so widerwillig gezeigt hatten, war aber anderer Ansicht. "Ihr kehrt ja an dem §. 322 des Erblandgrundvergleichs das Unterste zu Oberst", schrieb sie empört über die Bereitwilligkeit der Stände, die preußischen Forderungen zu bewilligen, an den Engeren Ausschuß und warf demselben in dem überaus scharfen Rescript "große Unbedachtsamkeit, Uebereilung, Leichtfertigkeit und gefährliche Hinaussicht" vor.

Ganz so böse, wie es nach diesen Ausdrücken den Anschein hat, war übrigens das herzogliche Schreiben nicht gemeint. Dasselbe war nämlich nicht allein an die Adresse des Engeren Ausschusses gerichtet, sondern war zugleich darauf berechnet, durch den Baron Teuffel zur Kenntniß der kaiserlichen Gesandten in Regensburg gebracht zu werden und sollte dazu dienen, die Nachrichten der Altonaer und Hamburger Zeitungen, welche übereinstimmend meldeten, daß der Herzog eine Convention mit Preußen abgeschlossen und sich zu großen Lieferungen verpflichtet habe, als unwahr hinzustellen.

Während die ständischen Deputirten im preußischen Hauptquartier zu Greifswald die enormen Forderungen herabzuhandeln suchten, erwuchs der Regierung eine große Sorge aus der Gefahr, in welcher die meklenburgischen Garnisonen in Schwerin, Rostock und Güstrow schwebten. Es war offenbar durch die Umstände geboten, dieselben beim Heranmarsch der preußischen Truppen an einem Orte zu vereinigen; dadurch wären dieselben wenigstens gegen den Handstreich kleinerer Truppencorps gesichert gewesen. So aber waren die Truppen täglich dem Schlimmsten ausgesetzt.

Die meklenburgischen Befehlshaber empfanden ihre unerträgliche Lage lebhaft und bestürmten den General von Zülow mit Bitten, ihnen doch wenigstens klare und bestimmte Befehle zu verschaffen, wie sie sich einem Angriffe der Preußen gegenüber verhalten sollten. Eine solche Instruction zu geben, war aber für den Vice=Kanzler Baron Dittmar nicht leicht. Von Widerstand und Gebrauch der Waffen gegen die preußischen Truppen wollte der Herzog durchaus nichts wissen; er mochte für seine Krone fürchten, wenn er den König noch mehr reizte; auf der anderen Seite wollte er verhindern, daß seine Soldaten überwältigt und wie die sächsischen in die preußische Armee gesteckt würden; dazu war aber erforderlich, daß sie sich vertheidigten, wenn sie angegriffen wurden.

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Diesen beiden Anforderungen suchte der Vicekanzler dadurch gerecht zu werden, daß er die Truppenführer instruirte, "sie sollten einem andringenden Feinde gegenüber eine feste Haltung annehmen und alle Vorkehrungen zur Vertheidigung treffen; griffe der Feind dann aber wirklich an, sollten sie um Capitulation und freien Abzug nach Schwerin anhalten."

Die Commandeure waren außer sich über diese Instruction, welche ihnen Ehre und Reputation rauben mußte. Der Capitain von Wendtland richtete sofort die dringende Bitte um Abänderung der Befehle an seinen Regimentschef: "Wie soll ich in einer völlig offenen Stadt, wo der Feind über den gefrorenen Stadtgraben in Regimentsfront in die Stadt einmarschiren kann, mit kaum 90 Mann eine feste Haltung annehmen, wenn ich nicht Feuer geben lassen darf!?"

Der General von Zülow schloß sich den Ausführungen seiner Untergebenen in allen Stücken an und wies namentlich darauf hin, daß auch in Schwerin ganz ähnliche Verhältnisse seien. Ihm wurde die kurze Antwort: er solle nach den gegebenen Befehlen handeln.

Die schwierige Lage der Truppen wurde noch dadurch erhöht, daß die Civilbehörden in Rostock und Güstrow entschieden üblen Willen zeigten.

In Güstrow erhielt der Bürgermeister (Spalding) eine officielle Benachrichtigung durch das Feld=Kriegs=Commissariat, daß in nächster Zeit preußische Truppen in Güstrow einrücken würden. Dies verschwieg er dem Capitain von Wendtland, der die Function eines Stadt=Commandanten ausübte, schickte aber eine Staffette an den Herzog nach Lübeck mit der Bitte, dem Hauptmann die Vertheidigung der Stadt zu untersagen. Der Capitain von Wendtland erfährt dies unter der Hand; auf das Aeußerste indignirt, stellt er den Bürgermeister zur Rede, erhält aber die kühle Antwort, daß bei einer Vertheidigung ja die Stadt unglücklich werden könne! Der Hauptmann meldete den Vorfall nach Schwerin, dort fand man aber die Fürsorge des Bürgermeisters für die ihm anvertraute Stadt ganz in der Ordnung. Die Zeiten und Anschauungen ändern sich; heutzutage würde man das Benehmen des pflichtvergessenen Bürgermeisters mit dem Namen Landesverrath bezeichnen!

Ende Januar erschien der Oberst von Froideville mit 10 Eskadrons Schorlemer=Dragoner vor den Thoren Rostocks und bat, ihm den Durchmarsch durch die Stadt zu gewähren; er hatte

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den Auftrag, Wismar zu besetzen und dort Contributionen zu erheben. Nachdem er sein Ehrenwort gegeben, nichts Feindseliges gegen die Garnison unternehmen zu wollen, gewährte der Commandant, Oberst von Zülow, seine Bitte; doch gestattete er den Durchmarsch nur schwadronsweise und ließ sein Regiment unter das Gewehr treten. Der preußische Oberst verabschiedete sich von dem Commandanten, welcher ihm das Geleite bis an das Thor gegeben, auf das Höflichste mit den respectabelsten Empfehlungen für den Herzog.

Ernster gestalteten sich die Dinge für Rostock, als der Prinz von Holstein zur Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig abmarschirte und vom Könige den Befehl erhalten hatte, auf dem Marsche dorthin, wenn irgend thunlich, die Garnisonen von Rostock, Güstrow und Schwerin aufzuheben.

Am 5. Februar, Morgens 9 Uhr, ließ der Prinz, von Ribnitz kommend, seine Regimenter - Prinz von Holstein=Gottorp und Graf Finkenstein=Dragoner, die schwarzen Husaren Ruesch und die gelben Husaren Malachowsky = 20 Eskadrons - auf der Wiese vor dem Petrithor aufmarschiren und den Commandanten auffordern, ihm die Stadt zu übergeben. Zu gleicher Zeit waren die Schwadronen des Oberst von Froideville, von Wismar zurückkehrend, vor dem Kröplinerthor angelangt. Der Oberst von Zülow schickte den Major von Plessen zum Prinzen mit Gegenvorstellungen, allein Letzterer erklärte "kurz und hautement", er habe bestimmte Ordre vom Könige, Die Stadt zu besetzen. Der Major von Plessen, dessen feste Haltung bei dieser Unterhandlung besonders gerühmt wird, erklärte darauf, in diesem Falle würde die Garnison sich vertheidigen und kehrte in die Stadt zurück.

Hier hatte der Commandant alle Maßnahmen zur Vertheidigung getroffen; die Thorwachen waren verstärkt, die Truppen versammelt, und der Magistrat war ersucht worden, der Garnison die Benutzung der Stadtgeschütze zu erlauben. Diese Bitte schlug aber der Magistrat, welcher vor wenigen Tagen ebenfalls in Schwerin gebeten hatte, dem Commandanten die Vertheidigung zu verbieten, rundweg ab. Für die Praxis war die Versagung der Geschütze gleichgültig, denn ernstlich konnte Niemand daran denken, die alten Kanonen, welche seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht waren und deren Munition und Ladezeug von der denkbar traurigsten Beschaffenheit war, sofort gegen den Feind zu verwenden; allein dieser Vorfall zeigte den üblen Willen, von dem auch dieser Magistrat beseelt war, in hellem Lichte.

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Als nun der Prinz 100 Dragoner absitzen ließ und diese mit schußfertigem Karabiner im Arm gegen das Thor anrückten, hielt der Commandant, seiner Instruction gemäß, den Moment für gekommen, auf freien Abzug zu capituliren. Der Major von Plessen ritt nochmals zu dem Prinzen hinaus und schlug einen 48stündigen Waffenstillstand vor, während dessen die Befehle des Herzogs von Lübeck eingeholt werden sollten; der Prinz bestand aber auf sofortiger Uebergabe. Nach längeren Unterhandlungen wurde die Stadt, gegen freien Abzug der Garnison mit allen Ehren, den preußischen Truppen übergeben. Letztere besetzten sofort die Thore und das Regiment marschirte am nächsten Tage nach Bützow ab.

Unmittelbar nach der Capitulation hatte der Oberst von Zülow den Major von Plessen mit der Meldung des Geschehenen nach Lübeck gesandt. Nach zwei Tagen traf derselbe wieder in Bützow ein mit dem Auftrage des Herzogs das Regiment nach Schwerin zu führen. 1 )

Da der Major unterwegs in Erfahrung gebracht, daß der Prinz von Holstein sich mit seinem Corps nach Schwerin in Marsch gesetzt und er die Befürchtung hegte unterwegs mit seiner Truppe aufgehoben zu werden, beschloß er sich mittelst Nachtmarsches durch die preußischen Regimenter durchzuschleichen. Demzufolge brach er noch in derselben Nacht von Bützow nach Sternberg auf.

Der Major übernahm das Commando des Regiments unter schwierigen Verhältnissen. Die Disciplin war durch die Aufregung der letzten Tage, sowie durch reichlichen Branntweingenuß in der bedenklichsten Weise gelockert worden. Dazu kam, daß durch den Wechsel im Commando bei den Leuten die Befürchtung laut geworden war, der Major habe den Auftrag, sie in die Hände der Preußen zu liefern. Die Mannschaft fing an im Gliede laut zu murren, und als nach 1/2stündigem Marsch der zum Recognosciren vorausgesandte Officier die Meldung brachte, er sei zwischen Husaren= und Dragoner=Patrouillen gerathen, welche bei seinem Erscheinen sofort Miene gemacht hätten, die umliegenden preußischen Marschquartiere zu allarmiren, ertönte in den Reihen des Regiments der laute Ruf: "Man will uns verrathen!"


1) Der Oberst von Zülow sollte in Rostock verbleiben und für den nächst ältesten Officier, den Oberst=Lieutenant von Pressentin, hatte der Herzog eine andere Verwendung.
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Welcher Führer, und sei er der tüchtigste, behält seine Truppe noch in der Hand, wenn das ominöse Wort "Verrath" gefallen ist?! Der Major sah sich gezwungen, das Regiment nach Bützow zurückzuführen. Hier angekommen, legte er die Compagnien in Alarmquartiere, konnte aber trotz der angestrengtesten Bemühungen seiner Officiere nicht verhindern, daß die Mannschaften die traurigsten Excesse, ja sogar Plünderungen von Kaufmannsläden begingen.

Am nächsten Morgen 9 Uhr gelang es dem Major von Plessen seine Leute zum Abmarsch zu bewegen. Als das Regiment sich der Sternberger Burg näherte, sah er lange Colonnen Cavallerie sich auf Sternberg zu bewegen, während 4 Schwadronen Dragoner und Husaren neben dem Wege aufmarschirt waren. Bei diesem befand sich der Prinz von Holstein mit seinem Stabe.

Der Major von Plessen, welcher nicht einen Augenblick im Zweifel war, daß es auf eine Gefangennahme seines Regiments abgesehen sei, marschirte neben dem Wege auf und formirte Karree. Alles kam darauf an, dem Feinde durch die Annahme einer festen Haltung - seiner einzigen Vertheidigungswaffe! - zu imponiren. Ritten die preußischen Schwadronen zur Attacke an, war er, da er sich nicht vertheidigen durfte, gezwungen, in der unrühmlichsten Weise das Gewehr zu strecken.

Es währte nicht lange, da sprengte der Adjutant des Prinzen, der Capitain von Pfuhl, heran: der Prinz habe gehört der Major wolle in Sternberg Quartier nehmen, er beabsichtige dasselbe; laut gegebener Parole solle dem Regiment nichts Feindseliges geschehen. Der Major schickte den Capitain von Boddeck mit einem Gegencompliment zum Prinzen: er wolle nicht lästig fallen und bäte ihm anzugeben, welche Orte die Herren Preußen nicht zu belegen gedächten? Als unter diesen auch die Stadt Warin genannt wurde, beschloß der Major, dorthin abzumarschiren, was zu gleicher Zeit den Vortheil bot, die nicht zugefrorene Warnow zwischen sich und die Preußen zu bringen. Als das Regiment abmarschirte, entstand unter den preußischen Schwadronen eine lebhafte Bewegung; der Commandeur derselben eilte herbei und meldete, der Prinz habe ihm befohlen, sich dem Herrn Major als Sauvegarde zur Verfügung zu stellen, falls es in Sternberg und Umgegend Quartier zu nehmen gedächte. Da Letzterer nicht einen Augenblick zweifelhaft war, daß die Preußen sein Regiment in ihrer Mitte haben wollten, um es während der Nacht in den Quartieren aufzuheben, verbat er sich bestimmt jede Begleitung und erreichte Warin Nachmittags 5 Uhr. Dort legte er seine Mannschaften in

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Alarmquartiere dicht am Thor und versperrte die Straßen durch eine Wagenburg. Am nächsten Tage marschirte er weiter; da ihm aber gemeldet wurde, daß die Landstraße von preußischen Reitern wimmle, bog er auf Viecheln ab und marschirte über den See nach Schwerin, woselbst er Abends 7 Uhr mit todesmüden Leuten ankam. Auf dem Marsche waren 48 Mann desertirt.

Wenn wir uns die fast gleichzeitig gegen die Güstrower Garnison in Scene gesetzte Expedition vergegenwärtigen, so ist es trotz der gegentheiligen Versicherungen des Prinzen von Holstein wohl als sicher anzunehmen, daß es auf eine Gefangennahme des Regiments während des Marsches abgesehen war. Der König war sehr unzufrieden, daß man das Regiment hatte entkommen lassen; der Herzog aber belobte hocherfreut den Commandeur auf das Schmeichelhafteste, dessen Festigkeit und geschicktes Benehmen die Truppe vor Gefangenschaft bewahrt hatte.

Gleich nachdem Herzog Friedrich die Kapitulation von Rostock erfahren, hatte. er dem Hauptmann von Wendtland den Befehl gesandt, sofort nach Schwerin abzumarschiren. Aber schon war es zu spät, der Prinz von Holstein hatte nach der Besetzung Rostocks, während er selbst auf Schwerin marschirte, den General Graf Finkenstein mit dem Dragoner=Regiment gleichen Namens nach Güstrow abrücken lassen, um die dortige Garnison aufzuheben.

Der Capitain von Wendtland war nach den Vorgängen in Rostock - 5. Februar - jeden Augenblick darauf gefaßt, die Preußen vor den Thoren Güstrows erscheinen zu sehen. Am 7. kamen preußische Dragoner=Officiere aus den umliegenden Dörfern in die Stadt, um Einkäufe zu machen und ein Güstrower Beamter, der Abends von Schwaan kam, hatte dort einen preußischen General getroffen, welcher ihn sehr erstaunt gefragt hatte, ob denn die Garnison noch in Güstrow sei und ob sie denn nicht endlich machen wolle, daß sie herauskäme!? Der Capitain Wendtland verbrachte die Nacht vom 7. auf den 8. angekleidet in seinem Zimmer; ebenso seine Officiere; die Thorwachen waren verstärkt, Pikets bereit gestellt und der Befehl gegeben, die Thore bei Tag Nacht geschlossen zu halten.

Am nächsten Morgen, gleich nach der Reveille, als der Unterofficier der Schnoien=Thorwache das Thor und beide Schlagbäume - gegen den Befehl - geöffnet hatte und in die Wachstube zurückgekehrt war, kam von der Nebelbrücke her eine Kutsche angefahren. In derselben saßen der Hof= und Landgerichts=Secretair

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von Schöppfer, welcher in dem Dorfe Lüssow (1/2 Meile von Güstrow) wohnte und neben ihm mit gespannter Pistole 2 preußische Dragoner=Officiere, während ein Dragoner hinten auf dem Trittbrett stand und 3 Dragoner zu Fuß folgten. Schöppfer war in der verwichenen Nacht durch den General von Finkenstein und dessen Adjutanten, den Lieutenant von Humboldt, gezwungen worden, die Kutsche anspannen zu lassen und mit nach Güstrow zu fahren; das ganze Regiment folgte in einiger Entfernung unter Beobachtung äußerster Stille und wurde hinter den Scheunen an der Nebelbrücke verdeckt aufgestellt.

Als die Schildwache an der äußeren Barriere die ihr wohlbekannte Lüssower Kutsche, welche fast täglich in Güstrow aus= und einpassirte, herankommen sah, rief sie, ohne genauer in den Wagen hineinzusehen, den Unterofficier der Thorwache zum Examiniren heraus, ließ aber die Kutsche durch beide Schlagbäume bis dicht an das Thor heranfahren. Der Unterofficier, rasch herbeieilend, durchschaute die Sachlage sofort und rief mit lauter Stimme: "Verrath, wir sind verrathen! Thor zu!" Barrieren zu!" Aber von dem Pallaschhiebe eines Officiers getroffen, taumelte er zu Boden; den Schildwachen wurden die Gewehre weggerissen und die Mannschaften der Thorwache durch eine Abtheilung Dragoner, welche mit Aexten versehen in der Nähe versteckt war, schnell bewältigt. Dann sprengten auch schon die 5 Schwadronen in vollem Rosseslauf heran, jagten durch die Stadt, entwaffneten die übrigen Thorwachen und griffen die Mannschaften theils auf der Straße, theils in ihren Ouartieren auf. Der Adjutant des Grafen Finkenstein eilte mit einigen Reitern in die Wohnung der Capitains und nahm ihm den Degen ab; ebenso erging es den übrigen Officieren, dem Lieutenant von Hobe und den Fähnrichs von Kriritz und von Wendtland. 1 )

Zum General von Finkenstein geführt, bat Capitain von Wendtland vergebens um freien Abmarsch mit seinen Compagnien, indem er sich auf die Rostocker Vorgänge berief. "Die Garnison ist viel zu schwach, um freien Abzug prätendiren zu können!" antwortete der Graf. Den Officieren wurden ihre Degen zurückgegeben und gestattet abzureisen, wohin sie wollten; die Mannschaften aber, 80 an der Zahl, wurden auf Wagen gesetzt und in das Hauptquartier des Prinzen von Holstein nach Zibühl geschickt,


1) Der Chef der anderen Compagnie, der Oberst=Lieutenant von Lützow, war erkrankt und nicht in Güstrow anwesend.
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welcher die tüchtigsten für das Dragoner=Regiment auswählte und den Rest zur preußischen Armee nach Sachsen schickte.

Am Abend langte ein Kurier aus Lübeck an, welcher den Befehl zum Abmarsch brachte; Wendtland konnte denselben nur mit seinen Officieren ausführen. In Schwerin angekommen, ließ der General von Zülow ihn als Arrestanten auf die Schloßwache setzen und im April wurde er auf Befehl des Herzogs vor ein Kriegsgericht gestellt.

Die Mitglieder des letzteren fanden in dem meklenburgischen Kriegsrecht keinen Paragraphen, welcher auf dem vorliegenden Fall Anwendbarkeit hatte; denn der von "dem Aufgeben oder der schlechten Vertheidigung eines Platzes" handelnde paßte nicht, weil dem Hauptmann von Wendtland ausdrücklich verboten war, Güstrow gegen einen Angriff mit den Waffen zu vertheidigen. Man mußte daher, wie es die Kriegsartikel in diesem Falle vorschrieben, "nach Billigkeit, Recht und wohlhergebrachtem Kriegsgebrauch" das Urtheil sprechen. Infolgedessen wurde der Hauptmann, weil er, wahrend er sich im Uebrigen als ein braver und umsichtiger Officier benommen, als ihm am 7. Abends die völlig glaubwürdige Nachricht geworden, daß sich preußische Truppen in der Nähe von Güstrow befänden und offenbar Etwas gegen die Garnison im Schilde führten, nicht seine gesammte Mannschaft während der Nacht unter den Waffen gehalten und auch bei Tage keine Officierpikets aufgestellt habe, zu einem dreiwöchigen Arreste verurtheilt.

Der Baron von Dittmar war außer sich über diesen milden Spruch des Gerichts; er erklärte denselben dem facto et juri ungemäß. "Ein Rostocker Kriegsrecht", so schloß er seinen Bericht an den Herzog, "cassirt einen Lieutenant, der sich einen lapsus judicii zu Schulden kommen ließ, der aber nicht einen Mann verloren hat und jetzt läßt man einen Capitain durch, der 100 Mann vernachlässigt und in seinem ganzen Commando nicht mehr Verstand an den Tag gelegt hat, als man von dem dummsten Musketier verlangen kann!" Indessen bestätigte der Herzog das Urtheil, dem Capitain von Wendtland aber wurde aufgegeben, unverzüglich seinen Abschied einzureichen.

Am 11. Februar 1758 meldeten die Patrouillen der Leibgarde, daß in sämmtlichen Dörfern der Umgegend von Schwerin preußische Cavallerie einquartiert sei. Es waren dies die Schwadronen des Prinzen von Holstein, welcher zur Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig abmarschirte. Dieselben rückten aber am nächsten Tage weiter, nachdem der Prinz seinen Adjutanten

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nach Schwerin gesandt, um den Herzog Ludwig von Meklenburg zu becomplimentiren, eine Höflichkeit, welche Letzterer noch an demselben Tage durch Absendung seines Kammerjunkers von Vietinghoff hatte erwidern lassen.

Nach dem Abzuge des Prinzen übernahm der Oberst von Froideville den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Meklenburg und sandte nun unvorzüglich eine Abtheilung Dragoner ab, um Schwerin zu blockiren.

Der Herzog, auf das Lebhafteste um das Schicksal seiner Truppen besorgt, schickte dem General von Zülow genau dieselben Verhaltungsbefehle, welche die Rostocker und Güstrower Truppen gehabt hatten, jedoch mit dem Hinzufügen, der General solle mit Kanonen und Musketen schießen lassen, wohlgemerkt aber - wenn der Feind schwächer sei, als die Garnison.

Es dürfte von Interesse sein, hier einen Blick auf den damaligen Zustand der Festung und Stadt Schwerin zu werfen, welche der General von Zülow gegen einen Handstreich des Feindes schützen sollte. (Siehe den Plan.)

Die Festung Schwerin, auf der Schloßinsel gelegen, war ein Erdwerk von unregelmäßiger Form, in dessen Mitte das Schloß lag und stand durch zwei hölzerne Zugbrücken mit der Stadt und dem Schloßgarten in Verbindung.

Von der Stadt war nur die Westseite befestigt, d. h. diejenige Linie, welche jetzt die Kaiser Wilhelm=Straße bildet. Ungefähr da, wo jetzt die Schloßstraße in die letztgenannte Straße einmündet, lag eine Mühle und vor derselben das Mühlenthor. Vor diesem Thore befand sich eine Bastion, an welche sich links, also nach dem Burgsee zu, ein kleines Scheerenwerk anschloß. Die Mühlenthor=Bastion oder Batterie wurde durch eine Courtine mit der Schmiedethor=Bastion verbunden, welche vor dem Schmiedethor, d. h. da lag, wo die Schmiedestraße in die Kaiser Wilhelm=Straße mündet. Die Courtine wurde durch ein vor derselben liegendes Ravelin gedeckt. Die ganze Länge der Festungswerke, welche völlig verfallen und ohne Pallisadirung waren, betrug circa 250 Meter. Von der Stadt waren dieselben durch ein schmales Gewässer getrennt, den Fließgraben, welcher den Burgsee mit dem Pfaffenteich verband und auch die Festungsgräben speisen sollte. Ueber zwei Brücken gelangte man aus der Stadt auf die Wälle. über eine dritte von da aus in das Ravelin und eine vierte vermittelte den Verkehr aus dem Ravelin mit der Vorstadt, dem

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jetzigen Marienplatz, Rostockerstraße u. s. w. Die Gräben waren völlig versumpft und boten, da sie infolgedessen nicht aufgeeist werden konnten, in dem überaus kalten Winter des Jahres 1757/58 kein Hinderniß dar.

Außer diesen Befestigungen sperrte ein Erdwerk in Form einer Flasche den Spielthundamm, 1 ) welcher von der Schelfstadt 2 ) zur Bischofsmühle und von da auf die Landstraße nach Wismar führte. Dies Werk, ebenfalls verfallen und ohne Pallisaden, war aber von dem Kläterberge 3 ) so vollständig eingesehen, daß es gegen Geschützfeuer nicht gehalten werden konnte. Im Uebrigen war die Stadt gänzlich offen und da die Seen von Anfang Februar bis Mitte März dergestalt zugefroren waren, daß die Eisdecke die schwersten Lasten trug, war die Stadt von allen Seiten einem überraschenden Angriff ausgesetzt.

In Schwerin waren jetzt die beiden Regimenter von Zülow vereinigt, 9 schwache Compagnien, nicht mehr als 550 Bajonette und die Leibgarde, welche aber nur dadurch auf 36 Berittene hatte gebracht werden können, daß Privatleute aus patriotischer Gesinnung ihre Karossiers zum Dienst für die Truppe hergegeben hatten. Den flinken preußischen Cavalleristen gegenüber waren diese ungewandten Reiter, auf schweren, nicht wendigen Pferden, in einer gänzlich hülflosen Lage und nicht immer gelang es ihnen, wenn sie einmal über den Schloßgarten hinaus patrouillirten die schützende Zugbrücke wieder zu erreichen.

Geschütze waren genug vorhanden; es standen 22 metallene Kanonen größeren und kleineren Kalibers auf den Wällen, allein die Munition war nicht fertig und das Ladezeug in der traurigsten Verfassung. Vor allem aber mangelte es an Bedienungsmannschaft; für sämmtliche Geschütze waren nur 6 aus Sachsen engagirte Konstabler disponibel und der General trug Bedenken, aus den Regimentsstücken feuern zu lassen, in der Besorgniß, die Lafetten möchten den Stoß der Pulverladung nicht aushalten.

Der General von Zülow - er zählte 70 Jahre und war gichtbrüchig - that sein Möglichstes, die Vertheidigung zu organisiren. Er ließ Geschützbänke anschütten und Pallisaden setzen. Das Schloß und die Mühlenthorbatterie wurde mit je 1 Compagnie,


1) Jetzt Spielthordamm genannt.
2) Damals nicht mit zum Weichbild der Stadt Schwerin gehörig.
3) Die Anhöhe, auf welche man durch den Eisenbahndurchschnitt bei der Bischofsmühle gelangt.
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die Spielthunschanze mit 1 Officier und 30 Mann besetzt. Der schwere Wach = und Arbeitsdienst ermüdete die Mannschaften ganz außerordentlich, doch waren die Leute willig und guten Muthes, trotzdem sie wegen der im ganzen Lande herrschenden Theurung nicht satt zu essen hatten.

Es darf uns nicht Wunder nehmen, daß der General, welcher sich nicht verhehlte, daß es trotz aller Sorgfalt eine Unmöglichkeit für ihn war, einen geschickt ins Werk gesetzten Handstreich zu verhindern, in sehr gedrückter Stimmung war. Er schilderte dem Herzog die Schwierigkeiten seiner Lage in den grellsten Farben und schloß seinen Bericht: "Es fehlt Alles zur Defensive; ich bitte daher Eure Durchlaucht dringend, mich und die braven Leute nicht zu exponiren und uns abmarschiren zu lassen, so lange es noch geht."

Ein Abmarsch der Schweriner Garnison war nämlich schon vor der Blockade in Erwägung gezogen worden, und der General hatte die Regimenter in Marschbereitschaft setzen müssen. Die Blockadetruppen würden den Abmarsch auch jetzt nicht gehindert haben, denn sie waren nur wenige Eskadrons stark. Der Plan war aber wieder aufgegeben worden, weil man nicht wußte, wohin man die Truppen bringen sollte.

Von der Blockade selbst ist nicht viel zu sagen; sie verlief sehr harmlos. Kleinere Patrouillen ritten dicht an die Festungswerke heran, neckten die Besatzung und schossen mitunter auf die Schildwachen, welche dann das Feuer erwiderten; wenn sich ganze Schwadronen zeigten, wurde wohl auch die Garnison allarmirt. Verwundungen sind während der ganzen Dauer der Blockade nicht vorgekommen. Dabei waren die preußischen Postirungen so locker, daß fortgesetzt Lebensmittel in die Stadt gebracht werden konnten und der Verkehr mit dem Hofe in Lübeck nicht einen Augenblick unterbrochen wurde. Dennoch war die Angst und der Schrecken der Einwohner groß, da täglich Nachrichten aus der Umgegend einliefen, mit welcher Härte die preußischen Dragoner die ausgeschriebenen Contributionen beitrieben und die jungen Leute als Rekruten fortschleppten, und viele Bewohner Schwerins verließen mit ihren Familien und ihren Werthsachen die Stadt.

Der Vicekanzler suchte auf alle Weise die Zuversicht des Generals zu heben. Er rieth ihm, den Schelfwerder wohl zu beobachten und den See täglich 20 Fuß breit aufeisen zu lassen; "sonst sehe ich vorher," schrieb er. "daß nächstens einige Eskadrons von Hohen=Viecheln her eindringen und der Sache ein gar kläg=

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liches Ende bereiten werden:" Und als der General erschreckt meldete, daß nun auch 2 Bataillone preußischer Infanterie in Rostock eingerückt seien 1 ) und demnächst vor Schwerin erscheinen würden, erhielt er zur Antwort: "Was liegt daran?! Zwei Bataillone vor der Stadt und zwei in derselben, ist partie égale!"

Am 25. Februar ließ der Commandeur der Blockadetruppen, der Major von Hirsch, vom Regiment Schorlemer=Dragoner, die Garnison auffordern, sich zu Kriegsgefangenen zu ergeben. Der General von Zülow erwiderte, er habe Befehl von seinem Herzog sich bis auf den letzten Mann zu wehren. Als hierauf der Parlamentair bemerkte, daß in den nächsten Tagen Infanterie und Artillerie vor der Stadt ankommen werde und auf die Macht seines Königs hinwies, schickte der General den Fähnrich Köpcke mit einem preußischen Passirschein versehen, zur Meldung nach Lübeck. Schon am nächsten Tage konnte dem Major von Hirsch die Antwort des Herzogs mitgetheilt werden: Er wisse nicht, daß er im Kriege mit dem Könige von Preußen begriffen sei und könne nicht glauben, daß seine Majestät sich seiner Uebermacht bedienen sollte, um die Residenz eines minder mächtigen Reichsfürsten zu überfallen; der General solle strikte nach seiner Ordre handeln.

Indessen war man in Lübeck ernstlich besorgt Verschiedene Schreiben an den General von Zülow, vom Herzog unterschrieben, aber nicht abgesandt, liegen bei den Acten und geben Zeugniß von der Verlegenheit und Unschlüssigkeit der Regierung. Während ein Schreiben dem General befiehlt, sich bei Nacht mit der Garnison nach Dömitz durchzuschleichen, schreibt ihm das zweite vor, nach Wismar zu marschiren, um sich von dort zu Schiff nach Stralsund unter schwedischen Schutz zu begeben, und in dem dritten wird er aufgefordert sich bis auf den letzten Mann zu wehren. Endlich wurde ein viertes Schreiben mit dem Befehl abgesandt: schlimmsten Falles sollten, wenn der Feind der Garnison keinen freien Abzug gewähren wolle, die Regimenter aufgelöst werden und Jeder solle sich retten, so gut er könne.

Da keine Infanterie bei dem Blockadecorps eintraf, so änderte sich während des Monats März vor Schwerin nichts. Endlich am 13. April verbrannten die preußischen Feldwachen bei Ostorf, Neumühle und Lankow ihre Hütten und die dort aufgehäuften Faschinen, und das Blockade=Detachement marschirte nach Rostock


1) Es war dort ein preußisches Grenadier=Bataillon à 800 Mann eingerückt.
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ab, nachdem sich der Major von Hirsch brieflich in der harmlosesten Weise von der Welt der Huld des Herzogs angelegentlichst hatte empfehlen lassen. In der Freude seines Herzens belobte der Herzog den General von Zülow wegen seines geschickten Verhaltens und ließ den Mannschaften ein Geldgeschenk "zur Ergötzlichkeit" auszahlen. Im Mai verließen die preußischen Truppen Meklenburg gänzlich und marschirten nach Schwedisch=Pommern ab.

Am 18. Juni hob der General Graf Dohna, welcher nach der Abberufung des Feldmarschalls Lehwaldt Anfang März den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Pommern und Meklenburg übernommen hatte, auf Befehl des Königs die Blockade von Stralsund auf und marschirte mit seinem ganzen Corps ostwärts gegen die Russen ab, welche sich in langsamen Märschen der Weichsel näherten, nachdem er die festen Plätze an der Peene, mit Ausnahme von Fort Peenemünde aufgegeben hatte. Zur Beobachtung gegen die Schweden ließ er an der Peenelinie nur einen Officier mit einem Husaren=Detachement und einige Frei=Compagnien aus Stettin zurück.

Meklenburg athmete erleichtert auf. Zahlreiche preußische Truppen hatten gerade nicht dauernd im Lande gelegen; aber die Beköstigung derselben, die ungeheure Menge Getreide und Fourage, welche das Land außerdem in die Magazine hatte liefern müssen, und die zwangsweise Gestellung von Pferden hatte störend in Handel und Wandel eingegriffen und die Preise aller Lebensmittel sehr erheblich in die Höhe getrieben. Durch die mit schonungsloser Härte vorgenommene Rekruten=Aushebung war Furcht und Schrecken unter den Einwohnern erzeugt, und die jungen Leute waren scharenweise über die Grenze geflohen.

Es hatte sich sehr bald herausgestellt, daß es für das Land schlechterdings unmöglich war, die kurzen Lieferungstermine inne zu halten. Der Feld=Kriegs=Commissar, General von Kleist, führte aber eine sehr energische Sprache und drohte mit scharfer, rücksichtsloser Execution. Um dies Unglück vom Lande abzuwenden, war zwischen Ersterem und dem Engeren Ausschusse ein neues Abkommen wegen der Zahlungstermine getroffen und in Rostock eine Casse eingerichtet worden, in welche die Aemter, die Städte und die Ritterschaft ihre Quoten einzuzahlen hatten und welche dann das Geld an das Feld=Kriegs=Commissariat abführen sollte: die Landes=Receptur=Casse. Ganz ohne Execution ging es freilich auch so nicht ab. Zuerst wurden die Executionen durch meklenburgische Soldaten auf Requisition dieser Casse beigetrieben; als aber diese

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Mannschaften öfter durch preußische Streifpartieen aufgehoben und als Rekruten weggeführt wurden, gaben die Preußen selbst die Commandos und da ging es dann oft sehr summarisch her.

Der Herzog beklagte sich in seiner Klageschrift an den Käiser und auch dem Engeren Ausschuß gegenüber bitter, daß die Vertheilung der Contribution und der Lieferungen nicht der Verfassung des Landes gemäß, sondern zum Nachtheil seiner Domainen geschehen sei. Während die Ritterschaft und die Städte von den geforderten 2500000 Thalern zusammen die Hälfte zahlen sollten, wurde den herzoglichen Domänen allein die andere Hälfte auferlegt. 1 ) Dazu kam noch, daß der General von Kleist nachdrücklich darauf bestanden hatte, daß die an Preußen und Hannover verpfändeten 12 Domänen von jeglicher Abgabe, sei es Geld, seien es Naturalien, befreit seien sollten. Der General von Kleist schreibt auch dem Engeren Ausschusse ausdrücklich, der König habe befohlen, "daß die Noblesse des Landes in jeder Beziehung soulagirt werden solle". Der Herzog sollte an Geld und Gut dafür büßen, daß er sich bei der Abstimmung über die Römermonate so bereit hatte finden lassen, und der Ritterschaft Meklenburgs sollte eine Anerkennung dafür zu Theil werden, daß sie auf dem Landtage des verflossenen Jahres der Bewilligung der Gelder für die Reichsarmee so hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt hatte. Und diese ungerechte Vertheilung der Kriegslasten blieb auch dann von Bestand, als man sich preußischerseits überzeugt hatte, daß es für das Land unmöglich sei, die volle Contributionssumme zu zahlen und letztere auf 1000000 Thaler mit dem Engeren Ausschusse behandelt hatte. Die Stimmung der Regierung gegen den Engeren Ausschuß wurde hierdurch nicht verbessert; wenn sie sich auch sagen mußte, daß das preußische Kriegs=Commissariat die entscheidende Stimme hatte, so nahm sie es doch sehr übel, daß die Vertreter der Ritter= und Landschaft der ungerechten Vertheilung der Kriegslasten so bereitwilligst beigestimmt hatten. Es machte sich immer fühlbarer, welchen Fehler die Regierung begangen hatte, als sie, dem ersten Sturm weichend,


1) Vom Jahre 1758 liegen keine statistische Nachrichten vor; im Jahre 1784 hatte Meklenburg=Schwerin 240 geographische Quadratmeilen mit 240000 Einwohner. Städte und Flecken gab es 31, ritterschaftliche Güter und Meierhöfe 1100, herzogliche Pachtgüter und Dörfer 866. Die Stadt Schwerin hatte 9950, Rostock 8000, Güstrow 5000, Parchim 2900, Ludwigslust 1900 Einwohner. Die herzoglichen Einkünfte betrugen in Summa ca. 700000 Thaler, und zwar aus den Domänen ca. 400000, Contribution und Accise ca. 200000, Elbzoll ca. 30000, die Forsten ca. 5000, die Post ca. 18000 Thaler u. s. w.
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außer Landes gegangen war. Indessen mußte sie gute Miene zum bösen Spiele machen und wies die verschiedenen Aemter an, die Einzahlungen direct an die Recepturcasse einzusenden. Hierdurch gerieth aber die herzogliche Renterei 1 ) in solche Geldverlegenheit, daß sie oft nicht wußte, wie sie die allernothwendigsten Zahlungen, z. B. die Löhnung der Truppen u. s. w., leisten sollte. Von den Beamten Gelder zu erhalten, war unmöglich geworden; diese gehorchten dem preußischen Befehlshaber, der Gewalt über sie hatte, mehr als den Befehlen des Herzogs, welcher sie nicht schützen konnte. So kam es denn vor, daß die Regierung ihren eigenen Beamten das vorräthige Geld mit Gewalt abnehmen ließ, wie z. B. im Amte Heidhof bei Dömitz.

Hier hatte der Amtmann zur Nedden 2400 Thaler bereit, welche am nächsten Tage nach Rostock abgeführt werden sollten. Da aber zu derselben Zeit der Commandant Major Hertrich dringend Geld gebrauchte, um die von Allem entblößte Festung Dömitz nothdürftig in Vertheidigungszustand zu setzen, so wurde er von Lübeck aus angewiesen, sich in aller Stille des Geldes zu bemächtigen. Dies geschah, wurde aber von dem dazu commandirten Hauptmann mit so großer Ungeschicklichkeit ausgeführt, daß der Commandant von Dömitz nur die Hälfte der Summe erhielt und allen Akteurs in dieser nicht sehr erquicklichen Comödie die größten Unannehmlichkeiten erwuchsen. Der Oberst von Froideville, welcher schon am nächsten Tage Kunde von dem Vorfall erhielt und in den allerheftigsten Zorn gerieth, citirte den unglücklichen Amtmann nach Rostock, wo sich derselbe wegen Verraths zu rechtfertigen hatte; dem Major Hertrich wurde gedroht, es solle Stadt und Festung Dömitz mit Feuer und Schwert verheert werden, wenn er das gestohlene Geld nicht sofort herausgebe und der Hauptmann wurde auf Veranlassung des Vicekanzlers Dittmar wegen seines kopflosen Benehmens in Untersuchung gezogen. Das Geld aber wurde von der Commandantur auf Befehl des Herzogs an die Receptur=Casse eingeschickt.



1) Großherzogliche Centralzahlstelle in Schwerin.
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Die 1. und 2. Offensive der schwedischen Armee im Jahre 1758 und Rückkehr des Herzogs nach Ludwigslust; Kriegsschaden des Jahres 1758.

Einem sofortigen Vorrücken der schwedischen Armee über die Peene stand im Juni des Jahres 1758 nichts weiter entgegen, als ihre eigene Unfähigkeit zu kriegerischen Unternehmungen.

Mit 16000 Mann war der Feldmarschall Ungern=Sternberg im Jahre 1757 bei Stralsund gelandet und ohne Widerstand zu finden bis Pasewalk und Prenzlau vorgerückt. Als aber das Lehwaldtsche Corps von der Weichsel heranmarschirte, hatte der schwedische Oberbefehlshaber am 12. November sofort den Rückzug angetreten, hatte an der Peenelinie einen kurzen Halt gemacht und war dann in unrühmlicher Eile bis Stralsund und Rügen zurückgewichen. Hier ging das Obercommando an den Generallieutenant von Rosen über, nachdem Feldmarschall Ungern den wegen Kränklichkeit erbetenen Abschied erhalten hatte. Die schwedische Armee war durch Krankheiten aller Art, welche eine beispiellos schlechte Verpflegung, die Ueberhäufung der Festung mit Mannschaften und der harte Winter hervorgerufen hatten, derart geschwächt, daß sie bei Beginn des Frühjahrs 1758 nur 7000 Waffenfähige zählte. Der Reiterei fehlten 1000, der Artillerie und den Trains 1400 Pferde; der Rest war theils unbrauchbar, theils durch Futtermangel entkräftet. Es währte bis zum Juli, daß die Regimenter durch Einstellung der Reconvalescenten und durch Ankunft von Verstärkungen aus Schweden auf eine Effectivstärke von 16000 Mann gebracht und die Offensive wieder aufgenommen werden konnte. Gegen die Mitte des Juli war die Armee an die Peene vorgerückt und besetzte Demmin und Anclam, einige Tage später auch das Fort Peenemünde. Der Oberbefehl war wiederum in andere Hände übergegangen; an die Stelle des wegen geschwächter Gesundheit sich zurückziehenden Generals v. Rosen trat der General=Lieutenant Hamilton.

Während dieser Zeit ereignete sich in Rostock ein Vorfall, welchen wir hier erwähnen wollen, weil er dazu beitrug, den Zorn, den der König gegen Herzog Friedrich hegte, zu erhöhen und die Maaßnahmen der Preußen beim Wiedereinrücken in Meklenburg zu verschärfen.

Anfang Juli 1758 rückte der schwedische Oberst=Lieutenant Graf von Löwenhaupt an der Spitze von 400 Mann Fußvolk

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und 400 Reitern in Rostock ein und eröffnete dem Engeren Ausschusse, er habe von seiner Regierung den Auftrag, zu verhindern, daß die von den Preußen ausgeschriebenen Contributionsgelder weiter bezahlt würden, sowie die in der Landes=Receptur=Casse befindlichen Summen in Beschlag zu nehmen; denselben Auftrag habe der Officier, welcher mit 70 Mann in Güstrow eingerückt sei, woselbst sich eine Filiale der Receptur=Casse befand.

Das Begehren des schwedischen Befehlshabers erregte unter den Mitgliedern des Engeren Ausschusses die höchste Bestürzung. Man erwiderte, die ursprüngliche, ganz unerschwingliche Forderung der Preußen von 2500000 Thalern sei mit der größten Mühe soeben auf eine Million herabgehandelt worden; wenn nun die Zahlungen stockten, seien beim Wiedereinrücken der preußischen Truppen die schlimmsten Folgen für das Land zu befürchten; auch hätten Letztere ja noch die Geißeln der Ritterschaft in Händen. Da der Graf Löwenhaupt aber bestimmt auf seiner Forderung beharrte, wandte sich der Engere Ausschluß an den Herzog, welcher im Juli von Lübeck in seine Residenz gurückgekehrt war, und Letzterer erreichte durch die Vermittelung des Mr. de Champeaux und des französischen Militair=Bevollmächtigten im schwedischen Hauptquartier, des Marquis von Montalembert, daß der Oberst=Lieutenant Löwenhaupt mit seinem Detachement Rostock verließ; aber nicht ohne auf Befehl des Generals Hamilton zwei Mitglieder des Engeren Ausschusses, den Oberst=Lieutenant a. D. von Drieberg und den Bürgermeister der Stadt Rostock Mantzel in das schwedische Hauptquartier abzuführen, weil der Engere Ausschuß sich geweigert hatte, einen eidlichen Revers zu unterschreiben "keinerlei Gelder oder Lieferungen, unter welchem Vorwande es auch sei, an den König von Preußen abzuschicken."

Die meklenburgischen Herren wurden im schwedischen Hauptquartier sehr freundlich behandelt, nur warf ihnen der General Hamilton ihr unpatriotisches Benehmen auf dem vorjährigen Landtage vor und erklärte, er würde, wenn die Receptur=Casse ohne sichtbaren Zwang Gelder an Preußen abführe, sich die gleiche Summe von Meklenburg zahlen lassen.

Unter diesen Umständen hielt es der Herzog für geboten, der Gewalt zu weichen und der Receptur=Casse die Weisung zu ertheilen, vorläufig die Zahlung der Contributionsgelder an Preußen einzustellen. Es waren bis dato gezahlt worden: 542258 Thaler.

Im Hauptquartier des Grafen Dohna wohin die meklenburgischen Contributionsgelder abgeführt werden mußten, zweifelte

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Niemand daran, daß der Herzog die Schweden ins Land gerufen habe, um sich der lästigen Zahlungen zu entledigen. Der Hauptmann a. D. von Vegesack, welcher im Auftrage des Engeren Ausschusses in Berlin stationirt war, um dort die Gelder von Rostock in Empfang zu nehmen, wurde sofort nach Frankfurt a. O. gerufen, vom Grafen Dohna sehr hart angelassen und mit der höchsten Ungnade des Königs bedroht, welcher in einigen Tagen mit der Armee dort erwartet wurde. Bestürzt eilte Vegesack nach Berlin zurück um dort die fällige Quote aufzuleihen; allein er mußte nach Rostock melden, daß er vergeblich hohe Provision und enorme Zinsen geboten; seit dem Einrücken der Schweden in Rostock wolle ihm in Berlin Niemand einen Thaler leihen.

Die meklenburgischen Stände waren sehr erzürnt über diese Affaire, von der sie nur Unheil für das Land vorhersahen; wie sie denn überhaupt sehr wenig mit der ganzen preußenfeindlichen Richtung der Politik des Herzogs übereinstimmten. Der Engere Ausschuß schrieb einen sehr schroffen Brief an die Regierung: "Warum sie denn die Schweden ins Land gerufen!? Nun sage der König, er habe ein Recht mit Meklenburg umzugehen, wie seine Feinde - die Russen - mit seinen Landen gethan, zumal da der Herzog ihm nun auch noch das bisher neutral gewesene Dänemark auf den Leib zu hetzen versuche." Die Regierung erwiderte - etwas kleinlaut -, sie habe die Schweden nicht gerufen, ließ aber das Verbot der Zahlungen bei Bestand.

Herzog Friedrich war nach dem Abmarsche der preußischen Truppen mit seinen Ministern und seinem Hofe vorläufig noch in Lübeck geblieben; erst als die Schweden Mitte Juli 1758 die Peene überschritten, war er nach Ludwigslust zurückgekehrt. Mit schwerer Sorge im Herzen hatte er sein Land verlassen; mit freudiger Hoffnung auf bessere Zeiten kehrte er zurück, denn die Chancen begannen wieder ein günstigeres Aussehen zu gewinnen. Von Osten her nahte die mächtige Hülfe der Russen, und die Schweden schickten sich an, in das Herz der preußischen Monarchie einzudringen. Im Lande aber gab es für die Regierung viel Arbeit; vor Allem galt es der aufgeregten und verschüchterten Bevölkerung Vertrauen einzuflößen und die vielfach gelockerten Bande der bürgerlichen Ordnung wieder zu befestigen.

Von den herzoglichen Truppen blieb die Leibgarde und das Regiment Alt=Zülow, bei welchem letzteren die beiden in Güstrow gefangenen Compagnien neu errichtet waren, in Schwerin in Garnison, während das Regiment Jung=Zülow nach Güstrow verlegt

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wurde, jedoch mit der Instruktion für den Commandeur, nach eigenem Ermessen nach Schwerin abrücken zu dürfen, wenn ernstliche Gefahr drohe. Den Compagniechefs wurde aufgegeben, ihre Compagnien durch Werbung im Lande schleunigst zu completiren, jedoch sollte jede gewaltsame Werbung den Officieren bei Strafe der Cassation untersagt sein.

Im October d. J. gerieth die Regierung mit der Stadt Rostock in Conflict, welcher ein Einschreiten der bewaffneten Macht zur Folge hatte.

Rostock hatte während der preußischen Invasion mehr als die übrigen Ortschaften des Landes durch Einquartierung und Naturallieferungen zu leiden gehabt, und verlangte daher bei der Aufbringung der preußischen Contributionsgelder besonders berücksichtigt zu werden. Als nun die Schweden die Abführung der Gelder aus der Receptur=Casse an Preußen verboten und den Bürgermeister als Geisel mitgenommen hatten. hielt sich der Magistrat nicht mehr für verpflichtet, die auf Rostock fallende Quote weiter zu entrichten und verweigerte hartnäckig jede weitere Zahlung, "die ja keinen Zweck mehr habe." Als infolgedessen ein Officier mit 30 Mann nach Rostock gesandt wurde, um die Zahlung executorisch beizutreiben, erwachte der alte hanseatische Trotz, die Stadt schloß ihre Thore und verweigerte dem Commando den Einmarsch. Der Officier war gezwungen, sich mit seinen Leuten in der Vorstadt einzuquartieren.

Die Regierung war aber keineswegs gesonnen, diese Auflehnung der Stadt hinzunehmen. Der Generalmajor von Zülow erhielt Befehl, mit seinem ganzen Regiment nach Rostock zu marschiren und die Execution auszuführen. Am 4. November ließ der General seine Compagnien zu gleicher Zeit gegen das Stein= und das Kröpeliner=Thor vorrücken und drohte mit ungesäumter Gewalt. Hierauf ließ es indessen der Magistrat nicht ankommen und öffnete die mit Stadtsoldaten und bewaffneten Arbeitern besetzten Thore. Bis zum 15. December blieb das Regiment in der Stadt, wurde dann aber nach Schwerin zurückgezogen, weil die Annäherung der preußischen Truppen ein längeres Verbleiben gefährlich erscheinen ließ. Um aber factisch das Besatzungsrecht nicht aus den Händen zu geben, wies die Regierung den General von Zülow an, den Hauptmann Michel Kredewahn mit seinen Invaliden aus Sülze und Ribnitz heranzuziehen und ihnen die Stadtschlüssel sowie die Thorwachen zu übergeben.

Die Lasten, welche den meklenburgischen Landen durch die Invasion der preußischen Truppen von Ausgang December 1757

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bis zum Juli des Jahres 1758 auferlegt wurden, waren sehr erhebliche. Freilich wurden von den geforderten Millionen in Wirklichkeit nur 542258 Thaler baar bezahlt, aber die Schäden und Kosten, welche das Land an Korn =, Fourage =, Pferde= und Vie=Lieferungen, an Executionskosten, Durchmärschen und Einbuße durch unbestellte Felder zu erleiden gehabt hatte, beliefen sich auf 1252346 Thaler, so daß der Gesammt=Schaden 1794604 Thaler betrug. Außerdem wurden 1556 Menschen gewaltsam als Rekruten weggeführt.


Die Beschwerdeschrift des Herzogs von Meklenburg; Verhandlungen und Streitschriften in Regensburg.

Wir haben gesehen, daß der Freiherr von Plotho durch die schneidige Art seines Auftretens und durch die Rücksichtslosigkeit seiner Ausdrucksweise, mit welcher er die Interessen seines Königs vertheidigte, alle preußenfeindlichen Reichsstände auf das Aeußerste gereizt hatte. Man hatte gehofft, er würde nach dem Reichstagsbeschluß vom 17. Januar 1757 Regensburg verlassen; allein weit entfernt, freiwillig das Feld zu räumen, trat er kampfeslustiger und schroffer auf denn je. Da ward denn von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen, ob es zulässig sei, daß der Baron Plotho, da sein König sich mit Kaiser und Reich im Kriegszustande befinde, überhaupt noch an den Sitzungen des Reichstages theilnehmen dürfe? Auch der meklenburgische Comitialgesandte wurde von seiner Regierung aufgefordert, sich über diesen Punkt zu äußern. Baron Teuffel berichtete, der brandenburgische Gesandte sei deshalb noch nicht aus Regensburg entfernt, weil nur die Reichsexecution gegen den König von Preußen erkannt, derselbe aber noch nicht durch die Reichsacht zum Reichsfeind erkärt sei.

Von einer so milden Auffassung der Sache wollte der Baron Dittmar aber schlechterdings nichts hören. "Der Herr Gesandte muß gründlich belehrt werden!" schrieb er und verfaßte zu dem Ende ein Promemoria, in welchem mit großer dialectischer Schärfe der Beweis geführt wurde, daß der Krieg gegen den König von Preußen keine Reichsexecution, sondern ein wirklicher Reichskrieg und folglich der König ein Reichsfeind sei. "Aus

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diesem Princip kann man ihm in unserem Interesse mehr beikommen!" fügte er erläuternd hinzu.

Die Denkschrift des Vicekanzlers wurde im Beisein des Herzogs im Ministerrathe verlesen und berathen. Der Graf Bassewitz äußerte sein lebhaftes Bedenken und fragte, ob es nicht gerathener sei, dergleichen theoretische Abhandlungen einem anonymen Schriftsteller zu überlassen, als dieselben, mit Seiner Durchlaucht Unterschrift versehen, durch den Gesandten in Regensburg der Oeffentlichkeit zu übergeben? Und ob nicht das Odium, welches sich der Herzog dadurch zuziehen würde, daß er die Feindschaft gegen Preußen weiter treibe, als selbst Oestreich und Sachsen es thun, nicht gar zu groß sein würde? Es ist ein bemerkenswerthes Zeichen für die Stimmung des Herzogs, daß trotz der sachgemäßen und staatsklugen Auseinandersetzungen des Grafen Bassewitz dies Schriftstück, welches nichts Anderes bewirken konnte, als die Erbitterung des Königs zu steigern, ohne in der Sache das Geringste zu nutzen, an den Baron Teuffel zur Bekanntmachung in Regensburg abgesandt und außerdem eine Abschrift in französischer Sprache - diese allerdings ohne Unterschrift des Herzogs und ohne Datum - dem Mr. de Champeaux zum beliebigen Gebrauch übergeben wurde.

Der Graf Bassewitz sah die Sache so ernst an, daß er bat, daß sein abstimmiges Votum bei den Acten aufbewahrt bleiben möge, als Beweis für spätere Generationen, daß die Frage im Ministerrathe nach allen Richtungen hin erwogen und beleuchtet sei.

Währenddessen war die preußische Invasion erfolgt und als die meklenburgische Regierung sah, daß es nicht auf einen bloßen Durchmarsch, sondern auf eine dauernde Occupation des Landes abgesehen war, hatte sich dieselbe mit einer ausführlichen Beschwerdeschrift und mit der dringenden Bitte um Hülfe an den Kaiser gewandt.

In Wien kam diese Klage sehr gelegen. Durch die officiellen Verhandlungen am Reichstage konnte man dem entrüsteten Europa ein neues Beispiel vor Augen führen, wie schnöde der Kurfürst von Brandenburg von neuem Recht und Gesetz mit Füßen getreten habe. Dem Herzog aber war es mehr um werkthätige Hülfe durch östreichische Truppen oder deren Alliirten zu thun, als den ganzen wirkungslosen Apparat von Kaiser und Reich in Regensburg für sich in Bewegung gesetzt zu sehen. Die Besetzung seines Landes hatte ihm zur Genüge gezeigt, wie gefährlich es sei, stets an der

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Spitze der Feinde des Königs von Preußen zu marschiren. Der Herzog verhielt sich daher anfangs ablehnend, als der Kaiser ihn unter der Hand durch verschiedene Kanäle bearbeiten ließ, die Sache dem Reichshofrath zu übergeben. So vergingen mehr als zwei Monate, ohne daß die Regierung Antwort oder Hülfe erhielt. Man fing an, in Schwerin ungeduldig zu werden: "Wenn der Kaiser uns im Stiche läßt," schrieb Baron Dittmar an den Hofrath Schmidt, "müssen wir wider Willen die Wege ergreifen, die unserer Stellung und Sicherheit die nächsten sind."

Der Vicekanzler zielte auf eine Verständigung mit Preußen ab, ernstlich war aber diese Drohung nicht gemeint; im Gegentheil, als sich beim Abzuge der Preußen aus Meklenburg das Gerücht verbreitet hatte, es sei die Räumung des Landes in Folge einer zwischen dem König und dem Herzog abgeschlossenen Convention geschehen, hatte die herzogliche Regierung dies überall, namentlich aber in Wien und Versailles lebhaft in Abrede nehmen lassen und versichert, daß man wie bisher treu zu Kaiser und dessen Verbündeten stehen werde. Deshalb vermied auch der Hofrath Schmidt bei seinen Vorstellungen in Wien alle Schroffheit und am Ende mußte man doch seine Zustimmung geben, daß die Sache durch den Reichshofrath in Fluß kam.

Darüber war aber viel Zeit vergangen und erst am 11. September kam ein kaiserliches Hofdecret in der Reichstagsversammlung zum Dictamen, welches die Klagen des Herzogs Friedrich, ein Mandat an den Kurfürsten von Brandenburg, seine Truppen aus Meklenburg herauszuziehen, und ein Protectorium an den König von Dänemark enthielt, in welchem Letzterer als Herzog von Holstein aufgefordert wurde, die Preußen aus Meklenburg mit Gewalt zu vertreiben.

Das kaiserliche Mandat an den Kurfürsten von Brandenburg wurde dem Herzog Friedrich zur Beförderung an seine Adresse eingehändigt und von diesem durch die Post an den König von Preußen ins Lager befördert. Nach Verlauf von 4 Wochen langte in Schwerin ein Packet mit der Hamburger Post an, welches an die meklenburgische Regierung adressirt war: in demselben lag uneröffnet das Mandat des mächtigen deutschen Reichs, auf welches man so große Hoffnungen gesetzt hatte.

Auch das "kaiserlich=oberst=richterliche" Protectorium gelangte nicht an seine Adresse. Es ist ein Irrthum, wenn angenommen wird, der König von Dänemark sei dem kaiserlichen Befehle ungehorsam gewesen; der König hat in Wirklichkeit das Protectorium niemals gesehen. Wir kommen hierauf zurück.

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In der Reichstagsversammlung beschäftigte man sich demnächst damit, die Reichsarmee operationsfähig zu machen. Im Frühling 1758 war die Letztere, welche auf 30000 Mann gebracht werden sollte, kaum 12000 Mann stark, und stand bei Bayreuth. Aber auch von diesen 12000 Mann war nur 1/3 gut bewaffnet, 1/3 hatte unbrauchbare Musketen und 1/3 war gänzlich ohne Waffen. In der Operationscasse befanden sich kaum 13000 Gulden und schon hatte der Wiener Hof Vorschüsse geben müssen, um die laufenden Ausgaben zu decken. "Es ist ein recht scandalöses Spectakel, die Reichsarmee. Es sieht dort confus und toll aus!" schrieb Baron Teuffel. Für die kaiserlichen Gesandten in Regensburg war es unendlich schwer, die Reichsstände zur Bewilligung der Matrikular=Beiträge zu bewegen. Wo es galt gegen Preußen zu votiren, fand sich leicht eine Majorität, aber zahlen wollte Niemand, selbst die meklenburgische Regierung sträubte sich lange, bis es endlich Dittmars Einfluß gelang, die Bedenklichkeiten des Herzogs zu besiegen. "Wenn Eure Durchlaucht gegen die Bewilligung der Gelder stimmen und Oestreich siegt, so verlieren Eure Durchlaucht beim Friedensschlusse jeglichen Anspruch auf kaiserliche Hilfe!" argumentirte der Vicekanzler. Am 28. August bewilligte die Reichsversammlung 20 Römermonate mit großer Mehrheit, aber nicht ohne heftigen Protest seitens des Baron Plotho. "Der König, mein Herr wird Jeden für einen öffentlichen Feind Preußens ansehen, der für die Bewilligung der Römermonate stimmen wird!" hatte er mit drohender Gebärde und mit lauter Stimme seinem Votum hinzugefügt. Der Baron Teuffel schrieb seiner Regierung: "Plothos Votum ist ein unanständiges, der deutschen Freiheit zuwiderlaufendes Votum! Es ist der crasseste Despotismus!"

An diesen Verhandlungen im Reichstage knüpften sich noch andere wichtige. Der Kaiser hatte Mandate an den Kurfürsten von Hannover, den Herzog von Sachsen=Gotha, den Landgrafen von Hessen=Cassel und den Grafen zu Lippe=Bückeburg erlassen und zum Dictamen in der Reichsversammlung gebracht, welche diese Fürsten ermahnte, von ihrer Verbindung mit dem Kurfürsten von Brandenburg abzulassen. Ferner nahm der Kaiser, da sich der Kurfürst von Brandenburg vor Kaiser und Reich nicht gestellt hatte, das Achtsverfahren nunmehr allen Ernstes in Angriff. Dasselbe wurde am 11. September in Form eines Contumacialverfahrens beim Reichstage eingeleitet.

Es ist die Behauptung aufgestellt worden, Meklenburg habe im Reichstage für die Achterklärung gegen Preußen gestimmt. Ganz so verhält sich indessen die Sache nicht.

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Zu einer Abstimmung in den 3 Collegien über das Achtsverfahren ist es überhaupt nicht gekommen. Es war nämlich in der Wahlcapitulation des Kaisers ausdrücklich bestimmt, daß bei eintretendem Achtsverfahren gegen einen Reichsstand vor der Verhandlung im Plenum, eine aus Ständen beiderlei Religion zu gleicher Anzahl bestehende Reichscommission niedergesetzt werden und daß, wenn dies nicht geschehen, die Achtserklärung null und nichtig sein sollte. Dies Verfahren aber hatte der Kaiser nicht beliebt; deshalb trat nun das corpus evangelicorum zusammen und die Majorität desselben legte am 29. November 1758 Verwahrung gegen das verfassungswidrige Verfahren ein. Eine kleine Minderheit, mit Meklenburg=Schwerin an der Spitze, stimmte gegen die Einlegung dieses Protestes, somit indirect allerdings für die Achtserklärung.

Am Kaiserhofe war man im hohen Grade aufgebracht über die Opposition der evangelischen Reichsstände. Da aber alle Bemühungen der kaiserlichen Gesandten, den Beschluß des corpus evangelicorum rückgänging zu machen, scheiterten, beschränkte sich der Wiener Hof darauf, ein Commissionsdekret an die Reichstagsversammlung zu richten, in welchem die Rechtsgültigkeit des Beschlusses der evangelischen Stände bestritten wurde, da eine itio in partes nur in Religions=nicht aber in politischen Sachen statthaft sei.

Gegen dies kaiserliche Dekret erhob sich ein gewaltiger Sturm unter den evangelischen Reichsständen. Von verschiedenen Seiten wurden Streitschriften gedruckt, um die Ansicht der kaiserlichen Regierung zu widerlegen. Selbst der französische Gesandte mischte sich hinein und rieth den Kaiserlichen, die Sache nicht weiter zu treiben. Baron Teuffel berichtete seiner Regierung ausführlich und bewies in einer sehr gründlichen und gelehrten Abhandlung über die betreffenden Paragraphen des Westfälischen Friedens, daß die evangelischen Stände zwar das jus eundi in partes in causis politicis hätten, aber daß der Beschluß derselben in diesem Falle nur dann Gültigkeit habe, wenn derselbe einstimmig gefaßt sei, während in Religionssachen eine einfache Majorität genüge. So verlief die mit so vielem Eclat gegen den Kurfürsten von Brandenburg in Scene gesetzte Achtscomödie langsam im Sande akademischer Abhandlungen.

Während in der Reichstagsversammlung in erbitterter Weise gestritten wurde, bekämpften sich auch außerhalb derselben die Diplomaten in Schmäh= und Streitschriften. Man erstaunt schier ob

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der Menge der äußerst voluminösen Abhandlungen pro et contra Preußen, welche aus officieller Feder herstammend in Berlin, Regensburg und Wien gedruckt und in den Handel gegeben wurden. Da wurden die Sünden und Missethaten der Häuser Habsburg, Hohenzollern und Hannover bis in die grauen Vorzeiten hinein verfolgt und jede Blöße schonungslos dargelegt.

Anfangs October veröffentlichte der Baron Plotho eine mit seinem Namen unterzeichnete Denkschrift: die Antwort Preußens auf die Klageschrift, welche die meklenburgische Regierung an den Kaiser gerichtet hatte. Er führte dem Herzog sein ganzes Schuldregister vor: seit seinem Regierungsantritte sei derselbe trotz der erst vor 4 Jahren erneuerten Hausverträge stets feindselig gegen den König aufgetreten; er habe ein Bündniß mit Frankreich geschlossen und Preußen dadurch den Krieg mit Schweden auf den Hals gezogen; er habe die schwedische Armee mit allen Subsistenzmitteln versehen, die Ausfuhr des Getreides aus Meklenburg aber verboten zum größten Schaden seiner Ritterschaft, lediglich um den Ueberfluß den Schweden zu Gute kommen zu lassen; im Reichstage habe er durch seine Abstimmungen seinen bösen Willen gegen Preußen gezeigt, nachdem er sich geweigert, den Vertrag zu ratificiren, welchen die beiderseitigen Bevollmächtigen in Bezug auf die friedlichen Werbungen der preußischen Truppen in Meklenburg abgeschlossen hätten. Sodann wies der Gesandte die Beschuldigungen der meklenburgischen Regierung mit großer Schärfe theils als übertrieben, theils als unwahr zurück; 2 1/2 Millionen Thaler Contribution seien niemals gezahlt, 8000 Rekruten niemals gefordert worden und die verlangten Lieferungen seien dem gesegneten und kornreichen Lande durchaus "proportionirlich" gewesen. Der König würde aber darnach das Schicksal "der Provinz" erleichtert haben, wenn nicht das mehr als feindliche Betragen, die Infraction der Hausverträge und die widrige Gesinnung Seiner Durchlaucht sich dies selbst zugezogen, trotz der nachdrücklichen Vorstellungen des Königs und seiner Alliirten. "Die Alliirten des Wiener Hofes," schloß der Baron Plotho, "saugen die occupirten Länder ganz anders aus, wie der König Meklenburg. Wie wird Hessen=Cassel gemißhandelt durch die Intendanten Foullon und de la Porte des Marschalls Soubise! Warum soll es einem Reichsstand und seinen Alliirten erlaubt sein zu sengen, brennen, plündern und rauben und dem anderen nicht?! Uebrigens ist Meklenburg jetzt geräumt, also der ganze Lärm post festum."

Die meklenburgische Regierung blieb die Antwort nicht schuldig; noch in demselben Monat erschien aus der Feder des Vicekanzlers

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eine Rechtfertigungsschrift. Um dieselbe möglichst weit zu breiten, wurde dieselbe in 3000 Exemplaren - zum Theil in französischer Sprache - gedruckt und an alle europäischen Höfe, aber auch an die Altonaer Zeitungen versandt, von wo man dieselbe unentgeltlich beziehen konnte.

Mit seltener dialectischer Schärfe und Gewandtheit widerlegte Baron Dittmar, Punkt für Punkt die preußischen Beschuldigungen. Er that dar, daß der Herzog sich niemals feindselig gegen den König von Preußen gezeigt und daß er in Regensburg nur für die Wiederherstellung der Ruhe im Reiche gestimmt habe. "Ist das nicht seiner Durchlaucht Recht als freier Reichsstand?!" Den Vertrag über die Werbungsstreitigkeiten habe der Herzog factisch ratificirt, aber der König habe anstatt dem Tractate durch seine Namensunterschrift Gültigkeit zu verleihen, willkürlich einen Artikel zugefügt, den der Herzog aus Rücksicht auf Kaiser und Reich nicht habe ratificiren können; die Bitte um Aufhebung des Kornausfuhrverbots habe der Herzog abgeschlagen, weil im Lande selbst Kornmangel gewesen; unwahr sei es aber, daß man den Schweden Korn verkauft.

Die Wirkung der Rechtfertigungsschrift war eine durchschlagende, selbst in der preußischen Hauptstadt, wie der Hofrath von Hövel von dort an seine Regierung berichtet: "Nun kann ich das Haupt doch wieder frei erheben und man zeiht mich nicht mehr, wie bisher, der Unverschämtheit, wenn ich den preußischen Beschuldigungen widerspreche."

Aber es gab einen Punkt, der nicht wegzuläugnen war: das französische Bündniß. Dies fühlte auch der Vicekanzler, denn er gab sich in seinem Exposé ganz besondere Mühe, das Recht Meklenburgs, nach Gefallen Allianzen mit auswärtigen Mächten abschließen zu dürfen, zu beweisen. "Es ist eins der größten ständischen Kleinodien, welche der Westfälische Friede uns gebracht hat!" schrieb er. Von der Befugniß aber des Königs von Preußen, welche ihm das Völkerrecht unzweifelhaft verlieh, nämlich, den Verbündeten Louis XV. als seinen Feind behandeln zu dürfen, war allerdings nicht die Rede.


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Die Mission Baron Dittmars nach Wien.

Als die meklenburgische Regierung sich durch ihre Abstimmung im Januar 1757 mit voller Entschiedenheit auf die Seite Oestreichs gestellt hatte, war sie sich der Gefahr voll bewußt, welche ihr drohte, wenn die Waffen Friedrichs II. siegreich waren. Sie hatte mit Freuden die Hand ergriffen, welche ihr der König von Frankreich entgegenstreckte, in dem Gefühl daß Kaiser und Reich allein gänzlich ohnmächtig seien, Hülfe und Schutz zu gewähren, sie suchte aber trotz dem feste Anlehnung auch an das Haus Oestreich. Der Baron Teuffel, vertraut mit den Verhältnissen am Wiener Hofe, war der Ansicht, daß man zu dem Ende einen Abgesandten an den Kaiserhof schicken müsse. Dies bestätigte auch der Vicekanzler Graf Coloredo, an welchen sich Baron Teuffel vertraulich gewandt hatte. Derselbe schrieb, man sei in Wien bereit, einen Tractat mit dem Herzoge abzuschließen, wenn Letzterer sich verpflichten wolle, sowohl im Reichstage, wie überall im kaiserlichen Interesse zu handeln. Der Herzog beschloß jedoch vorsichtigerweise in der Sache nicht weiter vorzugehen, bis sich das Kriegsglück zu Gunsten Oestreichs entschieden habe. Als am 18. Juni 1757 die Schlacht bei Kollin geschlagen und Böhmen von den Preußen geräumt war, riethen ihm seine Minister dringend, nun nicht mehr zu zögern. Infolgedessen richtete der Herzog - am 29. Juni - zwei gleichlautende Schreiben nach Wien, an die Kaiserin=Königin und an den Kaiser - an Letzteren nur, um seine Ergebenheit gegen Kaiser und Reich zu betonen -, in welchen er alle seine Wünsche in Bezug auf die verpfändeten Aemter, auf Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster und in Bezug auf völlige Entschädigung, wenn er etwa wider Erwarten in den Krieg hineingezogen werden sollte, den östreichischen Majestäten dringend ans Herz legte.

Wir erwähnten bereits, daß der Herzog, nachdem im December 1757 die preußischen Truppen in Meklenburg eingefallen waren, am 18. Februar 1758 eine Beschwerdeschrift beim Kaiser eingereicht hatte und wodurch diese Angelegenheit so sehr verzögert wurde.

Im April 1758 theilte die meklenburgische Regierung dem Kaiser den Abschluß des zweiten Vertrags mit Frankreich (vom 1. December 1757) mit, was in Wien mit großer Befriedigung aufgenommen wurde und am 19. Mai 1758 ließ der französische

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Gesandte am Kaiserhofe, Mr. de Stainville durch Mr. de Champeaux den Herzog ersuchen, in Wien Schritte zu thun, damit der Kaiser sowohl, wie die Kaiserin von Oestreich dem zwischen Frankreich und Meklenburg abgeschlossenen Tractate beitrete. Hieraufhin richtete der Herzog - 30. Mai - wiederum zwei Schreiben an den Kaiser und an die Kaiserin=Königin, obwohl es ihm nicht leicht wurde, diesen Schritt zu thun, da er es bitter empfunden hatte, daß seine Schreiben vom 29. Juni vorigen Jahres, also fast ein Jahr lang, ohne Antwort geblieben waren. Ehe aber diese Schreiben an ihre Adresse gelangten, lief in Schwerin endlich - am 30. Mai - die längst erwartete Antwort Maria Theresias ein - wohl auf Veranlassung des französischen Gesandten -, daß sie beim etwaigen Friedensschlusse das Interesse des Herzogs nicht aus den Augen verlieren würde. Als nun einige Monate später der französische Minister Bernis dem Schweriner Hofe mittheilen ließ, daß die Kaiserin=Königin dem zweiten französischen Tractate beizutreten wünsche und als der inzwischen zum Herzog von Choiseuil erhobene Mr. de Stainville schrieb, er erwarte nunmehr mit Bestimmtheit die Ankunft eines bevollmächtigten Ministers in Wien, dessen Schritte zu unterstützen er den Befehl habe da entsandte der Herzog den Baron Dittmar mit ausgedehnten Vollmachten an den östereichischen Hof.

Die Entsendung des Vicekanzlers fand statt, als Louis XV. durch den Sturz Bernis und durch die Berufung Choiseuil=Stainville's zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten seinen Entschluß kund gethan hatte, den Krieg gegen den König von Preußen mit aller Energie fortzuführen. Es darf uns daher bei dem heißblütigen Charakter des Baron Dittmar nicht Wunder nehmen, wenn der Minister mit dem größten Eifer ans Werk ging und sich mit den hochfliegendsten Plänen trug. Noch vor seiner Abreise setzte er dem Herzog in einem ausführlichen Memoire auseinander, daß Meklenburg nach der Invasion außer den Aemtern Lauenburg und Wismar völlige Schadloshaltung werden müsse. Ja, er ging sogar soweit, von dem geringen Gebiet, welches die Coalition, dem Theilungsvertrag vom 1. Mai 1757 gemäß, dem König von Preußen noch lassen wollte, die Priegnitz für Meklenburg zu fordern, wogegen aber der besonnene Graf von Bassewitz so entschieden Protest erhob, daß von dem abenteuerlichen Project im Ministerrath nicht ferner die Rede war.

Der Baron Dittmar galt von der Zeit der Werbungsstreitigkeiten her dem Könige von Preußen als die Seele des Preußenhasses in Meklenburg; er fand es daher für gerathen allen unliebsamen

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Begegnungen mit preußischen Streifparteien aus dem Wege zu gehen und reiste über Bremen, Holland, Schwaben und Bayern nach Wien. Am 18. December 1758 in der östreichischen Hauptstadt angekommen, wurde er in der Antrittsaudienz sehr huldvoll empfangen. Maria Theresia äußerte sich sehr theilnehmend über das dem Herzog widerfahrene Unrecht und entließ den Minister thränenden Auges mit den Worten: "Gott wird endlich dem Gerechten beistehen!"

Der Baron Dittmar hatte in Wien zwei von einander getrennte Verhandlungen zu führen. Seine Instruktion lautete zunächst den Beitritt der Kaiserin von Oestreich zu dem französisch=meklenburgischen Bündniß vom 1. December 1757 zu betreiben und demnächst eine Declaration des Kaisers herbeizuführen, welche dem Herzog seine Ansprüche auf die Aemter u. s. w. und volle Entschädigung zusicherte. Daneben sollte der Minister noch beim Reichshofrath erwirken, daß die Gläubiger, welche die vom Herzoge Carl Leopold contrahirten Schulden bei diesem Gerichtshofe eingeklagt hatten, mit ihren Forderungen abgewiesen würden.

Leicht war es nicht, selbst für den gewandtesten Diplomaten, am östreichischen Hofe eine Sache rasch zum Abschluß zu bringen. Im Januar 1759 reichte der Vicekanzler eine Denkschrift ein und erst im Mai nach endlosen Verzögerungen und Vorverhandlungen übersandte der Bevollmächtigte Maria Theresias der Staatskanzler Graf Kaunitz, dem Baron Dittmar einen Vertragsentwurf, welcher in Schwerin sofort unverändert angenommen wurde. Am 29. Mai wurde der Vertrag in Form "einer Convention zur Aufrechterhaltung der deutschen Reichsgrundverfassung abgeschlossen und von Kaunitz und Dittmar unterzeichnet.

Während in dem ersten Artikel dieses Tractats beide Theile einander aufrichtige Freundschaft und Einverständniß gelobten, verhieß der Herzog in den Artikeln 2 - 6 für sich und seine Nachkommen im Wesentlichen nichts Anderes, als dem Erzhause treu, hold und gewärtig sein zu wollen. Dagegen versprach die Kaiserin=Königin in den Artikeln 7 - 9 dem Herzog das Beste seines Landes nach Möglichkeit zu fordern, beim Friedensschlusse ihm Ersatz und Entschädigung zu verschaffen und die Waffen nicht eher niederzulegen, als bis seine etwa vom Feinde in Besitz genommenen Lande wieder geräumt seien. Der wichtigste aber war ein besonderer und geheimer Zusatzartikel. In demselben trat Maria Theresia dem französisch=meklenburgischen Tractate vom 1. December 1757 in Allem und Jedem bei. Der Baron Dittmar mußte die größte Vorsicht anwenden, um diesen Vertrag, den man beiderseits streng

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zu secretiren beschlossen hatte, ungefährdet nach Schwerin zur Ratification gelangen zu lassen. Die Chifferschrift, in welcher die Correspondenz des Gesandten mit seinem Hofe geführt wurde, war bei einem Staatsvertrage nicht anwendbar und es lag die Gefahr nahe, daß derselbe preußischen Streifparteien in die Hände fiel. Deshalb schickte er das Aktenstück in einer Kiste, worin künstliche italienische Blumen verpackt waren und die er mit einem doppelten Boden hatte versehen lassen, nach Hamburg an einen Kaufmann und dieser, der selbst nichts von dem Inhalt wußte, sandte die Kiste als Postpacket nach Schwerin.

Der Vertrag wurde in Schwerin durch den Herzog am 3. und von Maria Theresia am 29. August 1759 ratificirt.

Der Vicekanzler machte sich nun sofort an die Erfüllung auch des zweiten Theiles seines Auftrags, mit dem Kaiser über die Entschädigung zu paktiren.

Wenn zu den Verhandlungen mit dem Grafen Kaunitz Zeit und Geduld gehört hatte, so bedurfte Baron Dittmar, um bei den Bevollmächtigten des Kaisers zum Ziele zu gelangen - Geld. Der Hofrath Schmidt hatte, um die Bedenklichkeiten - rationes dubitandi - des Grafen Coloredo und einiger Reichshofräthe zum Schweigen zu bringen, die sofortige Uebersendung von 2000 Dukaten für unumgänglich nothwendig erachtet. "Die solidesten Systemate und Allianzen," schrieb der Baron Dittmar. "müssen durch Geld unterhalten werden, wie bei allen großen Maschinerien die Freiheitsräder natürlicherweise geschmiert werden müssen." Eine so große Summe sogleich aufzubringen war aber bei der gänzlichen Erschöpfung der herzoglichen Kassen völlig unthunlich. "Baares Geld kann ich nicht geben," schrieb der Herzog an Dittmar, "wenn aber die genannten Personen es fertig bringen, mir die 12 Aemter, Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster zu verschaffen, will ich ihnen zusammen eine jährliche Pension von 14000 Gulden lebenslänglich geben." Inzwischen hatte es aber die diplomatische Geschicklichkeit des Baron Dittmar doch erreicht, eine formelle Agnitionsakte zu den beiden französisch=meklenburgischen Tractaten in Form einer kaiserlichen Declaration herbeizuführen, welche in 3 Artikeln verhieß, dem Herzog beim Friedensschlusse eine Entschädigung und Rückgabe der 12 Aemter, sowie eine Anwartschaft auf Lauenburg, Wismar u. s. w. zu verschaffen.

Diese Declaration wurde, da sie kein eigentlicher Staatsvertrag war, vom Kaiser nicht unterschrieben, sondern nur mit dem kaiserlichen Siegel versehen, auch nur von den östreichischen

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Bevollmächtigten, dem Grafen Coloredo und dem Freiherrn von Borié, am 30. Juni 1759 unterzeichnet.

Ganz ohne Versprechungen von baarem Gelde scheint aber der meklenburgische Minister diese Declaration nicht erreicht zu haben, denn im December desselben Jahres übersandte ihm der Herzog die zur Bestechung der Reichshofräthe verlangten 2000 Dukaten. 1 )

Der Herzog hatte erreicht, was er sehnlichst erstrebt. Zwei mächtige Staaten und außerdem das Oberhaupt des deutschen Reichs hatten sich feierlich verpflichtet, seine Ansprüche beim Friedensschlusse zu vertreten. Das waren glänzende Aussichten, wenn nur dem sehr künstlichen Gebäude der Verträge das Fundament nicht gefehlt hätte - die Ratification des zweiten französischen Tractats. Ohne letztere war der Vertrag selbst und die auf demselben basirenden mit dem Hause Oestreich und dem deutschen Kaiser abgeschlossenen Tractate völlig ohne Werth.

Der Baron Dittmar war sich dessen völlig bewußt und richtete, als er die kaiserliche Declaration einsandte, an seine Regierung die dringende Bitte, nunmehr die Ratification des zweiten französischen Vertrags zu beschleunigen. Der hieran sich knüpfende Briefwechsel des Gesandten mit seinem Hofe macht einen eigenthümlichen Eindruck. In jedem Briefe drängt die Regierung ihren Minister die Ratification durch den französischen Gesandten in Wien bewerkstelligen zu lassen und dieser schließt keine Depesche ohne die Frage, ob denn Mr. de Champeaux noch nicht im Besitze der Ratification sei? Es gehörte viel Perfidie seitens des Versailler Hofes und eine seltene Schulung seiner Diplomaten dazu, um den Herzog und seine Räthe mit meisterhafter Gewandtheit 5 Jahre lang hinzuhalten, daß sie die Hoffnung auf französische Hülfe niemals ganz aufgaben und dadurch bewogen wurden, ihrer bisherigen Politik treu zu bleiben.



1) Zur Bestechung der 3 Referenten des Reichshofraths in der Schuldforderung der Gläubiger Carl Leopold - es handelte sich um 200000 Thaler - erhält Dittmar im Jahre 1760, 1200 Dukaten.
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Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich.

Im Winter des Jahres 1757/58 hatte Herr von Champeaux, welcher dem Herzog nach Lübeck gefolgt war, auf Befehl seines Hofes die Unterhandlungen wieder aufgenommen. Unter allerlei Ausflüchten, warum die Ratification des zweiten Vertrages zur Zeit nicht thunlich sei, suchte er den Herzog zum Abschluß eines dritten Tractats zu bewegen. Der Gesandte einigte sich indessen mit den meklenburgischen Ministern nicht, - hatte auch wohl nicht die Instruktion, dies zu thun -, vielmehr nahmen die ausgetauschten Communiqués einen sehr erregten Charakter an. "Champeaux verlangt von uns," bemerkt Dittmar, "daß wir unterschreiben und damit aufhören, treue Diener unseres Herrn zu sein." 1 ) Durch eine beschwichtigende Erklärung Champeaux wird die Sache beigelegt, aber ein Vertrag kommt nicht zustande.

Ganz ohne praktischen Nutzen sind übrigens diese Verhandlungen für Meklenburg nicht gewesen. In einem Schreiben vom 5. Februar verheißt König Louis XV. dem Herzog, wohl um denselben bei gutem Muth zu erhalten, ohne dafür Gegenleistungen zu fordern, zum Unterhalt der herzoglichen Truppen eine monatliche Subsidienzahlung von 25000 Livres. Diese Gelder liefen nicht immer regelmäßig ein und hörten um die Mitte des Jahres 1760 gänzlich auf. Wirklich gezahlt ist von Frankreich, laut Empfangsquittungen vom Februar 1758 bis zum Mai 1760, also für 28 Monate, die Summe von 700000 Livres.

Diese Subsidiengelder, durch welche der König die meklenburgischen Stände, welche wegen der weiteren Folgen der preußenfeindlichen Politik des Herzogs, die sie nicht billigten, andauernd in Sorgen waren, zu beruhigen und willfähriger zu machen glaubte, flossen übrigens nicht aus französischen Kassen, sondern wurden in den unglücklichen deutschen Ländern erpreßt, welche die französischen Truppen besetzt hielten. Es schreibt nämlich der Herzog von Choiseuil an Mr. de Champeaux am 3. Juni 1759: "Ich ermächtige Sie, dem Herzoge zu sagen, daß im nächsten Winter die Contributionen in Feindesland erheblich vergrößert und die Ueberschüsse zu Gunsten Meklenburgs verwendet werden sollen. Seine Majestät


1) Worin die französischen Zumuthungen bestanden haben, ist aus den Akten nicht ersichtlich, da letztere hier lückenhaft sind.
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hofft, daß es gelingen wird, durch diese Erklärung die Besorgniß der meklenburgischen Stände, sich im nächsten Winter einer neuen Invasion ausgesetzt zu sehen, zu beseitigen."

Dem edelmüthigen Herzen Herzog Friedrichs war es im höchsten Grade betrübend, aus dieser Quelle Entschädigung zu beziehen. Auch hatte er erst vor kurzem, als der französische Gesandte in Regensburg den Baron Teuffel gefragt hatte, ob es dem Herzog genehm sein würde, wenn seine Regierung Baden und Nassau auf demselben Fuß nähme, wie Preußen die meklenburgischen Lande? indignirt antworten lassen: ein so odieuses Mittel zur Abwendung der preußischen Gewaltthätigkeiten verbitte er sich ernstlich. Indessen nahm er die Gelder, denn die Noth im eigenen Lande war ihm die nächste.

Im Sommer 1759 war Mr. de Champeaux nach Versailles gereist, um nämlich Bericht zu erstatten und Instruktionen für weitere Verhandlungen einzuholen. Im November kehrte er nach Schwerin zurück und brachte ein Memoire mit, in welchem die Ratifikation des zweiten Vertrags verheißen wird, wenn der Herzog einen Vertrag, dessen Entwurf er gleichzeitig vorlegte, abschließen wolle. Diesen Entwurf schickte der Herzog an den Baron Dittmar nach Wien zur Begutachtung, mit dem Bemerken, daß er Bedenken trage, denselben abzuschließen, da er die Rechte und Vortheile, welche die beiden ersten Tractate ihm einräumten, abzuschwächen scheine. Der Vicekanzler erklärte sich mit dieser Auffassung völlig einverstanden und der Herzog gab Mr. de Champeaux in einem Gegen=Memoire den Wunsch zu erkennen, daß die weiteren Verhandlungen zwischen dem französischen Botschafter und Baron Dittmar in Wien geführt werden möchten.

Anfang März 1760 erhielt Letzterer den entsprechenden Befehl; allein schon Ende des Monats berichtete er seinem Hofe, der französische Botschafter 1 ) habe. ihm erklärt, sein Hof werde Entschädigungsverbindlichkeiten, diese hatte die meklenburgische Regierung in ihrem Gegen=Memoire gefordert, nicht früher eingehen, bis die französischen Waffen glücklich sein würden; deshalb sei ein Tractat mit Frankreich jetzt unmöglich.

Hierdurch geriethen die Verhandlungen völlig ins Stocken. Graf Choiseuil erklärte ohne weitere Instructionen zu sein und Mr. de Champeaux, vom Grafen von Bassewitz lebhaft gedrängt,


1) An Stelle des Herzogs von Choiseuil (Stainville) war dessen Vetter, der Graf von Choiseuil zum Botschafter in Wien ernannt.
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sich über die meklenburgischen Gegenvorschläge auszusprechen, kam endlich mit der Erklärung heraus, daß sein Hof ihm befohlen habe, erst dann die Verhandlungen wieder aufzunehmen, wenn die Kaiserin=Königin wiederum der kaiserlichen Declaration vom 30. Juni 1759 formell beigetreten sein würde.

Von neuem begann Baron Dittmar seine Verhandlungen mit dem Grafen Kaunitz mit unermüdlicher Geduld. Dieselben währten fast ein ganzes Jahr und endlich am 1. December 1760 konnte er seiner Regierung eine Acte von höchst zweifelhaftem Werth zustellen, in welcher der Staatskanzler im Namen Maria Theresias seinen Beitritt zu der kaiserlichen Declaration erklärte. Als aber trotz dieser Accessionsacte die Verhandlungen mit Frankreich keine Fortschritte machten, beschloß der Herzog auf Anrathen des Mr. de Champeaux, seinen Comitialgesandten in Regensburg, den Baron Teuffel, an den Versailler Hof zu senden, um dort weiter zu verhandeln.

Wir wollen hier, um den Zusammenhang in der Erzählung nicht zu unterbrechen, die diplomatischen Unterhandlungen mit Frankreich zu Ende führen.

Den ersten Impuls zur Absendung eines Gesandten nach Versailles hatte der Baron Dittmar gegeben, als er sah, daß man durch die Verhandlungen mit den französischen Gesandten in Wien und Schwerin keinen Schritt weiter kam und er hatte sich selbst zu dieser Mission angeboten. Da aber der Herzog der Ansicht war, der Dienste des Vicekanzlers in Wien nicht entbehren zu können, so zog er es vor, seinen Comitialgesandten in Regensburg nach Versailles zu schicken.

Der Baron Teuffel wehrte sich, so lange er konnte, gegen eine Mission, deren Mißerfolg er voraus sah. Von der Urgirung der Ratification des Vertrags vom 1. December 1757 rieth er unter allen Umständen ab. "Die Sache sei in Frankreich nachgerade adiös geworden." Er scheint der einzige meklenburgische Staatsmann gewesen zu sein, welcher sich von der französischen Hülfe nichts versprach; er rieth dringend von der Mission ab. Nichtsdestoweniger wurde dieselbe in Schwerin beliebt; man ging aber auf die Ideen des Gesandten insoweit ein, daß ihm aufgegeben wurde, "am Versailler Hofe nicht von der Vergangenheit, sondern nur von der Gegenwart und Zukunft zu sprechen." Seine Instruktion lautete unter einem fremden Namen incognito nach Versailles zu reisen und dort den Abschluß des von Champeaux vorgelegten dritten Vertrags, mit den Abänderungen, welche die Schweriner

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Regierung in Bezug auf Entschädigungsansprüche gemacht hatte, zu erwirken; ferner in einem geheimen Separat=Artikel festzusetzen, daß der Herzog von Broglio, wenn seine Armee so weit vorgedrungen sein würde, das Herzogthum Lauenburg und die zwölf Aemter für den Herzog besetze.

Als der Baron Teuffel Anfang September in Versailles anlangte, fand er Mr. de Champeaux ebenfalls dort vor, aber Unterstützung konnte ihm derselbe nicht gewähren, denn er war ein in Ungnade gefallener Mann. Er war es gewesen, welcher den Herzog beredet hatte, einen Gesandten nach Versailles zu schicken, und das hatte ihm sein Minister, der durchaus nicht gesonnen war, bei dem damaligen Stand der politischen Angelegenheiten neue Verbindlichkeiten einzugehen, so übel genommen, daß er sogleich seinen Abschied erhalten hatte und es noch fraglich war, ob er Pension bekommen würde. Vertrauenerweckend war dieser Anfang gerade nicht, indessen ging der Baron Teuffel frischen Muths an die Arbeit.

Choiseuil empfing den Abgesandten des Herzogs sehr freundlich und zuvorkommend. Er bedauerte, daß der unglückliche Verlauf der Ereignisse die Ratificirung des zweiten Traktats unmöglich gemacht; der Herzog solle beim Friedensschluß ganz besonders berücksichtigt werden, aber wie? sei eine pure Unmöglichkeit zu sagen, das hänge lediglich von den Ereignissen ab; Champeaux habe sich auf Negocen eingelassen, zu welchen er keine Ordre gehabt; Versprechungen zu machen sei unmöglich; "aber," fügte der Minister mit französischem Pathos hinzu, "es ist nicht die Art der Krone Frankreichs seine Alliirten im Stich zu lassen!"

Als Baron Teuffel sodann fragte, ob man nicht geneigt sei, jetzt den dritten von Frankreich entworfenen Tractat abzuschließen nur mit Hinzufügung eines ganz unverfänglichen Artikels? erwiderte Choiseuil: "Nein, wir müssen das Ende der Campagne abwarten; lassen Sie es sich noch einige Monate bei uns gefallen, ich möchte nicht gerne, daß Sie abreisten, ohne Etwas erreicht zu haben."

"Wie es denn mit den Subsidien stehe?" "Ohne Zweifel sollen diese bezahlt werden," antwortete der Herzog, "aber es ist unmöglich die Termine innezuhalten, wir haben so viele Depensen."

"Eure Durchlaucht sehen, wie es steht; brüskiren läßt sich nichts, man muß abwarten. Ich habe genug von dieser Mission abgerathen," berichtete Teuffel nach Schwerin.

Bei der nächsten Unterredung war der französische Minister kühler und zurückhaltender; er ging sogar zu Vorwürfen über:

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"warum der Herzog denn nicht seine Truppen zu den Schweden stoßen lassen und selbst für die Vortheile kämpfen wolle, die er verlange!?" Endlich ward der Franzose unverschämt; als von den Subsidiengeldern die Rede war, sagte er: "Seine Majestät hat sich zu keinen Subsidien verpflichtet; was der König zahlt, giebt er dem Herzog als ein Gnadengeschenk - un gratuit - aus générosité."

Der Baron Teuffel bat den Herzog, ihn aus Paris abzuberufen; dies geschah im November 1761, 1 ) nachdem auch der Kaiser den Wunsch ausgesprochen, daß der Gesandte auf seinen Posten nach Regensburg zurückkehren möge; jedoch wurde er angewiesen, von dort aus die Verhandlungen mit dem französischen Hof fortzusetzen. Letztere beschränkten sich aber lediglich auf die Auszahlung der rückständigen Subsidien. Im Februar 1762 schrieb er an den östreichischen Gesandten in Paris, den Grafen Starhemberg: wenn Frankreich nun nicht zahle, sähe sich der Herzog genöthigt, seine 3000 Mann starken Truppen abzudanken, welche dann sämmtlich in den hannoverschen Dienst treten würden. Mit einer vertröstenden Antwort, die hierauf erfolgte, erreichten die Verhandlungen mit Frankreich völlig ihren Abschluß.

Es ist ein kunstvolles Gewebe von Perfidie und Niedertracht, welches uns die französischen Verhandlungen zeigen. Recapituliren wir: Zuerst verleitete der König von Frankreich den Herzog Friedrich zum Abschluß des Tractats vom 1. April 1757, welcher demnächst zu dem zweiten Vertrage vom 1. December desselben Jahres führte. Letzterer räumte dem König große Vortheile ein, namentlich den, sich durch Uebergabe der Festung Dömitz an der Elbe festsetzen zu können. Als die französische Armee sich Ende 1757 von der Elbe zurückziehen mußte und der Plan mit den Schweden und demnächst mit den Russen zu cooperiren, aufgegeben wurde, schickte der Marschall Richelieu den vom König ratificirten Vertrag, welchen er dem Herzog übergeben sollte, seinem Hofe zurück. Von diesem Augenblick an haben die französischen Staatsmänner nicht mehr die Absicht gehabt, dem zweiten Vertrag eine verbindende Kraft zu verleihen. Dies hinderte sie jedoch nicht, weiter zu verhandeln. Unter den verschiedensten Ausflüchten hielten sie den Herzog und seine Räthe hin. Zunächst sollte die Schweriner Regierung einen Vertrag mit Maria Theresia und dem deutschen Kaiser schließen, durch welchen beide Monarchen dem französisch=meklenburgischen


1) Der Baron Teuffel erhielt bei seiner Abreise als Geschenk eine prachtvolle Tabatière mit dem Bildniß Louis XV.
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Vertrage beizutreten erklärten. Dies geschah, aber die Ratification des zweiten französischen Tractats, ohne welche die beiden Wiener Verträge null und nichtig waren, erfolgte nicht. Dann legte Champeaux einen neuen Vertragsentwurf in Schwerin vor und machte den Abschluß eines dritten Tractats von der Beitrittserklärung Maria Theresias zu der Declaration abhängig, welche zwischen ihrem Gemahl, dem Kaiser, und dem Herzog von Meklenburg stipulirt war. Auch dies geschieht, aber wieder dasselbe Ränkespiel, der Abschluß des Vertrags erfolgt nicht.

Endlich reißt dem Herzog die Geduld, nachdem er sich vier Jahre lang hat täuschen lassen. Er schickt einen Abgesandten nach Paris, auf Anrathen Mr. de Champeaux. Dies ist dem französischen Minister im höchsten Grade unbequem; Champeaux fällt in Ungnade. Der Herzog von Choiseuil, anfangs höflich und zuvorkommend, wirft bald die Maske ab und beendet die Verhandlungen in brüsker Weise.

Der Grund für das französische Verhalten liegt auf der Hand. Häufige Gerüchte waren aufgetaucht, der Herzog wolle sich Preußen in die Arme werfen; dies wollte man verhindern, um nicht die werthvolle Stimme Meklenburgs in Regensburg einzubüßen und sich auf alle Fälle die in dem Vertrage vom 1. December 1757 stipulirten Vortheile zu sichern.

Auffallender ist das Benehmen des Wiener Hofes. Die Kaiserin=Königin und der Kaiser traten durch drei Staatsverträge dem französisch=meklenburgischen Tractat bei, obgleich ihre bevollmächtigten Minister, die Grafen Kaunitz und Coloredo genau wußten, daß derselbe, weil nicht ratificirt, ohne alle rechtsverbindliche Kraft war. Spielten sie dieselbe Komödie wie die französischen Staatsmänner, oder wurden auch sie dupirt wie die meklenburgischen?


Die zweite Invasion der Preußen im December 1758;
der Herzog begiebt sich nach Altona.

Die im Juli des Jahres 1758 begonnene Offensive der Schweden endete matt, wie sie begonnen, ohne Berlin zu erreichen, bei Neu=Ruppin und Fehrbellin. Mitte December führte der General von Lantinghausen, welcher für den in Ungnade abberufenen General Hamilton den Oberbefehl übernommen hatte, die schwedische

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Armee hinter die Peene zurück. Ihm gegenüber, zu schwach zum Angriff, stand der General Manteuffel, welcher mit einem Detachement von 5000 Mann vom Dohnaschen Corps dem Rückzuge der Schweden gefolgt war.

Inzwischen hatten sich zu Ende des Jahres 1758, trotz der bei Hochkirch - am 14. October - erlittenen Niederlage, die Verhältnisse sehr günstig für den König von Preußen gestaltet. Die Russen waren über die Weichsel, die Franzosen - nur der Marschall Soubise verblieb bei Frankfurt a. M. - über den Rhein zurückgegangen; der König hatte sich in Sachsen behauptet und Schlesien befreit. Dadurch war der General Graf Dohna mit seinem Corps - 24 Bataillone und 31 Eskadrons, ca. 13000 Mann - disponibel geworden und wurde nun nach Vorpommern geschickt, um die Schweden zu schlagen und in Schwedisch=Pommern und Meklenburg die Winterquartiere zu beziehen.

Am 20. December traf Graf Dohna über Wittstock bei Stavenhagen ein. Um den schwierigen Angriff auf die Peenelinie zu vermeiden, beabsichtigte er die Schweden in ihrer rechten Flanke zu umgehen, während der General Manteuffel dieselben in der Front an der Peene beschäftigen sollte. Zu dem Ende marschirte er über Gnoien und Sülze vor, fand aber die Trebel= und Recknitz=Uebergänge überall so sorgfältig bewacht und verschanzt, daß es ihm erst bei Dammgarten gelang, den Recknitz=Paß, welcher übereilt geräumt wurde, zu forciren.

Wiederum, wie im Winter 1757/58, war das Schicksal der schwedischen Armee in die Hände des preußischen Oberbefehlshabers gegeben und wiederum versäumte es der Graf Dohna, die günstige Gelegenheit zu benutzen. Anstatt von Dammgarten geradeswegs dem General Lantinghausen in den Rücken zu marschiren - was er an der Spitze von 13000 Mann ohne Gefahr wagen konnte - manövrirte er die Recknitz aufwärts, um die verlorene Verbindung mit seinem Unterbefehlshaber wieder aufzusuchen, die er denn auch am 6. Januar glücklich bei - Greifswald herstellte. Währenddessen war aber der General Lantinghausen unbehindert nach Stralsund und Rügen entkommen. Der General Dohna schloß nun die Festung Stralsund durch einen Truppen=Cordon ein und bezog Winterquartiere in Schwedisch=Pommern und dem angrenzenden Theile Meklenburgs.

Beim Einmarsch der preußischen Truppen in Meklenburg - Mitte December - waren die herzoglichen Beamten der Grenzämter und Deputirte der Ritterschaft ins Hauptquartier beordert

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und ihnen dort von dem Chef des Feld=Kriegs=Commissariats, dem General von Stutterheim, der Befehl ertheilt, nicht allein die Truppen zu verpflegen, sondern auch große Mengen von Getreide und Fourage in das Magazin nach Treptow zu liefern. Auch als Graf Dohna in Schwedisch=Pommern eingerückt war, hörten die Lieferungen für die Verflegung der Truppen nicht auf, so daß die Ortschaften an der Grenze völlig ausgesogen wurden. In Malchin war eine Feldbäckerei etablirt und von da mußten die Gemeinden das Brot, oft 12 Meilen weit nach Pommern hineinfahren. Dabei gingen die Gespanne in den schlechten Wegen zu Grunde; viele Pferde wurden aber auch von den preußischen Truppen zurückbehalten.

Am 10. Januar 1759 erging ein neues Ausschreiben zu einer großen Korn= und Fourage=Lieferung in die Hauptmagazine zu Havelberg und Demmin, welche fast um die Hälfte größer war, als die im vorigen Jahr verlangte, und sich in Geld berechnet nach einer Taxe des preußischen Commissariats, auf ca. 2000000 Thaler belief.

Hierzu kommen noch die Rückstände aus dem verflossenen Jahre. Wir wissen, daß von der auf 1000000 Thaler behandelten Contribution nur 542258 Thaler wirklich gezahlt waren; das geforderte Korn und die Fourage war ebenfalls nur zum Theil geliefert und der Rest zu Gelde berechnet worden. Diese Rückstände waren, als die Preußen Meklenburg verlassen hatten, wiederholt unter den heftigsten Bedrohungen mit Verwüstung und Verheerung eingefordert worden, aber auf Befehl des Herzogs nicht geliefert. Jetzt wurden sie mit unnachsichtiger Strenge durch preußische Commandos, welche in die Städte und Dörfer geschickt wurden, eingetrieben und hierbei ging es selten ohne Gewaltthätigkeiten und harte Behandlung der Einwohner ab. Durch dies Verfahren sowie durch Inanspruchnahme einheimischen und auswärtigen Credits seitens der Landesbehörden, flossen die Gelder reichlicher, so daß im März 1759 die Summe von 1300000 Thalern an die preußischen Kassen abgeführt werden konnte.

Am 27. Januar 1759 verlegte der Graf Dohna sein Hauptquartier nach Rostock und rückte daselbst mit drei Bataillonen Infanterie ein. Der Hauptmann Michael Kredewahn, welcher mit seinen Invaliden die Besatzung Rostocks bildete, kam nicht dazu, den feierlichen Protest gegen den Einmarsch, wie ihm von seiner Regierung befohlen war, bei dem preußischen Befehlshaber einzulegen; beim Erscheinen der feindlichen Colonnen stießen preußische Offiziere, welche schon am Tage vorher in Rostock angekommen waren,

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die wachhabenden Invaliden einfach bei Seite, entrissen ihnen die Schlüssel und öffneten das Thor.

Das Land litt schwer unter den Lieferungen der verschiedensten Art. Die Kaufleute mußten Tuch und Leinewand für den Bedarf der Truppen unentgeltlich hergeben; hunderte von Pferden mußte das Land stellen in natura oder in Geld. Zwar sollten diese Gelder auf die noch zu zahlende Contribution in Anrechnung gebracht werden, aber da die Rückstände und die neuen Forderungen so enorm hoch waren, daß das Land sie unmöglich zahlen konnte, war dies auch nur eine scheinbare Erleichterung. Wurden die Pferde oder an ihrer Statt das Geld nicht gezahlt, so nahmen die preußischen Remonte=Commandos die Pferde, wo sie dieselben fanden, so in Basedow 15, in Remplin 26, in Varchentin 9 Stück und von den Domänen wurden 300 Pferde zur Bespannung der Geschütze und Colonnen abgeholt.

Die Stadt Rostock litt besonders unter der Einquartierung; 3 Bataillone und zahlreiche Pferde mußten unentgeltlich verpflegt werden und die Winter=Douceurgelder für die Offiziere allein betrugen 2000 Thaler. Außerdem mußte die Tafel des commandirenden Generals reichlich versorgt werden.

Nichts war aber empfindlicher und schrecklicher für das Land, als die gewaltsame Aushebung der Menschen. Graf Dohna gab zwar gleich nach seinem Einmarsch in Meklenburg dem Engeren Ausschuß die bündigste Versicherung, daß, wenn für jedes der unter seinem Commando stehenden 15 Bataillone 1000 Thaler, also in Summe 15000 Thaler Werbegelder gezahlt würden, das Land von jeglicher Rekrutenstellung befreit sein sollte. Er erbot sich, wenn man seinem Worte nicht trauen wolle, die diesbezügliche Ordre des Königs vorzulegen. So sehr auch das Land schon durch die übrigen Forderungen mitgenommen war, wurde doch zur Aufbringung dieser Summe Anstalt gemacht und nach und nach waren schon 11000 Thaler gezahlt worden.

Aber auch dies Opfer schützte das Land auf die Dauer nicht. Wir wissen aus der Geschichte des 7jährigen Krieges, daß der König den General Dohna angewiesen hatte, den Bedarf an Menschen und Pferden für den Feldzug des Jahres 1759 nicht allein für sein Corps, sondern auch für die Armee des Prinzen Heinrich von Preußen in Sachsen aus Schwedisch=Pommern und Meklenburg zu entnehmen. Hierzu hatte man aber viele tausend Rekruten nöthig und es stellte sich heraus, daß die Werbung für Geld völlig unzulänglich war. Schon im Februar fingen die preußischen Truppen an, hie und da Leute von den Heerstraßen

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mit Gewalt wegzunehmen; systematischer wurde die Sache aber erst betrieben, als strengere Befehle vom Könige einliefen. In einem Schreiben wurde dem Engeren Ausschusse angezeigt der König habe befohlen, die Rekrutenlieferung im Meklenburgischen zu beschleunigen und fördersamst 8000 Rekruten auszuheben; "Seine Majestät will diese Intention ohne alle Einwendung und Raisonniren erfüllt wissen," schloß das Schreiben, "sonst wird man zuletzt zugreifen und ohne Ansehen der Person Alles, wie es sich vorfindet und zum Dienste des Königs einigermaßen tüchtig ist, nehmen."

Diesem Schreiben folgte sofort eine Unternehmung gegen die Residenz Schwerin, wohin die meklenburgischen Truppen bei der Annäherung des Dohnaschen Corps zusammengezogen waren. Die Stärke der beiden Infanterie=Regimenter belief sich jetzt in 11 Compagnien auf in Summa 675 Bajonette. Da der Herzog keinen Augenblick daran zweifelte, daß die Aufhebung seiner Truppen fest beschlossene Sache war, hatte er schon im Januar angeordnet, daß ihm jede Bewegung der preußischen Truppen im Lande durch reitende Boten aus den Aemtern gemeldet werden sollte. Als daher der Generalmajor von Kleist, welcher die in Meklenburg cantonnirenden preußischen Truppen - 6 Bataillone und 7 Schwadronen - befehligte, den Major von Kleist mit 3 Bataillonen Infanterie, einigen Schwadronen und 8 Geschützen in aller Stille von Rostock absandte, um die meklenburgischen Truppen aufzuheben, befahl der Herzog dem General von Zülow sich mit den Truppen auf den Kaninchenwerder, einer kleinen Insel im Schweriner=See, zurückzuziehen und sich dort auf das Aeußerste zu vertheidigen. Der Herzog für seine Person begab sich mit seiner Gemahlin, den Ministern und einem kleinen Gefolge nach Hamburg und von da nach Altona.

Am 15. März erschien der Major von Kleist vor Schwerin, ließ seine Geschütze auf das Schloß richten, in welchem sich der Erbprinz Ludwig mit seiner Familie befand und forderte die Garnison auf, die Waffen zu strecken. Der General von Zülow hielt den an ihn abgeschickten Offizier so lange hin, bis sich seine Truppen in die bereit liegenden Fahrzeuge begeben hatten. Der Major Kleist ließ zwar das Feuer auf die Böte während der Ueberfahrt eröffnen, welches vom Kaninchenwerder aus erwidert wurde, aber der großen Entfernung wegen wurde auf beiden Seiten keine Wirkung erzielt. Darauf nahm er Stadt und Schloß in Besitz, ließ die Häuser durchsuchen und alle diensttauglichen Leute als Rekruten fort transportiren; selbst ansässige, verheiratete Bürger und die

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herzoglichen Diener wurden nicht verschont. Sogar Prinz Ludwig wurde bedroht, falls er den Herzog nicht bewege, die Truppen auszuliefern. Der Herzog verweigerte dies aber standhaft, und der Major verließ nach zehntägigem Aufenthalt die Stadt.

Einige Zeit darauf kam nochmals ein preußisches Detachement nach Schwerin und führte aus dem Zeughause und von den Wällen 22 metallene Geschütze 1 ) mit sich fort. Ein gleiches Schicksal traf kurz darauf die Stadt Rostock, der ebenfalls sämmtliche Geschütze - 29 an der Zahl - genommen wurde. Am 8. April rückte der General Zülow mit seinen Regimentern wieder in Schwerin ein.

Nach dieser verunglückten Razzia auf die meklenburgischen Truppen wurde die Rekrutenaushebung von den preußischen Befehlshabern mit verdoppelter Energie betrieben. Schon von Schwerin aus wurden einzelne Commandos zur gewaltsamen Aushebung der Menschen abgeschickt und nach dem Abmarsch von dort wurden diese noch vermehrt. Man nahm, was man fand, sogar alte Leute und Jungen. Handel und Wandel lag gänzlich darnieder. Die Mühlen standen still und man hatte Mangel an Brod, weil weder Müller noch Bäcker vorhanden waren. Alles, was nur gesunde Gliedmaßen hatte, verkroch sich in Waldungen und Moräste, wo Viele vor Hunger und Kälte umkamen. Manche liefen aus Angst vor den Werbern ins Wasser und ertranken vor den Augen ihrer Verfolger. Viele Tausend aber entwichen aus der Heimath, besonders nach Hamburg und Lübeck, wo sie blieben und so das Land noch mehr entvölkerten. Man schonte selbst die Fuhrleute nicht, welche die ausgeschriebenen Naturalien in die preußischen Magazine brachten. Der General von Kleist ging sogar soweit, daß er Gutsbesitzern, welche sich zur Stellung der von ihren Gütern verlangten Rekruten erboten und von ihm Sauvegardebriefe gegen die gewaltsame Wegführung der Menschen erhalten hatten, ihre Unterthanen einen Tag nach Ertheilung des Sauvegardebriefes wegnehmen ließ. Alle diese Uebel machten die Gelderpressung und sonstigen Grausamkeiten, welche bei diesem Menschenraub von Offizieren und Gemeinen, sowie von den auf Execution liegenden Proviant=Commissaren vorgenommen wurden, völlig unerträglich. 2 )

Mit dem Anfange des Monats Mai trafen die preußischen Truppen Vorbereitungen, die meklenburgischen Lande zu verlassen. Der General Dohna, welcher seine Regimenter in Meklenburg an


1) Im Werthe von 10000 Thalern.
2) Diese Schilderung ist einer von der herzoglichen Regierung verfaßten species facti entnommen.
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Menschen und Pferden völlig completirt und in einen mustergültigen Zustand gesetzt hatte, wurde vom König gegen die Russen, welche von Polen im Anmarsch begriffen waren, abberufen. Am 15. Mai hob er die Einschließung Stralsunds auf und marschirte über Stettin nach Stargard in Pommern ab. Die unter General von Kleist bisher in Meklenburg gestandenen 6 Bataillone und 7 Schwadronen blieben auf Befehl des Königs zur Beobachtung der Schweden in Vorpommern zurück und bezogen ein Lager bei Bartow, die Cavallerie als Vorposten gegen die Peene vorgeschoben. Vor dem Ausmarsch aber forderte der Chef des Feld=Kriegs=Commissariats, der General von Stutterheim, Deputirte von den herzoglichen Domainen und den Städten nach Demmin, um mit ihnen über die geschehenen Lieferungen Abrechnung zu halten und nahm, um die Zahlung der noch restirenden Gelder sicher zu stellen, mehrere Beamte und Pächter als Geiseln mit nach Stettin.


Rückkehr des Herzogs nach Meklenburg; Vermehrung der meklenburgischen Truppen; 2. Offensive der schwedischen Armee i. J. 1759; Kriegsschäden des Jahres 1759; Streifereien der Preußen in Meklenburg im Winter 1759/60; Ankunft des Generals von Stutterheim in Meklenburg im Januar 1760.

Nach dem Abmarsch der preußischen Truppen kehrte der Herzog aus Altona in sein Land zurück. Von den meklenburgischen Truppen blieb das Regiment Alt=Zülow und die Leibgarde in Schwerin, dem Regiment Jung=Zülow wurden als Garnison die Städte Grabow, Neustadt und Crivitz zugewiesen. Sodann wurde, da, wie wir weiter unten sehen werden, die Höfe von Wien und Versailles durch den jetzt in Wien befindlichen Vicekanzler Dittmar in den Herzog dringen ließen, seine Truppen zwecks thätiger Mitwirkung am Kriege zu vermehren, am 10. Juni ein neues Bataillon errichtet. Zu demselben wurde als Stamm die dienstbrauchbare Mannschaft des Dömitzer Garnison=Bataillons abgegeben und außerdem 2 Compagnien des Regiments Jung=Zülow, welches Letztere wiederum 2 neue Compagnien errichtete. Zum Commandeur dieses

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Bataillons welches Güstrow als Garnison erhielt und am 30. Juni dort einrückte, wurde der Oberst von Both ernannt. Als Besatzung der Festung Dömitz mußten die beiden Infanterie=Regimenter soviel Mannschaften abgeben, als dem dortigen Garnisons=Bataillon entnommen waren. Da diese Regimenter ihre sämmtlichen alten und invaliden Leute nach Dömitz schickten, ist es erklärlich, wenn der Commandant der Festung, der Major von Hertrich, nach Schwerin meldete, daß er bei einem etwaigen Angriffe die Festung nicht 24 Stunden halten könne.

Wiederum hatte die schwedische Armee in Stralsund und auf Rügen in den engen Cantonnements bei schlechter Verpflegung durch Krankheiten schwer gelitten. Im Frühjahr verhinderten häufige Stürme die regelmäßige Zufuhr von Proviant, sowie Ersatz an Mannschaften und Pferden und so kam es, daß die Armee nur auf den Etat von 12000 Mann gebracht werden konnte, und noch längerer Zeit der Erholung in der Umgegend von Stralsund bedurfte, um selbst gegen das schwache Detachement Kleist offensiv verfahren zu können. Der General Lantinghausen begnügte sich damit, seine Cavallerie gegen die Peene vorzuschieben und erst als die Truppen des General Kleist nach der Schlacht bei Kunersdorf (12. August) vom Könige theils zu der von ihm befehligten Armee nach Fürstenwalde, theils nach Sachsen gegen die Reichsarmee abberufen waren, rückte er auch mit dem Gros der Armee bis an die Peene vor.

Mitte August begann der schwedische Oberbefehlshaber seine Offensivbewegungen. Während er mit dem Gros langsamen Marsches gegen die Ukermark vorrückte, besetzte der General Fersen mit einem Detachement von 4000 Mann die Oderinseln Usedom und Wollin und vereinigte sich dann wieder mit der Hauptarmee, welche die ihr entgegen getretenen Stettiner Garnison=Bataillone über die Uker zurückgedrängt hatte, bei Pasewalk am 1. October. Der General Lantinghausen hatte sich durch das geschickte Benehmen der Stettiner Truppen derart imponiren lassen, daß er sich in 6 Wochen - vom 21. August bis zum 1. October - nur 13 Meilen weit vorwärts bewegt hatte, ohne daß ihm ein Gegner, wenigstens nicht in nennenswerther Stärke gegenüberstand. Bei Pasewalk erreichte die schwedische Offensive völlig ihr Ende und gerade in dieser Zeit wäre ein rascher Vormarsch dringend geboten gewesen. Niemals während des siebenjährigen Krieges befand sich Friedrich II. dem Rande des Abgrundes näher, als nach der Kunersdorfer Niederlage und der Kapitulation von Dresden. Preußens Sache schien verloren. Da rettete den König dreierlei: die wunderbare Elasticität seines Geistes,

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die Geschicklichkeit, mit welcher sein Bruder Heinrich ihm den Rücken gegen Daun in Schlesien deckte und - es ist dies der Krebsschaden jeder Koalion - die Uneinigkeit der russischen und östreichischen Heerführer. Schon Mitte September war der König imstande, den General Manteuffel abzuschicken, um die Schweden zurückzutreiben.

Das Corps Manteuffel - Corps d'Armée hieß zu jener Zeit jede, selbst die kleinste, aus allen 3 Waffen zusammengesetzte und unter einem selbstständigen Befehlshaber stehende Truppe - war gering an Zahl; es zählte ca. 4500 Mann und bestand aus 8 Bataillonen Infanterie, welche in Berlin und Stettin aus Reconvalescenten des früheren Dohna'schen Corps 1 ) formirt waren, und aus dem Detachement des Obersten von Belling, welches von den beiden Frei=Bataillonen Hordt, 5 Schwadronen Belling=Husaren und 5 Schwadronen Meineke=Dragoner gebildet wurde. Das Corps war klein, was aber demselben an Zahl abging - es stand ein Preuße gegen 4 Schweden - ersetzte die Tüchtigkeit der Führer. Der Commandirende war einer der energischsten und unternehmendsten Generale aus der Schule des großen Königs, und Oberst Belling war ein so schneidiger und verschlagener Husar, wie je einer im Sattel gesessen. Kühn, listig, unermüdlich, wich er nie von dem einmal gefaßten Vorhaben ab, bis er es ausgeführt. Heute dem Feind in der rechten Flanke erscheinend, allarmirte er morgen die linke und trug noch an demselben Tage den Schrecken weithin auf die Verbindungslinie des Feindes; wenn aber der Gegner besorgt den Blick nach rückwärts wandte, donnerten die leichten Feldstücke Bellings in der Front, um eben so rasch wieder zu verschwinden. Jede Blöße des Feindes erspähte der scharfsinnige Husar und wußte sie auszubeuten. Dabei kam es ihm besonders zu statten, daß er als Lieutenant und Rittmeister viele Jahre lang beim Ziethen=Husaren=Regiment in Parchim in Garnison gestanden und Land und Leute bei den Streifereien während der Werbestreitigkeiten und bei dem intimen Verkehr, welchen die Husaren=Offiziere mit dem meklenburgischen Adel pflogen, gründlich kennen gelernt hatte. Er war das Musterbild eines Führers im kleinen Kriege. Seinem Husaren=Regimente, welches erst vor kurzem errichtet war, hatte er verstanden, den ihn beseelenden Geist einzuhauchen; diese vortreffliche Truppe versagte ihrem Führer nie. In dem Frei=Regiment Hordt, dessen ausgezeichneter Commandeur soeben von den Kosaken gefangen genommen war, besaß er eine für den kleinen Krieg nicht minder verwendbare Truppe. Diese beiden Truppentheile zeichneten sich bis


1) Dasselbe war bei Kunersdorf fast gänzlich vernichtet.
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zur Beendigung des Kriegs auf dem schwedischen Kriegsschauplatze in so hervorragender Weise aus, daß Friedrich der Große in seinen späteren Schriften ihrer als epochemachend im kleinen und Parteigängerkriege mit dem höchsten Lobe erwähnt.

Der General Manteuffel war bei Beginn seiner Operationen gänzlich auf die Regimenter Bellings und die 20 Geschütze, welche seinem Corps zugetheilt waren, angewiesen, denn seine Infanterie entbehrte völlig des innern, festen Halts und war vorerst noch nicht vor dem Feinde zu verwenden. Dem Oberst Belling fiel daher die Aufgabe zu, mit seinem Detachement als Avantgarde den Feind zum Rückzuge zu zwingen.

Aus den überaus langsamen Bewegungen der schwedischen Armee während des August und September, also zu einer Zeit, wo die Niederlage des Königs bei Kunersdorf so überaus günstige Chancen bot, kann man den Schluß ziehen, daß die Pläne des General Lantinghausen überall nicht weiter gingen, als, den bestimmten Befehlen seiner Regierung gemäß, mit der Armee in Feindesland zu überwintern. Aber auch dieseAbsicht mußte der schwedische Oberbefehlshaber aufgeben, als das Manteuffel'sche Corps vor seiner Front erschien. Von allen Seiten von den Belling'schen leichten Truppen umschwärmt, welche ihre Streifzüge sogar in seinem Rücken bis Demmin ausdehnten, und denen er nicht einen einzigen Mann brauchbarer, leichter Cavallerie entgegenzusetzen hatte, wurden seine Fouragirungen verhindert und ihm nicht allein die Zufuhren, sondern auch die Nachrichten von außen her abgeschnitten. Seine Offensivstöße, welche er machte, um sich Luft zu verschaffen, waren daher matt und glichen den Bewegungen eines Blinden, welcher, ohne Kenntniß der Außenwelt, sich unsicheren Schrittes mit dem Stecken weiter tastet. Dazu kam das beängstigende Gefühl, daß die Operationen auf den übrigen Kriegsschauplätzen bald aufhören und der König überlegene Streitkräfte nach Pommern senden würde. Die Stockholmer Regierung gab seinen dringenden Vorstellungen nach und genehmigte den Rückzug. Am 6. November führte der General Lantinghausen die Armee hinter die Peene zurück, an derem rechten Ufer sich die preußischen Truppen postirten. Da aber der General Manteuffel Befehl vom Könige hatte, die Winterquartiere in Feindes Land zu nehmen und ihm die Cantonnements für seine Truppen in Meklenburg zu gefährdet erschienen, weil die sämmtlichen Pässe über die Grenzgewässer in schwedischen Händen waren, griff er Ende Januar 1760 in Verein mit einem Theil der Stettiner Garnison die Schweden an, um sie nach Stralsund hineinzuwerfen. Dieser Versuch mißlang indessen der Uebermacht des Feindes gegen=

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über gänzlich und beide Teile behielten während des Winters ihre früheren Stellungen zu beiden Seiten der Peene bei. Für den General Manteuffel, welcher bei einem nächtlichen Ueberfall der Schweden in Anclam gefangen genommen war, übernahm der General von Stutterheim den Oberbefehl über die preußischen Truppen.

Es ist nicht recht ersichtlich, wie weit die Rückstände an Contribution und Natural=Lieferungen aus den Jahren 1758 und 1759 an Preußen gezahlt worden sind. Nach einer specificirten, zu den Akten liegenden Berechnung geht hervor, daß die gesammten Kriegsschäden, welche Meklenburg im Jahre 1759 erlitten, 1892997 Thlr. betragen und zwar an Contributionsgelder 233 478, an Douceur und Tafelgeldern für die Generäle und Offiziere 421059 und an Getreide= und Fourage=Lieferungen 1238460 Thlr. Zu Rekruten wurden in diesem Jahre 1690 Menschen gewaltsam ausgehoben.

Als sich im October 1759 die preußischen Truppen der meklenburgischen Grenze näherten, waren als Vorboten einer wiederholten Invasion vom Königlichen Feld=Kriegs=Commissariat Schreiben an die Verwaltung der herzoglichen Domänen, an die Ritterschaft und die Städte ergangen, in welchen in der bedrohlichsten Weise die Abtragung der Rückstände, die zu sehr hohen Summen angewachsen waren, gefordert wurde. Da nun nach den Resultaten der bisherigen Kriegsführung, welche jedesmal nach einer kurzen, matt im Sande verlaufenden Offensive mit einem Rückzuge der schwedischen Armee nach Stralsund endete und Meklenburg völlig in die Hände der Sieger gab, eine dritte Invasion zu befürchten war, entschloß sich die Regierung, so ungern sie dies auch that der falschen Auslegung wegen, welche eine solche Handlungsweise bei den Mächten der Coalition erfahren konnte, mit dem preußischen Oberbefehlshaber in Unterhandlung zu treten, unter dem ausdrücklich ausgesprochenen Vorbehalt "ihrer sonstigen Reichsfürstlichen Befugnisse und der Gewalt weichend." Es wurde der Assessor von Storch aus Güstrow, welcher viele Bekannte unter den preußischen Offizieren hatte, nachdem ihm preußischerseits freie Rückkehr zugesagt war, in das Hauptquartier des General Manteuffel gesandt. Hier kam nach langen Verhandlungen ein Vergleich dahin zustande, daß sich die herzogliche Regierung dahin verpflichtete, wenn kein Mann der preußischen Truppen die Grenze überschritte und auch sonst die meklenburgischen Lande von allen weiteren Leistungen verschont bleiben würde, von Ende Januar an, so lange die königlichen Truppen an der Grenze stehen würden, jede Woche 10000 Thlr. an das Kriegs=Commissariat zu zahlen. Diese Verpflichtung wurde

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von der Regierung auf das Genaueste erfüllt, trotzdem von den preußischen Truppen viele Streifereien in das meklenburgische Gebiet ausgeführt wurden. Eine ganz andere Gestalt nahmen aber die Dinge an, als Ende Januar 1760 der General von Stutterheim das Commando des Manteuffel'schen Corps übernommen hatte

Der General von Stutterheim war Adjutant des Königs und als solcher in den Jahren 1757 und 1758 dem Feldmarschall Lehwaldt und später dem Grafen Dohna beigegeben gewesen, mit dem speciellen Auftrage, für den raschen Fortgang der Lieferungen und besonders der Rekrutirung in den meklenburgischen Landen Sorge zu tragen. Diese Geschäfte hatte er aber nach Ansicht des Königs so lässig betrieben, daß derselbe im hohen Grade unzufrieden mit seinem Adjutanten war. Der König hatte jetzt auch nur sehr ungern das Commando über das Corps in die Hände Stutterheims gelegt, mit welchem derselbe einem dreifach überlegenen Feinde den Einmarsch in das preußische Gebiet verwehren sollte, aber er konnte seine besonders tüchtigen Generäle auf den wichtigeren Kriegsschauplätzen nicht entbehren und zwei Feldzüge hatten ihm gezeigt, daß die Schweden die mindest gefährlichen seiner zahlreichen Feinde seien.

Der General hatte die gemessensten Befehle vom Könige, die Lieferungen und Rekrutirungen in der schärfsten und rücksichtslosesten Weise zu betreiben. Er konnte sich daher durch die Abmachungen seines Vorgängers mit der meklenburgischen Regierung nicht gebunden erachten und erließ sofort Ausschreibungen zur Abtragung der Rückstände und zur Gestellung von 1000 Rekruten. Das Commissariat begann, die Gelder exekutorisch beizutreiben und der Assessor von Storch, welcher nunmehr das Hauptquartier verlassen wollte, wurde mit Arrest bedroht und mußte einen eidlichen Revers ausstellen, sich auf Erfordern sogleich wieder zu gestellen. Alle diese Forderungen und Exekutionen lieferten aber ein nur wenig befriedigendes Resultat, weil dieselben in diesem Jahre nicht systematisch und mit Ordnung betrieben werden konnten; daran verhinderte die ins Mecklenburgische abgeschickten preußischen Detachements die Stellung der schwedischen Armee.

Diese, im Winter in jeder Weise vortrefflich retablirt, deckte ca. 17000 Mann stark die pommersche Grenze von Dammgarten, Triebsees, Loitz, die Peene entlang bis Wolgast und war somit jeden Augenblick in der Lage, die Requisitions=Commandos, welche bei der Schwäche des preußischen Corps nur in geringer Stärke abgesendet werden konnten, aufzuheben. Es entspann sich im Winter und Frühjahr ein kleiner Krieg in Meklenburg, und den Belling'schen Husaren gelang es trotz ihrer großen Gewandtheit und Findigkeit

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nicht immer, der an Zahl so sehr überlegenen schwedischen Cavallerie zu entgehen; so wurde Anfang März das gesammte preußische Feld=Kriegs=Commissariat mit seiner Husaren=Eskorte in Parchim gefangen genommen.


Die diplomatischen Verhandlungen mit Dänemark; Convention mit Schweden; erster Marsch der meklenburgischen Truppen nach Rügen.

Bevor wir in der Erzählung der kriegerischen Ereignisse fortfahren, müssen wir unseren Blick auf die diplomatischen Verhandlungen, welche die meklenburgische Regierung mit dem dänischen Hofe anknüpfte, lenken.

Wie schon früher erwähnt, hatte sich Herzog Friedrich nach dem ersten Einrücken der preußischen Truppen in Meklenburg, kurz vor Weihnachten 1757, nach Lübeck begeben. Da es jedoch zweifelhaft war, ob er dort den nöthigen Schutz finden würde, richtete er im Februar des folgenden Jahres ein Schreiben an den König von Dänemark und bat um ein Asyl für sich und sein Gefolge in der Festung Rendsburg. In einem eingehenden, sehr verbindlichen Schreiben gab König Friedrich von Dänemark dem Herzog sein königliches Wort, daß er nicht allein in Rendsburg, sondern wo er wolle in des Königs Landen den erbetenen Schutz finden würde. Obgleich der Herzog keinen Gebrauch von diesem Versprechen machte, so benutzte er diese Gelegenheit, freundschaftliche Beziehungen mit dem dänischen Königshause anzuknüpfen, um so mehr, als er durch das am 21. August 1758 vom Kaiser dem Könige von Dänemark übertragene Protectorium auf den Schutz dieses Monarchen angewiesen war. Im September schickte der Herzog seinen Schloßhauptmann, den Baron von Forstner, mit einem Dankesschreiben und dem Auftrage nach Kopenhagen, "sich um die Zuneigung des Königs und die Freundschaft des Ministers, Grafen Bernstorf," welcher aus Meklenburg gebürtig und dort angesessen war, zu bemühen. Nach der noch in demselben Monat erfolgten Rückkehr des Baron Forstner beschloß der Herzog einen ständigen Gesandten an dem dänischen Hofe zu accreditiren und wählte hierzu den Geheimen Legationsrath von Lützow, welcher am 6. October zu

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Schloß Frederiksborg vom König in Gegenwart des Oberhofmarschalls Grafen Moltke und der drei Minister sehr gnädig empfangen wurde. 1 )

Der Hauptauftrag des Baron Lützow bestand darin, das kaiserliche Protectorium, welches, wie schon erwähnt, nicht vom Kaiser direct an die dänische Regierung, sondern an den Herzog von Meklenburg zur weiteren Veranlassung gesandt war, officiell in Kopenhagen zu insinuiren. Da man aber in Schwerin genau wußte, daß der König von Dänemark streng neutral bleiben wollte, war dem Gesandten die äußerste Vorsicht anempfohlen und das Protectorium ihm gewissermaßen als ultimo ratio mitgegeben worden. Jedenfalls aber sollte er von demselben nicht ohne Einverständniß der Gesandten Oestreichs und Frankreichs Gebrauch machen.

Die Gesandten dieser Mächte sondirten zunächst den Grafen Bernstorf vertraulich und fanden, daß die Uebergabe des Protectoriums dem dänischen Hof sehr unangenehm sein würde und daß er äußersten Falls nichts weiter an Truppen stellen würde, als das holsteinsche Contingent. Sie riethen infolgedessen dem Baron Lützow dringend, von dem Protectorium dem dänischen Minister gegenüber nichts zu erwähnen.

Der Graf Bernstorf erkannte das Menagement des Herzogs von Meklenburg sehr an und als einige Tage darauf der Baron Lützow in der ersten Unterredung, die er mit dem dänischen Minister hatte, die Frage aufwarf, ob der König nicht vielleicht einige dänische Regimenter, welche in Holstein an der Grenze ständen, in Meklenburg zum Schutz des Landes einrücken lassen möchte, ging Graf Bernstorf lebhaft hierauf ein.

Der meklenburgische Gesandte hatte diesen Vorschlag gethan, ohne hierzu von seinem Hofe autorisirt zu sein; er erfuhr deßhalb auch die Mißbilligung des Herzogs, welcher fürchtete, daß die Anwesenheit der dänischen Truppen den König von Preußen noch mehr reizen und den Kriegstrubel im Lande vergrößern möchte. Indessen ging er nach näherer Ueberlegung doch auf den Plan ein, wollte aber von einer Besetzung Rostocks, welche dänischerseits vorgeschlagen war, schlechterdings nichts wissen. Es mochte den meklenburgischen Staatsmännern denn doch bedenklich erscheinen, außer Wismar auch die zweite Hafenstadt des Landes fremden Händen zu übergeben.


1) Der Baron kam in ziemlich übler Verfassung von dem königlichen Lustschlosse nach Kopenhagen zurück, da der Kutscher ihn zweimal in einen Wassergraben geworfen hatte; arg zerschunden mußte er mehrere Tage das Bett hüten.
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Aber auch der Graf Bernstorf erhob nachträglich Schwierigkeiten, er stellte die Bedingung, daß die Höfe von Wien und Versailles eine Schadloshaltung Dänemarks garantiren sollten, wenn dem dänischen Hofe aus der Besetzung Meklenburgs ein Krieg mit Preußen oder sonstiger Nachtheil entstehen würde. Da der dänische Minister aber mit der sehr auf Schrauben gestellten Erklärung, welche beide Höfe auf den Bericht ihrer Gesandten eingesandt hatten, sich nicht zufriedengestellt erklärte und außerdem die preußischen Truppen - es war Ende des Jahres 1758 - überall freie Hand hatten, zerschlug sich das ganze Projekt.

Der Baron Lützow hatte gethan, was in seiner Macht lag, um den Grafen Bernstorf zu einer Sinnesänderung zu bewegen. In häufigen Unterredungen hatte er ihm das Elend des Landes in den beweglichsten Ausdrücken geschildert. Der Minister war wohl aus seiner sonst sehr reservirten Haltung herausgetreten, er hatte tiefes Mitgefühl gezeigt, sogar Thränen vergossen. Aber Alles, was Lützow erreichen konnte, war gewesen, daß der Graf versprach, durch Herrn von Ahlefeldt, den dänischen Gesandten in Berlin, Vorstellungen bei der preußischen Regierung thun zu lassen.

Unterdessen waren die preußischen Truppen zum zweitenmale - December 1758 - in Meklenburg eingerückt. Der Herzog schrieb außer sich an seinen Gesandten in Kopenhagen: auf einen Wink des dänischen Hofes habe man das Protectorium fallen lassen, und nun werde man schnöderweise im Stiche gelassen! Er solle jetzt versuchen, für die auf's Aeußerste gefährdeten meklenburgischen Truppen ein Asyl in Dänemark in der Weise auszuwirken, daß dieselben beim Einrücken der Preußen über die dänische Grenze gehen und beim Abmarsche derselben wieder in ihre Heimath zurückkehren könnten.

Graf Bernstorf erklärte sich bereit, die meklenburgischen Truppen aufzunehmen, verlangte aber, daß dieselben während der ganzen Dauer des Krieges der Krone Dänemark gewissermaßen in Verwahrung gegeben und dem Könige einen Eid des Gehorsams schwören sollten. Ging der Herzog auf diese Pläne ein, so gab er alle Hoheitsrechte über seine Truppen - mit alleiniger Ausnahme des Rechts, dieselben besolden zu dürfen - aus der Hand und that definitiv seinen Entschluß kund, an dem Kampfe gegen Preußen activ nicht theilnehmen zu wollen, wozu ihn Oestreich und Frankreich unablässig zu bewegen suchten. Damit wäre aber auch jede Hoffnung auf Entschädigung an Land und Geld beim Friedensschlusse verloren gewesen. Der Herzog lehnte deshalb die Vorschläge des dänischen Ministers ab (16. Februar 1759).

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Unterdessen hatte Graf Bernstorf wiederholt freundschaftliche Vorstellungen in Berlin thun lassen, aber nur die von vielen Freundschaftsversicherungen begleitete Antwort erhalten, der König sei nur aus dem Grunde in Meklenburg eingerückt, um den Schweden die meklenburgische Kornkammer zu verschließen.

Der Schweriner Hof gab aber dennoch die Hoffnung nicht auf, durch dänische Vermittlung Hülfe zu erlangen. Er beauftragte seinen Gesandten, den Grafen Bernstorf um den Abschluß eines Defensiv=Bündnisses anzugehen. Auch hierauf ging der dänische Minister bereitwilligst ein, aber wiederum nur unter der Bedingung, daß die Höfe von Wien und Versailles sich bereit erklärten, Dänemark beizustehen, wenn dasselbe dieses Bündnisses wegen von Preußen angegriffen würde. Da durch die Gesandten Oestreichs und Frankreichs eine solche Erklärung nicht zu erlangen war, wurde der Baron Dittmar in Wien beauftragt, vom Grafen Kaunitz eine entsprechende Instruktion für den Grafen Dietrichstein 1 ) zu erwirken. Dittmar sprach aber umgehend die dringende Bitte aus (10. April 1759), durch diesen Nebenauftrag doch das Hauptnegoce, welches jetzt im guten Fluß sei, nicht stören zu wotlen. Als nun (1. Mai) Baron Lützow berichtete, der Graf Bernstorf habe ihm vertraulich - die dänische Regierung wollte dem Herzog ungerne einen officiellen Abschlag geben - gesagt, daß er bestimmt wisse, der König von Preußen könne Meklenburg nicht entbehren und er würde den als Feind ansehen, der ihn dort stören würde, beschloß der Herzog, seinen Gesandten aus Kopenhagen abzuberufen. Auf Anrathen des östreichischen und französischen Gesandten wurde der Baron Lützow Anfang Juni von seiner Regierung angewiesen, seine Unterhandlungen zu sistiren und auf Urlaub nach Meklenburg zurückzukehren.

Den Mächten der Coalition, welche gehofft hatten, durch Uebertragung des Protectoriums an den König von Dänemark, auch diesen Staat zur Theilnahme an dem Kriege gegen Preußen zu bewegen, kam die Abreise des Baron Lützow von Kopenhagen sehr ungelegen. Herr von Champeaux erhielt den Auftrag, das dringende Ansuchen an den Herzog zu stellen, den Gesandten auf seinen Posten zurückkehren zu lassen. Infolgedessen begab sich Letzterer im August 1759 nach Kopenhagen zurück, mit der Instruktion, die früheren Verhandlungen wieder anzuknüpfen, wiederum mit dem kaiserlichen Protectorium in der Tasche. 2 )


1) Der östreichische Gesandte in Kopenhagen.
2) Wäre Baron Lützow abergläubisch gewesen, hätte er es als ein böses Omen ansehen müssen, daß das Schiff, auf welchem er die Ueberfahrt (  ...  )
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Es begann nun dasselbe diplomatische Spiel bis in den Herbst hinein. Als aber die schwedische Armee Miene machte, sich über die Peene zurückzuziehen, mußte die meklenburgische Regierung ernstlich daran denken, ihre Truppen in Sicherheit zu bringen, denn die Insel im Schweriner See konnte Letzteren keinen Schutz gewähren, wenn Frostwetter eintrat. Die Regierung knüpfte daher durch die Vermittelung des Herrn von Champeaux und des französischen Gesandten in Stockholm, Verhandlungen wegen Gewährung eines Asyls für die meklenburgischen Truppen an. Am 29. October 1759 wurde mit dem General Lantinghausen eine Convention des Inhalts abgeschlossen, daß dem Herzog gestattet wurde, seine Truppen nach der Insel Rügen überzuführen, mit der Befugniß, dieselben zurückzurufen, wenn es ihm beliebte und unter der Bedingung, daß dieselben unter keinen Umständen sich activ am Kriege gegen Preußen betheiligen sollten.

Der Abschluß dieser Convention war sehr geheim gehalten worden, auch vor Baron von Lützow. Als Letzterer dieselbe (Anfang November) dem Grafen Bernstorf mittheilen mußte, war dieser außer sich: Wünschenswertheres hätte dem König von Preußen gar nicht passiren können, nun habe er einen Vorwand, das arme Meklenburg ganz zu vernichten. "Der Graf," berichtet Lützow, "war über das Unglück seines Vaterlandes so gerührt, daß er Thränen vergoß und sich gar nicht wieder erholen konnte." Bald aber wurde es Baron Lützow fühlbar, daß der Vertrag mit Schweden seine Position am dänischen Hofe unhaltbar gemacht hatte. "Die National=Eifersucht zwischen Schweden und Dänemark ist zu groß," berichtete er nach Schwerin. Auch der König, welcher sich sonst überaus gnädig gegen den Gesandten gezeigt hatte, wurde kalt in seinem Benehmen; der Hof folgte seinem Beispiele und Lützow war froh, als der Herzog ihm (Mai 1760) erlaubte, eine Badereise nach Pyrmont anzutreten.

Als der General Lantinghausen Anfang November 1759 sich hinter die Peene zurückgezogen hatte, hielt der Herzog seine Truppen im Lande nicht mehr für sicher und befahl dem General Zülow, nach Rügen abzumarschiren. Am 13. November rückten die meklenburgischen Regimenter in Stralsund ein und wurden am 15. und 16. nach der Insel übergeschifft. Die Stärke derselben betrug 49 Offiziere und 896 Mann.


(  ...  ) machte, tagelang durch einen Sturm umhergeworfen, bei Fehmern strandete, wo er mit Mühe das Land erreichte und über Laland und Falster nach Kopenhagen gelangte.
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Im stummen Gehorsam rückten die Truppen nach ihrem Zufluchtsort in der Fremde ab, aber in den Aufzeichnungen der Offiziere lesen wir, wie tief gedemüthigt diese wackeren Männer waren, als sie unrühmlichen Abschied von der Heimath nehmen mußten, für welche zu kämpfen ihr Beruf war, und zu deren Vertheidigung sie freudig bereit gewesen wären, ihr Herzblut zu verspritzen.

In Schwerin waren als Besatzung 100 Mann zurückgeblieben, Halbinvaliden, welche den Befehl hatten, bei Annäherung des Feindes nach der Festung Dömitz zu marschiren. Von der Leibgarde wurden, als der Herzog sich mit seiner Begleitung im November nach Lübeck begab, die Pferde im Lande untergebracht, die Waffen, die Montirungsstücke, das Sattel= und Zaumzeug in Kisten verpackt nach Lübeck in Sicherheit gebracht. Die Leibgardisten wurden für die Dauer der Invasion in Civilkleidern nach Hamburg, Altona und Lübeck beurlaubt mit der Weisung, sich dort Arbeit zu suchen.


Die allgemeine Kriegslage 1760; dritte Offensive der schwedischen Armee 1760; Vermehrung der meklenburgischen Truppen; Zug des Generals von Werner nach Meklenburg; der Herzog begiebt sich nach Lübeck; Verhandlungen mit General von Landtinghausen; Rückkehr des Herzogs; Kriegsschaden des Jahres 1760.

Das Kriegsjahr 1760 drohte für Friedrich den Großen verderblich zu werden. Maria Theresia war entschlossen, Alles daran zu setzen, dem verhaßten Gegner den Todesstoß zu geben. Mit 120000 Mann unter Daun und Laudon und mit 60000 Russen begannen die Alliirten ihre Operationen. Dieser Uebermacht konnte König Friedrich nur 90000 Mann, zum Theil von recht zweifelhaftem Werthe entgegenstellen.

Es war daher dem König nicht möglich, den General Stutterheim an der Peene zu verstärken. Wir haben gesehen, daß dieser

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General der ca. 17000 Mann starken schwedischen Armee mit nur 5000 Mann gegenüberstand, und daß von diesen Truppen nur die beiden Bataillone des Freiregiments Hordt und die Cavallerie völlig kriegstüchtig, die 8 Bataillone Infanterie aber, neu formirt, noch in der Ausbildung und Ausrüstung begriffen waren. Von einem nachhaltigen Widerstande gegen einen energischen Vormarsch der Schweden konnte also nicht die Rede sein.

Den Herzog hatten die günstigen Berichte, welche der Baron Dittmar über den unverminderten Kriegseifer am Wiener Hofe abgestattet, in die hoffnungsvollste Stimmung versetzt. Auch von den schwedischen Operationen versprach er sich in diesem Jahre den vollständigsten Erfolg. Auf Anrathen Dittmars sandte er, schon im Winter, den Oberst=Lieutenant von Glüer vom Regimente Alt=Zülow als Militair=Attaché in das Hauptquartier des Generals Lantinghausen nach Greifswald. Auf diese Weise wurde nicht allein der Herzog in jedem Augenblick über den Fortgang der Operationen unterrichtet, sondern es setzten auch seine aus authentischer Quelle stammenden Mittheilungen seinen Gesandten in Wien in den Stand, durch den Grafen von Choiseuil 1 ) auf den Marquis von Havrincourt 2 ) und durch diesen auf die Stockholmer Regierung einwirken zu können, wenn der schwedische Oberbefehlshaber ein gar zu langsames Tempo anschlug.

Im Frühling dieses Jahres fand, ebenfalls auf Anrathen des Baron Dittmar, wiederum eine Vermehrung der meklenburgischen Truppen statt. Dieser scharfsichtige Staatsmann war, als er den leitenden Ministern und den Botschaftern in Wien persönlich näher getreten war, zu der festen Ueberzeugung gekommen, daß alle Tractate, Declarationen und Accessionsacte völlig nutzlos und nicht im Stande wären, dem Herzog auch nur ein Dorf seiner verpfändeten Aemter oder einen Thaler Entschädigungsgelder zu verschaffen, wenn sich derselbe nicht entschließen könne, mit den Waffen in der Hand seine Rechte geltend zu machen. Der Kanzler Kaunitz und der Graf Coloredo sprachen sich bei jeder Gelegenheit in diesem Sinne aus, ebenso die fremden Gesandten. Diese Reden fielen bei dem kriegerisch gesonnenen meklenburgischen Vicekanzler auf überaus günstigen Boden. Schon während der Werbungsstreitigkeiten mit Preußen hatte er stets den energischsten Maßregeln das Wort geredet, jetzt wollte er offenen Kampf bis aufs Messer mit dem Gegner, der ihm seit langen Jahren verhaßt war. "Man giebt


1) Der französische Gesandte in Wien.
2) Der französische Gesandte in Stockholm.
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mir hier überall zu verstehen," berichtet Dittmar im April 1760, "daß es für Eure Durchlaucht nicht sowohl auf Abschluß weiterer Tractaten ankomme, sondern auf das Glück der Waffen. Mein Rath ihr die Truppen zu vermehren, etwa bis auf 4000 Mann, und dann, sobald sich die Gelegenheit bietet, die zurückverlangten Aemter zu besetzen."

Um sich für alle Fälle vorzubereiten, hauptsächlich aber wohl, um den alliirten Mächten seinen guten Willen zu zeigen, der hie und da stark bezweifelt wurde, schritt der Herzog zur Vermehrung seiner Truppen. Aus dem Bataillon von Both wurde ein Regiment gemacht und dasselbe, ebenso wie die beiden Regimenter von Zülow, auf 8 Compagnien gebracht. Dies ergab für die Infanterie eine Stärke von 1425 Köpfen.

Die 3 Regimenter hatten den Winter auf Rügen zugebracht, in schlechten Quartieren und schlecht verpflegt, und waren, als die Schweden im Sommer 1760 ihre Offensive begannen, nach Rostock abmarschirt, woselbst sie am 16. Juni eintrafen und vorläufig verblieben, weil sich in der Gegend von Dargun preußische Cavallerie=Patrouillen gezeigt hatten, eine Dislocirung in die verschiedenen Garnisonsstädte also noch nicht rathsam erschien.

Die Cavallerie wurde in diesem Frühjahr ebenfalls vermehrt. Der Commandeur der Leibgarde zu Pferde, der Oberst von Barssen, formirte im April aus den 28 berittenen Gardisten eine Compagnie Cavallerie in Goldberg, unter dem Befehl des Rittmeisters von Oldenburg in der Stärke von 4 Officieren und 86 Reitern. Zu gleicher Zeit wurde eine Schwadron Husaren unter Befehl des Majors von Bader in der Stärke von 3 Officieren und 65 Mann errichtet und nach Teterow in Garnison gelegt. Beide Schwadronen hatten den Befehl, sich bei Annäherung der Preußen auf Stralsund zurückzuziehen.

Um den schwedischen Obergeneral, welcher, unentschlossenen Charakters und schwerfällig in seinen Dispositionen, im Juli noch unverrückt hinter der Peene stand, zu rascherem Handeln anzuspornen, sparte der Herzog keine Artigkeiten und Gefälligkeiten. Als er in Erfahrung gebracht, daß der General ein Liebhaber von schönen Gemälden sei, sandte er ihm zwei werthvolle Huchtenbergs und ließ ihm durch Oberst=Lieutenant von Glüer andeuten, daß noch weitere Präsente von Werth folgen würden.

In unserer Zeit würde es ein mißlicher Auftrag für einen Militair=Bevollmächtigten sein, einem commandirenden General derlei Andeutungen auszurichten. Allein wir dürfen nicht den

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Maßstab von heute anlegen, sondern müssen uns in die Anschauungen der Zeit, die wir zu schildern versuchen, hinein versetzen. Der Geist dieser Zeit fand aber nichts Anstößiges darin, wenn Obersten und Generäle sich in Feindesland für ihre Person "Douceurgelder" auszahlen ließen oder von fremden Fürstlichkeiten "Ergötzlichkeiten von 1000 Pistolen" (Louisd'or) und mehr als Geschenk annahmen, während den an der Spitze der Armeen stehenden Feldherren oder den Ministern Tonnen Goldes 1 ) angeboten und ausgezahlt wurden, um sie zu bewegen, ihren Einfluß in der gewünschten Richtung zur Geltung zu bringen. Die Annahme dieser Gelder, sofern nicht geradezu eine grobe Pflichtwidrigkeit dafür gefordert wurde, sah man nicht als Bestechung an und wurde Niemandem verdacht. Es muß aber doch wohl recht schwer gewesen sein, die richtige Grenze innezuhalten und zu unterscheiden, ob die gezahlten Summen lediglich in der Absicht gegeben wurden, um Jemand in der Ausübung seiner Pflicht eifriger zu machen, oder ob sie verheißen wurden, um etwas zu erreichen, was den Empfänger, wenn auch nicht gerade in Conflikt mit seinem Pflichtgefühl brachte, ihn aber doch verleiten konnte, das Wichtige über dem Unwichtigen zu versäumen, ein Fall, der beispielsweise eingetreten sein würde, wenn der General Lantinghausen sich durch die Geschenke des Herzogs von Meklenburg hätte bewegen lassen, sein Hauptaugenmerk, anstatt auf die Offensive gegen Berlin, auf die sorgfältige Beschützung der meklenburgischen Grenzen zu richten. Die Hauptgefahr aber einer solchen Geschenkpraxis lag darin, daß nicht ganz sichere Charaktere in Versuchung geführt wurden, für Geld geradezu gegen ihre Pflicht zu handeln. Hierfür liefert uns die Geschichte des vorigen Jahrhunderts zahlreiche Beispiele; auch in unserer Geschichtserzählung fanden wir drei Fälle in denen Personen durch je 500 Louisd'or und durch 100 Thaler bestochen wurden, ihr Pflicht bis über die Grenze des Landesverraths hinaus in gröblicher Weise zu verletzen.

Als der General von Lantinghausen sich Anfangs August anschickte, seinen Vormarsch zu beginnen, kannte er die Stärke und die Stellung des Gegners vollständig. Die meklenburgische Regierung hatte dem Assessor von Storch den Befehl gegeben, genaue Erkundigungen über die preußischen Truppen an der Grenze einzuziehen und darüber nach Schwerin zu melden. Diese Berichte wurden in das schwedische Hauptquartier an den Oberst=Lieutenant von Glüer gesandt.


1) Eine Tonne Goldes=100000 Thaler.
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Eine derartige Correspondenz der Regierung mit ihrem Militair=Bevollmächtigten war nicht ohne Gefahr. Schon die Anwesenheit Glüer's im schwedischen Hauptquartier war mit den Begriffen einer strengen Neutralität nicht vereinbar, denn nach dem Brauche damaliger Zeit sandte man Offiziere nur in das Hauptquartier einer verbündeten Macht. Und nun das regelmäßig organisirte Kundschaftswesen! Wurde die Correspondenz aufgefangen, so konnte sich der Herzog nicht mehr beklagen, von Preußen als Feind behandelt zu werden, und wurde Herr v. Storch mit seinen Agenten ergriffen, so wurden sie nach Kriegsrecht sammt und sonders als Spione gehängt.

Für den schwedischen Oberbefehlshaber waren die Mittheilungen der Schweriner Regierung von hohem Werthe, da er bei der großen Ueberlegenheit der preußischen leichten Truppen nicht im Stande war, auch nur einigermaßen zuverlässige Nachrichten über die Stellung des Feindes zu erlangen und, was für ihn besonders wichtig war, rechtzeitig in Erfahrung zu bringen, wann der König von Preußen etwa unvermuthet Verstärkungen an den General Stutterheim schickte. Er ließ daher dem Herzoge seinen verbindlichsten Dank ausdrücken und ihn bitten, mit den Berichten möglichst oft fortzufahren.

Endlich - am 12. August - waren die viele Monate langen Vorbereitungen soweit gediehen, daß der General Lantinghausen dem Herzoge mittheilen konnte, die Armee werde in den nächsten Tagen aufbrechen; zugleich bat er um Lebensmittel für seine Truppen, so lange dieselben meklenburgisches Gebiet passiren würden. Infolgedessen wurde der Ober=Amtmann Brandt als Marschcommissar nach Greifswald geschickt, dem General Lantinghausen aber übersandte der Herzog in der Freude seines Herzens eine kostbare, mit Diamanten besetzte und mit seinem Bildniß versehene Tabatiére als Präsent und wünschte ihm den göttlichen Segen zu seinen Unternehmungen.

Wir beabsichtigen den Feldzug dieses Jahres etwas detaillirter zu behandeln, einmal, weil die Gefechte mehrfach auf meklenburgischem Boden geführt worden sind, dann aber auch, weil uns das Kriegstagebuch des Oberst=Lieutenant von Glüer, welches mit Sachkenntniß und Genauigkeit geführt ist, und manches in den Geschichtswerken bisher nicht Erwähnte vor Augen führt, vorgelegen hat.

Der General Lantinghausen beschloß, um den schwierigen Angriff auf die Peenefront zu vermeiden, den linken Flügel des Feindes zu umgehen und so dessen Rückzug auf Berlin zu bedrohen. Zu dem Ende ließ er den General Ehrenswärd mit

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3000 Mann bei Anclam demonstriren, er selbst ging am 17. August über die Trebel und marschirte auf Malchin, nachdem die Avantgarde unter dem General von Fersen schon Tags zuvor diesen Fluß bei Volckersdorf überschritten hatte.

Der General Stutterheim, in Ungewißheit über den Angriffspunkt der Schweden, hatte den Oberst Belling von Krukow nach Demmin gesandt, während er selbst mit dem Gros zur Verstärkung seines rechten Flügels von Krien gegen Medow vorrückte.

Die Tete der schwedischen Avantgarde bildete das Husaren=Regiment des Grafen Sparre und vor der Spitze der Husaren ritt in ächt französischer Prahlerei der französische Militair=Bevollmächtigte, der Marquis von Caulaincourt Diesmal sollte dem Franzosen sein Uebermuth schlecht bekommen. Als die Bellingschen Husaren erschienen und sofort zur Attacke vorgingen, commandirte der schwedische Offizier: "Rechts um, Kehrt!" Diese einfache Bewegung wurde aber von seinen Leuten so ungeschickt ausgeführt, daß sich dieselben gegenseitig umritten und der Marquis, welcher nicht mehr ausweichen konnte, mit seinem Pferde in den Knäuel der am Boden liegenden Pferde und Husaren hineinstürzte. Der schwedische Offizier half ihm zwar rasch wieder aufs Pferd, hierbei überschlug sich dasselbe aber und der Marquis ward gefangen, als er sich vergeblich bemühte, sein Pferd zu besteigen.

Dieser an und für sich unwichtige Vorfall erhält dadurch Bedeutung, daß Herr von Caulaincourt mit seinem Feuereifer die Seele der Vorwärtsbewegung der Armee war und nun der General Lantinghausen, sich selbst überlassen, mit einer Behutsamkeit und Unentschlossenheit vorrückte. welche die seiner drei Vorgänger noch übertraf.

Als der Oberst Belling dem General Stutterheim bestimmte Meldung von der feindlichen Umgehung machte, beschloß Letzterer die Peenelinie aufzugeben. Er räumte Demmin und Anclam am 19. August und ging über den Kavelpaß auf der Pasewalker Straße zurück.

Der General Lantinghausen war mit dem Gros der Armee über Dargun marschirt und lagerte am 19. bei Malchin. Tags darauf vereinigte er sich mit seiner Avantgarde und schlug am 21. sein Hauptquartier in Schmarsow auf. In dieser Stellung blieb die Armee bis zum 25. "Um sich auszuruhen," sagt Glüer in seinem Tagebuch.

Dem Oberst Belling blieb kein Schritt der feindlichen Armee verborgen. Seine Reiterei war überall; ein Zug Husaren blieb

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sogar in den Wäldern bei Malchin versteckt und durchstreifte die Gegend im Rücken des Feindes. Als der Oberst sah, daß der Feind ihm nicht folgte, rückte er sofort wieder bis Friedland vor und besetzte den Landgraben. Am Kavelpaß wurde der Major von Kalkstein mit 2 Compagnien und 2 Geschützen postirt.

Am 25. August setzte die schwedische Armee ihren Vormarsch fort, in eigenthümlicher Marschordnung, ohne Avantgarde, in vier auf gleicher Höhe neben einander marschirenden Colonnen; jeder Colonne gingen reitende Jäger und Husaren vorauf. Die Armee rückte bis Iven, das Detachement Ehrenswärd bis Thurow vor. Am Abend überfiel Oberst Belling die Vorposten und nahm den Rittmeister von Silfverskiold, dessen Vedetten abgesessen waren und die Annäherung der Preußen infolgedessen nicht bemerkt hatten, mit 30 Husaren und Jägern gefangen. Auch auf dem rechten Flügel gelang den Preußen ein kecker Streich; der Major von Knobelsdorf vom Freiregiment Hordt überfiel mit 2 Compagnien und 1 Kanone in der Nacht vom 26. auf den 27. den Major von Platen, welchen General Ehrenswärd zur Deckung seiner Verbindung mit Anclam mit 180 Husaren und Jägern in Woserow postirt hatte und nahm ihm 30 Gefangene ab.

Am 27. August ließ der General Lantinghausen den Kavelpaß durch den Oberst Graf Sparre forciren. Der Major von Kalkstein zog sich nach kurzer Kanonade auf das Gros in Friedland zurück und nun nahm der Oberst Belling Stellung hinter dem Mühlbach bei Gahlenbeck. Das Gros der schwedischen Armee aber blieb bis zum 29. unbeweglich hinter dem Kavelpaß stehen.

Nach den Vorgängen der beiden letzten Feldzüge ist man nicht berechtigt, besonders schnelle und kühne Operationen von der schwedischen Armee zu erwarten, aber die schneckenartige Langsamkeit, mit welcher der General von Lantinghausen seine Truppen nicht vorwärts marschiren, sondern kriechen läßt, wäre schlechterdings nicht zu verstehen, wenn uns nicht die Correspondenz des Oberst=Lieutenant von Glüer Aufschluß verschaffte.

Der General Lantinghausen scheute sich, das coupirte Terrain jenseits Friedland zu betreten, um so mehr, als ihn seine Cavallerie gänzlich ohne Nachrichten über den Verbleib des Feindes ließ. "Der General läßt dringend bitten," schreibt Glüer am 28. August an den Herzog, "ihm von Zeit zu Zeit zuverlässige Nachrichten über die Preußen zu schicken, um convenables contremesures treffen zu können; über Demmin ist der Weg zur Armee frei." Also schon 10 Tage nach Eröffnung des Feldzuges, als dessen Ziel

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ihm seine Regierung die preußische Hauptstadt gesteckt hatte, war der schwedische Oberbefehlshaber mehr darauf bedacht, feindliche Angriffe abzuwehren, als selbst die Offensive zu ergreifen. Indessen waren es nicht die geringen Streitkräfte des Generals Stutterheim, deren Stärke er genau kannte, welche seine Offensive hemmten, es waren Motive anderer Natur. Das Wort "Gegenmaßregeln" weist darauf hin, daß er zögerte, den schwachen Gegner über den Haufen zu werfen und rücksichtslos vorzudringen, weil er bei jedem Schritte vorwärts die Blitzesschnelle fürchtete, mit welcher Friedrich der Große gewohnt war, Verstärkungen an einem besonders gefährdeten Punkte unvermuthet auftreten zu lassen. Umgangen, abgeschnitten und vernichtet zu werden, war das Schreckbild, welches den General nicht mehr verließ und welches seine Bewegungen lähmte.

Die herzogliche Regierung, welche sich der Unvorsichtigkeit ihres Verfahrens bewußt geworden und peinlich bemüht war, wenigstens den Schein der striktesten Neutralität aufrecht zu halten, ging auf die Bitte des Generals nicht ein; vielmehr wurde Glüer angewiesen, solche Schreiben, deren Wegnahme für die meklenburgische Sache von den widrigsten Folgen sein könne, nicht der Post anzuvertrauen, überhaupt aber derartige Anträge des schwedischen Generals sofort abzulehnen und sich derselben in seinen Berichten zu enthalten. Die preußischen Husaren machten in der That die Gegend im Rücken der schwedischen Armee so unsicher, daß der Oberst=Lieutenant seinen nächsten Bericht - 4. September - nicht mehr über Demmin - der Haupt=Etappe der Armee! - sondern über Anclam, Greifswald und Triebsees per Staffette schicken mußte.

Am 28. August marschirte die Schwedische Armee bis Boldekow, dicht am Kavelpaß; Graf Sparre rückte mit der Avantgarde gegen Neumühle vor. Bei Friedland stieß derselbe auf den Oberst Belling, welcher mit einigen Schwadronen eine Recognoscirung ausführte. Dies führte zu einem lebhaften Cavalleriegefecht bei Lübbersdorf, in welchem die Preußen der Uebermacht weichen mußten und von ihrer Infanterie bei Neumühle aufgenommen wurden. Bei diesem Gefecht nahmen die preußischen Husaren den schwedischen Junker von Blücher, den späteren preußischen General=Feldmarschall, gefangen.

Am 30. passirte die Armee den Kavelpaß und ging in zwei Colonnen auf der Straßburger und Pasewalker Straße vor, der General Ehrenswärd marschirte auf Ferdinandshof. Am 31. bezog die Armee ein Lager bei Straßburg,

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Der General Stutterheim zog sich, der Uebermacht gegenüber und weil seine rechte Flanke durch den General Ehrenswärd bedroht war, hinter die Uker zurück und besetzte Liepe, Pasewalk und Prenzlau, das Gros dahinter Rollwitz.

Durch den Uebergang auf das rechte Ukerufer gab der General Stutterheim dem Feinde zwar den Weg auf Berlin völlig frei, aber, da er auch den Auftrag hatte, Stettin gegen einen combinirten russisch=schwedischen Angriff zu decken, so erreichte er durch diese Bewegung beide Zwecke: er schützte Stettin direct, Berlin aber indirect durch die Einnahme einer Flankenstellung. Um eine etwaige Absicht des Feindes auf Berlin rechtzeitig zu erfahren, mußte Oberst Belling auf dem linken Ukerufer die Uebergänge des sumpfigen Abschnittes bei Taschenberg besetzen.

Am 3. September ließ der General Lantinghausen durch seinen General=Adjutanten von Wrangel mit 15 Eskadrons die preußischen Vorposten über die Uker zurückwerfen; General Ehrenswärd nahm an demselben Tage Pasewalk nach kurzem Kampf. Das schwedische Hauptquartier blieb bis zum 5. bei Werbelow.

Der General Stutterheim ging bis Bitkow zurück; Prenzlau blieb mit 3 Compagnieen Hordt unter Major von Below besetzt, dahinter als Repli das Detachement Belling. Es konnte nicht in der Absicht des Generals liegen, Prenzlau ernstlich zu vertheidigen, da die Ukerlinie durch die Einnahme Pasewalks und durch den Anmarsch des Generals Ehrenswärd in der rechten preußischen Flanke völlig unhaltbar geworden war; er beabsichtigte nur, den Feind möglichst lange aufzuhalten.

Der General Lantinghausen ließ, ehe er zum Angriff gegen Prenzlau schritt, die Stadt auffordern, mit der Drohung, dieselbe zu beschießen, wenn sie nicht unverzüglich übergeben würde, und daß den Major die Verantwortung treffen würde, wenn die Stadt in Flammen aufginge. Major von Below ließ antworten, wenn der General das thue, so handele er gegen den Kriegsgebrauch und er würde in dem Falle 4 gefangene, blessirte schwedische Offiziere in das erste brennende Haus tragen und dort verbrennen lassen. Obgleich man im schwedischen Hauptquartier höchlichst entrüstet über diese unverschämte Antwort war, wie Glüer berichtet, sah man doch von einer Beschießung ab und ließ die Infanterie zum Angriff vorgehen. Nach sehr hartnäckiger Gegenwehr wurden die Preußen aus der Stadt geworfen - 6. September -.

Mit der Einnahme der Stadt Prenzlau erreichte die schwedische Offensive ihr Ende. Der General Lantinghausen rückte zwar am

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9. noch bis Röpersdorf vor (was den General Stutterheim veranlaßte, noch an demselben Tage nach Zehdenick aufzubrechen, um sich dem Marsche des Feindes auf Berlin vorzulegen) ging aber sogleich wieder nach Prenzlau zurück und bezog zwischen dieser Stadt und Güstrow ein verschanztes Lager. Der General Ehrenswärd wurde nach Pasewalk zurückgesandt, um der Armee die Verbindung mit der Peene zu sichern, welche durch die Stettiner Garnison gefährdet erschien. In dieser Stellung beschloß der schwedische Obergeneral, den weiteren Verlauf der Ereignisse auf den großen Kriegstheatern abzuwarten.

Das Kriegsjahr 1760 begann nicht günstig für die preußischen Waffen. Am 29. Juni hatte der Feldzeugmeister Laudon an der Spitze von 40000 Mann das Corps des Generals Fouqué, welchem mit 15000 Mann die Vertheidigung Schlesiens übertragen war, bei Landshut vernichtet und am 26. Juli die Festung Glatz nach kurzem Kampfe erstürmt. 1 ) Im August gestalteten sich die Dinge günstiger. Der General Tauentzien behauptete Breslau und den vereinten Bemühungen des Prinzen Heinrich, welcher die Mark und Pommern gegen die Russen vertheidigen sollte und des Königs, der aus Sachsen herbeieilte, gelang es, die Vereinigung der Russen und Oestreicher zu hindern. Dann warf der glänzende Sieg des Königs über Laudon bei Liegnitz die Oestreicher gänzlich in die Defensive zurück - 15. August -.

Endlich im September machte die russische Armee Ernst. Der Feldmarschall Soltykoff, welcher nur durch die bestimmtesten und wiederholten Befehle der Kaiserin Elisabeth von gänzlicher Unthätigkeit abgehalten wurde, war erkrankt und sein Nachfolger im Commando, der General Fermor, ließ sich zur Belagerung Colbergs und im Vereine mit einem östreichischen Corps zu einer Unternehmung auf Berlin bewegen. Am 19. September rückte die russische Armee an die Oder vor und am 9. October hielt der General Tottleben seinen Einzug in Berlin. Es ist ein beredtes Zeugniß für die planlose Kriegführung der Alliirten, daß dieselben dem schwedischen Oberbefehlshaber von dem Zuge nach Berlin, welcher bereits am 25. September fest beschlossen war, nicht früher Nachricht gaben, als bis das russisch=östreichische Corps Berlin wieder verlassen hatte, d. i. am 12. October. In welche schlimme Lage hätte der General Lantinghausen gerathen müssen, wenn er


1) Der Commandant von Glatz, der Oberst D'O, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurtheilt.
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der östreichischen Aufforderung, eiligst auf die preußische Hauptstadt zu marschiren, Folge gegeben hätte!

Als der General Lantinghausen in die Stellung von Prenzlau zurückgegangen war, hatte der Oberst Belling seine Vorposten bis hart an das schwedische Lager vorgeschoben. Durch Verstärkungen an leichter Cavallerie - der König hatte dem Corps 450 Reconvalescenten und zwar 250 Plettenberg=Dragoner und 200 Ziethen=Husaren überwiesen - war der Oberst völlig Herr der Situation geworden. Die schwedische Cavallerie durfte sich überhaupt nicht mehr außerhalb des Lagers sehen lassen und zu den Fouragirungen mußten stets größere Detachements von gemischten Waffen verwendet werden. Der General Lantinghausen erfuhr daher von den Ereignissen vor Colberg nur gerüchtweise, tappte überhaupt völlig im Dunkeln, da seine rückwärtigen Verbindungen oft tagelang durch die preußischen Streifparteien unterbrochen waren. Im schwedischen Lager verbreiteten sich die widersprechendsten Nachrichten, bald sollte ein preußisches Corps vom rechten Oderufer her in Stettin eingerückt sein, bald der General Stutterheim einen großen Theil seiner Truppen zum Entsatze von Colberg detachirt haben.

Um sich hierüber Aufschluß zu verschaffen, ordnete der schwedische Oberbefehlshaber für den 22. September eine Rekognoscirung in der Richtung auf Greifenberg an, verbunden mit einer größeren Fouragirung in Fredersdorf und Umgegend. Die Rekognoscirung führte der Oberst Graf Putbus mit 300 Husaren und Jägern, die letztere sollte der Oberst Graf Sparre mit 3 Bataillonen Infanterie und 1 Cavallerie=Regiment decken. Glüer giebt uns eine ausführliche Schilderung des Verlaufes dieser Expedition, welche wir, da sie uns in klarer Weise den Unterschied zwischen der preußischen und schwedischen Kriegsführung veranschaulicht, hier kurz wiedergeben wollen.

Als Oberst Putbus das Dorf Polssen, 1/2 Meile westlich von Fredersdorf passirt hatte, erhielt er aus dem Dorfe Schmiedeberg Kanonenfeuer. Er machte Halt und ließ den Grafen Sparre ersuchen, ihm Infanterie nachzuschicken, um das Dorf angreifen zu können. Da letzterer ihm aber antworten ließ: "Ich bin da, um die Fouragirung zu decken, Sie, um zu rekognosciren, treffen Sie danach gefälligst für sich Ihre Dispositionen!" trat Graf Putbus seinen Rückzug an. Aber schon war es dazu zu spät.

Oberst Belling hatte durch seine Vedetten frühzeitig den Abmarsch der schwedischen Detachements aus dem Lager erfahren und danach seine Dispositionen getroffen. Er schickte 2 Eskadrons seines

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Regiments und die Eskadron Ziethen=Husaren nach Schmiedeberg mit dem Auftrage, sich in den Waldungen, welche sich bis um und hinter Polssen erstreckten, in's Versteck zu legen. Schmiedeberg ließ er durch 1 Eskadron Plettenberg=Dragoner mit 1 Geschütz besetzen.

Sobald Oberst Putbus seinen Rückzug antrat, attackirten ihn die Dragoner aus dem Dorfe heraus und zwangen ihn, Front zu machen. In demselben Augenblick eilten aber 2 der in den Wäldern versteckten Schwadronen im vollen Rosseslauf von beiden Seiten herbei, während die dritte aus Polssen debouchirte und ihm den Weg völlig verlegte. Die schwedischen Schwadronen wurden völlig zersprengt, der Oberst nebst 7 Offizieren gefangen und 180 Reiter vom Pferde gehauen. Erst bei Fredersdorf setzte Oberst Sparre der preußischen Verfolgung ein Ziel.

Von diesem Tage an bis zum 3. October erfuhr der General Lantinghausen absolut nichts vom Feinde; von den preußischen Befehlshabern aber wurde derweilen ein Plan gefaßt, welcher der schwedischen Armee den Untergang zu bereiten drohte.

Friedrich der Große hatte dem soeben von seiner Wunde genesenen Prinzen Eugen von Würtemberg 1 ) den Oberbefehl gegen die Schweden übertragen. Am 30. September traf der Prinz im Hauptquartier zu Zehdenick ein. Er brachte 1 Bataillon Reconvalescenten und sechs Zwölfpfünder mit sich. Außerdem war der General von Werner, welcher soeben die Russen von Colberg vertrieben hatte, vom Könige befehligt, gegen die Schweden zu marschiren. Derselbe passirte Stettin mit seinem Corps am 2. October und bezog Quartiere zwischen der Festung und Löckenitz.

Schon vor der Ankunft des Prinzen hatte der General von Stutterheim mit dem Gouverneur von Stettin, dem Herzog von Bevern, einen Angriffsplan verabredet und zur Ausführung desselben nur die Ankunft des Werner'schen Corps abgewartet. Der Prinz billigte den Plan und bestimmte den 3. October zum Beginn der Operationen.

Der Oberst Belling, verstärkt durch 1 Bataillon Infanterie, erhielt den Befehl, das schwedische Lager über Gollmitz in der Front anzugreifen, während das Gros unter General Stutterheim von Templin über Boizenburg gegen den rechten Flügel des Feindes dirigirt wurde, in der Weise, daß das Dorf Gollmitz den Vereinigungspunkt Beider bilden sollte. Der Major von Knobelsdorf, einer der kühnsten und geschicktesten Offiziere im Parteigängerkriege,


1) Derselbe ward bei Kunersdorf verwundet.
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wurde beauftragt, sich mit 3 Compagnieen Hordt und 200 Husaren, mit welchen er bei Boizenburg gestanden und seine Vorposten bis Gollmitz vorgeschoben hatte, durch die Waldungen von Schönermark zu schleichen, die Taschenberger Defileen im Rücken des Feindes zu besetzen und sämmtliche Brücken abzubrechen. Der General Werner endlich sollte durch die Wälder des Randow=Baches über die Uker gehen und sich dem Feinde an den Defileen von Ferdinandshof vorlegen.

Aus dieser hochgefährlichen Lage befreite den schwedischen Oberbefehlshaber nicht eigenes Verdienst, sondern die Gunst der Ereignisse.

Am 3. October hatten sich die preußischen Colonnen schon vor Tagesanbruch in Bewegung gesetzt und der Prinz war bereits zu Pferde gestiegen, als ein Kurier des Königs ihm den Befehl brachte, sofort aufzubrechen, um die Hauptstadt gegen die Russen und Oestreicher zu schützen. Der Prinz marschirte eiligst mit dem Gros des Stutterheimschen Corps in der Richtung auf Berlin ab und ließ nur den Oberst Belling mit 2 Bataillonen Hordt, seinem Husaren=Regiment und 90 Plettenberg=Dragonern gegen die Schweden zurück.

Den General Werner hatte der Befehl des Prinzen, daß der ganze Angriff aufgegeben werden sollte, nicht mehr erreicht. Derselbe hatte sich ebenfalls mit Tagesanbruch auf der Straße Stettin=Torgelow in Bewegung gesetzt. Mit Einschluß der Truppen, welche ihm der Herzog von Bevern für die Expedition zugetheilt hatte, war sein Corps - 6 Bataillone Infanterie, 2 Frei=Compagnieen, 9 Eskadron Husaren und 1 Eskadron Dragoner - ungefähr 3000 Bayonette und 1200 Säbel stark.

Am 2. October Abends hatte der General Ehrenswärd in Erfahrung gebracht, daß an demselben Tage ein preußisches Corps, von Colberg kommend, durch Stettin gerückt und bei Löckenitz Quartier genommen habe. Um nähere Erkundigungen einzuziehen, schickte der General am 3. mit Tagesanbruch den Major von Platen mit 200 Mann Infanterie und 100 Husaren auf Löckenitz zur Rekognoscirung vor. Der Major besetzte mit seiner Infanterie Löckenitz, von wo die von der Stettiner Garnison gegebenen Vorposten soeben abmarschirt waren, um an der Expedition des General Werner theilzunehmen und trabte mit den Husaren auf der Straße von Stettin vor. Bald stießen seine Seitenpatrouillen mit den preußischen Vortruppen zusammen, welche auf Torgelow marschirten. Der General Werner, welcher seinen Marsch entdeckt sah und über=

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dies in dem sehr coupirten, waldigen Terrain einen Feind in seiner linken Flanke nicht unbeachtet lassen konnte, griff die schwedischen Husaren an und warf dieselben mit großem Verlust auf Löckenitz zurück. Hier wurden die preußischen Husaren durch das Feuer der schwedischen Infanterie abgewiesen, letztere aber, als sie sich auf der Pasewalker Straße zurückzog, durch die Husaren festgehalten und von der herbeigeeilten preußischen Infanterie nach tapferster Gegenwehr, nachdem sie die letzte Patrone verschossen, gefangen genommen.

Der General Werner war ein sehr entschlossener Mann. Seine Anwesenheit in der Flanke des Gegners war entdeckt; von einem Verlegen des Rückzugs bei Ferdinandshof konnte nicht mehr die Rede sein, da die Schweden Ferdinandshof auf der geraden Straße nach Anclam viel früher erreichen konnten, als er auf den Waldwegen der Randow. Er gab daher ohne Zaudern den bisherigen Plan auf und griff den General Ehrenswärd bei Pasewalk an.

Um den Besitz der Stadt, welche von den Schweden verschanzt und auf das Hartnäckigste vertheidigt wurde, entspann sich ein 7stündiger, äußerst blutiger Kampf, welcher bei Einbruch der Dunkelheit und nachdem dem General Werner die Nachricht von dem Abmarsche des Prinzen von Würtemberg zugegangen war, mit dem Rückzug der Preußen endete. Es war das verlustreichste Gefecht während des ganzen schwedischen Krieges. Die Preußen verloren 10 Offiziere und 240 Mann, führten aber 6 eroberte Geschütze, incl. der beiden bei Löckenitz erbeuteten, mit sich; die Schweden büßten incl. der Gefangenen 24 Offiziere und 500 Mann ein; der General Ehrenswärd war verwundet.

Am 3. October Morgens, als sich die preußischen Colonnen von allen Seiten bereits in Bewegung gesetzt hatten, wußte der General Lantinghausen von Alledem nicht das Geringste. Unbegreiflicherweise hatte er aus Pasewalk keinerlei Meldung erhalten, weder von dem Eintreffen des preußischen Corps bei Stettin, noch von der beabsichtigen Recognoscirung seines Unterbefehlshabers gegen Löckenitz. Ein Zufall enthüllte ihm aber bald die Anwesenheit des Prinzen von Würtemberg und den geplanten Angriff.

Der General Lantinghausen hatte am 2., Abends, den Oberst=Lieutenant Siegroth mit 2 Bataillonen und 1 Cavallerie=Regiment abgeschickt, um den ihn besonders lästigen Major von Knobelsdorf bei Gollmitz aufzuheben. Um diese Expedition vor den überall streifenden preußischen Husaren=Patrouillen geheim zu halten, mußte

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das Detachement aus dem Anclamer Thor die Stadt verlassen und auf weitem Umwege durch meklenburgisches Gebiet in den Rücken des Feindes auf Boizenburg marschiren. Zur Unterstützung dieses Angriffs rückten 2 andere kleine Colonnen, die eine direct gegen Gollmitz, die andere gegen Kröchelndorf aus dem Lager vor.

Der Major Knobelsdorf, im Begriff seinen Marsch nach den Taschenberger Defileen anzutreten, entdeckte den Anmarsch dieser beiden feindlichen Colonnen frühzeitig und zog sich auf den Oberst Belling zurück, welcher bereits im Anmarsch auf Gollmitz begriffen war; dem Prinzen aber, von dessen Abberufung er noch nichts erfahren hatte, meldete der Major direct schriftlich, daß er in Folge der Angriffsbewegung des Feindes seinen Marsch auf Taschenberg aufgegeben habe. Diese Meldung, welche er nicht auf der Straße Prenzlau=Templin, sondern über Boizenburg absendete, von wo her er den Prinzen mit dem Gros in Anmarsch glauben mußte, fiel in die Hände des Oberst=Lieutenants Siegroth und hierdurch erfuhr der schwedische Oberbefehlshaber die Gefahr seiner Lage. Er rief sofort die ausgesandten Truppen ins Lager zurück, und als bald darauf auch die Nachricht von dem ernstlichen Angriff auf Pasewalk einging, schickte er eiligst 4 Bataillone über Pasewalk nach Anclam voraus und zog sich in der Nacht nach Werbelow zurück, woselbst er ein Lager bezog.

Der Oberst Belling hatte die Nachricht von der Abberufung des Prinzen erhalten, als er im Anmarsch auf Gollmitz den von dort zurückgehenden Major von Knobelsdorf aufgenommen hatte. Um den Abmarsch des Prinzen dem Feinde zu verbergen, blieb er langsam im Vorrücken und ließ die beiden schwedischen Colonnen, welche bis Kröchelndorf gelangt waren, durch den Major von Knobelsdorf angreifen. Als aber der Oberst=Lieutenant Siegroth von Boizenburg her in seiner linken Flanke erschien, brach er das Gefecht ab und zog sich auf Templin zurück. Dort erfuhr er durch seine Patrouillen, daß schwedische Truppen nach Pasewalk abzögen und daß die Armee Anstalten treffe, das Lager abzubrechen. Sofort marschirte er, um den Rückzug des Feindes zu beschleunigen, mit seinem ganzen Detachement links ab und traf am folgenden Tage in Woldegk ein. Von hier entsandte er den Major von Knobelsdorf auf Rothenmühle, direct in den Rücken des Feindes, während seine Husaren bis an die Peene streiften und Kuriere und Transporte abfingen.

Der Plan des Obersten, den Feind durch Bedrohung seiner rückwärtigen Verbindungen zum Verlassen des preußischen Gebiets

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zu zwingen, mißlang. Der General Lantinghausen blieb unbeweglich bei Werbelow im Lager und entsandte den General Arnfeldt mit 4 Bataillonen und mehreren Schwadronen nach Straßburg, um den Major Knobelsdorf abzuschneiden. Es gelang indessen der großen Wachsamkeit und Geschicklichkeit des Letzteren den Feind zu täuschen und glücklich nach Woldegk zurückzugelangen. Strasburg blieb von den Schweden besetzt.

Der Oberst Belling zog sich hierauf nach Prenzlau zurück, woselbst am 9. October auch der General Werner, nachdem er die Stettiner Compagnien dem Herzog von Bevern zurückgeschickt hatte mit seinen Truppen eintraf - gerade zu der Zeit, als Berlin den Russen und Oestreichern seine Thore geöffnet hatte.

Die Detachements Werner und Belling 1 ) bestanden zusammen aus nicht mehr als 2000 Bajonetten, 1600 Säbeln und den Bataillonsgeschützen. Beide Führer pflogen in Prenzlau Rath, was zu thun sei.

Mit ihren geringen Streitkräften dem vierfach stärkeren Gegner im offenen Kampfe entgegenzutreten, lag außer aller Frage. Wenn der General von Lantinghausen mit seiner ganzen Armee vorwärts ging, konnten die preußischen Befehlshaber ihm den Marsch auf Berlin nicht verwehren. Es war indessen fraglich, ob der schwedische Oberbefehlshaber von der Gefahr, welche Berlin bedrohte, bereits unterrichtet war. Seine völlig unterthätige Haltung mußte sie in der Annahme bestärken, daß dies nicht der Fall war und hierauf bauten sie ihren Plan. Sie beschlossen, die Berliner Straße völlig freizugeben und durch Expeditionen, welche sie an den verschiedensten Stellen und mit möglichstem Eclat im Rücken des Feindes ausführten, Letzteren zum Rückzuge und zur gänzlichen Räumung des preußischen Gebiets zu veranlassen. Schlimmsten Falles waren sie immer noch in der Lage, bei der wohlbekannten Schwerfälligkeit und Langsamkeit des schwedischen Hauptquartiers, den Feind bei seinem Marsche auf Berlin einholen und zum Stehen bringen zu können. Es ist die Frage, ob die beiden kühnen Husaren diesen immerhin verwegenen Entschluß gefaßt haben würden, wenn sie gewußt hätten, daß am Tage ihres Abmarsches von Prenzlau - am 12. October - ein östreichischer Rittmeister, vom General Lascy aus Berlin abgeschickt, sich über Straßburg und Friedland


1) General Werner commandirte das Grenadier=Bataillon Schwerin, die Frei=Bataillone Wunsch und Corbière, 7 Eskadrons braune Husaren und 1 Eskadron Bayreuth=Dragoner, Oberst Belling 2 Frei=Bataillone Hordt, 5 Eskadrons Husaren und 1 Eskadron Plettenberg=Dragoner.
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in das schwedische Hauptquartier durchgeschlichen und dem dort befindlichen östreichischen Militair=Bevollmächtigten, dem General von Medniansky, die Nachricht von der Capitulation der preußischen Hauptstadt - 8. October - gebracht hatte, mit der dringlichen Aufforderung an den General Lantinghausen nun auch seinerseits unverzüglich auf Berlin zu marschiren. Es war schlechterdings nicht anzunehmen, daß der schwedische Oberbefehlshaber dieser lockenden Versuchung, mit so leichter Mühe seine Fahnen in der feindlichen Hauptstadt entfalten zu können, widerstehen würde. Aber die Schrecknisse des 3. October, welche ihn veranlaßten, das Lager von Prenzlau eiligst zu räumen, hatten ihm den letzten Rest von Thatkraft gelähmt und seinen Blick völlig nach rückwärts gewendet. Unentschlossen blieb er bei Werbelow stehen; und als Deserteurs aussagten, daß Oberst Belling in der Gegend von Straßburg und beim Kavelpaß stehe, und er bald darauf durch gefangene preußische Husaren erfuhr, daß General Werner in das Meklenburgische gegangen war, gab er jeden Gedanken an Offensive endgültig auf, und trat am 17. October den Rückzug hinter die Peene an.

Die beiden preußischen Corps=Führer hatten sich bei ihrem Abmarsche von Prenzlau getrennt. Oberst Belling wandte sich gegen die rechte Flanke des Feindes und postirte sich dem schwedischen Detachement in Straßburg gegenüber. Von hier entsendete er den Major Knobelsdorf auf die Pasewalk=Friedlander Straße, um die Verbindung des Feindes über den Kavelpaß zu bedrohen. General Werner aber eilte in rapiden Märschen in den Rücken des Feindes. Schon am 13. stand er in Treptow und erließ von dort an demselben Tage ein Manifest an den Engeren Ausschuß - die herzogliche Regierung in Schwerin ignorirte auch er völlig -, in welchem er den Ständen und Unterthanen "des Distrikts von Meklenburg=Schwerin ankündigte, daß sie nunmehr gänzlich unter königlich=preußischer Botmäßigkeit ständen, also sonsten nirgends Parition zu leisten hätten." Zugleich verlangte er, daß Deputirte an das Feld=Kriegs=Commissariat gesendet werden sollten, zur Beschaffung von 800000 Thaler Contribution, von 2000 Remonten und einer ungeheuren Menge von Lebensmitteln und Fourage. Alles bei Ankündigung ungesäumter Beitreibung durch Feuer und Schwert. Bald darauf rückte der General in Meklenburg ein und nahm sein Hauptquartier in Neukalen. Durch ausgesandte Cavallerie=Commandos wurde das Manifest in allen umliegenden Ortschaften durch Maueranschlag bekannt gemacht. Diese Commandos erpreßten überall unter den heftigsten Drohungen und Thätlichkeiten alles Geld, was von dem ohnehin schon aufs Aeußerste in

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Anspruch genommenen Einwohnern mit Hervorsuchung des letzten Hellers aufzubringen war. Die herzoglichen Steuer= und Postkassen wurden geleert und die Beamte angewiesen, alle eingehenden Gelder an das Kriegs=Commissariat einzuzahlen. Ganze Dörfer wurden völlig ausgeplündert, die Unterthanen bis auf den Tod geprügelt und die unerhörtesten Excesse begangen. 1 )

Am 20. October rückte ein Commando Husaren und Dragoner in Rostock ein. Der commandirende Major forderte, abgesehen von den vorhin erwähnten 800000 Thaler, allein von der Stadt 200000 Thaler, von welcher Summe ihm als Abschlagszahlung 15000 Thaler sofort ausgezahlt wurden. Um eine Sicherheit wegen der an das Land gestellten Forderungen zu haben, ließ General Werner ein Mitglied des Engeren Ausschusses, den Oberst=Lieutenant a. D. von Drieberg auf Granzow, als Geisel in sein Hauptquartier bringen.

Nachdem dieseAngelegenheiten geregelt waren, allarmirte der General sämmtliche schwedische Posten an den Trebelpässen und stand vor den Thoren Triebsees, als er die Nachricht erhielt, daß seine mit viel Lärm und Ostentation betriebenen Streifzüge die beabsichtigte Wirkung gehabt hätten. Die schwedische Armee befand sich, wie wir wissen, seit dem 17. October im vollen Rückzuge. Nun machte der General Kehrt und führte seine Truppen ins Meklenburgische zurück, um denselben bei den Fleischtöpfen des Landes die verdiente Erholung von den übergroßen Strapazen zu gewähren; hier blieb er bis Ende October. Als der General Lantinghausen zu dieser Zeit das preußische Gebiet gänzlich geräumt hatte, erhielt Werner Befehl nach dem rechten Oderufer abzumarschiren, um dort gegen die Russen verwendet zu werden. Dem Oberst Belling mit seinem schwachen Detachement von 2 Bataillonen Hordt, 5 Eskadrons Husaren und 1 Eskadron Dragoner fiel somit die Aufgabe zu, während des Winters die schwedische Armee in Schach zu halten. Er postirte je 1 Bataillon Infanterie in Anclam und Demmin, während er mit seiner Cavallerie die sehr ausgedehnten Flußlinien bewachte.

Der Schweriner Hof war durch das Erscheinen des Generals Werner in die äußerste Bestürzung versetzt. Soeben war man durch die Nachricht, daß 40000 Russen und Oestreicher siegreich in die preußische Hauptstadt eingerückt waren, in einen Taumel von Freude versetzt und unmittelbar darauf erließ der preußische General in Treptow jenes Manifest, welches mit unzweideutigen


1) Nach amtlicher Darstellung der herzoglichen Regierung.
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Worten den Herzog seiner Krone zu berauben drohte. Und dazu die Excesse und Gewalthätigkeiten, mit welchen die Truppen ihre Forderungen eintrieben! "Bisher," schrieb die meklenburgische Regierung, "betrugen sich die Preußen disciplinirt, die Wernerschen Regimenter aber betragen sich wie ein Haufen ausschweifender Marodeurs, die unter keinem Commando stehen!"

Der Herzog war bei dem Einmarsche Werners in seiner Residenz geblieben und hatte einen Kammersecretair an den General abgeschickt, um denselben zu bewegen, von der feindseligen Behandlung des Landes eines völlig neutralen Reichsfürsten abzustehen, mit dem Hinzufügen, "sonst sehe sich Serenissimus in die unangenehme Lage versetzt, von dem einem jeden Privatmann zustehenden Recht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, Gebrauch zu machen." Der herzogliche Beamte war im preußischen Hauptquartier verlacht worden, und der General hatte es nicht für nöthig gehalten, eine Antwort zu ertheilen. Als der Letztere bald darauf von Triebsees nach Meklenburg zurückkehrte, hielt sich der Herzog im Lande nicht mehr für sicher und ging nach Lübeck, wo er bis zum Abmarsch des Wernerschen Corps verblieb.

Zu gleicher Zeit hatte der Herzog den Oberst Glüer beauftragt, die Ansicht des Generals Lantinghausen darüber einzuholen, ob es sich wohl empfehle, starke Patrouillen gegen die marodirenden feindlichen Commandos auszusenden, um Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, hatte, aber, gleichsam erschrocken über die Kühnheit eines solchen Gedankens, hingefügt, an einem Angriff auf preußische Truppen dürften dieselben aber unter keinen Umständen theilnehmen.

Der General Lantinghausen, in der übelsten Stimmung ob des verlorenen Feldzuges, war wenig geneigt, mit dem meklenburgischen Militair=Bevollmächtigten, so hoch angesehen derselbe auch persönlich bei ihm war, die allerdings nicht leichte Frage, wie man es anzufangen habe, zu kämpfen, ohne seine Waffen zu gebrauchen, akademisch zu erörtern. Auf seine dringenden Verstellungen erhielt Glüer stets dieselbe Antwort, zuletzt in Gegenwart des ganzen Hauptquartiers: "Die Absendung der meklenburgischen Patrouillen hat keinen Sinn! Wenn ich die Lande Ihres Herzogs schützen soll, so muß derselbe seine Truppen zu meiner Armee stoßen lassen; die Krone Schweden will kein neutrales Land schützen, wenn dessen eigener Landesherr nicht um seinen Thron kämpfen will. Lassen Sie Ihre Truppen bis Rostock vorrücken und ich sende Ihnen sofort 3 Infanterie=Regimenter mit der nöthigen Cavallerie und Artillerie zu Hülfe." Diesen Worten des

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Oberbefehlshabers stimmten die anwesenden fremdherrlichen Militair=Bevollmächtigten zur großen Freude Glüers in lauter und demonstrativer Weise bei.

Der Herzog beeilte sich den gerechten Unwillen des Generals Lantinghausen zu besänftigen; er trüge kein Bedenken seine Truppen an der Vertheidigung des Landes theilnehmen zu lassen; deshalb habe er auch dem General von Zülow befohlen, in Dammgarten - dorthin hatte sich Letzterer beim Einmarsche des Generals Werner zurückgezogen - stehen zu bleiben; 2 Eskadrons ständen à portée diesseits der Trebel; ob der General aber nicht Malchin besetzen wolle, dann schütze er gleichzeitig Meklenburg und die Lande seines Königs; in diesem Falle wolle der Herzog sofort Rostock besetzen.

Der General Lantinghausen antwortete auf die Vorschläge der meklenburgischen Regierung mit keiner Sylbe, dagegen machte er seiner Verstimmung durch die bittersten Klagen Luft; warum seine Truppen ihr Blut vergießen sollten für einen Fürsten, der seine Soldaten hinter der schwedischen Front in Sicherheit brächte und der nicht einmal ein Bundesgenosse seines Königs sei? Dessen Unterthanen ihr Korn lieber umsonst den Feinden seines Herrn zuführten, anstatt es den Freunden desselben für baares Geld zu überlassen, während der Widerspenstige Magistrat zu Rostock durch schwedische Offiziere mit Gewalt habe gezwungen werden müssen, in der Stadt ein Patent affichiren zu lassen, durch welches die meklenburgische Bevölkerung zur Erfüllung ihrer Pflicht gegen ihren Landesherrn ermuntert werden sollte.

Der Herzog beeilte sich, dem Wunsche des schwedischen Oberbefehlshabers in Bezug auf die Korn=Lieferungen zu entsprechen, denn es eröffnete sich Anfang November eine neue Conjunktur, welche der preußischen Herrschaft in Pommern ein Ende zu machen drohte, wozu aber die Mitwirkung der Schweden dringend erforderlich war - es war die Hülfe der Russen.

In den ersten Kriegsjahren hatten die Operationen der russischen Armeen regelmäßig damit ihren Abschluß gefunden, daß dieselben sich im Herbst hinter die russischen Grenzflüsse zurückgezogen und erst im Sommer des nächsten Jahres wieder auf dem Kriegsschauplatz erschienen waren. Aber nicht so in diesem Jahre.

Die Czarin Elisabeth war es müde geworden, ihre Feldherrn unter den verschiedensten Vorwänden ihren Befehlen entgegenhandeln zu sehen. Dem Feldmarschall Soltykow war bei Beginn des Feldzugs des Jahres 1760 befohlen, mit den Armeen in Pommern zu über=

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wintern und diese Befehle hatte die Kaiserin, deren leidenschaftlicher Haß gegen den König von Preußen mit den Jahren zunahm, dem Feldmarschall Buturlin, welcher im November den Oberbefehl an Stelle Soltikows übernommen hatte, auf das Bestimmteste wiederholt.

Die Generäle Czernitscheff und Tottleben hatten bei der Annäherung des Königs am 12. October Berlin eilfertig verlassen und waren nach Frankfurt a. O. marschirt, um sich dort mit der Hauptarmee zu vereinigen. Letztere ging jedoch, da die Gegenden zwischen der Oder, Warthe und Weichsel völlig verwüstet waren, im November über den letztgenannten Fluß in die Winterquartiere. Der Oberbefehlshaber ließ indessen, um den Befehlen der Kaiserin nicht ungehorsam zu sein, die Corps der Generäle Czernitscheff und Tottleben in der Gegend von Cöslin zurück. Von hier aus streiften die Kosaken weit in die Ukermark hinein, bis Templin und einige Meilen von Neubrandenburg, so daß Oberst Belling, als er der abziehenden schwedischen Armee folgte, sich bewogen fand, den Lieutenant Memerti mit 20 Husaren als Beobachtungsposten in Prenzlau stehen zu lassen. Dies Commando war Anfang November von den Kosaken aufgehoben worden.

Auf diese Thatsachen baute der Herzog Friedrich seine Hoffnung, den General Werner, welcher am 29. October aus Meklenburg abmarschirt war, zwischen zwei Feuer bringen und vernichten zu können. Er bat den General Lantinghausen dringend, sich doch diese günstige Gelegenheit nicht entgehen zu lassen und mit der Armee vorzurücken.

Im schwedischen Hauptquartier war man aber nichts weniger als kriegerisch gesonnen. Der Commandirende erwiderte, weder der russische Oberbefehlshaber, noch der schwedische Militär=Bevollmächtigte im dortigen Hauptquartier habe ihm eine Mittheilung von den russischen Operationen gemacht. Daraus müsse er schließen, daß die Russen sich nicht in Vorpommern festsetzen, sondern nur brandschatzen wollten, sonst würden sie wohl versuchen, Stettin und Küstrin wegzunehmen. Er wolle sich hüten, über die Peene vorzugehen und seine Armee auf das Spiel zu setzen; ihm sei es nur zu deutlich in der Erinnerung, daß die Russen und Oestreicher an eben dem Tage - 12. October - wieder abmarschirt seien, als er in Berlin hätte eintreffen können. Zum Glück hätte der östreichische General es ihm damals noch vertraulich geschrieben, daß die Russen in Berlin nicht Stand halten würden. Gleichzeitig wiederholte der General nochmals sehr dringend die Bitte, der Herzog möge seine Truppen sich in Rostock festsetzen lassen; er

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wolle in diesem Falle 2 Bataillone Infanterie und 3 Eskadrons zu ihnen stoßen lassen.

Zu dieser Bitte bewog den schwedischen Oberbefehlshaber aber nicht die Rücksicht auf den Schutz des herzoglichen Gebiets, sondern der Wunsch, eine starke Postirung in Meklenburg zu haben, welche geeignet war, die Etappenstraße über Rostock und Wismar nach Holstein, wo die schwedische Regierung sämmtliche Remonten für die Armee ankaufte, zu decken. Der Herzog glaubte aber jetzt auf diese Bitte um so weniger eingehen zu können, als er in Betreff der Verpflegung der an den Grenzen stehenden preußischen Truppen mit dem Befehlshaber derselben in Verhandlung getreten war.

Nach dem Abmarsche der Wernerschen Truppen - Ende October 1760 - war der Herzog in seine Residenz zurürckgekehrt. Kaum aber war dies geschehen, so ließ der Oberst Belling durch Vermittlung des Hof= und Justizraths von Altrock 1 ) der Schweriner Regierung mittheilen, daß ihm von Seiner Majestät dem Könige die meklenburgischen Lande als Winterquartiere angewiesen seien und er berechtigt sei, freie Verpflegung für seine Truppen und Douceurgelder zu fordern; mit einem Pauschquantum von 100000 Thlr., zahlbar binnen 14 Tagen, außer der Naturalverpflegung seiner Truppen, wolle er zufrieden sein, hatte er hinzugefügt.

Die Schweriner Regierung war nicht abgeneigt, auf ein solches Abkommen einzugehen, indessen schien ihr die Summe gar zu hoch gegriffen. Sie sandte daher den Hofrath Altrock und den Major a. D. von Lowtzow, welcher mit dem Oberst Belling von der Zeit her, als Letzterer beim Ziethen=Husaren=Regiment in Parchim in Garnison gestanden hatte, eng befreundet war, nach Demmin, um mit dem Oberst in Verhandlung zu treten. Das Aeußerste aber, was die Abgesandten erreichen konnten, war, daß Letzterer mit der täglichen Lieferung von 2500 Portionen und Rationen und 417 Thlr. an baarem Gelde, vom 24. November bis zu dem Termin, an welchem die preußischen Truppen das Land verlassen würden, zufrieden sein zu wollen erklärte.

Man war genöthigt, diese Forderung zuzugestehen und zwar um so mehr, als schon aufs Neue aller Orten die größesten Excesse und Plünderungen, Geld=Erpressungen und Mißhandlung der Unterthanen begangen wurden und Oberst Belling ausdrücklich erklärt hatte, diese Unregelmäßigkeiten nicht abstellen zu können, wenn nicht


1) Eine officielle Correspondenz zwischen der meklenburgischen Regierung und den preußischen Befehlshabern fand während des ganzen Krieges nicht statt.
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durch die genannten Lieferungen und Zahlungen seinen Truppen der nöthige Unterhalt verschafft würde.

Unter diesen Umständen glaubte der Herzog von einer Verlegung schwedischer Regimenter nach Rostock absehen zu müssen, da der Oberst Belling, dessen bewiesene große Mäßigung und chevalereskes Benehmen vom Schweriner Hofe sehr gerühmt wird, dies mit Recht als einen Bruch des geschlossenen Uebereinkommens angesehen haben würde.

Wie unangenehm und peinlich wurde daher der Herzog durch die Nachricht berührt, daß ein Gefecht zwischen den Schweden und Preußen stattgefunden und daß sich meklenburgische Truppen an demselben betheiligt hatten. Die Sache verhielt sich folgendermaßen:

Als das Werner'sche Corps in Meklenburg einmarschirte, war der General von Zülow mit den meklenburgischen Truppen, welche in und um Rostock gestanden hatten, über die schwedische Grenze gerückt und hatte vorläufig bei Redebas Cantonnements bezogen 1 ) die Husaren=Eskadron aber und die Compagnie Cavallerie hatte er zu Sülze und Marlow postirt, mit dem Auftrage, durch Absendung von Patrouillen dem Marodiren und den Excessen der preußischen Streifcommandos zu wehren. Dieser Befehl hatte die Kampflust der meklenburgischen Offiziere, welche vor Begierde brannten, sich nach dem demüthigenden Versteckspielen auf Rügen endlich im offenen Kampfe mit dem Gegner messen zu können, mächtig geweckt. Der schwedische Oberbefehlshaber scheint diese Stimmung geschickt für seine Zwecke benutzt zu haben, denn als am 13. November der (schwedische) Major von Schwartzer mit einem Detachement von 200 Infanteristen und 300 Reitern von Triebsees aus entsandt wurde, um dem Major von Schulenburg, welcher vom Oberst Belling mit 150 Husaren zum Abfangen eines schwedischen Remontetransports in die Gegend von Wismar abgeschickt war, entgegenzutreten, hatte sich der Major von Baader bereden lassen, mit 100 Mann, welche er aus seiner Husaren=Schwadron und der Compagnie des Rittmeisters von Oldenburg ausgesucht hatte, unter Annahme der schwedischen Feldzeichen an der Expedition theilzunehmen.

Die Unternehmung nahm ein übles Ende. Oberst Belling, dessen Husaren nicht die geringste Bewegung unter den feindlichen


1) Den Befehlen des Herzogs gemäß mußte der General bei Annäherung des Feindes einen Kriegsrath, bestehend aus sämmtlichen Stabsoffizieren, zusammenrufen und demselben die Frage vorlegen, ob die Umstände den Abmarsch über die schwedische Grenze geböten? Was die Mehrheit der Stimmen beschlossen habe, solle er als eine vom Herzog ertheilte Instruktion ansehen.
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Truppen entging, eilte von Demmin aus mit 300 Husaren, 60 Dragonern und 1 Compagnie Hordt den Schweden nach und nahm bei Tessin die feindliche Infanterie, welche der Major Schwartzer als Rückhalt daselbst hatte stehen lassen, gefangen. Letzterem gelang es indessen, glücklich zu entkommen, indem er den Oberst täuschte und den Major Schulenburg, welcher ihm bei Kamin (bei Lage) den Rückweg verlegen wollte, über den Haufen warf.

Am schlimmsten war der meklenburgische Major daran. Nach seiner Angabe wurde er beim eiligen Rückzug der Schweden einfach in Schwaan, wohin er befehligt war, vergessen. Der Rückweg an die schwedische Grenze war ihm verlegt, ihm blieb nichts Anderes übrig, als nach Schwerin zu marschiren. Anfangs wurde er sehr ungnädig vom Herzog empfangen und mit Kriegsrecht bedroht; als er aber einen Brief des Oberst von Glüer aus dem schwedischen Hauptquartier vorzeigte, aus welchem hervorging, daß der General Lantinghausen ihn zu dem unvorsichtigen Schritt verleitet und daß der Major im guten Glauben gewesen sei, im Sinne seines Kriegsherrn zu handeln, verzieh ihm der Herzog. Aber er war wegen der üblen Folgen besorgt. Der Rittmeister von Oldenburg meldete von Sülze, daß die preußischen Husaren seine Leute mit Karabinerschüssen begrüßt hätten und Oberst Belling hatte zu einem befreundeten Gutsbesitzer geäußert: "Nun des Herzogs Truppen gegen den König meinen Herrn dienen und auch schon auf meine Leute gefeuert haben, will ich künftig ganz anders mit Meklenburg verfahren!" Der General Lantinghausen, verdrießlich wegen der verunglückten Expedition äußerte sich Glüer gegenüber sehr ungehalten, daß der Herzog sich so hartnäckig weigere, seine Truppen mitkämpfen zu lassen.

Es war dies die letzte Unterredung, welche der Oberst mit dem schwedischen Oberbefehlshaber hatte; zur Ersparung der Kosten 1 ) mußte er sich während des Winters bei demselben beurlauben und kehrte nach Schwerin zurück. Bald darauf, mit einem Auftrage des Herzogs an den Commandanten von Dömitz geschickt, wurde er unterwegs von dem Major von Zülow vom Belling'schen Husaren=Regiment 2 ) aufgegriffen und nach Stettin gebracht. Hier wurde er bis zum Friedensschlusse inhaftirt gehalten. Eine Ranzionirung gegen Erlegung von 600 Thlrn., welche ihm der Oberst


1) Um standesgemäß im schwedischen Hauptquartier auftreten zu können, mußte der Oberst 6 Diener und 12 Pferde halten.
2) Sohn des Oberst von Zülow, des Commandeurs vom Regiment Jung=Zülow.
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Belling im folgenden Jahre - 1761 - hatte antragen lassen, genehmigte der Herzog des nahe erwarteten Friedensschlusse wegen nicht.

Nach der eben erzählten Affaire trat völlige Waffenruhe zwischen den schwedischen und preußischen Truppen ein. Belling verlegte sein Hauptquartier in das Meklenburgische nach Prebberede; die Infanterie hielt Anclam und Demmin besetzt, die Husaren lagen in und um Lage, kleinere Commandos in Tessin, Sülze und Ribnitz.

Das Jahr 1760 war für Meklenburg, verglichen mit den beiden ersten Kriegsjahren, sehr günstig verlaufen. Die gesammten Schäden und Kosten betrugen nicht mehr als 135240 Thlr.; nur ein Rekrut wurde gewaltsam weggenommen. Aber mit dem Beginn des kommenden Jahres begann für das schwergeprüfte Land eine Zeit der Noth, gegen welche alle Bedrückung der früheren Jahre nur ein Kinderspiel zu nennen war.

(Fortsetzung folgt in Band LIV.)

 

Vignette
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V.

Der Münzfund von Damm, D. - A. Dargun

1881.

Beschrieben

von

Rechnungsrath Wunderlich.

~~~~~~~~~~~~~~~

E nde April 1881 wurden auf der Hofstelle des Büdners Schmied Possehl Nr. 6 in Damm, D.=A. Dargun, auf dem Holzhofe in einem kleinen, später zertrümmerten Topfe, etwa 2 bis 3 Fuß tief in der Erde, 285 Stück Silbermünzen und eine kleine Kupfermünze gefunden, welche für 105 Mark vom hohen Großherzoglichen Ministerium des Innern käuflich erworben und demnächst an das Großherzogliche Museum abgegeben sind. Die zum größten Theile sehr stark mit Grünspan überzogenen Münzen sind nach ihrer Reinigung nachstehend bestimmt:

I. Niederlande.

1) Thaler von Seeland. 1624. 28,7 g schwer. 1 Exemplar.

Av.:Im Perlenkreise ein geharnischter, mit einem Lorbeerkranze geschmückter Ritter, in der Rechten ein Schwert, in der Linken an einem Bande (Schleife) einen in die Umschrift hineinragenden Schild mit dem Wappen von Seeland. Umschrift: MO . ARG . PRO . CONFOE . BEL . ZEL . Ein Thurm.
Rv.:Im Perlenkreise unter einer Krone ein Schild, auf welchem ein aufgerichteter gekrönter Löwe, in der rechten Pranke ein Schwert, in der linken ein Bündel von sieben Pfeilen haltend. Neben dem Schilde 16 — 24.

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Umschrift: Blumenvignette CONCORDIA . RES . PARVÆ . CRESCVNT Blumenvignette . Ein Thurm.

2) Thaler von Seeland. 1625. 28,7 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur geht der Schild mit dem Wappen von Seeland durch die ganze Umschrift.
Rv.: Wie voriger, nur neben dem Schilde 16 — 25.

3) Halber Thaler von Friesland. 1611. 14,3 g schwer. 1 Expl.

Av.:Wie voriger, nur auf dem Schilde das Wappen von Friesland und in der Umschrift FRI. statt ZEL. und statt des Thurms ein springender Löwe.
Rv.: Wie voriger, nur CRESCVNT Inschriftskreuz und neben dem Schilde 16 — 11.

4) Halber Thaler von Utrecht. 1568. 14,45 g schwer. 1 Expl.

Av.: Das mit dem Orden des goldenen Vließes umgebene Wappen unter einer geschlossenen Krone. Umschrift: DOMINVS . MI — HI. ADIVTOR.
Rv.: Die beiden gekreuzten Scepter, neben denen 15 — 68.
Umschrift: PHS . D . G . HISP . Z . REX . DNS . TRAIEC. Ein kleiner nach der heraldischen Bezeichnung schräg rechts getheilter Schild, dessen untere Hälfte schraffirt ist.
Unten zwischen den beiden Sceptern ist ein kleiner runder Stempel mit dem seeländischen Wappen eingeschlagen.

II. Dänemark.

1) 12 Skillina. 1622. 3 g schwer. 6 Exemplare.

Av.: Im punktirten Kreise das Wappen in barocker Einfassung, darüber eine Krone. Umschrift: CHRI S TIAN IIII DGD
Rv.: Im punktirten Kreise der Namenszug C darin eine 4, darüber eine Krone, darunter XII S K Umschrift: NOR VAN GOT REX 1622

2) 12 Skilling. 1623. 3 g schwer. 10 Exemplare.

Wie voriger, nur im Rev.: mit 1623.

3) 12 Skilling. ? 3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur am Rande so lückenhaft, daß die Jahreszahl nicht zu lesen ist.

4) 12 Skilling. 1624. 3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Unter einer Krone Blumenvignette C darin eine 4 Blumenvignette , darunter . R .F . P.
Rv.: Inschrift

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5) 12 Skilling. 1624. 3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur fehlen im Rev. neben dem Vignette und der XII die Punkte.

6) 12 Skilling. 1624. 3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Nr. 4, nur fehlen im Rev.: Die Punkte bei dem Vignette

7) 12 Skilling. 1624. 3 g schwer. 2 Exemplare.

Wie Nr. 4, nur im Rev. die Jahreszahl 1624 zwischen zwei Punkten.

8) 12 Skilling. 1624. 3 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur im Rev.: Zwischen NG . DAN ein Punkt.

9) 8 Skilling. 1606. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise gekröntes Brustbild des Königs, nach rechts mit Backen= und Kinnbart. Umschrift von unten links: CHRISTIANVS . IIII. D: G : DANI unter dem Bilde 1606.
Rv.: Im Perlenkreise . VIII . │ SKILLIK │ DA — NS darunter das Wappen im verzierten Schilde. Umschrift von oben: NORVEG . VANDA : GOTHORVM . REX. Vignette

10) 8 Skilling. 1607. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev.: mit NORVEGI

11) 8 Skilling. 1600. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Nr. 9, nur fehlt im Rev. hinter REX der Punkt, der Raum zwischen REX und dem Kleeblatt ist kleiner, das Kleeblatt selbst mehr liegend. Die Zahl VIII ist näher am Rande des Kreises und die Verzierung des Wappens dicker.

12) 8 Skilling. 1583. 4,2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise auf einem durchgehenden Kreuze das gekrönte Wappen im verzierten Schilde. Umschrift von oben: FEIDE — RICV S — Z . D . G . - DANIE
Rv.: Im Perlenkreise in 5 Zeiten: Blumenvignette 8 Blumenvignette │SKILLI │ NCK . DA : │ : NSKE . │ . 1583. Umschrift: Reichsapfel NORWEGIE . SL . AVO : GOTO : Q : REX

13) 8 Skilling. 1584. 3,6 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Av.: Das Wappen im gestrichelten Kreise und im Rev.: vor KSKE nur ein Punkt; hinter der Jahreszahl fehlt der Punkt und liegt die Eins in derselben nach vorne herüber.

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14) 4 Skilling. 1616. 2,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise auf einem durchgehenden Kreuze das mit der Krone bedeckte Wappen in einem glatten Schilde. Umschrift: CHRI — S TIAN — IIII. D. Gr. — DAN.
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: . IIII. │ S KILLI │ NGDAN │ Inschrift . Umschrift: NORV : VAN . DA . GOTO . REX 1616. Vignette

15) 4 Skilling. 1616. 2,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur geht das Kreuz nicht durch die Krone.
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: . IIII. │ S KILLI │ NGDAN │ S KE. Umschrift: NORV : VANDA : GOTO . REX 1616 Vignette

16) 4 Skilling. 1616. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise auf einem durchgehenden Kreuze, welches jedoch nicht durch die Krone geht, in einem verzierten Schilde das mit der Krone bedeckte Wappen. Umschrift von oben: CHRI — STIAN — 4 D G — DAN
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: IIII │ S KILLI │ NGDAN │ SKE. Umschrift: NORVVAND GOTO REX 1616. Vignette

17) 4 (Skilling. 1617. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur mit 1617. Das Kleeblatt steht gerade.)

18) 4 Skilling. 1618. 1,7 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: wie voriger, nur ist das Wappen in einem glatten Schilde und in der Umschrift CHR — ISTIA.
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: Blumenvignette IIII BlumenvignetteS KILL │ IN. DAN │ S KE. Umschrift: NORV . VAND . GOTO . REX 1618 Vignette

19) 4 Skilling. 1619. 1,95 g schwer. 1 Exemplar.

Die voriger, nur im Rev.: — Symbol Stern —IIII Symbol Stern 1619.

20) 2 Skilling. 1560. 2 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Im Perlenkreise auf einem durchgehenden Kreuze das Wappen im glatten, mit einer offenen Krone bedeckten Schilde. Umschrift: FRIDE — RICVS — Z . D . G. — DANIE.
Rv.: Im Perlenkreise in fünf Zeilen: ° II ° │ SKILLI │NCK . DA │ N S KE . │ ° 60 ° Umschrift: NORWE—GIE . VANDA . GOTOR. Q . REX Vignette

21) 2 Skilling. 1561. 2,6 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev.: mit ° 61 ° .

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22) 2 Skilling. 1562. 2,25 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev.: mit ° 62 ° u. NORVEGIE.

23) 2 Skilling. 1595. 2,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze das Wappen in glattem Schilde. Umschrift: CHRI S — TIAN S - 4 D. G. — DANIE —
Rv.: Im punktirten Kreise in fünf Zeilen: Blumenvignette II BlumenvignetteS KILLI │ NCK . DA │ N S KE │ Blumenvignette 95 Blumenvignette Umschrift: NOR. VAN . GOTO . Q . REX . ELECT S   Vignette oder eine Eichel.

24) 2 Skilling. 1600. 1.8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise, der jedoch nur bis an den oberen Rand des Schildes geht, auf einem durchgehenden Kreuze ein glatter, mit einer offenen Krone bedeckter Schild mit dem Wappen. Umschrift: CHRI — S TIAN — IIIIDG — DAN —
Rv.: Im Perlenkreise in fünf Zeilen: II │ S KILLI │ NG. DA │ N S KE │ 160 ° Umschrift: NOR . . . . . VAN . DA . GOTO . REX Vignette

25) 2 Skilling. 1603. 1,8 g resp. 2 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Strichelkranze ein wenig verzierter, mit einer kleinen, offenen Krone bedeckter Schild mit dem Wappen. Umschrift: CHRI S — TIANV S — IIII. D . G . — DANI —
Rv.: Im Perlenkreise in fünf Zeilen: Blumenvignette II BlumenvignetteS KILLI │ NCK S DA │ N S KE . │ 1603 Umschrift: NORWEG . VANDA . GOTHORQ REX Vignette

26) 2 Skilling. 1604. 2 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Wie voriger, nur mit OHRI S TIAN.
Rv.: Wie voriger, nur Blumenvignette II Blumenvignette und in der Umschrift mit NORVEG. und 1604.

27) 2 Skilling. 1604. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur ist im Rev.: Die Jahreszahl 1604 größer.

28) 2 Skilling. 1605. 2,2 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Wie voriger mit DAN.
Rv.: Im Perlenkreise in fünf Zeilen: .II. │ SKILLI │NCK . DA │ NSKE │ 1605 Umschrift: NORVEGI VANDA. GOTO . Q . REX Vignette

29) 2 Skilling. 1608. 2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger.

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Rv.: Im Perlenkreise in fünf Zeilen: · II · │ SKILLI │ NG . DA │ NSKE │ 1608 Umschrift: NORVEGI . VAN . DA : GOTO : REX Vignette

30) 2 Skilling. 1618. 1,5 g schwer. 7 Exemplare.

Av.: Wie voriger, nur mit der Umschrift: CHRI — STIA.— 4 . D . G . — DAN .
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: II zwischen zwei fünfstrahligen Sternen │ SKILL │ IN . DAN │ SKE. Umschrift: NORV . VAND . GOTO REX 1618 zwei gekreuzte Hammer.

31) 2 Skilling. 1618. 1,5 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev.: mit SKILLI — NG. DAN —

32) 2 Skilling. 1618. 1,5 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur im Av.: mit CHR — ISTIA —

33) 2 Skilling. 1618. 1,5 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev.: mit NG . DA — NSKE —

34) 2 Skilling. 1618. 1,5 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur mit CHRI — STIAN —
Rv.: Wie voriger, doch II zwischen sechsblättrigen Rosen │ SKILLI │ NG . DAN │ SKE

35) 1 Skilling. 1595. 1,6 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Strichelkranze das Wappen in einem barocken Schilde. Umschrift: CHRIS — TIANV —4 . D : G — DANIE -
Rv.: Im Strichelkreise in fünf Zeilen: I zwischen zwei fünfstrahligen Sternen │ S KILLI │ NCK . DA │ NSKE │ 95 zwischen zwei fünfstrahligen Sternen. Umschrift: NOR . VAND: GOTO; Q . REX . ELECTVS. Halbmond.

36) 1 Skilling. 1611. 1,4 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Perlenkreise das Wappen in einem ovalen, an den Seiten etwas ausgebogenen Schilde. Umschrift: CHR — ISTI — 4 DG — DAN
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: Blumenvignette I BlumenvignetteS KILL │NG . DAN │ .1611. Umschrift: NORV : WAND : GOT . Q . REX eine Rosette mit zwei Stäben kreuzweise durchstochen.

37) 1 Skilling. 1614. 1,4 g schwer. 3 Exemplare.

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Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Perlenkreise das mit einer kleinen Krone bedeckte Wappen in einem verzierten Schilde. Umschrift: CHRI — S TIAN — 4 DG — DAN —
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: I zwischen zwei fünfstrahligen Sternen │ S KILI │ NGDAN │ 1614 Umschrift: NORV : VAND : GOTO : REX Vignette

38) 1 Skilling. 1619. 1,2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur mit CHR — I S TIA u. D : G —
Rv.: Im Perlenkreise in vier Zeilen: I zwischen zwei fünfstrahligen Sternen │ S KILI │ NGDAN │ S KE Umschrift: NORV . VAN . GOTO . REX 1619 zwei gekreuzte Zainhaken.

III. Pommern.

1) Dütchen. 1623. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Strichelkreise in einem glatten Schilde der zum Kampf aufgerichtete Greif mit zwischen die Hinterpranken gezogenem Schweife. Umschrift: PHILI — PPV S . — IVLIV S . - H . Z . S . P
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . ST . │ EEICHS │ TALER │ · 1623 · Umschrift: REICHS . SCHROT . V : KORN. eine kleine Eichel.

2) Dütchen. 1624. 3,2 g schwer. 3 Exemplare.

Wie voriger mit 1624

3) Dütchen. 1624. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, doch ist das Kreuz schmäler, der Schild größer und der Schweif des Greifen aufrecht. Umschrift: PHILIP - PVS . IV - LIVS . H. - Z . S . P .
Rv.: Wie voriger, nur in der Umschrift mit VND

4) Dütchen. 1624. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur ist der Greif kleiner. Umschrift: PHILI — PPVS — IVLIV — SHZSP
Rv.: Wie voriger.

5) Dütchen. 1625. 3,2 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Auf einem schmalen, durchgehenden Kreuze ein so großer Schild, daß die oberen Ecken und der untere Rand desselben von dem Strichelkreise abgeschnitten werden, in dem Schilde der zum Kampf aufgerichtete Greif mit

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aufgerichtetem Schweife. Umschrift: PHILI — PPVS . I — VLIVS — H . Z . S . P.
Rv.: Im Strichelkreise in fünf Zeilen: ·  │  · 16ST · │ REICHS │ TALER │ · 1625 · Umschrift: REICHS. SCHROT . VND . KORN . eine kleine Eichel.

6) Dütchen. 1628. 3,0 g schwer. 3 Exemplare.

Av.: Auf einem schmalen durchgehenden Kreuze im Strichelkreise ein glatter Schild, auf welchem der zum Kampf aufgerichtete Greif mit eingezogenem Schweife; über dem Schilde, rechts und links vom Kreuzesbalken je ein sechsstrahliger Stern. Umschrift: BOGI S — LAV S . - XIV . D . G. - DVX . S . P.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: · 16 . ST ·  │ REICH S │ TALER │ · 1628 · Umschrift: REICHS . SCHROT . VND . KORN.

7) Dütchen. 1629. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur ist der Greif kleiner und über dem Schilde statt der Sterne zwei kleine vierblättrige Blumen. In der Umschrift D : G, das P am Ende derselben kleiner, als die übrigen Buchstaben.
Rv.: Wie voriger, doch ohne Punkt zwischen · 16ST ·

8) Dütchen. 1629. 3,5 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur im Rev. die Buchstaben RN kleiner als die übrigen und das N verkehrt ( N verkehrt ).

9) Dütchen. 1631. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur hat der Greif ein Schwert in der linken Pranke.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: 16 S T │ REICHS │TALER │ · 1631 · Umschrift: REICH S . S CHROT. VND . KORN:

10) 2 Schilling. 1622. 1,0 g schwer. 3 Exemplare.

Av.: Im Strichelkreise der zum Kampf aufgerichtete Greif. Umschrift: PHILIPPV S . IVL . HZ S P
Rv.: In sechs Zeilen: II zwischen zwei kleinen vierblättrigen Rosen. │ S CHILL │ INGPOM │ MER S CH │ 16 eine kleine Eichel ZZ — zwei kleine vierblättrige Rosen.

11) 2 Schilling. Jahreszahl abgegriffen. 1,5 g schwer. 1 Expl.

Wie voriger, nur im Rev. statt der Blumen Punkte.

12) Schilling. 1622. 0,7 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur in der Umschrift H . Z . S : P : —
Rv.: In fünf Zeilen: · I · │ S CHIL │ LING: │ POM: │ 16 eine kleine Eichel ZZ

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IV. Stralsund.

1) Dütchen. 1623. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit hohlem Schaft, unter demselben Kreuz Umschrift: DER S TAD . S TRAL S VND . GELD ein mit einem Zainhaken durchstochenes Blatt.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: · 16 · │ REICH S │ TALER │ · 1623 · Umschrift: REICH S . S CHROT . VND . KORN

2) Dütchen. 1624. 3,1 g schwer. 4 Exemplare.

Wie voriger, nur in der Umschrift des Av. mit GEL T

3) Dütchen. 1625. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger.

4) Dütchen. 1625. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Av. das T in GELT ebenso groß wie die übrigen Buchstaben und im Rev. zwischen der zweiten und dritten Reihe der Schrift ein Punkt.

5) Dütchen. 1625. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur fehlen im Rev. die Punkte bei der Zahl 16 und ist unter derselben ein Punkt.

6) Dütchen. 1625. 3,1 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Wie voriger, nur sind alle drei Zacken des Strahles hohl und steht hinter der Umschrift ein Punkt.
Rv.: Wie bei Nr. 4.

7) Dütchen. 1625. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur sind die Enden des Strahles glatt, auch ist das Münzmeisterzeichen etwas kleiner.

8) Dütchen. 1626. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, doch ist der Schaft des Strahles hohl.

9) Dütchen. 1626. 3,2 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur sind im Rev. die einzelnen Buchstaben der Schrift und die Jahreszahl größer, auch fehlt der Punkt zwischen der zweiten und dritten Reihe.

10) Dütchen. 1627. 3,2 g schwer. 3 Exemplare.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit hohlem Schaft, darunter Kreuz . Umschrift: DER . S TAD . S TRAL S VNDGELD, ein Blatt von zwei gekreuzten Zainhaken durchstochen.
Rv.: Wie bei Nr. 8, nur fehlen die Punkte bei der Jahreszahl.

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11) Dütchen. 1628. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl, auf dessen unten glatt abgeschnittenem Schafte eine Vertiefung, unter dem Strahl Kreuz Umschrift: DER S TAD S TRAL S VNDGE das Münzmeisterzeichen Münzmeisterzeichen .
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ 16Z8 Umschrift: REICH S . S CHROT . VND . KORN.

12) Dütchen. 1628. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit hohlem Schafte, darunter Kreuz . Umschrift: DER S TAD . STRAL S VND . GEL Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie voriger, nur liegt das S am Ende der zweiten Zeile auf dem Strichelkreise und steht in der Umschrift KORN Blumenvignette )

13) Dütchen. 1628. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, doch ist im Rev.: das S am Ende der zweiten Zeile kleiner als die übrigen Buchstaben und steht innerhalb des Strichelkreises.

14) Dütchen. 1628. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur ist das Kreuz dicht unter dem Strahle und in der Umschrift S TAT.
Rv.: Wie bei Nr. 11.

15) Dütchen. 1628. 3,0-3,5 g schwer. 4 Exemplare.

Av.: Wie voriger, nur mit der Umschrift: DER . S TAD . S TRAL S VND Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie bei Nr. 11, doch ist das 1 in TALER größer als die übrigen Buchstaben und über demselben ein Punkt; hinter der Umschrift :

16) Dütchen. 1629. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl, auf dessen Schaft eine Vertiefung, unter dem Strahl Kreuz . Umschrift: D : S TADT . S TRAL S VND . GEL . Münzmeisterzeichen
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ . 1629. Umschrift: REICH S . S CHROT. VND . KORN.

17) Dütchen. 1629. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger mit der, Umschrift: . DER . S TAD . S TRAL S VND . G . Münzmeisterzeichen
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ . 1629 Umschrift: REICH S . S CHROT . VND . KORN (eine abgescheuerte Stelle).

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18) Dütchen. 1629. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger.
Rv.: Wie voriger, nur hinter der Jahreszahl gleichfalls ein Punkt; in der Umschrift: S CHRODT und hinter derselben vier Punkte Vignette

19) Dütchen. 1629. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger.
Rv.: Wie voriger ohne Punkt hinter der Jahreszahl und mit S CHROT in der Umschrift, hinter welcher zwei Punkte Vignette

20) Dütchen. 1629. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, nur mit der Umschrift: DER . S TAD . S TRAL S VND . Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie voriger, ohne Punkte bei der Jahreszahl.

21) Dütchen. 1629. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: m Strichelkreise der Strahl, auf dessen Schaft eine Vertiefung, unmittelbar unter demselben Kreuz . Umschrift: · D : S TADT . S TRAL S VND . GE: Münzmeisterzeichen
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ 1629 Umschrift: REICH S . S CHROT . VND . KORN :

22) Dütchen. 1629. 3,5 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit hohlem Schaft, darunter Kreuz mit dünneren Balken. Umschrift: D . S TAD . S TRAL S VND . GELT . S P
Rv.: Wie voriger, nur neben der aus zierlicheren Zahlen gebildeten Jahreszahl Punkte und hinter der Umschrift ein Punkt.

23) Dütchen. 1629. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger, doch ist der Schaft des Strahles glatt, die Buchstaben der Umschrift größer und statt D steht DER.
Rv.: Wie voriger.

24) Dütchen. 1630. 2,8—3,5 g schwer. 3 Exemplare.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit glattem Schaft, darunter Kreuz . Umschrift: D . S TAD . STRAL S VND . GELT . Münzmeisterzeichen
Rv.: In vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ 1630 Umschrift: REICHS . SCHROT . VND . KORN.

25) Dütchen. 1630. 2,7 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur ist im Av. das Kreuz schmäler und fehlt im Rev. der Punkt hinter der Umschrift.

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26) Dütchen. 1630. 3,0 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur ist der Schaft des Strahles hohl, auch sind im Av. die Buchstaben der Umschrift größer.

27) Dütchen. 1630. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, das Kreuz jedoch stärker und im Av. der Raum zwischen der Umschrift und dem Münzmeisterzeichen größer.

28) Dütchen. 1630. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit glattem Schaft, darunter Vignette . Umschrift: D : S TAD . S TRAL S VND : GELT: Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie voriger.

29) Dütchen. 1630. 2,8 — 3,0 g schwer. 4 Exemplare.

Wie voriger, doch der Strahl mit hohlem Schaft und in der Umschrift des Av. hinter S TRAL S VND und GELT nur je ein Punkt. In der Umschrift des Rev. ist das S in den Worten REICH S und S CHROT kleiner als die übrigen Buchstaben.

30) Dütchen. 1630. 2,7 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, doch der Stahl mit glattem Schaft und der obere Balken des T in GELT nicht gerade, sondern gebogen.

31) Dütchen. 1630. 2,8 — 3,0 g schwer. 2 Exemplare.

Wie voriger, nur die Buchstaben der Umschrift im Av. kleiner und das T in GELT oben gerade.

32) Dütchen. 1630. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Nr. 28, nur der Strahl mit hohlem Schafte.

33) Dütchen. 1630. 2,7 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit glattem Schafte, darunter, Kreuz .Umschrift: D: S TAD . S TRAL S VND. GELT Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie voriger.

34) Dütchen. 1631. 2,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur in der Umschrift hinter D und GELT je ein Punkt.

35) Dütchen. 1631. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Nr. 33 mit STADT . und hinter GELT ein Punkt, im Rev.: die Buchstaben und Zahlen größer und hinter der Umschrift eine Blume von vier Punkten Vignette

36) Dütchen. 1631. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, doch im Av.: der Schaft des Strahles

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hohl, mit S TAD. und am Ende der Umschrift kein Punkt. Im Rev.: hinter der Umschrift nur ein Punkt.

37) Dütchen. 1631. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur in der Umschrift im Av. hinter D ein Punkt.

38) Dütchen. 1631. 3,0 — 3,2 g schwer. 3 Exemplare.

Wie voriger, nur am Ende der Umschrift des Av. ein Punkt.

39) Dütchen. 1631. 3,1 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Strahl mit hohlem Schaft, darunter Vignette . Umschrift: D : S TADT . S TRAL S VND. GELT . Münzmeisterzeichen
Rv.: Wie voriger.

40) Dütchen. 1631. 2,9 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur sind die Buchstaben und Zahlen der Schrift im Rev. größer, auch geht das S im Worte REICH S durch den Strichelkranz.

41) Dütchen. 1631. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Nr. 35, nur im Av.: mit S TADT und hinter der Umschrift ein Punkt.

42) Dütchen. 1631. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie bei Nr. 33, nur hinter der Umschrift ein Punkt.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ TALER │ 1631 Umschrift: REICH S . SCHROT . VND . KORN:

43) Dütchen. 1631. 3,15 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur der Strahl mit hohlem Schafte.

44) Doppelschilling. 1620. 1,7 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der gekrönte Reichsadler, auf dessen Brust ein kleiner Nebenstempel mit dem Strahle eingeschlagen. Umschrift: FERDINAN . D . G . R . IM . S . A . 620.
Rv.: Im Strichelkreise ist unter einer offenen Krone das braunschweig=lüneburgische Wappen. Umschrift: WILHEL . D . G . DVX . B . E . L .

V. Meklenburg.

A. Meklenburg=Schwerin.

1) Dütchen. 1632. 3,5 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise das vierfeldige Wappen mit kleinem Mittelschild ohne Helme und Schildhalter. Umschrift:

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ADOLPH FRIDR . V . G . G . HERTZ . ZD mit Zainhaken.
Rv.: Im Strichelkreise, welcher oben durch den die Umschrift theilenden Reichsapfel geschlossen, in vier Zeilen: . 16 . │ REICH S │ DALER │ . 1 . 6 . 3 . 2 Umschrift: MECKL . F . Z . W . G . Z . S . D . L . R . V . S . H (fehlt bei Evers II, S. 100.)

2) Schilling. 1622. 1,5 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Kreise das vierfeldige Wappen mt Mittelschild ohne Helm und Schildhalter. Umschrift: ADOLPH. FRIDR . V . G . G . Umschrift
Rv.: Im punktirten Kreise der Reichsapfel, dessen Kreuz die Umschrift theilt und in welchem die Zahl 48, rechts und links neben dem Kreuze oberhalb des Reichsapfels 2 — 2. Umschrift: HERTZOG . Z . MECKL : (fehlt bei Evers II, S. 106).

3) Schilling. 1622. 1,2 g schwer. 3 Exemplare.

Wie voriger, nur im Rev. neben dem Kreuze des Reichsapfels 16 — 22 und in der Umschrift mit MECKLEN.

B. Meklenburg=Güstrow.

1) Doppelschilling. HANS ALBRECHT. 1616. 2,2 g er. 1 Exemplar.

Vgl. Evers S. 258, Nr. 9.

2) Schilling. HANS ALBRECH. 1622. 1,4 g schwer. 1 Expl.

Vgl. Evers S. 261, Nr. 2.

3) Schilling. HANS ALBRE. 1622. 1,1 g schwer. 3 Expl.

Vgl. Evers S. 261, Str. 4.

4) Schilling. HANS ALBRECHT. 1622. 1,1 g schwer. Expl.

Vgl. Evers S. 261, Nr. 9.

5) Schilling. HANS ALBRE. 1623. 1,0 g schwer. 14 Expl.

Wie Evers S. 261, Nr. 12, jedoch zwischen der Jahreszahl eine Hand. (Zeichen des Münzmeisters Hans Handschen in Gnoyen.)

6) Schilling. HANS ALBRE. 1623. 1,0 g schwer. 1 Expl.

Vgl. Evers S. 262, Nr. 3.

7) Schilling. HANS ALBR. 1623. 1,0 g schwer. 5 Expl.

Vgl. Evers S. 262, Nr. 5.

8) Schilling. HANS ALBR. 1623. 1,0 g schwer. 1 Expl.

Wie voriger, nur im Rev.: mit MECHELNBURGS.

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9) Schilling. HANS ALBRE. 1624. 1,0 g schwer. 3 Expl.

Vgl. Evers S. 262, Nr. 6.

10) Schilling. HANS ALBRE. ? 1,2 g schwer. 1 Expl.

Rv.: mit MECHELNBURGS. Die Buchstaben im Av. stehen weiter auseinander.

11) Schilling. HANS ALBR. ? 1,2 g schwer. 1 Expl.

Rev.: mit MECHELNBURG, sonst wie voriger.

12) Sechsling. HANS ALB. 1622. 0,7 g schwer. 2 Expl.

Vgl. Evers S. 263, Nr. 3.

13) Sechsling. HANS AL. 1622. 0,7 g schwer. 3 Expl.

Vgl. Evers S. 263, Nr. 8.

C. Rostock.

1) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers S. 376, Nr. 3.

2) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers S. 376, Nr. 6.

3) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers S. 376, Nr. 8.

4) Dütchen. 1625. 3,3 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers S. 376, Nr. 9.

5) Dütchen. 1625. 3,3 g schwer. 2 Exemplare.

Vgl. Evers S. 377, Nr. 1.

6) Dütchen. 1625. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers S. 377, Nr. 2.

7) Dütchen. 1626. 3,3 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers S. 377, Nr. 5.

8) Dütchen. 1626. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers S. 377, Nr. 9.

9) Dütchen. 1627. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: ROSTOCKER. STADT . GELDT . HD . Das T in GELT kleiner als die übrigen Buchstaben.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16VFN │ REICHS │ TALER │ . 1627 . Umschrift: NOBISCVM . CHRISTE . MANETO .

10) Dütchen. 1627. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: ROSTOHKER . STADT . GELT . HD .
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16. VFN │ REICHS │ TALER │ . 1627 . Umschrift: NOBISCVM . CHRISTE . MANETO

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11) Dütchen. 1628. 3,3 g schwer. 10 Exemplare.

Vgl. Evers II, S. 377, Nr. 13.

12) Dütchen. 1628. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 378, Nr. 1.

13) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: ROSTOCH KER . STAD : GELT . HD :
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16VFN │ REICHS │ TALER │ 1624 . Umschrift: NOBISCVM . CHRISTE . MANETO Vignette

14) Dütchen. 1626. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 377, Nr. 6.

15) Dütchen. 1630. 3,2 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers II, S. 378, Nr. 6.

16) Dütchen. 1630. 3,3 g schwer. 2 Exemplare.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: ROSTOCH . KER . STAD : GELT . gekreuztes Dreiblatt und Zainhaken.
Rv.: Wie voriger.

17) Dütchen. 1631. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 378, Nr. 9.

18) Dütchen. 1626. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 377, Nr. 7.

19) Dütchen. 1630. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: ROSTOCH . KER . STAD . GET . gekreuztes Dreiblatt und Zainhaken.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16 . VFN │ REICHS │ TALER │ . 1630 . Umschrift: NOBISCVM . CHRISTE . MANETO :

20) Dütchen. 1630. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Evers II, S. 378, Nr. 5, doch im Rev.: in der Umschrift mit MANETO: und die 3 in der Jahreszahl sehr groß.

21) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif. Umschrift: MON . NO . ROSTOCHIENSIS . HD .
Rv.: In vier Zeilen im Strichelkreise: . 16 . VFN │ REICHS │ TALER . │ 1624 . Zwischen der zweiten und dritten Zeile ein Punkt. Umschrift: NOBISCVM . CHRISTE . MANETO

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22) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif mit geradem Schwanz.Umschrift: MONE . NO . ROSTOCHIENSIS . HD . Das E in Rostochiensis bedeutend kleiner als die übrigen Buchstaben.
Rv.: Wie Evers II, S. 376, Nr. 3.

23) Dütchen. 1624. 3,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise der Greif mit gekrümmtem Schwanz. Umschrift: MON : NOV : ROSTOCHIENSI. HD .
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: . 16VFN │ REICHS │ TALER . │ . 1624 . Umschrift: NOBISCVM CHRISTE MANETO Vignette

24) Dütchen. 1628. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Evers II, S. 377, Nr. 13, nur im Av. vor der Umschrift Vignette

25) Doppelschilling. s. a. 1,6 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Der Greif. Umschrift: x MONETA x NOVA x ROSTOCK x eine Rose mit offenem Kelche.
Rv.: Der Buchstabe r in einer rosenförmigen Figur, bei deren vier Spitzen je drei Punkte ( Vignette ), auf einem durchgehenden Kreuze. Umschrift: x eine kleine Pyramide SIT — x NOM — x DNI — x BND —

26) Sechsling. 1575. 1,2 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 401, Nr. 1.

27) Schilling. 1622. 1,2 g schwer. 3 Exemplare.

Vgl. Evers II, S. 396, Nr. 5.

28) Schilling. 1626. 1,2 g schwer. 6 Exemplare.

Vgl. Evers II, S. 397, Nr. 4.

29) Schilling. s. a. 1,2 g schwer. 3 Exemplare.

Av.: Im Perlenkreise der Greif mit gebogenem Schwanze; die linke Hinterpranke des Greifen greift zwischen MONE und NOVA in die Umschrift hinein. Umschrift: MONE : — NOVA . ROSTOC . HD
Rv.: Auf einem durchgehenden Kreuze in einer rosenförmigen Figur, bei deren vier Spitzen je drei Punkte, der Buchstabe r. Umschrift: SIT — NOM — DNI — BND —

30) Schilling. s. a. 1,1 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 391, Nr. 7.

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D. Wismar.

1) Dütchen. 1624. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Evers II, S. 466, Nr. 3, jedoch mit TALER.

2) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 466, Nr. 4.

3) Dütchen. 1628. 3,5 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise in fünf Zeilen: . 16 . │ STVCK │ EINRICH │ THALER │ 1 . 6 . 28 . Das H und R durchbrechen den Kreis; darunter durch die Umschrift gehend das Stadtwappen. Umschrift: MONETA NOVA — : WISMARS .
Rv.: Wie Evers II, S. 466, Nr. 6.

4) Dütchen. 1630. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 466, Nr. 8.

5) Dütchen. 1631. 3,2 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur mit . 1 . 6 . 31 .

6) Schilling. 1626. 1,4 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 479, Nr. 3.

7) Schilling. 1626. 1,2 g schwer. 4 Exemplare.

Wie voriger, nur in der Umschrift des Rev. mit IMP.

8) Schilling. 1627. 1,2 g schwer. 1 Exemplar.

Vgl. Evers II, S. 479, Nr. 6.

9) Schilling. 1627. 1,2 g schwer. 1 Exemplar.

Wie Evers II, S. 479, Nr. 8, nur mit IMP.

10) Sechsling. 1622. 0,8 g schwer. 3 Exemplare.

Wie Evers II, S. 486, Nr. 1, ohne Münzmeisterzeichen.

VI. Ratzeburg.

1) Doppelschilling. 1620. 2,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise das Wappen. Umschrift: AVGVS [TVS] D . G . P . E . RATZEB.
Rv.: In einem durch den Reichsapfel geschlossenen Strichelkreise DS (verschlungen). Umschrift: DVX . BRVNOVIC. E . L . 20 . zwei kreuzweis gelegte Hammer mit einem Zainhaken durchstochen.
cfr. Jahrbuch für mekl. Geschichte und Alterthumskunde, I. Jahresber. S. 25 und die Abbildung in Jahbuch XIX, 418.

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2) Doppelschilling. 1617. 1,9 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Das braunschweig=lüneburgische Wappen. Umschrift: AVGV - P . E . RA .
Rv.: In einem durch den Reichsapfel geschlossenen Strichelkreise DS (verschlungen). Umschrift: DVXBRVNOVIC . E . L . 1617 . M .

VII. Hamburg.

1) Schilling. 1553. 2,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Strichelkreise das Stadtwappen. Umschrift : MONE . NOVA . HAMBVRGEN ein Laubblatt am Stiel.
Rv.: Im Strichelkeise Kreuz, in dessen Mitte in einer vierpaßförmigen Verzierung der Sschild mit dem Nesselblatt. Umschrift: CRVX . CHRIS . GLORIA NOS 1553. Vgl. Gädechens, Hamb. Münzen II, S. 301, Nr. 927 (mit GLORIA.)

VIII. Lübeck.

1) Dütchen. 1624. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Auf einem durchgehenden Kreuze im Strichelkreise der Reichsadler ohne Kronen, auf dessen Brust das Stadtwappen. Umschrift: eine Blume CIVI — TATIS — IMPER — IALIS.
Rv.: Im Strichelkreise in vier Zeilen: ·16·│ REICHS │ DALER │ ·1624· Zwischen der zweiten und dritten Zeile über dem L ein Punkt. Umschrift: LVBECHS . STADT . GELDT . Blume von vier Blättern.

2) Dütchen. 1629. 3,3 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger mit 1629, nur im Rev. in der Umschrift statt der Blume ein liegendes Kreuz.

3) Schilling. 1620. 1,2 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise der gekrönte Reichsadler. Umschrift: CIVITATIS. IMPERIALIS:
Rv.: Im Perlenkreise eine Rosette. Umschrift: MONE . NOVA (48) LVBECEN 620 eine Sonne.

4) Sechsling. ? 0,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Wie voriger:. Umschrift: CIVITAT IMPERIAL
Rv.: Im Perlenkreise in einer rosettenartigen Verzierung das Stadtwappen. Umschrift: MONE. NO 96 LVBE . . . eine kleine Sonne.

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IX. Mit dem Rostocker Nebenstempel (R)

versehene Münzen.

1) Doppelschilling. 1618. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Das mit drei Helmen verzierte Schleswig=Holsteinsche Wappen. Umschrift: I . F . D . G . - A . E . EP . R .
Rv.: Der Reichsadler, auf dessen Brust der Reichsapfel, dessen Kreuz mit einer geschlossenen Krone gekrönt. Umschrift: MATTHIAS . D . G . RO . I . S . A . 618 Münzzeichen (R)

2) Doppelschilling. s. a. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Kreise das viertheilige Wappen. Umschrift: PHILIPPVS . IVL . H . Z . S .
Rv.: Im Kreise DS (verschlungen). Umschrift: RECTE . FA . NE . METVAS . (R)

3) Doppelschilling 1620 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: Im Perlenkreise das mit einer offenen Krone bedeckte braunschweig=lüneburgische Wappen, in dem das (R) hineingeschlagen. Umschrift: WILHEL . D . G . DVX . B . E . L.
Rv.: Im Kreise der Reichsadler, auf der Brust den Reichsapfel, dessen Kreuz mit einer geschlossenen Krone gekrönt. Umschrift: FERDINAN . D . G . R . IM . S . A 620

4) Doppelschilling. 1619. 1,8 schwer. 1 Exemplar.

Av.: Das mit drei Helmen bedeckte schleswig=holsteinsche Wappen, auf welches das (R) eingeprägt. Umschrift: FRID - ER . D . G .
Rv.: Im Perlenkreise in einer rosettenartigen Verzierung die Zahl 16. Umschrift: HÆR . NOR . D . S CHL . E . H . 19 .

5) Doppelschilling. s. a. 1,8 g schwer. 1 Exemplar.

Wie voriger, nur im Rev. mit dem (R) gestempelt.

X. Schleswig=Holstein.

1) Doppelschilling. s. a. 2,0 g schwer. 1 Exemplar.

Av.: In einem ausgebogenen Schilde das Wappen. Umschrift: IOHAN . D . G. HÆRES . NOR .
Rv.: Im Strichelkreise DS (verschlungen) — . D . SCHL : E . H . C . IOED Umschrift ein Reichsapfel.


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Die einzige Kupfermünze des Fundes ist ein Scharf der Stadt Wolgast v. J. 159?

Av.: Der Greif.
Rv.: * │ WOL │ GAST │ .1 . 5 . 9?

Die älteste Münze des Fundes ist der Hamburger Schilling v. J. 1553, die jüngste der Dütchen des Herzogs Adolph Friedrich von Mecklenburg=Schwerin v. J. 1632; bei weitem die größte Anzahl der Münzen - über 200 - entstammen den 10 Jahren 1622 - 1631.


Nach der Landesmannschaft der Münzen stellt sich die Zählung folgendermaßen:

Niederländer 4 (großes Geld)
Dänen 67
Pommern 21
Stralsunder 64
Meklenburger 42
Rostocker (einschl. der durch Rostocker Nebenstempel anerkannten) 65
Wismarer 15
Ratzeburger 2
Lübecker 4
Holsteiner 1
Hamburger 1
-----------
286

Auffallend ist die große Anzahl dänischer sowie die kleine Anzahl der Lübecker und Hamburger Münzen. Die jüngsten dänischen Münzen sind von 1624, dagegen entfallen die 119 jüngeren Münzen (als 1624) mit 67 auf Pommern, 51 auf Meklenburg und nur 1 auf Lübeck. Es ist hiernach anzunehmen, daß die dänischen Münzen durch die im Jahre 1626 (nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge) erfolgende dänische Besetzung Meklenburgs mitgebracht waren, daß die im Kornhandel erworbenen Niederländer Thaler den Sparpfennig des Bauern darstellten, der dann in den dreißiger Jahren, 1637, oder schon früher seinen ganzen Baarbesitz an der angegebenen Stelle barg. 1637 sollen in dem benachbarten Amte Gnoien nur drei Bauern und ebensoviel Kossaten, im Amte Neukalen sogar nur ein Bauer und

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zwei Kossaten am Leben geblieben sein. Im Amte Dargun wird's nicht besser gewesen sein. Wir werden also für diesen Fund, ebenso wie für den zu Basedow s. Z. gemachten (Jahrb. XXII, 331) und für den auch 1632 abschließenden, leider der Wissenschaft nicht zu Gute gekommenen Federower Münzfund (Quartalbericht XXXVII c, S. 4), die reicher aber von ähnlicher Zusammensetzung waren, das Jahr 1637 oder seine unmittelbaren Vorgänger als Jahr des Verbergens annehmen können.

 

Vignette
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VI.

Rostocker Drucke zu Halberstadt.

Mitgetheilt

von

Gymnasial=Director Dr. G. Schmidt
zu Halberstadt.


E in gut erhaltener Lederband in Klein=Quart (17,3 cm hoch und 12,3 cm breit) mit Schließen - der Einband gehört wohl noch ans Ende des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts - auf unserer Gymnasialbibliothek (unter Theologie in 4. O. VI, 523) 1 ) enthält außer dem Aureum opus de veritate contritionis des Johannes Ludovicus Vivaldus de Monte Regali, vom Prediger=Orden, gedruckt Lyon bei Johann de Vingle, expensis Stephani Gueynard 1509 Juni 12 (Panzer VII, 291, 124), zwei Rostocker Drucke des Ludwig Dietz, die beide so verschollen sind, daß selbst Wiechmann bei seinen sorgfältigen Forschungen (Jahrbuch XXII und Altniedersächsische Literatur) kein Exemplar davon zu Gesicht gekommen ist, vielleicht sind sie beide sogar Unica.

Der erste Druck ist betitelt: Psalterium gloriosissime virginis Marie, 10 Blätter. Das Titelblatt zeigt unter dem zweizeiligen Titel Maria mit dem Jesuskinde in Strahlen auf dem Halbmond stehend, in guter Zeichnung, auf der Rückseite des Titelblattes nimmt die größere Hälfte ein Holzschnitt mit der Darstellung der Verkündigung Mariä ein. Unten 12 Zeilen, beginnend § In hoc psalterio deuotus beatam │ virginem mariam alloquitur. │ § Prologus. │ Pfalterium filie potentissime tres speciosissi │ mas habet coronas. u. s. w. Auf Blatt A beginnt das Gedicht:


1) Auf dem Titelblatt steht: Gregorii Richteri liber est. Dieser Gregor Richter war der letzte katholische Dompleban (vor 1591).
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Prima quinquagena │ siue corona virginis pulcherrime. │ § Pater noster. Aue maria amantissima. jesus christus │ QUi hominem lapsum miserans non ultra passus est errare. │ Sed spe incarnationis animans predestinavit revocare │ Aue maria amplectendissima. Jesus christus u. s. w. - Die prima quinquagena sive corona enthält 50 gereimte Doppelzeilen, die alle mit qui oder quem beginnen und als Refrain das Ave Maria mit jedesmal anderem Adjectivum haben, und dahinter Jesus Christus. - Die 2. und 3. Quinquagene haben in gleicher Weise je 50 Verse.

Dahinter steht ein prosaischer Zusatz resp. Erläuterung des Zweckes des Psalteriums, ferner ein hexastichon elegiacum, ein tetrastichon ad lectorem und in detractorem dystichon (Hoc opus ingratum tibi sit scio Zoile gratum, Sed quibus ad superos sunt pia pota venit). - Dann steht: § Impressum Rostochij opera atque industria │ Ludouici Dyetz. Anno Christiane Salutis │ Millesimo quingentesimo decimo quinto. Darunter steht das Druckerzeichen, wie es bei Wiechmann S. IX beschrieben und von Lisch in Jahrbuch IV, Taf. IV, Nr. 1 b abgebildet ist. - Endlich ist auf der Rückseite des Schlußblattes in der Mitte ein Holzschnitt befindlich, den gekreuzigten Heiland darstellend, auf der einen Seite Maria und Johannes, auf der anderen Seite ein Knieender mit Rosenkranz, das Schwert an der Seite. - Von den 10 Blättern ist nur das zweite mit A, das fünfte mit B, das siebente mit B iij bezeichnet, die anderen sind nicht signirt. Es ist dieses Psalterium Marie somit einer der frühesten Drucke der Dietzschen Officin. Nur der sele rychtestych (Jahrbuch IV, 143) war bisher aus dem Jahre 1515 als Dietzsches Druckerzeugniß bekannt.

Sachlich bei weitem interessanter ist aber der andere Druck, ein deutscher aus Ludwig Dietzens Officin, vom Ursprung des Klosters zum Heiligen Grabe, vom Jahre 1521.

Riedel hat im Codex diplom., Brandenburg I, 1, S. 463 bis 466, eine Abschrift aus dem Jahre 1679, die sich auf der Universitäts=Bibliothek zu Breslau befindet, abgedruckt, da er kein gedrucktes Exemplar hat auffinden können. Derselbe giebt an, es sei die Schrift anno 1516 in lateinischer Sprache bei Dietz gedruckt worden. Wiechmann wiederholt die Angaben Riedels, ist aber auch nicht im Stande gewesen, von der deutschen wie von der lateinischen Ausgabe einen Abdruck aufzufinden.

Das Schriftchen ist sprachlich wie typographisch bemerkenswerth, nicht zum wenigsten durch die Holzschnitte, die es bringt, die bei Riedel resp. in der Breslauer Abschrift nicht berücksichtigt sind. Die Notiz bei Riedel S. 466: "Soweit geht das alte Druckwerk:

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dann folgen, die Erzählung anschaulicher zu machen, in demselben die Abbildungen einzelner Scenen dieser Legende, wie sie am Chor der heiligen Grabes=Kapelle zu ersehen sind," ist unklar gehalten, man muß danach annehmen, die Bilder ständen hinter dem Text, während sie eingedruckt sind.

Ich wiederhole zunächst den Text, den die Breslauer Abschrift zwar besser, als sonstige Abschriften aus dieser Zeit es zu thun pflegen, bietet; aber es fehlen die Ueberschriften der einzelnen Abschnitte, anderes ist verlesen oder dialectisch geändert. Ich habe nur die Abkürzungen aufgelöst, die sich auf den Strich über dem Buchstaben statt des n oder m, einige male auch statt e, und auf einige d' für der beschränken, sonst habe ich selbst u für v, die großen Buchstaben und die Interpunktion unberührt gelassen. Im Texte gebe ich nur den Ort der Holzschnitte mit Nummer an und beschreibe dieselben am Ende.

Im ganzen sind es acht Blätter in Klein=Quart. Das erste Blatt, mit Titel, ist nicht signirt, das zweite mit A ij, das dritte mit A iij, das vierte nicht, das fünfte mit B j, das sechste nicht, das siebente mit B ij, das achte, dessen Rückseite leer ist, ist ebenfalls nicht bezeichnet. Der Beginn der neuen Seite ist von mir mit einem kräftigen Strich bezeichnet und am Rande angegeben.

Die Lettern sind die bei Wiechmann unter Nr. 1 facsimilirten, daneben findet sich eine größere Schrift in den Capitel=Ueberschriften und eine noch größere in der ersten Zeile des Titelblattes.

Uan dem │ ortsprunghe des │ klosters tome hilligen gra │ ue jn der marke bele │ gen, vnde deme hil │ ligen Sacramente │ dar suluest.

(Holzschnitt 1.)

p. 2.     

│ § 1 ) Wo de jode dat hillige Sacramente stelt.

(Holzschnitt 2.)

p. 3.     

│ De 2 ) cristlike geloue, so dicke vnde vaken de van den

vngel oe uigen bek oe rt wert, so wert he dennoch nicht dar dorch (wo se vorhopen) vorringert edder vorsweket, sunder vil meer


1) Das Zeichen wie zu Anfang des Facsimile 1 bei Wiechmann, aber etwas größer.
2) Dieses D ist die einzige vorkommende Initiate mit Verzierung, eine Art Schmetterling im D, das ganze im Viereck. Hinter dem ersten jedesmal besonders großen Buchstaben, womit das Capitel nach der Ueberschrift beginnt, ist jedesmal der zweite Buchstabe auch dem großen Alphabet entnommen, aber kleiner als der erste Buchstabe.
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vnde alle tyt myt groter hillicheyt vorluchtet, dat mannigerleye wys befunden, vnde sunderlich, dorch eynen j oe den van Friborgh vth deme lande to Myssen, Welker alder sn oe destte(!) j oe de, alse de geherberget waert in eineme dorpe Techow genant, belegen jn deme Stichte to hauelberge, vnder der herschopp des dorchluchtigesten hoch geborn forsten vnde heren, hern Jochims des hilligen Romeschen rikes Ertzkamerers, K oe rforsten, Marggrauen to Brandenborg. etc. . an eynem Frydage na der hilligen hymmeluart Cristi vnses heren, in deme jare dusent twehundert vnde souenundeachtentich, jn der nacht dessulfften frydages, alse he sik vormodende was guder tyt to synem b oe sen vornemende, so oe pende he de kerken dar sulues, vnde stal deeffliken dar vth dat werdighe hillige sacramente, myt dem kresem, vnde gedachte ylendes dar myt to Prißwalgk (by eyner mile weghes van dar belegen) to lopende, to etlyken synes gelouen darsulues wonhafftich . Vignette

§ Wo de iode dorch gotlike schickinge vnde gewalt nicht uortghaen konde. Vignette

p. 4.

│ (Holzschnitt 3.) Ouers deme alweldygen behaghede nycht alßo syn b oe slik vornement, Wente alß he gar geringes weges, vnde doch mit groter swarheit van deme dorpe gekamen was do wart he dorch gotlike straffe so harde mit eyner swaren borde beladen, dat he nyche forder kamen konde, sunder moste vnder eyner eyken ( 1 ) noch hutedages yn deme 2 ) weghe stande) rouwen.

Wo de iode dat hillige sacrament
under de galgen groeff.

Wo de iode dat hillige sacrament under de galgen groeff.

(Holzschnitt 4.)

p. 5.

│ Alse ouers darna, de sulffte J oe de was to sik sulues gekamen, vnde gar nouwe eynen steynworp weges vort geghan was, so quam he an eynen see, by welkerem eyne galghe stunt, dar an eyn man gehangen, vnde dar bouen eyn rath, dar vp eyn gestoth vnde gelecht was, In welkeren der beyden middele, de j oe de eyne kule makde, dar jn he dat hillige sacrament (so he touorne in kleyne stucke wreeff) lede, vnde berakede dat dar sulues, Unde leepe dar van myt groten forchten na Prißwalgk, sik vaken vmme seende, vnde qwam also, gen Priswalgk, Doch also, dat syne boeslike daet, dorch


1) Verkehrte Klammer)
2) de m mit Querstrich e hat der Druck.
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den gotliken willen, vormiddelst synen henden (de gantz vnde myt alle blodich weren) betekent wart. Vignette

§ Wo de iode flucht myt blodigen henden.

(Holzschnitt 5.) So nu de bůerslude offte burvolk yn deme 1 ) dorpe des morgens vp den kerkhoff komende, de kerken vpgebroken seghen, ock teken, dat dat hyllige Sacrament gestolen was, Do worden se alle sere vorschrecket vnde bedr oe uet, vnde so se ouers eruoren, dat jn der vorgangen nacht eyn j oe de jn deme kro │ ge geherberget hadde, de myt blodigen

p. 6      

henden, na Prißwalgk gelopen was, Do sumeden se mcht lange, sunder lepen vnde volgeden ylendes yn grotem thorne so lange, dat se ene funden tho Prißwalgk myt anderen jo oe den (!) syttende vnde sprake holende. 2 )

§ Wo de buren den J oe den anspreken. 3 )

(Holzschnitt 6.) De buren frageden den j oe den, vnde beden ene vmme de geschicht to bekennen. vormochten ouers nicht, ene jenygherley wijs dar hen to bryghen, dat he ene wolde de warheyt seggen, offt he de ihenne were, de sodane oueldaet begangen hadde.

§ Wo sik eyn borger, dorch de buren leeth torichten alse eynen preester.

Se gynggen to rade vnde weren alle eynes syns den misdeder myt flite tho voruorschen, So was dar eyn borger andechtiges guden leuendes, de louede ene, dat he sik wolde laten eyne platthen │ (Holzschnitt 7.) scheren vnde gantz to be-

p. 7.     

reden alße eyn preester, vnde ok preester kledere antheen. Welker den j oe den myt soten reden ann qwam, vnde bat ene dorch den ouersten god, de loeff vnde gras geschapen 4 ) hadde, ok dorch leue der oltuedere des j oe deschen volkes, dat he ome doch mochte de warheyt seggen, dan he mochte dat ane allen frochten don, He seghe yo wol, dat he eyn preester were, de jummers dat ihenne wes yn bicht gesecht, by straffe lyues vnde gudes, vormoghe der geystlik rechte, nicht melden moste.


1) de m mit Querstrich e hat der Druck.
2) Statt holdende.
3) Druck ansprken.
4) Aus der alten Formel des Judeneids, siehe Frensdorf, Dortmunder Statuten S. 39, Anm.
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§ Wo de iode bedrogen wart, vnde wisede deme preester de stede, dar he dat hyllige 1 ) sacrament begrauen hadde.

(Holzschnitt 8.)

p. 8.

│ De j oe de wort dorch de soten worde des falschen preesters beweget, 2 ) vnde gyugh myt eme an den ort, dar he dat hillige Sacramente begrauen hadde, Doch wolde he eme dat nycht myt synen vyngheren edder houede wysen, edder sust erliker mathe ant oe gen, sunder myt syneme luchteren vote stotte he dar vpp, vnde sprak, hyr lycht juwe god.

§ Wo de iode geuangen wart.

(Holzschnitt 9.) De jode wuste nicht de behendicheyt des valschen preesters vnde wart also dorch syne lyst bedrogen, vnde tho stunt van den buren (de sik jn den busschen vorborgen hadden) angegrepen, vnde vort yn gefenknisse geuort, dar he syne missedaet bekennen moste Vignette

§ Wo de iode geradebraket wart.

p. 9.

│(Holzschnitt 10.) An deme dage do he scholde vorordelt werden, do qwam dar vele grotes tholopens, De richtere spreken eyn byllych ordel, dat de j oe de scholde pynliken geradebraket werden, to eyneme byspil effte exempel der groten vmmyldicheyt de he beganggen hadde Vignette

§ Wo dat hillige Sacrament jn eyne vedderen wort upgenamen, vnde dar na van deme kerkheren to Priswalk geweldichlik wart wegh genamen.

Alse nu de j oe de den smeliken d oe t geleden hadde, so wort dat hillige Sacrament yn der mathen, alse dat was yn kleyne stucke thowreuen, van den preesteren yn groter vorsammelynge des ynnigen volkes vpgehauen, vnde de grotesten dele r oe tuar van blode yn eynem vedder kel 3 ) bewart, also dat de kleynsten dele jn eynen roden syden d oe k gewunen, Doch nicht so ghar eygenlik, dat de gotheyt dar van affgesunderget, alßdenn dat sulues van eyner fruwen, van deme bosen geyste beseten, dorch etlike hillige zegeninge 4 ) eruaren vnde oe penbare


1) Druck: hyllge.
2) Druck: boweget.
3) kel, kil in der Bedeutung von Federkiel fehlt im Mnd. Wörterb.
4) Statt segeninge.
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tuchnusse gehort wort, Dat welke ghar │ (Holzschnitt 11.) kleyne

p. 10 (Bj).     

affrijß 1 ) dar gebleuen, so men gar nouwe hedde erkennen moghen, jn welkeren doch nycht weynygher der gotheyt dan jn deme anderen were, vnde ock nicht weniger in den brockesken dan yn deme gantzen. vnde ane allen twyvel vnde bedroch de ware god, van den hilligen engelen gheeret vnde gelauet alle tyt dar were, Unde dat ys de erste ortsprungk des klosters vnde ordens, Welkeren ok to stunt hebben erluchtet de manichuoldicheit der mirakel, dat men de alle mit der korte nicht vortellen mach.

§ Ouers de kerkhere to Prißwalgk to der sulfften tyt (her Werner genant) de dat hillige Sacrament also jn der blodigen gestalt wo dat gefunden 2 ) geweldichliken wech genamen hadde, behelt dat eyn jar langh yn vorhopeninge, dat yd dar sulues ok teken don scholde, Dar myt he dorch besokinge der pelgrymen rike werden mochte, ouerß dar geschegen neynerleye myrakel, sunder allene an der vorighen stede, dar dat gefunden was, dar de wunderteken nicht affleten. Vignette

│ § Wo de Bischopp to hauelberge in syner kranckheyt geloffte dede, de stede to besoken vnde gesunt wart.

p. 11.     

(Holzschnitt 12.) Also beghaff yd syk, dath Bischop Hinrik tho Havelberge, wolde yn priswalk riden. de ok nicht alto vele gelouede der nien geschicht Unde dewil he vntruwelik darvan gedachte, so beuel he myt swarer vnde groter krankheyt, dat men ene moste van deme perde boren vnde vp de erde legghen, Don reep he dat hillige Sacramente an, vnde lauede dat to besokende, vnde to stunt so wart he wedder gesunt. Alß he ouers dat nicht alleyne besochte, sunder ok deme volke dat vngeuerlik dar was, de mirakel van deme predikstole vorkundigen wolde, so wart eme van deme hemmele get oe get de hillicheyt der stede wente he bouen deme graue vp der sulfften stede den 3 ) hemmel open sach, dar dorch he myt ßo ve │ len jnnighen tranen begoten wort,

p. 12.     

dat he eyn wort nicht spreken konde, sunder beuoel syneme capellane allent wes eme beiegent was, deme volke to openbarende.


1) Fehlt im Mnd. Wörterb.
2) Druck: gfunden.
3) Druck: denn.
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§ Wo dat hillige Sacrament van Pritzwalgk wedder vmme erliken an de ersten stede gebracht wort.

(Holzschnitt 13.) Uan der tyt an, so was de Bischop der hilligen stede togedaen, vnde geboet ernstlyken deme kerkheren tho Prißwalgk, dat he dat hillige sacrament in der gestalt wo he dat wechghenamen hadde, scholde wedder ouergeuen. Dath he denne (wo wol myt unduldicheyt) dede, vnde myt groter ere, vnde bernenden kersßen, de dorch neyne vnstymmicheyt 1 ) des wedders mochten uthgelosschet werden, an dat ende dar dat eerst gehalt, wedder hen gebracht wort.

§ Wo herre Otte marggraue yn der vkermarke de stede wolde vorstoren vnde eyn slot dar hen buwen vnde sik doch dorch de gotlike gnade anders begaff.

p. 13 (B ij).

│ (Holzschnitt 14.) Id begaff syk, Dat de dorchluchtighe hochgeborne fforste, Herre Otte, Marggraue tho der tyt yn der Ukermarke dorch syne redere vnde houedeners angeherdet, vnde eme dar to geraden wort, dath yd beter were vnde sere nutte syn scholde, dar sulues an den ort eyn sloth to leggende, dat deme gantzen lande dar sulues nut syn mochte. Dorch welkeren raet vnde anherdinge der synen, he beweget vnde gantz geneget wort, dat he de stede to eyneme slote wolde breken laten, Dat ok also gescheen were, wo eme de gotlike wille nicht wedderstaen hedde, So begaff yd syk, dat he dar vmmelanges reet, de stede to beseende, vnde so he denne auermals van synen rederen vnde deneren angher oe get 2 ) wart, dat nicht nutte syn scholde eyne geystlike stede an deme sulfften oert to legende Don beu oe l he etliken synen deenren, de synen disch plegen to besorgende, vnde ok anderen den dat mede beleuede, Dat se alle dat offer dat se

p. 14.

dar funden, │ nemen vnde darvan eyne gude maeltyt dereyden scholden, yn eynem dorpe dar beneuen beleghen Manckmuß genomet, wenner 3 ) he na qweme, dat alßdenne ok genoch dar were, deme denne also geschach, Ouers so he myt den synen to dische sat, vnde angerichtet was, so wart alle de spise (beyde gesoden vnde gebraden) to blode, vnde so men dat tome andern mael besochte, vnde vp dat nye anrichtede, so geschach yd auermals also, Derhaluen de frame Forste gar


1) vnnstymmicheyt im Druck, heißt sonst unstummicheit.
2) Im Mnd. Wörterb. nur das Nomen anr oe ginge.
3) Druck : wennner.
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sere vorschrak, vnde vel myt den synen vp ere kne, vnde beden den almechtigen god vmme gnade, De here lauede by synen truwen, so eme de alweldige god gesunt van dar hulpe, so wolde he de stede sulues myt ynnicheyt besoken, vnde dar sulues eyn kloster buwen. Vignette ]

Wo dat kloster ghebuwet wart, In de ere des hilligen lichammes unses heren Jesu cristi.
(Holzschnitt 15.)

Alße he nu myt groteme anxte in eyner nacht betrachthede, wath mathe he dat kloester │ buwen wolde, So

p. 15.     

qwam eme eyne stemme van deme hemmele, dat he sik men vnnutte bekummerde, dan jd were van ambegynne der werlt geordent vnde vthgeseen, Dat eyn junkfruwen kloester an deme orde staen scholde, Cistercier ordens myt grawen kappen gekledet, alse sunte Bernhardus gedregen hadde, vnder der regulen sunte Benedicti, Alse nu de fforste dorch sulke vorkundinge des kloesters stichtinge erynnert wart, so bat he de ebbdissen te Nyendorp, dat se eme twolff junkfruwen uth erem kloester schicken wolde, vnde wo wol se dat sulffte deme Forsten nicht weygeren wolde edder mochte, so gedacht se eme doch xij. de alder vnnuttesten to schickende, 1 ) der haluen se yn volgender nacht gar swarliken dorch gotlike geschichte gestraffet wart, Dar dorch se denne beweget wart, dat se sulues myt xj anderen junkfruwen an den ort t oe ch, vnde deme alweldigen gode 2 ) dar sulues myt eren ynnigen gebeden vnde werken, de dage eres leuendes denede, An welkerem orde dat sulffte kloester gebuwet wart, dar men noch dat sulffte hillige Sacrament so blodich yn eyner cristallen 3 ) yn syden doke hillichliken toget. Welkere stede ok to dusser tyt, vnde by regemente, des dorchluchtigsten vnde hochgeborn fforsten vnde hern, hern Joachyms marggraven to Brandenborg, Korfforsten etc. . Dorch groten tolop veler pelgrimen vth orsaken der mirakel myt ynnicheyt heymgesocht wert. Vignette


§ Gedrucket to Rozstock dorch Ludouicum │ Dyetz. Nach vnses heren Cristi │gebort. Dusent. ccccc. dar │na jn deme. xxj. jare.



1) Druck: schicende.
2) Druck: gade.
3) Im Mnd. Wörterb. nur kristallenkiker.
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Was nun die 15 Holzschnitte betrifft, die das Büchlein enthält, so gehören sie zwar nicht zu den Meisterwerken der Zeit, aber sie sind charakteristisch und originell, zum Theil naiv. Die Stöcke sind ziemlich von gleicher Höhe, im Durchschnitt beinahe 7 Centimeter, etwas mehr variirt die Breite, zwischen 5 u. 4,3 Centimeter. Sie stehen sämmtlich auf der linken (vom Leser) Seite der Blätter, nur die beiden ersten in der Mitte. Die erste und zweite Seite haben auch Randleisten, die auf der linken Seite besteht aus einem Stück (Blumengewinde), die auf der rechten aus 2 (von denen die eine 3 Blumen unter einander, die andere ein Blumengewinde zeigt), die auf der 2. Seite in umgekehrter Stellung abgedruckt sind (oben das Gewinde, unten die Blumen). Außerdem hat die erste Seite oben und unten eine gleiche, von den beschriebenen aber verschiedene, schmälere und kürzere Randleiste, die auch auf der 2. Seite als obere und untere Einfassung der Ueberschrift von Cap. 1 wiederkehrt. Außerdem findet sich unten auf der 2. Seite noch eine kleine Randleiste, die doppelt so hoch ist als die zuletzt erwähnten. Die übrigen Seiten und Bilder haben keine Randleisten.

Von den Holzschnitten stellt der erste die Auferstehung des Herrn dar, in dem Steingrabe steht Christus, fast in ganzer Figur sichtbar, in der rechten die Fahne, die Linke erhoben, mit viereckigem Heiligenschein, im Vordergrunde sieht man einen Krieger in voller Rüstung und einen größeren Mann unbewaffnet an der Erde hocken, hinter dem Grabe Kopf und Brust einer liegenden (weiblichen?) Gestalt.

Die folgenden Holzschnitte schließen sich an den Inhalt der betreffenden Abschnitte an. Nr. 2. Der Jude (der immer mit dem spitzen Hute dargestellt ist) nimmt, sich scheu umblickend, mit hochgehobenen Händen aus der Oeffnung (Fenster?) einer Capelle eine Monstranz heraus. Die Darstellung ist etwas unklar: ein Gebäude mit 2 Giebeln, die nicht viel höher sind, als der Jude selber, der vor dem vordern Giebel steht.

Nr. 3. Der Jude, mit dem einen Beine knieend, das andere vor sich her streckend, hinter ihm 3 Eichstämme mit Zweigen.

Nr. 4. Der Jude, das Sacrament vergrabend, hinter ihm links auf einem Pfahle das Rad mit aufgeflochtenem Körper, rechts der Galgen mit 2 Gehenkten und 2 Stricken.

Nr. 5. Der Jude nach rechts gehend, hinter ihm ein Gebäude mit hoher Thür, auf der andern Seite ganz nahe hinter ihm Bauern mit Spießen, Stangen, Beilen und Kraueln,

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Nr. 6. Der Jude, auf einem Stuhle sitzend, andere sitzen im Hintergrunde, vor ihm einer auf einem niedrigen Schemel: zur Thür dringen die Bauern herein, mit denselben Waffen, wie auf Nr. 5. Der Jude sieht sich nach ihnen um.

Nr. 7. In der Mitte wird einem Bauern von einem Barbier, der einen Hut oder Mütze mit langem Anhang trägt, die Platte geschoren, zu beiden Seiten stehen die Bauern und sehen zu.

Nr. 8. Der Pseudopriester mit dem Juden, der ihm die Stelle zeigt, wo er das Sacrament vergraben hat, zur Seite Bauern mit Stangen und Spießen, im Hintergrunde Rad und Galgen.

Nr. 9. Der Jude wird von 2 Bauern rechts und links untergefaßt und gefangen fortgeführt, andere Bauern mit Waffen wie vorher hinter ihm.

Nr. 10. Der Jude liegt nackt mit verbundenen Augen und zerbrochenen Armen am Boden, ein Henkersknecht steht rechts, der eigentliche Henker links mit Schwert an der Seite und dem Rade in den Händen, mit dem der Jude gemartert ist. Im Hintergrunde auf der rechten Seite Gerichtspersonen, von denen eine durch die Kleidung hervorgehoben ist, auf der linken eine Schaar Bauern.

Nr. 11. Zwei Schaaren Geistlicher, an der Tracht und der Platte kenntlich, von den beiden vordersten hält der links stehende etwas in der Hand, wahrscheinlich die Feder, am Boden vor ihnen das Sacrament (ein schwarzes Oval mit Zacken).

Nr. 12. Der Bischof, den 2 bewaffnete Diener auf den Boden niederlegen, im Hintergrunde ein dritter Diener, der zwei schön geschirrte Pferde am Zügel hält.

Nr. 13. Prozession: ein Geistlicher, die Monstranz mit beiden Händen tragend, und 4 Bauern mit Lichtern.

Nr. 14 stellt einen Bau dar, auf der Mauer, die aus großen gehauenen Steinen aufgeführt wird, drei Maurer, zwei an einer Winde, mit der ein Korb hinaufgezogen wird, und einer, dem ein untenstehender Material zureicht. Vier andere sind unten beschäftigt. Luken in der Mauer deuten an, daß es sich um die Steinwand eines Hauses handelt.

Nr. 15 endlich zeigt das Innere einer Kirche und zwar den hohen Chor mit Altar und Stufen, rechts und links je 2 Säulen,

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vorn rechts und links Nonnen, zwischen ihnen am Boden das Modell einer Kirche.


Sonst besitzt die Bibliothek von niederdeutschen Drucken aus Rostock die Polizeiordnung des Herzogs Heinrich von 1542 (Wiechmann XCVIII) und die Leichenpredigt des Güstrow'schen Domprobstes Gerhard Oemeke auf Lüdeke von Ouitzow von 1551 Wiechmann (CXV).

 

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Berichtigungen und Nachträge

zu der

heraldischen Arbeit in Jahrbuch LII.

von

Dr. Crull.


1.

Außer einigen unwesentlichen Fehlern in der Einleitung ist zu verbessern Folgendes:

S. 37, Z. 9 v u. l. Zaddelwerk st. Zottelwerk. - S. 48, N., l. gelehnt st. gelegt. - S. 49, 12, l. beiderseits gezinnte st. gegengezinnte. - S. 51, N., dazu: die Kronen auf den fürstlichen Helmen der Siegel Nr. 202, 213, 214, 217 und 234 dürften zu den aus der Schildfigur übernommenen Hörnern gehören; die erste sichere Helmkrone findet sich nach MUB. 9062 im Jahre 1362. - S. 60, N., l. jene st. diese. - S. 65, 65, l. mit Pelz hergestellten st. geschachten. - S. 67, 70, l. Anfange des 17. - S. 70, 82, l. letzterem st. letzterer. - S. 85, N, l. Detert st. Deters. - S. 89, Z. 6 v. u. l. von st. v. - S. 104, 206, l. 532 st. 520. - S. 116, 269, l. Säc. 17 st. Säc. 16. - S. 116, 272, setze I hinter Kammin. - S. 128, 333, l. Siegel st. Siegeln; 334, l. 108 st. 106. - S. 146, 454, streiche : ein. - S. 172, 683, l. Basse st. Barsse. -

2.

Wie S. 39 angegeben, ist in der Handschrift des B. Latomus vom Adelstande vom dem Abschnitte über den Adel des Landes Stargard wenig mehr als eine Abschrift erhalten. In einem Exemplare des Stettiner Abdrucks in der Universitäts=Bibliothek zu Rostock sind aber, worauf mich Herr Rector Bachmann hinwies, zu jenem Abschnitte gehörige Abdrücke der geätzten Platten aufbewahrt und zwar von folgenden Wappen:

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1) v. d. Gröben. 2) v. Blankenburg. 3) v. Dewitz. 4) v. Dören. 5) v. Gentzkow. 6) v. Ilenfeld. 7) v. Lübberstorf. 8) Manteufel. 9) v. Peckatel. 10) v. Schwichelt. 11) v. Staffelde. 12) v. Walsleben. 13) v. Warburg. 14) Weyer. 15) v. Zernin.

Diese Darstellungen entsprechen im Ganzen der Art und Weise, wie diese Wappen in neuerer Zeit sich zeigten. Bemerkenswerth ist nur neben dem, daß als Helmzier der v. Zernin ein wachsender Löwe gegeben, die Formierung des v. Dörenschen Schildes, insofern dieser nicht wie die alten Siegel einen Schrägbalken mit zwei Fischen hinter einander belegt zeigt, sondern sechsmal quergestreift ist, so, daß der 1., 3. und 5. Streifen gewellt, der 2. und 4. Streifen mit je einem Fische belegt und der 6. leer ist. Die Thürflügel schweben oben auf dem Helme, unterstützt von einem querliegenden Balken.

3.

Wenn die Wappenmaler des 16. und 17. Jahrhunderts falsche Tincturen gebraucht haben, so wird das in der Mehrzahl der Fälle auf Unkenntniß beruhen, und nur in einzelnen Fällen ein unberechtigtes Streben nach Verbesserung zum Grunde liegen. Ein höchst merkwürdiges Beispiel von Aenderung der Tincturen findet sich aber an dem Mödentiner Chore in der im Anfange des 17. Jahrhunderts erbauten Kirche zu Meklenburg. Derselbe ist mit zwei Reihen Wappen über einander in folgender Weise bemalt:

Reihen von Wappen
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Sämmtliche Schilde sind also bis auf 5 und 15, die weiß sind, und 9, welches roth ist, gelb tingirt, während 5 sicher und 15 vielleicht blau, 1, 3, 8, 10, 11, 12 bestimmt weiß sein sollten. Weiß statt blau ist auch in 4, 6 und 10 angewendet. Man könnte nun glauben, daß der Umstellung ein gewisses Princip zu Grunde gelegt sei und darnach sich Schlüsse auf die wahren Tincturen der Wappen 2, 7, 9, 13, 14 und 16 erlauben, welche nicht sicher feststehen; aber da der Maler in 6 richtig Gelb angewendet hat, so ist es nicht zulässig, solche Schlüsse zu ziehen. Einzig scheint Roth richtig gesetzt zu sein, dann aber auch das Feld der v. Barnekow nicht roth gewesen sein.

Nach dem Testamente eines Hans v. d. Lühe von 1591 war Goslich v. Restorf verehelicht mit Katharina v. Weisin, einer Tochter Valentins und Annas v. d. Lühe. Die obigen Wappen mögen sich also auf diese Personen beziehen. Goslich verheirathete nach dem Ehevertrage vom 18. Mai 1599 seine Tochter Anna an Christoff von Preen auf Mödentin. 1 )

4.

Nr. 25, v. Brüsewitz. Meine Angabe, daß dies Geschlecht von Brüz bei Goldberg seinen Namen trage, ist unsicher, und man könnte aus dem Umstande, daß der Ritter Alward, der erstgenannte, beim Schweriner Grafen sich findet, auch schließen, daß das Geschlecht nach Gr.= Brüz heiße. Ebenso ist es aber auch möglich, daß Alward überall zu einem anderen, nur den gleichen Namen führenden Geschlechte gehört hat, und daß der Ritter Nicolaus, der 1230, 381, zuerst vorkommt, als erster Repräsentant der v. Brüsewitz mit der geflügelten Bremse anzusehen ist. Daß dieser aber bei Goldberg und vermuthlich zu Brüz angesessen war, scheint mir nach den ihn berührenden Urkunden außer Zweifel zu sein.

5.

Im Ratzeburger Zehntenregister, also 1230/4, werden Walter von Paniz als Besitzer von Zehnten zu Kl.= Zecher in Lauenburg, und ein Walter schlechthin, welcher mit Zehnten im Pogreß, Scharbow, dem im Kirchspiele Vellahn untergegangenen Panitz, und in Körchow bei Wittenburg belehnt war, und 1237 begegnet ein Ritter Walterus de Penz bez. Penitz bei Burwoy zu Rostock, 1240 bei


1) Ich benutze diese Gelegenheit, um in Jahrbuch XLI, S. 117 die Note 13 zu berichtigen; die dort gemachte Angabe beruht auf einem Irrthum.
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Barnim von Pommern (Lisch, Behr I, Nr. 13, wo nach Kosegarten gedruckt ist: Piritz), und 1245 bei Wartizslaw von Pommern. Römer hielt diese Personen für identisch, worin man ihm beifallen kann. Es würde daraus folgen, daß man, worauf Herr von Meyenn die Güte hatte mich aufmerksam zu machen, die von Pentz als 57 a in meiner Liste nachzutragen hätte. Die daran sich knüpfenden Fragen, ob jener Walter von Pentz zu den Pommerschen von Pentz gehörte, etwa gar ihr Stammvater wäre, die, im M. U.=B. 1248 mit den Gebrüdern Johann und Reinfried, Rittern und Burgmannen zu Triebsees, auftretend, eine "quergelegte Vogelklaue" (Lisch a. a. O. III, Nr. 295) im Schilde führten, oder ob dies eine andere nach Pentz bei Demmin genannte Familie, sowie ferner, ob unsere von Pentz mit jenem Walter, beziehentlich den Pommerschen zusammenhängen, zu beantworten muß der Specialforschung überlassen bleiben.

6.

Nr. 112. Balch, von Balge, Balke. Herr Geh. Finanzrath Balck war so gefällig mir auf Grund seiner ausgedehnten Forschungen mitzutheilen, daß diejenigen Balge, Balch, Ballich, deren Wappen a. a. O. beschrieben ist, als Bürger zu Schwerin seit 1419 sich nachweisen ließen und erst durch Erwerb von Groß=Rogahn Ende des 15. Jahrhunderts in die Mannschaft eingetreten seien. Nach demselben führte die Ende des 16. Jahrhunderts ausgestorbene Familie von Balke in Westfalen einen mit drei Rosen belegten Schrägbalken und ein Geschlecht Balch in der Altmark drei zweizinkige Gabeleisen, aufrecht oder gestürzt, während das Wappen der von Balge auf Balge im Hoyaschen ebenso unbekannt ist, wie das der alten Meklenburgischen Balch oder Balke, die zuletzt vor 1355 mit Besitz in Moisling bei Lübeck erscheinen.

7.

Nr. 121. von Flotow. Im Gewerbe=Museum zu Hamburg finden sich ein Paar kleiner Schrankthüren, jede von 19 zu 15 Zoll, die, anscheinend dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts angehörig, je ein Wappen enthalten und zwar einander entgegengestellt, also wohl von Eheleuten. Der Schild des Mannes zeigt eine schräge gelegte geflügelte Pferdebremse und der Helm eine aufgerichtete Pferdebremse zwischen Flügeln, während der Schild der Frau ein von vier Ringen begleitetes Schrägkreuz zeigt und der dazu gehörige Helm als Zimier eine wachsende Jungfrau zwischen Flügeln hat. Diese Wappen führen nun leicht zu der

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Vermuthung, daß wir in jenen Thüren ein meklenburgisches Werk vor uns hätten, da das Wappen des Mannes genau dasjenige der von Brüsewitz, Brüsehaver und von Weltzin, vielleicht auch der von Wolkow ist, während das Wappen der Frau bis auf dem Helmschmuck dem der von Flotow gleicht, von denen sich aber freilich Siegel oder sonstige Denkmäler aus guter Zeit, welche den Helm zeigten, bisher nicht gefunden haben. Man muß aber den Gedanken aufgeben, als ob jene Jungfrau zwischen Flügeln etwa der alte Helmschmuck der von Flotow sei oder aus der Absicht des Schnitzers resultire den Helmschmuck zu verschönern, denn das weibliche Wappen ist, wie sich aus von Medings Nachrichten ergiebt, das einer westfälisch=niedersächsischen Familie Chalong gen. Gehle, wodurch es auch höchst zweifelhaft wird, daß das Wappen des Mannes ein meklenburgisches Geschlecht repräsentire und die Arbeit meklenburgischen Herkommens sei.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß möglicherWeise der ringhaltende Vogel auf dem von Flotowschen Helm mit dem ringhaltenden Vogelkopfe im Siegel der Stadt Malchow (in dem übrigens das "Herz" wohl zutreffender als "Seeblatt" anzusehen sein dürfte) in Zusammenhang steht, über welche die von Flotow 1354 Rechte erwarben, 1 ) welche erst vor fünfzig Jahren abgelöst sind. Dann würden aber die von Flotow den Vogel von der Stadt entlehnt haben, nicht diese von jenen, da der Vogelkopf bereits 1318 im Malchower Siegel sich zeigt.

 

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1) M. U.=B. 7908, wo ich jedoch die Worte iuxta omnem iusticiam et ius penitus amittere anders deute als die Inhaltsangabe, indem ich glaube, daß es eine barbarische Uebersetzung ist von: bi aller rechticheit und rechte dorchut laten.
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Berichtigung und Zusätze

zu dem Aufsatz:

Meklenburger auf der Universität Bologna.


S. 191, Nr. 12 lies Tanglim statt Tauglim.

Zu Nr. 30 bemerkt Dr. Crull, daß Molenvelt im Wismar und auch wohl sonst nicht bekannt sei, dagegen Molenwolt mehrmals vorkomme (so Urkb. Nr. 6193, 6890). Molenvelt kann trotzdem richtig sein.

Nr. 35 ist identisch mit Gerwin Ronnegarwe s. Pyl, Greifswalder Kirchen, 884.

Nr. 38 s. auch Pyl, Greifsw. Kirchen, 894.

Nr. 39 s. ebenda 891; 998.

Nr. 40 s. ebenda 963.

Nr. 41. Zu Eckard Dolgemann s. ebenda 872.

Nr. 52. Peter Sadelkow wird Jahrb. XII, 264 und XXI, 183 erwähnt.

Nr. 54. Zu Henning Lotze s. Pyl Greifsw. Kirchen, 822 ff., wo auf S. 823 und 824 die drei Schreibweisen Lotze, Loetz, Loytze belegt sind, und S. 828 die Identität des Camminer und Schweriner Geistlichen bewiesen wird.

Grotefend.     

 

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Plan

von

Schwerin um 1750.


Erklärung auf der Rückseite

 

 

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Plan von Schwerin um 1750.
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Plan von Schwerin um 1750.
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Erklärung der Buchstaben

des

Planes von Schwerin um


a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
h-h.
i.
k.
l.
m.
n.
Schloß.
Altstadt.
Neustadt (Schelfe).
Vorstadt.
Mühlenthorbastion.
Schmiedethorbastion.
Bischofshof.
Fließgraben.
Kornhaus.
Reitstall.
Neues Reithaus.
Domkirchhof.
Frohnerei.
o.
p.
q.
r.
s.
t.
u.
v-v.
w.
x.
y.
z.
Prinzenhof.
Judenkirchhof.
Manufacturhaus.
Bauhof.
Maillebahn.
Bischofsmühle.
Kläterbergschanze.
Augraben.
Armenhaus.
Armenkirchhof.
Schießhaus.
Seeke.

 

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