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V.

Zur Baugeschichte der Burg Stargard i. M. 1 )

Von

Bürgermeister Dr. O. Pieper

zu Penzlin.


D ie Slaven fanden hier eine "alte Burg" der Germanen vor und nannten den Platz deshalb Stargard. Da sie dem Ort einen Namen gaben und ihn bewohnten, ist anzunehmen, daß sie trotz der nicht durch Wasser geschützten Lage die alte Befestigung nicht ganz unbenutzt gelassen haben, da sie keineswegs - anders z. B. auf Rügen - nur in Sümpfen etc. . Wallburgen hatten.

Von den alten Wällen ist indessen meiner Ansicht nach nichts mehr vorhanden. Es ist meines Wissens ohne Beispiel, daß die alten Umwallungen, anstatt ein Plateau oder einen Kessel zu umschließen, um den Fuß eines Hügels geführt wären, wie jetzt in Stargard. Die alte Umwallung wird vielmehr den oberen Rand der jetzigen inneren (Haupt=) Burg umschlossen haben, und ist bei Anlegung der Hofburg im 13. Jahrhundert abgeräumt und planirt werden. Eine mittelalterliche Burg schützte sich nur durch hohe Ringmauern, Thürme und Gräben; erst als - wesentlich erst im 16. Jahrhundert - verbesserte Feuergeschütze mehr ausschließlich gebraucht wurden, kamen wieder vorgelegte Wälle mit ausgedehnteren, zum Theil ausgemauerten Gräben in Anwendung. Was hiervon bei der Burg Stargard noch erhalten ist, stammt also aus dieser Zeit.


1) Auf mir unlängst gegebene Veranlassung habe ich in Nachstehendem ohne Herbeiziehung urkundlichen Materials (das übrigens nur unzulänglich vorhanden sein soll) lediglich die Schlüsse aufgezeichnet, welche ich aus dem gegenwärtigen Zustande der Burg auf ihre Baugeschichte zu ziehen vermochte.
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Die im 13. Jahrhundert aufgebaute Burg mußte als "Hofburg" gleich einen größeren Umfang mit Vor= und Hauptburg haben, der im Wesentlichen dem heute bebauten Theil entsprochen hat. Der südlich der Vorburg gelegene freie umwallte Platz dürfte später, eben bei der Umwallung, etwa im 16. Jahrhundert, hinzugefügt sein. Vor dem Thorhause ging über den früher tieferen Graben jedenfalls eine Zugbrücke. Die großen Bögen in der Façade der oberen Hälfte des Thorhauses sind nur Blendbögen zur Verzierung, die später der größeren Haltbarkeit wegen ausgemauert wurden. Dieses obere Stockwerk des Thorhauses ist allem Anscheine nach später aufgesetzt. Es deutet mit seinen Spitzbogen auf eine jüngere Zeit als der untere Theil, bei welchem der vorhandene Rundbogenfries, dessen Schenkel auf kleinen Consölchen ruhen, mit Sicherheit (vgl. Otte, Gesch. d. deutschen Baukunst 1874, S. 306 u. 308) gerade auf das 13. Jahrhundert hinweist. Durch diesen späteren Aufsatz erklärt es sich auch, daß das Thorhaus keine Einrichtung für eine Zugbrücke mehr zeigt. Nach der Hauptburg hin war das Thorhaus, von welchem hier nur die Seitenwand erhalten ist, sehr wahrscheinlich durch ein Fallgitter geschlossen. 1 )

Das zweite, innere Thorhaus lag links neben dem jetzigen zweiten und zeigt hier seinen später vermauerten Thorbogen. Während das jetzige innere Thor in grader Linie hinter das äußere gelegt ist, war dies - entsprechend dem Princip bei mittelalterlichen Wehrbauten - bei dem älteren Thor nicht der Fall. Ein jetzt noch vor letzterem stehender Mauerrest wird als die vormalige Außenwand des älteren Thorbaues anzusehen sein. Neben dem Hauptthorbogen ist hier noch das seiner Zeit übliche kleinere Thor für Fußgänger zu erkennen. Vor diesem Thorbau wird sehr wahrscheinlich ein zweiter Graben mit Zugbrücke gewesen sein.

Daneben liegt die ehemalige Burgkapelle, deren jetziger Mauerabschluß an der äußeren Giebelseite einstweilen noch Räthsel aufgiebt.

Das jetzige Wohnhaus des ersten Beamten mit seinen Reihen regelmäßiger großer Fenster auch nach außen, Mangel an


1) Allerdings wohl nicht ursprünglich; denn wie der Straßburger Stadtbaumeister Daniel Speckle († 1589) in seiner "Architectura von Festungen", Th. III, Cap. 2, bemerkt, hat man erst zu seiner Zeit "allenthalben" das Fallgitter von der vorderen nach der hinteren Seite des Thorhauses verlegt.
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Steinbänken in den Fensternischen, überhaupt bis auf die Mauerstärke ein ganz moderner Bau, ist - abgesehen vielleicht von den Kellern - etwa 17. Jahrhunderts.

Der Berchfrit gehört dagegen dem ersten Bau (des 13. Jahrhunderts) an. In diesem Jahrhundert waren - nach Cohausen, Bonner Jahrbücher XXVIII, 47 f. - die Berchfrite, wenn sie rund waren, der Ringmauer abgewendet, und Abtritt und Kamin, wie sie bei dem Stargarder Berchfrit vorhanden sind, finden sich vereinzelt schon bei Berchfriten des 12. Jahrhunderts. Der Eingang lag in Stargard, wie überall bis ins 15. Jahrhundert, über dem untersten, als Verließ dienenden Geschoß. Statt der beweglichen Leiter, die ursprünglich hinauf führte, hat man später an der äußeren Thurmwand die in ihren Spuren noch erkennbare bequemere, kurze Wendeltreppe bis dahinauf geführt und dann zuletzt zu ebener Erde den jetzigen Eingang durch das vormalige Verließ durchgebrochen. Der alte Eingang bietet insofern eine auffallende Anomalie, als er der Angriffsseite fast direkt entgegen gekehrt ist, während der Eingang zu den Berchfriten - bevor er gegen Schluß der Burgenzeit zu ebener Erde angebracht wurde - immer der Angriffsseite abgekehrt lag.

Die Angriffsmittel des Mittelalters - Untergrabung, Mauerbrecher, Steinschleudern und Armbrüste - waren in der Höhe nicht so wirksam, daß man nicht unbeschadet der Sicherheit in dem nur von oben vertheidigten Berchfrit für die höheren Stockwerke durch Verdünnung der Mauer sich vermehrten Innenraum hätte schaffen können. Demgemäß pflegt die Mauerdicke in jedem höheren Stockwerk (nach Cohausen 1. c.) um 6 bis 11 Zoll abzunehmen. In dem Stargarder Berchfrit ist diese Verjüngung eine stärkere, indem sie - von 3,95 m Mauerdicke unten bis zu 2 m oben - in jedem Stockwerk 34 bis 85 cm, also 13 bis 32 1/2 Zoll, beträgt Die Mauer besteht, wie in Norddeutschland gewöhnlich, aus einem mit Mauersteinen bekleideten Kern von großen Feldsteinen.

Die Vertheidigung des Berchfrits geschah (von einem hier nicht vorhandenen hölzernen Umgang abgesehen) nur aus den Zinnen, mit welchen die Mauer oben abschloß. Die Zinnenlücken (Fenster) zwischen den Wintbergen betragen daher etwa 75 bis 120 cm, um entweder für einen oder für zwei Schützen Raum zu geben. Die Wintbergen selbst mußten den aufrecht stehenden Schützen decken. Man sieht hieraus, welche wohl aus Unkenntniß entstandene Spielerei die jetzt den Stargarder Berchfrit bekrönende zierliche Zinnenreihe ist. Dieselbe ist 1823 (?) zugleich mit einer

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Erhöhung des Thurmes aufgemauert. Die alten Zinnen sind darunter noch im äußeren Mauerwerke erkennbar.

Der neben dem Berchfrit vorhandene halb unterirdische Gang in den Wallgraben hinab ist wahrscheinlich der bequemeren Verbindung wegen zur Zeit der späteren Befestigung angelegt, wenngleich es auch bei mittelalterlichen Burgbauten nicht an Nebenpforten und geheimen unterirdischen Ausgängen fehlte.

Vignette

 

 

Einen vom Herrn Baumeister Koeppel gezeichneten Grundriß der jetzigen Burg Stargard geben wir auf der folgenden Seite, Tafel IX.

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Tafel IX.      

Burg Stargard.

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a. Weg von der Stadt.
b. Thor.
c. Alter Wallgraben.
d. Wirthschaftshof.
e. Zweites Thor.
f. Früheres zweites Thor.
g. Mauerstumpf.
h; Alte Kirche.
i. Thurm.
k. Treppe in den Wallgraben.
l. Wohngebäude.
m. Wirthschaftsgebäude.
n. Spätere Ausdehnung der Befestigung.
o. Ringmauer.
Burg Stargard