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im
Großherzogthum Meklenburg - Strelitz.
Von
Dr. Gustav von Buchwald.
I. Kratzeburg.
I n dem Accessionskataloge des Georgiums zu Neustrelitz findet sich zum Jahre 1861 folgende Eintragung von der Hand des Bibliothekars Gentzen: "März 1861: Der Eigenthümer eines Bauerhofes in Kratzeburg überbrachte mir 20 Bronzestücke, welche er beim Steinausbrechen auf seinem Ackerstücke gefunden hatte." (Hier folgt eine kurze Beschreibung.) "Oct. 8. Dem Anfordern des Bauern Frank=Kratzeburg, die Stelle des pag. 195 - 198 beschriebenen Bronzefundes einmal selbst anzusehen, um mich zu überzeugen, daß hier noch Vieles zu finden sein würde, wenn ich hier eine regelrechte Grabung anstellen wolle, Folge leistend, fuhr ich in Begleitung des Premierlieutenants Eggers, als das Wetter einigermaßen zu einer solchen Arbeit günstig erschien, nach Kratzeburg. Leider hatte der p. Frank seinen Acker, auf welchem er die Alterthümer gefunden hatte, am Tage vorher mit Roggen besäet, wodurch unsre Absicht, dort eine Nachsuchung zu halten, vereitelt wurde. Der Bauer Frank hatte aber bei der Besäung abermals mehrere Alterthumsgegenstände gefunden, die ihm leider von einem kleinen Knaben, der sie auf einem großen Stein, auf welchen er sie gelegt, fand, mit einem anderen Steine in Stücke geschlagen waren. Was mir davon noch zu Händen kam, waren 2 Stückchen Bronze, wovon
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das dünnere einer Nadel angehört haben mag, und ein 9 - 10 Zoll langer dünner Bronzedraht, der aber auch schon aus drei Enden bestand. Was er in seiner Vollständigkeit für eine Figur gebildet hat, läßt sich nicht mehr ermitteln." - Eine genauere Untersuchung hat der alternde Gentzen nicht angestellt; der Bauer Frank konnte mir aber ungefähr die Stelle noch angeben. Mehrere große Haufen zusammengeworfener Steine bezeichneten das Fundfeld, in welchem noch "en groten Urnen" zu finden sei. "Der große Urnen" bezeichnete im Munde meines Gewährsmannes eine Steinsetzung und war auch vorhanden. Ich fand im Laufe des Sommers 1885 Gelegenheit, das ganze Feld zu untersuchen, unter Beihülfe meiner Frau, des Herrn Archivregistrators W. Müller, welcher Maße und Zeichnungen aufnahm und später die beifolgenden Taf. III - VIII zeichnete, und des Küsters und Lehrers Kühne in Kratzeburg, der sich durch rege Theilnahme ein besonderes Verdienst um das Georgium erwarb.
Das Fundfeld liegt zwischen dem Capellenberge und dem Schulzensee, dem Adamsdorfer Weg und der Langfeldschonung, die nach ihm genannt ist. Der Boden ist seit unvordenklicher Zeit Ackerland und besteht aus gelbem Sande. Daß einst die Gräbergruppen auf flachen Hügeln lagen, ist noch erkennbar; denn die Sandschichten des Urbodens steigen. Mehrere zusammengeworfene Steinhaufen zeugen davon, daß die Landwirthschaft hier zerstörend gewirkt hat. Zu Bauzwecken sind seit langer Zeit größere Steine in Wagenladungen hinweg gefahren. In der Nähe des höchstliegenden der jetzigen Steinhaufen hat Bauer Frank seine Funde gemacht und nachgegraben. Hier fanden sich nur noch Scherben von zerstörten Urnen in großer Zahl. Etwa fünfzig Schritte von diesem Haufen zeigte sich eine leichte Bodenerhöhung, "en lütten Oewer", und es ward behauptet, daß in dieser Gegend der wendische König in einem goldenen Sarge begraben sei.
Bei knapp 1/3 m Tiefe stieß der Spaten auf Steine, welche ich durch Abschürfung von oben und einen Graben an den Seiten freilegen ließ. Die Setzung war oben flach wie ein Pflaster, etwa 1 1/3 m mächtig, und bildete ein ziemlich regelmäßiges Quadrat von 4 m Seitenlänge. Das erschien mir als ein günstiger Anfangspunkt für die Untersuchung; denn von dieser regelmäßigen Figur aus ließen sich Distancen mit dem Kompaß leicht bestimmen. In dem Folgenden wird stets nach Kompaßrichtung ohne Rücksicht auf die Abweichung der Nadel berechnet; denn wer später auf dem Langfelde die Stellen aufsuchen will, wird dies auch nur mit dem Kompaß in der Hand thun.
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Auch sachlich empfahl sich diese Steinsetzung, deren äußeren Rand ich stehen ließ, zum Anfangspunkt der Untersuchung. In ihrem Innern fanden sich nur eine Bronzenadel (Tafel V, Nr. 2) und ein flaches Messer, dem der rückgebogene Sförmige Griff fehlte, in 25 cm Tiefe in der Nordostecke. Nach Südwesten hin aber bedeckte eine starke schwarze Brandschicht die Steine und war tief in deren Fugen gesunken; das ganze Material hatte hier lange und anscheinend stärker geglüht als im Nordosten. Bei einer der zunächst gefundenen Urnen ganz in der Nähe dieser Setzung fanden sich kleine Stückchen des bekannten "Urnenharzes", und man möchte auf den Gedanken kommen, daß unser Steinquadrat ein Altar für Brandopfer gewesen sei. Das könnte immerhin möglich bleiben, auch wenn man das Steinquadrat als Brandherd auffaßt. Hostmann 1 ) bemerkt, daß nach seinen Versuchen ein Scheiterhaufen von 800 Cubikfuß Holz noch nicht genüge, um die organischen Bestandtheile einer Leiche zu verbrennen. Da aber die Kochherde vom "Burgwall" an der Grenze nach Pieverstorf beweisen, daß man die Wirkung des glühenden Steines kannte, so glaube ich: die Steinsetzung diente als Brandherd bei der Feuerbestattung selber. Alle die vielen Kohlentheilchen, die ich untersuchte, weisen stets das charakteristische Zellengebilde der Eiche auf, und diese konnte höchstens an den Sümpfen am Schulzensee, am Krummensee und am Käbelich in spärlicher Zahl oder auf den Höhen hinter dem Krummensee gedeihen. Das Holz mußte also weit hergeholt werden. Deswegen glaube ich, daß man mehr mit glühenden Kohlen als mit flackernder Flamme verbrannte. Für letztere wäre ein stetes, rasches Zutragen von Holz nöthig und oft nicht möglich gewesen, die Wirkung der ersteren aber mußte der glühende Stein unterstützen. Auch wenn man mit Hostmann der Ueberzeugung ist, daß die Knochenreste nach dem Zerkleinern noch einmal geglüht wurden, so war dazu eine solche Steinsetzung durchaus praktisch. Ich werde demnach diese Setzung als den ersten Brandherd bezeichnen und mit Bhd. zur Distanzmessung abkürzen. Für die Himmelsrichtungen dienen die gewöhnlichen Initialen, für die Urnen wähle ich Zahlen und Buchstaben. Die geben die Zeitfolge unserer Funde nach Zahl, großem Alphabet, kleinem und griechischem, so daß sich der Weg meiner Untersuchung genau verfolgen läßt.
Bhd.= Mitte nach O. 2,50 m ringförmige Steinsetzung von 1 m Mächtigkeit, in deren Mitte: Urne 1, völlig zerdrückt.
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Bhd.=Mitte nach O. hart am Rande: Urne 2 mit Binnenurne, sehr zerdrückt.
Bhd.=Mitte nach W. am Rande: Urne 3 mit Binnenurne; 3,50 weiter nach W. Urne 4 mit leidlich erhaltener Binnenurne. Zwischen 3 und 4 in der Mitte in einem ganz stumpfen Winkel nach S. Urne 5.
Diese Urnen bestanden wie alle anderen, von denen nicht ausdrücklich Anderes bemerkt wird, aus Thon, der mit grobem Steingruß vermengt, dann mit leidlich geschlemmtem Thon inwendig und auswendig verstrichen und an offenem Feuer gebrannt war. Die Form ist freihändig gemacht, ohne Kunst, ohne scharfe Profilirung; Urne 2 auf Tafel VI bei Undset und Urne 10, Tafel VII, geben die Grundformen. Zu allen Urnen hat eine Deckelschale gehört, die stets an einem Rande ein Henk hat. Zumeist ist sie zerstört.
Bhd. 8,50 m nach O., also 6 m von 1, in gleicher Richtung Urne F.
Bhd. =NO.=Ecke 9 m ONO., NNW. von F, steht Urne A. Mit dieser beginnt eine eigene Gruppe A : B=3/4 m O.; B : D=3/4 m NO.; D : E=1 m NW.; E : C=1/2 m SW.; C : A=1/2 m SSO.
Sondirungen in der Richtung auf Urne 1 hin und auf Bhd. ergaben nichts, Sondirungslinien nach Süden hin brachten nur F zu Tage. Die Vermuthung lag nahe, es möge sich ein Kreis von Gräbern um Bhd. herum ziehen.
Eine Linie von C in nordwestlicher Richtung führte auf a, 7,50 m NO. von der Nordostecke Bhd., 1 m nordwestlich davon ergab das Doppelgrab b und b 1. Urne c etwa 4 m Nordwest von a, zu 8,50 m Nord von Mitte Bhd. über 2 hinaus. Urne d, 10,50 m W. von c zu 11,50 m NW.=Ecke Bhd., Urne e 4 m SSW. von d zu 8,50 m von Nordwestecke Bhd., Urne f in fast gleicher Richtung von e zu 8 m von Nordwestecke Bhd.
Hier hörte jedes auch nur annähernd regelmäßige Zahlenverhältniß auf, und auch die je 4 m von a : c : d : f genügen nicht, um planmäßige Beisetzung zu behaupten. Die anscheinende Regelmäßigkeit wird gestört durch eine kleinere Brandstelle zwischen b und c und eine größere zwischen d und e. Auch e macht eine Ausnahme insofern, daß sie auf Brandreste gestellt ist. Nicht unmöglich wäre es, diese Brandstellen mit flachen Steinsetzungen als Leichenmahlsherde aufzufassen, ebenso wie eine dritte bei der g - i; aber Spuren der Mahlzeit fanden sich nicht.
Die Gruppe g - k stand: Urne h, 13 m W. von der Südwestecke Bhd, h : g=1 m NW, g : k=3 m SW., k : 1=1,50 m SO., 1 : i=0,75 cm S., i : h 3,50 m NO.
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Nach SSW., 91 Schritte von Bhd., stand eng an einander gedrängt die Gruppe a, ß, ?. Nur Urne 4 war mit Gruß und faustgroßen Steinen umpackt, alle anderen hatten regelmäßige Setzungen von großen Steinen. Die Bezeichnung Steinkiste ist verwirrend; denn sie erweckt das Bild eines viereckigen Hohlraumes, in dem die Urne frei steht. Das ist hier nicht der Fall. Die Steine sind stets der runden Form der Urne angepaßt, oft mit Geschick schalenartig gespalten. Besonders bei C fand sich solche Schalenartige Form aus rothem Granit. Oben war die Setzung ursprünglich wohl stets mit einem flachen Deckelstein geschlossen; doch fehlten diese zumeist. Bei k fand sich ein solcher noch, denn sie lag ein wenig tiefer als die anderen. Bei C war der Deckelstein tief in die Urne eingedrungen. Die Steinumsetzung der Urnen war manchmal aus zwei, sogar aus drei Steinreihen gemacht, so daß die Einzelgräber sich näher berührten, als man nach unseren von Mitte zu Mitte der Urne angegebenen Maßen denken möchte. Die Gruppen g - k, A - E und a - α - γ standen ohne Zweifel in innerem Connex. Zu der Urne C gehörte die Bestattung E, welche nur Brandreste und Menschenknochen ohne Urne und Beigaben enthielt; denn die Steinumsetzung von C ging bis hart an die Brandreste heran. Es machte durchaus den Eindruck, als ob die ganze Bestattung E nur eine Beigabe - etwa ein verbrannter Sklave - zu E sei.
Die Maße, welche an den Urnen aufgenommen werden konnten, sind: Urne 2: Boden 12 cm, größte Bauchweite 25 cm. Urne A. C. f: Boden 12 cm, größte Bauchweite 35 cm, obere Randweite 31 cm. Urne F: größte Bauchweite 26 cm. Urne a und d: Boden 12 cm, größte Bauchweite 32 cm, volle Höhe 31 cm; die Verengung zum Halse begann 15 cm vom Boden und ergab 19 cm als obere Randweite. Urne c hatte inclusive Deckelschale 20 cm Höhe von Boden zu Boden und 23 cm größte Bauchweite, der Urnenboden war 12 cm und der Deckelboden 11 cm weit. Urne b hatte 19 cm Höhe und 28 cm Randweite. Mit dem Maße der immer einmal gehenkelten Deckelschale von i stimmen ungefähr die A. C. f: Bodenseite 11 cm, Höhe 8 cm, Randweite 42 cm.
Doch macht Deckel i eine Ausnahme darin, daß er durch eingekratzte Striche ornamentirt ist, als wie, wenn man den noch feuchten Thon mit einem abgenutzten Reisigbesen bestrichen hätte.
Als Ornamentirungen kommen nur Fingertupfen und grade Striche bei Scherben vor, die sich auf dem Platze fanden.
Durchaus verschieden ist die Urne b 1 in der Forrn Tafel III, Figur 1. Auch sie ist freihändig gemacht und durch concave Ein-
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drücke in Linienform verziert. Der Rand ist gewunden wie ein torques. Der Boden besteht aus concentrischen Hohlringen, die sich nach dem mittleren Eindruck zu erheben.
Die Binnenurnen, die über der Knochenpackung stehen, zerfallen in die vier auf Tafel III gezeichneten Hauptformen. Sie gehören zu sämmtlichen Urnen, waren aber bei der Mehrzahl so hülflos lädirt, daß es sich nicht lohnte, die Scherben alle aufzuheben; sie finden sich nur in zwei reparirten Fragmenten in β u. γ. Tafel III, Fig. 2, ist aus C entnommen und nicht die gewöhnliche Form, Fig. 2 und 3 stammen aus Urne α; sie standen neben einander. Figur 2 hat in der steilen Form Aehnlichkeit mit dem zusammengesetzten Fragment aus Urne 4. Doch ist bei diesem Fragment nicht zu erkennen, ob es auch eine Tülle hatte. Die Tüllenurne ist bis jetzt noch nicht in dieser Form im Georgium vertreten. Daselbst befinden sich zwei vasenförmige, klingend gebrannte Tüllengefäße, die mit großer Salopperie und viel Ungeschick auf der Drehscheibe gearbeitet sind, und eine nicht hellklingende freihändige Mittelform mit ganz kleiner Tülle. Die genaueren Fundorte sind undekannt, doch gehören sie nicht nach Schlesien, sondern nach Vergleichung mit meinen neuesten Funden aus Fürstensee ins Land. Eine ebenso liederlich angeknetete Tülle fand ich unter Scherben in Fürstensee (Eisen, gedrehte und freihändige Töpfe). Die tassenähnliche Form 3 ist öfter vertreten und scheint die gewöhnliche zu sein: denn zu ihr stimmen die meisten Scherben, besonders das Fragment aus Urne 2. Die Form 4 und 5, aus i und e entnommen, ist auch nicht ganz selten.
Die Beigaben sind nicht reich, wie gewöhnlich in dieser Periode. Man möchte fast mit Sophus Müller glauben, jeder Mensch habe selber für seinen Comfort im Jenseit sorgen sollen; denn der einzige kunstvollere Fund, der mit diesen Funden in Zusammenhang zu stehen scheint, ist Depotfund. Die durchgehende Spärlichkeit der Urnenfunde ist im Verhältniß zu dem Reichthum der Dépotfunde scheint mir jedoch eher mit der beginnenden Entwickelung des Erbrechts zusammenzuhängen. Es scheint, daß man hier auf einer Stufe angelangt war, wo die Furcht vor der Seele des Todten nicht mehr so stark war, daß man ihm seine volle Habe nachsandte, sondern nur, was er am Leib trug und zur Zeit seines Todes bei sich hatte. Das völlige Fehlen von Beigaben in so vielen Fällen scheint sich daraus am besten zu erklären, daß der Todte eben nichts als seine Bekleidung trug, als er starb. Auf das Nähere über die Entstehung des Erbrechts einzugehen, dessen
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Entwicklung allerdings ohne prähistorische Forschung gar nicht zu begreifen ist, muß ich mir hier versagen.
Eine Beschreibung der sämmtlichen älteren Fundobjecte des Feldes zu geben, halte ich für überflüssig. Ich wähle hier nur die charakteristischen Formen aus und zähle voll nur auf, was durch meine eigene Hand aus der Urne genommen und bei den letzten Ausgrabungen gefunden ward.
Unter dem Deckel von i fand sich ganz oben auf den Knochenresten ein bronzener Fingerring. Die sämmtlichen Urnen bei Bhd und westwärts davon waren ohne Beigabe. Der bearbeitete Feuerstein (Tafel III, Fig. 8), entweder ein schlecht gearbeitetes Speerspitzenfragment oder ein Stein zum Feuerschlagen, lag in der Nähe von Urne 1, jedoch nicht in derselben. Er hatte aber wie die anderen Feuersteinwaffen mit auf dem Brandstoß gelegen.
Die steinerne Lanzenspitze, vom Feuer arg beschädigt und mitten durchgesprungen, Tafel III, Fig. 9, war mit kleinen Fragmenten von ganz dünnem Bronzedraht die einzige Beigabe von Urne C.
Die Gruppe α, β, γ, so hart aneinander gerückt, daß nur gleichzeitige Beisetzung denkbar ist, enthielt:
α. 1) die beiden Doppelknöpfe Tafel VII, 1 und 4; 2) das verbogene Armband Tafel VI, 5; 3) die Schmuckfragmente Tafel VI, 6 und 7; 4) Bronzepartikeln, die den Knochen angeschmolzen waren; 5) die Pfeilspitze aus Stein, Tafel III, 7; 6) die zerbrochene Lanzenspitze aus Stein, Tafel III, 6.
β. 1) die beiden Doppelknöpfe Tafel VII, 2 und 3; 2) das durchbrochene Scheermesserfragment Tafel IV, 1; 3) den Pfriemen Tafel IV, 7, mit den Grifffragmenten; 6) ganz dünne Drahtfragmente; 7) die tordirten Fragmente Tafel IV, 4; 8) einen Tropfen abgeschmolzener Bronze und minimale Drahtfragmente.
γ. den Spindelstein, Tafel VII, 5.
Das Messer, welches im Brandherd gefunden ward, ist dem Tafel IV, 1 abgebildeten durchaus ähnlich. Die Nadel ist Tafel V, 2 abgebildet. Die Nadel 1 ist einmal, die Nadel 3 mehrmals unter den von Frank auf derselben Stelle gefundenen vertreten. Die schmale, dünne Dolchklinge Tafel V, 4 hat mit den anderen Dolchen des Georgiums keine Aehnlichkeit, wohl aber mit Schwertern aus Dépotfunden, denen ebenfalls die erhöhte Mittelrippe fehlt (Globzow a. d. Müritz, Wendorf).
Das Messer V, 5 mit vorgebogenem, aufgerolltem Griff ist hier nicht weiter vertreten. Das Messer V, 7 ist in dieser Form
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auch nur einmal vertreten; doch giebt es noch ein Grifffragment. Aehnlich so, nur mit der Schneide nach der umgekehrten Seite und ohne die Punzentupfen, nur durch Strichlagen am Griff ornamentirt, ist das, welches ich in Friedland von Herrn Kerkow für das Georgium geschenkt erhielt. (Fundort: Moor am Kavelpaß bei Friedland.)
Das Messer V, 6 mit dem herzförmigen Griffansatz findet sein Pendant in Tafel IV, 3 (Zechow, woselbst noch ein Fragment desselben Typus gefunden ist).
Wenden wir uns nun zu den flachen Messern mit Sförmigem, rückgebogenem Griff, welchen Sophus Müller in seiner "nordischen Bronzezeit und deren Periodentheilung" so viele Aufmerksamkeit schenkt.
Zur ältesten oder östlichen Form müßte eigentlich Messer 5 auf Tafel V gehören; denn der Griff neigt sich nach vorne. Ob die Formen mit einem Thierkopfe am Griffende älter sind oder die mit mehr oder minder aufgerollten Abschlüssen, darüber möchte ich keine Meinung aussprechen. Bei einigen schönen tordirten Halsringen des Georgiums zeigt sich die Gleichzeitigkeit und gleichartige Herkunft undedingt an der Arbeit; aber bei einem biegt das Schlußende in einen einfachen Haken um, bei dem zweiten hat dieser ein Paar Augen, bei dem dritten ein Paar Augen und einen deutlich markirten Schnabel. Wenn auch der Grundsatz richtig sein wird, daß eine lästige Nothwendigkeit den Anstoß zum Ornament giebt, z. B. Bindfadenornamente an Hohlcelten 1 ) als Reminiscenz aus der Zeit, wo das Bahnende des einfachen Celtes an den Schaft gebunden ward, oder Bandornamente aus gleicher Rücksicht auf den Tüllen von Lanzenspitzen, so halte ich es doch für falsch, die einzelnen Stücke nur nach dem Alter ihrer formbestimmenden Idee in jüngere oder ältere einzutheilen. Die Figur 35 bei S. Müller, S. 40, hat übrigens keinen einfachen Haken, sondern einen Thierkopf mit Augen und unentwickeltem Munde. Die Idee, welche durch die Messer 35 und 36 versinnbildlicht wird, ist offenbar dieselbe wie die Gravirung auf 37: nur stellt dort das Messer ein Schiff mit verziertem Borde und einer als Bugspriet dienenden Gallionsfigur dar, wie sie später die Drachen oder die "Wellenrosse" der Vikinger trugen.
Die jüngere oder westliche Form mit der rückwärts gerollten Spirale, resp. der Sförmigen Umbiegung weist zunächst das Schiff als Zeichnung auf der Klinge in umgekehrter Stellung auf, nämlich
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mit dem Kiele nach dem Rücken des Messers. Müller zählt S. 43 derartige Messer auf: in Hannover 4, Kiel 11, Jütland 7, Fünen 3, Seeland 3. Aus dem ganzen östlicher liegenden norddeutschen Gebiet ist ihm nur 1 Exemplar mit einem roh eingeritzten Schiffe bekannt, nämlich unser Kratzeburgisches von dem Grabfeld am Capellenberge Tafel VI, 2. Hätte der Bibliothekar Gentzen die Zechow=Funde nicht so ungeschickt aufgeheftet gehabt, würde dem sorgfältigen Beobachter das Messer Tafel VI, 1 (Zechow, Ausgrabung 1845, Grab 4) wohl nicht entgangen sein. "Je weiter man nach Osten kommt, desto spärlicher werden diese Messer, desto roher diese Ornamente." Roher ist nun das Zechow=Messer auf jeden Fall nicht; aber die Schiffzeichnung ist bedeutend weniger charakteristisch. Die Uebergangsform zu dem verzierten Bordrande der Messer, deren Ganzes ein Schiff bedeuten will, zeigt Tafel IV, 2, aus dem Zechow (Gräbergruppe von 11 Plätzen ohne genaue Aufzählung, aus welcher Urne die Funde stammen).
Eine Sonderung nach geradem oder rundem Rücken zu machen halte ich für überflüssig; denn die Uebergangsformen zu geraden wie zu halbkreisförmigen Messern beweisen nichts für die Provenienz. Messer mit geradem Rücken wie VI, 3 (Kratzeburg) finden sich auch im Zechow=Funde und anderswo. Auch die Umbiegung über das S hinaus wie Tafel VI, 4 (Kratzeburg) zu Tafel VI, 1 (Zechow) beweist nichts.
Nur das dürfte als feststehend anzusehen sein, daß das Schiffsornament auf Import durch ein seebefahrenes Volk hinweist. Will man nach einer religiösen Vorstellung suchen, die dem Schiffe entspricht, so bietet sich in dem Kahne des Maui bei den Maoris, der Mondsichel, die beste Deutung. Gegen Sophus Müllers Ansicht von der westlichen Importgruppe spricht das nicht, eher im Gegentheil. Nur müßte man annehmen, daß die Fundgruppe der steinumsetzten, flachliegenden (das thun auch die auf Hügeln) - Gräber Kratzeburg, Zechow, Grammertin, Rollenhagen (1860, 1878), nebst den Dépotfunden aus Wendorf (1860), Wesenberg (Pomel, 1838, Hängebecken), Weisdin (1862, Hängebecken), kurz fast das ganze Fundgebiet des Stargader Kreises ein Sammelplatz wäre, in dem sich in eigenthümlicher Weise West =, Ost= und Süd=Import vermischten. Und das ist in der That der Fall. Es kann, geographisch betrachtet, nicht anders sein.
Charakteristisch für diese Periode ist die Ornamentirung der Pincetten. Die getriebenen Buckel fehlen nicht bei Kratzeburg, Tafel VIII, 1, 2, 3 u. 4, Zechow (1845, Grab 3), Rollenhagen
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(1860). Die eingravirten Verzierungen haben mehr oder minder Aehnlichkeit mit einander. Die Punze wird seltener gebraucht als der Grabstichel.
Die Nadelformen Taf. V, 1 u. 2, sind mit Varianten im Georgium mehrfach vertreten, den breitesten Kopf hat die Nadel aus Zechow (1845, Grab II, Urne B).- Die Pfriemenform ist ungemein häufig Zechow: 8, Kratzeburg: 2, Rollenhagen 1860: 1 und auch in anderen Funden). Bei Rollenhagen (1860) fiel mir auf, daß sich da, wo die Nadel rund zu werden beginnt, ein dünner Golddraht herumwindet. Der Fund Tafel IV, Nr. 7, dessen Pendant Nr. 6 aus dem Zechow=Funde entnommen ist, erklärte mir das: es ist ein Griffende. Unter den Knochenfragmenten von Urne ß fand sich der Pfriemen 7 so, daß noch ein Stück gebogenen, papierdünnen Bronzebleches mit einem kleinen Loche an dem vierkantigen Schaftende fest saß, aber beim Herausnehmen trotz aller Vorsicht zerfiel. Am oberen Ende des vierkantigen Schaftes sitzt noch ein Stück der Füllung des Griffes. Einer dieser Pfriemen aus dem Zechow=Funde ist tordirt. Die tordirten Armring=Fragmente Tafel IV, 4 aus Urne ß finden sich in ähnlicher Weise auch in dem Zechow=Funde. Ihren Zweck mag Figur 5, unbekannten Fundorts erklären.
Das hübsch ornamentirte Armband aus dem Männergrabe a, Tafel VI, 5 nebst den Fragmenten 6 und 7 ist im Zechow=Funde nicht vorgekommen, wohl aber finden sich ähnliche Fragmente in dem Funde von Karpin (1845), auf den wir noch zurückkommen.
Die Gleichzeitigkeit der Funde aus dem sogenannten Wendenkirchof beim rothen Kruge im Zechow und der bei Kratzeburg gemachten kann wohl nicht bestritten werden, trotzdem Gentzen behauptet, zwischen den Gräbern im Zechow sei eine Differenz gewesen in den Steinsetzungen. Seine Angaben sind viel zu unpräcise, als daß sie hier Gewicht haben könnten. Die Steinwaffen, wie auch die steinerne Pfeilspitze des Fundes von Grammertin zeigen, daß wir hier noch ein reines Bronzezeitalter vor uns haben. Die beiden Funde zu Rollenhagen, welche Undset (Das erste Auftreten des Eisens in Nord=Europa S. 256) besprochen, gehören in dieselbe Kategorie. Ein Zweifel, daß diese Funde sämmtlich in die vorrömische Zeit gehören, kann nicht aufkommen.
Die Eisentheile des Karpin=Fundes, der sonst in allen Theilen mit den hier gemachten correspondirt, spricht dagegen nicht. Der Bericht des Tischlers Behrend zu Karpin (1845) lautet: "Er habe zum Bau seines Hauses die erforderlichen Feldsteine aus einem etwa 50 Fuß im Durchmesser haltenden Hügel auf der Karpiner
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Feldmark rechts von dem Wege, welcher von Karpin nach Gr.=Schönfeld führt, geholt. Beim Ausbrechen derselben sei er auf eine Brandstelle getroffen, an der südöstlichen aber auf Urnen, deren Zahl wohl zwölf erreicht haben möchte. Zum Theil hätten sie in Steinkisten gestanden, welche mit einem platten Deckstein zugedeckt gewesen wären. Die meisten aber hätten im Sande gestanden 1 ) und wären von der Last der Steine 2 ) schon zerdrückt gewesen. Aus drei Urnen hätte er den Inhalt herausgefunden, ohne jedoch die Urnen unversehrt zu bergen." Aus einer Urne ergaben sich ein flaches Messer von dem Typus 3 auf Tafel VI und eine eiserne Nadel; sie scheint denen mit schalenförmigem Kopf und Umbiegung am Halse ähnlich gewesen zu sein. Aus den beiden folgenden Urnen waren zwei Bronzenadeln herausgekommen, deren eine mit V, 1 Aehnlichkeit hat, deren andere ohne Ornamente ist. Aus Urne 5 ergaben sich Bronzefragmente mit Ornamentirung wie VI, 5, in denen zwei eiserne Niete sitzen, und ein Fragment, anscheinend von einem Tüllencelt.
Daß wir mit den Funden Kratzeburg und Zechow in einer Epoche stehen, wo die altitalische Eisencultur in hoher Blüthe stand, ist mit Sichercheit anzunehmen; für Rollenhagen (1878) hat Undset es bestätigt. Ob aber der Karpin=Fund nicht schon in die römische Zeit hinein gehört, das läßt sich kaum sagen. Vielleicht enthält er das älteste nachweisbare Eisen bei uns - aber es ist auch möglich, daß sich ältere Objecte auf spätere Zeit vererbt haben. Das ornamentirte Band mit den eisernen Nieten hat entschieden stark vom Brande gelitten, das Messer aber ist sicher wenig gebraucht. Scheinbar würde die geringe Abnutzung gegen die Vererbung sprechen, in Wirklichkeit plaidirt sie gerade dafür; denn die best erhaltenen Werkzeuge, die wir jetzt haben, erbten wir aus den Moorfunden.
Es erübrigt sich nunmehr zu untersuchen, wo diese vorrömischen Germanen, deren Reliquien uns das Langfeld aufbewahrt, gesiedelt haben.
Soweit bisher die Siedlungen der Germanen gleicher Gulturhöhe bestimmt sind, ergaben sich in der ostelbischen Ebene und auch westwärts davon die folgenden Kriterien: hohe Sanddünen, resp. auch Lehmberge mit Wasser in der Nähe, leichter Boden prävalirt. Der Volksmund nennt noch heute solche Siedelungsplätze "Burgwall". Derselbe Ausdruck wird aber auch von den wendischen Befesti=
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gungen im Sumpfe gebraucht, desgleichen von Schanzen, die nachweislich erst zur Zeit des 30jährigen und des nordischen Krieges entstanden sind.
Meklenburgische Prähistorie hat zuerst lange darunter gelitten, daß sie, einer Bezeichnung des Volkmundes nachgebend, spätgermanische Begräbnißplätze mit dem falschen Namen "Wendenkirchhof" belegte. Bei der heillosen Verwirrung, die in der archäologischen Terminologie eingerissen ist, erscheint eine Enthaltsamkeit in derartigen Kunstausdrücken als dringend geboten. Ohne auf die wendischen Befestigungen eingehen zu wollen, sei hier nur hervorgehoben, daß bei den germanischen "Burgwällen" dieser Epoche bei uns in der Regel weder etwas von Burg noch von Wall zu bemerken ist, während bei wendischen Burgwällen noch heute ein Schanzenbau vorkommt, der eine gewisse Aehnlichkeit mit den modernen Befestigungen hat. Unser Germane der Bronzeperiode siedelte gern auf freier Anhöhe, zu welcher ein fahrbarer Weg führte. Solide Blockhäuser baute er nicht, die charakteristischen "Klehmstaken" werden nicht gefunden, wohl aber Thonklumpen, die Brand gefühlt haben. Die größte Wahrscheinlichkeit hat es, daß er Zelte aus Fellen zur Wohnung benutzte. Wenn Wälle und Verhaue um den Berg gezogen waren, so wird das nur an schwächeren Stellen gewesen sein - südlichere Stämme der gleichen Zeit bauten sogar recht feste Wälle.
Benachbart dem Langfelde liegt der Capellenberg, der nach dem Schulzensee durch Einwirkung des Hakens und des Pfluges allerdings hier abgeflacht ist, auf seiner anderen Seite nach dem Krummen=See hin aber sein scharfes, altes Profil noch beibehalten hat. Der Weg von Kratzeburg nach Liepen und Adamsdorf führt über den Capellenberg. Der Krüger Wacholz zu Kratzeburg sagt aus, daß gerade hier Alterthümer in früherer Zeit gefunden seien. Der Spindelstein Tafel VII, Fig. 6 ist am Capellenberge gefunden.
Offensichtlich war einst der Zugang nach Kratzeburg und auch der nach Adamsdorf hin viel schmäler.
Sollte zu irgend einer Zeit eine Grenze mit Befestigung oder mit Wachtposten oder Wachtdörfern in dieser Gegend gezogen sein, so wäre es unbegreiflich, wenn der Capellenberg von Leuten, die überhaupt dazu Anhöhen benutzten, nicht gebraucht wäre. Er könnte sogar heute noch militairisch in Betracht kommen. - Eine wirklich große germanische Niederlassung lag auf dem sogenannten
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"Burgwalle" 1 ) nach der Pieverstorfer Grenze zu, die größte, welche ich bis jetzt gesehen habe. Steil stürzt der Berg ab in den Dambeker See nach Westen, welcher früher sicher weiter als jetzt um den Berg herumbog; nach der nordwestlichen Seite ist eine sumpfige Niederung, das "Glockensoll", "wo die Glocken versunken sind"; von da läuft eine Schlucht, die früher tiefer war, auf die noch sehr jungen Wiesen am Lehmsee hin, so daß er fast von drei Seiten von Sumpf und Wasser umgeben war. Wie die Wege aus dem Vorland zwischen Kratzeburg und der Müritz nur am Capellenberg vorbei nach Liepen und Adamsdorf führen konnten, so mußte der Weg, welcher über die zweite Furtstelle der Havelniederung bei Dambek vorbei führte, am "Burgwall" vorüber. Faßt man auf der Generalstabscharte die Wege und die beiden Punkte Burgwall und Capellenberg ins Auge, so zeigen sich beide durch den Krummen=See mit dessen unpassirbarer sumpfiger Fortsetzung zum Lehmsee verbunden. Wer von Westen her kam, mußte entweder über Dambek oder über Kratzeburg die Wege passiren, welche diese beiden Höhen decken.
Wunder nehmen müßte es, wenn nicht beide Anlagen in irgend einem Nexus 2 ) gestanden hätten, zumal wenn sich zeigen läßt, daß sie zu gleicher Zeit besiedelt waren.
Nach den vier Himmelsrichtungen hin setzte ich den untersuchenden Spaten auf der 30,000 qm betragenden Höhenfläche des Burgwalles ein und kam nach kurzem Suchen stets auf Brandstellen. Gefäßscherben bedecken die ganze Höhe; die Formen, die Ornamentirungen durch rohe Strichlagen und Fingertupfen und die ganze Art der Mache stimmt mit den Grabfunden der Gegend vom Capellenberg überein. Die Brandstellen erwiesen sich als Feuerherde. Etwa 63 cm tief kam eine dunklere, breite, verwehte Schicht, die aus Asche und Kohlentheilchen bestand, dann folgte eine schmale kohlengeschwärzte Schicht als Rest des letzten Brandes, unter dieser lag eine unregelmäßige Steinsetzung, die völlig rußgeschwärzt war. Sie hatte als Herd gedient. Darunter lag eine Kohlenschicht bis zu 1 m Mächtigkeit und etwa 1 1/2 qm Umfang. In dieser, unter den Steinen, lagen je mehr je tiefer zahllose rußgeschwärzte Scherben. Knochen fanden sich nur an einer Stelle zahlreich, in größerer Menge aber am Abhang nach dem Dambeker
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See zu. Man hatte die Abfälle, zumeist Rinderknochen, also reinlicher Weise fortgeschafft.
Neu gefunden ist auf der Oberfläche des Berges nur das Fragment einer nicht ornamentirten Zierscheibe aus Bronze. Aus einem Moderbruche nach der Pieverstorfer Seite hin ergab sich ein Dépotfund, die Schalenfibel Tafel VIII, Fig. 5, und ein tordirter Halsring.
Die Fibel, die einzige, die hier überhaupt gefunden ist, gehört in dieselbe Epoche wie der große Wendorfer Dépotfund, in dem eine ganz ähnliche vorkommt. Figur 5 zeigt den Bügel etwas nach rechts geneigt, damit die Ornamentirung voll gesehen werden kann. Im Gegensatz zu der hübschen Arbeit steht die rohe Flickstelle am Bügelende. Man hat ihn ganz ungeschickt mit überheißer Bronze angegossen, als er abgebrochen war.
Ein recht hübsches Beil aus Grünstein, mit einer begonnenen Centrumsbohrung, ist ebenfalls Moorfund von dieser Seite. Nach der Kratzeburger Seite ist ein minder geschickter Steinkeil aus ähnlichem Material ohne Bohrung gefunden. Zwei große Mahlsteine aus Granit sind am Rande des Berges selbst entdeckt und nachweislich von ihm herabgebracht.
Nach diesen Beobachtungen kann die Gleichzeitigkeit zwischen den Grabfeld= und den Burgwall=Funden und dem Wendorfer Moorfund nicht bestritten werden. Die Scherben führen allein schon den durchschlagenden Beweis. Wir kommen aber noch einen Schritt weiter mit den Funden auf dem Burgwall: er ist vor Einführung des Eisens verlassen und seit derselben nicht wieder benutzt.
Nach der Kratzeburger Seite hin fand ich andere Brandstellen. Ich führte eine Regenfurche durch einen 6 m langen und 2 m tiefen Einschnitt weiter fort. Da zeigte sich eine ca. 63 m tiefe Kohlenschicht, die vom Rande herabgefallen sein mußte. Es waren am Rande des Berges mehrere große Eichenbalken durch Feuer vernichtet und herabgestürzt. Einer derselben muß 22 cm dick gewesen sein, wie sich noch an der Faserschicht ausmessen ließ. Um auf ein festes Palissadenwerk zu schließen. dazu waren mir die schwarzen Schichten nicht fortlaufend genug.
Hierauf hin eine gewaltsame Zerstörung behaupten zu wollen, das erscheint mir viel zu gewagt; aber wo blieben die Bewohner? Wer waren ihre Nachfolger? Zwischen ihnen und den einwandernden Slaven liegt mehr als ein halbes, vielleicht ein volles Jahrtausend.
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Aus der Niederung, aus Kratzeburg 1 ) selber haben wir eine leichte Speerspitze und Bolzpfeilspitzen, wie sie in die Eisenepoche gehören, deren Urnenform durch den Darzauer Typus repräsentirt wird. In einer glänzend schwarzen Urne der Rudolphi'schen Sammlung aus der Friedländer Gegend fanden sich mehrere solcher Bolzpfeilspitzen, die Moorfunde am Kavelpasse haben noch mehrere geliefert. Wir haben hier einen starken Hinweis darauf, daß der Germane mit der schwarzen Urne, der Armbrust, den Ohrringen mit der blauen, vermuthlich auf den jüngst in Thüringen entdeckten Glashütten hergestellten, Glasperle und der la Tène - Fibel mit eingedrucktem Kreuz, schon in der Niederung gewohnt hat. Es erscheint mir im höchsten Grade problematisch, daß erst der Wende die Wiesen= und Wassercultur eingeführt haben soll.
Soweit die Forschung bis jetzt ein Recht hat, sich zu äußern, haben in Kratzeburg niemals Wenden gewohnt. Selbst der älteste Name, der seit 1256 urkundlich ist (M. U.= B. 777), ist deutsch: er heißt Werder. Um zu beweisen, daß hier je Slaven gesiedelt haben, müßten specifisch slavische Funde gemacht werden. Bis diese vorhanden sind, ist es geradezu gegen alle objective historische Kritik, anzunehmen, das Dorf Kratzeburg=Werder habe einst Wustrow geheißen.
Tafel III
Tafel IV
Tafel V
Tafel VI
Tafel VII
Tafel VIII