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VII.

Das Bisthum Schwerin

in der evangelischen Zeit.

Vom

Archivar Dr. Fr. Schildt.

II. Theil.


II. Die innere Geschichte des Bisthums.

[Fortsetzung zu Jahrbuch XLVII, S. 146 ff.]

W as unter innerer Geschichte eines Landes verstanden werden kann, scheint zwar an sich nicht zweifelhaft zu sein; doch mag hier im Interesse der Vollständigkeit und Deutlichkeit vorweg bemerkt werden, welche Grenzen der Verfasser sich bei der Behandlung dieses Abschnittes gesteckt hat.

Es sollen in den vorliegenden Zeilen alle Verhältnisse des Stiftes Schwerin an und für sich berücksichtigt werden, dagegen alle Beziehungen desselben zu ändern Staaten ausgeschlossen sein. Somit werden unter diesen Abschnitt das Verhältniß des Stiftes zu den benachbarten meklenburgischen Herzogthümern und das zum deutschen Reich nicht gehören. Freilich giebt es Ereignisse, die sowohl die innere wie die äußere Geschichte berühren. Da diese doch nur an einer Stelle Platz finden können, so wird man dem Verfasser einige Freiheit bei Vertheilung des Stoffes einräumen müssen.

Kurz gesagt, soll also in diesem Theil der Geschichte des protestantischen Bisthums eine Darstellung von der Verfassung des Landes, von seinen einzelnen Behörden und

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Instituten und von deren Wirksamkeit für sich und in Beziehung zu einander gegeben werden.

Wenn auf diese Weise der materielle Umfang dieses Capitels festgestellt ist, so bleibt noch die Frage der Zeit offen. Der Schluß der Periode ist zwar ein gegebener, da mit dem westfälischen Frieden das Bisthum definitiv zu existiren aufhörte; anders ist es aber mit dem Anfang. Denn die Frage: Seit wann war das Bischum Schwerin protestantisch? ist nicht kurzer Hand zu beantworten, da die Reformation der Kirche sich erst nach und nach vollzog. Indessen ist unbestreitbar, daß ganz Meklenburg um 1550 vorwiegend lutherisch war, und gerade das Jahr 1550 eignet sich insofern vorzüglich zum Beginn dieser Darstellung, als in diesem Jahre das Stift in der Person des Herzogs Ulrich von Meklenburg einen neuen Regenten erhielt. Hier setzen wir daher mit unserer Erzählung ein. Daß wir nicht zu spät beginnen, glauben wir behaupten zu können. Denn der Vorgänger Ulrichs, Herzog Magnus, war noch den hergebrachten Gebräuchen gemäß als ein katholischer Bischof eingeführt. Wohl war er, als er in seinen mündigen Jahren das Stift selbst regierte, ein entschiedener Anhänger der Lehre Luthers; aber seine ganze Zeit schon, wenn auch nur vorwiegend, eine protestantische zu nennen, ist man sicher nicht berechtigt. Hatte doch selbst Ulrich in den ersten Jahren seiner Stiftsregierung noch mit einzelnen katholischen Ueberresten zu kämpfen!

Während der so begrenzten Zeit, 1550 bis 1648, war die Verfassung des Stiftes denen rein weltlicher Herrschaften bis auf geringe Ausnahmen conform. An der Spitze desselben stand als nicht unumschränkter Herrscher der Bischof oder, wie später der Ausdruck vorwaltete, der Administrator. Beschränkt war die Gewalt des Administrators zunächst auf geistlichem und weltlichem Gebiet durch das Domcapitel, dann vorzugsweise auf weltlichem Gebiet durch die Stiftsritter und die Magistrate der Stiftsstädte, welche mit den Domherren die Stände des Stiftes bildeten. Zur Ausübung der landesherrlichen Befugnisse fungirten die Stiftsbeamten; aber auch Capitel und Ritterschaft hatten zur Ausübung ihrer ständischen Rechte und Pflichten Beamte im Solde. Diesen regierenden Gewalten standen die Unterthanen gegenüber, welche sich nach ihren directen Herren wieder in mehrere Gruppen sondern. Eine singuläre Stellung von größerer Selbständigkeit nahm endlich das Kloster Rühn ein. Darnach ergiebt sich die Eintheilung des vor=

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liegenden Abschnittes von selbst. Es werden nach einander behandelt werden müssen die Bischöfe, das Capitel, die Ritterschaft, die Städte, die Beamten, die Unterthanen und das Kloster Rühn.

A. Die Administratoren.

Es ist nicht die Absicht des Verfassers, zuerst eine Auseinandersetzung von der Stellung der früheren katholischen Bischöfe unseres Stiftes zu geben, um demnächst zu zeigen, wie weit die späteren protestantischen Administratoren sich von ihren Vorgängern unterschieden. Nur soviel mag angedeutet werden, daß mit Einführung der Reformation die Macht des Stiftsoberhauptes sich, mit Ausnahme des Canzellariats an der Universität Rostock, nicht mehr über die Grenzen des eigenen Landes erstreckte. Die Befugnisse, welche früher der Bischof in der ganzen Diöcese hatte, gingen in der protestantischen Zeit auf die einzelnen Landesherren über, da jeder protestantische Fürst in seinem Lande selbst Oberbischof wurde. Es dürfte für unsere Zwecke genügen, wenn nur das Amt der Administratoren möglichst genau geschildert wird. Aber auch nicht eine zusammenfassende Beschreibung soll gegeben werden, sondern wir wollen versuchen durch die geschichtlichen Ereignisse selbst die Stellung der letzten Beherrscher des Stiftes klar zu legen.

Zu dem Zwecke eignen sich nun vor Allem die Verhandlungen bei der Wahl der Bischöfe, indem durch diese deren Wirkungskreis, deren Rechte und Pflichten festgesetzt wurden. Mit den Wahlverhandlungen haben wir uns also hier in erster Linie zu beschäftigen.

Das durch die Wahl geschaffene Verhältniß war aber nicht in allen Fällen unwandelbar, sondern wurde, wie wir später sehen werden, durch die Persönlichkeiten der Administratoren selbst und durch äußere Gewalten, als da sind die Stiftsstände und geschichtliche Ereignisse, häufig geändert.

Die Zahl der Administratoren, welche in der Zeit von 1550-1648 das Stift regierten, ist nicht groß; es sind deren nur 4, nämlich 1) der meklenburgische Herzog Ulrich, hier Ulrich I. zu nennen, 2) dessen Enkel, der dänische Prinz Ulrich (II.), 3) der dänische Prinz Ulrich (III.) und 4) der meklenburgische Herzog Adolf Friedrich. Der zwar durch die Wahl zum Administrator bestimmte, aber nicht zur Regierung gelangte meklenburgische Prinz Christian wird mit seinem Vater Adolf Friedrich zugleich berücksichtigt werden,

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und der Usurpator Wallenstein, welcher wie in den meklenburgischen Herzogthümern auch eine Zeit lang im Stifte Schwerin herrschte, dürfte, wie die kurze Herrschaft der Schweden, passender Platz in der äußern Geschichte finden.

Ulrich I.

Noch ehe der Bischof Herzog Magnus gestorben war, versuchten dessen Vettern, die Söhne Herzog Albrechts VII. von Meklenburg, das Stift für sich zu gewinnen. Nach den Erbverträgen ihres Vaters und dessen Bruders Herzog Heinrichs V. sollten nämlich alle ihre Erben gleichen Theil an den heimgefallenen geistlichen Stiftern in Meklenburg haben, und das Bisthum Schwerin sahen die jungen Herzoge aus dem Grunde schon für heimgefallen an, weil Bischof Magnus "wider die Vorschriften der Kirche und die Reichsgesetze" seit 1543 im Ehestande lebte. Er habe ohnehin, meinten sie, lange genug, "um die zweinzigk jahren", das Stift besessen. Der älteste der Brüder, Herzog Johann Albrecht, wandte sich daher an den Kaiser und erreichte auch, daß derselbe von Magnus forderte, daß er nicht nur das Stift abtreten, sondern sich auch wegen seiner Einkünfte als Bischof während der Zeit seiner Ehe mit seinen Vettern abfinden sollte. Dem Capitel schrieb der Kaiser, man möchte nun einen andern Bischof wählen, bei der Wahl in erster Linie den Herzog Johann Albrecht berücksichtigen und erst, wenn dieser verzichte, dessen Bruder (Ulrich?) wählen, "der treuen Dienste halben, welche deren Vater, weiland Herzog Albrecht, und auch die jungen Herzoge dem Reiche vielfältig geleistet". Indessen kam es bei Lebzeiten des Bischofs Magnus zur Neuwahl noch nicht.

Als Magnus aber am Dienstag post conversionem S. Pauli, d. i. am 28. Januar 1 ), 1550 gegen 8 Uhr Abends gestorben war, mußte auch das Domcapitel auf eine Neuwahl Bedacht nehmen, da dieselbe nach den Statuten innerhalb 4 Wochen, also bis zum 25. Februar Abends 8 Uhr, vollzogen sein sollte.

Daher durften auch die Bewerber um das Bisthum nicht mehr säumen. Johann Albrecht leistete Verzicht, vielleicht, weil er im Herzogthum Meklenburg=Güstrow seit 1547 regierte


1) Franck, A. und N. M. giebt als Todestag den 29. Januar nach der Inschrift auf dem Monument in Schwerin an.
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und darum seinem jüngeren Bruder Ulrich, für dessen Wahl auch der Oheim Heinrich war, die Herrschaft im Stift gönnen durfte; wahrscheinlich aber nur gegen das Versprechen, daß er noch weitere 10 Jahre in Güstrow die Regierung allein führen sollte. Genug, die Herzoge Heinrich und Ulrich schickten ihre Räthe, und Johann Albrecht einen Brief zur Empfehlung Ulrichs, an das Capitel, welches am 18. Februar in loco capitulari zu Schwerin diese Bewerbung entgegennahm. Eine entschiedene Antwort gab man indessen noch nicht, da der Dekan von Pentz, welcher der "Mundmann" des Capitels genannt wird, wegen Krankheit nicht zugegen war; aber man versicherte doch im Allgemeinen, "daß einem der meklenburgischen Herzoge die Election zum Bischof nicht sollte abgeschlagen sein". Aus der Fassung dieser Antwort geht hervor, daß Ulrich nicht der einzige meklenburgische Herzog war, der sich bewarb. Wir werden später noch sehen, daß sein Bruder Georg, um 1 Jahr jünger als Ulrich und 22 Jahre alt, ihm auf das Entschiedenste Concurrenz machte. Vielleicht, um Georg zuvorzukommen, vielleicht auch, um die Wahl in der statutarisch bestimmten Frist vollzogen zu sehen, drängten die Herzoge Heinrich und Ulrich die Capitularen zur Abhaltung der Wahlversammlung. Man bestimmte dem Capitel sogar den Wahltag und die Stunde des Zusammentritts, nämlich 8 Uhr Morgens am 28. Februar, und bemerkte, daß dann auch die herzoglichen Räthe sich bei den Capitularen einfinden würden. Doch so sehr beeilten die Domherren sich nicht. Erst am 2. März versammelten sich die residirenden Canoniker im Capitelshause zu Schwerin in Gegenwart der beiden vicarii perpetui Konrad Krassow und Johann Diekmann und beschlossen die Wahl "wegen der Lutherschen Unruhen" bald vorzunehmen. Als Termin wurde dann der 22. März bestimmt, zu welchem auch die abwesenden (nicht residirenden) Domherren nach Schwerin zu kommen schriftlich geladen wurden. Doch unterdessen drang Herzog Georg mit einem Heer in das Stift ein, um gewaltsam seine Bewerbung durchzusetzen, da es ihm auf andere Weise nicht zu gelingen schien. Das Capitel floh daher von Schwerin nach Wismar und hielt dort am 18. März einen Convent, in welchem bestimmt wurde, daß die Wahl der Gefahren wegen, die zu Schwerin drohten, im Kloster der Prediger=Brüder zu Wismar stattfinden sollte. Das geschah denn auch. Am 22. März waren der Propst Dr. Joh. von Lützow, der Dekan Henning von Pentz, der Senior Petrus Conradi und die Domherren Paulus Gronemann, Nicolaus Köpke und Lorenz von Schack

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in der Kirche dieses Klosters versammelt 1 ). Nach Celebrirung der solennis missa Spiritus antiquo more catholico et latino begannen die von Pentz geleiteten Verhandlungen, in welchen weiter nichts abgemacht wurde, als daß der Wahltag auf den Montag nach Judica, 24. März verschoben sein, und daß als Notare für den Wahlact auf den Vorschlag Pentzens die discreti domini Siegfried Bundt, Priester zu Utrecht, und der Vicar Andreas Bekerer (aus Schwerin) fungiren sollten. Aber auch am 24. März kam man zur Wahl noch nicht, denn es fehlten von den Wählern zu viele. Man begnügte sich denn damit, auf die Abwesenden weidlich zu schelten, und verlegte die Wahl auf den 26. März. Dann sollte sie aber auf alle Fälle stattfinden, auch wenn einige Mitglieder des Capitels abwesend seien.

An dem bestimmten Tage versammelte man sich schon sehr früh im Kloster der Prediger=Brüder. Es erschienen: Propst von Lützow, Dekan von Pentz, Senior Conradi und die Canoniker Gronemann, Petri und von Schack. Letzterer hatte Vollmacht, auch für den nach Schwerin verreisten Köpke zu stimmen. Conradi führte das Wort; er schalt die Abwesenden, die mit Hintansetzung ihrer Pflichten die Wahl vernachlässigten, und erklärte dann, daß drei Arten der Wahl möglich seien: das scrutinium, die via compromissi und die inspiratio. Als er nun fragte, ob man das scrutimum wünsche, antworteten alle: placet. Nun wählte man zu Serutatoren den Propst, den Dekan und den Senior. Nachdem dies geschehen, forderte man die nicht zur Wahl berechtigten Anwesenden auf sich zu entfernen, und dann begann die eigentliche Wahl, welche der Reihe nach von allen anwesenden Capitularen vollzogen wurde 2 ). Der Notar verzeichnete sofort die Stimmen, welche das günstige Resultat ergaben, daß Herzog Ulrich einstimmig gewählt war.

Zur feierlichen Verkündigung des Ergebnisses wurde wieder Conradi aufgefordert. Derselbe holte dann sein Concept,


1) Außerdem waren noch zugegen "vocati ad hoc": Joachim Tidtken, Canonicus und Johann Petri, Vicarius, beide zu Havelberg. Auch der Schweriner Senior Conradi war zu Havelberg Domherr, und zwar Dekan.
2) Die Wahl von Ulrichs Vorgänger Herzog Magnus geschah so: Als die drei Serutatoren ernannt waren, erhoben sie sich von ihren Sitzen und gingen in eine Ecke des Zimmers. Hier gaben sie zuerst die eignen Vota ab, welche je zwei dem dritten abnahmen. Dann sammelten alle drei die Vota der übrigen Wähler der Reihe nach "secrete et sigil. latim coram notariis". Darauf wurden die Stimmzettel geöffnet, die Namen getreu aufgeschrieben, und endlich dieselben verlesen.
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in lateinischer Sprache geschrieben, hervor und erklärte im Namen Gottes und der Heiligen, daß Herzog Ulrich von Meklenburg u. s. w. "in ioco pro actu electionis seu postulationis legitime deputato" zum Bischof gewählt sei mit der Bedingung, "quatenus sese ad sacros ordines promoueri et iisdem insigniri procurauerit et consueta capitula et articulos ecclesie Suerinensis subscripserit et obseruare promiserit, necnon suo sigillo vna cum illustribus ducibus Hinrico patruo suo et fratribus suis ducibus Magnopolensibus sigillauerit, et non alias neque alio modo, alioquin jus de nouo eligendi seu postulandi venerabili capitulo Suerinensi salum et illesum maneat, de quo nomine, quo supra, publice et expresse protestor."

Bei der Mittheilung über das Wahlergebniß wurde Ulrich die Antwort, welche er dem Capitel geben sollte, vorgeschrieben; er sollte nämlich erklären, daß er weder zustimme noch widerspreche, sondern sich demüthig der Verfügung, der Gnade und dem Willen des Papstes unterwerfe. Das Capitel dachte also noch nicht daran, mit Rom zu brechen. Ulrich wird jedenfalls eine befriedigende Erklärung abgegeben haben; denn schon am nächsten Tage nach der Wahl wurde er vom Bischof Magnus Haraldson von Scara in Schweden, der gerade der Zeit in Wismar war 1 ), im Kloster der Dominikaner daselbst "ad omnes minores ordines unter Mitwirkung der Gnade des siebenförmigen Geistes" rite promovirt.

Dem Capitel lag nun vor Allem zweierlei am Herzen: die Bestätigung der Wahl durch den Papst und die Vereinbarung einer Wahlcapitulation mit dem Postulatus. Da aber nicht zu erwarten stand, daß die päpstliche Confirmation bald erlangt würde, und da bei der damaligen Unsicherheit aller geistlichen Stifter 2 ) das Bisthum unmöglich lange ohne eine sichere Leitung bleiben konnte, so übertrug man zunächst dem Herzog Ulrich interimistisch die Verwaltung des Stiftes. Unter der Bedingung, daß auf den beiden Stiftsschlössern Bützow und Warin neben dem Herzog je ein Domherr oder eine andere vom Capitel bestimmte Persönlichkeit residiren und dort nebst Dienern und Pferden verpflegt werde, übergab eine Deputation der Capitularen, bestehend aus dem Propst


1) Magnus Haraldson, letzter katholischer Bischof von Scara, floh bei Einführung der Reformation und soll im Exil zu Bützow gestorben und daselbst begraben sein. Handschriftliche Mittheilung an Lisch.
2) Außerdem drohte dem Stift noch immer Gefahr von Seiten Herzog Georgs.
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von Lützow, dem Dekan von Pentz und dem Domherrn von Schack, am 2. April 1550 dem Postulatus, "als einem Conservator, Schützer und Beschirmer, damit das Stift in keine Gefahr und Schaden gestellt werde", die Schlüssel zu den Schlössern und Städten Bützow und Warin 1 ).

Wie aber verhielt sich der Mitbewerber Ulrichs, dessen Bruder Herzog Georg, den oben erzählten Thatsachen gegenüber? In dem Charakter dieses kühnen, ritterlichen Prinzen lag es nicht, unthätig zuzuschauen, wo durch rasches Handeln möglicher Weise allein Befriedigung seiner Wünsche zu erlangen war. Darum fügte er sich auch nicht ohne Weiteres, als er sah, daß die Herrschaft im Stift an seinen Gegner gegeben werden sollte. Schon Anfangs März hatte Georg ein Heer in und um Rühn versammelt. Sein Bruder Ulrich suchte zwar auf friedlichem Wege sich mit ihm zu verständigen, aber er erreichte nichts, obgleich Georg in einer Unterredung zu Neukloster "freundliche Zusage gethan hatte". Auch die Vorstellungen von Seiten der Herzoge Heinrich und Johann Albrecht wirkten auf Georg nicht versöhnend, da er glaubte, der Abzug aus dem Stifte würde ihm "ganz schimpflich" sein. Uebrigens erklärte er sich zu einer Unterhandlung bereit, der er in eigner Person beiwohnen wollte; ja er bat sogar am 11. März Herzog Heinrich, er möchte nur Zeit und Ort der Zusammenkunft bestimmen. Heinrich lud ihn denn am 12. März auf den 13. nach Güstrow, wohin auch Ulrich kommen sollte. Zugleich tadelte der Oheim den Neffen, daß er "ungewarnter Sachen, ohne einige Wahrschuend fremdes Volk ins Land geführt, welches sich thätlichs Fürnehmen unterstanden".

Rechter Ernst kann es aber Georg mit seinem Anerbieten nicht gewesen sein; denn an demselben Tage, wo er sich zur friedlichen Unterhandlung bereit erklärte, forderte er die Stiftsritter auf, sich sofort am folgenden Tage "mit Harnisch und Rüstung, mit Pferden und Knechten" zu ihm nach Rühn zu begeben, da ihm "merkliche Sachen und Obliegen vorgefallen" seien, und suchte zugleich die Stadt Bützow durch einen fürchterlichen Drohbrief zur Uebergabe zu bewegen. Der Rath von Bützow schickte den Brief Georgs eiligst an Herzog Heinrich und bat um schleunige Hülfe, da sonst die Bürger die Stadt an Georg übergeben würden. Am 13. wiederholte und verstärkte Georg die Drohungen. Wenn man


1) Ueber die Uebergabe liegt ein vom Capitelssyndicus Finx beglaubigtes Dokument vor.
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ihm die Thore der Stadt nicht öffnete, schrieb er, so würde er Gewalt gebrauchen und die Stadt so feindlich behandeln müssen, "daß kein Haus beim andern soll bestehen bleiben, und das Kind in der Wiege die Gefahr des Todes stehen". Daß ein Handstreich gegen Bützow unternommen wurde, steht fest; aber gelungen ist er nicht, denn aus einem Briefe des Herzogs Franz von Sachsen=Lauenburg erfahren wir, daß Georg "Bützow mit etlichen aufzugeben (!) beschickt und darnach selbst mit Reutern und etlichen Knechten daran gewesen, aber nichts Fruchtbarliches ausgerichtet". Dieser Brief von Herzog Franz war eine Antwort auf ein jetzt nicht mehr vorhandenes Schreiben Georgs, in welchem derselbe um Zusendung von Kriegsmannschaft bat, die Herzog Franz am 18. März nicht bloß bereitwillig zusagte, sondern auch bald darauf schickte.

Aber auch die Gegenpartei blieb nicht unthätig. Die Herzoge Heinrich und Ulrich befahlen unterm 13. März, "da der Herzog von Sachsen=Lauenburg ohne Anzeige etliche Reuter und Knechte ins Fürstenthum geschickt, die sich um Bützow ins Kloster Rühn begeben und die armen Jungfrauen und andere arme Leute daselbst überfallen und das Ihre verzehren und sich täglich stärken", dem Adel des Landes sich zum Sonntag, den 23., mit Knechten und Pferden (jeder Ritter sollte 2 Knechte und 3 Pferde mitbringen) nach Güstrow zu begeben, weil man dem feindlichen Ueberfall Georgs mit gewaffneter Macht begegnen wollte. Ebenfalls verlangten die beiden Herzoge von der Stadt Rostock, "eine Anzahl Hakenschützen mit halben Haken, Pulver und Loch in Eile bereit zu halten, weil der ausgekündete, hochverpönte Landfrieden gebrochen". Die Rostocker Hakenschützen sollten bei Schwan von fürstlichen Befehlshabern in Empfang genommen und dann nach Bützow geführt werden. Aber jedenfalls gehorchte Rostock diesem Befehl nicht; denn auch Georg hatte die Stadt um Hülfe ersucht, und man wagte nicht eine entschiedene Stellung in diesem Streite zu nehmen. Daher hatten die Rostocker Georg unterm 20. März geantwortet, daß sie auch ihn als ihren Fürsten anerkenneten, dem sie eidlich verpflichtet wären. An Herzog Heinrich sandten sie einige Rathsherren nach Güstrow, um Verschonung zu bitten, aber Heinrich bestand auf seiner Forderung. Die Stadt kam deshalb wohl in eine unbequeme Lage; aber sie wußte sich doch noch zu helfen, indem sie vorerst nur das Versprechen gab, dann auch Hülfe zu leisten, wenn es die gemeine Landschaft ebenfalls thun würde. Die Stiftsritter=

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schaft war vollends in den Händen Georgs und konnte nicht einmal Partei für Ulrich ergreifen.

Während dessen wurden die Vergleichsverhandlungen ununterbrochen fortgeführt. Nachdem die Herzoge Heinrich und Johann Albrecht gemeinschaftlich sich an Franz von Lauenburg gewandt und demselben sein Unrecht vorgehalten hatten, daß er dem Herzog Georg "Hauptleute, Räthe, Hofdiener und Unterthanen" geschickt habe zum Ueberfall friedlicher meklenburgischer Unterthanen, scheint Franz sich doch mehr von Georg abgewandt zu haben. Außerdem änderte die zur Thatsache gewordene Wahl Ulrichs nicht wenig die ganze Sachlage. Als daher nun auch Markgraf Johann von Brandenburg Georg zum Vertrage aufforderte, und ebenfalls der Herzog von Pommern=Stettin sich für den Frieden bemühte, wurde auch Georg nachgiebiger und ging auf einen Vergleich ein. In Folge dessen kam am 3. April zu Schwerin ein Vertrag zu Stande, welcher mit der Stiftsangelegenheit die ganze Erbfolge in den meklenburgischen Landen ordnete. In Betreff des Stifts bestimmte dieser Schweriner Vertrag, daß Herzog Georg seine Ansprüche, zu welchen er "vermöge erlangter Begnadigung von der röm. kais. Majestät und päpstlichen Confirmation auch berechtigt zu sein verhofft", auf dem Wege Rechtes geltend machen sollte. Was bisher geschehen, solle "zu Grunde vertragen, entschieden und vergessen sein". Unterzeichnet wurde der Vertrag vom Markgrafen Johann, von den meklenburgischen Herzogen Heinrich, Johann Albrecht, Ulrich und Georg und von den Räthen des Herzogs Philipp von Stettin: Achim Maltzan und Jacob Zitzewitz.

Georg entließ darauf einen Theil seiner Kriegsmannschaft und zog mit dem Rest in das Amt Wittenburg. Auch diese "wenigen Knechte" zu entlassen, war er nicht zu bewegen, denn es möchte vielleicht bald geschehen, meinte er, "daß dieselben in andere Wege und Orte möchten ihren Weg nehmen". Daß dies geschehen und Georg später an den großem Kämpfen im Reich thatkräftig Theil nahm, ist allgemein bekannt.

Wir wenden uns nunmehr zu der Capitulation, die Ulrich als erwählter Bischof mit dem Domcapitel abschloß. Leider ist das Original derselben nicht mehr vorhanden 1 ),


1) Schon 1591, bei Abfassung der Capitulation Ulrichs von Schleswig=Holstein, suchte man vergebens nach diesem Original, das man zum Vergleich benutzen wollte. Rudloff giebt in seinem "Verhältniß zwischen dem Herzogthum Meklenburg und dem Bisthum Schwerin", Anlage VII., den Inhalt der Capitulation nach einer lateinischen Vorlage im ritter= (  ...  )
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wir kennen daher das Datum der Vollziehung und den genauen Wortlaut nicht. Daß aber die Capitulation im Mai vereinbart war, scheint aus einer Aufzeichnung des Vicars Andreas Bekerer, die derselbe als Notar machte, hervorzugehen. Darnach kamen die Domherren von Lützow und von Pentz als Deputation des Capitels mit dem Benannten Notar am 20. Mai 1550 auf die Burg zu Bützow und präsentirten Herzog Ulrich das Instrumentum postulationis mit der Frage, ob er die Wahl annehme. Nach kurzer Berathung ließ Ulrich wegen seiner Heiserkeit "durch seinen Redner" verkündigen, daß er weder zustimme, noch ablehne, sondern sich den Bestimmungen Gottes und des Papstes fügen wolle.

Diese Frage kann hier nur einen Sinn haben, wenn unter dem Instrumentum postulationis die Capitulation verstanden ist, oder wenn wenigstens vorausgesetzt wird, daß Ulrich jetzt die Bedingungen der letztern kannte, da der Postulatus ja sofort nach der Wahl schon eine vorläufig zustimmende Erklärung abgegeben hatte und in Folge dessen als Conservator eingeführt war.

Was den Wortlaut der Capitulation betrifft, so ist nicht zu zweifeln, daß das Original im Wesentlichen mit einer im hiesigen Archiv aufbewahrten lateinischen Abschrift übereinstimmte, und ebenso ist es unzweifelhaft, daß man mit den Verhandlungen um die Capitulation bald nach der Bischofswahl fertig wurde, wahrscheinlich noch vor der interimistischen Uebergabe des Stifts an Ulrich am 2. April 1550.

In dem Capitulationsinstrument bekannte Ulrich vorweg, daß er, per venerabile capitulum ecclesie Suerinensis ad episcopatum ejusdem ecclesie postulatus, wenn ihm mit Gottes Hülfe die (päpstliche) Confirmation und folglich die Possession des Stiftes zu Theil geworden, für die Integrität, die Erhaltung der Güter, der Rechte und Privilegien der Kirche und deren Personen sorgen wolle. Dann schwur er, "um Frieden, Einigkeit und Eintracht zwischen sich und dem Capitel zu nähren", indem er die Hand aufs Herz legte (tactis praecordiis), folgende Artikel zu halten:

1) Der Postulatus beansprucht für sich und sein Haus nicht ein Erbrecht im Stift, sondern garantirt in Zukunft dem Capitel die freie Wahl.


(  ...  ) schaftlichen Archiv, die vom 26. März 1550 datirt ist. Die Vorlage, welche Rudloff benutzte, stimmt mit der lateinischen Abschrift des hiesigen Archivs überein.
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2) In Bützow sollen täglich, wie hergebracht, aus den bischöflichen Mitteln 12 Arme gespeist werden.

3) Ulrich will seine bischöflichen Officien selbst verrichten oder durch einen tauglichen Suffragan verrichten lassen, er will den Ritus und die Ceremonien der katholischen Kirche wahren und die Kirche nur "in habitu, quem religionem appellant", betreten.

4) Dem Stift sollen keine neuen Lasten auferlegt werden.

5) Die Rechte, Jurisdictionen, Freiheiten, Privilegien, Statuten und Gewohnheiten der Geistlichen und sämmtlicher Bewohner des Stifts sollen erhalten bleiben

6) Ohne Zustimmung des Convents der Capitularen will Ulrich weder dem Bischofsamte entsagen, noch einen Coadjutor bestellen.

7) Er will in eigener Person die Burgen des Stifts regieren und nur im äußersten Notfall, und auch dann nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Capitels, einen Hauptmann oder Vogt auf die Burgen setzen.

8) Alle bischöflichen Beamten und Diener, sowie alle Vasallen des Stifts, die Rathmänner und Bürger von Bützow und Warin und andere Unterthanen sollen eidlich dem Bischof und dem Capitel verpflichtet werden.

9) Auf den Burgen zu Bützow und Warin sollen je ein oder zwei Capitularen wohnen und mit 2 Dienern und 3 Pferden verpflegt werden. In Bützow dient zu dem Zweck das neue Haus, die Ravensburg. Der Capellan zu Bützow erhält in seiner Abwesenheit 60 Mk. Lüb., der zu Warin im gleichen Falle 20 Mk. gut Geld. In Abwesenheit des Bischofs sorgen diese Canoniker für die Sicherheit der Burgen, und deshalb schwören sie dem Bischof und dem Capitel.

10) Wenn ein Canoniker aus Furcht vor Gewaltthätigkeiten in seiner Präbende nicht zu residiren wagt, so soll er auf den bischöflichen Burgen Schutz und Verpflegung finden.

11) Alle Güter und Kleinodien auf der Burg Bützow sollen erhalten bleiben.

12) Die Capitularen sollen am Einfordern ihrer Präbenden und Beneficien nicht gehindert werden.

13) Bei Aufständen der Unterthanen können die Capitularen und deren Boten ihre Zuflucht zur Burg Warin nehmen, und sie sollen dort honorifice et decenter empfangen werden.

14) Ulrich will infra tempus debitum die Bestätigung der Postulation durch den Papst auf eigne Kosten erwirken,

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doch sollen ihm dazu die gewohnheitsmäßigen Unterstützungen von Seiten der Kleriker und Unterthanen zu Theil werden.

15) Alle wichtigen Verhandlungen und besonders alle neuen Auflagen werden nur mit Beirath und Zustimmung des Capitels geschehen.

16) Ulrich will sich keine Jurisdiction über die Canoniker und andern Geistlichen des Stifts anmaßen.

17) Die Testamente der Canoniker und der Geistlichkeit überhaupt sollen respectirt werden.

18) Vicare und Beneficiaten werden in ihren Rechten geschützt werden.

19) Der Bischof will auf alle Fälle durch diese Verpflichtungen gebunden sein und selbst nicht eine Lossprechung des Papstes annehmen.

Unterschrieben war das Document:

Ego Ulricus ecclesie Suerinensis postulatus et dux Magnopolensis, prout supra, juro et servare promitto.

Auffällig ist bei diesem Vergleich zunächst die übergroße Sorgfalt der Domherren für sich und für alle Geistlichen. Um ihre Rechte zu sichern, wird im Grunde die ganze Capitulation abgeschlossen. Alle ihre Besorgnisse werden auf das Genaueste specificirt, während dem ganzen Stift gegenüber der neue Bischof sich nur im Allgemeinen verpflichten muß. Dann aber befremdet es geradezu, daß man noch gar nicht einsah oder nicht einsehen wollte, wie weit man sich bereits von Rom entfernt hatte. Den Ritus und die Ceremonien der katholischen Kirche zu wahren, soll sich Ulrich verpflichten, und ebenso die Bestätigung des Papstes nachsuchen. Man hätte wissen müssen, daß keins von beiden mehr möglich war. Doch auch Ulrich scheint bona fide diese Versprechungen gegeben zu haben, wenigstens gab er sich die möglichste Mühe die Confirmation des heiligen Vaters zu erlangen. Aber hier handelte er vielleicht nicht freiwillig; denn das Capitel machte die Confirmation zur Bedingung der definitiven Einführung des Bischofs.

Ulrich wählte zu seinem Gesandten nach Rom den Aegidius Ferber. Am 17. October 1550 wanderte derselbe mit einem Reisegeld von 56 blanken Thalern von München ab nach Süden. Die Reise Ferbers ist höchst charakteristisch für die damalige Zeit; wir erzählen sie deshalb etwas ausführlicher. Der Weg ging von München nach Augsburg, denn dort sollte der Gesandte vom Bischof Cardinal Otto Truchseß von Waldburg Empfehlungsbriefe an

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den Papst erhalten, und dann weiter nach Trient, von wo aus ihn ein Agent nach Rom geleiten sollte, Ferber wartete auf diesen Agenten volle 14 Tage in Trient und zog dann mit demselben weiter nach Mantua. Hier wurde er nun von seinem Führer treuloser Weise verlassen und irrte daher im fremden Lande lange umher, bis er endlich in Rom ankam, aber ohne alle Mittel. Denn sein von München mitgenommenes Reisegeld und dazu 40 Thaler, welche ihm der Cardinal Bischof Madruzzi in Trient verehrt hatte, waren auf der Reise völlig verzehrt worden. Zum Glück fand Ferber zu Rom im Hause des Bischofs von Lübek gegen ein verabredetes Kostgeld Aufnahme. Es war nun seine nächste Sorge, Geld aus der Heimath zu bekommen, und Ulrich schickte auch bald darauf über Augsburg 50 Dukaten und Pfingsten 1551 wieder 70 Kronen. Später kamen noch 28, dann 50 Kronen, und zuletzt, im September 1551, brachte der Agent des Cardinals von Trient mit einem Schreiben Ulrichs 113 Kronen. Man sollte meinen, daß Ferber mit all dem Gelde selbst die Thore zum Vatikan sich hätte öffnen können, aber weit gefehlt: er erreichte auch hiermit noch gar nichts. Im Jahr 1552 schrieb er, daß es mit seiner Mission noch schlecht stehe, und daß trotzdem das Geld verbraucht sei. Er sei 24 Wochen in Rom krank gewesen, und deshalb sei seine Baarschaft darauf gegangen. Nun wurde aber Ulrich mißtrauisch und schickte nichts mehr. Auf wiederholtes Bitten von Seiten Ferbers forderte der Herzog im Frühling 1553 Abrechnung, Ferber sollte kein Geld mehr erhalten; doch wollte Ulrich jedem Vermittler, den der Gesandte in Anspruch genommen, nebst einem Dankschreiben soviel zukommen lassen, wie ihm versprochen worden. Indessen sollte wegen der Armuth des Stifts, das in den letzten Jahren durch Krieg gelitten habe, eine Abminderung der geforderten Summen erstrebt werden.

Unterdessen bot sich ein Anderer, der sich Christoph von der Straße nannte, von Berlin aus Ulrich zum Agenten in Rom an, indem er seine Connexionen in Rom selbst, sowie an den Höfen des Kaisers und der Kurfürsten rühmte. Ulrich ließ sich aber vernünftiger Weise nicht mit diesem Aufdringling ein 1 ).


1) Was Ferber betrifft, so zeigte er mit vieler Freude das Schreiben Ulrichs, in dem ja Geld versprochen war, den einflußreichen, geldgierigen Römlingen; aber man glaubte nicht mehr, daß man jemals von einem so schlechten Zahler Geld zu erwarten hätte, sondern beschuldigte ihn vielmehr, den Brief gefälscht zu haben, und warf ihn ins Gefängniß, aus welchem ihn jedoch zu seinem Glück der Rostocker Bürger Hassebek Krohn durch (  ...  )
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Nachdem Ulrich mit Rom so traurige Erfahrungen gemacht hatte, gab er den Wunsch, vom Papst bestätigt zu sein, ganz auf. Er konnte das um so leichter, da er bereits seit einigen Jahren im vollen Besitz der Rechte eines Stiftsregenten war.

Als man nämlich im Stift zwei Jahre vergebens auf die Confirmation gewartet hatte, beschloß man dem unerträglichen Zustand des Interregnums ein Ende zu machen. Es wurde deshalb ernstlich verhandelt, unter welchen Bedingungen Ulrich von den Stiftsständen ohne Confirmation die Huldigung empfangen könne. Leider sind die Nachrichten über diese Verhandlungen nur ganz lückenhaft, da nur wenige kladdeartige Aufzeichnungen aufbewahrt sind. Doch geht aus diesen so viel hervor, daß die Stände versuchten, aus dem Umstand, daß sie zur Huldigung vor der Confirmation nicht verpflichtet waren, Capital zu schlagen. Alle verhandelten daher und forderten vorher Zusicheruna ihrer "Privilegien, Freiheiten und Gerechtigkeiten" im Allgemeinen, während einzelne Ständemitglieder noch besonders die Gewährung specieller Wünsche erstrebten. Darum wies man auf das Ungewohnte einer Huldigung vor der Confirmation hin. Aber Ulrich entgegnete, daß auch in andern protestantischen Stiftern nicht päpstlich bestätigten Bischöfen gehuldigt worden sei. Der Stiftsadel stellte als Bedingung die Wiedereinsetzung der ihrer Güter beraubten Lehnsmänner, namentlich der von Bülow zu Prüzen und Zibühl wegen eines Sees, der von Moltke und der von Platow wegen des Gutes Lenz. Auch die von


(  ...  ) Geld erlöste. Nun rieth man Ferber aber ernstlich seiner Schulden wegen aus Rom zu fliehen, und diesem Rath folgte er. Mit vielen Mühen und Gefahren hatte er sich endlich vermittelst Anleihen und Bettelns bis nach Meklenburg durchgeschleppt und forderte hier nun von Ulrich neben einem Jahreshonorar von 20 fl., zahlbar seit dem Jahre 1550, Bezahlung seiner Auslagen und seiner Schulden. Daß seine Mission ohne Erfolg gewesen, komme daher, daß er nicht genug zu Geschenken gehabt, und daß seine Gegner in Rom erzählt hatten, der Herzog Ulrich sei ein Lutheraner.
Im December 1554 erschien der Wirth Ferbers aus Rom in Schwerin, um seine Forderung einzucassiren; jedenfalls mußte er aber lange vergeblich "in der Herberge" warten, da die Abrechnung am 25. December 1555 noch nicht gestehen war. Verweigert hat Ulrich die Zahlung nicht; aber er behauptete immer, daß die Forderung Ferbers zu hoch sei. Andere Gesandte hätten jährlich 100 Thaler bekommen, Ferber aber 2 bis 3 Mal so viel und habe doch noch große Schulden gemacht. Endlich wurde von Ulrich ein Termin der Abrechnung in Tempzin festgesetzt; weiter berichten die Acten über diese Angelegenheit nichts. Ferber war indessen wieder aus aller Noth; denn er stand jetzt im Dienst des Herzogs Johann Albrecht als Secretair.
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Rohr wollten bei diefer Gelegenheit die Siegel und Briefe über Keez, welche bei der (Kirchen=) Visitation (von 1541?) abgefordert waren, wieder gewinnen. Ulrich entgegnete diesen Forderungen, daß die Privatangelegenheiten besser nach der Huldigung geordnet werden könnten, und bestimmte zu dem Zwecke den Termin in nicht allzu ferner Zeit. Vielleicht beruhigte das zunächst.

Die Klerisei zu Bützow sperrte sich ganz und gar, da sie sonst nicht gehuldigt hätte. Doch knüpfte sie an diese Ablehnung die Bitte, es möchten ihre Bauern von ungewöhnlichen Diensten entfreit werden, woraus man wohl schließen darf, daß sie doch zu Verhandlungen bereit war.

Jedenfalls ist die Huldigung im Herbst 1552 geschehen, wie aus den Vermerken auf den Rückseiten der Huldigungsformeln für die Stadt Warin und die Ritterschaft zu ersehen ist. Nach allen vorliegenden Formularen versprachen die Stände eidlich, dem Herzog Ulrich als Postulaten des Stifts getreu, hold, gehorsam und dienstgewärtig zu sein, dessen Nutzen zu fördern und dessen Schaden zu verhüten, sich in keinen Handel oder Tractat gegen ihn einzulassen, ihm in redlichen Kriegssachen mit Rath, Hülfe, That und Beistand zu erscheinen, seine Geheimnisse niemand zu offenbaren und überhaupt so zu handeln, wie es Lehnsmännern und Unterthanen gewohnter Maßen gebühre. Die Schlußformel des Eides lautete: "So wahr Gott und sein heiliges Wort mir (uns) helfen soll."

Somit war denn Herzog Ulrich endlich Landesherr des Stifts geworden, wenn auch nicht, wie zuerst beabsichtigt, bestätigter Bischof. Er gab denn auch bald sein Streben nach der katholischen Bischofswürde auf und führte als Regent des Stifts den einfachen Titel eines Administrators. Sein Wirkungskreis als Regent war durch die Capitulation allerdings nicht wenig eingeschränkt, aber in jenen Zeiten galt die Persönlichkeit noch mehr als jetzt, und auf sie kam es vorzugsweise in der Praxis an. Ulrich war aber ein Fürst, der schon durch seine Herrschaft in Meklenburg den kleinen Mitregenten im Stift imponiren mußte, und ein Charakter, der sich von seinen bewußt gewählten Zielen nicht abbringen ließ.

Zunächst hatte indessen Ulrich noch keinen Theil an der Herrschaft im Meklenburgischen, er konnte also sein ganzes Interesse dem Stift Schwerin allein zuwenden. Er schlug nun seinen Wohnsitz auf der Bischofsburg zu Bützow auf und behielt diese als Residenz selbst noch eine Zeit lang, wenigstens noch 1556, bei, als er schon in Meklenburg=Güstrow

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(seit 1555) regierte. 1558 war Güstrow sicher die Residenz des Herzogs.

Mit dem Beamtenpersonal, das Ulrich I. vorfand, nahm er eine Veränderung nicht vor. Der erste Stiftsbeamte war damals der Stiftshauptmann, als welcher seit 1546 der Stiftsritter Jürgen Wackerbarth, auf Katelbogen, Gralow, Moisall und Steinhagen erbgesessen, ein verständiger Mann, mit Umsicht wirkte. Derselbe stand 1550 in dem besten Mannesalter von etwa 35 Jahren; denn 1583 sagte er selbst in einem Zeugenverhör, daß er näher an 70 als an 60 Jahren wäre. Er hat unter Ulrich I. noch lange sein Amt verwaltet, denn noch 1586 war er nachweislich Stiftshauptmann. Sein Nachfolger wurde Wedige Leisten, dessen Name uns zuerst 1591 und zuletzt 1607 in den Acten begegnet. Der Stiftshauptmann wurde bei den mannigfaltigsten Angelegenheiten amtlich in Anspruch genommen; er führte die Oberaufsicht über die bischöflichen Aemter Bützow, Warin und die Seedörfer, controlirte das Finanzwesen, war landesherrlicher Commissarius auf den Stiftstagen und nahm an allen Regierungsgeschäften Theil, so oft es verlangt wurde. Sein Wohnsitz war in der Stiftshauptstadt Bützow. Wenn so der Stiftshauptmann die Hauptstütze Ulrichs in seinem Stiftsregiment war, so konnte doch in allen Fällen eine einzige Persönlichkeit nicht genügen. Ulrich gebrauchte sicher in den wichtigsten Fragen den Rath mehrerer einsichtsvoller Männer; die Namen seiner Räthe aus der ersten Zeit sind aber dem Verfasser nicht bekannt geworden. Seit 1555, wo Ulrich auch in Güstrow herrschte, standen ihm die dortigen Räthe auch in Stiftsangelegenheiten zu Gebote, und es waren in solcher Weise thätig Dr. Johann Bouke, in Billwärder ansässig, Dr. Borchardt, Dr. Georg Kummer, der Rentmeister Gabriel Brokmann, der Herzogliche Rath und Canonicus Joachim von Wopersnow, Otto von der Lühe, Dr. Jesaias Hoffmann, die Kanzler Dr. Heinrich Husanus und Dr. Jacob Bording, Joachim v. d. Lühe, Dr. Veit Weißheim, Dr. Bartholomäus Klinge und der Rostocker Professor Dr. Ernst Cothmann.

Ulrich I. hatte als Herzog von Meklenburg=Güstrow um so weniger Veranlassung, sich mit einem besonderen Collegium von Stiftsräthen zu umgeben, als er das Stift Schwerin nie als einen eignen Reichsstand angesehen wissen wollte, sondern dasselbe jeder Zeit für ein "incorporirtes Gliedmaß" von Meklenburg hielt. Daher gab er seinem Stift trotz der häufigen bezüglichen Anträge der Stände kein eigenes Obergericht und führte meklenburgische Verordnungen ohne Weiteres

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auch im Stifte ein. So wurde die meklenburgische Polizei= und Landordnung von 1572 einfach im Namen der meklenburgischen Herzoge im Stift publicirt und ungeachtet der unablässigen Forderung der Stiftsstände, daß die Publication wenigstens im Namen Ulrichs als Administrators nöthig sei, daran jedenfalls bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts nichts geändert. Auch die Stiftssteuern, zu deren Erhebung ein Stiftsmonitor angestellt war, wurden nach Güstrow abgeliefert. Daß das Kirchenregiment für das Stift indessen ein selbständiges war, werden wir weiter unten sehen.

In den Domänenämtern besorgten die Verwaltungsgeschäfte und die niedere Gerichtsbarkeit Amtleute, Küchenmeister und Amtsschreiber und, zeitweilig mindestens, ein Amtsnotar. Mitunter hatten die beiden Aemter Bützow und Warin einzelne Beamte gemeinschaftlich. Der Schelfvogt zu Schwerin wirkte als Verwaltungsbeamter und Richter zugleich, in Bützow und Warin gab es für die niedere Gerichtsbarkeit Vögte, deren Functionen übrigens auch die Domänenbeamten mit verrichten konnten.

Das Cassenwesen im Stift ist sowohl wegen der Verpflichtungen dem Reiche, dem Kreise und den meklenburgischen Herzogthümern gegenüber, als auch wegen eines Theiles der Einnahmen, besonders derer, die durch die Officialeien zu Rostock und Waren und durch die Collectorei zu Stralsund erhoben wurden, so sehr mit dem anderer Staaten verflochten, daß es am passendsten in der äußern Geschichte des Stifts behandelt wird. Wie hoch der reine Ertrag aus den bischöflichen Aemtern sich belief, läßt sich auch nicht annähernd bestimmen, da die pflichtmäßigen Pächte und Zehnten der Bauern nur unvollständig und ungenau angegeben sind, und außerdem ein großer Theil derselben wegen der vielen wüsten Hofstellen und wegen der Armuth der vorhandenen Bauern ganz gewiß nicht einging.

Ulrich I. starb am 14. März 1603 des Morgens zwischen 3 und 4 Uhr und wurde am 14. April (Donnerstag vor Palmsonntag) in Güstrow beigesetzt. Unter den fürstlichen Personen des Leichengefolges ging auch des Verstorbenen Enkel und Nachfolger im Stift neben dem meklenburgischen Herzog Adolf Friedrich; das Domcapitel hatte nach dem Programm seinen Platz im Zuge zwischen den Landräthen und den Mitgliedern der Universität; mit unter den Letzten des Gefolges sah man einige Conventualinnen des Klosters Rühn. Das war die letzte Ehre, welche die Vertreter des Stifts ihrem langjährigen Herrscher erwiesen.

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Ulrich II.

In Ländern, in welchen kein Fürstengeschlecht nach Erbrecht regiert, muß selbstverständlich in unruhigen, gefahrvollen Zeiten Jeder, der geordnete Verhältnisse zu erhalten wünscht, besorgter sein um die Zukunft, als anderswo. Im Stift lag diese Sorge vor Allem dem Domcapitel ob, da die Erhaltung des Bestehenden dessen eigenstes Interesse forderte. Um der Gefahr des Interregnums zu entgehen, sah man sich deshalb früh nach einem Nachfolger Ulrichs um. Schon im Herbst 1586 schickte das Capitel seine drei ersten Mitglieder mit einem Schreiben an Herzog Ulrich, in welchem es vorstellig machte, es sei notorium, wie jetzt allenthalben "nach den Bisthümern und (andern) geistlichen Stiftern practicirt würde, so daß dieselben fast mehr durch Gewalt und ungeziemende Practiken, als durch ordentliche Wege occupirt würden". Damit aber das Stift Schwerin auch nach Ulrichs Tode bei seinen Würden, Freiheiten und Gerechtigkeiten, so viel möglich, erhalten bliebe, so stellten die Capitularen in Ulrichs Bedenken, wie dem auch ihrem Stift drohenden Unheil vorzubeugen sei. Nun war damit zwar zunächst noch nicht gemeint, daß schon ein künftiger Bischof gewählt werden sollte, sondern man wünschte nur, daß die Stiftsamtleute gemäß der Capitulation Ulrichs und der alten Gewohnheit gegen das Domcapitel verwandt, d. h. eidlich verpflichtet, werden sollten. Aber das Erkennen der drohenden Gefahr legte doch auch bald den Gedanken nahe, sich durch die Wahl eines Nachfolgers Ulrichs zu sichern.

Daß das herzogliche Haus Meklenburg ein größeres Recht an das Stift beanspruchte, als andere, kann uns nicht befremden; war doch das Stift im Grunde ein meklenburgischer Landestheil! Meklenburg wollte sich daher auch für immer vertragsmäßig die Nachfolge im Stift sichern und forderte von den Domherren das Versprechen, daß nur ein meklenburgischer Prinz zum Administrator gewählt werden solle. Die Domherren waren auch nicht abgeneigt, sich eine solche Beschränkung in der Wahl aufzulegen; denn sie waren als Meklenburger lieber ihrem angestammten Fürstenhause unterthan, als Fremden, und sie sahen vor Allem recht gut ein, daß die Erhaltung eines guten Verhältnisses zum Hause Meklenburg für das Stift wegen seiner Lage eine Nothwendigkeit war. Indessen wollte man so ein Zugeständniß doch nicht ohne Gegenleistung machen, besonders aber die eignen

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Rechte auf das Bündigste garantirt wissen. Daher gingen die Verhandlungen nicht rasch von Statten.

Nun hatte aber die an den König Friedrich II. von Dänemark verheirathet gewesene Tochter Ulrichs, die Königin=Wittwe Sophie, das Stift als eine gute Versorgung für einen ihrer Söhne sich ausersehen, und man konnte ihr nicht verdenken, daß sie den Enkel zum Erben des Großvaters machen wollte. Säumen durfte sie aber nicht; denn die Nachfolge eines ihrer Söhne war am leichtesten und vielleicht überhaupt nur zu erreichen, so lange ihr Vater im Stift regierte und mit seinem ganzen Einfluß für den Enkel eintreten konnte. Darum stellte sie auch im Jahre 1590 ihrem Vater bei einer Zusammenkunft in Wolfenbüttel ihre Wünsche vor, und Ulrich gab ihr "väterliche Versprechungen".

Unterm 25. August desselben Jahres sandte die Königin Sophie durch den Schweriner Propst Heinrich von der Lühe 1 ) ein Schreiben an Herzog Ulrich, um denselben an das zu Wolfenbüttel gegebene Versprechen zu erinnern. In einem gleichzeitigen Briefe an den genannten Propst versprach die Königin, daß bei Lebzeiten Ulrichs dessen Einkünfte aus dem Stift durch den zu wählenden Coadjutor nicht verkürzt werden, und daß die Wahl nichtig sein solle, wenn Ulrich, der sich 1588 in zweiter Ehe mit der Prinzessin Anna von Pommern=Wolgast vermählt hatte, noch mit männlichen Leibeserben gesegnet würde. Ja, sie fügte sogar hinzu, daß sie noch auf andere Bedingungen, die etwa das Capitel stellen möchte, eingehen wurde, und daß sie auch für eine würdige Erziehung ihres Sohnes sorgen wolle. Das konnte nun sowohl den Administrator als das Capitel zufrieden stellen. Das Capitel mußte um so mehr sich auf die Seite eines dänischen Prinzen neigen, weil unter seiner Regierung die Selbständigkeit des Stifts wahrscheinlich eher erhalten blieb als unter der eines Meklenburgers, und das meklenburgische Herzogshaus ließ sich am Ende doch die Wahl des verwandten dänischen Prinzen lieber gefallen, als die eines ganz fremden. Die Domherren beschlossen also, auf dem nächsten Stiftstage, 1. September 1590, über diese Angelegenheit vorläufig zu sprechen.

Administrator Ulrich selbst war aber zu sehr Patriot, als daß er völlig diese geplante Wahl billigen konnte. Sein Wolfenbütteler Versprechen bereute er bereits, da er


1) Von der Lühe war zugleich braunschweigischer Rath und Oberhauptmann des Stiftes Halberstadt.
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am liebsten, wie er selbst bekannte, einen meklenburgischen Prinzen gewählt sehen wollte. Doch, da schon der verstorbene König Friedrich von Dänemark ihn gebeten habe, an seine Söhne zu denken, und da jetzt auch seine Tochter Sophie, vereint mit dem Capitel, denselben Wunsch ausspräche, so wolle auch er damit einverstanden sein; das Capitel möchte sich nur officiell erklären.

In Folge dessen beschloß das Capitel in pleno consilio am 24. September 1590, daß der dänische Prinz Ulrich, geboren am 30. December 1578, gewählt werden solle, wenn er sich verpflichtete, die bei einem Stift Augsburgischer Consession gewöhnliche Capitulation zu unterschreiben, und theilte dessen Großvater sofort das Resultat der Berathung mit. Bischof Ulrich antwortete unter demselben Datum, es möchten in die Capitulation folgende drei Bestimmungen aufgenommen werden:

1) daß die jetzige Wahl dem fürstlichen Hause Meklenburg nicht präjudicirlich sein, 2) daß während seiner Lebenszeit er allein das Stift beherrschen und alle Einkünfte aus demselben genießen, und 3) daß die Wahl Ulrichs von Dänemark hinfällig sein solle, wenn er selbst, Ulrich von Meklenburg, noch mit männlichen Leibeserben sollte gesegnet werden. Er erklärte dazu, daß er zwar die Nachfolge im Stift nicht für erblich halte, daß er aber glaube, das Capitel wähle am liebsten einen Sohn von ihm.

Das Capitel erwiderte ebenfalls unterm 24. September, die erste Bedingung könne nicht in die Capitulation aufgenommen werden, weil das Capitel über dieselbe die Entscheidung nicht hätte, gleichfalls wäre die dritte nicht geeignet zur Aufnahme, weil sich das Capitel dadurch der freien Wahl begäbe; die zweite Bedingung wäre billig und sollte berücksichtigt werden.

Die Königin Sophie hingegen billigte alle drei von ihrem Vater gestellten Bedingungen, und auch der junge Herzog Ulrich, welcher damals in Helmstedt studirte, war mit denselben einverstanden. Er schrieb, hocherfreut über den Fortgang der Wahl, an seinen Großvater, er wolle in seinen Studien so fortfahren, daß Letzterer "darob ein gemenen frolocken vnd wohlgefallen haben und dragen" solle.

Im Allgemeinen waren also alle betheiligten Personen mit der Wahl einverstanden, doch handelte es sich nun erst um die Vereinbarung der Wahlcapitulation. Herzog Ulrich von Meklenburg - wir nennen ihn von jetzt ab zum Unterschiede von seinem Enkel (Ulrich II.) Ulrich I. - beauftragte

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seinen Kanzler Jacob Bording, den Dekan Otto Wackerbarth zur Aufstellung der Capitulation zu bewegen. Am 12. Dec. 1590 wurde das Instrument bereits an Ulrich I. übersandt mit der Bitte, er möge bestimmen, ob es der Mutter des Postulaten oder dem unmündigen Prinzen selbst zur Unterschrift übergeben werden, und wo und wann das sein solle. Doch soweit war es nun freilich noch nicht. Bording äußerte allerlei Bedenken über die Capitulation: die Bestimmungen über Jurisdiction, Administration der Stiftsgüter, Bestallung der Amtleute u. a. wären nicht den Vereinbarungen gemäß ausgefallen. Darum verweigerte Ulrich I. die Vollziehung, und die Verhandlungen begannen von Neuem.

Die Hauptschwierigkeit machten die Wünsche der Capitularen, daß Ulrich I. und Sophie von Dänemark bis zur Volljährigkeit Ulrich II. einen Revers ausstellen sollten, in welchem sie die spätere Vollziehung einer am 13. Januar 1591 fertig gewordenen Capitulation oder einer solchen, wie sie in Bremen, Lübek und Ratzeburg gebräuchlich, durch Ulrich II. garantirten und zugleich dem Capitel die früher Kloster=Reinfeldschen, in Meklenburg gelegenen Dörfer Wichmannsdorf und Uelitz, welche die dänische Krone sich angeeignet, als ein erbliches Lehen verschafften. Ulrich I. hob mit Recht hervor, er kenne die Capitulationen von Bremen, Lübek und Ratzeburg nicht und könne sie darum unmöglich seinem Enkel aufdringen, und die Dörfer Wichmannsdorf und Uelitz besitze er nicht, darum dürfe er sie auch nicht verschenken. Endlich gab das Capitel nach, und Ulrich I. und Sophie stellten am 27. April 1591 zu Boizenburg, wohin auch Propst Wackerbarth eingeladen und gekommen war, einen Revers aus, daß Ulrich II. beim Eintritt seiner Volljährigkeit die am 13. Januar 1591 vereinbarte Capitulation unterschreiben 1 ), daß im Falle eines frühen Todes Ulrichs I. das Capitel bis zum 18. Lebensjahre Ulrichs II. im Stift regieren solle, und daß man dem Capitel zur Erlangung der beiden Reinfeldschen Dörfer behülflich sein wolle.

So kam denn die Angelegenheit endlich zu Stande. Ulrich I. übersandte schon am 7. Mai das documentum postulationis an die Königin Sophie, und diese bezeugte am 15. Mai, daß sie dasselbe empfangen habe.

Die nächste Sorge war nun die Confirmation des Kaisers zu erlangen, an die des Papstes dachte man nicht mehr. Bischof Ulrich empfahl seiner Tochter, vorerst die Bestätigung


1) Die Capitulationen von Bremen, Lübek und Ratzeburg fielen weg.
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ihres Sohnes zum Coadjutor zu erbitten, nach seinem Tode möchte man dann die Confirmation des Successors zu erwirken suchen. Es scheint fast, als ob Ulrich I. ein kaiserlich bestätigter Nachfolger unbequem war. Aber auch am kaiserlichen Hofe ließe sich, wie Ulrich meinte, "ohne Verehrung" nichts ausrichten.

In einigen Jahren erfahren wir dann über den Stand dieser Angelegenheit nichts; erst aus dem Jahre 1595 liegen wieder Nachrichten vor. Man war wieder nicht einig wegen der Capitulation, die nach einem Schreiben des Capitels an Ulrich I. vom 23. December 1595 wegen der Minderjährigkeit Ulrichs II., wegen der Uelitzer Güter und aus andern Gründen nicht vollzogen war. Die Königin Sophie schickte deshalb in dem genannten Jahre als Gesandte Hans Blume, Dr. Ludwig Pinziers und Apitz von Grunenberg zu Verhandlungen nach Bützow. Am 7. December (Sonntag nach Nicolai) kamen die Dänen dort an, und sogleich am andern Morgen erhielten sie Audienz bei Ulrich in Gegenwart von dessen Kanzler und einigen Räthen. Die Hauptdifferenz bestand in Hinsicht der Jurisdiction im Stift. Uebrigens wurden die Gesandten freundlich aufgenommen und noch am Montag im bischöflichen Schlosse einquartirt. Am Dienstag war Verhandlung mit den Abgeordneten des Capitels: Propst Otto Wackerbarth, Dekan Ludolf von Schack und Domherrn Joachim von Bassewitz, welche sich zur Unterstützung Dr. Daniel Zöllner aus Lübek und Dr. Nordanus aus Rostock mitgebracht hatten. Die Dänen überreichten ihre Vollmachten, man gab sich gegenseitig allgemeine Versprechungen und ließ sich auf Weiteres nicht ein. In der nächsten Versammlung am Mittwoch Nachmittag übergaben die Capitularen ihre Bedenken, welche sie zu Papier gebracht hatten, auch legten sie eine Abschrift der vom Herzog Christoph unterschriebenen Ratzeburger Capitulation vor. Aber bestimmte Zusagen wollten sie nicht ohne den Administrator machen. Ulrich I. und seine Räthe wollten aber dem Stift die völlig selbständige Ausübung der Jurisdiction nicht zugestehen, da der Herzog dieselbe in zweiter Instanz für Meklenburg in Anspruch nahm. Das Capitel wie die Abgesandten Ulrichs II. wollten aber ungern in dieser Hinsicht nachgeben. Am 15. December berichtete dann doch der Kanzler, daß man dem Stift wohl eigne Jurisdiction zugestehen könne, aber nicht gestatten dürfe, daß die Appellationen vom Bischof von Schwerin an den Erzbischof von Bremen oder ad imperialem cameram gingen, sondern es müßte immer erst immediate an das fürstlich meklenburgische

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Hofgericht appellirt werden, "weil man dessen in possessione und das Stift Schwerin ein incorporirter Stand des Fürstenthums Meklenburg" wäre. Auf die Entgegnung der Capitularen, womit man die Zugehörigkeit des Stifts zu Meklenburg beweisen wolle, zeigte man einen Vertrag von 1523 vor, den der Bischof von Schwerin mit den Ständen Meklenburgs unterschrieben hatte. Dieser Beweis genügte aber den Domherren nicht. Die Verhandlungen wurden zuletzt ohne Resultat abgebrochen, und die Botschaft aus Dänemark reiste unverrichteter Sache wieder ab.

Obgleich Ulrich I. bei den letzten Verhandlungen die Meinung ausgesprochen hatte, daß die Capitulation nicht eher abgeschlossen werden könne, als bis Ulrich II. 18 Jahre alt sei, also erst 1597, so drängten doch das Domcapitel und die Königin Sophie auf Fortsetzung der Conferenzen. Das Capitel behauptete, es verlange nichts, als was in allen reformirten Stiftern gebräuchlich sei, und in diesem guten Glauben arbeitete es in einer Capitelsversammlung zu Bützow 1596, wahrscheinlich im Beisein fürstlich meklenburgischer Räthe, wieder eine Capitulation aus. Nun folgten mehrere briefliche Verhandlungen, und diese führten endlich zur Vereinbarung einer vom 19. Februar 1597 datirten Capitulation folgenden Inhalts:

1) Ulrich II. gelobt an Eides statt die nachfolgenden Artikel zu halten.

2) Er will die Ergänzungen etwaiger Mängel in der Postulation auf eigne Kosten machen lassen.

3) Im Fall die Postulation nicht gültig wird, soll dem Capitel die freie Wahl wieder zustehen.

4) Die Wahl soll kein Erbrecht bedingen.

5) So lange Ulrich I. lebt, will Ulrich II. nur Coadjutor sein.

6) Er will dafür sorgen, daß der König von Dänemark sich das Stift wird befohlen sein lassen.

7) Er will Kirchen und Schulen mit tüchtigen Dienern versehen und für Unterweisung der Unterthanen im Worte Gottes nach den Verträgen Ulrichs I. mit dem Capitel vom 21. Februar 1568 sorgen.

8) Es soll auf gute Rechtspflege im Stift gesehen werden.

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9) Die Regalien und Dignitäten des Stifts, sonderlich das Cancellariat der Universität Rostock, sollen erhalten bleiben 1 ).

10) Täglich sollen 12 Arme aus der bischöflichen Küche zu Bützow gespeist werden.

11) Der Bischof will die "Häuser und Städte des Stifts" selbst regieren oder mit Vorwissen des Capitels durch einen tüchtigen Hauptmann regieren lassen. Sede vacante sollen die Beamten und Unterthanen dem Domcapitel "verwandt" sein.

12) Zu dem Zwecke sollen Beamte und Unterthanen schon beim Antritt der Regierung Ulrichs dem Capitel ver= pflichtet werden.

13) Ulrich will die Stiftshäufer und Festen in gehörigem Stand halten und sie in Kriegszeiten bemannen.

14) Jn Abwesenheit Ulrichs sind zwei vorher bestimmte Capitularen, welche dem Capitel verpflichtet werden, Statthalter im Stift.

15) Werden Capitularen oder Unterthanen unverschuldet von Fremden gewaltsam aus ihrem Besitz getrieben, so soll Ulrich sie auf feinen Stiftshäusern aufnehmen und unterhalten.

16) Ulrich will die Kirche und das Capitel in allen ihren Rechten schützen.

17) Er will das Capitel in der Jurisdiction über die Capitularen, Prälaten, Beneficiaten der Kirche zu Schwerin und über des Capitels Höfe, Wohnungen, Diener und Unter= thanen nicht hindern.

18) Ebenso soll dem Capitel die Wahl des Propstes und des Dekans und die Verleihung der Präbenden völlig frei stehen.

19) Wenn Ulrich die Capitularen in Capitelssachen zu sich fordert, so will er sie "mit Futter und Mahl" versorgen.

20) Wenn die Capitularen in amtlichen Angelegenheiten in Bützow anwesend sein müssen, so sollen sie dort auf der Ravensburg frei wohnen.


1) Papst Martin V. bestimmte in der Fundations=Bulle der Universität vom 13. Februar 1419, daß der Bischof von Schwerin zu allen Zeiten Canzler derselben sein sollte. (Krabbe, Universität Rostock, S. 98.) Als Canzler gab der Bischof die Erlaubniß zu Promotionen an der Universität und konnte verlangen, daß vom geistlichen Consistorium in Rostock an ihn, und nicht an eine andre Instanz appellirt wurde. Uebrigens hatten Ulrich I. und das Domcapitel unterm 23. Januar 1570 die geistliche Jurisdiction in der Stadt Rostock an die Herzoge von Meklenburg abgetreten.
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21) Ulrich will niemand in unbilligen Dingen gegen das Capitel vertreten.

22) Gefänglich einzuziehende Frevler darf das Capitel in "Gefängniß und Thurm" zu Warin einsperren, doch wird schnelles Verhör zur Pflicht gemacht.

23) Ulrich will alle wichtigen Stiftsangelegenheiten mit dem Capitel berathen und ohne dessen Rath den Unterthanen keine "Schätzung oder Bede" auferlegen, auch keine Stiftstage ohne Beisein des Capitels halten.

24) Er will das Stift nicht mit ungewöhnlichen Ablagern und andern Ausrichtungen beschweren, noch durch andere beschweren lassen.

25) Er will die Rechte und Grenzen im Stifte schützen und nicht dulden, daß etwas vom Stift veräußert wird.

26) Bei Versetzungen und Verkäufen von Stiftsgütern, die nöthig werden sollten, hat zuerst der Administrator, dann das Capitel und zuletzt die einzelnen Capitularen der Reihe nach das Vorrecht zu pachten oder zu kaufen.

27) Der Bischof darf das Stift ohne Zustimmung des Capitels nicht vertauschen, abtreten oder verlassen.

28) Er wird mit Zuziehung des Capitels über die Kleinodien und Schriften des Stifts ein Inventarium anfertigen lassen.

29) Des Capitels Siegel und Briefe sollen in des Capitels Verwahrsam gegeben oder gelassen werden.

30) Wenn die dem Stift gehörigen goldenen und silbernen Gefäße umgearbeitet werden, so soll auf ihnen neben dem Wappen des Administrators das der Kirche angebracht werden.

31) Erspartes Stiftsvermögen soll der Bischof zum Ankauf von nahe gelegenen Landgütern verwenden oder zinsbar belegen.

32) Rechtmäßige Testamente der Domherren und andrer Personen des Stifts dürfen nicht angefochten werden.

33) Ulrich verpflichtet sich alle rechtmäßigen Verträge der Administratoren fürstlich zu halten.

34) Er will alle Reichs=, Kreis= und Deputationstage, zu denen er oder das Capitel gefordert wird, auf seine und des Stifts gemeinsame Unkosten beschicken und alle Visitations= und sonstige Kammergerichtsunkosten, die während seiner Regierung erwachsen, abtragen.

35) Allen unrechtmäßigen Angriffen auf Capitelsgüter soll auf Ansuchen des Capitels gewehrt werden.

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36) Ulrich will dafür sorgen, daß dem Capitel seine Rechte wieder vom Kaiser, wie früher von der Fundation des Stifts her bis auf Karl V., seitdem aber nicht mehr geschehen, bestätigt werden.

37) Das Domcapitel soll in Betreff seiner Tractaten mit dem fürstlichen Hause Meklenburg puncto restrictionis electionis ad certam familiam et praesertim ducum Megapolensium durch die Wahl Ulrichs II. nicht eingeschränkt sein.

38) Ulrich will sich auf keine Weise und von niemand von diesen Verpflichtungen lossprechen lassen.

Diese in einer Capitelsversammlung auf dem Bischofshause zu Bützow am 19. Februar 1597 aufgestellte Capitulation wurde neben dem erwählten Administrator von dessen Bruder König Christian IV. von Dänemark und Herzog Ulrich von Meklenburg unterschrieben und untersiegelt.

Nach den früheren Entwürfen hatte das Capitel wenigstens einige Forderungen fallen lassen, da es zuerst die Errichtung einer Ziegelei für die Reparaturen an der Domkirche und die Verleihung der Dörfer Wichmannsdorf und Uelitz in der Capitulation garantirt haben wollte und sogar verlangte, daß alle Stiftsbeamte, im Falle Ulrich II. die Capitulation nicht hielt, nicht mehr dem Administrator, sondern nur dem Capitel verpflichtet sein sollten.

Ulrich I. starb, wie oben angegeben ist, am 14. März 1603. Noch an seinem Todestage wurde vom Hofe von Güstrow aus ein Schreiben an seinen Enkel Ulrich II. gerichtet, um denselben zur Herkunft und zum Antritt der Administration aufzufordern. Der Stiftshauptmann Wedige von Leisten sollte bis zur Ankunft des neuen Herrschers die Häuser des Stifts, vor Allem die Burg zu Bützow "in Acht nehmen". Zur Ueberwachung der Vorgänge in der Stiftshauptstadt schickte der Propst Joachim von Bassewitz sofort Heinrich von Bülow ab und ließ sich von demselben berichten (17. März), daß der Stiftshauptmann auf die Häuser zu Bützow und Warin Wache gestellt, die Gemächer versiegelt, das Zeughaus in Verwahrung genommen und die Bürgerschaft auf das Capitel verpflichtet habe. Am 27. März richtete das in Bützow versammelte Capitel an Ulrich schriftlich die Bitte, er möge die Administration antreten, und am nächsten Tage reiste der Propst selbst nach Güstrow, um mit der Mutter Ulrichs II., die damals in Güstrow war, über die Stiftsangelegenheiten mündlich zu verhandeln. Am 29. bat das Domcapitel die Königin, sie möchte das am 27. vom Capitel

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aufgesetzte Schreiben an ihren Sohn befördern, da sich eine andre Gelegenheit nicht biete. Außerdem hatte man aber noch allerlei andre Wünsche, deren erster war, daß die Königin dem Capitel eine Matrikel über die Stifts= und Capitelsgüter, welche Ulrich I. an sich genommen und zu Bützow verwahrt hätte, wieder verschaffen möchte, die andern bezogen sich auf die Trauerfeierlichkeit wegen des Ablebens Ulrichs I.; man wollte Trauerkleider haben, forderte schwarzes Gewand für die Kirchenstühle u. s. w. Sophie antwortete am 30. März. Den Brief wollte sie nicht abschicken, da sie am Tage vorher von ihrem Sohne einen Boten aus Dänemark empfangen hatte mit der Nachricht, daß der Administrator in wenigen Tagen in Bützow sein würde. Falls die Matrikel sich fände, so würde sie dieselbe an Ulrich geben; wegen der Trauerkleider möge man es nur so halten, wie es gebräuchlich sei, und wie man es verantworten könne.

Unterm 30. März schrieb Ulrich II. von Kopenhagen aus auch an Herzog Karl von Meklenburg, er habe dessen Nachricht vom Tode des Großvaters empfangen und würde zu der auf den 14. April festgesetzten Bestattungsfeierlichkeit sicher da sein, ja er käme schon acht Tage früher "E. Liebden zu Trost und Aufwartung zu Güstrow".

Daß eine Huldigung des neuen Administrators im Stift stattfand, ist gewiß, und daß diese bald nach Ulrichs II. Ankunft geschehen ist, brauchen wir wohl nicht zu bezweifeln. Indessen wissen wir von dem ganzen Hergang weiter nichts, als daß bei der Huldigung Ulrichs III. im Jahr 1624 mehrere Stiftsritter behaupteten, der Stiftsmarschall Levin Vieregge habe nach altem Brauch das Pferd, welches Ulrich II. zur Huldigung geritten, zu eigen bekommen. Die Behauptung der Ritter ist übrigens insoweit eine irrige, als 1624 nicht Levin, sondern Johann Reimer von Vieregge Marschall war. Ulrich II. nannte sich seit Antritt seiner Stiftsregierung: "von Gottes Gnaden Erbe zu Norwegen, Herzog zu Schleswig=Holstein, Stormarn und der Ditmarschen, Administrator des Stifts Schwerin, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst."

Ulrichs II. Herrschaft ist von der seines Großvaters grundverschieden. Während der Großvater als regierender meklenburgischer Herzog das kleine Stiftsland gern als ein Anhängsel seines größeren meklenburgischen Herzogthums betrachtete und sein innigster Wunsch war, das Ländchen zu einem Erbe der meklenburgischen Herzogsfamilie zu machen, war das Stift des Enkels einziger Besitz, und ihm, dem Fremden,

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konnte natürlich nur daran liegen, sein Land von den mächtigeren meklenburgischen Nachbarn möglichst unabhängig zu erhalten, damit es in der That das würde und bliebe, was es sein sollte: ein selbständiger Stand des deutschen Reichs. Ulrich II. suchte sich daher von Anfang an möglichst von Meklenburg zu emancipiren. Neben einem eignen Hofstaat richtete er in Bützow sofort eine eigne Stiftsregierung ein, an deren Spitze er den Dr. Erasmus Reutze, welcher seit 1597 herzoglicher Rath zu Güstrow gewesen war, als Kanzler berief. Wahrscheinlich wird Reutze sein Kanzleramt schon 1603 in Bützow angetreten haben, wie Rudloff in seiner meklenburgischen Geschichte behauptet, nachweislich aber fungirte er als solcher 1605. Reutze, der auch holsteinischer Gesandter genannt wird, wirkte als Stiftskanzler bis zu seinem Tode; er starb 1617 oder nicht lange vorher. Sein Nachfolger wurde Dr. Heinrich Stallmeister, früher Bürgermeister zu Rostock, der auch den Titel eines stiftischen und holsteinischen Geheimen Rathes führte. Er verwaltete das Kanzleramt noch unter Ulrichs II. Nachfolger, bis die Kaiserlichen ihn aus dem Stift vertrieben. Unterstützt wurde er in den Regierunasgeschäften durch die Räthe Otto von Grunenberg und Dr. Theodor Bussius.

Wie für die Stiftsregierung, sorgte Ulrich II. auch für ein Stiftsgericht höherer Instanz. Wir werden indessen die höhere Gerichtsverwaltung erst im 3. Theil dieser Stiftsgeschichte näher kennen lernen.

Die übrigen Beamten behielt der dänische Prinz zunächst in derselben Weise bei, wie er sie beim Regierungsantritt übernahm, und er änderte später auch an den Aemtern weiter nichts, als daß er sie, soweit es nöthig wurde, mit andern Personen besetzte. Als Stiftsrentmeister fungirte der spätere schwedische Administrator der Güter Zibühl und Gallentin Daniel Troie, und Kammersecretair war um 1620 Peter Hennichow. Die meisten Stiftsbeamten waren auch unter den fremden Herrschern sicher Meklenburger.

Von dem Charakter Ulrichs II. wissen wir außerordentlich wenig. Vorgeworfen wurde ihm, daß er zum Trunke geneigt war; doch hat dies Laster ihn sicher nicht soweit beherrscht, daß seine Thatkraft darunter litt. Denn wo er handelnd auftritt, zeigt er sich willensstark und beharrlich, und seinem Auge entgingen die vielen Mängel im Lande nicht. Ein großes Verdienst erwarb er sich um die Reorganisation des ganz verlotterten Domcapitels; und wenn er auch trotz seiner Anstrengung ein Institut, das sich überlebt hatte, nicht wieder

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lebensfrisch machen konnte. so rüttelte er doch zeitweilig die trägen Canoniker aus ihrer Unthätigkeit gehörig auf. Daß er in seiner ganzen Verwaltung Ordnung schaffen und erhalten wollte, ist unverkennbar, und ebenso offen liegt zu Tage, daß er für das Wohl seiner Unterthanen ein warmes Herz hatte. Wir wollen hierbei freilich auch nicht übersehen, daß seinen Kanzlern und Räthen gewiß ein Antheil an dem Lobe gebührt, das man der Regierung Ulrichs II. zollen darf.

Hier wird es noch nöthig sein, das Verhältniß des Administrators zu der Katharina von Hahn zu berühren, welche nach der Ansicht von Lisch die "eheliche Gemahlin" desselben gewesen sein soll (vgl. Jahrb. XXIII., S. 34 ff.). So viel steht zwar fest, daß Ulrich II. in sehr vertrautem Umgang mit der K. von Hahn lebte, auch zweifeln wir nicht, daß er ihr das Gut Zibühl zu schenken versprach, und sie dasselbe noch zu Lebzeiten Ulrichs nicht ganz mit Unrecht als ihr Eigenthum ansah; aber daß beide mit einander wirklich ehelich getraut waren, ist aus den Acten nicht zu beweisen. Im Gegentheil scheint uns wenigstens aus den actenmäßigen Berichten, und zwar gerade aus denen, die Lisch anführt, eher hervorzugehen, daß beide ungetraut mit einander lebten 1 ). Ulrich II.


1) Zur Begründung unsrer Behauptung Lisch gegenüber dürfen wir anführen:
1. Die Kath. v. H. erklärt sich in den Hof= und Landgerichtsacten, betreffend den Streit um den Besitz von Zibühl, nicht öffentlich für eine Ehefrau Ulrichs, wie L. behauptet, sondern sie spricht nur von einem Ehegelübde und von Ehegeldern. Ihre Aussagen dürften für diese Streitfrage überhaupt nicht entscheidend sein.
2. Seite 37 (Jahrb. XXIII.) führt L. unter 3 einen Frageartikel an, den das Hof= und Landgericht gestellt haben soll. In demselben wird allerdings Katharina die Ehegemahlin des Herzogs genannt; aber dieser Frageartikel ist nicht von jenem höchsten meklenburgischen Gericht, wie L. meint, sondern von dem Notar Cuper zu Güstrow, und zwar auf Wunsch des spätern Ehemanns der Katharina, des Hauptmanns Nidrumb, dem Bürger Probst zu Güstrow vorgelegt worden und hat daher für die fragliche Ehe keine Beweiskraft.
3. Wenn der Dr. Crull zu Güstrow erzählt, Ulrich habe Zibühl "seiner Frawen, als er sie zu nennen pflach, Cath. Hahnen" Vermacht, so beweisen doch die Worte: "als er sie zu nennen pflach" vielmehr, daß Kath. in der That nicht die Frau des Herzogs war.
4. Daß Katharina Hahn eine Witthumsverschreibung gehabt habe, sagt, wie L. behauptet, der Canzler Dr. Stallmeister nicht aus, sondern derselbe erzählt nur, daß ihr 30000 Rthlr. vermacht seien.
5. Daß die Gemahlin des Herzogs nur sollte Frau Katharina Hahn genannt sein, wie es nach den Acten wirklich der Fall war, ist doch mindestens verdächtig.
6. Daß auf dem Hofe Zibühl auch das Wappen der Familie von Hahn angebracht war glauben wir wohl, denn Katharina wohnte dort zuweilen (  ...  )
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war schwerlich mit der Katharina von Hahn, noch sonst verehelicht. Wäre es der Fall gewesen, so würden wir gewiß nicht nöthig haben, mühsam Beweise dafür zu suchen, sondern wir würden aus vielen überlieferten Nachrichten, wie über Ulrichs Krankheit und Tod und über seine Leichenbestattung, sicher auch etwas über seine Gemahlin, die ihn ja überlebt hätte, erfahren.

Nach einer Mittheilung des Predigers Andreas Cracovius zu Bützow fühlte Ulrich II. am 14. März 1624, als er sich auf dem Propsteihofe zu Rühn aufhielt, "einen schweren Anstoß". Es wurde ihm dann zwar noch wieder etwas besser; aber er nahm doch schon am 21. März (Palmsonntag) 4 Uhr Morgens das Abendmahl, weil er sich sehr krank fühlte. Am 22. wurden zu dem Hofmedicus Crull aus Güstrow noch zwei Aerzte aus Rostock gerufen, die Doctoren Michaelis und Stockmann. Am Sonnabend vor Ostern, 27. März 1624, verschied der Herzog, während man ihn in ein anderes Zimmer trug, in dem rüstigen Mannesalter von 45 Jahren und 3


(  ...  ) allein und mit dem Herzog), und Ulrich beabsichtigte wenigstens, ihr das Gut zu schenken. Doch ist für uns die Aussage der Wittwe Trost, der "Verwalterschen" zu Rothenmoor, die früher zu Zibübl gedient hatte, daß nämlich "I. F. G. (des Herzogs) vnd Frawen Catharinen Hahnen wapen an zweien schornsteinen gemahlet," kein Beweis für die fragliche Ehe. Daß an Oertern, "dar I. F. G. wapen gestanden, gemeinlichen Fraw Catharinen Hahnen Wapen darbei gesetzt," sagt der Zeuge Karl Casper Danckwardt aus Rostock - Stallmeister weiß es nicht -; doch dies alles hat nur Bedeutung für die Ansprüche Katharinas auf Zibühl und beweist nichts für ihre Ehe. Daß aber irgendwo ein Alliance=Wappen Ulrichs und Katharinas in Zibühl angebracht gewesen, wird nirgends behauptet. Die "Schenkscheiben", welche L. (S. 39) citirt, sind nicht, wie er zu meinen scheint, Fensterscheiben mit Wappen, sondern der Ausdruck Schenkscheibe, der einmal in den Acten vorkommt, bedeutet eine Art Buffet, eine Schenke oder eine Art Schrank.
7. Daß die Schenkung von Zibühl an Katharina eine "donatio inter vivos stante matrimouio" "im Verlaufe des Gerichtsverfahrens", wie L. anführt, genannt wird, können wir nicht finden. Nidrumb schreibt an Wallenstein in dieser Angelegenheit: "Demnach befinden E. F. G., das der Herr Administrator des Stifts Schwerin, Herr Ulrich, Herzog zu Schleswig=Holstein etc., das guett Ziebühl alß ein Allodiall weltlich Guett vor eine genannte Kaufsummen, keiner andern Intention, dann meiner lieben Hausfrawen zum besten, tytulo emptionis an sich gebracht und Ihr auß sonderbarer liebe, gnade vnnd affection, vnnd zwar in praemium seu recompensationem obsequiorum et bene meritorum zu schenken, Solches auch nach S. F. G. Todte zu behalten, gestalt aus der Eydtlichen Zeugen=Kundtschafft erhellet. Ob dan woll bey dießem Passu obycyret vnndt furgeworffen werden muchte, das solche gerumbte donatio inter vivos stante matrimonio Allerding zu rechte nicht krefftig vnnd beständig, weil darvber keine schriftliche documenta" etc. Anderswo findet sich der Passus donatio inter vivos slante matrimonio nicht, und hier bedeutet er für die Entscheidung unsrer Frage nichts.
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Monaten. Auch Cracovius war an das Krankenbett nach Rühn befohlen worden, um dem Leidenden mit geistlichem Zuspruch nahe zu sein.

Die Meldungen von dem Ableben Ulrichs wurden an verschiedene Fürsten im Namen König Christians von Dänemark geschickt; besonders mag bemerkt werden, daß auch Herzog Adolf Friedrich von Meklenburg mit seiner Gemahlin Anna Maria vom Könige zu den Bestattungsfeierlichkeiten eingeladen wurde. Nach dem Wunsche der Mutter des Verstorbenen sollten diese erst am 24. Mai stattfinden, und so ist es auch geschehen. Zugegen waren bei der Feier in Bützow, wohin die fürstliche Leiche gebracht wurde, Herzog Adolf Friedrich und Gemahlin mit 67 Personen, 36 Reisigen und 30 Pferden, Hans Albrecht von Meklenburg mit 60 Personen und 52 Pferden, der Prinz Christian (V.) von Dänemark mit einem sehr großen Gefolge (85 vom Adel, 42 andern Personen, unter diesen 15 Köche und in der Voraussicht, daß die vielen Köche den Brei verderben würden, 4 Apotheker), die Herzogin=Wittwe zu Schleswig=Holstein Auguste, geb. Prinzessin von Dänemark, mit 33 Personen und 29 Pferden und die Herzogin=Wittwe zu Braunschweig=Lüneburg Elisabeth, Schwester der vorigen, mit 40 Personen und 34 Pferden 1 ). Die meisten fürstlichen Personen blieben nur bis zum nächsten Tage; die beiden letztgenannten Herzoginnen reisten aber erst Ende Juni über Warnemünde nach Dänemark ab.

Die Leiche, welche man in einen zinnernen Sarg mit vergoldeten Ringen legte, fand ihre Ruhestätte zunächst in einem Grabgewölbe der Bützower Kirche. Im Jahr 1642 aber ließ sie König Christian IV. nach Dänemark überführen.


1) Ein Verzeichniß der ausgaben "zum Begräbniß" Ulrichs II. enthält folgende Positionen:
Ausgaben zum Begräbnis
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Sie wurde auf der Warnow bis Warnemünde gebracht und von dort durch ein königliches Schiff abgeholt, um ihre endliche Ruhestätte im Dom zu Roeskilde zu finden. (Vgl. Jahrb. XXIII., S. 33.)

Die Ehrenpredigt, welcher der Pastor Andreas Cracovius zu Bützow auf den verstorbenen Administrator am Tage nach dessen Beisetzung, den 25. Mai 1624, hielt, mag der Uebertreibung des Ruhmes viel enthalten; aber doch giebt sie bis zu einem gewissen Grade auch ein glaubwürdiges Zeugniß, und wir wollen nicht unterlassen, Einiges aus derselben mitzutheilen. Cracovius rühmt die große Thetlnahme bei der Beisetzung. Es seien viele Menschen aus der Fremde, die zum Jahrmarkt (Pfingstmarkt) nach Rostock gezogen, nach Bützow gekommen; "denn dieses seligen Herrn Tischtuch, Bier= und Weinkeller hat sich weit gestrecket." Ulrich II. habe für seine Ausbildung durch den Besuch der Universitäten Helmstädt, Leipzig und Rostock (wo er Rector war) aufs Beste gesorgt und habe seine dort erworbenen Kenntnisse durch Reisen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, in Lappland und Norwegen (1601 und 1602) erweitert. 1605 sei er als tapferer Heerführer dem Kaiser Rudolf mit 1000 Pferden wider die rebellischen Ungarn zur Hülfe geeilt. Während seines Aufenthalts in England im Jahr 1606 habe er sich soviel Anerkennung erworben, daß er mit dem Hosenbandorden geschmückt worden sei, und der Kurfürst Christian II. habe ihn 1607 zum Gubernator in Kursachsen ernannt. Er sei fromm gewesen und habe die Bibel fleißig gelesen (er brachte seine letzten Stunden mit religiösen Betrachtungen zu) und habe sich immer milde und freigebig gezeigt. Die Unterthanen habe er gern geschont, Bauern und Bürger seien nicht von ihm belästigt worden. Die Prediger hatten sich seiner besonderen Gunst erfreut, da er sie oft vom Kopf bis zu den Füßen einkleidete. Seine Neigung zur Wissenschaft habe er bethätigt durch fortgesetztes Studiren der Arithmetik und der Geometrie, er habe sich sogar geometrische Instrumente und Globen aus Holland kommen lassen.

Ulrich III.

Bald nach dem Regierungsantritt Ulrichs II. begannen wieder die Verhandlungen für die Wahl eines Nachfolgers des jungen Administrators. Schon am 10. November 1604 schrieb die Herzogin=Wittwe, Sophie von Meklenburg, von ihrem Wittwensitz Lübz aus in Anlaß des beabsichtigten Aus=

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tausches einiger Stiftsdörfer und Hebungen gegen meklenburgische Besitzungen an Hzg. Karl von Meklenburg, er möge bei dieser Gelegenheit das Capitel verpflichten, nur aus dem Hause Meklenburg künftig einen Bischof zu wählen. Ein ausdrückliches Versprechen der Capitularen in dieser Hinsicht sei um so nöthiger, "da einige Domherren eine andre Absicht hätten, und sie gewiß wisse, daß dieselben "dar all Geschenk daraus empfangen."

Wohin die Absicht einiger Domherren ging, erhellt aus einem Brief Ulrichs II. von Dänemark aus an das Capitel (vom 7. August 1605). Er habe, schreibt Ulrich, mit den Capitularen über die Wahl eines Coadjutors gesprochen und dabei an den ältesten Sohn des Bischofs Heinrich Julius von Halberstadt, Herzogs von Braunschweig=Lüneburg, gedacht; doch sei seine Absicht jetzt "aus erheblichen Ursachen" eine andre. Er befiehlt nun geradezu, daß man den ältesten Sohn des Bischofs von Lübek, Johann Adolf, Erben von Norwegen u. s. w., wähle. Aber ebenso wenig, wie die "erheblichen Gründe" bekannt sind, wegen welcher der Bischofssohn gewählt werden sollte, ebenso wenig wissen wir, warum später nie mehr von dieser Wahl die Rede ist. Von dieser Seite drohte also den Plänen der Meklenburger nur eine vorübergehende Gefahr.

Nun erfuhr aber der Kanzler Adolf Friedrichs, Hajo von Nessen, von dem Domherrn Joachim von Bassewitz, daß der Dr. Reutze eifrig beim Capitel die Wahl eines dänischen Prinzen betreibe, und daß das Capitel gewillt sei, zu Anfang des Jahres 1606 in Bützow über diese Angelegenheit zu verhandeln. Nessen wandte sich deshalb schleunigst an die verwittwete Herzogin in Lübz, die ja so reges Interesse für die Wahl eines Meklenburgers zeigte, obwohl sie eine geborne Herzogin von Schleswig=Holstein war. Nessens Wunsch ging dahin, Sophie möchte die Capitularen bewegen, daß sie mit der Wahl bis Ulrichs Zurückkunft (aus Dänemark) warteten, und dieselben zugleich erinnern, daß sie doch meistens Meklenburger seien. Nöthig würde auch ein Brief an Heinrich von Bülow sein, dem Nessen nicht glaubte trauen zu dürfen. Sophie schrieb sofort nach Empfang dieser Nachricht, wie der Kanzler es wünschte, und einige Wochen später schickte auch Herzog Karl von Meklenburg einen gleichlautenden Brief an das Capitel, indem auch er, wie Sophie, demselben vorhielt, "man möge für das eigne Vaterland und den angestammten Fürsten (Adolf Friedrich ist gemeint) 1 ) sorgen, dafür auch die


1) Nach einem Schreiben Adolf Friedrichs vom 22. Juli 1612.
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Heiden und barbarischen Völker Leib und Leben, Gut und Blut freiwillig darzustrecken sich nicht geweigert". Merkwürdiger Weise bleibt Adolf Friedrich selbst, um den es sich doch handelte, Jahre lang ganz passiv. Zwar berichten die Acten von "Ungelegenheiten", die er mit Bischof Ulrich im Jahre 1609 hatte und die "in offenen Streit" überzugehen drohten, und es ist wohl wahrscheinlich, daß diese Differenzen ihren Grund in der geplanten Bewerbung um das Coadjutor=Amt hatten; aber, daß bis zum Jahre 1612 von Adolf Friedrich keine directe Bewerbung an das Capitel gelangte, ist gewiß.

Um so besser benutzten Ulrich II. und seine Verwandten die Zeit, um das Capitel für die Wahl eines dänischen Prinzen zu gewinnen. Als er im Sommer 1611 aus dem Stift reisen wollte, um sich, wie er sagte, nach Wolfenbüttel in Kriegsgefahr zu begeben, berief er das Capitel zum 1. August nach Schwerin, dort wollte er demselben seinen Wunsch in Bezug auf die Wahl eines Coadjutors vortragen. Sein Vertrauensmann unter den Capitularen war der Dekan Otto von Estorff, der als Nicht=Meklenburger natürlich für Adolf Friedrich weniger Interesse hatte. Estorff ging auf Ulrichs Pläne, wenn auch zögernd, ein und entwickelte später im Verfolg derselben eine ungemein rührige Thätigkeit. Unterm 8. September erhielt das Capitel vom Administrator folgenden Brief: "Wir Ulrich u. s. w. bekennen, zur Vermeidung der den evangelischen Stiftern drohenden Gefahr, zumal wenn sie ohne Haupt sind, daß wir bewogen sind zur Erhaltung des Stiftes Hoheit, Freiheit und Gerechtigkeit bei Lebzeiten einen Coadjutor und künftigen Successor dem Capitel zu präsentiren und zu nominiren; und da das Capitel sich mit uns dahin gütlich geeinigt, daß wir den mittlern Sohn des Königs Christian von Dänemark, den Prinzen Friedrich, zum Coadjuter am Stift cooptirt, postulirt und adscribirt haben und denselben zur Wahl eines künftigen Successers oder Administrators - da dem Capitel die freie Wahl unzweifelhaft gebührt - präsentirt, nominirt und commendirt, und ersuchen ein erwürdiges Domcapitel instanter, instantius et instantissime, daß es mit der ordentlichen Postulation und Election förderlichst fürgehe, vorbehaltlich unsrer noch habenden Administration und Regierung." Kurz vor seiner Abreise schrieb Ulrich (18. Septbr.) an Estorff, das Kapitel solle am 24. September zu Wahlverhandlungen, die die fürstlichen Räthe leiten würden, in Bützow zusammentreten, und dem Capitel theilte der Bischof mit, daß sein Kanzler Erasmus

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Reutze und Dr. Otto von Grunenberg ihn am 24. September vertreten würden. Aber dies schien dem Capitel noch wider alles Herkommen zu sein; die Versammlung am 24. wurde nicht abgehalten, auch nicht die später auf den 29. September anberaumte, da man sich mit der Abwesenheit des Propstes entschuldigte.

Nun schickte aber der König von Dänemark im April des nächsten Jahres 1612 seine Räthe Apitz von Grunenberg und Dr. Bernhard Metzner nach Bützow mit der Weisung, so lange in der Stiftshauptstadt zu bleiben, bis einer seiner Söhne zum Coadjutor Ulrichs gewählt sei. Da wurde wiederum das Capitel zum 23. April nach Schwerin zusammenberufen; am Abend vorher sollte, wie gebräuchlich, Meldung sein. Doch nun konnte Estorff nicht kommen, da er in Angelegenheiten des Stifts Ratzeburg als Domherr desselben nach Köln verreisen mußte, und seine Gegenwart war sicher nöthig, wenn ein dänischer Prinz gewählt werden sollte. Außerdem schrieb auch der abwesende Propst (Winterfeldt), man möchte die Versammlung bis zu seiner Rückkehr aussetzen. Das geschah denn; Ulrich wollte die Conferenz, nach einem Schreiben an Estorff, nun am 1. Mai in Schwerin abgehalten wissen, auch wenn der Propst fehle. Da vermochte das Capitel die Wahl nicht mehr hinzuhalten. Es trat am 1. Mai 1612 ohne den Propst wirklich zusammen, vereinbarte mit den dänischen Gesandten schon am 2. Mai die Wahl des dänischen Prinzen Friedrich, des zweiten Sohnes von König Christian IV., und einigte sich darauf mit eben diesen Gesandten um die Capitulation. Allerdings behaupteten die Capitularen später, daß sie bei allen diesen Beschlüssen die Zustimmung des Propstes zur Bedingung gemacht hätten.

Die dänischen Räthe reisten nun mit der Capitulation ab in der sichern Meinung, daß sie ihren Auftrag glücklich ausgeführt hätten. Aber man hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Der Propst kehrte Mitte Juni zurück und erklärte alle Beschlüsse des Capitels für ungültig. Das Capitel mußte sich also am 16. Juni zu der unangenehmen Erklärung bequemen, daß es sein Versprechen wieder zurücknehme. Darauf folgte aus Kopenhagen von den frühern Gesandten ein scharf tadelndes Schreiben vom 27. Juni 1612. Es wäre nun einmal Herzog Friedrich von Schleswig=Holstein pure et simpliciter absque ulla ullius voti reservatione zum Coadjutor und dereinstigen Administrator erwählt, sogar sei die Wahl in eventum auf des Königs jüngsten Sohn Ulrich ausgedehnt, die Capitulation wäre vom Capitel unter=

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schrieben 1 ) und den Gesandten zur Ueberreichung an den König zwecks Ratificirung eingehändigt. Der König hätte die Capitulation acceptirt und mit Handzeichen und Siegel befestigt, auch einen Schutz= und Schirmbrief neben einer Obligation auf 15000 Rthlr. 2 ) und neben ansehnlichen Geschenken ("güldenen Ketten und Konterseien") an das Capitel abgeschickt. Seinerseits sei also Alles, was verlangt worden, erfüllt. "Also setzen wir demnach außer Zweifel, E. L. (die Capitularen) als ehrliche, verständige, redliche Leute, die ihre Discretion und männliches Alter erlangt, werden hinwiederum ihre Wahl und Schluß standhaftig vertreten." Auch wisse man, "quod solus praepositus non faciat capitulum, et quod a majori parte conclusum est, pro eo secundum jura habeatur, ac si omnes adfuissent". Uebrigens möchten die Capitularen sich auch "zu Gemüthe führen, daß sie nicht mit Privatpersonen oder Kindern, sondern mit einem mächtigen König und Potentaten und einem vornehmen fürstlichen Stand des heil. römischen Reiches Handlung angestellt." Es bleibe dem Capitel darum weiter nichts übrig, als den Propst zur Zustimmung zu bewegen. Erfolge dessen Zustimmung, so solle er auch das ihm zugedachte ansehnliche Geschenk erhalten.

Der Administrator Ulrich erhielt die Erklärung des Capitels von der Zurücknahme der Wahl erst unterm 19. Juni zugeschickt. Auch er ist höchst entrüstet, will sich auf schriftliche Verhandlungen nicht mehr einlassen und bestellt das Capitel, scheinbar ohne den Propst, zum 25. Juni nach Gallentin zur Conferenz. Ob die Capitularen sich einstellten, wissen wir nicht, wahrscheinlich ist es wenigstens nicht.

Sicher hatte Herzog Adolf Friedrich aus erster Hand die Nachricht von dem Scheitern der dänischen Wahl erhalten; denn noch ehe das Capitel officiell Mittheilung von seiner Verlegenheit machte, brachte der Herzog seine Bewerbung um das Stift an. Schon am 10. Juni 1612 schrieb er deshalb an die Capitularen und bemerkte, daß er das, was


1) Eine im Besitz des Vereins für meklenburgische Geschichte befindliche Copie enthält die Unterschriften: "Ulrich, Erbe von Norwegen, Administrator des Stifts u. s. w., Apitz von Grunenberg, Leonhard Metzner, Dietrich von Winterfeldt, praep., Otto von Estorff, Dekan, Claus von der Lühe, Senior, Ulrich Wackerbarth, Joachim Wopersnow."
2) Von dieser Summe, zahlbar zu Kiel in der heil.=Drei=Könige=Woche 1613, sollte die Domkirche 5000, das Capitel 10000 Rthlr. bekommen. (Nach einer Copie im Besitz des Geschichts=Vereins.) Der königliche Schutzbrief ist mitgetheilt von Rudloff in: "Das Verhältniß zwischen Meklenburg und dem Stift", Anlage XVIII, B.
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Andre etwa versprochen hätten, auch gewähren könne. Auch am herzoglichen Hofe zu Güstrow interessirte man sich lebhaft für die Wahl eines meklenburgischen Herzogs zum Administrator des Stifts. Der Kanzler Johann Cothmann und andere Räthe forderten schon am 15. Juni Herzog Adolf Friedrich auf, zusammen mit Herzog Johann Albrecht zu diesem Zwecke Schritte zu thun. Das Stift wäre doch, meinten sie, von den Vorfahren der meklenburgischen Herzoge fundirt, es läge mitten in Meklenburg, und meklenburgische Herzöge hätten "in demselben Erbschutz und Schirm." Das Capitel müsse einen Assessor zum fürstlichen Hofgericht schicken, wie denn auch die Appellationen vom Bischof an das meklenburgische Hofgericht gingen. Die Capitularen wären meistentheils Meklenburger, und was die Hauptsache sei, es beständen Vorträge zwischen dem Stift und dem Hause Meklenburg, nach welchen der Bischof dem Capitel gestatten müsse, den Tractat, daß "die electio episcoporum ad familiam ducum Megapolensium restringirt werden möge", fortzusetzen und zu vollenden. Dieser Tractat war wegen des Ablebens Ulrichs I. nicht zu Stande Bekommen und konnte deshalb jetzt grade wohl nicht schwer in die Wagschale fallen. Aber ein andrer Umstand kam den Meklenburgern besser zu Statten. Das Kapitel wünschte nämlich den Ramper Werder gegen den gewöhnlichen Canon in Pacht zu nehmen und hatte sich darum mit einer Bitte an Adolf Friedrich gewandt. Der Herzog benutzte diesen Umstand und machte die Gewährung dieses Wunsches von dem Fortgang der Wahlverhandlunaen abhängig. Das Capitel aber äußerte sich dahin, daß zwar der §. 37 der letzten Capitulation (Ulrichs II.) für das Haus Meklenburg günstig sei, es sei aber bis jetzt an Meklenburg nicht gedacht, da dasselbe sich nicht beworben habe; und nicht ganz der Wahrheit gemäß fügte man hinzu, daß vorerst der Administrator einen Coadjutor begehren müsse.

Der dringende Rath, welcher wiederholt aus Güstrow ertheilt wurde, Adolf Friedrich möge in der Wahlangelegenheit mit Hans Albrecht gemeinsam vorgehen, schien Ersterem nicht recht zu behagen. Er beschloß hingegen für sich allein zu operiren, und zwar wählte er den Weg, welchen ihm die Dänen gezeigt hatten, indem er zuerst einzelne der Capitularen zu gewinnen suchte. Der herzogliche Kanzler Hajo von Nessen wurde nebst einigen Räthen mit den Verhandlungen betraut. Vor allen hatte man es auf von Estorff und von der Lühe abgesehen; der Propst von Winterfeldt neigte an sich schon auf die Seite Adolf Friedrichs. Wirklich kam

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man denn auch so weit, daß Hajo von Nessen, Hans Christoph von Jasmund und Elias Judelius am 20. Juli eine Conferenz mit dem Capitel gewährt wurde. Aber nach langem Hin= und Herreden gab das Capitel die Resolution, non jam rem integram esse. Als Ulrich II. (1605) die Reuter nach Ungarn geführt, habe er den jungen Herzog von Holstein zum Coadjutor vorschlagen lassen, doch damals habe das Capitel sich noch gesträubt, und die Wahl sei unterblieben. Als aber im vorigen Jahre der Administrator "sich in das braunschweigsche Kriegswesen begeben", habe er vorher den Sohn des Königs von Dänemark zum Coadjutor nominirt, und derselbe sei in Folge dessen, allerdings vorbehältlich der Zustimmung des Propstes, gewählt, aber in Dänemark halte man diese Wahl für gültig auch ohne des Propstes Einwilligung. Uebrigens dürfe ohne den Willen des Bischofs ein Coadjutor nicht gewählt werden. Zur Entschuldigung führten die Capitularen an, sie hätten geglaubt, Adolf Friedrich reflectire nicht auf das Stift, da er nie vorher einen solchen Wunsch geäußert, und sie hätten rasch wählen müssen, da "das Unwesen in Ratzeburg" sie besorgt gemacht hatte 1 ). Uebrigens würde man jetzt, wo nicht periculum in mora, den Tractat mit Meklenburg wegen der alleinigen Postulation dieses Hauses gern fortführen. Adolf Friedrich entgegnete einige Tage später, daß das Capitel allerdings mehrmals an seine (des Herzogs) Wahl erinnert wäre; doch sei es auch jetzt noch nicht zu spät zu wählen, da die Verhandlungen mit Dänemark sich wieder zerschlagen hatten. Des Herzogs Räthe empfahlen dem Capitel, unter so bewandten Umständen die Wahl bis zum Tode des Bischofs auszusetzen. Auf keinen Fall dürfe man aber Meklenburg übergehen, wenn man sich die bisherige Nachsicht desselben gegen das Stift erhalten wolle. Um den Aufschub der Wahl zu sichern, schrieb Adolf Friedrich auch an Ulrich II. einen sehr verbindlichen Brief, in welchem er indessen auch seine wohlwollende Gesinnung gegen die Stiftsregierung gehörig hervorhob; aber Ulrich meinte, "das Werk habe vor etlichen Monaten all seine Richtigkeit erlangt". Die Verpflichtung des Capitels, das Haus Meklenburg in erster Linie zu berücksichtigen, wollte er nicht anerkennen. Uebrigens ist auch Ulrichs Antwort freundlich und herzlich; er schließt:


1) Herzog Hans Albrecht von Meklenburg belagerte im Sommer 1610 die Stadt Schönberg, weil er als Erbe seines Schwiegervaters, des verstorbenen Administrators zu Ratzeburg Herzogs Christoph, eine ansehnliche Summe an Baukosten vom Stift forderte.
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"Bin und bleib allzeit Dein von Herzen getreuer Bruder, weil mir warm zum Herzen ist."

Um so schlechter war das Verhältniß zwischen Ulrich und Hans Albrecht, ohne Zweifel in Folge der Wahlangelegenheiten. Ulrich ging in seiner Aufregung gegen seinen Gegner sogar so weit, daß er denselben zum Zweikampf herausforderte.

Einige Jahre hindurch erfahren wir nun über die Wahlangelegenheit nichts, bis wir im Herbst 1619 die Räthe des Herzogs Adolf Friedrich wieder in voller Thätigkeit in dieser Sache sehen. Alle möglichen Wege, die zum erwünschten Ziel führen konnten, wurden berathen, aber man konnte sich über den richtigen nicht einigen Eine Hauptschwierigkeit bot der Umstand, daß man nicht wußte, wie weit die Wahl eines dänischen Prinzen gediehen war. Bevor daher Herzog Adolf Friedrich weitere Schritte that, versuchte er, sich erst gehörig über den Stand der Wahl zu informiren, und gab deshalb seinem Rath Dr. Christoph von Hagen Vollmacht und Geleitschreiben nach Wismar und Rostock. Dieser langte am 2. December 1619 in Rostock an und begab sich dort zu dem Notar Jacob Eill Hoyerschwerd, welcher bei zwei wichtigen Stiftsverhandlungen als Notar fungirt hatte, und deshalb der Wahrscheinlichkeit nach über die Wahl etwas wußte. Bei der ersten Unterredung wollte Eill noch nichts verrathen, doch war er bei einer wiederholten Anfrage von Hagens, die von Versprechungen auf einen Judaslohn begleitet wurde, geneigt, die Hauptpuncte aus der alten Capitulation - die letzte auf den jungen Prinzen wollte er selbst nicht kennen - ad calamum zu dictiren. Er that aber schließlich mehr, als er versprochen hatte. Am 4. December Morgens dictirte Eill, der Propst Winterfeldt habe sich schließlich auch auf die Seite der Dänen geneigt und in Dänemark in seinem und des Capitels Namen die Erklärung abgegeben, daß Friedrich von Schleswig=Holstein oder in eventum dessen Bruder Ulrich als erwählter Coadjutor und Successor im Stift gelten solle 1 ). Die Immission des dänischen Königs für seine


1) Dies geschah am 11. September (stylo veteri) zu Frederiksborg, wohin mit dem Propft von Winterfeldt und dem Notar Eill auch der Stiftskanzler Dr. Erasmus Reutze Von Ulrich II. geschickt war. Der Propst übergab das Postulations=Decret, welches unterm 29. September 1611 (Bützow) in conventu capituli ausgestellt und von Winterfeldt, Estorff, von der Lühe, Ulrich Wackerbarth und Joachim Wopersnow unterschrieben war. Dr. Leonhard Metzner gab im Namen des Königs die Erklärung, daß die Capitulation angenommen sei.
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Söhne ins Stift sei darauf zu Schwerin, Warin und Bützow in Gegenwart Estorffs, Wackerbarths und des Syndicus Finx, welcher das Wort geführt habe, im Namen aller Capitularen geschehen. Er, Eill, habe, requirirt vom Bischof, Capitel und den königlichen Rächen, über die Intimation und Immission drei Instrumente ausgefertigt und diese an die Requirenten abgegeben. Zum Schluß bittet Eill, ihn nicht zu verrathen, was versprochen wird, und erhält dann von Dr. von Hagen zum Lohn 2 Rthlr.

Diese Nachrichten waren freilich für Adolf Friedrich ungünstig genug; was hatte er nun noch zu hoffen, wenn er sich nicht etwa gewaltsam in den Besitz des Stiftes setzte? Doch vor Gewalt hatten alle seine Räthe gewarnt. Es blieb nur noch ein Trost übrig, nämlich die Schuld des Mißlingens einem Andern in die Schuhe zu schieben. Und dieser Sündenbock wurde Cothmann. Christoph v. Hagen wies nach, daß Heinrich von Sperling in früheren Zeiten einmal eine Instruction vom Capitel gehabt hätte, laut welcher die Domherren für einen Preis von 12000 Rthlr. baar die Wahl nach des jetzigen Administrators Tode auf das Haus Meklenburg hätten restringiren wollen. Aber damals habe man nicht mit Ernst die Sache in die Hand genommen, obgleich die Gelegenheit günstig gewesen, und diese Schuld trage Cothmann.

Dänemark wußte also seit 1612 schon, daß ihm die Nachfolge im Stift gesichert war, es hatte darum auch nicht besondern Grund, sich weiter zu bemühen. Nun war aber zwar allgemein abgemacht, daß die Postulation auf Grund der Capitulation von 1597 gelten sollte, doch eine eigne Capitulation hatte man bisher wohl nicht aufgestellt. Erst als der Prinz Friedrich zum Bischof von Verden erwählt war, und nun das Stift Schwerin seinem für einen solchen Fall als Ersatzmann gewählten Bruder Ulrich überlassen wollte, kam mit andern Verhandlungen auch diese Angelegenheit völlig zum Schluß. Am 9. März 1622 ließ König Christian IV. dem Schweriner Capitel durch seinen Kanzler Heinrich Stallmeister die Mittheilung machen, daß nunmehr sein Sohn Ulrich in die Stelle Friedrichs als Coadjutor und dereinstiger Successor trete. Er meinte, es brauche weiterer Förmlichkeiten nicht, das Capitel möge nur einfach seine Zustimmung geben 1 )


1) Zugleich theilte der König mit, daß er das Gut Zibühl für die bischöfliche Tafel gekauft habe, und forderte zu diesem Kauf den Consens des Capitels, welcher gegeben wurde.
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Letzteres hatte denn auch weiter nichts einzuwenden, war vielmehr ganz erfreut, daß das Stift Schwerin "in den ganz schwierigen Zeiten, da fast niemand mehr vor dem Andern sicher, sondern ein Jeglicher es nur auf die Spitze und Faust setzen will", seinen eignen, alleinigen Regenten haben und behalten solle; nur bat es um Aufschub der Antwort bis Ostern 1 ). Wahrscheinlich wurde diese Frist gewährt; weniger wahrscheinlich ist, daß sie den Capitularen genügte, um sich schlüssig zu machen. Jedenfalls datirt das decretum postulationis, das man auf den jungen Prinzen Ulrich speciell ausstellte, erst vom 28. Juni 1622. Unter diesem Datum wurde zu Schwerin für Ulrich, in der Reihe der Administratoren Ulrich III., eine Capitulation vereinbart und dieselbe am 12. August desselben Jahres für den noch unmündigen Coadjutor von Christian von Dänemark zu Kopenhagen mit dem großen königlichen Siegel und mit eigner Namensunterschrift befestigt. Diese Capitulation ist fast durchweg der von 1597 gleich, wir verweisen daher auf jene und geben hier nur die Abweichungen.

Wie schon gesagt, unterschrieb der Postulatus 1597 selbst, während es 1622 für ihn der Vater König Christian that. Von den einzelnen Verpflichtungen fielen die 1597 unter Artikel 5 und 6 genannten als überflüssig weg, und während dann die Artikel 7-36 der alten Capitulation den Artikeln 5-34 von der neuen gleich sind, folgen zum Schluß:

35) Ulrich III. soll erst mit dem 18. Lebensjahre die Regierung antreten; stirbt Ulrich II. eher, so soll bis dahin ein Statthalter des Capitels nebst einem Adjuncten aus der Mitte des Capitels mit dem Kanzler und den Räthen Ulrichs III. sowie nebst dem Stiftshauptmann, der dem Postulatus und dem Capitel verpflichtet ist, das Stift regieren. Die reinen Erträge aus dem Stift erhält aber Ulrich III. alle Jahre auf Trinitatis.

36) Stirbt Ulrich III. bei Lebzeiten Ulrichs II., so geht die Postulation ohne Weiteres auf des ersten Bruder Friedrich über.

37) Christian IV. und Ulrich III. versprechen die Capitulation unverbrüchlich zu halten; Ulrich III. wird dasselbe bei Eintritt der Volljährigkeit noch einmal an Eides Statt geloben.

38) Wie in der Capitulation von 1597.


1) Aus einem spätem Brief des Capitels an den König erfahren wir, daß Christian 1622 den Wunsch aussprach, daß die Bischofswahl auf das Haus Dänemark restringirt werden möchte. Das Capitel lehnte dies Ansinnen aber rundweg ab.
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Von diesen letzten Ereignissen schien man am Hofe Adolf Friedrichs rechtzeitig Wind bekommen zu haben; man ging daher wieder zu Rathe, was nun geschehen müsse und könne. Der Herzog selbst hatte Lust zu protestiren; die Räthe meinten, er möge mit Johann Albrecht gemeinsam handeln; und als Adolf Friedrich seinem Bruder seine Besorgniß mittheilte, daß der dänische Prinz als Coadjutor eingeführt werden könnte, und deshalb um Rath bat, gab Johann Albrecht zu verstehen, daß er sich mit dem König von Dänemark geeinigt habe, und daß er glaube, Meklenburg könne für den Augenblick nichts thun und würde für die Zukunft nichts verlieren, da die freie Wahl der Capitularen für eine spätere Vacanz gesichert sei. Adolf Friedrich befolgte diesen Rath und wartete zunächst bis zum Tode Ulrichs II.

Derselbe trat allerdings früher ein, als man erwarten konnte; denn der Administrator starb, wie oben mitgetheilt ist, nach kurzer Krankheit am 27. März 1624.

Sofort auf die Nachricht von dem Tode Ulrichs II. war Dr. Stallmeister beordert worden, im Namen des Königs Christian und seines Sohnes Ulrich die Stiftshäuser in Besitz zu nehmen. Die Capitularen kamen ebenfalls (außer v. d. Lühe, der krank war) schon in den ersten Tagen des April in Bützow an und begehrten Einlaß in die Bischofsburg, der ihnen aber von Stallmeister verweigert wurde. Doch ging der Letztgenannte in die Herberge, wo das Capitel versammelt war, und hatte mit demselben eine (unfruchtbare) Unterredung. Da unter diesen Umständen nichts weiter zu machen war, beschlossen die Capitularen, ihre Beschwerden über diesen Eingriff in ihre verbrieften Rechte den vom König Christian zu schickenden Gesandten vorzutragen, und zogen bis auf von Wopersnow und von Plessen, die zur Ueberwachung der dortigen Ereignisse zurückgelassen wurden, wieder aus Bützow ab.

Es kamen nun zwar bald zwei Gesandte des dänischen Königs, der Dr. von Lippe und der königliche Secretair Nostorff; aber sie verlangten nicht mit dem Capitel zu conferiren, sondern nahmen nur ein Inventar von dem Nachlaß des verstorbenen Administrators auf. Die Auseinandersetzung mit den Domherren wollte der König bei seiner beabsichtigten Anherkunft zur Beisetzung selbst übernehmen. Wir werden später sehen, daß es anders kam.

Die Herrschaft im Stift führte also zunächst der König von Dänemark im Namen seines unmündigen Sohnes. Ulrichs II. hinterlassene Kanzler und Räthe schrieben (Bützow, 17. Juni 1624) an Herzog Adolf Friedrich, da derselbe von

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Hermannshagen Contribution forderte, daß der König Christian als Vormund des postulirten Bischofs die Regierung angetreten habe, und der Herzog sich deshalb an den König wenden möge. Sie, die Räthe Ulrichs II., wären "alle abgedankt, aber auf der königlichen Majestät gelegenen Zeit erst der Entlassung gewärtig". Uebrigens bekamen sie auch für die neue Herrschaft ein Mandat wieder, denn am 3. Dec. 1624 luden sie, die zur Regierung des Stifts Schwerin verordneten Statthalter, Kanzler und Räthe, die Stände auf den 20. December zum Stiftstag ein.

Dänische Räthe unter der Führung von Dr. Leonhard Metzner begannen am 26. Mai mit dem Capitel die Verhandlungen über die Stiftsregierung bis zur Volljährigkeit Ulrichs III. (2. Februar 1629) und die Zeit der Huldigung. Für das Capitel sprach der Syndicus Wilh. Finx, von den Dänen führte Metzner das Wort. König Christian von Dänemark ließ den Wunsch aussprechen, daß die Huldigung bald geschehe; das Capitel meinte, das könne nicht vor dem Mündigwerden des neuen Herrschers sein. In Bezug auf die Regentschaft bis zum Jahre 1629 verwies das Capitel auf die Capitulation von 1622, doch äußerte es auch, daß es überhaupt nicht gern eher verhandeln wolle, bis die an Herzog Friedrich gegebenen Siegel wieder ausgeliefert wären. So kamen zu den vorhandenen Schwierigkeiten neue, und der angesetzte Tag genügte zum Austrag derselben nicht. Man trat also wieder am andern Morgen früh 8 Uhr zusammen. Die Capitularen brachten eine ganze Reihe von Wünschen vor, von deren Gewährung sie ihre Zustimmung zu den dänischen Propositionen abhängig machten. Sie wollten, wie versprochen sei, bei Uebernahme der Administration durch Ulrich "munerirt und cohonestirt" werden, sie wollten den Statthalter nebst dessen Adjuncten aus ihrer Mitte verordnen, sie beanspruchten die Aufnahme eines vollständigen Inventars über Urkunden und Güter des Stifts, sie forderten dafür Ersatz, daß sie nach Ulrichs II. Tode keine Trauerkleider erhalten, begehrten für das Trauergeläute am Dom Glockengeld, beschwerten sich über das Betragen des Schelfvogts, erbaten Abschrift der Oeconomie=Ordnung und verwandten sich endlich für die Klosterjungfrauen zu Rühn, die Reparaturen ihrer Wohnungen wünschten. Das Homagium wollten sie aber auf keinen Fall vor 1629 geschehen lassen. Was man dänischer Seits hierzu sagte, ist nicht überliefert worden; die Acten brechen hier plötzlich ab. Sicher wurden aber den Capitularen einige Zugeständnisse gemacht; denn

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aus spätem Acten geht hervor, daß der Domherr Vollrath von Plessen als Vice=Statthalter auf der Ravensburg wohnte, und daß der Domherr Joachim Wopersnow das officium adjuncti verwaltete 1 ). Daher gab auch wohl das Capitel so weit nach, daß die Huldigung schon in demselben Jahre geschehen konnte.

Auf Einladung des Capitels erschienen zum 28. August 1624 die Stände des Stifts zu Bützow, um den Huldigungseid abzulegen. Der junge Prinz war mit seinem Hofmeister Georg Schulze selbst zu diesem feierlichen Act gekommen; der König von Dänemark ließ sich von seinem Kanzler Metzner vertreten. Nachdem man dem Gottesdienst beigewohnt und die "Huldigungspredigt" angehört hatte, begab man sich um 12 Uhr Mittags in den großen Saal der bischöflichen Burg. Als der Prinz dort erschien, erklärte der Domherr Joachim Wopersnow, daß Alle zur Ableistung des Eides bereit seien. Darauf hielt der Bürgermeister Dr. Martin Gerdes aus Güstrow eine Rede, und nach dieser wurde die Eidesformel durch den Stiftssecretair verlesen. Da nun die Stände kein Bedenken trugen, durch die verlesene Eidesformel sich verpflichten zu lassen, so nahm man ihnen den Schwur der Reihe nach ab, so daß zuerst die Ritter, 18 an der Zahl, an ihrer Spitze der Stiftsmarschall Johann Reimar Vieregge zu Viezen, und dann die Bürgermeister und Rathsverwandten der Städte Bützow und Warin vereidigt wurden. Zum Schluß hielt der Stiftskanzler Dr. Heinrich Stallmeister eine Rede, in welcher er zur Heilighaltung des Eides ermahnte. Für die Bereitwilligkeit der Stände zur Huldigung versprach der König Christian dem Stift gegen eine Obligation 3000 Rthlr. zur Bezahlung der rückständigen Kreisgelder zu leihen.

Erst drei Jahre war Ulrich III. Administrator, als der Friedländische Oberst Hans Georg von Arnim im Herbst 1627 mit einer Armee in Meklenburg einrückte und auch die Stiftshauptstadt Bützow besetzte. Damit war der Herrschaft Ulrichs factisch ein rasches Ende bereitet. Jedenfalls hatte derselbe damals aber sein Land schon verlassen. Er war bereits in den Kampf gegen den Feind seiner Religion gezogen, der zugleich ebenso sehr ein Feind seines Hauses Dänemark war. Doch vergaß er in der Fremde seiner Unterthanen nicht ganz. Auf ein Schreiben des Capitels, in welchem ihm die Noth des Stifts geklagt war, antwortete er am


1) Unterm 24. Juni 1624 beklagte sich das Capitel noch beim König, daß Dr. Stallmeister ihm die Ravensburg vorenthielt.
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12. Juni 1632 von Dresden aus, daß ihm das Elend des Stifts sehr zu Herzen gehe, leider könne er jetzt nicht Hülfe schaffen; später aber werde er sich an den König von Schweden wenden. Noch ein halbes Jahr später (20-30. Dec. 1632), als er als kursächsischer Cavallerie=General in Ohlau in Schlesien stand, beantwortete er einen ähnlichen Klagebrief des Capitels ebenfalls theilnahmsvoll; er hoffe bald ins Stift zurückzukehren und dort Ordnung zu schaffen. Nach dem Bericht der dänischen Historie von Niels Krabbe, welcher des Administrators Kammerjunker war, hatte Ulrich III. wohl einige Hoffnung, seine Herrschaft wieder zu erhalten, da er im Juni 1633 seinen Hofmeister Ofwe Schade abschickte, das Stift von Tott in Empfang zu nehmen. Aber zwei Monate später, am 12. August, während eines Waffenstillstands wurde er von einem Piccolominischen Schützen meuchlings erschossen 1 ). Der Generalmajor von Lohausen meldete Herzog Adolf Friedrich den Tod Ulrichs. Die Leiche wurde über Hamburg nach Kopenhagen gebracht.

Ulrich III. hatte unter der Bevormundung durch seinen Vater die Stiftsresieruns in einem Alter von 13 Jahren angetreten und führte die Herrschaft nur drei Jahre. Als er vor den Kaiserlichen aus seinem Lande wich, war er also erst 16 Jahre alt. Selbstverständlich kann man einen Regenten in so jugendlichem Alter weder für die guten noch für die schlechten Erfolge seiner Regierung vollauf verantwortlich machen, und Ulrich III. hatte selbst bei Dingen, über welche er schon ein Urtheil haben mochte, um so weniger freien Entschluß, als der König von Dänemark 1625 die Stiftshauptstadt mit einer dänischen Besatzung von 400 Mann belegte und im nächsten Jahr auch dänische Soldaten in die Stiftsdörfer einquartirte, der junge Administrator also fortwährend unter dem Drucke der dänischen Macht stand. Die eigentliche Seele der Regierung war aber der Kanzler Stallmeister, der die Verhältnisse kannte und seinen Aufgaben gewachsen gewesen wäre, wenn er nicht mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten hatte kämpfen müssen. Die Hauptnoth, die Geldcalamität, die bei der fortschreitenden Ausdehnung des Krieges immer größer wurde, vermochte Stallmeister nicht zu


1) Holberg erzählt in seiner dänischen Reichshistorie (2. Theil, S. 798): "Prinz Ulrich trat 1632 in schwedische Dienste. Er war während des Waffenstillstands in Schlesien bei den kaiserlichen Officieren Grafen von Schlick und Piccolomini zur Tafel gewesen und wurde, als er von diesen Officieren Abschied nehmen wollte, von einem Meuchelmörder, welcher in einem Graben verborgen lag, erschossen.
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überwinden. Die Quellen, aus welchen man die nöthigen Mittel schöpfen mußte, begannen bereits zu versiegen, und als die feindlichen Völker ins Stift einrückten, war man auf dem Standpunkt angekommen, wo nichts weiter übrig blieb, als die Insolvenz zu erklären. Seinen Namen gab Ulrich III. natürlich zu Regierungserlassen her; 1626 lud er zwei Mal, das erste Mal vergebens, die Stände zum Stiftstage ein (bis dahin hatten es Kanzler und Räthe gethan), und später finden wir seine Unterschrift häufiger. Aber man traute seiner Macht selbst in seinem eignen Lande wenig, da man als eigentlichen Regenten den dänischen König ansah. Aus diesem Grunde wollten auch die Stiftsstädte 1626 eine Beschwerde nicht an Ulrich, sondern an Christian IV. richten.

Im Ganzen wird die Regierung in dem Sinne, wie unter Ulrich II., auch unter Ulrich III. fortgeführt sein, da ja der Kanzler derselbe blieb. Von den übrigen Stiftsbeamten erfahren wir wenig. Für den Stiftshauptmann Nickel Lodt (einen Dänen?), der seit 1617 fungirte und auf nicht ganz ehrenhafte Weise abtrat, wurde 1625 der Ritter Heinrich von Hagen, genannt Geist, angestellt, dessen Charakter ebenfalls nicht ganz makellos erscheint. Das Auftreten des jungen Administrators in den letzten Jahren seines Lebens, wo er als Streiter für seinen Glauben und sein Vaterland zu Felde zog und doch seiner ihm entrissenen Unterthanen theilnahmsvoll gedachte, macht den Eindruck, als ob er ein Mann von Muth und Herz gewesen sei. Seine Ausbildung mußte natürlich hinter der seines Vorgängers im Stift weit zurückstehen, da ihm die Zeit zu einem sorgfältigen Studium nicht vergönnt war, doch soll er nach dem Urtheil des schon erwähnten Niels Krabbe nicht ohne wissenschaftlichen Sinn und nicht unerfahren gewesen sein. Er versuchte sich sogar als Schriftsteller, indem er ein Buch: Strigilis vitiorum (Striegel der Laster), verfaßte.

Adolf Friedrich.

Wir haben weiter oben gesehen, daß Herzog Adolf Friedrich von Meklenburg sich bis zum Jahr 1622 um die Coadjutorwürde beim Stift bewarb, daß er dann aber seine Bewerbungen. einstellte, vielleicht weil, sicher nachdem Herzog Hans Albrecht die Erklärung abgegeben, er habe sich mit König Christian geeinigt. 1624 brachte Adolf Friedrich wieder Bewerbungen an, aber diesmal nicht für sich, sondern für seinen erst am 1. December 1623 gebornen Sohn Christian. Wahrscheinlich hatte sich in Meklenburg das Gerücht von des

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Administrators Ableben eher verbreitet, als derselbe starb; denn es ist ein Brief Adolf Friedrichs vom 3. März 1624 aufbewahrt, in welchem von dem Tode Ulrichs II. als von einer Thatsache gesprochen wird. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls schlug der Herzog von Meklenburg den erst wenige Monate alten Prinzen schon am 31. März dem Capitel zum Coadjutor vor. Auch der Güstrower Hof war für diese Wahl dies Mal leicht gewonnen, und Hans Albrecht empfahl den Prinzen Christian unterm 15. Mai zur Wahl. Dieser Antrag kam den Capitularen erklärlicher Weise aber doch etwas zu früh, und sie antworteten zwar verbindlich, aber ausweichend. Wiederum versuchte man erst einzelne Domherren zu gewinnen, und diese Aufgabe wurde dem Kanzler Adolf Friedrichs Geh. Rath Johannes Oberberg 1 ) zu Theil. Man wandte sich sogleich an den einflußreichsten und gewandtesten der Domherren, an Otto von Estorff. Früher hatte dieser, wie wir bereits wissen, die Wahl der Dänen begünstigt; jetzt behauptete er freilich, er habe trotz aller Mühe die Wahl Ulrichs III. nicht hintertreiben können, da seine Collegen für dieselbe gewesen seien. Noch jetzt wünschten die meisten Capitularen das Hans Holstein "ad perpetuam successionem zu bringen", und vielleicht wäre es schon geschehen, wenn er nicht durch den Spruch: "Differ, habent parvae commoda magna morae" die Herren zur Besinnung gebracht hatte. 2 ) Leider seien seine Mitcapitularen wenig patriotisch; er selbst sei auch zwar kein Patriot (Meklenburger); er stimme aber doch entschieden für Meklenburg und werde auf der nächsten Capitelsversammlung den jungen Herzog Christian recommandiren. Oberberg möge aber nicht versäumen an den Syndicus des Capitels zu schreiben, denn: "ille multum potest". Diese Unterredung sollte sehr geheim gehalten werden und fand deshalb in Roggendorf bei Gadebusch statt (2. April). Ja selbst auf der Reise von dort nach Bützow, wo am 4. April Capitelsversammlung war, zog von Estorff um die Stadt Gadebusch weg, um von möglichst Wenigen gesehen zu werden.

Am 6. April kam der Syndicus, dem Oberberg sich schon offenbart hatte, von Bützow nach Schwerin. Beide hatten am nächsten Morgen um 5 Uhr auf dem Hofe des Syndicus


1) Dr. jur. utr. J. O. stammte aus Minden und war vor seiner Berufung zum Kanzler in Meklenburg Syndicus daselbst. Franck, lib. XII. S. 245, 246.
2) von Estorff sprach und schrieb gern Deutsch mit Latein gemischt.
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bei der Domkirche eine Besprechung. Oberberg erzählte, wie schlecht das Capitel vom Dr. Stallmeister in Bützow behandelt, und wie erwünscht in Folge dieser Behandlung den Domherren der Vorschlag von der Wahl des Herzogs Christian gewesen sei. Aber nach Dänemark müsse Adolf Friedrich sich auch wenden. Mindestens fürchtete also das Capitel den König Christian IV.

Zwei aus dem Capitel, der Propst und der Syndicus waren somit rasch von Oberberg gewonnen; er versuchte nun auch Wopersnow in das meklenburgische Interesse zu ziehen, und das gelang ebenfalls bald. Mit dem Capitel hatte man also wohl keine Schwierigkeiten mehr, wenn man ihm die Furcht vor dem dänischen König nehmen konnte. Dazu that Adolf Friedrich denn den ersten Schritt selbst, indem er am 4. Mai an König Christian schrieb, er möge den Capitularen die Wahl des jungen meklenburgischen Herzogs Christian zum Coadjutor vorschlagen; er vermöge viel beim Capitel, und er würde sich "seines Pathen vetter= und väterlich annehmen". Ein ähnliches Schreiben erhielt auch die Königin=Wittwe Sophie; beide Briefe wurden durch den herzoglichen Rath Hans Heinrich von der Lühe (auf Thelkow) überbracht. König Christian antwortete zwar sehr freundlich, hatte aber doch wegen der so bald nach Ulrichs II. Tode gewünschten Wahl Bedenken, "insonderheit, weil wir es dafür gänzlich achten und halten, daß vivo electo kein Coadjutor, und zwar bei dessen Minderjährigkeit, könne angenommen werden". Christian hatte insofern Recht, als nach altem Herkommen die Initiative zur Coadjutorenwahl vom Bischof selbst ausgehen sollte. Während der König also nichts weiter zusagte und nur auf die Zukunft vertröstete, gab die Königin=Wittwe Sophie gern und freudig ihre Zustimmung zu Adolf Friedrichs Wunsch. Nur konnte das wenig helfen.

Mit diesen beiden Briefen aus Dänemark wurde Oberberg nach Bützow geschickt, wo er am 25. Mai, am Tage nach der Beisetzung, mit von Estorff und Syndicus Finx eine Unterredung in der Kirche hatte. Am 7. Juni stellte von Estorff sich dem Herzog Adolf Friedrich selbst zum Bericht in Gadebusch, bald darauf war er mit Oberberg wieder in Roggendorf zusammen, und am 23. Juni beriethen Joachim von Wopersnow und Hans Heinrich von der Lühe die Wahlangelegenheit in Tempzin.

Am 16. Juni sollte eine Capitelsversammlung in Bützow sein. Estorff, der von Ratzeburg aus dahin reiste, wollte vorher noch Oberberg sprechen und verabredete mit demselben

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daher am 15. Morgens 8 Uhr eine geheime Zusammenkunft auf der Straße zwischen Schwerin und Medewege.

Wohl instruirt erschienen in Bützow an dem genannten Tage neben den Capitularen als herzogliche Deputirte der Statthalter Matthias von Güntersberg, der Hofmarschall Moritz von der Marwitz und der Geh. Rath Johann Oberberg. Sie trugen dort vor: die Behauptung König Christians, daß vivo electo kein Coadjutor gewählt werden könne, sei durchaus falsch. Die reguiae canonicae dürften für diese Behauptung nicht angezogen werden, denn diese gälten in reformirten Stiftern nicht, und wenn sie gelten sollten, so dürfe ein Minderjähriger, wie Ulrich III., nicht Bischof sein. Uebrigens sei die von ihnen empfohlene Wahl in Art. 37 der Capitulation von 1597 begründet, und daher dürfe König Christian, der diese Capitulation unterschrieben habe, nicht widersprechen. Sollte aber das Capitel gleichwohl auf die Wahl jetzt nicht eingehen wollen, so möchte es sich wenigstens für die Zukunft dem Hause Meklenburg verbindlich machen und jetzt versprechen, daß es sich später mit keinem andern Hause einlassen wolle. Der Herzog wäre bereit, die Tractaten wegen der restrictio electionis ad domum suam, wenn das Capitel wolle, fortzusetzen.

Das Capitel gab seine Erklärung noch am 16. schriftlich und versiegelt ab. Es wollte sich in Jahresfrist nach dem Tode des Bischofs mit keiner neuen Wahl befassen, später aber, wenn Adolf Friedrich die Verhandlungen fortsetzen wollte, das Haus Meklenburg und besonders Herzog Christian "in vorzüglicher Obacht halten".

Oberberg überbrachte diese Erklärung, welche jetzt nur noch im Concept vorhanden ist, dem Herzog Adolf Friedrich, und dieser legte sie "in die schwarze Lade". Doch beabsichtigte man keineswegs die Angelegenheit jetzt ruhen zu lassen. Noch zum 27. December des Jahres 1624 bat von Estorff den Kanzler Oberberg um eine Conferenz in Zarrentin, und noch andere Unterredungen dürften stattgefunden haben, wenn auch von ihnen nichts überliefert ist.

Das Capitel beabsichtigte, wie wir wissen, in dem Trauerjahr sich mit einer Neuwahl nicht zu befassen; aber schon vor Ablauf desselben versuchte es von König Christian die Erlaubniß zur Wahl des meklenburgischen Prinzen zu bekommen 1 ).


1) In diese Zeit fällt sicher der bei Rudloff, "Das ehemalige Verhältniß zwischen dem Herzogthum Meklenburg und dem Bisthum Schwerin" unter den Urkunden (XXII.) veröffentlichte undatirte Brief des Capitels an König Christian. (Nach Acten des Vereins, datirt v. 15. Dec. 1624).
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Christian IV. antwortete aber auf dies Ansinnen am 4. Februar 1625 recht ungnädig, da er seinen Sohn Friedrich, einen älteren Bruder Herzog Ulrichs, der früher zum Coadjutor erwählt war und seine Rechte an Ulrich abgetreten hatte (s. S. 185), wieder zum Coadjutor postulirt haben wollte, oder vielmehr es so ansah, als wenn Friedrich vermöge der alten Capitulation ohne Weiteres jetzt Coadjutor sei. Adolf Friedrich wartete, bis das Trauerjahr verflossen war, dann aber erinnerte er das Capitel (am 5. April l625) an sein Versprechen vom 16. Juli des vorigen Jahres, und nun ging Alles erwünschter, als man hätte denken sollen; Christian IV. war eben durch den 30jährigen Krieg zu sehr in Anspruch genommen, als das er sich um das Stift hätte viel kümmern können.

Die nähern Umstände, unter welchen die Wahl des Capitels so bald zu Stande kam, entziehen sich der Beurtheilung, da uns die Acten wieder im Stich lassen. Nur wissen wir, daß der Hofmarschall von Güntersberg und der Geh. Rath Oberberg zum 26. August 1625 mit dem Capitel eine Capitulation vereinbarten, auf deren Grundlage dann am genannten Tage zu Schwerin die Postulation geschah. Das decretum postulationis hat kurz folgenden Inhalt: Herzog Christian von Meklenburg ist zum künftigen Administrator erwählt; stirbt derselbe vor dem Tode Ulrichs III., so geht diese Wahl ohne Weiteres auf einen andern Sohn Adolf Friedrichs über, wenn der Herzog noch andre männliche legitime Erben bekommt; im entgegengesetzten Fall tritt Adolf Friedrich selbst in die Rechte und Pflichten seines Sohnes. Weitere Folgen soll aber diese Wahl nicht haben; wenn also einer von den genannten Herzogen die Stiftsherrschaft einmal angetreten hat, so steht dem Capitel die Wahl von dessen Nachfolger wieder völlig frei.

Die vom 26. August datirte Capitulation schließt sich in ihrem Inhalt im Ganzen an die von 1622 an; die Abweichungen von dieser sollen das Capitel noch mehr sicher stellen und dessen Rechte besser wahren.

Der Inhalt der Capitulation ist folgender:

Auf Recommandation Adolf Friedrichs und weil dem Capitel im 37. Artikel der Capitulation von 1597 libera facultas vorbehalten, hat das Capitel sich verpflichtet, nach Absterben des jetzigen Administrators Ulrich den Herzog Christian zum Successor und künftigen Administrator zu wählen unter der Bedingung, daß Adolf Friedrich die Capitulation durch Siegel und Handzeichen vollziehe. Dieser

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acceptirt die Postulation und purificirt die Capitulation im Namen seines Sohnes.

1) Wenn Christian mündig geworden ist, soll er die Capitulation selbst an Eides Statt angeloben.

2) Adolf Friedrich will das Capitel wegen dieser Capitulation vor allen Angriffen schützen und demselben allen deshalb entstehenden Schaden vergüten. Das Capitel und das ganze Stift wird in seinen Schutz genommen, worüber besondere Schutz= und Schirmbriefe 1 ) ausgestellt sind.

3) Wenn die Capitulation angegriffen werden sollte, will Adolf Friedrich dafür sorgen, daß sie "bei Kraft und Macht bleibe".

4) Dem Capitel bleibt künftig wieder die freie Wahl des Administrators.

5) So lange Ulrich lebt, will man sich der Regierung in keiner Weise anmaßen.

6) Der Postulat will als Administrator für Erhaltung der Kirchen und Schulen und deren Diener nach Inhalt der Oeconomie=Ordnung vom 21. Februar 1568 sorgen.

7) Er will ordentliche Justiz pflegen lassen auf eigne und des Stifts gemeinsame Kosten innerhalb des Stifts. Die Stiftsunterthanen sollen vor die meklenburgische Canzlei nicht gezogen werden.

Die Artikel 8-15 entsprechen den Artikeln 7-14 der Capitulation von 1622. Außerdem bestimmt Artikel 15: "Insonderheit haben wir zugesagt und gnädig versprochen, dem Domcapitel die Jurisdiction über die Domkirche und den Kirchhof, darinnen sie dieso nächsten Jahre her turbiret worden, in prima instantia zu lassen."

Artikel 16 und 17 = 15 und 16 von 1622.

18) Das Capitel hat die Jurisdiction in erster Instanz über die Domherren, Expectanten und Beneficiaten, sowie über seine eigne Unterthanen.

Die Artikel 19-26 gleichen im Ganzen wieder den Artikeln 17-26 von 1622.

27) Alle Siegel und Briefe des Capitels, die dasselbe zur Zeit Ulrichs I. bei dessen Regierung deponirt hat, sollen wieder ausgeliefert werden.

28-31 = 28-31 von 1622.

32) Der Administrator allein trägt die Kosten für Reichs=, Deputations= und Kreistage, sowie für das Kammergericht, die


1) Die Schutzbriefe sind nicht mehr vorhanden.
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Revisionen, Visitationen, Spenden und das Consistorium. Die Augsburgische Confession soll erhalten bleiben, und keine Räthe von einem andern Bekenntniß im Stift angestellt werden.

33) - 35) ähnlich der Capitulation von 1622.

36) Stirbt Christian vor seiner Volljährigkeit (18. J.), so geht die Postulation ohne Wahl auf dessen etwaige Brüder, und wenn keine da sind, auf Adolf Friedrich selbst über. Hat aber einer von ihnen die Regierung wirklich angetreten und stirbt dann, so hat das Capitel wieder freie Wahl.

37) Wegen dieser Postulation hat Adolf Friedrich die Domkirche ansehnlich dotirt. Die Prätensionen Meklenburgs auf das Stift sollen pendente hac postulatione und während Adolf Friedrichs Söhne oder seiner eignen Regierung in ihrem jetzigen Stand gelassen werden.

38) Christian soll später diese Verpflichtungen selbst an Eides Statt ratificiren, bis zu dessen Volljährigkeit verspricht sein Vater die Erfüllung des Vertrages.

Unterschrieben ist das Concept dieser Capitulation von v. Güntersberg und Oberberg im Auftrage Adolf Friedrichs und von den Capitularen: Otto von Estorff, Claus von der Lühe, Ulrich Wackerbarth, Jochim Wopersnow, Christoffer von Bassewitz, Vollrath von Plessen; das Original, welches in zwei Exemplaren vorhanden ist, trägt die Unterschrift Adolf Friedrichs und dessen und des Capitels großes Siegel.

Von der Schuldverschreibung, die Adolf Friedrich für die Wahl ausstellte, liegt eine auf 5000 Rthlr. lautende beglaubigte Abschrift vor; andre Ausfertigungen nennen 10,000 Rthlr., die Hälfte wurde also wohl noch abgehandelt. 500 Rthlr. ließ der Herzog sofort an den Syndicus zahlen, der Rest sollte erst bei Antritt der Stiftsregierung fällig sein.

So hatte Adolf Friedrich eher die Wahlangelegenheit zu einem glücklichen Ende gebracht, als der 30jährige Krieg alle Verhältnisse in Meklenburg und im Stift Schwerin auf den Kopf stellte. Wir sprechen von der Verwirrung, die der Krieg anrichtete, an einer andern Stelle und setzen hier die Ereignisse nach dem Tode Ulrichs III. fort.

Rechtlich war seit dem 12. August 1633 der 9jährige Herzog Christian von Meklenburg Administrator des Stifts; aber von Recht war damals nicht viel die Rede. Das Ländchen war aus den Händen Wallensteins in die der Schweden gefallen, und diese hielten die Beute jure belli, wie sie sagten, fest. Doch nach vielem Bemühen gelang es endlich Adolf Friedrich, die Schweden zur Abtretung des Stifts zu

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bewegen. Unterm 15. Februar 1634 beauftragte der Kanzler Oxenstiern den Legaten Joh. Salvius mit der Immission Adolf Friedrichs ins Stift, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, daß Alles im Stift in dem Stande bliebe, wie es jetzt befindlich, insonderheit daß es bei dem von weiland König Gustav Adolf und der schwedischen Krone "donirten, cedirten und begebenen Gütern, Rechten und Gerechtigkeiten, Gefällen, Renten und Einkommen, wie auch den darauf beschehenen Assignationen der Billigkeit nach allerdings sein Verbleiben haben und den Assignationen gebührende Satisfaction geschehen soll." Dadurch kam das Stift freilich nicht in den Besitz Christians, wohl aber in den seines Vaters, der damals doch für den noch unmündigen Prinzen die Herrschaft hätte führen müssen.

Die Abtretung des Stifts an Adolf Friedrich geschah im Namen der Königin Christine durch den Benannten Legaten in Niedersachsen und Westpfalen und Residenten zu Hamburg Joh. Salvius am 24. März 1634. Adolf Friedrich war schon am 21. März aus Schwerin abgereist und des Abends in Warin angekommen, wo er die Nacht blieb. Die nächste Nacht brachte er in Rühn zu, und von da wurde er von Salvius und dessen Umgebung am 23. nach Bützow eingeholt. Zu dem feierlichen Act versammelte man sich am 24. des Morgens 10 Uhr in der "Oberstube" des Stiftshauses zu Bützow. Das Stiftsministerium, die Ritterschaft und "andere" Stiftsstände waren neben einigen eingeladenen Zeugen erschienen. Der Stiftssecretair Joachim Reppenhagen wirkte als Notar. Salvius eröffnete die Versammlung mit einer Rede, in welcher er die wunderbare Fügung Gottes in vielen Staaten, besonders im Stifte schilderte. Er erzählte dann, wie das Ländchen in den Besitz Schwedens gekommen, und wie ihm nun aufgetragen sei, dasselbe an Adolf Friedrich zu übergeben "in Anbetracht der nahen Verwandtschaft des Herzogs mit dem schwedischen Königshause und des übergroßen Schadens und Nachtheils, den Adolf Friedrich vom Antichristen erlitten." (Von einem jus quaesitum, das der Herzog geltend machen wollte, ist nicht die Rede.) So überlasse er denn im Namen seiner Königin und der Krone von Schweden dem Herzog Adolf Friedrich das Stift Schwerin und alle dessen Pertinenzien "an dero Hoheit, Herrlich= und Gerechtigkeiten in ecclesiasticis, politicis et oeconomicis, auch an Aemtern, Städten, Höfen, Dörfern, Holzungen, Aeckern, Wiesen und in summa, nichts ausbeschieden, aller Dinge, wie es die vorigen Bischöfe ruhesamst innegehabt, besessen

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und gebraucht, und es nachmals an die hochlöbliche Krone Schweden jure belli gekommen." Darauf wünschte er Adolf Friedrich Glück zu der neuen Herrschaft, entband die Stände ihrer Pflicht gegen Schweden, verwies sie an ihren neuen Landesherrn und wünschte dann auch den Ständen Glück.

Darauf redete im Auftrage Adolf Friedrichs dessen Geh. Rath Dr. Joh. Bergmann über die Gräuel des Antichristen und über die Verdienste Schwedens und seines Königs. Er acceptirte im Namen seines Herzogs das Stift dankbarlichst und versprach diese Gnade an Schweden zu "verschulden" (verdienen). Nachdem er sich dann gegen Salvius bedankt hatte, verhieß er den Stiftsständen Schutz der Augsburgischen Confession, heilsame Justiz und gnädige Regierung und forderte dieselben endlich zur Huldigung auf. Es nahten sich nun der Reihe nach dem Herzog Adolf Friedrich das Ministerium, die Ritterschaft und die Magistrate von Bützow und Warin, und "machten sich mit gehöriger Reverenz und Handstrecken neben gethanem Glückwunsch obligirt und unterthänig." Dann wurde der Act im Namen Gottes, wie er angefangen, geschlossen.

Am folgenden Tage wurde von den Kanzeln Danksagung und Fürbitte verlesen und darauf alle Hofmeister und Schulzen des Stifts durch ein "Handgelübde" verpflichtet. Nachdem dies geschehen, gab der Herzog ihnen "nach Gewohnheit" zwei Tonnen Bier.

Angestellt und beeidigt wurden ferner am 25. März der Beamte der Officialei zu Rostock, die Hofmeister zu Bützow und Wolken und der Landreiter und der Fischer zu Bützow, am 26. die Küchenmeister zu Bützow und Warin und der Stadtvogt zu Bützow, am 27. der Hofmeister zu Boitin.

Herzog Adolf Friedrich fühlte sich durch die einseitige Verfügung des schwedischen Kanzlers über das Stift nicht völlig beruhigt; ihm lag daran, auch die Zustimmung aus Schweden selbst zu erhalten. Darum schrieb er am 19. April 1634 an die schwedischen Reichsräthe und bat, nachdem er für die Verleihung der neuen Herrschaft seinen Dank abgestattet, um Bestätigung, indem er ausdrücklich die Donationen und Assignationen, "so der König Gustav Adolf und der Reichskanzler an Andere verwendet und tradiret", anzuerkennen versprach. Erst nach drei Monaten (de dato Stockholm, 19. Juli) erhielt er von der Königin Christine und den Reichsräthen die Antwort, sie hatten nicht so bald sich entscheiden können, da sie erst mit Oxenstiern, in dessen Pläne sie nicht eingreifen möchten, hätten conferiren müssen.

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Nun wäre aber Adolf Friedrich ja, die Erklärung wegen der Proprietät oder des dominii directi bis nach des nächsten Frankfurter Convents Beschluß vorbehalten, in die völlige Possession des Stifts gekommen, und dazu gäben sie ihre Zustimmung und ihren Glückwunsch. Wegen der Proprietät würden sie sich später "auf einkommenden Bericht" so erklären, daß der Herzog die Freundschaft Schwedens daraus verspüren könne.

Es läßt sich nicht verkennen, daß Schweden bei Uebertragung der Stiftsregierung an Adolf Friedrich die Stiftsverfassung ganz außer Acht ließ, es handelte eben jure belli. Daher fehlte es auch nicht an Widerspruch. Sowie Herzog Hans Albrecht von dem Beschluß Oxenstierns Kunde bekam, schickte er den Rath Johann Milde und den Major Bernhard Meier nach Bützow zu Salvius, um gegen die Uebergabe zu protestiren. Er machte geltend, Meklenburg=Güstrow habe auf das Stift ebenso viele jura und regalia als Meklenburg=Schwerin, es habe ebenso viel gelitten im Kriege, Güstrower Truppen hätten den Feind zuerst aus Bützow vertrieben, er, Hans Albrecht, sei ein ebenso treuer Bundesgenosse und ebenso naher Verwandter des königlichen Hauses, als Adolf Friedrich. Die Güstrower Gesandten kamen in Bützow an, als Salvius mit Herzog Adolf Friedrich beim festlichen Einführungsmahl saß. Nach dem Essen wurden sie vor Salvius beschieden, und dieser gab ihnen die Erklärung, daß sie jetzt mit ihrem Antrag zu spät kämen, da Adolf Friedrich bereits eingewiesen sei. Aber das Stift sei demselben nicht als Eigenthum gegeben, sondern er habe es interimsweise bis zum Beschluß des Frankfurter Convents in Besitz genommen. Es blieb den Gesandten also weiter nichts übrig, als im Namen ihres Herzog zu protestiren, und Salvius entließ sie darauf mit der Vertröstung, daß die Krone Schweden das Dominium des Stifts noch habe, und daß die Unterthanen dem neuen Herrscher nicht so bald huldigen würden, da das Stift ein Reichsstand und daher noch die Zustimmung des Reiches nöthig sei. Auch seien noch einige Domherren vorhanden, die die Huldigung nicht erlauben würden, weil sie die libera electio hätten oder wenigstens gehabt hätten.

Hans Albrecht setzte nun seine Hoffnung auf den Convent, welcher im Sommer 1634 zur Berathung der protestantischen Angelegenheiten von Oxenstiern nach Frankfurt berufen war. Am 31. März theilte er Oxenstiern schriftlich mit, daß er in Frankfurt seine Rechte geltend machen wolle. Er bemerkte

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dabei, daß er dem Sohne Adolf Friedrichs das Stift als postulirtem Administrator gern gegönnt hätte, denn wenn die Wahl Christians Anerkennung gefunden hätte, so wäre für die Zukunft seinem Hause das Stift nicht verloren. Er wolle aber keineswegs gestatten, daß das Stift in Meklenburg=Schwerin incorporirt würde. Auch an Salvius schriee Hans Albrecht, er möchte bei Oxenstiern ein gutes Wort für die Güstrower Linie einlegen, was der Legat zu thun verhieß.

Zu Gesandten nach Frankfurt wurden die Geheimen und Regierungsräthe Hans Albrechts Paschen von der Lühe (auf Thelkow) und Zacharias Rochow bestimmt. Sie erhielten ein Schreiben an Oxenstiern mit, das sie aber erst abgeben sollten, wenn der von Salvius versprochene Brief eingegangen. Mit den Gesandten von Brandenburg, Pommern, Hessen=Kassel und Anhalt sollten sie sich vor dem Convent benehmen, damit sie Unterstützung fänden. Dann sollten sie beantragen, daß das Stift Schwerin in seiner alten Verfassung erhalten bliebe, und die Administratoren abwechselnd aus dem Hause Schwerin und Güstrow gewählt würden. Wäre das nicht zu erreichen, und würde man das Stift in Meklenburg incorporiren wollen, so sollten sie die Hälfte des Landes für Güstrow beanspruchen.

Der Frankfurter Convent fand statt und wurde am 3. September geschlossen. Die Güstrower Gesandten hatten denselben besucht; aber erreicht hatten sie nichts.

Während der Herrschaft der Schweden im Stift waren die Rechte der Capitularen schmählich mit Füßen getreten; und aus ihren Besitzungen vertrieben, eingeschüchtert und zerstreut in alle Welt, wagten dieselben nicht einmal Einspruch dawider zu erheben. Als aber Adolf Friedrich in die Stiftsherrschaft eingesetzt war, lagen die Verhältnisse für sie um Vieles günstiger. Denn dem Herzog konnte die Uebernahme des Stifts als eines schwedischen Lehnes natürlich wenig Garantie für eine dauernde Herrschaft bieten, er mußte also sich auf andre Weise Rechte an das Stift zu verschaffen suchen, wenn er in seinem Besitz sicher sein wollte. Das war aber am besten möglich durch das Capitel, welches rechtlich allein über das Stift zu verfügen hatte. Den Capitularen war es in ihrer üblen Lage zunächst wohl gleichgültig, wer der Herrscher war, ihnen lag vor allem daran wiederzugewinnen, was sich wiedergewinnen ließ, und mit Adolf Friedrich ließ sich wenigstens schon eher verhandeln, als mit den übermüthigen Schweden. Der Senior Vollrath von Plessen (auf Großenhof)

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scheint zuerst wieder für des Capitels Sache Hoffnung geschöpft zu haben, wenigstens tritt er zuerst handelnd wieder auf. Unterm 28. April schon theilte er Adolf Friedrich mit, daß am 30. ein Capitelsconvent in Schwerin stattfinden solle; der Herzog möchte dann dem Capitel Audienz gewähren, damit über die Lage des Stifts berathen werden könne. Adolf Friedrich hatte zwar Anfangs wenig Lust mit den Capitularen zu verhandeln, wie aus seiner Correspondenz mit dem General von Lohausen hervorgeht; aber die Bewegung unter den Capitularen wurde sehr groß, sie wollten einen Convent halten, hatten sich wieder an Dänemark gewandt und drohten einen neuen Administrator zu wählen. Nun meinte Adolf Friedrich, es könnte sich leicht Einer finden, der Geld biete für die Wahl, und er erhielt dann einen Rivalen. Er mußte also doch seinen Aerger darüber, daß das Capitel das Stift Jahre lang dem Hause Meklenburg vorenthalten, verwinden und sich mit den ihm persönlich verhaßten Capitularen, die er inutilia terrae pondera nannte, einlassen.

In der Capitelssitzung erschienen der Dekan Wackerbarth, der Senior von Plessen, der Subsenior Bothmer und der Syndicus Wedemann. Am 1. Mai hatte der Herzog mit diesen eine Conferenz, welche am 2. der herzogliche Rath Johann Cothmann fortsetzte; der Lehnssecretair und Archivar Simon Gabriel zur Nedden führte das Protocoll. Cothmann bedeutete den Capitularen, daß Adolf Friedrich von Schweden nur "die Possession des Stifts auf gewisse Maße" erhalten habe. Auf die Bitte der Capitularen habe man sich um deren Restitution bemüht, aber ohne Erfolg. Zunächst könne der Herzog nichts verfügen, weil er Alles in dem jetzigen Stande lassen solle; doch wolle er ihnen die Güter Rampe und Medewege "zu sonderlichen Gnaden aus eignen Mitteln reluiren"; hoffentlich würde Schweden dazu seine Einwilligung geben. Als Gegenleistung erwarte er vom Capitel, daß dasselbe mit ihm eine Capitulation aufstelle, nach welcher allzeit der älteste Sohn des regierenden Herzogs zu Meklenburg=Schwerin, und wenn diese Linie ausstürbe, das Haus Güstrow in perpetuum zum Administrator gewählt werden müsse. Wedemann erwiderte, man möchte die Forderung in Betreff der Wahl wohl bewilligen, wie es dann aber mit den Statuten werden solle, nach welchen dem Capitel die fibera electio zustehe? Man müsse zunächst um eine Bedenkzeit von 14 Tagen bitten, bis dahin würde voraussichtlich auch der Propst, dessen Stimme durchaus nöthig sei, nach Schwerin kommen. Cothmann gab darauf die ziemlich unklare

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Antwort, der Passus über die Wahl könne so verclausulirt werden, daß er dem Capitel nicht zum Präjudiz gereiche.

Am 14. Mai hatten die vorhin Benannten Capitularen und der Propst Otto von Estorff wieder eine Conferenz mit dem Hofmarschall Moritz von der Marwitz und dem Rath Cothmann. Wegen des Wahlpassus hatte das Capitel sich schon vorher schriftlich geäußert, freilich nicht zur Zufriedenheit Adolf Friedrichs. Die Verhandlungen zogen sich sehr in die Länge, so daß neben der Sitzung am 14. noch drei andre nöthig wurden (16., 17. und 19. Mai). Cothmann und Wedemann führten das Wort. Die Güter Rampe und Medewege sollten für das Capitel reluirt werden, versprach Cothmann unter der Bedingung, daß man sich verpflichte, immer den regierenden Herzog von Meklenburg, und zwar in erster Linie von Meklenburg=Schwerin, zu wählen. Dabei wies er auf die Vortheile hin, die dem Stift und besonders den Capitularen aus der Herrschaft eines meklenburgischen Herzogs erwachsen würden. Auf den Einwand Wedemanns, daß dadurch die electio mortificirt würde, und das dem Capitel vor der Nachwelt schimpflich wäre, entgegnete Cothmann: "Die Wahl bleibt, nur die pluralitas individuorum wird aufgehoben". Uebrigens dürfte das Capitel wohl nimmer restituirt werden, wenn es auf diese Bedingung nicht eingehen wolle. Wedemann: "Die Election ist dann nur umbra". Wackerbarth setzte hinzu: "Das geht wider unser juramentum". Die Richtigkeit dieser Behauptungen konnte nun zwar niemand bestreiten, auch Cothmann nicht; aber der herzogliche Rath wußte seine Sache geschickt zu vertreten und war um eine Antwort nicht verlegen. Wie könne ein juramentum das Capitel hindern, das Stift vom naufragium zu retten, fragte derselbe. Die Capitularen wurden durch dergleichen drohende Andeutungen so in die Enge getrieben, daß sie Schritt für Schritt dem Gegner das Feld räumten. Zuerst wollten sie die Wahl auf das Haus Meklenburg restringiren, wie die Lübeker Capitularen es auf das Haus Holstein gethan, aber nicht auf eine bestimmte Person. Das genügte nicht. Man erbot sich dann, den regierenden Herzog von Meklenburg=Schwerin zu wählen, wollte aber nicht nach Aussterben des Schweriner Hauses auf Güstrow angewiesen sein, und auf alle Falle wollte man bei jeder Wahl eine Capitulation aufstellen. Auch das genügte nicht völlig und die Capitulation wurde ihnen als überflüssig rundweg abgeschlagen. Der Tag war indessen mit den Verhandlungen zu Ende gegangen, die Conferenz wurde abgebrochen und die Capitularen zur Tafel

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geladen. Sie lehnten zuerst ab, nahmen dann aber auf Zureden die Einladung doch an.

Am nächsten Tage war Himmelfahrt, die Conferenz konnte also erst am 16. fortgesetzt werden. Cothmann spricht von der Wahl eines Güstrowers nach dem etwaigen Aussterben der Schweriner Linie nicht mehr; er fordert einfach, daß nunmehr die Postulation auf Adolf Friedrich gerichtet werde. Die Capitularen wandten zaghaft ein, Herzog Christian, der schon postulirt sei, möchte die Wahl des Vaters anfechten, gingen aber doch nach langem Sträuben auf die Forderung Cothmanns ein, da man ihnen versicherte, Herzog Christian wäre mit der Wahl des Vaters einverstanden.

Der Boden war nun so weit geebnet, daß man anfangen konnte aufzubauen. Man verhandelte dann über verschiedene Verfassungsfragen, über Gerichtsverfassung und über den Titel des Herrschers. Dem Capitel lag sehr daran, daß der Herzog sich auch Administrator nenne, und Adolf Friedrich versprach daher, es thun zu wollen. In Bezug auf die Jurisdiction im Stift gab Adolf Friedrich die allgemeine Zusicherung, daß er Alles im alten Stand lassen wolle, schon wegen der Erbverträge mit Güstrosw. Der Senior von Plessen - der auch herzoglicher Rath war - könne gern die Aufsicht über die Justizpflege haben. Das Capitel forderte eine eigne Stiftscanzlei, doch darauf wollte der Herzog der Kosten wegen nicht eingehen. Cothmann versprach schließlich, daß die Stiftsacten an einem besondern Ort in der herzoglichen. Canzlei aufbewahrt werden sollten, aber nicht auf dem Bischofshof, wie das Capitel wünschte. In Betreff der Stiftstage billigte man die Forderung des Capitels, daß nämlich die Stände nach Bützow berufen werden sollten. Die Restitution der Capitelsgüter machte am meisten Schwierigkeit. Es wurde die Reluition von Rampe, Medewege, Warkstorf und Bauhof Schwerin innerhalb sechs Wochen gefordert, dann eine Frist bis Jacobi nachgegeben, ferner der Termin bis Michaelis hinausgeschoben, und endlich mußte man mit der Erklärung Cothmanns zufrieden sein, daß eine Frist überall nicht gesetzt werden könne, so lange Schweden das Stift nicht rein abgetreten habe.

Am 17. einigte man sich um minder wichtige Punkte, u. a. um die Jurisdiction über die Domkirche und den Domkirchhof.

Am letzten Conferenztage, den 19. Mai, legte Cothmann eine nach den Vereinbarungen abgefaßte Capitulation vor, die genehmigt wurde.

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Im Eingang dieser Capitulation, der letzten im Stift Schwerin, wird erzählt, wie das Stift an Wallenstein gekommen, dann von den Schweden erobert und von diesen "auf gewisse Maße" an Adolf Friedrich abgetreten sei. Der Herzog habe ein jus electionis quaesitum vom Capitel begehrt und erhalten, wofür er die Reluition von Rampe und Medewege versprochen. Bis er dies Versprechen einlösen könne, würde er jährlich 600 Rthlr. an die Capitularen zahlen. Auch Warkstorf und der Schweriner Bauhof sollten demselben wieder abgetreten werden; wenn er aber dazu innerhalb eines Jahres nicht die Confirmation (von Schweden) erhalte, so wolle er den Domherren die Einkünfte nach Abschätzung vergüten. Zur Gegenleistung, und weil es auch sonst für das Stift von Vortheil sei, habe sich das Capitel verpflichtet, die Wahl des Administrators für immer auf das fürstliche Haus Meklenburg, und zwar, so lange die Linie Schwerin blühe, auf den regierenden Herzog von Schwerin, wenn diese Linie aussterbe, auf einen Güstrowschen Prinzen, wenn es begehrt würde, zu restringiren. Sollten aber beide Linien erlöschen, so sollte dem Capitel wieder die freie Wahl zustehen.

Zur Sicherung der Freiheiten und Gerechtigkeiten des Stifts ist ein für alle Mal diese Capitulation vereinbart, welche für alle Zeiten bindend bleibt. Es wird die Versicherung gegeben, daß der früher postulirte Herzog Christian dieser Wahl nicht widersprechen würde. Unter diesen Bedingungen sei Adolf Friedrich zum Administrator des Stifts "unterthänig" postulirt und erwählt; er habe erklärt, nach seiner Confirmation (durch Schweden) den Titel Administrator führen zu wollen.

Darauf folgen die verabredeten Bedingungen in 32 Artikeln:

1) Adolf verspricht die nachfolgenden Artikel zu halten; seine Nachkommen, die ihm folgen werden, sollen jedes Mal vor Antritt der Regierung einen Revers ausstellen, daß sie diese Capitulation genau beobachten wollen.

2) Er will alle Stiftsangehörigen, vor allen die Capitularen in seinen Schutz nehmen, im Besondern, wenn dieselben wegen dieser Capitulation in Ungelegenheiten kommen sollten.

3) Er will diese Postulation gegen alle Angriffe vertheidigen.

4) Kirchen, Klöster, Schulen und deren Diener sollen gemäß der Oeconomie=Ordnung vom 21. Februar 1568 erhalten werden.

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5) Es soll für gute Justizpflege gesorgt werden; in der herzoglichen Kanzlei soll eine eigne Registratur für das Stift hergerichtet werden; einer der Capitularen, dies Mal der Senior Vollrath von Plessen, wird der Canzlei adjungirt.

6) Die Regalien und Dignitäten des Stifts, namentlich das Cancellariat der Universität Rostock, sollen erhalten bleiben.

7) Täglich werden zu Bützow 12 Arme auf des Administrators Kosten ernährt.

8) Der Herzog will die Häuser und Städte des Stifts selbst regieren oder durch einen adligen Hauptmann, der in Beisein eines Capitularen vereidigt ist, verwalten lassen. Auch die Lehnsleute und die Städte Bützow und Warin, sowie andere Unterthanen sollen nicht anders als in Gegenwart eines Domherrn auf den Administrator eidlich verpflichtet werden.

9) Bei Antritt der Regierung sollen alle Lehns= und Amtleute, auch die Räthe und die Gemeinden in den Städten in Gegenwart des Capitels eidlich "belegt" werden.

10) Die Erhaltung der Stiftsfesten geschieht auf Kosten des Administrators allein.

11) Für Alle wird Schutz gegen Angriffe und Schädigung von außen versprochen.

12) Ebenso verspricht der Administrator die Rechte und Privilegien der Capitularen und aller Stiftsgeistlichen zu schützen. Ueber das Domcapitel und die einzelnen Capitularen will er sich die Jurisdiction nur in zweiter Instanz "anmaßen", gleicher Weise bleibt dem Domcapitel die Jurisdiction in erster Instanz über die Domkirche und den Domkirchhof.

13) Das Domcapitel behält die Jurisdiction erster Instanz über die Capitularen, Prälaten, Beneficiaten der Kirche zu Schwerin und über deren Güter, Höfe, Wohnungen, Diener und Unterthanen.

14) Die Wahl der Pröpste und Dekane und die Verleihung der Präbenden steht dem Capitel zu.

15) Der Administrator will Domherren, Expectanten und Beneficiaten "in unbilligen Sachen wider das Capitel nicht anhängen", sondern sie in erster Instanz an das Capitel verweisen.

16) Wenn die Capitularen Geschäfte halber nach Bützow, Warin oder Schwerin kommen, so sollen sie auf des Administrators Kosten verpflegt werden.

17) Absteigequartier und Versammlungsort für die Capitularen ist zu Bützow das Capitelshaus, genannt die Ravensburg.

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18) Muß das Capitel jemand arretiren, so stehen ihm die Thürme zu Warin und Schwerin frei zu Gebot; aber rasches Gerichtsverfahren wird verlangt.

19) Der Administrator will ohne Wissen und Rath des Capitels über keine wichtigen Stiftsangelegenheiten beschließen, noch weniger Neuerung, Schätzung, Bede, Landsteuer, Collecte, Contribution u. s. w. den Unterthanen auferlegen, noch deshalb Stiftstage ohne Vorwissen, Belieben und Beisein des Capitels halten; im Besondern sollen Reichs= und Kreishülfen und =Steuern nur auf allgemeinen Stiftstagen mit Beliebung des Capitels "angelegt" werden.

20) Das Stift wird nicht mit ungewöhnlichen Ablagern und andern Lasten beschwert werden.

21) Vom Stiftsgut darf nichts verkauft und nichts ohne Vorwissen und Rath des Capitels verpachtet werden.

22) Die Stiftskleinodien, Bilder, Briefe, Siegel und Bücher sollen inventarisirt werden und erhalten bleiben.

23) Im herzoglichen Archiv etwa befindliche Acten und Urkunden des Capitels sollen demselben wieder eingehändigt werden.

24) Auf des Stifts Gold= und Silbergeschirr, das wieder herbeigeschafft wird, darf das Wappen der Domkirche und des Herzogs gesetzt werden.

25) Der Administrator verspricht die Testamente der Domherren zu ehren und

26) alle rechtmäßigen Verträge des Stifts fürstlich zu halten.

27) Reichs=Deputations= und Kreistage werden auf des Administrators Kosten beschickt und auf denselben die Rechte des Stifts vertreten. Ebenso zahlt der Administrator die Kosten der Kammergerichts=Revision und der Visitationen im Stift. Die Augsburgische Confession will derselbe schützen und keine Stiftsregierungs=Räthe dulden, "die sich nicht zu dieser Religion bekennen", auch will er "wegen der Visitationen, synodorum und andren geistlichen und Consistorialsachen gebührende Verordnungen machen."

28) Uebergriffen der Grenznachbarn auf den Besitz des Capitels will der Administrator auf Ansuchen wehren; auch will er Sorge tragen, daß die Rückstände der Capitelshebungen gezahlt werden.

29) Für die kaiserliche Confirmation der Stiftsprivilegien, die seit Karl V. nicht mehr geschehen, will er, wenn wieder Friede sein wird, nach Möglichkeit Sorge tragen.

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30) Da sich das Capitel gegen Adolf Friedrich und sein Haus in restrictione electionis willfährig bezeigt hat, so will derselbe auch seine und des Hauses Meklenburg Prätensionen auf das Stift im jetzigen Stande lassen, auch nach Vermögen sorgen, daß Herzog Hans Albrecht sich die Restriction gefallen läßt, und man auf diese Weise hoffen darf, daß allen Irrungen zwischen dem fürstlichen Hause Meklenburg und dem Domcapitel gütlich und aus dem Grunde abgeholfen werde.

31) Der Administrator verspricht noch einmal diese Capitulation zu halten und keine Absolution von derselben zu suchen.

32) Er begiebt sich aller Rechte, welche der Capitulation entgegenstehen könnten.

Das Original auf Pergament ist datirt vom 17. Mai 1634 und von Adolf Friedrich eigenhändig unterschrieben 1 ). Angehängt sind derselben zwei Holzkapseln, von denen die eine leer ist und die andere das Siegel des Herzogs enthält.

Für Adolf Friedrich war es doch eine Beruhigung, daß die Wahl zu Stande gebracht war; er hatte nun unstreitig ein besseres Recht auf das Stift, als es Schweden verleihen konnte. Daher gab er auch von jetzt an seine Bewerbung bei Oxenstiern um die erbliche Verleihung der Herrschaft auf und befahl seinen Räthen von Passow und Reinking, die er in Stiftsangelegenheiten an den schwedischen Reichskanzler geschickt hatte, die Confirmation Schwedens nullo alio capite quam electionis zu suchen. Er erhielt diese freilich nicht; aber er brauchte sie auch nicht, wie das Capitel richtig bemerkte.

Zur Ausführung seiner durch die Capitulation übernommenen Verpflichtung beauftragte der Administrator am 10. Juni 1634 die Canzlei=Secretaire Nicolaus Rachel und Joh. Reppenhagen die Absonderung der Stiftsacten vorzunehmen.

Der Herzog Christian, welcher im Jahr 1625 zum Coadjutor postulirt wurde, war zur Zeit der Wahl Adolf Friedrichs erst 10 1/2 Jahr alt; er konnte also von diesen Vorgängen noch kein Verständniß haben, wahrscheinlich wußte er garnicht darum. Auch später bis zu seiner Volljährigkeit war wohl ein Widerspruch von ihm nicht gut möglich. Dann aber


1) Eine Ausfertigung auf Papier, vielleicht die am 19. Mai dem Capitel vorgelegte, trägt die eigenhändigen Unterschriften Adolf Friedrichs, des Propstes von Estorff, des Dekans Wackerbarth und des Seniors von Plessen.
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wurde er auf Reisen geschickt und erfuhr vielleicht nicht allzu viel von den Ereignissen in der Heimath. Aber endlich hatte er doch Kunde davon bekommen, daß das Capitel unter Nichtachtung seiner Postulation seinen Vater zum Administrator gewählt habe. Im Jahr 1645 schrieb er von Paris aus (20./30. Dec.) an eine im Brief nicht genannte Person in Meklenburg, daß er das Stift Schwerin, sein Stift, wie er sich ausdrückt, zu erhalten hoffe. "Es wird große Difficultät setzen, aber um eine solche Braut wagt man auch wohl ein blau Auge." Er glaubt zuversichtlich, daß gute Leute ihm "in seiner gerechten Sache" Beifall geben werden, "et tandem bona causa triumphat". Ein halbes Jahr später, als der junge Herzog wieder in Schwerin war, 15. Juni 1646, erklärte er dem Capitel schriftlich, daß er lange auf die Vollziehung habe warten müssen. Nunmehr verlange er aber die wirkliche Introduction, damit endlich die ordnungsmäßige Wahl und Postulation vollstreckt werde. Er unterzeichnete: "Christian, Bischof."

Dies Schreiben beantwortete der Dekan Ulrich Wackerbarth am 16. Juni. Er motivirte die Handlung des Capitels mit den geschichtlichen Ereignissen. Der Vater Christians hätte das Stift zunächst nicht per electionem aus den Händen des Capitels, sondern ex cessione der Krone Schweden erhalten. Das Capitel hätte bei der Capitulation auch an die Anrechte Christians erinnert, es wäre ihm aber versichert, daß er, Herzog Christian, nichts dagegen einwenden würde. Jetzt wären alle andern Capitularen außer ihm, Wackerbarth, von Schwerin abwesend; er allein könne keine Beschlüsse für das Capitel fassen, er wolle aber auf dem nächsten Capitelsconvent den Brief Christians vorlegen. Unterm 22. Juni 1646 schrieb Christian an seinen Vater. Er beklagte sich, daß er ohne Zweifel "aus Verhetzung oder Verläumdung Anderer" in Ungnade gefallen, und deutete dann auf sein Recht ans Stift an, daß er zu seinem gebührlichen fürstlichen Unterhalt nöthig habe. Er versicherte zum Schluß den Vater seiner kindlichen Liebe und seines kindlichen Gehorsams. Herzog Adolf Friedrich hatte von der Correspondenz des Dekans mit seinem Sohne erfahren und rügte es Wackerbarth, daß er sich auf diesen Briefwechsel eingelassen. Seinem Sohn selbst gab er eine ernste, doch nicht grade harte Antwort. Der Prinz habe zu seinem fürstlichen Unterhalt immer soviel bekommen, als die Zeit und die Verhältnisse erlaubten, und was der Vater ihm angeboten, wäre dem Sohn nach eigner Erklärung genügend gewesen. Verläumdet wäre er nicht.

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"Wenn wir aber zuweilen dir ungnädig geworden, ist solches von deinen selbsteignen actionibus gekommen, die denn mehrmalen so bewandt gewesen, daß wir uns darüber billig haben müssen offendirt befinden." Er möge sich hüten, das Capitel einer "movirten quaestionis status zu beschuldigen". Nach den Ereignissen der letzten Jahre wären seine Prätensionen auf das Stift längst erloschen. Durch seine (Christians) Wahl würde das Stift dem Hause Meklenburg nicht erhalten bleiben, und daß es verloren ginge, könne keiner der meklenburgischen Prinzen zu Schwerin und Güstrow zugeben. Er tadelt, daß Christian den Titel "Bischof" führe, der ihm von niemand gegeben sei. Er vernachlässige sein eignes Interesse, wenn er das Stift jetzt begehre. Wolle er sich als gehorsamer Sohn in der That, nicht nur mit Worten zeigen, so solle er das versprochene Jahrgeld immer erhalten, auch will der Vater "auf bessere Anschickung" ihm alle väterliche Huld erweisen.

Dies Schreiben schickte der Herzog durch einen Soldaten nach Rehna, wo Christian damals wohnte, und begehrte Antwort. Christian schrieb wieder am 4. Juli. Es thue ihm leid, daß sein Verhalten dem Vater Kummer mache, und er bitte um Verzeihung; in seinen mündigen Jahren werde er dem Vater ganz zu Gefallen leben. Er verzichtet dann auf das Stift und bittet nur um das Amt Bützow mit der Residenz in Bützow, damit er Beschäftigung erhalte und nicht zugleich mit dem Vater an demselben Orte zu wohnen brauche, was er nicht für gut hält. Dem Vater bliebe so die Administration des Stifts, und die Capitulation brauche nicht geändert zu werden. Ihm, dem Sohne, bliebe das jus radicatum. Mit den 2000 Rthrn., die der Vater ihm jährlich aus der Kammer gäbe, könnte er nicht auskommen, auch wüßte er nicht, wo er jetzt Kriegsdienste nehmen solle. Den Brief schickte Herzog Christian zunächst an Simon Gabriel zur Nedden nach Doberan, der ihn mit guter Fürsprache an den Vater übergeben sollte. Dabei äußerte der junge Herzog den Wunsch, daß er gern eine mündliche Unterredung mit dem Vater hätte, und wenn es auch nur eine halbe Viertelstunde lang wäre.

Adolf Friedrich hatte der Brief seines Sohnes nicht befriedigt; er verlangte eine "reine, söhnliche Unterwerfung". Er wisse von keinem jure radicato, sagte er, und von keiner Capitulation, die Christian ein Recht zu fordern gäbe. Wenn sein Sohn nicht vollständig einlenke, würde er ihm sein Jahresgehalt entziehen und ihm zeigen, wozu die patria potestas

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vermöge göttlichen Gesetzes befugt sei. Der Vater will die Namen derjenigen wissen, welche den Sohn aufwiegelten. S. G. zur Nedden sollte im Auftrage Christians dessen Schwester Sophie Agnes um Fürsprache beim Vater bitten; er berichtete, daß ihm diese Bitte abgeschlagen sei. Des Herzogs Brief an seinen Sohn überbrachte der Einspännige Sparenberg nach dem Fürstenhof in Wismar mit einem Gruß von Sophie Agnes, die nicht selbst schrieb, weil sie krank war. Auch zur Nedden ließ grüßen, aber Christian erwiederte auf die Bestellung des Grußes: "Simon ist eine rechte Katze." Der Herzog war sehr aufgeregt, er fluchte: "Donner, Hagel und Blitz" und schlug "Knippchen", wie Sparenberg erzählte, setzte sich dann in seinem Zorn aufs Pferd und ritt zu dem schwedischen Gouverneur in Wismar, der Christians Handlungsweise zu billigen schien. Aber endlich besann der junge Prinz sich doch, trotz seiner schlechten Rathgeber. Am 29. August bat er den Vater schriftlich um Verzeihung. Nachdem dieser den Brief des Sohnes nach der Rückkehr vom Bade Hammersleben (!) geöffnet und gelesen (24. September), ließ er demselben durch seinen Beichtvater Bilderbek mittheilen, daß er ihm verziehen habe, wofür der Sohn sich herzlich bedankte. Am 3. October kam Christian selbst nach Schwerin, um persönlich den Vater um Verzeihung zu bitten. Er wagte nicht direct demselben gegenüberzutreten, und suchte erst die Vermittelung zur Neddens, Bilderbeks, des Obersten Gurtzke und des Hofmarschalls Otto von Wackerbarth. So kam es zwischen Vater und Sohn am 7. October zur vollen Aussöhnung. Christian gab gänzlich nach und nannte auch seinen frühern Rathgeber Johann Angelius Werdenhagen, benachrichtigte denselben aber sofort von dieser Mittheilung, damit er rechtzeitig fliehen könne. Werdenhagen suchte zuerst den Herzog Lügen zu strafen; da ihn aber sein eigner Brief beschuldigte, floh er am 10. October.

Unter den Briefschaften, die Christian dem Vater ausliefern mußte, befanden sich Gutachten der Juristen=Facultäten von Helmstedt, Rinteln, Leipzig und Greifswald über die Ansprüche des Herzogs auf das Stift. Die beiden letztgenannten Facultäten führten in ihren Gutachten erdichtete Namen auf. Manlius, der Sohn des Titus, hieß es in denselben, macht Anspruch auf die Abtei zu St. Severini. Addressirt sind diese Urtheile: "Dem ehrbaren Manlio von Homburg zu Lütkenburg in Holstein."

Dem Herzog Adolf Friedrich wurde nun seine Stiftsherrschaft nicht mehr streitig gemacht. Zwar erlangte er die

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Zustimmung Schwedens zu seiner Wahl durch das Capitel nicht; dafür aber erhielt er nach kurzer Zeit im westfälischen Frieden das Stift als erbliches Fürstenthum.

Für die Stiftsregierung brauchte Adolf Friedrich eigne Beamte nicht, da seine meklenburgischen Kanzler und Räthe die Stiftsgeschäfte mit verwalten konnten; doch erhielt er das Kirchenregiment selbständig. Im Uebrigen wurde nicht mehr geändert, als nach den Bestimmungen der Capitulation mit dem Capitel vorauszusehen war, und diese Veränderungen betrafen vorzugsweise das Verhältniß des Administrators zu der Benannten Corporation. Die Stände wurden in ihren Rechten belassen; nur verstand der Herzog es, wo er seinen Willen durchsetzen wollte, mit ihnen weniger Umstände zu machen. Ueber das Kloster Rühn verfügte er etwas freier als die früheren Administratoren, indem er sich um die Aufsichtsrechte der letzten Capitularen wenig kümmerte.

Die Verwaltungsämter blieben unter Adolf Friedrich in gleicher Weise besetzt, wie früher. Als Stiftshauptmann, jetzt wieder der erste Stiftsbeamte, wirkte 1634-1636 Hans von Grävenitz, 1636 und 1637 der schon bekannte Heinrich von Hagen, genannt Geist, 1637-1640 Friedrich von Hobe, und darauf, sicher seit 1641, Georg Ernst Rabensteiner. Die Namen der Vögte, Amtleute und Küchenmeister dürfen wir wohl übergehen.


B. Die Stiftsstände.

1) Das Domcapitel.

Mit Einführung der Reformation waren mit dem Domcapitel, wie mit dem Bischofsamte, mancherlei Veränderungen vorgegangen. Selbstverständlich mußte die Bedeutung dieser Corporation ebenso verlieren wie die des Bischofs, soweit dieselbe zur Theilnahme an den bischöflichen Functionen berechtigt und verpflichtet war. Das Feld ihrer Thätigkeit, das die Capitularen sich selbst schon in der letzten katholischen Zeit durch ihre Trägheit eingeengt hatten, war nun auf die nicht weiten Grenzen des bischöflichen Gebietes allein beschränkt, da in dem übrigen Theil der Diöcese die Landesherren die bischöflichen Rechte besaßen und die bischöflichen Pflichten entweder selbst oder durch ihre Beamten ausübten.

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Von den alten, oft gewiß unbequemen statutarischen Vorschriften behielt das Capitel grade so viel bei, als es zur Wahrung seines Ansehens und seines Besitzes für nothwendig erachtete. Der Cölibat, die Auszeichnungen in der Tracht und durch besondere Insignien, wie den Ring, sowie die tägliche Verrichtung des Gottesdienstes am Capitelssitze wurden nicht mehr für Verpflichtungen angesehen. Die Vorschrift am Capitelssitz zu wohnen wurde nur von denen beachtet, die für sich selbst einen Vortheil darin erkannten, bis man später, durch die eigne Noth getrieben, diese alte, lange vernachlässigte Verpflichtung wieder durch ein Statut einschärfte.

Da andrerseits gleich zu Anfang der evangelischen Zeit die politische Macht des Bischofs oder nunmehrigen Administrators im Stifte selbst so wesentlich vermehrt wurde, daß derselbe die vollen Befugnisse eines unmittelbaren Reichsfürsten erhielt, so mehrte sich damit natürlich auch der politische Einfluß des Capitels, das an allen wichtigen Handlungen seines vorgesetzten Administrators durch Beirath und Abstimmung Antheil zu nehmen berechtigt war. In dieser Hinsicht wurde besonders das vornehmste Recht des Capitels, die Wahl des Administrators, wichtiger, da das Capitel durch dieselbe jetzt vollends landesherrliche Rechte verlieh. Allerdings setzte man in der ersten Zeit noch die Bestätigung des Papstes voraus und suchte dieselbe nach, wie man noch später die Bestätigung des Kaisers wünschte; doch wurde weder diese, noch jene erlangt, und gleichwohl büßte der erwählte Administrator deshalb nichts an seiner Würde und an seiner Macht ein.

Daß das Capitel sein Wahlrecht sollte benutzt haben, um der künftigen Regierung einen bestimmten, ihm erwünschten Charakter zu geben, indem es demgemäß die Persönlichkeit des Herrschers aussuchte, darf man keineswegs behaupten. Das Capitel war einfach nicht im Stande dazu, da die zwar rechtlich freie Wahl durch äußere Verhältnisse beeinflußt wurde, die mächtiger waren, als der Wille der Capitularen, und da man von vorne herein das freie Wahlrecht materiell auszunutzen Verlangen trug. Die Wahlcandidaten wurden dem Capitel aufgedrängt, und Letzteres suchte, wenn ihm eine Bestimmung der Persönlichkeit nicht mehr blieb, möglichst viele Vortheile für sich zu erhandeln, bevor es den entscheidenden Ausspruch that. Immerhin aber erwuchs aus dem Schoße des Capitels die landesherrliche Würde, und hierin lag während der letzten hundert Jahre seines Bestehens seine vornehmste Bedeutung.

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Als ein Ausfluß des Wahlrechts ist es anzusehen, daß das Capitel von dem erwählten Administrator den Eid auf die Capitulation empfing und darauf denselben durch Ueberreichung der Schlüssel zu den bischöflichen Burgen in seine Machtstellung einführte. Weil auf diese Weise der Administrator zunächst dem Capitel für seine officiellen Handlungen verantwortlich wurde, so glaubte das Capitel mit Recht eine Controle über ihn ausüben zu dürfen, und so lange, bis äußere Gewalten die Verhältnisse von Grund auf veränderten, hat dasselbe die Administratoren stets mit einer Art ängstlichen, oft nicht unberechtigten Mißtrauens überwacht.

Bei Minderjährigkeit des Administrators stand dem Kapitel ein bedeutenderer Antheil an der Regierung selbst zu, es verlangte dann sogar vorzugsweise das Regiment im Stift. Indessen wurde für solche Fälle jedes Mal das Verhältniß zwischen Administrator und Capitel durch die Capitulation festgesetzt. Von praktischer Bedeutung wurde diese Frage nur ein Mal.

Neben der Stiftsritterschaft und den Stiftsstädten Bützow und Warin beanspruchte und besaß das Capitel ständische Rechte, und auf allen Stiftstagen trat es, selbst noch nach dem westfälischen Frieden, als erster Stand auf, dem als einem früher geistlichen das Prädicat: "Ehrwürden" offiziell gegeben wurde.

Vermöge ihres frühern vornehmen geistlichen Standes hatten die Capitularen noch während der Zeit der Administration das Protectorat über die Stiftskirchen und die Stiftsschule zu Schwerin und das Mitaufsichtsrecht über alle geistlichen Angelegenheiten im Stift. Da das Protectorat ihnen aber auch die Pflicht der Erhaltung von Kirche und Schule auferlegte, so wurde ihnen dasselbe lästig, und sie befreiten sich von dieser Pflicht durch den Abschluß einer "Oeconomie=Ordnung" mit dem Administrator. Diesen letzten Rest der geistlichen Functionen des Capitels werden wir indessen in dem Abschnitt über Kirchen und Schulen näher kennen lernen.

In der Capitulation Ulrichs I. von 1550 wurden (Art. 5) den Capitularen und allen geistlichen, sowie allen übrigen Bewohnern des Stifts alle hergebrachten Rechte gelassen. Ausdrücklich ist die Jurisdiction des Capitels erwähnt. In Artikel 16 verspricht Ulrich, sich keine Jurisdiction über die Canoniker und "andre" Geistliche anmaßen zu wollen; die Rechtsprechung über dieselben verblieb also dem Capitel. Natürlich konnten diese Zugeständnisse nur für das Gebiet

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des Stiftes gelten, denn die außerhalb desselben früher vom Capitel geübte Jurisdiction hatte mit der Reformation aufgehört. Schon 1533 fanden die Capitularen sich in diesem Recht beeinträchtigt, und auf eine deshalb an Herzog Heinrich von Meklenburg als Vormund seines Sohnes, des Bischofs Magnus, gerichtete Klage wurde ihnen kein andrer Trost gegeben, als die Antwort, sie müßten sich das gefallen lassen, da man "der Jurisdiction des Bannes halben in dieser Zeit gegen die Weltlichen wenig Macht habe". Das Capitel scheint hierdurch beruhigt worden zu sein, wenigstens machte es zu Ulrichs I. Zeiten keine Ansprüche mehr auf Jurisdiction jenseits der Stiftsgrenzen.

Aber innerhalb des Stifts beanspruchte es als ein altes Recht die volle Jurisdiction über den Dom und die Kirchhöfe binnen der Stadt Schwerin, die Vicarienhäuser, auf der ganzen Schelfe und auf allen Capitelsgütern und damit auch über die Kirchen= und Schuldiener und alle Insassen dieser Gebiete. Bei Ausübung der Gerichtsbarkeit hatte es seit alter Zeit sich des Thurms auf der bischöflichen Burg zu Warin als Gefängnißlocals bedient, und diese Vergünstigung erhielt es sich auch in der Zukunft. Des ungestörten Besitzes des Jurisdictionsrechtes erfreute es sich freilich in der protestantischen Zeit nicht mehr. Schon 1583 mußten die Capitularen sich beschweren, daß der Domorganist Hieronymus Mors, der als Kirchendiener unter ihrer Jurisdiction stünde, von den Amtleuten zu Schwerin gefangen gesetzt war. Der Administrator Ulrich wies sie damit ab, daß Mors in seinem Hause in der Stadt verhaftet sei; das Bereiche dem Capitel nicht zum Präjudiz. 1586 klagte das Capitel, daß der bischöfliche Schelfvogt sich oft Eingriffe in sein Jurisdictionsrecht erlaube. Der Fall, welcher eine Beschwerde hervorrief, war folgender. Der Domküster Johann Westphal, welcher auf Capitelsgebiet wohnte, war des Ehebruchs angeschuldigt und deshalb vom Schelfvogt verhaftet worden. Bei den Erörterungen dieser Umstände erklärte Herzog Ulrich, daß er selbst dem Vogte den Befehl gegeben habe; es handle sich in diesem Falle auch um peinliche Gerichtsbarkeit, und diese habe das Capitel nicht. Selbst Jürgen Wackerbarth, welcher jetzt 40 Jahre lang Stiftshauptmann sei, habe noch nicht erlebt, daß die Capitularen in peinlichen Sachen Recht gesprochen. Man möge daher den bischöflichen Beamten nicht in seinen Functionen stören. Das Kapitel beruhigte sich hiermit nicht, sondern es suchte durch Beispiele sein Recht zu beweisen und die Behauptung Wackerbarths hinfällig zu machen. Zu dem

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Zwecke trug es denn später, jedenfalls nicht vor 1588, vor: 1) Als im Jahr 1562 des Meiers (Pächters) Sohn auf dem Großen Bauhof auf der Schelfe seine Schwester im Scherz erschossen, habe des Capitels Baumeister Burchard Schmidt öffentlich über den Frevler Gericht gehalten. 2) Ebenso wäre bald darauf ein Landsknecht, der einen andern Landsknecht in der Nähe des Bischofshauses erschlagen habe, von dem Capitelsbaumeister gerichtet. 3) Die Zauberin Lene Reich, auf einem Domhof wohnend, wäre vom Capitel auf den Thurm zu Warin gebracht und daselbst vom Capitelsmonitor Jürgen Hübner peinlich verhört und zum Tode verurtheilt 1 ). 4) Endlich habe das Capitel in gleicher Weise auf allen seinen Landgütern immer die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit geübt.

1593 klagten die Capitularen wieder, daß der Stadtrichter Johann Welder im Jahre vorher vom Gebiet des Capitels eine Zauberin gefangen weggeführt habe, ohne dem Capitel Caution zu geben. Ja auch der Gefängnißthurm zu Warin wäre ihnen bei Arretirungen vorenthalten worden, daher käme es, daß sie nicht mehr ihre Unterthanen in Ordnung halten könnten. Ulrich versprach ihnen denn, seinem Hauptmann Befehl zu geben, daß derselbe Capitelsgefangene 8 Tage lang zu Warin aufnehme, für längere Zeit müsse man erst die specielle Erlaubniß des Administrators einholen. Das Capitel war mit dieser Bestimmung zwar nicht zufrieden gestellt und wandte ein, es dürfte einmal Ulrich verreist sein, und dann wäre die Erlaubniß zum langem Aufenthalt der Gefangenen nicht zu erwirken; aber es wird sich wahrscheinlich gefügt haben.

Endlich, im Jahr 1594, kam ein Ausgleich der Differenzen über die Capitels=Jurisdiction zu Stande. Der Administrator gestand dem Capitel auf dessen Landbesitz auch die hohe Jurisdiction zu, dagegen mußte dasselbe auf die hohe Gerichtsbarkeit auf dem Domgebiet und auf der Schelfe verzichten, was es "des Friedens wegen" that. In Folge dessen hatte das Capitel während der letzten Jahre der Regierung Ulrichs I. wohl keine Veranlassung zu Beschwerden mehr, wenigstens wird von Streitigkeit nichts mehr überliefert.

In der Capitulation Ulrichs II. war dem Capitel wieder das Recht der Jurisdiction über die Capitularen, Prälaten und Beneficiaten der Kirche zu Schwerin und über des Capitels Höfe, Wohnungen, Diener und Unterthanen zugesichert (Art. 17),


1) Vollzogen wurde das Urtheil nicht, weil die Verurtheilte sich selbst im Gefängniß das Leben nahm.
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und die Angelegenheit mit dem Wariner Thurm war so geordnet, daß die Capitularen denselben als Gefängniß brauchen durften, nur sollten sie sich einer schnellen Justizpflege befleißigen. Differenzen scheinen zu Ulrichs II. Zeit nicht vorgekommen zu sein. Unter Ulrich III. hatte das Capitel verfassungsmäßig dieselben Rechte und übte sie scheinbar ebenso ungestört aus wie unter dessen Vorgänger, bis es 1627 aus dem Stift vertrieben wurde.

Adolf Friedrich bewilligte in seiner Capitulation von 1634 dem wieder aus der Verbannung zurückgekehrten Capitel nur die Gerichtsbarkeit in erster Instanz über die Capitularen, sowie über die Domkirche und den Domkirchhof. Als nun trotzdem ein Jahr darauf der Schelfvogt im Namen seines Herzogs Kirchenstühle im Dom anwies, hielt sich das Capitel für beeinträchtigt, und ebenso beklagte es sich, daß der herzogliche Hausvogt im "Schwarzen Adler", einer Krugwirthschaft auf dem Domgebiet, Jurisdiction geübt habe. Auch die Jurisdiction über den Kirchenkasten im Dom war dem Capitel nach einer Beschwerde von 1645 genommen worden; dagegen ließ dasselbe 1642 den Knaben Asmus Viedt mit Wissen und ohne Widerspruch des Herzogs wegen Verdachts der Zauberei verhaften und verhören.

Die Art der Justizpflege durch das Capitel mag durch folgenden Fall illustrirt werden. Am Weihnachtsabend 1617 schlug Chim Bidack aus Brahlstorf den Chim Reimers aus Zittow mit einem "Knebelspieß" auf den Kopf, daß derselbe eine Wunde von 2 Zoll Länge davontrug. Reimers wurde von dem Krüger Peter Lietze zu Richenberg "gearztet", starb aber trotz dessen sorgfältiger Pflege in der sechsten Woche nach der Verwundung. Die Erben des Gestorbenen zeigten den Vorfall beim Capitel an, und dieses leitete deshalb eine Untersuchung ein. Der Domherr Joachim von Wopersnow und der Capitelssyndicus Wilhelm Finx fuhren mit einem Notar nach Brahlstorf, um Gericht zu halten, zu welchem der derzeitige Inhaber des Hofes Rampe, Curd von Restorff, als Beisitzer citirt wurde. Die Sitzung fand in der Kapelle statt, Finx trug die Klage vor, empfahl sich aber dann, da er "seiner Nothdurft nach" nach Müsselmow reisen mußte, und nun trat für ihn der Pastor Heinrich Schumann zu Zittow ein. Geladen waren Kläger und Angeklagter; Letzterer erschien nicht; doch waren zwei Bürgen für ihn Bekommen. Als man diese abschickte, um den Angeklagten persönlich zu holen, weigerte sich Bidack ihnen zu folgen, und das Gericht begnügte sich deshalb mit einem Zeugenverhör. Der wichtigste

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Zeuge war der Arzt Krüger Lietze, der sein Erachten dahin abgab, daß der Tod nicht in Folge der Verwundung eingetreten sei. Das Gerichtsprotocoll schickte man an die juristische Facultät in Helmstedt und erhielt von dieser das Gutachten, daß Bidack mit einer ziemlichen Geldstrafe zu belegen sei und sich mit den Erben des Verstorbenen auszusöhnen habe.

Von einer Verkündigung des Urtheils wird nichts berichtet, viel weniger von einer Vollziehung desselben.

Wegen eines Diebstahls in der Propstei forderte und erhielt das Capitel später eine Rechtsbelehrung von den Schöffen zu Magdeburg.

Die Aufnahme in das Capitel war selbst in der protestantischen Zeit an gewisse Bedingungen geknüpft. Gefordert wurde eine sorgfältige Ausbildung auf einer Universität und ein moralischer Lebenswandel. Die Bestimmung über die Aufnahme hatten die Capitularen ohne Frage, doch mußten sie höheren Wünschen Rechnung tragen. So ertheilte der Kaiser "primarias preces" auf Canonicate, die berücksichtigt werden sollten. Wahrscheinlich ist aber dies Recht nach der Reformation vom Kaiser nicht mehr ausgeübt worden; denn die beiden Fälle, in welchen man sich nach 1550 auf die kaiserlichen primarias preces berief, sind höchst verdächtiger Natur. 1568, nach dem Tode des Propstes Lorenz von Schack, verlangte der bekannte Ritter Friedrich Spedt, der Projectenmacher, wie Lisch ihn passend nennt (vergl. Personenregister zu den Jahrbüchern), auf Grund seiner ihm vom Kaiser Maximilian verliehenen primariarum precum Einweisung in die Propstei; das Capitel wußte aber glücklicher Weise sich den Abenteurer vom Leibe zu halten. Noch energischer als Spedt drängte sich Balthasar Möller auf. Als der Decan Arnd von Weihe gestorben war (zwischen 1583-86), brachte er primarias preces vor, die ihm Kaiser Rudolf II. 1579 sollte gegeben haben. Möller wurde vom Capitel nicht aufgenommen, auch nicht, als wieder eine Vacanz durch den Tod des Seniors Georg Hübner eintrat. Die Capitularen erklärten, daß sie gegen diese primarias preces "etwas Beständiges vorbringen dürften", wie sie auch bei Spedt gethan, "der durch falsa narrata dergleichen preces ausgebracht". Möller zeigte nun eine wiederholte Aufforderung Kaiser Rudolfs zur Aufnahme seines Schutzbefohlenen vor. In diesem, sicher ebenfalls gefälschten Schriftstück wurden dem Capitel harte Vorwürfe gemacht und strenge befohlen: "Ihr wollt unser und unsrer Vorfahren kaiserliches Recht in Acht

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nehmen". Noch einmal, als Joachim von der Lühe gestorben war, wurde dem Capitel eine vom 6. Mai 1597 datirte Mahnung des Kaisers von Möller vorgehalten; es war auch dies Mal vergeblich, denn Magnus Hübner war schon in das erledigte Canonicat aufgenommen.

Der Administrator Ulrich I. empfahl wenigstens häufiger die Aufnahme seiner Günstlinge. 1573 wünschte er, daß Joachim von der Lühe zum Canonicus gewählt werde, da Stellen frei seien, und im Jahre 1597 schlug er drei Personen zur Aufnahme vor. Der erste der von Ulrich empfohlenen Bewerber war Johannes Mewes, ein Sohn des Marcus Mewes aus Lübek. Mewes hatte sich von dem Holsteiner Ove von Ahlefeld aus Emkendorf eine von 1581 datirende Exspectanz auf ein Schweriner Canonicat abtreten lassen und sich seit 1593 mehrfach um seine Aufnahme bemüht. Außer Herzog Ulrichs suchte er auch die Vermittelung des Propstes, ja sogar die der Königin Sophie von Dänemark nach; doch das Capitel wehrte sich standhaft. - Ferner empfahl Ulrich den Heinrich von Bülow, der sich schon 1596 nach des Seniors Richard von Wolde Tode um ein Canonicat auf Grund eines Exspectanzbriefes bewarb und um so mehr Berücksichtigung erwartete, da er sich auf Universitäten wohl vorbereitet habe. Nun hatte aber damals Burchard von Weihe gegen eine Geldentschädigung sein Anrecht an den Lüneburger Otto von Estorff abgetreten, und von Weihe's Exspectanz war älter als die von Bülow's, obgleich letztere auch schon 18 Jahre zählte. Alle Fürsprache half v. Bülow nichts, das Capitel bestimmte, er müsse warten, bis er an die Reihe käme. Uebrigens könnten die Capitularen die Beneficien nach ihrem Gefallen verleihen; hier wäre aber gar kein Unrecht geschehen, da von Estorff in eine ältere Stelle getreten sei. - Der dritte Bewerber, welcher sich der Fürsprache Ulrichs erfreute, war der schon bekannte Balthasar Möller, der jetzt sogar einen Exspectanzbrief des Kapitels besaß. Die Capitularen hielten diesen Brief, wie die andern Bewerbungsdocumente Möller's, für gefälscht, da sein Name nicht in der Matrikel stand. Endlich erklärten sie sich indessen bereit, ihn zu immatriculiren unter der Bedingung, daß er den Eid leiste, was Möller gethan haben wollte, und daß er seine Erspectanz an keinen Andern als an das Capitel selbst abtreten dürfe. Doch hierauf ging Möller nicht ein; er verzichtete auf das Canonicat, und zwar, wie es nach seinem Brief an den Propst vom 12. December 1599 scheint, gegen eine baare Entschädigung.

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Die Capitelsmatrikel wurde, wie schon aus dem Vorstehenden erhellt, durchaus nicht sorgfältig geführt; daher kamen auch die vielen Verlegenheiten bei der Einweisung neuer Canoniker. Wie nun solche Matrikel beschaffen war, können wir nur oberflächlich nach einer Abschrift von einem Matrikelstück aus dem Jahre 1573 beurtheilen.

In demselben werden aufgeführt: 3 Integrati: Propst, Dekan und Senior, 4 Semiintegrati: die Canoniker Otto Wackerbarth, Ludolf v. Schack, Richard v. Wolde und Bernd v. Dannenberg 1 ), und darauf ohne weitere Bezeichnung 12 Namen, sicher die der Expectanten. Zum Schluß ist, die unverzeihliche Nachlässigkeit des Capitels aufs Beste bezeichnend, bemerkt: "Hierauf sind noch etliche andre junge Gesellen angenommen, aber noch nicht immatriculirt."

Umsonst geschah die Aufnahme nicht; die Höhe der Aufnahmegebühren ist indessen vor 1595 nicht bekannt, in dem genannten Jahr betrug sie nachweislich 100 Rthlr., und so blieb sie, so lange Nachrichten über sie vorhanden sind. Richard v. Bassewitz aus Kahlenberg wurden bei seiner Immatriculation 1600 von der Gebühr 50 Rthlr. wegen seiner Verwandtschaft mit dem Probst Joachim v. Bassewitz erlassen.

Im Jahr 1600, als man manchen Mißständen im Capitel abzuhelfen suchte, wurde auch die Aufnahme durch ein Statut geordnet, welches vorschrieb:

1) Jeder, der immatriculirt werden soll, muß entweder selbst oder durch einen Stellvertreter einen Eid auf die Statuten schwören und

2) bei der Immatriculation sofort 100 Rthlr. Statutengeld zahlen.

3) Die Reception in die Canonicate geht nach der Reihenfolge der Immatriculation.

4) Bei Antritt einer Präbende muß der neue Canonicus 20 Rthlr. ins Aerar zahlen.

5) Wer ad residentiam tritt, d. h. eine Curie in Schwerin als Wohnung bezieht, muß, falls er bei der Immatriculation einen Stellvertreter hat schwören lassen, den Eid persönlich wiederholen.

6) Wer sich nicht sittlich und wissenschaftlich tüchtig vorbereitet, wird exmatriculirt.


1) Bei v. Dannenberg steht die Bemerkung: "Dessen jus hat Marcus Mewes' Sohn."
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In dem vorgeschriebenen Eide versprach der Exspectant:

1) jedesmal, wenn er gefordert werde, zum Capitel zu kommen,

2) sich vom Capitel "brauchen und schicken" zu lassen,

3) für das Beste des Capitels zu sorgen,

4) die Amtsgeheimnisse bis ins Grab zu bewahren. Nach Ableistung des Eides und Zahlung der Aufnahmegebühr erhielt der Exspectant einen Revers, Recoanitions= oder Receptionsschein.

Geordnet waren somit diese Verhältnisse hinlänglich; und wenn man diese Vorschriften beachtete, brauchten den Capitularen in Zukunft keine Verlegenheiten bei der Aufnahme neuer Collegen zu erwachsen. Indessen hatte man zunächst noch für die alten Vergehen zu büßen; und neue Unordnungen unterblieben nicht. Im Jahre 1612 wurden Vollrath v. Plessen von Großenhof und Vicke v. Bülow auf Vorzeigen ihrer Recoanitionen ad ordinem minorum canonicorum aufgenommen. Nach Erfüllung der gewöhnlichen statutarischen Bedingungen forderte man von diesen jungen Canonikern noch, daß v. Plessen das Haus des Mollini, nächst der Probstei in Schwerin gelegen, bei erster Gelegenheit an sich kaufe, und v. Bülow das Haus v. Halberstadt's auf der Schelfe käuflich erwerbe, damit dieselben auf diese Weise wieder zu Curien würden, ja sie sollten auch den Besitz dieser Häuser gegen die etwaigen Ansprüche der Vettern v. Bassewitz auf eigne Kosten vertheidigen. Warum diese letzte, ganz ungehörige Forderung gestellt wurde, erhellt aus dem Folgenden. Richard v. Bassewitz war 1600 immatriculirt und hatte seinen Recognitionsschein erhalten; unmittelbar nach ihm, also wahrscheinlich ebenfalls 1600, trug man den Namen Christoph v. Bassewitzens ein, und beide waren noch 1612 Exspectanten. Aber v. Plessen und v. Bülow waren viel später in die Matrikel aufgenommen. Die Vettern v. Bassewitz beschwerten sich daher selbstverständlich, daß sie übergangen waren; und das Capitel mußte nun versuchen, durch Einwände seine Handlungsweise zu rechtfertigen. Nach dem Absterben des Probstes v. Bassewitz (1610), behauptete man, wären in der Matrikel große Unrichtigkeiten befunden, man habe daher, um Ordnung zu schaffen, erst von allen Exspectanten die Reverse einfordern müssen, und nach deren Werth habe man die Canonicate vergeben. Die v. Bassewitz wandten sich nun an den Administrator, und dieser bestellte die Parteien auf den 2. Dec. 1614 zum Termin nach Bützow. Das Capitel

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erschien nicht; es behauptete, der Prozeß ginge nur v. Plessen und v. Bülow an, da diese die Präbenden auf eigne Gefahr angetreten hätten. Das Gerichtsverfahren nahm trotzdem seinen Fortgang. Die Acten wurden an juristische Facultäten verschickt, und nach Eingang der Gutachten das Urtheil von der Canzlei in Bützow gefällt. Es fiel gegen das Capitel aus. Ulrich II. gab darauf den Befehl, das Capitel solle den Christoph v. Bassewitz in ein Canonicat einweisen, ihm allen Nachtheil ersetzen 1 ) und ihn gegen v. Plessen und v. Bülow vertheidigen. Als die Capitularen dann einwandten, ihnen stünde die Appellation an ein judicium superius offen, behauptete Ulrich, daß der Rechtsstreit mit dem Urtheil der Bützower Canzlei vollkommen beendet sei. Von Richard v. Bassewitz ist in dem noch vorhandenen Urtheil nicht die Rede.

Dem Capitel war ein leichter Ausweg gewiesen, da um diese Zeit grade der Canoniker v. Wopersnow gestorben, also eine Präbende frei war. Aber nicht v. Bassewitz erhielt das erledigte Canonicat, sondern der schon 1595 immatriculirte Wipert v. Raven, allerdings mit der Bedingung, daß er seine Präbende wieder aufgeben müsse, wenn etwa Christoph v. Bassewitz nach Rechtsurtheil oder gütlichem Vergleich oder Interposition des Administrators ihm sollte vorgezogen werden.

Aber Recht sollte Recht bleiben, meinte das Capitel, und appellirte ans Reichskammergericht (1619), indem es für sich vorbrachte, der frühere Probst Joachim v. Bassewitz habe seinen Vetter Christoph insciis aliis allein immatriculirt. 1620 waren die Capitularen übrigens zu einem Vergleich geneigt, sie wollten Christoph v. Bassewitz in die vorletzte Stelle aufnehmen, wenn derselbe noch erst den Eid leiste, 50 Rthlr. Statutengeld mit 20jährigen Zinsen nachzahle und 700 Mk. Lüb. für die curiam cum usuris a tempore intermissionis gebe, "wie es hier und anderswo gebräuchlich". So verhandelte man weiter auf gütlichem Wege und konnte dann am 13. Februar 1623 dem Kammergericht anzeigen, daß man sich verglichen habe. v. Bassewitz nahm seitdem die vierte Stelle von sieben im Capitel ein. Wipert v. Raven schied scheinbar ohne Widerspruch aus dem Collegium wieder aus.

Christoph v. Bassewitz war also befriedigt; aber dafür bedrängten wieder zwei andre Exspectanten das Capitel. Nächst Wipert v. Raven war Balthasar v. Bothmer


1) Die Prozeßkosten betrugen 257 fl. 13 s.
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immatriculirt worden; er hatte dafür Anfangs 50 Rthlr. und später (1612) wieder 50 Rthlr. gezahlt. Seine Ausbildung war tadellos, wie ein Zeugniß von der Universität Wittenberg von 1618 bewies. Er behauptete daher, weil nach der Einweisung seines Vorgängers eine Stelle frei geworden, so käme dieselbe ihm zu und nicht dem v. Bassewitz. Wie das Capitel sich half, ist nicht bekannt; aber fest steht, daß v. Bothmer nicht jetzt schon, sondern erst viel später Aufnahme fand.

Ebenfalls meldete sich jetzt wieder der schon einmal abgewiesene Johann Mewes aus Lübek. Doch war es grade nicht schwer ihn zur Ruhe zu verweisen, da er genug Anlaß gegeben hatte, daß man ihn als ungeeignet vom Capitel mit Recht ausschließen konnte. Er wurde vom Capitel als plane illiteratus und von Natur vitiosus bezeichnet, er sei wegen seines schlechten Lebenswandels schon aus Ratzeburg und Lübek verjagt, habe sein Weib verlassen und treibe sich mit liederlichen Frauenzimmern im Lande umher, habe ein loses Maul und sei neulich (1620) in Schwerin wegen seiner losen Reden aus der Herberge gestoßen.

So schuf das Recht der Verleihung fetter Pfründen dem Capitel nichts als Unbequemlichkeiten und Verdruß; aber zum größten Theil waren die Capitularen selbst schuld daran.

Nach der Occupation des Stifts durch die Fremden erfreute das Capitel sich des völlig freien Rechts der Reception nicht mehr. Sowie der Herzog Adolf Friedrich Herrscher im Stift geworden war, wünschte er, daß der Capitain Daniel v. Plessen zum Canonicus angenommen würde, und zwar sollte er allen andern Exspectanten vorgezogen werden. Das Capitel war indessen nicht willfährig, wenigstens tritt der Schützling des Herzogs nicht als Canonicus auf. - Bald darauf forderte der Herzog, da er zwei Präbenden zu vergeben habe, daß der Stallmeister Wilhelm v. Warnstedt deren eine erhalte, und zwar die nach dem Subsenior, d. i. die fünfte Stelle im Capitel. Man ließ ihm aber durch den Capitelssyndicus Wedemann erwidern, daß ein Irrthum vorliegen müsse; denn der Herzog habe wohl in Bützow ein paar Präbenden zu verleihen, in Schwerin nicht. Exspectanten waren selbst in der letzten Zeit des Kapitels reichlich vorhanden, obgleich bei der kärglichen Einnahme, wie sie damals war, der Eintritt nicht viel Verlockendes hatte. Eine Matrikel von 1634 führt noch mit Einschluß der wirklichen Domherren 24 Namen auf; nach drei Namen steht aber ein Kreuz, das sicher bezeichnen soll, daß die Exspectanz erledigt war. Zu den Immatriculirten gehörte auch Matthias v. Behr, der

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ein Canonicat erhielt, nachdem er sich deshalb an den Administrator, nicht an das Capitel gewandt hatte. Adolf Friedrich stellte nunmehr die Bedingungen, unter welchen Exspectanten in das Capitel eintreten dürften; auf alle Fälle verlangte er zuvor die Anerkennung der Capitulation durch Namensunterschrift. Das Capitel war nun wirklich das geworden, wovon es so lange schon geredet hatte, umbra.

Unter den Capitularen unterschied man zwei Gruppen: die vornehmsten, Propst, Decan und Senior, werden in der Matrikel integrati genannt, die übrigen, die gewöhnlichen Canoniker, heißen semiintegrati. In die höhern Stellen rückte man nur durch Wahl auf, welche dem ganzen Collegium der Capitularen zustand. Daher sollten statutenmäßig auch jedesmal zu diesen Wahlen alle berufen werden, sowohl die in Schwerin wohnenden, die residentes, als die auswärts sich aufhaltenden Canoniker, die non residentes. Wenn aber die Umstände es zu gebieten schienen, wich man leicht von dieser Bestimmung ab. Als im Jahr 1551 an Stelle des verstorbenen Propstes Johann v. Lützow ein andrer gewählt werden mußte, ließ man sich nicht die Zeit die non residentes erst herbeizurufen, da bei den gefährlichen Zeiten eine rasche Wahl nöthig sei. Die anwesenden Domherren versammelten sich also auf dem Capitelshause zu Schwerin und vollzogen die Wahl via compromissi in folgender Weise. Zu compromissariis wurden die drei Domherren Konrad Krassow, Jodocus Wittenburg und Burchard Schmidt bestimmt; sie mußten das Versprechen geben, den Tüchtigsten wählen zu wollen, wogegen ihre Collegen versprachen, die Wahl dann anzuerkennen. Nun fielen alle auf die Kniee und beteten: "Veni Sancte Spiritus." Nach dem Gebet gingen die compromissarii in eine Ecke des Zimmers, einigten sich dort über die Wahl des Propstes und verkündigten dann, daß dieselbe auf den Decan Henning v. Pentz gefallen. Alle stimmten bei und lobten die WahI. Henning v. Pentz nahm die Wahl an, fiel auf die Kniee und schwur auf das Evangelium die Capitelsstatuten halten zu wollen. Ueber den ganzen Hergang wurde vom Notar ein Protocoll aufgenommen.

Als im Jahr 1618 der Propst v. Winterfeld gestorben war, wurden alle Capitularen, also auch die non residentes, zur Wahl auf den 8. December nach Schwerin gerufen.

Bis zu welcher Zeit die Vacanzen besetzt sein mußten, wird nur einmal gesagt, und zwar erst im Jahr 1638. Am 10. Januar dieses Jahres forderte Adolf Friedrich das Capitel

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auf, für den verstorbenen Propst (Otto v. Estorff) einen neuen zu wählen, was schon innerhalb vier Wochen nach dem Tode v. Estorffs hätte geschehen müssen. Die Wahl unterblieb übrigens dies Mal; aus welchem Grunde, ist nicht bekannt. Als aber das Capitel vier Jahre später auf eignen Antrieb Ulrich v. Wackerbarth mit der Würde des Propstes beglücken wollte, fand derselbe als solcher keine Anerkennung und machte darum auch keinen Gebrauch von seiner Ernennung. Otto v. Estorff ist also der letzte Propst des Schweriner Domcapitels.

Bestätigt wurden die zu Integraten gewählten Canoniker vom Administrator jedenfalls; nachzuweisen ist es bei den Pröpsten v. Wackerbarth (1591), v. Winterfeld (1610) und v. Estorff, beim Dekan von der Lühe und Senior v. Wackerbarth (9. Januar 1619).

Ein Fall einer Absetzung begegnet uns während der 100 Jahre der Administration, und er betrifft den Propst Joachim v. Bassewitz. Dieser hatte sich anscheinend mit Arbeit überladen; denn als Propst hatte er neben den nur geringen amtlichen Beschäftigungen die Sorge für die Verwaltung der beiden Güter Warkstorf und Medewege, außerdem aber war er Besitzer von Levetzow bei Wismar und, was die Hauptsache war, herzoglich meklenburgischer Rath und Amtmann zu Dobbertin, an welchem Orte er sich gewöhnlich aufhielt. Die Propstei betrachtete er vielleicht als eine Sinecure; das thaten aber Andre auch. Genug, das Capitel, welches sich übrigens mit ihm wegen des Kaufes von Warkstorf (s. weiter unten) entzweit hatte, war garnicht mit ihm zufrieden und sprach endlich im Jahr 1610 in einer Capitelsversammlung seine Absetzung aus. Dem Administrator Ulrich II. wurde hierüber Bericht erstattet, und das Vorgehen des Capitels fand die Billigung Ulrichs. In dem Absetzungsschreiben, das v. Bassewitz erhielt, führte das Capitel aus, daß derselbe zu alt und zu schwach zu diesem Amte sei, und daß während seiner Präpositur die Kirche und das Capitel in "Confusion, Schimpf, Schaden und Gefahr gesetzt worden". Da v. Bassewitz nicht ohne Weiteres aus seinem Amte weichen wollte, kam es zu längeren Erörterungen, in welchen das Capitel ausführlicher die Gründe der Absetzung angab. Die Vorwürfe lauteten: v. Bassewitz habe weder sich noch dem Capitel rathen und helfen können, die Kirche sei durch seine Schuld fast eingegangen, das Capitel sei in Verachtung gebracht, dessen Vermögen verringert, die Gärbekammer spoliirt, die Statuten annullirt, die Exspectanten hintergangen und an

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einander gehetzt, die Propstei und andre "innegehabte" Gebäude verwahrlost und mit leichtfertigem Gesindel besetzt, Medewege fast ganz und gar zu Grunde gerichtet, die Hölzer abgetrieben und anderswohin verschleift, die Unterthanen zur Ungebühr verjagt und "befängnißt", auch sonst Alles in Confusion gesetzt und "mit Warkstorf eine solche Anstellung gemacht, daß wenig Nachrichtung voriger Gelegenheit mehr vorhanden". Aus diesen Gründen sei die Absetzung zur Nothwendigkeit geworden, und man habe damit nichts Anderes gethan, als was in simili bei andern Stiften geschehen sei. Der Administrator Ulrich stand ganz auf der Seite der Capitularen gegen den Propst, und daher setzten dieselben ihren Willen mit Leichtigkeit durch.

Ein einfaches Canonicat wollte man allerdings dem abgesetzten Propst lassen; doch war das in diesem Falle gleichgültig, da v. Bassewitz noch während der Verhandlungen, wahrscheinlich Ende März 1610, starb.

Die Zahl der Capitularen ist in der protestantischen Zeit nicht groß, sie variirt durchweg zwischen 5 bis 7; gewöhnlich sind deren 6 1 ). 1612 (27. Septbr.) bestimmten die Domherrren: "Die Erfahrung hat leider bezeugt, das unser Capitel die nächsten 70 Jahre nach abrogirtem Papstthum in merkliche Zerrüttung gerathen, sodaß statt der gewöhnlichen Zahl von Domherren jetzt kaum 6 nothdürftig erhalten werden können. Daher glauben die Exspectanten, daß man seinen Privatvortheil suche und sie zurückhalte. Um etwas zu helfen, soll die Zahl vermehrt werden, also daß die 6. Stelle getheilt wird in 2 Stellen mit je 50 Gulden Einkommen. Die Inhaber dieser kleinen Präbenden brauchen als minores capitulares nicht in loco zu residiren, sollen aber auf Erfordern zum Convent kommen und dann halbe Zehrung erhalten. Sie rücken der Reihe nach in höhere Stellen auf." Bis zum Exil des Capitels im Jahr 1627 wurden dann auch 7 Canonicate erhalten. Nach der Rückkehr aus dem Exil von 1634 an war die Zahl immer kleiner; kurz vor der Auflösung des Capitels im Jahr 1650 gab es noch 5 Domherren. Das letzte Schriftstück des Capitels, das erhalten ist, datirt vom 21. Jan. 1654, ist unterzeichnet: Dekan, Senior und andre


1) Bei einer durch Herzog Johann Albrecht I. vorgenommenen Visitation im Jahr 1553 gab es noch 13 Stellen (Propst, Dekan, Senior, Cantor, Thesaurarius, Scholasticus und 7 gewöhnliche Domherren), wie seit alter Zeit; aber 3 waren garnicht besetzt und eine an den Prediger Drachstedt vergeben.
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Capitulares, es waren also noch wenigstens 4 Canoniker vorhanden.

Eingetheilt war das Collegium, wie schon bemerkt, in 2 Gruppen: die ersten Canonici (integrati): Propst, Dekan und Senior, zu denen sich später, als man keinen Propst mehr hatte, ein Subsenior gesellte, und die übrigen, die gewöhnlichen Canoniker (semiintegrati). Der Propst war selbstverständlich Vorstand des Collegiums, er hatte die Capitelsversammlungen zu berufen und zu leiten. War er aber nicht in Schwerin anwesend, so that das der nächstfolgende Capitular oder der Stiftssyndicus. Wenn es dem Capitel gelegen war, hielt es die Unterschrift des Propstes zur Abfassung bindender Verträge für nöthig, sonst nicht. Wie bei Führung der Matrikel, ging es bei allen andern Capitelsangelegenheiten ohne feste Ordnung zu. Doch im Jahr 1610, wo bei den Erörterungen mit dem Propst v. Bassewitz sich überall Mängel herausstellten, nahm man wenigstens einen Anlauf wieder Ordnung zu schaffen und machte mehrere Statuten, welche die verschiedenen Verhältnisse regeln sollten. Für das Verhalten der Domherren wurde bestimmt:

1) Da etliche Jahre wenig Capitularen in loco residirt und die gemeinen Zusammenkünfte außer Acht gelassen haben, so ist beschlossen worden, daß jeder Domherr so viel wie möglich und wenigstens einige Monate des Jahres in loco residiren soll. Jährlich sollen zwei regelmäßige gemeinsame Convente gehalten werden, einer Reminiscere, der andre Michaelis, in welchen keiner ohne dringende Noth und ohne Entschuldigung fehlen darf. Jeder anwesende Domherr soll während der Convente täglich 1 Rthlr. (= 32 s.) und Hafer für zwei Pferde erhalten, so lange das Capitel die Mittel dazu hat. Sind keine Mittel vorhanden, so soll jeder sich, "wie von Alters gebräuchlich", selbst erhalten.

2) Die Diener und Beamten des Doms und des Capitels haben seither ihr Amt nachlässig verrichtet. Daher wird Aufsicht verordnet, und zwar wird der Senior von der Lühe ad consistorium, Ulrich Wackerbarth zum Structuarius und Joachim v. Wopersnow zum Inspector über den Landbesitz bestellt. Der Structuarius inspicirt den Baumeister und ist Richter über die Kirchhofsangelegenheiten sowie über die Kirchenstühle; doch kann sich der Baumeister in wichtigen Angelegenheiten auch vom Kapitel selbst Befehle holen. Der Monitor und der Structuarius sollen jährlich vor dem Convent Abrechnung halten. Der Monitor soll zu Schwerin oder auf einem Capitelshofe (Rampe?) in der Nähe wohnen und

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im Interesse des Capitels Acht haben auf die Kirche und des Capitels Freiheiten, Recht und Gerechtigkeiten und diese schützen. Ist er dazu allein nicht im Stande, so wendet er sich an den Propst oder den Dekan oder, wenn beide nicht anwesend sind, an einen andern Integraten. Ein Semiintegrat hat nicht das Recht Etwas ohne Vorwissen und Befehl superiorum zu bestimmen. Die wichtigsten Angelegenheiten müssen auch die superiores mit dem ganzen Capitel berathen.

Von den Capitelsconventen erfahren wir nur wenig. In der ersten Zeit ist die Rede davon, daß dieselben in dem Capitelshause stattsanden. Dies Capitelshaus muß eine Curie gewesen sein, die nicht einem Domherrn zur Wohnung gegeben wurde, sondern zu allgemeinen Zwecken reservirt war. Jedenfalls war dies Haus die Curie, welche an der Stelle des jetzigen Hôtel de Paris stand. Ist diese Annahme richtig, so ist es auch erklärlich, daß in diesem Hause bis 1567 der Capitelssyndicus wohnte. Nachdem aber das gemeinsame Capitelshaus verkauft war (1567), wird man vielleicht die gemeinsamen Zusammenkünfte in der Propstei oder der Dekanei gehalten haben. 1610 beschloß man, die Gärbekammer im Dom zur Abhaltung der Convente herzurichten. Dieses Local ist identisch mit dem Anbau an der Südseite des Doms, dessen oberes Stockwerk noch jetzt das Archiv des Capitelsgerichts birgt, während der untere Raum zur Taufcapelle und für den Confirmanden=Unterricht bestimmt ist. Dieses Gebäude wird seit 1610 das Capitelshaus genannt sein.

Berufen wurden die Convente der Regel nach von dem Propst; da aber auch Capitelsversammlungen stattfanden, von denen der Propst nichts wußte, so müssen natürlich auch andre Domherren oder vielleicht sämmtliche residentes gemeinsam Convente ausgeschrieben haben. Als der Administrator Ulrich I. im Jahr 1579 mit dem Capitel zu verhandeln wünschte, forderte er dasselbe auf, um Ostern herum sich zu versammeln und ihm demnächst Zeit und Ort näher zu bezeichnen, damit er dann zur rechten Zeit seine Räthe zur Sitzung beordern könne. Das Capitel hielt in Folge dessen am 16. April eine Versammlung in Schwerin. Ulrich II. berief sogar ganz eigenmächtig das Capitel auf den 15. Jan. 1610 nach Schwerin. Aehnliche Bestimmungen der Administratoren werden noch häufiger vorgekommen sein, wenn auch die Acten nichts darüber berichten.

Alle in Capitelsconventen ordnungsmäßig gefaßten Beschlüsse waren natürlich für das ganze Capitel bindend. Wichtige Beschlüsse wurden von einem Notar oder, was das

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Häufigere ist, von dem Capitelssyndicus zu Papier gebracht, von den Capitularen unterzeichnet und mit einem Capitelssiegel befestigt. Zur Zeit der Administratoren gebrauchte man zwei Siegel, die beide von Lisch (Jahrbuch VIII, S. 31 u. 32) genau beschrieben sind. Beide Siegel zeigen einen Schutzheiligen der Schweriner Kirche, den Evangelisten Johannes, auf einem Stuhle sitzend und schreibend; das eine von ihnen trägt noch außerdem den bischöflichen Wappenschild.

Auf die Erhaltung seiner schriftlichen Documente verwandte das Capitel wenig Sorgfalt. Kurz vor dem Jahr 1570 übergab es alle Siegel und Briefe dem Administrator Ulrich I. zu treuen Händen, damit sie in Bützow aufbewahrt würden. Aber es zeigte sich bald, daß das Capitel diese Schriften doch nicht entbehren konnte. Schon 1570 bat es deshalb um Rückgabe. Da dieselben aber nicht verabfolgt wurden, so wünschte man 1573 nur noch, daß sie in der Gärbekammer in Bützow (unter Aufsicht bischöflicher Beamten) verwahrt würden, und dieser Wunsch scheint in Erfüllung gegangen zu sein. Allmählich sahen die Capitularen denn auch ein, daß sie die Originale nie wieder erhalten würden, und sie forderten deshalb nur noch Abschriften (1586), die Ulrich I. ihnen anfertigen lassen wollte, wenn sie ihm nur nach ihrem Verzeichniß angeben würden, von welchen Originalen sie Abschriften wünschten. Am 28. September 1591 baten sie auch um einen Schlüssel zu ihrem Archiv im Gewölbe zu Bützow, sicherlich werden sie den aber nicht erhalten haben. Die Acten, welche sich seit Uebergabe der alten Documente an den Administrator wieder ansammelten, hielten die Capitularen an sich; sie wurden in einem Schranke auf dem Capitelshause aufbewahrt, bis sie von dem Küchenmeister Casper Eßlinger im Auftrage Wallensteins zugleich mit dem Schrank auf das Schweriner Schloß gebracht, doch endlich 1644 auf wiederholtes Bitten dem Capitel wieder ausgeliefert wurden. Die Bützower Schriften kamen zum Theil im 30jährigen Kriege nach Dänemark, wo sie verschwunden sind, zum Theil wurden sie aber auch nach Güstrow transportirt; denn jedenfalls gab Adolf Friedrich 1634 dem Notar Reppenhagen Befehl, die Stiftsacten wieder von Güstrow nach Bützow zu bringen. Und geschehen ist dies, da Reppenhagen sich die Kosten dieser Reise ersetzen ließ. 1610 wurde durch ein Capitelstatut bestimmt, daß keiner Capitelsbriefe im Privatbesitz haben, sondern alle vorhandenen Schriften in der Gärbekammer des Domes (s. oben S. 228) verwahrt werden sollten. Auch sollten die Register zum Archiv vervollständigt

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werden. Den Schlüssel zur Gärbekammer sollte der Monitor führen, aber die Schlüssel zu den Schränken im Obergewölbe, wohin man "die Originalia" bringen wollte, sollte der Propst und der Dekan und in Abwesenheit eines derselben dafür der Senior bekommen. Diese Schlüssel wollte man entweder versiegeln oder in einer eignen Truhe mit zwei Schlössern aufbewahren. Von den Siegeln wollte man das kleinere dem Monitor überliefern. (Val. Lisch, Jahrb. XXVII, S. 89-91.)

Alle einzelnen Capitularen lassen sich bei den großen Lücken in den überlieferten Acten freilich nicht mehr nachweisen; doch sind so viele Namen überliefert, daß jedenfalls nur wenige fehlen können.

Die Pröpste sind vollständig aufgefunden. Der Erste, welcher uns unter der Herrschaft Ulrichs I. als Propst entgegentritt, ist:

1) Dr. juris Johannes v. Lützow, Sohn des Berthold v. Lützow (aus Pritzier?) 1 ). Er besaß schon 1518 eine Fürstenpräbende zu Schwerin, die zu dem Zwecke vergeben wurde, wie heutigen Tages etwa ein Universitätsstipendium. Da der junge v. Lützow in dem genannten Jahr sich in Italien aufhielt, was im Zusammenhang mit der Präbende erwähnt wird, so dürfen wir wohl behaupten, daß er in Italien (in Bologna) studirte. 1533 war er Canonicus zu Schwerin; Propst wird er in den überlieferten Acten zuerst 1546 genannt, und er starb als solcher im Jahr 1551, am 22. Juli. Zu Ratzeburg war v. Lützow Dekan seit 1526.

2) Henning v. Pentz, wahrscheinlich aus dem Hause Redefin, war schon 1531 Propst zu Neukloster und wurde in eben diesem Jahr von den Nonnen des Klosters Dobbertin zum Propst begehrt, wahrscheinlich aber vergeblich. Mit den Nonnen zu Neukloster hatte er 1546 arge Differenzen, indem er Naturalien, die den Nonnen zukamen, für eigne Rechnung in Wismar sollte verkauft haben. Die Herzoge von Meklenburg brachten übrigens eine Versöhnung zwischen dem Propst und dem Convent in Neukloster zu Stande. 1550 wohnte v. Pentz noch zu Neukoster. In Ratzeburg war er Domherr und seit 1551 Dekan. Im Domcapitel zu Schwerin bekleidete er 1546 die würde des Dekans, am 24. Juli 1551 wurde er zum Dompropst erwählt und starb als solcher am 7. Jan.


1) Ein Berthold v. L. wohnte nachweislich 1503 zu Pritzier.
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1555 1 ). Verheirathet war v. Pentz nicht, doch hinterließ er zwei uneheliche Söhne: Christoph und Henning. Daß der Propst noch zum Protestantismus sollte förmlich übergetreten sein, ist mindestens sehr unwahrscheinlich.

3) Lorenz v. Schack, seit 1536 Domherr und nach Henning v. Pentz' Tode Dekan zu Ratzeburg, wurde erst 1548 als Canonicus zu Schwerin eingeführt. Wie in Ratzeburg wurde er auch in Schwerin der unmittelbare Nachfolger v. Pentzens, denn schon in dem Todesjahr des Letzteren, 1555, läßt er sich als Propst zu Schwerin nachweisen. Er starb am 23. Juli 1568 zu Mölln in Lauenburg 2 ).

4) Heinrich von der Lühe. Ueber denselben sind die Nachrichten höchst dürftig. Fest steht actenmäßig, daß er der Nachfolger v. Schack's in der Propstei zu Schwerin wurde; er kommt in den Acten als Propst bis zum Jahr 1590 vor. von der Lühe war auch Rath und Oberhauptmann des Stifts Halberstadt, er wird sich deshalb meistens außerhalb des Stifts aufgehalten haben.

5) Otto v. Wackerbarth, zu Kogel erbgesessen, Sohn des Nicolaus v. W., studirte im Jahr 1555, wo er vom Propst Lorenz v. Schack eine Bützower Propsteipräbende erhielt, die er bis zu seinem Tode inne hatte und genoß. Nachweislich war er 1573 Canonicus zu Schwerin, wohnte seit 1578 zu Medewege, wurde am 25. Juli 1584 zum Dekan und am 7. September 1591 rite zum Propst gewählt und von Ulrich I. bestätigt. Er starb im Jahr 1599 und hinterließ eine Wittwe.

6) Joachim v. Bassewitz, zu Levezow bei Wismar erbgesessen, herzoglich meklenburgischer Rath und Amtmann zu Dobbertin, wurde vom Capitel zu Schwerin immatriculirt 1573, Canonicus 1593, Senior 1596, Dekan 1598. Propst war er von 1599-1610. Er starb kurz nach seiner Absetzung durch das Capitel, wahrscheinlich Ende März 1610, sicher war er am 2. April schon todt (s. S. 226). Er hinterließ eine Wittwe, Ilse geb. Schmeker, "mit vielen zum Theil unmündigen Kindern".


1) Kurd Lüder v. Pentz zu Penzlin berichtet in seinen genealogischen Nachrichten (Handschrift) über Henning v. Pentz, daß derselbe zuletzt zur Reformation übertrat und seinen Wohnsitz dann in Wismar nahm, wo sein Haus an der Grube, nahe bei der Grubenmühle, stand. Wahrscheinlich war dies Haus der alte Neuklostersche Hof. Begraben ist er nach Kurd Lüder im schwarzen Kloster, "allwo noch sein Leichenstein zu sehen ist". Die Zeitbbestimmungen, welche Kurd Lüder giebt, sind meistens unrichtig.
2) S. Masch, Bisthum Ratzeburg, S. 521.
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7) Dietrich v. Winterfeld, kurfürstlich pfalzgräfischer Rath und Landrichter, war schon 1573 Aspirant des Schweriner Domcapitels und wurde erst 1607 als Canonicus eingeführt. Propst war er von 1610 bis zu seinem Tode im Jahr 1618.

8) Otto v. Estorff, auf Bernstedt im Lüneburgischen erbgesessen, wurde in Schwerin Canonicus 1596, Dekan 1610 und Propst 1618 (bestätigt 9. Jan. 1619). Von 1627 bis 1634 war er, wie alle übrigen Domherren, aus dem Stift vertrieben; er trat aber 1634 wieder sein Amt an und verwaltete es dann bis an sein Lebensende 1637.

9) Am 10. Jan. 1638 forderte Herzog Adolf Friedrich, anscheinend vergeblich, das Capitel zur Wahl eines neuen Propstes auf. 1642 wurde nach einer Behauptung der Capitularen Ulrich v. Wackerbarth zum Propst erwählt; er kam aber nicht mehr zur Geltung als solcher, v. Wackerbarth ist 1573 schon Aspirant, Canonicus 1610. Als Senior wurde er am 9. Jan. 1619 bestätigt, Dekan war er nachweislich von 1634 bis 1659. Noch in dem letztgenannten Jahr forderte er eine Hebung von 18 Mk., die zum Dekanat gehörte, aus Cramon ein.

Die Reihenfolge der Dekane haben wir nicht in der Vollständigkeit herstellen können, wie die der Pröpste, doch sind wenigstens 9 Namen nachzuweisen.

1) Henning v. Pentz (s. Pröpste) 1546-51.

2) Joachim v. Wopersnow, herzoglich meklenburgischer Rath, Dekan 1568, 1572.

3) Arnold v. Weihe, Canonicus zu Ratzeburg 1548 bis 1573, wo er resignirte, Dekan zu Schwerin sicher 1573 bis 1583.

4) Otto v. Wackerbarth (s. Pröpste) vom 25. Juli 1584 bis 7. September 1591.

5) Ludolf v. Schack, Propst zu Ratzeburg seit 12. Sept. 1575, zu Schwerin Domherr 1573, 1586, Senior 1587, Dekan seit 7. September 1591, gestorben im Alter von 63 Jahren am 25. April 1598 und in der Kirche zu Ziethen begraben (vgl. Masch, Bisthum Ratzeburg).

6) Heinrich v. Bülow, Dekan 1599-1610.

7) Otto v. Estorff (s. Pröpste) 1610-1618.

8) Claus von der Lühe, Canonicus 1598, Senior 1610, Dekan 1618 (bestätigt 9. Jan. 1619), 1629. Er war zweiter Ehemann der Ingeburg v. Oertzen, geb. v. Bokwold.

9) Ulrich v. Wackerbarth (s. Pröpste) 1634 bis wenigstens 1659.

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Als Seniores und als einfache Canoniker werden außer den bereits unter den Pröpsten und Dekanen aufgeführten Capitularen in den Acten genannt:

Petrus Conradi, Senior 1550; Dekan zu Havelberg.

Nicolaus Köpke, Canonicus 1548, Senior 1551.

Andreas Bekerer 1550, 1551.

Johann Lindenberg, Cantor 1550, später Senior.

Paulus Gronemann 1550.

Nicolaus Petri, zugleich Domherr in Lübek, 1553.

Konrad Krassow 1551.

Jodocus Wittenburg 1551.

Burchard Schmidt 1551.

Christoph v. Schönaich 1553.

Georg Hübner, Senior 1573, 1583, todt 1586.

Balthasar v. Schönaich 1583.

Bernhard v. Dannenberg 1583; zu Ratzeburg Canonicus 1562, gestorben 1605.

Richard v. Wolde, geb. 1531, zu Schnakenburg in Pommern erbgesessen, Domherr zu Ratzeburg, Lübek, Hamburg; zu Schwerin 1573, später Senior, todt 1596.

Joachim von der Lühe, gestorben 1597.

Magnus Hübner, Senior 1588, gestorben 23. Jan. 1610.

Kurd v. Sperling 1599, gest. 1607.

v. Wopersnow, todt 1619.

Vollrath v. Plessen von Großenhof, Canonicus seit 26. Oct. 1612, Senior 1634.

Vicke V. Bülow, Canonicus seit 26. Oct. 1612, 1624.

Joachim v. Wopersnow, immatriculirt 1590, Canonicus 1612, 1624, 1629.

Wipert v. Raven, immatriculirt 1595, Canonicus seit 9. März 1619, bald wieder ausgeschieden.

Christoph v. Bassewitz, immatriculirt 1594, Canonicus 1619, 1624.

Balthasar v. Bothmer, immatriculirt ca. 1600, Senior 1650.

Oberst Georg v. Behr aus Nustrow, immatriculirt 1602, Canonicus 1650, todt 1651.

Major Hartwig v. Wackerbarth aus Katelbogen, immatriculirt 1603, Canonicus 1650, Subsenior 1651, Senior 1653. Er wurde 1639 Provisor des Klosters Rühn.

Hauptmann Matthias v. Behr, 1650, 1653.

Henning Matthias v. Lützow, 1650, 1653.

Die letzte Namensunterschrift der Capitularen ist vom Jahr 1650, es unterzeichneten:

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Ulrich Wackerbarth, Dekan.

Balthasar v. Bothmer.

Hartwig Wackerbarth.

Matthias v. Behr.

Henning Matthias v. Lützow.

Das letzte Schriftstück des Capitels vom 21. Jan. 1654 ist, wie schon bemerkt, bloß unterschrieben: "Dechant, Senior und andere Capitulares."

Das Capitel zeigte in seinem ganzen Auftreten, wie wir gesehen haben, viele schwache Seiten, das Traurigste war aber doch die Verwaltung des höchst werthvollen Grundbesitzes. Selbst das Nächstliegende, die Domherrenhöfe in Schwerin, welche doch zur eignen Wohnung der Capitularen dienen sollten und durchweg auch dienten, wurden nicht einmal nothdürftig in Stand erhalten. Wir wollen es dem Capitel zwar nicht zur Last legen, daß die Curien um die Mitte des 17. Jahrhunderts fast gänzlich verfallen waren, denn nach dem 30jährigen Krieg sah es auch anderswo übel genug aus; aber auch früher stand es mit den Curien kaum besser. Da die Zahl der Capitularen sich seit der Reformation stark verringerte, so wurden viele Gebäude frei und um nicht noch für das Ueberflüssige sorgen zu müssen, wurden die leeren Häuser verkauft. Auf diese Weise hatte das Capitel seinen Grundbesitz auf der Schelfe ganz eingebüßt; einen großen Theil davon besaß die Familie v. Halberstadt. Aber auch innerhalb der Stadt Schwerin selbst wurde 1567 die große Curie neben der Stadtmauer bei dem Schelfthor (jetzt Hotel de Paris) für nur 200 Gulden weggeschlagen.

Die Ursache des Verfalls der Curien lag hauptsächlich in der häufigen Abwesenheit der Capitularen vom Capitelssitz; mancher Domherr hat vielleicht im Ganzen nicht einen Monat in seiner Curie gewohnt. Brauchten sie aber diese Wohnungen nicht, warum sollten sie dieselben erhalten? an ihre Erben kamen sie doch nicht. Indessen war die Nachlässigkeit mit der Zeit doch zu groß geworden, der Zustand der Curien mußte allgemein Anstoß erregen. Als daher im Jahr 1610 in den Differenzen mit dem Propst v. Bassewitz so mancherlei Schäden im Capitel zur Sprache kamen, konnten auch die Domherrenhöfe nicht übergangen werden. Wie es scheint, übte der Administrator Ulrich II. dazu einen Druck auf das Capitel aus, so daß am 22. Januar 1610 ein Capitelsstatut, durch welches dem gänzlichen Verfall der Domherrenhöfe vorgebeugt werden sollte, von den Capitularen vereinbart und von Ulrich am 7. Februar bestätigt wurde. Dieses

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Statut, unterschrieben von Ulrich, von dem neuerwählten Propst v. Winterfeld, dem Dekan v. Estorss und noch drei Canonikern, bestimmte:

1) Den Hof eines verstorbenen Domherren erhält jedesmal der älteste Capitular, welcher noch keine Curie hat.

2) In der Propstei und der Dekanei wohnen die zum Propst und zum Dekan erwählten Capitularen.

3) Jeder Capitular, der eine Curie besitzt, soll schuldig sein, sobald ihm immer "menschlich und möglich, dieselbe von Neuem zu bauen oder doch wenigstens dergestalt zurichten und ausbessern zu lassen, daß man mit Ansehen darin wohnen und sich nothdürftig behelfen möge."

4) Der Successor soll verpflichtet sein, den Erben seines Vorgängers die von ehrlichen, verständigen Leuten abgeschätzten Baukosten nach Jahresfrist zu bezahlen; doch darf die Entschädigungssumme nicht über 1500 Mk. Lüb. betragen.

5) Will der zum Successor bestimmte Capitular unter diesen Bedingungen den Hof nicht annehmen, so verliert er alles Anrecht an einen Hof, und in seine Rechte tritt der nächstfolgende Capitular.

6) Wer seinen Hof aufzubauen versäumt, dem werden seine Einkünfte gesperrt.

In einem andern Statut (vom 29. Januar 1610, s. S. 227) wurde vorgeschrieben, daß jeder Capitular wenigstens einige Monate in loco residiren sollte.

Um die Zahl der Curien mühe= und kostenlos wieder zu vermehren, verlangte man von den beiden Domherren Vollrath v. Plessen und Vicke v. Bülow bei ihrer Einführung 1612, daß sie zwei frühere Curien, von denen die eine neben der Propstei gelegen war und jetzt einem Mollini gehörte, die andere, auf der Schelfe gelegen, im Besitz des v. Halberstadt war, auf eigne Kosten erwerben und dann dem Capitel als Curien wieder überliefern sollten (s. S. 221). Erworben haben die Capitularen diese Häuser freilich nicht.

Ohne Schuld der Capitularen gingen in der Reformation dem Capitel die vielen Hebungen außerhalb des Stifts verloren. Man sah diese Einkünfte, wie unzählige andre geistliche, als mit dem Katholicismus abgeschafft an, das lag in dem Zug der ganzen Reformationszeit. Es verlohnt sich jetzt nicht mehr der Mühe die bedeutenden Capitelshebungen hier einzeln aufzuzählen, es mag nur kurz erwähnt werden, wie rasch dieselben verloren gingen. Schon 1558 erklärte das Capitel, daß es in den letzten Jahren nicht den dritten Theil seiner rechtmäßigen Hebungen aus dem Herzogthum

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Meklenburg bekommen habe, und in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts berechnete man den Verlust während der letzten 10 Jahre auf 3091 Mk. Größtentheils, klagte man, hielten die herzoglichen Amtleute die Einkünfte zurück, zum Theil wären aber auch schon die Unterthanen gewohnt, ohne Beeinflussung des Amtes die Zahlung zu verweigern. Die Klagen und Beschwerden dagegen halfen so gut wie nichts, und bald war auch das Capitel, wie andre Besitzer, gewohnt, diese Einkünfte zu entbehren. Im Gegensatz hierzu erscheint es fast als ein Unicum, daß der Besitzer von Cramon bei Schwerin noch im Jahr 1659 sich zur Zahlung einer kleinen Hebung an den Domdekan für verpflichtet hielt (vgl. S. 232).

Wie aus der Stiftsbeschreibung ersichtlich, besaß das Capitel um 1550 außer den beiden Bauhöfen auf der Schelfe und der Bischofsmühle vor dem Schmiedethor zu Schwerin 14 Güter und Dörfer ganz oder doch zum größten Theil als Eigenthum und hatte Anrechte an 3 ritterschaftliche Güter. Bedenkt man, daß diese Landgüter fast alle in den fruchtbarsten Gegenden Meklenburgs lagen, so braucht man nicht zu zweifeln, daß dieselben zur Erhaltung von einem halben Dutzend geistlicher Personen, selbst wenn sie größere Ansprüche machten, mehr als genügend waren. Und doch führten die Capitularen beständig Klage, daß ihre Einkünfte zu gering seien. Die Verwaltung dieser Güter war aber zur Zeit der Administration so schlecht, daß die baaren Erträge nur unbedeutend zu nennen sind.

Warkstorf, bei Wismar gelegen, gehörte seit dem 14. Jahrhundert zur Propstei und warf also für die Capitularen außer dem Propst keine Revenuen ab. Zu Anfang der Reformation wäre dieser Hof übrigens dem Capitel beinahe verloren gegangen. Der Herzog Heinrich von Meklenburg wollte nämlich im Jahr 1531 dem Propst Heinrich Banskow den Nießbrauch von Warkstorf nicht gestatten, da er für sich selbst Ansprüche darauf erhob. Die nähern Umstände und auch die Gründe, welche Herzog Heinrich für sich geltend machte, sind uns unbekannt geblieben; genug, der Herzog wollte seinen Secretair Jacob Schrage in das Gut einweisen. Banskow suchte in seiner Verlegenheit die Vermittlung des Canzlers Caspar Schönaich nach, erreichte aber damit nichts, sondern mußte sich endlich gefallen lassen, daß Schrage ihm zum Coadjutor gesetzt wurde und als solcher den Besitz des Propsteigutes antrat. Nach 1550 stand Warkstorf übrigens wieder zur Verfügung des Capitels, und wahrscheinlich war es wieder Propsteilehn.

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Das große Bauerdorf Jürgenshagen, welches zur Domöconomie in Schwerin gehörte und darum unter dem Patronat des Domcapitels stand, wurde im Jahr 1568 an den Administrator abgetreten, wofür derselbe die Sorge für Kirchen= und Schuldiener übernahm. Den Domherren scheint dieser Handel ganz besonders gefallen zu haben, da ihnen durch denselben wieder ein Theil ihrer ohnehin geringen Verpflichtungen abgenommen wurde. Daß sie zugleich nicht unwesentlich an Einfluß verloren, war ihnen wohl gleichgültig. In den nächsten Jahren beeilten sich die Capitularen eine Reihe Capitelsdörfer, deren Besitz ihnen unbequem war, zu veräußern. Zu ihrer Entschuldigung kann indessen angeführt werden, daß die vielfachen Uebergriffe der Grenznachbarn ihnen manchen Verdruß bereiteten, vor allen bei den Dörfern, die fern vom Capitelssitz lagen. Diese wurden denn auch zuerst feilgeboten. 1569 wurden Moitin, Questin und Gagzow verkauft, 1571 Wendisch Rambow gegen Antheile in Rubow und Dämelow vertauscht, und diese dann im Jahr darauf ebenfalls veräußert. Das fernliegende Warkstorf belästigte die Capitularen zwar sicher nicht, da es im Besitz des Propstes war; aber trotzdem wurde es 1599 an den Propst v. Bassewitz als Eigenthum weggeschlagen. Dieser Handel ging freilich später wieder zurück, da die Zahlungen nicht vorschriftsmäßig geleistet werden konnten, und da ohnehin wegen des Kaufpreises Meinungsverschiedenheiten bestanden. Dem Capitel blieben also nach dem Jahr 1572 nur noch folgende Landgüter: 1) der Hof Groß=Medewege mit den Pertinenzen Bischofsmühle, Dorf Groß=Medewege, Lankow, Dalberg, Hundorf und Hilgendorf; 2) der Hof Rampe mit den dienstpflichtigen Dörfern Zittow und Brahlstorf; 3) Warkstorf; 4) Bandenitz; 5) die beiden Bauhöfe auf der Schelfe.

Die beiden Schelfbauhöfe mußten jedenfalls nur unbedeutend sein, da nur ein kleines Feld zu denselben gehören konnte, denn das Capitel hatte in der Nähe der Schelfe nur wenig Grundbesitz. Aus diesem Grunde ließ man bald den einen Hof eingehen, was nach 1573 und vor 1583 geschah. Auch eine Capitelsziegelei stand auf der Schelfe; aber sie trug nichts ein, da man kein Holz zum Brennen hatte, und der Schelfvogt seit der Reformation nicht mehr, wie früher, die Holzanfuhr vom Werder gestatten wollte, wie er auch den Meiern der Bauhöfe das Holzsammeln dort verbot. Die Ziegelei ging daher im Laufe der Zeit ganz ein; und wenn man auch 1610 eine neue baute, die Plage wegen des

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Brennholzes fing wieder von vorne an, und der Neubau nützte nichts.

Im ersten Theil dieser Arbeit (Jahrb. XLVII.) ist kurz angedeutet worden, daß die herzoglichen Aemter Crivitz und Schwerin in den Capitelsdörfern Rampe, Zittow und Brahlstorf Antheile besaßen. Dies gab viele Jahre lang zu allerlei Streitigkeiten Veranlassung, deren Schuld wahrscheinlich die herzoglichen Beamten trugen, da sie wohl mehr beanspruchten, als ihnen zukam. Nach vielen Beschwerden und Klagen erhielt das Capitel im Jahr 1583 das Versprechen, es solle eine Commission zur Regulirung des streitigen Besitzes eingesetzt werden. Nach einigen Jahren klagte das Capitel aber wieder, daß noch Alles beim Alten sei, und man von der Thätigkeit einer Commission nichts merke. So war es noch in den 90er Jahren, wenigstens war ein voller Ausgleich der Differenzen nicht zu Stande gekommen. Endlich aber wurde der Streit geschlichtet. Im Jahr 1604 quittirt der Herzog Karl von Meklenburg als Vormund der jungen Herzoge Adolf Friedrich und Hans Albrecht über den Empfang von 1926 fl. 17 s. für die in den Aemtern Crivitz und Schwerin nun erblich an das Capitel verkauften Dienste, Pächte und Gerechtigkeiten in den Dörfern Zittow, Brahlstorf und Rampe. Damit war der Streit um "das Gemenge", wie man den gemeinschaftlichen Besitz nannte, für immer beendet. Es ist die Handlungsweise des Capitels in diesem Streit beachtenswerth. Während es bei fernliegenden Dörfern bestrittene Rechte schlecht vertheidigte und leicht bereit war, zur Hebung von Differenzen selbst unbestrittenen Besitz für einen nur irgend annehmbaren Preis wegzuschlagen, suchte es hier die Rechte in den nahen Dörfern mit äußerster Ausdauer zu schützen und neue zu erwerben.

Ebenso streitig wie das "Gemenge" war das Jagdrecht auf den Capitelsgütern. Die Capitularen machten von der Jagdgelegenheit, die sich auf ihren Gütern bot, nicht viel Gebrauch; aber ab und zu gingen sie, wenn sie in Schwerin wohnten, doch zur Vertreibung der Langenweile hinaus auf das Medeweger oder Lankower Feld, um sich einen Hasen zu fangen. 1 ) Sie glaubten dabei in ihrem vollen Rechte zu sein. Nun gingen aber auch des Administrators Jäger und herzoglich meklenburgische Beamte zum Jagen auf die Capitels=


1) Hasen pflegte man damals nicht zu schießen, sondern in Netzen zu fangen, ein Gebrauch, der jedenfalls noch aus der Zeit vor Erfindung des Schießpulvers stammte.
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güter, und sie glaubten ebenso gut ein Recht dazu zu haben. Die bischöflichen Jäger wollten garnicht einmal leiden, daß ihnen Andre das Wild wegfingen; darum forderten sie die Jagddienste der Capitelsunterthanen für sich, schossen Hunde todt, welche sie in Wald und Feld antrafen und geberdeten sich wie alleinige Herren dieser Jagdgründe. Das war dem Capitel denn doch zu viel verlangt, und es brachte deshalb 1573 beim Administrator eine Beschwerde ein. Nicht lange darnach hatten einige Domherren auf Capitelsgebiet zur Kurzweil Hasennetze aufgespannt und ließen die Hasen den Netzen zutreiben, da kam der herzogliche Amtshauptmann Möllendorf aus Schwerin und nahm ihnen ohne weitere Umstände die Hasennetze weg. Die Capitularen hatten zwar bisher nichts dazu gesagt, daß herzogliche Beamte auf ihren Feldern jagten, da sie selbst trotzdem noch Gelegenheit zur Jagd genug fanden; aber daß sie von ihrem eignen Gebiet vertrieben werden sollten, wollten sie doch nicht leiden. Sie beschwerten sich also bei Ulrich I.; allein sie thaten es vergebens. Als sie später bei Gelegenheit einer erneuten Klage die Erklärung abgaben, sie wollten sich gern gefallen lassen, daß die herzoglichen Beamten bisweilen auf ihren Gütern jagten, wenn man ihnen dagegen nur ihr Jagdrecht ließe, das sie immer besessen, wurde ihnen 1594 zur Antwort, daß sie als Geistliche überhaupt kein Jagdrecht beanspruchen könnten. Die Capitularen scheinen in Folge dessen daraus verzichtet zu haben, denn später erfährt man von Differenzen über die Jagd auf den Capitelsgütern nichts mehr.

Von der Art der Verwerthung des Landbesitzes im Interesse des Capitels ist aus der Zeit des 16. Jahrhunderts sehr wenig überliefert. Daß Warkstorf früher dem Propst pflegte übergeben zu werden, ist schon erwähnt, Medewege wurde am 28. Mai 1578 durch den Senior Georg Hübner und den Domherrn Richard v. Wolde vor Notar und Zeugen an Otto v. Wackerbarth überliefert, der damals noch einfacher Canonicus war. Wackerbarth behielt dies Gut auch, als er 1584 Dekan und 1591 Propst wurde, ja noch seine Wittwe hatte es 1 Jahr lang nach dem Tode des Propstes (1599) für eine Pacht von 1100 Mk. Wahrscheinlich hatte auch v. Wackerbarth selbst eine Pacht gegeben, und ebenso mag das Capitel für die andern Güter Pacht erhalten haben. Medewege war auf diese Weise also in den Besitz des Propstes gekommen und blieb es bis 1627.

Ehe aber der neue Propst Joachim v. Bassewitz (1599 bis 1610) in die Propstei eingewiesen wurde, traf man durch

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ein Capitelsstatut vom 18. April 1600 Anordnungen über alle Landgüter. Der Propst sollte nach den Bestimmungen desselben auf Lebenszeit den Hof Gr.=Medewege mit den vorhin genannten Pertinenzen gegen einen gewissen Canon, der nicht angegeben ist und auch wohl nach den Conjuncturen sich verändern mußte, zum Nießbrauch erhalten, der Dekan in gleicher Weise Rampe c. pert., und ebenso der Senior Bandenitz und der Quartus den Schelfbauhof. Nach dem Tode eines mit einem Capitelsgut belehnten Canonicus stand den Erben desselben die Uebernahme der Pachtung für ein Jahr frei. Die Pachtjahre liefen von Walpurgis (1. Mai) bis 30. April.

Weil nun das Capitel hoffte auf solche Art einen guten Gewinn aus seinen Gütern zu ziehen, so beschloß es bei gelegener Zeit noch mehr Landgüter anzukaufen, wozu alle ersparten Gelder verwandt werden sollten. Gespart hat man aber nicht, und gekauft daher auch nicht, im Gegentheil veräußerte man später wieder Etwas von dem Landbesitz.

Walpurgis 1600 konnte Joachim v. Bassewitz das Propsteigut Medewege übernehmen; er wurde im Namen des Capitels von dem Senior Magnus Hübner und dem Domherrn Kurd v. Sperling ebenso, wie einst v. Wackerbarth, vor Notar und Zeugen eingewiesen. Als eine besondere Vergünstigung erhielt er im nächsten Jahr die ganze Fischerei auf dem Lankower See - bisher theilten sich der Propst und das Capitel in dieselbe - und von Herzog Ulrich die Fischerei auf dem Medeweger See für eine Pacht von jährlich 12 fl.

Als nun der Grundbesitz in festen Händen war, schickte man den Capitelsmonitor mit einigen Capitularen umher, damit er alle einzelnen Dörfer inspicire und über den Zustand der Gebäude und des Inventars berichte. Es schien, als ob frisches Leben in die alten Capitularen gekommen sei, so rege Sorge zeigten sie überall. Aber es war ein Strohfeuer, das bald wieder erlosch. Nach 10 Jahren sah man ein, daß man bedeutend rückwärts gegangen war, der Ertrag des Grundes und Bodens reichte kaum hin die Bedürfnisse der Domherren zu befriedigen, man meinte, es könnten kaum zwei standesgemäß davon leben, und der Verfall war wieder überall ersichtlich.

Die Schuld dieser über alles Erwarten schlechten Erfolge schob man, wie wir oben gesehen haben, dem Propst v. Bassewitz in die Schuhe. Freilich mochte derselbe als herzoglich meklenburgischer Beamter sich nicht allzuviel um Capitelsangelegenheiten gekümmert haben, und daher dem Capitel Nach=

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theil erwachsen sein; aber warum kümmerten sich denn nicht Andre darum, und warum ließ man die Verwüstung erst so weit gehen, ehe man Einspruch erhob? Da der Propst abgesetzt wurde, so mußten ihm natürlich auch seine Capitelsgüter genommen werden. Selbst Warkstorf, das er unbestreitbar mit Bewilligung des Administrators vom Capitel gekauft hatte, mußte er zurückgeben, da die Kaufsumme noch nicht gezahlt war. Man machte sehr kurzen Prozeß. Ohne vorherige ordentliche Untersuchung befahl der Herzog Ulrich II. am 6. Februar 1610 seinem Secretair Daniel Kuhhorn, dem Küchenmeister Johann Woker zu Warin und dem Notar Georg Brandt zu Bützow, den neuen Propst v. Winterfeld in Warkstorf einzuweisen und Alles, was da von dem Eigenthum v. Bassewitzens gefunden würde, mit Beschlag zu belegen, bis derselbe sich wegen der Verwüstungen mit dem Capitel abgefunden habe. v. Bassewitz versuchte wenigstens Warkstorf zu retten, indem er Herzog Ulrich brieflich bat, er möge ihn doch in seinem erkauften Besitz lassen; aber Ulrich schrieb bloß die Randbemerkung auf den Brief: "Es bleibt bei geschehener Anordnung" 1 ).

v. Bassewitz starb, wie bereits mitgetheilt ist, wenige Wochen nach diesen Vorgängen. Seine Wittwe Ilse, geb. Schmeker, erhielt daher vom Capitel den Befehl, zum 1. Mai Medewege wieder in ordnungsmäßigem Zustand abzuliefern. Das war ihr aber natürlich nicht möglich, auch wenn sie es gewollt hätte; übrigens glaubte sie noch erst ihr Gnadenjahr dort abwohnen zu dürfen und räumte deshalb nicht. Am 8. Mai war sie sicher noch auf dem Gute; bald darauf wurde sie aber doch verdrängt, und Winterfeld zog auch hier ein; seit 1612 zahlte er für Medewege, welches er auf eigne Rechnung bewirthschaften ließ, jährlich 1050 Mk. Pacht. Warkstorf verpachtete er an David Züle.

Nach dem Tode von Winterfeld's wurden die Landgüter durch ein neues Capitelsstatut (1618) wieder vertheilt (s. Beschreibung), und die beiden Güter Medewege und Warkstorf kamen nicht wieder zusammen in die Hände des Propstes, da letzteres der Senior erhielt (für jährlich 350 Mk.). Der Dekan, welchem wieder wie früher Rampe zugewiesen wurde, verpachtete dies Gut an Kurd v. Restorff.


1) v. Bassewitzens Erben strengten wegen Warkstorfs einen Prozeß an, der noch den 30jährigen Krieg überlebte; sie erreichten damit nichts.
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Bandenitz wurde 1622 verkauft; die übrigen vier Landgüter mit den dienstpflichtigen Dörfern wurden 1627 von Fremden occupirt; seitdem hatte das Capitel keinen Landbesitz mehr.

In der Capitulation Adolf Friedrichs von 1634 wurde zwar die Restitution der Landgüter versprochen, aber doch nur bedingungsweise, denn Medewege und Warkstorf sollten erst gekauft werden, und zur Ueberlieferung von Rampe und dem Schelfbauhof sollten die Schweden die Zustimmung geben. Die Capitularen erinnerten häufig genug an die verheißene Restitution; es war vergebens. Da durch den Frieden zu Münster und Osnabrück der Herzog Adolf Friedrich das Stift als ein erbliches Fürstenthum zugesprochen erhalten hatte, befahl er 27. Februar 1649, daß die Güter Warkstorf, Medewege und Rampe inventarisirt werden sollten, weil er sie in Besitz nehmen wolle; den Bauhof besaß damals der Dekan von Wackerbarth, wie aus der Nachricht, daß Adolf Friedrich den Viehfütterer des Dekans von dem Schelfbauhof habe vertreiben lassen, zur Genüge hervorgeht. 1651 war dieser Hof sicher im Besitz des Herzogs.

Ueber die vergeblichen Versuche der Capitularen, die Güter wieder zu gewinnen, wird weiter unten berichtet werden.

Unter den Beamten des Capitels ist der Syndicus der wichtigste. Er wohnte am Capitelssitze in Schwerin, so weit bekannt, in einer Curie, wenn er nicht ein eigenes Haus besaß, und war daher also jeder Zeit dem Capitel zur Hand. Seine Thätigkeit ist vorzugsweise eine juristische: er war, wie jetzt ein Syndicus, der juristische Beistand in allen Angelegenheiten des Capitels. Wenn er in schwierigen Fällen seinen Rath ertheilt hatte, sorgte er nach Beschlußfassung der Capitularen für die Entwerfung der nöthigen Schriftstücke und für die Untersiegelung derselben. Häufig leitete er sogar Capitelsversammlungen, und auf den Stiftstagen führte er für die Domherren meistens das Wort. Im 16. Jahrhundert war an Stelle des Syndicus ein Notar angestellt, und als solcher fungirte längere Zeit der Domherr und Senior Georg Hübner, welcher auch meklenburgischer Hofgerichtsprotonotar war. Wenn man in späterer Zeit einen Notar neben dem Syndicus gebrauchte, so nahm man im einzeln Falle irgend einen beliebigen, den man am leichtesten haben konnte. Bekannt sind aus den Acten die Syndici Dr. jur. Isaak Memmius 1605-1615, der aber nur ganz kurze Zeit vom Capitel dienstlich in Anspruch genommen

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wurde, Dr. Peter Frederus 1606-1612, Wilhelm Finx (aus Lüneburg) 1612 bis in die Mitte der 20er Jahre und der Dr. juris utriusque Joachim Wedemann, der Nachfolger von Finx. Für die Capitelsbauten hielt man, wie schon erwähnt, einen Structuarius oder Baumeister, der auf seinem Gebiet auch Richter war. Der Monitor sorgte für das Eingehen aller Capitelshebungen; er ist der Cassier des Capitels. In einem Zeugenverhör vom Jahre 1571 erzählt der Senior Georg Hübner, daß er seit 13 Jahren die Monitur des Capitels verwaltete. Der Propst Otto v. Wackerbarth machte sich 1596-1599 selbst zum Monitor, um sich das Honorar, welches er ebenso willkürlich von 100 Mk. auf 100 fl. erhöhte, zu verschaffen. Nach seinem Tode wurde diese Eigenmächtigkeit allerdings vom Capitel getadelt.

Durch ein Capitelsstatut von 1610 wurde den Beamten eine strengere Aufsicht verordnet, indem einer der Domherren unter dem Titel Structuarius den Baumeister, ein anderer unter dem Titel "Inspector übers Land" neben andern Functionen den Monitor inspiciren sollte. Der Syndicus, welcher wegen seiner größern Bedeutung eine freiere Stellung einnahm, erhielt einen speciellen Controlleur nicht.

2) Die Ritterschaft und die Städte.

Außer den Capitularen bildeten die Ritterschaft, als die Besitzer der Lehngüter, und die Vertreter der beiden Städte Bützow und Warin die Stiftsstände.

Die Stifts=Lehnsleute oder die Stiftsritter wurden dem Administrator durch den Besitz eines Lehngutes oder einzelner Ritterhufen oder durch Uebernahme eines Burglehns "verwandt" (verpflichtet). Sie schwuren deshalb dem Administrator als dem Lehnsherrn den Eid der Treue, daß sie demselben "treu, hold und gewärtig sein, S. F. G. Nutzen und Frommen besten Wissens und äußersten Vermögens befördern, dagegen Schaden und Nachtheil warnen und abwenden und in keiner Stelle, noch Rathschlag stehen oder sein wollten, darin ihres Wissens und Vermerkens wider S. F. G. Ehre, Hab' und Gut gerathschlagt, geredet oder gehandelt werde, daß sie S. F. G. ihnen anvertraute oder sonst bewußte Geheimnisse niemand ohne Erlaubniß oder Geheiß offenbaren, ihre Lehen treulich und, so oft es noth, verdienen, die Lehnsgüter, welche sie vom Administrator empfangen, von keiner andern Herrschaft zu Lehn nehmen und überhaupt Alles thun wollten, was einem getreuen Lehnsmann gegen

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seinen Lehnsherrn von Rechts und Gewohnheit wegen zu thun eignet und gebührt." Zu ihrer Lehnspflicht gehörte vor allem, wenn es noth that, der Mann= und Roßdienst, d. h. die Unterstützung des Lehnsherrn auf dessen Aufgebot im Kriege. Die Höhe der Roßdienste, welche die einzelnen Ritter zu leisten hatten, ist für das Stift Schwerin in den überlieferten Acten nur ungenau und mangelhaft angegeben, sie wird aber sicher den Verhältnissen im Meklenburgischen ziemlich entsprochen haben. In Friedenszeiten galt die Zahl der Roßdienste eines Ritters als Maßstab für die Höhe seiner Contribution. 1569 z. B. wurden für jeden Roßdienst 10 Gulden, 1617 dagegen 15, 1603 sogar 30 Gulden gezahlt.

In officiellen Anschreiben nannte der Administrator die Ritter: "Ehrbare, Liebe, Getreue."

Wie die Ritterschaft, so mußten auch die Städte, Magistrate und Bürgerschaft, dem Administrator den Eid der Treue leisten. Dies geschah regelmäßig beim Antritt der Regierung des Administrators, wo auch die Ritter dem neuen Landesherrn huldigten (s. Administratoren). Dem Huldigungseid gemäß mußten die Städte auf Erfordern Mannschaften für das Kriegsheer stellen. 1595 befahl Ulrich I. sowohl den Städten als den Rittern, daß sie sich zur Musterung (für einen Kriegszug gegen die Türken) bereit halten sollten. Die ständischen Rechte übten im Namen der Städte die Magistrate aus; in der Regel erschienen die Bürgermeister auf den Stiftstagen.

Seit der Herrschaft der dänischen Prinzen im Stift pflegte auch der Schelfvogt zu Schwerin zu den Stiftstagen berufen zu werden, bisweilen, besonders unter der Herrschaft Adolf Friedrichs erhielten sogar die Domänenbeamten Befehl, den Verhandlungen der Stände beizuwohnen. An den Berathungen und Abstimmungen durften indessen der Schelfvogt und die Domänenbeamten nicht Theil nehmen; sie erschienen nur, um die Beschlüsse kennen zu lernen.

Die Einberufung der Stände lag lediglich dem Administrator als Landesherrn ob; bestimmte Zeiten für den Zusammentritt gab es nicht. Zu allen wichtigen Landesangelegenheiten sollten aber die Stiftsstände ihre Meinung sagen, und darum wurde öfters ihre Einberufung nöthig. Meistens versammelten sie sich wohl ein Mal im Jahr, mitunter nachweisbar jährlich mehrmals, dann aber wieder mehrere Jahre nach einander gar nicht. Ein beständiges caput proponendum auf den Stiftstagen war die Stifts=

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contribution; war diese auf längere Jahre vereinbart, so brauchte man auch für längere Zeit keine ständischen Versammlungen. 1598 vertheilte übrigens Ulrich I. die Contribution, ohne vorher die Stände einberufen zu haben. Ein Mal wird auch berichtet - es war im Jahre 1617 -, daß die Stände um Berufung zum Stiftstage baten.

Erscheinen sollten alle Geladenen unfehlbar und mit Hintenansetzung aller eignen Interessen; doch geschah dies nicht, denn nur selten war eine größere Zahl der Stände versammelt; zuweilen waren so wenige da, daß die Verhandlungen ausgesetzt werden mußten. Wer ernstlich behindert war, sollte sich rechtzeitig entschuldigen und durfte sich dann durch andre ständische Mitglieder vertreten lassen. Von dem Rechte der Vertretung wurde unter Umständen, doch nicht allzu häufig, Gebrauch gemacht.

Die Sitzungen fanden auf dem Rathhause zu Bützow statt. Dort verhandelten die Administratoren aber nicht selbst mit den Ständen, sondern in ihrem Namen trugen unter Ulrich I. der Stiftshauptmann und einige fürstliche Räthe und später der Stiftskanzler die capita proponenda vor und nahmen die Antwort der Landesvertretung entgegen. Hatte man sich, so weit möglich, geeinigt, so erfolgte im Namen des Administrators der Abschied, welcher die endgültigen Beschlüsse der Landesregierung in Folge der Berathung mit den Ständen bekannt machte.

War der Administrator während der Verhandlungen in Bützow anwesend, so lud er wohl des Abends die ständischen Mitglieder zur Tafel, und inter pocula wurde dann wohl eine Einigung erzielt, die in den ernsten Debatten im Rathhause nicht möglich gewesen war.

Im December 1582 war Herzog Ulrich Willens, die Stiftsstände zugleich mit den meklenburgischen Landständen nach Neubrandenburg zu berufen. Viele von den Stiftsrittern müßten als meklenburgische Lehnsträger doch dahin, und dann könnten sie dort sich gelegentlich auch über die Stifssteuern berathen, meinte der Herzog. Aber der Stiftshauptmann Wackerbarth widerrieth ihm dies Vorhaben entschieden, da gesetzlich die Stiftstag im Stift selbst abgehalten werden müßten, und Ulrich gab denn auch diesen Wunsch auf.

Ein Mitglied der Stiftsritterschaft hatte seit alter Zeit die Würde des Stiftsmarschalls. Anscheinend war aber diese Anordnung in den Wirren der Reformation in Ver=

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gessenheit gekommen, und man erfährt daher lange von einem Marschallamte nichts. Seit 1580 etwa gab es zwar wieder einen Stiftsmarschall; ob er aber als solcher von den Administratoren anerkannt wurde, ist zweifelhaft. Im Jahre 1647, als der alte Marschall gestorben war, hatten die Ritter den Caspar v. Vieregge wieder in dessen Stelle gewählt. Sie wünschten nun von Adolf Friedrich Anerkennung ihrer Wahl und beriefen sich dabei auf ein altes Privileg, das mit den Stiftsacten in den 20er Jahren ihres Jahrhunderts nach Dänemark gekommen sei. Mit der Marschallswürde verhielt es sich nach ihrer Aussage folgender Maßen:

Ein v. Putlitz habe sich unerwählt zum Bischof aufgeworfen und, um sich in den Besitz des Stiftes zu setzen, die Stadt Bützow belagert. Die Ritterschaft habe ihn aber von Rühn aus unversehens angefallen, und ein Vieregge ihn gefangen genommen und nach Bützow gebracht. Daher habe die Familie v. Vieregge als ein Privileg das erbliche Marschallamt im Stift erhalten. Vor 70 Jahren sei Levin Vieregge, darauf vor 24 Jahren Johann Reimar 1 ), nach diesem Christoph und endlich dessen Bruder Friedrich Vieregge zum Marschall erwählt.

Zu Grunde liegt dieser Erzählung wahrscheinlich eine geschichtliche Thatsache, doch weicht dieselbe von der Wahrheit grade in der Hauptsache bedeutend ab.

Johann Gans Edler zu Putlitz machte nämlich im Jahr 1424 einen Einfall ins Meklenburgische (vgl. Franck VII, S. 200), wurde aber unter der Führung des Ritters Axkow bei Wismar geschlagen und gefangen genommen und dann dem Bischof Heinrich von Wangelin überliefert, vielleicht, meint Franck, weil er des Stifts Güter ebenfalls beschädigt hätte. Der Bischof brachte den Gefangenen nach Bützow und gab ihn erst gegen ein hohes Lösegeld wieder frei. Daß ein v. Vieregge sich bei dieser Gelegenheit auszeichnete, ist sonst geschichtlich nicht bekannt. Wie dem aber auch sei, die Ritter erreichten ihre Absicht, denn Herzog Adolf Friedrich erkannte 1648 den Caspar von Vieregge als Stiftsmarschall an.

Eine Nachricht aus dem Jahre 1598 erzählt von einem Anwalt der Stiftsstände, welcher vom Administrator für seine Bemühungen auf den Stiftstagen ein Honorar erhielt. In dem genannten Jahre hatte der Dr. Berthold


1) Johann Reimar von Vieregge fungirte aber nachweislich schon 1619 auf dem Stiftstage als Marschall.
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Kichler (?) als Anwalt fungirt und dafür etwas über 40 Mk. bekommen. Wir wissen sonst von einem ständischen Anwalt nichts. Der Capitelssyndicus trat zwar als Anwalt der Capitularen auf, aber die übrigen Ständemitglieder vertrat er zunächst nicht. Erst im Jahre 1635 gaben auch Ritterschaft und Städte dem Capitelssyndicus Dr. Wedemann die Bestallung zu ihrem beständigen Anwalt, "damit er ihnen auf Stiftstagen einräthig und beiständig sei und nicht weniger ihre Angelegenheiten, so oft es die Noth erfordere, schriftlich verfasse und aufsetze". Für dies Amt sollte ihm ein Jahresgehalt von 100 Gulden gezahlt werden. Die Vocation des Syndicus unterschrieben der Stiftsmarschall Friedrich von Vieregge im Namen der Ritterschaft und der Magistrat zu Bützow im Namen der beiden Stiftsstädte.

Daß die Stände ein Siegel führten, ist nicht zu bezweifeln, indessen muß es sehr selten gebraucht sein, da es sich während der 100 Jahre der Administratoren nicht einmal findet. Erst lange nach dem westfälischen Frieden erhielten die Stände auf ihre Bitte ein Siegel bewilligt, das öfters verwerthet wurde. Bei der Beschreibung dieses neuen Siegels wird gesagt, daß es, wie das vorige, mit dem Bildniß des Evangelisten Johannes und mit folgender Inscription geschmückt sein solle:

Sigillum Provincialium Principatus Suerinensis.

C. Kirche und Schule.

Bei Gelegenheit der Wahl des Herzogs Ulrich I. zum Bischof zeigte es sich deutlich genug, daß im Stift um das Jahr 1550 die katholische Religion, wenigstens noch von den Capitularen, als die herrschende angesehen wurde, während anderswo in Meklenburg die Reformation unverkennbar den Sieg davongetragen hatte. Naturgemäß ging aber in geistlichen Stiftern die Reformation nicht so rasch vorwärts, als in weltlichen Herrschaften, und wenn sie auch allenthalben Anhänger gewann, so scheuten sich doch die maßgebenden Persönlichkeiten - und hier sind es vorzugsweise die Domherren - formell mit dem Katholicismus zu brechen. Wir müssen es uns, als nicht zum Zwecke dieser Arbeit gehörig, allerdings versagen, das interessante Capitel über die ersten Anfänge und die allmähliche Ausbreitung des Lutherthums im Stift zu behandeln; doch wollen wir, um den Boden für die folgende Darstellung zu gewinnen, wenigstens mit

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ein paar Worten schildern, wie kurz vor 1550 die geistlichen Angelegenheiten standen.

Unter der Herrschaft des Bischofs Herzogs Magnus wurden in den 40er Jahren die Kirchen des Bisthums zwei Mal inspicirt: 1542 und 1544. Die Visitatoren waren protestantische Männer; an ihrer Spitze stand der bekannte lutherische Superintendent Johannes Riebling. Die Visitations=Protocolle von 1542 berichten schon manches Erfreuliche. Schlimm sah es zwar noch unter den Domherren zu Bützow aus, und es war für sie eine Warnung vor Unzucht und Völlerei und eine Ermahnung zum fleißigen Predigen und Lehren nöthig; aber unter den Predigern der übrigen Stiftskirchen - in Schwerin, wo das Capitel das Patronat hatte, wurde nicht inspicirt - fanden sich viele, die ein gutes Verständniß von dem Worte Gottes hatten und ein eheliches und sittliches Leben führten. Nur die Prediger Joh. Struve zu Baumgarten und Jürgen Salge zu Bernitt, beide auf Klosterpfarren gesessen, werden als unwissend und unsittlich bezeichnet. Struves Frau wohnte bei dem Prediger zu Pinnow, und ihr Mann hatte eine andre Frau zu sich genommen; Salge lebte mit einem berüchtigten Frauenzimmer zusammen, auch stand er in begründetem Verdacht, die Kirche bestohlen zu haben. In der Hoffnung auf Besserung ließ man Struve im Amte, dagegen wurde in Bernitt 1542 anstatt Salges "das kleine Männlein mit Namen Dionysius" (Bruhn), der bald darauf nach Moisall zog, und kurz vor der Visitation von 1544 ein andrer Prediger, Johann Berg, angestellt. Berg bewies sich bei der letztgenannten Visitation "nicht ungeschickt"; aber er war träge und "predigte aus der Luft her ein eitel confusum caos". Struve wird noch 1544 ein "aveu, elendes Schaf seines Amts halben" genannt; doch er las und sang schon besser als zwei Jahre vorher. Selbst Predigten machen konnte er nicht, er las sie aus der Postille ab; ebenso las er auch den Katechismus ab. Mitunter versuchte er auch Etwas selbstständig zu sagen, aber es "hatte keinen Schick". Wie Struve las auch der Prediger Lorenz Rosenow zu Boitin nur ab. In Qualitz hatte 1542 für den vielleicht erkrankten Prediger Johann Renvart der "Mercenarius" Bernd Krohn gepredigt, 1544 war Renvart selbst wieder im Amte thätig. Er wird von den Visitatoren als der untüchtigste und schlechteste Geistliche des Stifts dargestellt; es heißt von ihm: "Wäre er so gelehrt, wie dumm, kühn und dreist, so wäre seiner Gleichen nicht im Stift". Er predigte so, "daß sich

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10 Hunde daran zu Tode gebellt hätten". Selbst verstand er von seiner Predigt nichts. Auf "einer Kindelbier" hatte er sich mit dem Küster geschlagen. Da Renvart sehr hart gescholten wurde, so forderte er seine Entlassung, weil er wohl eine andre Pfarre bekäme. Er erhielt die Entlassung aber nicht, denn man wußte keinen Ersatz zu finden. Ohne Erfolg war die Warnung und Ermahnung Rieblings im Jahre 1542 auch bei dem Bützower Capitel gewesen; die Domherren setzten noch 1544 das "hurerische Leben" fort und waren "unflätige Bälge".

In der ersten Visitation wurde den Geistlichen befohlen, die Gemeinden am Sonntag Nachmittag im Katechismus zu unterrichten. Bei den meisten war das 1544 geschehen; aber die Gemeinden hatten sich durchweg nicht lernbegierig gezeigt. Die Boitiner wußten zwar ziemlich Bescheid im Katechismus, einige Gemeinden sangen sogar schon erträglich; aber an vielen Orten war die Unwissenheit sehr groß, und Riebling mußte wieder tüchtig schelten. In Qualitz wußten nur wenige Kinder das Vaterunser. In Moisall hatte der Pfarrer Dionysius Bruhn 1544 überhaupt noch nicht Abendmahl gehalten; er entschuldigte sich damit, daß keine Communicanten da wären. Dagegen hatte er die Gemeinde einige Psalmen singen gelehrt.

Einige Laien hingen noch am Katholicismus, so mußte z. B. "das Laufen nach Sternberg (zum heiligen Blut) u. a. Abgötterei" verboten werden. Ein frommes, christliches Leben wird nirgends gerühmt; wohl aber wird berichtet, daß man in Bützow den liederlichen Domherren nacheifere, und daß in Moisall kein Unterthan sei, der nicht in Ehebruch lebe. "Der eine hat dort", heißt es, "zwei Frauen, die andre hat zwei Männer, und ist solch Sodom und Gomorra durcheinander, daß nur zu viel und grausam zu hören."

Solche Zustände fand Herzog Ulrich I. vor, als er die Regierung im Stift antrat. Für die Ausbreitung der reinen Lehre wagte er zunächst nichts zu thun, weil er sich in der Capitulation dem Schweriner Domcapitel gegenüber verpflichtet hatte, den Ritus und die Ceremonien der katholischen Kirche zu erhalten. Wenigstens mußte er erst abwarten, bis auch das Capitel dem lauteren Wort Gottes zugänglich wurde. Unterdessen aber versuchte Herzog Johann Albrecht von Meklenburg in Schwerin, und zwar auch in der Domkirche zu reformiren. Wohl gab es hier seit mehr als 10 Jahren evangelische Prediger, wie Joachim Kükenbieter und Thiele Bollhard, und seit einigen Jahren wirkte auch der protestantische

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Ernst Rottmann am Dom; aber dringend nöthig war allerdings eine Besserung noch, denn unter der Führung der trägen und unsittlichen Domherren - es wird berichtet, daß dieselben sich Concubinen hielten - war das Kirchenvermögen zum großen Theil entwendet worden und die Gemeindemitglieder durch das schlechte Beispiel von Grund aus verdorben. Ohne Rücksicht auf den rechtmäßigen Herrn im Stift zu nehmen, begann Johann Albrecht damit, daß er 1553 die Register über die Einkünfte der Domkirche vom Capitel einfordern ließ. Das Capitel gehorchte dem Befehl, erhielt aber dafür von Ulrich einen Verweis. Auch auf das Schloß wurden die Domherren von Johann Albrecht bestellt, damit sie Mangel in den Registern durch ihre mündlichen Aussagen ergänzten. Ulrich durfte und wollte aber diese Eingriffe in seine Rechte nicht leiden und machte deshalb Johann Albrecht brieflich Vorstellungen: er könne die Kirchen des Stifts nicht durch Andre visitiren lassen, da dasselbe, wenn es auch Meklenburg incorporirt sei, doch seine eigne Jurisdiction habe. Als Johann Albrecht trotzdem am 27. Juli 1553 den Befehl zur Visitation der Domkirche gab, baten ihn seine eignen Räthe, er möge es nicht befehlen, weil dadurch der Streit zwischen ihm und Ulrich nur würde vermehrt werden. Aber der Herzog erwiderte: "Wir wissen zwar wohl, daß dies nicht der Weg zur Einigkeit, zwischen uns zu machen, sein wird; wir betrachten aber dieses, daß, dieweil unser Bruder, den Pfaffen verpflichtet, wider dieselben nichts wird thun können, sondern dieselben bei all ihrem gottlosen Wesen wird müssen bleiben lassen, was uns um der Ehre Gottes willen, und daß es ein großer Mißbrauch ist der Kirchengüter, da sich die Pfaffen nicht wollen zu der christlichen Lehre begeben, nicht zu leiden." Er wolle darum die Abgötterei abschaffen um Gottes willen. Ulrich würde demnächst wohl damit zufrieden sein. Wie weit Johann Albrecht seine Absicht verwirklichen konnte, läßt sich nicht nachweisen; so viel steht aber fest, daß er im August 1553 in Besitz eines Verzeichnisses über die Einkünfte der 13 alten Domherrenstellen und der großen Anzahl von Vicareien am Dom war. Sein Secretair Mag. Simon Leupold stellte diese Register, zum größten Theil wohl nach den Aussagen des Domherren Nicolaus Köpke, der damals Thesaurarius war, zusammen. Weiter erfahren wir von dem reformatorischen Vorgehen Johann Albrechts im Stifte nichts; hier wurde übrigens auch in der allernächsten Zeit Alles ganz anders, so daß nicht noch ein Anstoß von außen nöthig war, um dem Lutherthum zum völligen Sieg zu

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verhelfen. Es wird sich nämlich um die Mitte der 50er Jahre die Reformation unter den Capitularen vollzogen haben, und damit fiel die letzte Säule des Katholicismus. Die vielen Vicareien wurden aufgehoben, und anstatt der Vicare wirkten zwei lutherische Prediger am Dom. Bischof Ulrich begann nun selbst damit, durch Kirchenvisitationen die letzten katholischen Reste im Stift auszumerzen, da er nicht mehr zu befürchten brauchte, daß man ihn dabei an die Capitulation erinnerte.

Bevor wir indessen die durch Ulrich bestellten Visitationen näher betrachten, wollen wir uns noch kurz nach den Verhältnissen in der Stiftshauptstadt Bützow umsehen 1 ). Dort fand der Katholicismus ebenso wie in Schwerin eine, wenn auch nur schwache, Stütze an dem Capitel. Wir haben schon gesehen, daß von den gänzlich verkommenen Capitularen zu Bützow eine Besserung nicht zu hoffen war, man mußte also ohne sie fertig werden. Und das geschah. Nachdem die scharfen Ermahnungen in den 40er Jahren vergeblich gewesen waren, versuchte man die lästigen Domherren möglichst bald zu beseitigen; erledigte Stellen wurden nicht wieder besetzt; die freigewordenen Domherrenhöfe wurden zum Besten der Kirche verkauft oder blieben leer stehen. Ein Bericht von 1553 zählt 22 Vicareien an der Bützower Kirche auf, welche zum Theil unbesetzt oder an Laien vergeben waren; aber ein Lehn des Hochaltars hatte der evangelisch gesinnte Prediger Thomas Aderpohl inne, und dessen Sohn Adam befaß als Prädicant die Vicarei des Andreas=Altars. Durch diese Männer wurde das angefangene Werk der Reformation glücklich fortgeführt trotz des Domcapitels und des untüchtigen Predigers Johann Renvart, der, früher zu Qualitz, jetzt das andre Lehn des Hochaltars zu Bützow inne hatte.

Im Jahr 1557 bestellte Herzog Ulrich den Superintendenten Gerhard Oemike zu Güstrow, den Pastor Mag. Benedict Schröder zu Grabow und den Notar des Schweriner Domcapitels Hermann Mundt zur Visitation der Stiftskirchen. Die denselben ertheilte Instruction verlangte 1) Revision des Einkommens von Kirchen und Pfarren, 2) Verbot der Jahrmärkte an Sonn= und Festtagen, 3) Verbot des Wein= und Bierschenkens während des Gottesdienstes und des Spazierengehens in der Kirche, auf dem Kirchhofe und vor dem Thor, 4) Anordnung der Armenpflege, 5) Auslieferung der den Kirchen vorenthaltenen Güter trotz der etwaigen Verjährung, 6) Abschaffung aller Papisterei und


1) Vgl. Jahrb. XVI, S. 126-134.
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andrer Mißbräuche, 7) Erlaubniß für die Rühner Klosterjungfrauen, gewöhnliche bürgerliche Kleidung zu tragen und sich aus dem Kloster weg verheirathen zu dürfen. Das Kloster sollte sogar den Nonnen zur Eingehung von Ehen mit seinen Einkünften behülflich sein.

Es gab im Stift Schwerin 16 Pfarrkirchen; aber zwei von diesen Kirchen, Zittow und Laase, standen nicht zur Competenz des Bischofs, es blieben also für die bestellte Visitation nur noch 14 Stiftspfarrkirchen, von denen wieder zwei, Warnow und Zernin, combinirt waren. Dazu kamen zwei Filialkirchen: die Nicolaikirche zu Schwerin und die Kirche in Rubow und, zwar außerhalb der Stiftsgrenzen gelegen, aber zur geistlichen Jurisdiction des Bischofs gehörig, die Pfarrkirchen zu Granzin, Frauenmark und Neuenkirchen und die Kirche in Wittenförden, welche damals noch ein Filial vom Dom in Schwerin war. Die im Jahr 1557 angeordnete Visitation fand erst 1558 statt und erstreckte sich nach dem Visitationsprotocoll auf 9 Pfarrkirchen, welche alle in Dörfern lagen. Die Schweriner Kirchen wurden sicher aus dem Grunde überschlagen, weil sie unter dem Patronat des Domcapitels standen; dagegen wurden aber zwei andre nicht bischöfliche Kirchen, die Kirchen klösterlichen Patronats zu Baumgarten und zu Bernitt, visitirt.

Die Visitatoren begannen ihre Thätigkeit damit, daß sie die Edelleute, welche den Kirchen viel schuldig geblieben waren, zur Verantwortung nach Bützow forderten; natürlich ohne damit etwas Erhebliches auszurichten. Darauf unternahmen sie die Inspection der 9 Dorfkirchen. Ihr Augenmerk richtete sich zufolge §. 1 ihrer Instruction besonders auf den Besitz und das Einkommen der Kirchen und Pfarren. Leider ist der Visitationsbericht höchst dürftige doch geht so viel daraus hervor, daß alle Kirchen ein kleines Baarvermögen von ungefähr 20 bis 200 Mk. besaßen, welches zinslich belegt war, und daß mit Ausnahme von Zernin, wo die Kirche vor 20 Jahren bestohlen war, überall noch hinlänglich silberne Kirchengeräthe vorhanden waren. In Bernitt fand man z. B. vor: eine silberne, vergoldete Monstranz, beinahe 5 Pfd. schwer, 1 ganz und 1 zum Theil vergoldeten Kelch, 1 kleinen Kelch, mehrere silberne Spangen, dazu 1 Viaticum und 1 Pacifical. Ausgeliehen hatte die Kirche 209 Mk. 10 s. Lüb. - sie war bei weitem die reichste - und außerdem besaß sie 16 fl. l s. baar Geld. Kirchenäcker fanden sich nur noch wenige. Die Pfarren waren zum Theil schlecht aufgebaut; sie waren aber überall mit Acker, Holzung und Wiesen und mit einer Menge

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Naturalien dotirt. Für das Fortkommen neu eintretender Prediger war insofern gesorgt, als zu jeder Pfarre ein eisernes Inventar von dem gewöhnlichsten Hausgeräth und etwas Vieh (Kühe und Schafe) gegeben war. Noch schlechtere Gebäude als die Pfarren befaßen die Küstereien, soweit solche überhaupt vorhanden waren; Acker war ihnen ganz unbedeutend zugelegt und Accidentien und anderes Einkommen hatten sie ebenfalls wenig. Da die Küsterei zu Boitin abgebrannt war, so wohnte der Küster in dem 1 1/2 Meilen von dort entfernten Sternberg.

Nur von dem Pastor Michael Schmidt zu Parum wird berichtet, daß er im Examen "übel bestanden" sei. Weil von den Kenntnissen der übrigen Geistlichen nichts erwähnt wird, so darf man wohl annehmen, daß dieselben einigermaßen befriedigten.

In den 60er Jahren begann nun das Domcapitel Verhandlungen mit dem Administrator um das Patronat über Kirchen und Schulen zu Schwerin. Das Capitel wollte sich von einer unbequemen Verpflichtung befreien; der Administrator wünschte ein einheitliches Kirchen= und Schulregiment im ganzen Stift auf lutherischer Grundlage. Die Anhänger des Katholicismus waren aus dem Capitel verschwunden, und daher war es möglich, daß im Jahr 1568 ein Vertrag zu Stande kam, der den Cultusparagraphen der Capitulation von 1550 vollständig aufhob. Das Capitel erklärte in diesem Vertrag vom 21. Februar, daß, nachdem im Stift ein eigner Superintendent und andre Kirchen= und Schuldiener Augsburgischer Confession aufs Neue bestellt, diese aus des Stifts und Capitels gemeinsamen Gefällen besoldet werden sollten. Zu deren Besoldung seien bestimmt alle Fürsten= und Bischofspräbenden und alle der Domkirche gehörigen Beneficien und Lehen; außerdem trete das Capitel zu demselben Zwecke an den Bischof ab das Dorf Jürgenshagen, das Capitelslehn bei der Sülze zu Lüneburg im Betrage von 50 Gulden jährlich und das Capitelslehn zu Mallentin im Amte Grevesmühlen von 16 Mk. jährlich, so daß künftighin dem Administrator die Disposition über die genannten Güter, Beneficien und Lehen zur Unterhaltung und Besoldung der Kirchen= und Schuldiener gebühre. Der Administrator dagegen versprach, daß er und seine Nachkommen die Kirchen= und Schuldiener aus den zur Oeconomie bestimmten Einkünften ohne weitere Unterstützung vom Capitel erhalten wollten. Der Vertrag wurde von Ulrich auf dem Stiftshause zu Bützow am 21. Februar 1568 vollzogen.

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Herzog Ulrich machte wohl die Erfahrung, daß zur Herstellung geordneter kirchlicher Verhältnisse im Stift eine gelegentliche Visitation durch einen auswärtigen Superintendenten nicht genügen könne, sondern daß zur Ausbesserung der vielen und großen Mängel eine beständige Aufsicht nöthig sei. Darum beschloß er einen eignen Stiftssuperintendenten zu berufen und nahm als solchen Michaelis 1561 1) den Prediger zu Bützow Dr. theol. Conrad Becker an. Der neue Superintendent wurde verpflichtet:

a) zu visitiren, predigen, lehren und die Sacramente zu administriren nach der Augsburgischen Confession, der darauf erfolgten Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln von 1540 und der meklenburgischen Kirchenordnung;

b) alle Jahre oder so oft es nöthig, Synoden im Stift zu halten;

c) sich sonst im Auftrage und auf Kosten des Administrators zu kirchlichen Zwecken brauchen zu lassen.

Er erhielt für seine Dienste freie Wohnung auf dem bischöflichen Domhofe zu Schwerin, und jährlich 200 Joachimsthaler nebst 4 Drpt. Gerste und 4 Drpt. Roggen. Becker wohnte indessen nicht in Schwerin, sondern blieb die kurze Zeit, während welcher er die Superintendentur verwaltete, in Bützow. Im Jahr 1562 war er schon Superintendent in Güstrow.

Nach einer Vacanz von zwei Jahren folgte ihm im Stift 2) der Professor der griechischen Sprache an der Universität Königsberg Dr. theol. Wolfgang Peristerus. Dieser erhielt eine Dienstwohnung auf dem Domhofe zu Schwerin, "wo bisher der gewesene Prediger M. Gilmerus Waldberg gewohnt". 1571 ging Peristerus als Superintendent nach Wismar. Die folgenden Stiftssuperintendenten sind der Reihe nach:

3) Licentiat der Theol. Mento Gogrevius, aus dem Lippeschen gebürtig, vorher Diaconus zu St. Jacob in Rostock, 1573-76. Nach 1576 war Gogreve Prediger im Oestreichischen und endlich Superintendent in Torgau.

4) Mag. Franz Stüler, 1576, zugleich Superintendent in der Grafschaft Schwerin. Ihm wurde im Herbst 1583 auf nächste Ostern "wegen einer Leibesbeschwerung und Schwachheit" das Amt gekündigt.

5) Mag. Johannes Neovinus, geboren zu Wilster in Holstein, vorher Rector zu Rostock und darauf Prediger zu Bützow, Michaelis 1585-1603. Er verwaltete wie sein Vorgänger auch die Superintendentur in der Grafschaft Schwerin. Als aber der dänische Prinz Ulrich II. Administrator

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wurde, mußte Neovinus den Dienst in der Grafschaft quittiren, ging aber gleich darauf als Superintendent nach Parchim.

6) Mag. Joachim Reich, 1604-1609. Er wurde schon 1562 Pastor zu Parum und 1568 Pastor zu Bützow. Er starb 1609, nach Aussage des spätern Superintendenten Walther, 72 Jahre alt.

7) Mag. Johannes Neocorus, bisher 18 Jahre Prediger in Bützow, 1609-1622. Neocorus (Köster) behielt seinen Wohnsitz zu Bützow, wo er zugleich ein Pfarramt mit verwaltete. Er wird von dem Superintendenten Walther "ein roher, wilder Mann" genannt.

8) Nach Kösters Tode verwaltete die Superintendentur im Stift ein Jahr lang der Superintendent Mag. Nicolaus Siegfried zu Wismar, bis

9) im Jahre 1624 der aus der Grafschaft Rietberg in Westfalen gebürtige, frühere meklenburgische Hofprediger Friedrich Wetter, damals in Stralsund, berufen wurde. Wetter wohnte, bis Adolf Friedrich die Stiftsregierung erhielt, in Bützow, dann aber bis zu seinem Tode 1639 in Schwerin.

10) Mag. Joachim Walther aus Perleberg, vorher Pastor zu Pritzwalk, 1640-1646. Er war zugleich Hofprediger zu Schwerin.

11) Heinrich Bilderbeck, seit 1624 schon Domprediger, 1647-1671. Er übernahm zu seinen beiden Aemtern noch die Predigten in der Nicolai=Kirche, wofür er jährlich 40 Mk. erhielt.

Seit es Superintendenten im Stifte gab, wurde auch eifrig die Errichtung eines Consistoriums betrieben. Besonders wünschten die Stiftsstände ein eignes geistliches Gericht, da sie die Selbständigkeit des Bisthums gewahrt wissen und die Abhängigkeit vom Herzogthum Meklenburg nicht anerkennen wollten. Zu Anfang der 60er Jahre fanden gewiß schon deshalb Verhandlungen statt, die aber erst 1567 zu einem glücklichen Abschluß gebracht wurden. Unterm 30. September dieses Jahres wurde eine bischöfliche Bekanntmachung an die Geistlichen erlassen, in welcher sie beauftragt wurden, den Gemeinden mitzutheilen, daß der Administrator Ulrich "Gott dem Allmächtigen zu Ehren ein geistlich Gericht und Consistorium im Stift zur Erhaltung wahrer christlicher Lehre und Gottesdienstes, zur Beschützung und Beschirmung der Kirchen= und Schuldiener, auch desjenigen, was an Einkommen dazu gehörig, und dann zur Verrichtung Ehe= und anderer mehr geistlichen Sachen, die vors weltliche Gericht nicht gehören,

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angerichtet und verordnet habe". Dies Gericht sollte am nächsten Montag nach Martini auf dem bischöflichen Domhofe zu Schwerin zuerst zusammentreten. Die Bewohner des Stifts, "welche vor dem Consistorium zu thun haben", sollen sich an den verordneten Notar dieses Gerichts, den Domherrn Georg Hübner, wenden.

Die Consistorial=Ordnung ist datirt: Stargard, Freitag nach Michaelis (3. Oct.) 1567. Sie handelt:

I. Von den Personen.

1) Der Superintendent führt die Aufsicht über Kirchen und Schulen, damit nach der Augsburgischen Confession und der Kirchenordnung des Landes gemäß gelehrt wird, er soll mit Andern, die ihm beigeordnet werden, Visitationen vornehmen und das geistliche Gericht leiten.

2) Die Beigeordneten sind a. zwei Domherren zu Schwerin, als der Propst Lorenz von Schack und der Canonicus Ludolf von Schack; b. der Stiftshauptmann Georg Wackerbarth; c. der Lehnsmann Joachim von Wopersnow und d. der Canonicus Georg Hübner und ein Caplan zu Schwerin.

3) Der Notar, zuerst als solcher Georg Hübner deputirt, wird vereidigt.

II. Von den Sachen.

Zur Competenz des Consistoriums gehören:

1) Alle Glaubens= und Gewissenssachen.

2) Die Erhaltung der Kirchen= und Schulgebäude und der Kirchhöfe.

3) Die rechtlichen Entscheidungen über Lehre und Lebenswandel der Kirchen= und Schuldiener.

4) Das Einkommen von Kirchen und Schulen.

5) Das Einkommen von Armenhäusern und Hospitälern.

6) Beneficiensachen.

7) Ehesachen.

8) Geistliche Zehnten.

9) Störung des Gottesdienstes, Unfug an geistlichen Gebäuden.

Ist auf Lebens= und Leibesstrafe oder auf Landesverweisung zu erkennen, so spricht ein weltliches Gericht das Urtheil.

Das Consistorium kann indessen unter Umständen auch Gefängnißstrafe verhängen, muß diese dann aber von dem weltlichen Arm vollziehen lassen.

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III. Von dem Gerichtsverfahren.

Es soll, soweit irgend möglich, ein mündliches Verfahren statthaben; auf alle Fälle soll aber rasche Justiz geübt werden. Das Urtheil wird gemäß dem Worte Gottes, den canonibus und der Kirchenordnung im Namen des Administrators zur Verhütung von Appellationen gesprochen. Das Consistorialsiegel führt die Stifts=Insignien mit dem Namen des Administrators. Gerichtstage werden jährlich vier Mal gehalten.

Der erste Gerichtstag fand am 18. November 1567 statt. Es sind Protocolle von noch andern Sitzungen vorhanden, doch lagen sicher nicht alle Vierteljahr Sachen zur Entscheidung vor.

Somit war die Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten durch Herzog Ulrich auf das Vollständigste geordnet. Es lag nun an den Persönlichkeiten, die mit der Leitung betraut waren, daß diese Anordnungen dem Lande Segen bringen konnten.

Ueber die Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse in der Folge reden natürlich vor allem die Kirchen=Visitations=Protocolle. Vollständig ist allerdings auch dies Quellenmaterial nicht aufbewahrt, doch läßt das Vorhandene uns die kirchlichen Zustände immer noch deutlich genug erkennen.

Im Jahre 1569 schon wurde eine Visitation befohlen, und zu dieser der Stiftshauptmann als Vorstand mit Joachim von Wopersnow zu Schlagsdorf, dem Superintendenten Peristerus, Otto von Wackerbarth und Georg Hübner deputirt. Es sollte über Lehre, Fleiß und Wandel der Prediger und Lehrer, über das Kircheninventar und den Zustand der Wedemen und Küstereien berichtet werden. Die Resultate konnten also sehr interessant werden; leider sind aber keine Protocolle da. Dagegen finden sich Visitationsberichte aus dem Jahre 1577, die anläßlich einer erneuerten Visitation 1592, soweit es nöthig war, verändert wurden. Diese Berichte sind äußerst lehrreich, da die Visitatoren nach allen Richtungen hin Umschau hielten. An den Kirchen war in den letzten Jahren Manches gebessert, hauptsächlich hatte man darauf Bedacht genommen, das alte unbrauchbare Gestühl zu erneuern. Weniger hatten die Gemeinden sich um die Kirchhöfe gekümmert, da die meisten durch keine ordentliche Mauer eingeschlossen waren. Die Kapellen verfielen mit der Zeit. Die Pfarren auf den Dörfern waren wenigstens

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einigermaßen erträglich aufgebaut, die besten enthielten ein Wohnhaus mit höchstens zwei Stuben, mehreren Kammern, Keller und Bodenraum, eine Scheune, einen Backofen und einen "Soed" (Brunnen). Das Pfarrgehöft war durch einen Hakelzaun, den die Gemeinde erhielt, eingefriedigt. Von der Bernitter Pfarre, die übrigens schlecht aussah, wird erzählt, daß sie 10 Glasscheiben, 8 in der Stube und 2 in der Bettkammer, besaß. Das eiserne Pfarrinventar war im Ganzen so erhalten worden, wie es sich 1558 gefunden hatte, jedenfalls war es nicht verringert. Die Küstereien boten noch immer einen traurigen Anblick dar, doch waren sie bis auf wenige Ausnahmen besetzt. Die Küster gehörten alle dem Handwerkerstande an, nur wenige waren Auswärtige. Unterricht gaben sie sicher nicht, sonst wäre es bemerkt worden, da es von dem Küster Born zu Neuenkirchen heißt, daß er den Katechismus der Gemeinde vor dem Altar vorlas. Die Prediger sollten ordnungsmäßig am Sonntag Nachmittags den Katechismus mit der Gemeinde einüben; es war aber trotz wiederholter Erinnerungen von einigen doch noch unterblieben. Nützen mochte der Unterricht der Geistlichen freilich nicht allzu viel, da leider eine große Zahl als Ausländer sich dem Landvolk nicht gut verständlich machen konnten. Die Kenntnisse und das sittliche Verhalten der Prediger gaben zu Tadel nicht grade Veranlassung, nur war man in zwei Fällen mit der Berufung etwas leichtsinnig zu Werk gegangen. In Boitin fungirte nämlich 1593 ein Prediger Namens Nicolaus Arndt, der eine ungenügende Vorbildung hatte, da er nicht studirte, sondern nur eine kurze Zeit zu Rostock "famulirte", dann 1 1/2 Jahre in der fürstlichen Kanzlei diente, darauf den Küsterdienst in Boitin erhielt und endlich von dem Stiftshauptmann zum Pfarrer vocirt und vom Superintendenten Peristerus ordinirt wurde. Der Prediger Johann Klodt zu Warnow hatte gar keine Universität besucht; er hatte seine ganze Ausbildung Anfangs in der Schule zu Wismar, wo er geboren war, und darauf in der Stadtschule zu Sternberg erhalten. Das Leben der Gemeinden wird im Allgemeinen nicht getadelt, nur in Moisall stand es um den kirchlichen Sinn noch schlecht, da mehrere Menschen dort gar nicht zur Kirche gingen. Auch eine Zauberin hatte man dort entdeckt und sie gefänglich in Bützow eingezogen. In Parum ließ man die Kinder zu lange, bis zu 14 Tagen, ungetauft, in Baumgarten wurde während der Predigt im Kruge Bier geschenkt, und die Wariner Gemeinde kannte den Katechismus nicht.

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Die im Jahre 1608 vorgenommene Visitation berichtet hauptsächlich über die Persönlichkeiten der Pfarrer und deren Einkommen; Bemerkenswerthes bietet sie grade nicht. Nicht viel anders ist es mit der Visitation von 1618. Indessen wird über einzelne besondere Ereignisse berichtet, von denen hier wenigstens zwei wiedererzählt werden mögen.

Auf der Pfarre zu Tarnow saß 1610 ein. sehr alter Mann, mit dem die Gemeinde wegen seiner körperlichen Schwäche nicht mehr zufrieden war und deshalb um einen andern Seelsorger bat. Der Superintendent schickte nun den Prediger aus Wittenförden Georg Lehmann dort hin, um ihn eine Probepredigt halten zu lassen. Als der alte Prediger Lindenberg dies erfuhr, eilte er rasch in die Kirche, stieg auf die Kanzel und las die Historie von der Zerstörung Jerusalems vor, bis der Superintendent ihm dies durch den Küster verbieten ließ. Lindenberg trat denn auch ab, und Lehmann hielt seine Predigt und wurde Pfarrer.

In demselben Dorf Tarnow hatte die Tochter des Claus Wesche, Katharina, nach ihrer Angabe aus Versehen "schlimmes Lein" auf des Schulzen Acker gesäet. Pastor Jürgen (Lehmann) that sie deshalb in den Bann ungefähr mit diesen Worten: Sie solle dem Teufel befohlen sein, der sie plagen solle in Rusch und Busch, auf Stegen und Wegen, in Kammern und "Kemmladen" und alle Wege, wo sie gehe und stehe, in Heid' und Weid', und sie solle eher verdorren, als die Borke (Rinde) auf dem Baume. Die Gemeinde mußte zu diesem Fluch 3 Mal "Amen" sagen. Claus Wesche erzählt, er wäre an dem Sonntag nicht in die Kirche gegangen, und seine Tochter sei so angst und bange gewesen, "daß sie ihm etliche Male unter den Händen beschwiemet". Der Bann währte 14 Tage; nach Verlauf derselben mußte die Sünderin sich mit 1 Gulden lösen. Der Prediger behauptete, er habe nur eine Strafpredigt gehalten und keinen Bann verhängt, viel weniger noch Geld für die Lösung vom Banne erhalten. Aber Katharina Wesche sagte, daß sie dem Pastor den Gulden selbst in die Hand gegeben. Zuerst habe derselbe 3 Reichsthaler gefordert, er wolle dafür dann an drei Sonntagen die Lösung sprechen. Der Küster Leppin bezeugte gleichfalls, daß der Bann und die Lösung wirklich geschehen seien. Dadurch war Lehmann überführt und wurde nun zur Strafe in das Gefängniß zu Warin gesetzt. Vor seiner Entlassung aus der Haft mußte er am 29. Juli 1618 schriftlich Urfehde schwören und außerdem den Superintendenten und seine Amtsbrüder um Verzeihung bitten. Zu dem Zwecke

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wurden alle Stiftsprediger, außer den Schwerinern, zum 29. Juli nach Warin geladen, wo sie durch Namensunterschrift bezeugten, daß Lehmann ihnen Abbitte gethan. Als dies geschehen war, ging Lehmann wieder nach Tarnow und an sein Amt.

Zur Zeit des Herzogs Ulrich II. war noch einmal, in den Jahren 1620 und 1621, eine Generalvisitation, deren Berichte fast dasselbe Bild von den kirchlichen Zuständen wiedergeben, wie wir es aus den 60er Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts schon kennen. Noch immer hatten die Ermahnungen an die Prediger, daß sie an Sonntagen des Nachmittags mit der Gemeinde den Katechismus durchnehmen sollten, an mehreren Orten nichts verschlagen. Freilich stellten sich zu diesen Lectionen die Gemeindemitglieder nur selten und ungern. In Tarnow las der Küster Sonntags den Katechismus vor. Wiederum wurde nun befohlen, daß die Prediger die Katechismus=Predigten fleißig halten und sie nie aussetzen sollten, wenn wenigstens drei Zuhörer da seien. Küster sind überall angestellt, sogar in der kleinen Gemeinde zu Gallentin, wo bisher noch nie einer gewesen war. Der Wariner Küster "instituirte die Knaben im Städtlein"; bei den übrigen wird vom Schulhalten nichts erwähnt, sie unterrichteten also nicht. Auch die Kirchhöfe hatten in den letzten Jahren größtentheils Steinmauern erhalten, nur der Schelfkirchhof in Schwerin war "gar zerfallen und voller Schweine befunden". Die Ursache der Vernachlässigung grade dieses Kirchhofes lag darin, daß das Capitel zu Schwerin wegen Besitzes des Schelfbauhofes die Verpflichtung hatte, für denselben zu sorgen, und das Capitel nicht gern für Etwas sorgte.

1625 ließ Ulrich III. durch den Superintendenten Wetter und die beiden Domprediger Senft und Bilderbeck die Kirchen und Schulen im Stift visitiren. Man traf im Ganzen bessere Verhältnisse als vor fünf Jahren; aber die ewige Klage über den Ausfall der Katechismus=Predigten wurde doch wieder hier und da laut. Eine Folge dieser Vernachlässigung war, daß die Gemeinden im Examen schlecht bestanden, wenn auch die Prediger genügende Kenntnisse hatten. Die Gallentiner hatten von ihrem aus Eisleben gebürtigen Pastor sehr wenig gelernt, wohl weil sie den Ausländer nicht verstanden, und die Wariner wußten nichts, weil sie die Katechismus=Predigten schlecht besuchten. Der Superintendent ermahnte sie eindringlich, sich zu bessern, denn das sei gar gewiß, wer seinen Katechismus nicht recht

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wisse, daß der auch nicht selig werden könne. Erfreulich ist die Beobachtung, daß in mehreren Kirchdörfern für die Jugend Küsterschulen eingerichtet waren.

Es war somit Aussicht vorhanden, daß bei fortgesetzter Sorge von Seiten des Kirchenregiments endlich auch die Gemeinden aus der fast völligen Unwissenheit in religiösen Dingen erlöst werden und selbst den Segen erkennen konnten, der ihnen seit Jahrzehnten in Wort und Sacrament dargeboten wurde. Da brach der dreißig jährige Krieg in unsre Gegenden herein und störte wie überall auch hier die guten Anfänge von Grund aus.

Lange erfahren wir dann über unsre kirchlichen Zustände nichts, bis die Visitatsons=Protocolle von 1642 wieder Bericht erstatten. Auf Befehl des Herzogs Adolf Friedrich inspicirten der Superintendent Walter aus Schwerin und der Stiftshauptmann Rabensteiner, sowie der Küchenmeister Nortmann aus Bützow in dem genannten Jahre Kirchen und Schulen im Stift. Aus ihrem Bericht geht leider deutlich genug hervor, welches Elend der traurige Krieg gebracht hatte. Noth und Jammer herrschten überall und hatten größtentheils die Gemüther völlig verwildert oder gänzlich abgestumpft. Doch finden sich auch wieder Beispiele, wo man Trost in Gott und seinem Worte suchte und fand.

In Parum war der letzte Prediger, Samuel Schregel, aus Güstrow gebürtig, welcher der Gemeinde in den schrecklichsten Jahren 1636 bis 1638 vorgestanden hatte, seit vier Jahren todt, und kein neuer Pfarrer war wiedergekommen. Freilich hatte man auch nicht einmal eine Wohnung für einen Geistlichen, da das Pfarrgehöft im Kriege gänzlich zerstört wurde. Die Küsterei war umgefallen, ein Küster war also sicher auch nicht da. Die ganze Gemeinde zählte, Jung und Alt, nur 110 Mitglieder (1880: 680); ein großer Theil derselben war früher nach Holstein geflüchtet. Die wenigen Zurückgebliebenen hatten aber in der Noth ihren Gott nicht vergessen. Wenn sie auch keine Predigt in ihrer Kirche hören konnten, so beteten sie doch vor und nach der Mahlzeit in ihren Häusern.

Die Tarnower Gemeinde zählte 205 Seelen (1880: 1136); sie hatte zwar einen Prediger, der auf der verfallenen Pfarre wohnte; aber in ihrem Stumpfsinn besuchte sie die Kirche selten. In dem "dachlosen" Küsterhause wohnte der Küster Sengebusch seit 11 Jahren. Er hatte leichten Dienst, denn seine ganze Beschäftigung bestand anscheinend in dem Schlagen der Betglocke, und dies hatte er während der

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Invasion fremder Kriegsvölker auch nicht einmal gethan. Schule hielt er nicht, denn es waren in der Gemeinde keine schulfähige Kinder.

Die kleine Boitiner Gemeinde von nur 62 Seelen (1880: 529) besaß keinen Pfarrer mehr; sie erhielt aber geistlichen Zuspruch von dem Pastor Heinrich Turgelow zu Warnow. Der Küster hielt wahrscheinlich keine Schule, da in Bezug auf dieselbe nur bemerkt wird, es wären nicht viele Kinder im Dorf. Die Kapelle in Lübzin, welche zum Umfallen schlecht war, hatte man in 30 und mehr Jahren nicht mehr benutzt.

Die beiden Gemeinden Warnow und Zernin waren seit alter Zeit combinirt. 1642 hatte Warnow den Pastor und Zernin den Küster. Letzterer stieß weder die Betglocke, noch unterrichtete er die Kinder.

In Rühn wurden 132 Gemeindemitglieder gezählt (1880: 582), "etliche sind noch weg" (geflüchtet), heißt es dann weiter. Das Predigtamt verwaltete dort der aus Sternberg gebürtige Pastor Michael Eigner, der nach einem Studium in Rostock und Leiden 1632 zum Pastor in Baumgarten vocirt worden, von da aber im Kriege nach Rühn geflohen war und hier sich aufgehalten hatte, bis er 1640 nach dem Tode des vorigen Pastors in das Rühner Pfarramt berufen wurde. Der Organist Borsdorf, aus Rostock gebürtig, hielt Schule; der Küster (Peters) schlug nicht einmal die Betglocke. Den Klosterfrauen gaben die Visitatoren ein gutes Zeugniß.

Die Baumgartener Gemeinde hatte also keinen Prediger; aber ein Küster war da, und dieser unterrichtete zehn Kinder. Auch hier hatte während der Kriegszeit die Betglocke geschwiegen.

Geordneter als anderswo fanden sich die kirchlichen Verhältnisse in Bernitt. An der dortigen St. Petri=Kirche hatte stets ein Prediger gewirkt. Auf den alten Pastor Grammann war 1616 dessen Sohn Paul gefolgt, und dieser also bereits 26 Jahre im Amt. Er nennt sich selbst den ältesten Prediger im Stift. Wie der Pastor war auch der Küster Johann Teterow des Vorgängers Sohn. Die Kirche besaß noch 3 Glocken, eine vierte hatten die Soldaten weggenommen.

In Moisall wirkte seit 7 Jahren der Pastor Johann Senst, ein Sohn des Dompredigers Senst zu Schwerin. Er zeigte sich lässig im Amte, denn er hielt keine Katechismus=Predigten, und war ein Miethling, denn in der größten

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Noth des Krieges hatte er seine Gemeinde treulos verlassen. Die Pfarrgebäude hatte man ziemlich erhalten, dagegen die Küsterei verfallen lassen.

Der Pastor Samuel Teichmann zu Qualitz, 1641 vocirt, aus dem Meissenschen gebürtig, war ein fleißiger Mann und paßte auf seinen Dienst. Aber obgleich er den ganzen Sommer hindurch den Katechismus erklärt hatte, bestand doch die Gemeinde, die nur 96 Mitglieder zählte (1882: 732), im Examen schlecht. Die Kirche hatte zwei Altäre; im Thurm hingen noch zwei Glocken; früher hatte man vier, aber eine nahmen die Soldaten und eine andre ließ Ulrich von Pentz nach seinem Gute Boddin bringen. Die ziemlich erhaltene Küsterei stand leer.

Die Pfarre in Gallentin ging in den 30er Jahren schon ein (s. Beschreibung, Bd. XLVII, S. 192), hier konnte also eine Inspection nicht mehr stattfinden.

Sehr übel sah es in der Wariner Gemeinde aus, wo Johann Robertus, ein Sohn des Pastors zu Jesendorf, seit fünf Jahren Prediger war. Die Seelenzahl war bis auf 190 in Stadt und Dörfern zusammengeschmolzen (1880: 2476); nur drei Schulkinder wurden von dem Küster Beyer (aus dem Dorfe Meklenburg) unterrichtet. Die Kirche hatte einen Thurm mit vier Glocken und einen gangbaren "Seiger" (Uhr). Wo anderswo überhaupt Kirchenuhren vorhanden waren, standen sie als unbrauchbar still.

Die Bützower Kirche wurde selbst während des Krieges gut erhalten; sie besaß 1642 einen großen und einen kleinen Thurm und auch eine Orgel. Im kleinen Thurm hingen 2 Glocken: "eine Stunden= und eine Klingglocke", im großen Thurm dagegen 4. "Der Seiger war sehr unfertig." Wie immer seit der Reformation fungirten hier 2 Prediger: Johann Stavenow aus Rostock und Diaconus Mag. Christian Hessäus aus Schwerin, die ihres Amtes mit Fleiß walteten. Unter ihnen wirkten ein Organist und ein Küster. Ueber die Schule wird weiter unten gesprochen werden.

In Schwerin fand 1642 keine Visitation statt, seit 1628 zuerst wieder 1651. Im Allgemeinen lassen sich übrigens die kirchlichen Verhältnisse doch aus anderen Acten erkennen. Wir geben hier nur einen kurzen Ueberblick. Am Dom fungirten 2 Prediger, die Schelfkirche stand aber seit der Reformation eine Reihe von Jahren wüst. 1586 bestellte das Domcapitel den Conrector der Schule Joachim Mankmuß zum Schelfprediger, der nach der Einführung durch den

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Superintendenten Neovinus des Sonntags von 12-1 Uhr über das Evangelium predigte und dafür außer einer Dienstwohnung auf dem Bauhofe jährlich 40 Mk. erhielt. Nach Mankmuß' Tode hielt bisweilen der Pastor zu Wittenförden hier eine Predigt, bis man dem Superintendenten Neovinus die Schelfpfarre zu seinem Amte verlieh. Neovinus wohnte aber in Bützow; er mußte sich also in Schwerin vertreten lassen, und dies geschah durch den Domprediger Senst. Nach Neovinus wurden nacheinander die Superintendenten Wetter, Walther und Bilderbeck Schelfprediger und bezogen für den Pfarrdienst 40 Mk. jährlich. Einen Küster hatte die Schelfkirche nicht; aber am Dom wirkten ein Küster und ein Organist.

Der Zustand der Kapellen war 1642 überall so, daß sie zum Gottesdienst nicht mehr taugten. Hier fehlte das Dach, dort Wände und Thüren; Gestühl fand sich nirgends hinlänglich. In die Penziner Kapelle hatte man zuletzt dicke Hölzer gelegt, um Sitzplätze zu schaffen. Es war dies die Zeit, wo eine große Anzahl von Kapellen, die seit der Reformation vernachlässigt wurden, ganz und gar verfiel.

Zum Schluß mag ein kurzer Bericht über die Stiftsschulen folgen. Schon bevor Herzog Ulrich I. im Jahr 1568 die Kirchen=Oeconomie in Schwerin übernahm, sorgte er für Berufung von tüchtigen Lehrern Augsburgischer Confession. Die Domschule zu Schwerin wurde auf diese Art im Jahr 1565 reorganistrt. Seitdem hörte der alte Schlendrian, wie er unter der Herrschaft des Domcapitels bestand, natürlich auf. Es arbeiteten nun mehrere studirte Lehrer (Theologen), zunächst drei an der Schule; wir wissen aber über die innere Einrichtung der Schule noch in vielen Jahren nichts. Erst durch die Visitationen aus dem 17. Jahrhundert lernen wir auch die Schulangelegenheiten besser kennen.

Die erste Schulinspection zu Schwerin in evangelischer Zeit, von welcher Nachrichten überliefert sind, fand in Veranlassung der 1620 befohlenen allgemeinen Kirchen= und Schulvisitation im Stift statt. Neben den Visitatoren wohnten dieser Prüfung (am 20. Februar 1621) auch der Domdekan Nicolaus von der Lühe, der Canonicus Joachim Wopersnow und der Capitelssyndicus Wilh. Finx bei. Die Schule bestand damals aus drei Klassen, an welchen ein Rector, ein Conrector, ein Cantor, ein Subconrector und ein Schreibmeister unterrichteten. Die Schulstellen waren zum Theil gut dotirt: alle Lehrer hatten freie Dienstwohnungen und einige Naturalien, und außerdem der Rector jährlich 160 Gulden (ein Domprediger bekam nur 100), der Conrector 80 G. und Leichengelder, der Cantor

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70 G., der Subconrector 40 G. Das Examen begann in der 1. Klasse nach einer lateinischen Rede des Rectors, auf welche der Superintendent Neocorus ebenfalls lateinisch antwortete. Dann recitirte der Primus Primanorum den Hymnus: "Veni Sancte Spiritus" und das Symbolum Athanasii; andere Schüler lateinische Psalmen, die sie theilweise ins Deutsche übersetzten. Darauf wurden einzelne Stellen aus Virails Bucolica aufgesagt, und schließlich durch den Superintendenten ein lateinisches Exercitium dictirt.

Die 2. Classe wurde im "Donat und in der Grammatik" und die 3. nur im "Lesen und Beten" geprüft.

Die Examinatoren waren durch diese Prüfung zu der Ueberzeugung gekommen, daß "den Schülern viel Dinges gelesen und proponirt, welches sie zum Theil Alters halben noch nicht vernehmen, noch verstehen können." Das Resultat war ein befriedigendes nicht, es sollten daher auch die Prämien, die aus einer Stiftung des Domcapitels von 1590 jährlich in der Höhe von 100 Mk. zur Vertheilung standen, nur zur Hälfte, also 50 Mk. vergeben werden 1 ). Dem Rector Justus Molitor, welcher seit 1606 in Schwerin wirkte, "wurde seine Nachlässigkeit mit Ernst aufgerückt." Er solle abgesetzt werden, wenn in einer Prüfung nach einem halben Jahr die Schüler nicht besser beständen. Molitor lobte nun Besserung an, meinte aber, daß er nicht allein die Schuld trage, da die Kinder nicht regelmäßig in die Schule geschickt würden. Des Rectors eignes Wissen genügte vollständig; die Visitatoren nannten ihn einen gelehrten Mann, guten Logicus, Theologus und Philosophus. Die Schulzucht zeigte mehrere Schwächen, am schlimmsten war es, daß die Schüler das auf Currenden eingesammelte Geld zu "versaufen" pflegten. Schulgeld wurde nicht gezahlt, wohl aber etwas Holzgeld für die Heizung, und von fremden Schülern 1/2 Thlr., von einheimischen 4 s. Aufnahmegebühren, welche der Rector erhielt.

Die Bürger Schwerins beklagten sich bei den Visitatoren, daß die großen Schüler jetzt fehlten, welche ihre Kinder zu Hause unterweisen könnten. Ihnen wurde zur Antwort gegeben, daß große Schüler Vaganten wären, die sich nicht gut halten ließen und auch nicht recht taugten, denn "solche Gesellen treten die Kirchen= und Schuldisciplin unter die Füße".


1) Nicht uninteressant ist die Art der Vertheilung der Prämien. Dem Schreibmeister gab man 7 1/2 Mk. zu seiner Besoldung, 38 Mk. 12 s. bekamen die Schüler baar, für 3 Mk. 14 s. kaufte man ihnen Kuchen, für 12 s. 6 Buch Papier und für 2 s. Riechpulver. Man überschritt also die ausgesetzte Summe, wenn nicht ein Schreibfehler vorliegt, um 1 Mk.
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Nach dem Visitations=Protocoll von 1625 sollte die Schule 5 Klassen enthalten und dem Unterricht in diesen 5 Lehrer vorstehen. Es war in dem genannten Jahr aber grade die Subconrectorstelle unbesetzt und darum die Schüler auf nur 4 Klassen vertheilt. Unterrichtsgegenstände waren vorzugsweise Religion, Philosophie, Latein und Griechisch in den obern Klassen, Latein, Lesen und Katechismus in den untern. Die Leistungen waren in allen Klassen schlecht, selbst in der ersten (obersten) Klasse konnten viele Schüler weder decliniren noch conjugiren. Daher wurde den Lehrern wieder gedroht, sie sollten ihres Amtes entsetzt werden, wenn sie nach einem halben Jahr nicht bessere Resultate aufzuweiten hätten. Aus Legaten erhielten die bessern Schüler jährlich Prämien, die kleineren bekamen dies Mal Papier und Honigkuchen.

Im Herbst desselben Jahres wurde die Schulinspection also wiederholt; Inspectoren waren neben dem "ehrwürdigen Ministerium" (den Mitgliedern des Consistoriums) der Rath Reinhold v. Gehren und der Stiftshauptmann Heinrich v. Hagen, beide aus Bützow, sowie der Capitels=Structuarius Joachim Ferber und später auch der Capitels=Syndicus Wilhelm Finx. Zu beachten ist, daß von den Domherren selbst keiner erschien. Man begann mit einem Gottesdienst im Dom und ging darauf in die unmittelbar am Dom gelegenen Klassen. Hier "musicirte" zuerst der Cantor das Vaterunser lateinisch, darauf hielt der Superintendent Wetter ex cathedra eine Rede de necessitate disciplinae et institutionis cujuslibet hominis, und dann machte der Rector Justus Molitor den Anfang ab excercitio pietatis. Er fragte nun die erste Klasse aus dem theologischen Compendium Haberefferi (?), ließ einige Ciceronianische Episteln übersetzen, hielt ein Examen ex logica Bartholini und gab endlich einige orationes als Exercitium auf. Nachmittags dictirte noch der Superintendent den Primanern ein lateinisches Exercitium.

In der 2. Klasse wurde der Katechismus lateinisch aufgesagt und die Grammatik vorgenommen, woran sich die Uebersetzung lateinischer colloquia und ein kleines lateinisches Exercitium schloß.

Die 3. Klasse sagte den Katechismus deutsch her und zeigte ihre grammaticalischen Kenntnisse durch Decliniren und Conjugiren.

In der 4. Klasse war die Prüfung der der 3. ähnlich, doch forderte man nur die Anfänge der Grammatik. Nachdem so alle Klassen examinirt waren, mußte zum Schluß wieder

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die 1. antreten, um noch zu zeigen, was sie im Griechischen leistete. Dabei war es spät Abend geworden, es war am 26. October, und man machte deshalb ein Ende.

Das Examen war viel besser ausgefallen als vor einem halben Jahr, man konnte darum mit mehr Recht die Prämien in der Höhe von 2 Mk., 1 fl., 1 Mk., 10, 8, 6, 5, 4, 3 s. und als kleinste Geldgabe 6 Pfg. an die Schüler vertheilen. "Den Abecetoriis aber und denen, so anfangen zu schreiben, ist, weil man keine Pfefferkuchen bekommen können, durch den Cantor etwas Papier ausgetheilt."

Damit waren die Schüler entlassen. Den Lehrern wurde noch empfohlen, die rhetoricam fleißig mit den Knaben zu lesen und zu exerciren, und dann alle ermahnt, pünktlich zu sein und dem Rector im Dienst zu gehorchen. Letztere Bemerkung galt besonders dem Cantor, der oft Tage, ja Wochen lang ohne Wissen des Rectors aus der Schule blieb.

Der Sitte der Zeit gemäß sangen auch die Schweriner Schüler vor den Thüren, um sich kleine Gaben zu erbitten. Das Visitations=Protocoll von 1625 sagt: "Die großen Schüler singen des Sonntags um; was sie einsammeln kommt in die kleine Büchse und aus dieser in die große. Zu beiden Büchsen haben der Superintendent und der Cantor die Schlüssel. Alle Semester wird das Geld unter die Schüler vertheilt." Ein Visitations=Bericht von 1651 erzählt, daß der chorus musicus damals noch ebenso, wie vor 26 Jahren, alle Sonntage "sammelte". Der Ertrag war jedesmal etwa 5 oder 6 Gulden, die in einer Büchse beim Rector verwahrt und vierteljährlich "pro portione geometrica" vertheilt wurden.

Ueber die Bützower Schulverhältnisse liegen ausführlichere Nachrichten schon aus früherer Zeit vor, als über die Schweriner. 1582 beschloß man ein neues Schulhaus zu bauen, und 1585 war der Bau vollendet. In der neuen Schule unterrichteten schon in den 80er Jahren 3 studirte Lehrer. 1593 fand eine Schulinspection in Bützow statt. Es gab dort damals eine lateinische und eine deutsche Schule (Klasse); in jener saßen die Schüler auf 2 Bänken, in dieser (standen sie?) "hinter einem Schreibbrett" (Tisch). Zur Aufbewahrung von Stöcken und Ruthen zur Aufrechterhaltung der Disciplin hatte man ein eignes Pult machen lassen, das in der Schule stand. Den Unterricht gaben 3 Lehrer: der Rector, der Conrector und der Cantor, die neben ihrem festen Gehalt von 70, 40 und 33 Gulden jährlich und Dienstwohnung von jedem Schüler 9 s. Schulgeld und 3 s. Holzgeld erhielten. Das Holzgeld war übrigens

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nicht hinreichend zur Heizung, deshalb wurde der Rath verpflichtet noch etwas Brennholz zu liefern. Bei Hochzeiten mußte man bisher den "Schulgesellen eine Suppe" geben. Diese Hochzeitssuppe hatte aber den Lehrern immer so gut geschmeckt, und sie hatten stets so viel davon genossen, daß sie drei Tage zur Verdauung brauchten und so lange keinen Unterricht geben konnten. Die Visitatoren bestimmten daher, um diesem Uebelstande abzuhelfen, daß von jetzt an für das Hochzeitsmahl baares Geld, und zwar von einem Rathsherrn 1 Rthlr., von einem Bürger 1/2 Rthlr., von Handwerkern und Budenbesitzern 1 Ortsthaler oder 1/2 Gulden (12 s.) gegeben werden sollten.

Im 17. Jahrhundert, sicher schon 1631 gab es in Bützow eine besondere Mädchenklasse, in welcher ein Schulmeister, vielleicht der Organist Hartwig Meincke aus dem Lüneburgischen, für das Schulgeld ohne weiteres Gehalt unterrichtete.

Die Knabenschule litt auch unter dem 30jährigen Krieg, da die Soldaten das dürftige Mobiliar zerstörten und die Rectorwohnung ganz verwüsteten. 1642 hatte man daher keinen Rector mehr, und den Schuldienst versahen der Conrector Joachim Warnicke, aus Bützow selbst gebürtig und seit 1629 dort Lehrer, und der Cantor Johann Cromius aus Thüringen. Jeder der beiden Schulcollegen hatte damals ein Gehalt von 80 Gulden, dazu das Schulgeld und bei Hochzeiten ein Geschenk pro libitu. Die Zahl der Schüler, welche nicht über 13 oder 14 Jahre alt waren, betrug in beiden Klassen 54. Sie wurden examinirt im deutschen und lateinischen Katechismus, im corpore doctrinae, in der grammatica, im dialogo sacrorum, in colloquiis Corderi, in evangeliis und epistolis u. a. und "nach ihrer Art nach ziemlich befunden". Einen dritten Lehrer gewann man für die beiden Klassen, die lateinische und die deutsche, nicht so bald wieder, denn noch 1651 unterrichtete der Rector Christoph Seehase (aus Schwerin) nur mit dem Cantor Christoph Fischerbeck (aus dem Lüneburgischen) allein. Aus der Visitation des zuletzt genannten Jahres ist der Lectionsplan für die beiden Klassen ersichtlicher als aus der von 1642, wir theilen darum noch mit, daß man in der I., der lateinischen Klasse, Latein (grammatica, colloquia Corderi, Cathechismum, Stilübungen oder exercitia) und quatuor species arithmetices, in der II., der deutschen Klasse, hauptsächlich Lesen, Schreiben und den Katechismus trieb.

Die Schulen in Schwerin und Bützow waren aber als höhere nur für wenige Kinder, für die wohlhabender Eltern da;

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für die Kinder aus dem Volke fehlten in der ersten protestantischen Zeit die Schulen ganz.

In der Stadt Warin "instituirte" der Küster wenigstens, wie bereits bemerkt, 16 20 schon die Knaben im Städtlein; in den Pfarrdörfern gab es damals noch keine Küsterschulen. Die ersten finden wir bei der Visitation 1625, und zwar in Qualitz, Baumgarten, Moisall, Bernitt, Boitin, etwas später in Tarnow. Während der Kriegsunruhen gingen aber diese Schulen meistens wieder ein, nach Aussage der Küster aus Mangel an Schülern.

Eine Schule besonderer Art war die seit 1578 bestehende, von der Herzogin Elisabeth gestiftete Klosterschule zu Rühn, in welcher der Organist "adlige und andere Kinder" unterrichtete. Die Schule hatte den Zweck junge Mädchen vom Adel oder Verwandte der Conventualinnen auszubilden. Die Schülerinnen wohnten bei den Klosterdamen. Nach einem Verzeichniß von 1578-84 wurden jährlich 5 bis 15 Mädchen, die größtentheils dem adeligen Stande angehörten, aufgenommen. Die meisten blieben übrigens nur eine kurze Zeit da, einige nur 1/2 Jahr.

Was in dieser Schule getrieben wurde, ist aus der Klosterordnung von 1581 bekannt. Der Schulmeister unterrichtete täglich 4 Stunden im Katechismus, im Lesen und Schreiben, und eine Lehrerin gab täglich einige Stunden Nähunterricht. Schullocal war der Reventer im Kreuzgang. Im 17. Jahrhundert, wo auch Knaben die Rühner Schule besuchten, sicher seit 1625, scheint dieselbe zu einer bloßen Volksschule herabgesunken zu sein. Nach dem Namen des Schulmeisters im Jahr 1625 - er nannte sich Henricus Laurentius - und nach der Höhe seines Gehaltes (63 Gulden jährlich baar) muß man annehmen, daß derselbe ein Mann von gelehrter Bildung war.

D. Das Kloster Rühn.

Besser als den meisten Klöstern in Meklenburg erging es in der Reformation dem Cistercienser=Nonnenkloster Rühn, da dasselbe nicht bloß seine Existenz, sondern auch seinen reichen Besitz rettete. Grund der Erhaltung war die Zugehörigkeit zu dem geistlichen Stifte, dem Bisthum Schwerin. Daß bei der Einführung des Protestantismus aber auch hier Veränderungen eintraten, ist so selbstverständlich, daß es nicht erst erwähnt zu werden braucht. Wie sich aber die Reform vollzog, ist aus dem sehr dürftig überlieferten Urkundenmaterial nicht zu erkennen; übrigens gehört diese

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Erörterung auch nicht zu unsrer Aufgabe. Doch leider steht es auch nicht besser mit den Berichten aus der Zeit nach der Reformation bis zum westfälischen Frieden. Eine kurze Notiz aus der Zeit von etwa 1640 sagt, daß der Kanzler Dr. Stallmeister bei Anfang des (dreißigjährigen) Krieges, d. h. bei Einrücken der kaiserlichen Truppen in Meklenburg 1627, alle Klosteracten nach Dänemark bringen ließ, sie erklärt uns hinlänglich das Fehlen fast aller historischen Quellen. Glücklicher Weise enthalten nun aber die wenigen überlieferten Schriftstücke so werthvolle Nachrichten, daß es noch immerhin möglich ist, auf Grundlage derselben eine allgemeine Uebersicht über die klösterlichen Verhältnisse nach 1550 zu geben. Einige alte Schriftstücke sind indessen auch von Lisch in Kopenhagen aufgefunden und in Abschrift in das hiesige Archiv gebracht.

In der Instruction für die Kirchenvisitatoren vom Jahre 1557 lautete der letzte Paragraph: "Die Klosterjungfrauen dürfen auch gewöhnliche Kleidung tragen und sich verheirathen, wobei das Kloster mit seinen Einkünften förderlich sein soll". Da es heißt: sie dürfen, so können wir annehmen, das eine Neigung dazu vorhanden war, und ist dies der Fall, so dürfen wir wieder daraus schließen, daß die Ordensregeln im Kloster selbst nicht recht mehr in Ansehen standen, also die befreiende protestantische Lehre schon Eingang gefunden hatte. Zu dieser Annahme stimmt nun sehr gut die Mittheilung des Visitations=Protocolls von 1542, welche besagt, daß an der Kirche zu Rühn an Stelle des verstorbenen Prädicanten der Capellan Matthäus Blumenberg, ein ziemlich gelehrter Mann, wirkte. Das Zeugniß genügender Gelehrsamkeit gaben die Visitatoren nur protestantischen Geistlichen; es war also Blumenberg schon 1542 Protestant, und wahrscheinlich war er der erste Protestant und der Reformator zu Rühn.

Mit dem Aufgeben der alten Ordensvorschriften lockerten sich indessen die Bande überhaupt, eine gehörige Aufsicht führte zu einer Zeit, wo Alles in Gährung war, Keiner, und so kam es, daß bald die größte Unordnung herrschte, und das Kloster in der Folge merklich heruntergewirthschaftet wurde. Nach einer Beschreibung von 1559 standen in den Bauerdörfern die Gehöfte fast zur Hälfte leer, und in Rühn selbst verfiel Alles sichtlich. Zum Glücke nahm sich des Klosters die Gemahlin des Administrators selbst, die Herzogin Elisabeth, geborne Prinzessin von Dänemark, mit voller Theilnahme an. Die Acten berichten, daß sie das

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Kloster 1575 von Neuem wieder erbaute, worunter wir wohl zu verstehen haben, daß sie sowohl die Klostergebäude wieder wohnlich einrichten ließ und besetzte, als auch für Wiederherstellung der Ordnung sorgte. Zur Aufsicht über die Klosterfrauen und =Jungfrauen ernannte sie die Conventualin Anna von Pentz zur Priorin und gab dem Kloster 1581 ein ganz neues Statut, welches eine Bürgschaft verlieh, daß das reformirte Institut auch in Zukunft sich lebensfähig beweisen würde. Den Inhalt dieser Klosterordnung geben wir im Auszuge:

1) Aufgenommen in das Kloster werden nur adelige Wittwen und Jungfrauen, die wenigstens 40 Jahre alt, eines ehrlichen Herkommens, guten Gerüchts und aufrichtigen Wandels sind und sich der Welt und Freiens begeben oder bei etwaiger Verehelichung die eingebrachte Dos dem Kloster lassen wollen.

2) Bei der Aufnahme müssen die Conventualinnen versprechen, daß sie sich "aus dem Kloster nicht verändern", sondern Zeit ihres Lebens darin bleiben und gottesfürchtig und fromm sich verhalten, auch der Priorin unterthänig und gehorsam sein wollen.

3) Die Klosterdamen tragen zur Verhütung des Luxus nur "schwarze Wand oder Zainröcke (Zain = wollenes Zeug), ungebrämt, und weiße Leinwand oder Schirübertücher und weiße Schleier am Halse, aber kein Gold, es wäre denn ein goldener Ring oder zwei an den Händen".

4) Wer das Kloster auf eine Zeit verlassen will, bedarf des Urlaubs von der Priorin und der Herzogin. Kehrt die Beurlaubte nicht zur bestimmten Frist zurück, so verliert sie die Hebung eines Vierteljahrs.

5) Zur Vermeidung des Zwistes wird die Gemeinschaft im Kloster aufgehoben und jeder Conventualin ein eignes Haus mit Garten und Hofraum zum Wohnsitz und eine bestimmte jährliche Hebung angewiesen. Gemeinschaftlich gehen sie nur in die Kirche zum Gottesdienst.

6) Wer auf dreimalige Ermahnung Fehler gegen die Klosterordnung nicht ablegt, wird aus dem Kloster gewiesen.

7) Vor der Aufnahme muß ein Einkaufsgeld von 200 Gulden Lüb. gezahlt werden.

8) Das Einkommen einer Conventualin beträgt jährlich 20 Gulden, 8 Schff. Roggen, 18 Schff. Gerste, 1 Schff. Erbsen, 2 Schff. Hafer, 2 Schff. Buchweizen, 4 Zehntlämmer, 1 Schwein und 2 Hühner. Fische soll der Wademeister den Klosterfrauen,

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ehe er sie Andern anbietet, für einen billigen, fest bestimmten Preis zu Kauf stellen.

9) Gottesdienst ist regelmäßig wöchentlich 5 Mal: am Sonnabend Vesper, am Sonntag 2 Mal Predigt und am Mittwoch und Freitag je ein Mal.

10) Der Klosterprediger erhält jährlich 100 Mk. Lüb., Weide für 2 Kühe und verschiedene Naturalien.

11) "Weil hier im Lande in andern Klöstern keine Jungfern=Schulen vorhanden, in welchen die Kinder vom Adel zum Schreiben und Lesen gehalten werden möchten, so ist in Rühn eine Mädchenschule gestiftet worden, in welcher ein Schulmeister unterrichtet." Jede Conventualin darf 2 Mädchen vom Adel oder aus ihrer Verwandtschaft für eine Pension von 20 Gulden zum Zweck des Schulbesuchs zu sich nehmen.

12) Der Schulmeister erhält ein Jahreseinkommen von 80 Mk. Lüb. nebst vielen Naturalien. Dafür giebt er täglich 4 Stunden Unterricht im Katechismus und im Schreiben und Lesen.

13) Den Unterricht im Nähen giebt eine dazu besonders angestellte Frau einige Stunden täglich.

14) Backhaus und Badestube sind für alle Conventualinnen gemeinschaftlich. Die Priorin führt die Schlüssel zu diesen Räumen.

15) Für den niedern Kirchendienst wird ein Küster und zum Schließen und Oeffnen der Klosterpforten eine Pförtnerin angestellt. Fremde Personen erhalten nur Eintritt mit Erlaubniß der Priorin.

Die Klosterordnung ist datirt: Güstrow, 10. April 1581; unterm 15. Juni 1584 wurde sie vom Administrator Ulrich I. bestätigt, wobei zugleich dessen Gemahlin Elisabeth für die Zeit ihres Lebens die Verwaltung des Klosters übergeben und Propst, Dekan und Senior des Domcapitels zu Schwerin, welche diese Reformation ausdrücklich anerkannten, zu Provisoren eingesetzt wurden.

Die Zahl der Klosterfrauen betrug, wenn alle Stellen vergeben waren, einschließlich der Priorin 10. Nach der Ordnung von 1581 erhielt die Priorin keine höhere Hebung als die übrigen Conventualinnen, doch wurde ihre Einnahme auf Fürbitten der Herzogin Elisabeth durch Verfügung Ulrichs I. schon 1588 aufgebessert. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts betrug die baare Einnahme jeder der 10 Klosterfrauen 24 Gulden und im 17. Jahrhundert die der Priorin 35, die der übrigen Insassen 24 Gulden. Nach

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einer alten Notiz wohnte die erste Priorin Anna v. Pentz in dem Hofmeisterhause, ihre Nachfolgerin Ilse v. Both erhielt Wohnung im "Langen Gange, da hernach die letzte (1654 verstorbene) Domina Katharina v. Maltzahn gewohnt".

Nach den Berichten der Kirchen=Visitationen lebten die Conventualinnen im Ganzen strenge nach der Kloster=Ordnung; nur ausnahmsweise kamen Uebertretungen vor. 1625 wird mitgetheilt, daß die Klosterfrauen gottesfürchtig sind, nur in schwarzen, ungebrämten Röcken und in weißer Leinwand gehen, nicht ohne Erlaubniß der Priorin verreisen und nicht mit ihren Freunden ins Feld, ins Holz oder nach Pustohl gehen. Doch eine Conventualin hatte des Nachts, "wie notorium", Mannspersonen bei sich. Die verbotenen Spaziergänge ins Holz oder nach Pustohl werden übrigens zu andern Zeiten gerügt, vorgekommen sind sie daher bisweilen.

Das Verreisen aus dem Kloster wurde durch eine spätere Verordnung auf die Zeit von drei Wochen eingeschränkt, und ein längeres Wegbleiben mit Verlust des Deputats auf ein Jahr bestraft.

Ulrich II. ließ 1608 die Klosterordnung revidiren. Da dieselbe dann allmählich wieder in Vergessenheit gerieth und "in vielen Wegen" überschritten wurde, ließ der Administrator diese revidirte Ordnung 1619 von Neuem publiciren und einschärfen. Die Abweichungen dieser Klosterordnung von der ersten aus dem Jahre 1581 sind ganz unbedeutend; hervorzuheben ist nur die ausdrückliche Bestimmung, daß die Frauen nicht ins Feld nach Pustohl oder ins Holz gehen, noch dahin jemand zu sich bescheiden sollten. Wollten sie Fremde sprechen, so sollten sie dieselben zu sich ans Kloster kommen lassen. Hart verboten wurde außerdem der Besuch des Kruges, der Schulmeisterei, der Schusterei "und anderer verdächtiger Oerter," wo die Klosterfrauen sich wohl pflegten "entgästen zu lassen oder Gespräch zu halten". Fremde Männer durften keine Nacht im Kloster bleiben; doch durfte eine Conventualin ihren Vater, ihren Bruder und ihren Oheim auf eine Nacht oder zwei beherbergen.

Die Aufsicht über die Verwaltung der Klostergüter führte ein Provisor, "der Inhalts der Fundation jederweilen gute Rede, Richtigkeit und Rechnung von allen Klosterintraden und andern Angelegenheiten geben könnte". Als solcher fungirte seit 1546 der Stiftshauptmann Jürgen von Wackerbarth. Nach dessen Tode war dieses Amt wahrscheinlich lange unbesetzt, da auf die Bitte der Domina

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Kath. von Maltzahn erst 1632 "an des seligen Jürgen Wackerbart's Stelle" Heinrich Hagen, genannt Geist, von dem schwedischen Commissarius zum Klosterprovisor ernannt wurde. 1639 ernannte das Domcapitel, indem es sich auf sein jus provisoratus berief, seinen Subsenior Hartwig von Wackerbarth und 1641 seinen Subsenior Jürgen von Behr auf Nustrow zum Provisor. Doch das Capitel hatte damals keine Macht mehr, seine Rechte zur Geltung zu bringen; in Wirklichkeit bestimmten der Stiftshauptmann oder andere fürstliche Beamte zu Bützow über die Klosterangelegenheiten. Adolf Friedrich setzte auch ausdrücklich nach dem Rücktritt des Stiftshauptmanns Hagen, gen. Geist, 1637 den Stiftshauptmann Friedrich von Hobe dem Kloster vor. Unter dem Provisor standen der Küchenmeister, zuweilen auch nur ein Amtsschreiber, welche die Verwaltung der Landgüter hatten; dazu wohl ein Amtsnotar, ein Schreiber, ein Wademeister (Fischer), ein Vogelfänger, ein Feuerböter und eine Köchin.

Die Gesammteinnahme des Klosters betrug in Baarem 1597/98 mit Einschluß eines Kassenvorraths von 808 fl., 2660 fl., die Gesammtausgabe dagegen 2262 fl., so daß nur ein Kassenvorrath von 398 fl. blieb. 1630/31 stand der Einnahme von 4717 fl. eine Ausgabe von 4759 fl. gegenüber; man schloß das Rechnungsjahr also mit einem Deficit von 42 fl. ab.

E. Die Stiftsunterthanen.

Bei dem Mangel an geschichtlichen Ueberlieferungen über das evangelische Stift Schwerin überhaupt dürfen wir am wenigsten eingehende Berichte über das Volksleben im Besondern erwarten, und in der That sind hier die Quellen noch dürftiger, als über andre Verhältnisse. Einige Aufschlüsse geben aber die Stiftsbeschreibungen aus jener Zeit, welche dem ersten Theil dieser Arbeit (Jb. XL VII.) zu Grunde gelegt sind, andres Material findet sich in den Acten der Kirchenvisitationen, und endlich ist manches Werthvolle aus den Contributions=Acten zu entnehmen. Was sich außerdem noch findet, ist fast ohne Belang.

Unter allen Stiftsunterthanen nehmen natürlich die Bürger der Stiftsstädte die freieste Stellung ein, da sie nicht unter dem Zwange der Leibeigenschaft stehen. Doch zu einem behaglichen Dasein haben sie es sicher nur aus=

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nahmsweise gebracht, weil der Wohlstand durchgehends fehlte. Ihre Wohnungen schon waren ärmlich und klein, die meisten werden nur Buden genannt. Das Mobiliar kann nach unsern Begriffen selbst den bescheidensten Ansprüchen nicht genügen. Nur Bank und Tisch, vielleicht auch eine Kiste, waren oft die ganze Ausrüstung der Wohnstube, und die Küche wies auch nicht viel mehr als einige Kessel, Grapen und Schüsseln auf. An Kleidung und Bettzeug befaß man nur das Allernothwendigste. Erwerb fand der Bürger wohl im Handel, mehr aber im Handwerk und im Ackerbau. Zu jedem Hause in der Stadt gehörte ein Garten und meistens ein Stück Acker und eine Wiese. Dazu war Gelegenheit vorhanden, von dem Gemeindeland oder dem Kirchenacker Stücke in Pacht zu erwerben, und die Stadtweide ernährte im Sommer die Kuh des Bürgers. Die Stadtwalder lieferten noch Brennholz zur Genüge und boten in guten Jahren auch hinreichend Mast für die Schweine. Der fleißige Mann vermochte also wohl Brod für seine Familie zu schaffen; aber er brachte es doch nur ausnahmsweise zu einem kleinen Vermögen, es fehlte überall an baarem Gelde. Oft klagten die Bürger, daß sie in ihrer Nahrung Einbuße litten durch die Bauern, welche zum Theil bürgerlichen Erwerb trieben, ohne bürgerliche Lasten zu tragen. Nach der meklenburgischen Landordnung, die auch im Stift publicirt war und hier Gültigkeit haben sollte, war das freilich nicht gestattet; aber doch ließ man es den Bauern wohl hingehen, denn die Klagen der Bürger darüber hörten nie auf. Auf die Bitte der Städte hatte zwar Ulrich I. den Amtleuten befohlen, den Bauern, auch den ritterschaftlichen, die mülzten und brauten, die Kessel und Kufen wegzunehmen; aber nach Aussage des Bützower Magistrats hatten die Beamten den herzoglichen Befehl nicht befolgt, der in Folge dessen dann 1590 erneuert wurde. Die Bauern sollten nur so viel Bier brauen, als sie für sich und die Ihrigen gebrauchten. Aber noch zur Zeit Wallensteins liefen Beschwerden der Städte über die Bauern ein, besonders über die Krüger auf dem Lande, die mit Hakwaaren (Butter, Käse, Häring, Rothschar) und Korn handelten. Sicher lag aber hierin nicht allein der Grund, daß die Städter nicht recht fortkommen konnten, vielmehr werden wir die Ursache außer in dem allgemeinen Geldmangel hauptsächlich wohl in dem Mangel an Ordnung und Sparsamkeit zu suchen haben. Es war der Zug der Zeit, daß man durch Flitterstaat und Schlemmereien rasch vergeudete, was man mühsam und langsam erworben

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hatte. Wie traurig es in den Städten zum Theil aussah, berichten die Acten zur Genüge. 1583 klagte der alte (60jährige) Bürgermeister Peter Rittorff zu Bützow, daß auf dem Rathhause daselbst so viele abgepfändete Sachen ständen, daß die Bürger kaum noch hätten, "woraus sie essen könnten". Einer von den Hausbesitzern habe vor sechs Jahren gesagt, die Türkensteuer sei nun zwar bezahlt, aber er besitze jetzt auch nichts mehr; er wolle, daß so viele Türken in Meklenburg wären, wie Schafe, und daß sie ihm den Hals abschlügen, "so käme er doch eins Mals der Marter und Plage vor alles abe". Im Jahre 1597 erklärte der Magistrat zu Bützow, daß die den Bürgern abgenommenen Pfänder so lange im Rathhaus ständen, bis sie von Motten und Rost verzehrt würden. Mit den Klagen der Bützower vereinigten sich bald die der Wariner und seit 1598 auch die der Schelfbewohner, welche auf dem Stiftstage vorbringen ließen, daß sie zu wenig Acker besäßen und meistens arme Fischer wären. Viele müßten sich vom Betteln ernähren. Holz bekämen sie nicht mehr, da das Capitel sich alles aneignete, wie es ihnen auch die Weide immer mehr verkleinerte, um die des Bauhofes zu vergrößern. Als eine große Last sahen die Bewohner von Bützow und Warin immer die Accise an; Bützow erbot sich sogar einmal (1626) für die Befreiung von derselben jährlich 400 Gulden zu zahlen.

Nach den Schilderungen der Bürger müßte man annehmen, daß die Bauern in bessern finanziellen Verhältnissen lebten; doch war das sicher nicht der Fall. Geldnoth gab es fortwährend hier wie da. Schon 1582 erklärten die Steuereinnehmer, daß sie die Türkensteuer nicht aus den Aemtern Bützow und Rühn bekommen könnten, trotzdem daß der Landreiter mit Auspfändung gedroht habe; gegen Ende des Jahrhunderts stand es ähnlich so um die Bauern des Amtes Warin und um die Unterthanen der Stiftsritterschaft. Daß aber die Bewohner der Capitelsdörfer in der übelsten Lage waren, haben wir schon in der Geschichte des Domcapitels kennen gelernt. Daher treffen wir auch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts so viele Bauerstellen unbesetzt an. Die Abgaben, welche das Reich forderte, mehrten sich aber noch bedeutend im 17. Jahrhundert, und ehe der 30jährige Krieg mit seiner Zerstörung kam, war in Stadt und Land vielfach nichts mehr zu holen; 1626 erklärte selbst die Stiftsregierung, es müßte jetzt zahlen, wer noch etwas habe, "damit die Armuth nicht allein bedrückt würde und zum Himmel schreie und Gott also seinen Segen

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abwende". Es sah nach allen Berichten schon vor den Verwüstungen des 30jährigen Krieges im Stift so traurig aus, daß eine Steigerung des Elends kaum noch möglich schien. Dabei darf aber nicht verschwiegen werden, daß es die Gewohnheit früherer Jahrhunderte mit sich brachte, in allen Fällen, und vorzüglich im Klagen, sehr zu übertreiben.

Betrachten wir uns aber die Verhältnisse, unter denen die Bauern lebten, genauer, so müssen wir doch gestehen, daß ihr Loos keineswegs beneidenswerth war. Schon die Bauerhäuser zeugten von der Dürftigkeit ihrer Bewohner. Eine Wohnstube enthielten dieselben sicher nur ausnahmsweise; im Winter also, wo die kalten Kammern als Wohnzimmer nicht genügten, mußte der Raum auf der großen Diele, wo der Feuerheerd stand, als Aufenthaltsort dienen. Und obwohl auch dieser, da er nicht durch Wände von der Diele abgetrennt war, wenig Schutz vor der Winterkälte bot, so suchte man sich doch hier die nöthige Wärme dadurch zu verschaffen, daß man den ganzen Tag über ungeheure Massen von Holz auf dem Herde verbrannte. Durch die Polizei=Ordnung von 1572 wurde indessen den Beamten befohlen, darauf zu sehen, daß die Bauern sich Stuben bauten, damit Holz gespart würde.

Viel kam allerdings darauf an, wie die Gesinnung des Herrn war, dem die Bauern dienten, und dem sie zahlen mußten; denn eine wohlwollende und nachsichtige Herrschaft wird ihr hartes Loos natürlich gemildert haben. Besonders fiel dies ins Gewicht für diejenigen Unterthanen, deren vorgeschriebene Leistungen sehr groß waren. Ungleich waren aber die Forderungen, die die Herren stellten, von Hause aus. Doch selbst geringe Abgaben wurden für den Bauer drückend, da es überall an der gehörigen Ausnutzung des Grundes und Bodens fehlte, den derselbe für sich bestellte. Traten Mißwachs oder Viehseuchen ein, wie es leider häufig genug der Fall war, so waren die Bauern sofort unfähig, ihre Wirthschaft mit eignen Mitteln fortzusetzen; daher wurden die vielen Unterstützungen nöthig, von denen die Acten berichten, und eine natürliche Folge dieser war wieder eine größere Abhängigkeit der Unterstützten.

Ein großer Fehler früherer ländlicher Wirthschaften bestand darin, daß man nicht genug Vieh hielt. Kühe hatte der Bauer ganz wenige, oft nur eine oder zwei Milchkühe neben vielleicht drei oder vier Haupt Jungvieh. Schafe gab es gar nicht allenthalben. Pferde waren dagegen reichlich vorhanden; doch durfte man nur die Hälfte derselben für

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den eignen Acker benutzen, da man mit den übrigen zu Hofe diente.

Der Hofdienst ist wohl als die Hauptursache der schlechten Wirthschaft bei Unterthanen und Herren anzusehen, denn jene wurden durch denselben übermäßig belastet, und diesen wurde die Arbeit, als eine unbequeme, schlecht verrichtet.

Uebrigens fehlte es sehr an Menschen, so daß selbst beim besten Willen, und dieser war anscheinend durchgehends nicht vorhanden, die Ackerbestellung ungenügend werden mußte. In dem Stiftsdorfe Büschow, das jetzt über 200 Seelen zählt, wohnten z. B. 1577 bei ganz normalen Verhältnissen nur 12 Männer, die neben dem Hofdienst den Dorfacker von 25 Last cultiviren sollten. Daß unter solchen Umständen ganze Flächen unbebaut liegen blieben und bald in "Rusch und Busch" standen, ist gar nicht zu verwundern. Und der bestellte Boden bekam so wenig sein Recht, daß er in der Regel nicht mehr als das vierte Korn trug.

Vergleicht man mit solchen Erträgen die Abgaben an Contribution, Pachtgeld und Naturalien aller Art, so begreift man kaum, wie noch ein Auskommen möglich war. Für feine Familie durfte der Bauer freilich auch nicht viel ausgeben, und der Lohn für die Dienstboten war sehr niedrig. Ein Großknecht diente, abgesehen von geringen Einnahmen an Naturalien, ein ganzes Jahr für 4 Gulden, eine Magd sogar für 2. Das war wenig selbst bei den niedrigen Preisen jener Zeit, in welcher der Scheffel Roggen nicht viel mehr als 1 Mark galt.

Der Bildungsstand des gemeinen Mannes war in Stadt und Land höchst dürftig: dort, weil die vorhandenen Schulen nicht grade für die unbemittelte Klasse eingerichtet waren, hier, weil sich überhaupt nur selten Dorfschulen fanden; im Stift Schwerin gab es, wie wir gesehen haben, selbst im 17. Jahrhundert nicht überall Küsterschulen. Die Unwissenheit war daher erklärlicher Weise recht groß, und deshalb der Boden für den Aberglauben günstig, und in der That wucherte dieser üppig genug empor.

Es ist allgemein bekannt, daß im deutschen Vaterlande fast überall vor dem 30jährigen Kriege Wohlstand herrschte, ja in manchen Städten sogar Reichthum zu finden war. Im Stift Schwerin war das leider nicht der Fall; dies Ländchen bildete also einen traurigen Gegensatz zu vielen andern Gauen im Reich. Woher mochte es aber kommen, daß es hier

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schlechter aussah, als anderswo? Die Ursachen, welche hier dem Fortkommen des Landmannes hinderlich waren, wie den Hofdienst u. a., treffen wir auch im übrigen Deutschland an, wir müssen also noch nach einem andern Grunde suchen. Und dieser ist, meinen wir, nicht schwer zu finden. Was andre Gegenden wohlhabend oder wohl gar reich machte, das war der lebhafte Handel, den die größern Städte im Reich trieben, und an dieser Erwerbsquelle hatte das Stift Schwerin gar keinen Theil. Bei dem geringen Verkehr in einer abgelegenen Gegend lernte man auch die Fortschritte Andrer nicht kennen, und man blieb daher noch lange, selbst nach dem westfälischen Frieden wenigstens noch ein Jahrhundert, bei dem alten, wenig einträglichen Wirthschaftssystem. Dazu kamen für unser Ländchen in der Zeit der Administratoren die übergroßen Ansprüche des Reichs, die sich im Laufe der Jahre fortwährend mehrten. Doch von diesen Verhältnissen werden wir erst im folgenden Abschnitt unsrer Stiftsgeschichte sprechen.

 

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