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V.

Der Schrein des Hochaltars

zu

S. Jürgen in Wismar.

Von Dr. Crull.


A m 31. März 1860 verstarb zu Wismar der dortige Bürger und Weißbierbrauer Joh. Chr. Heinr. Behm ohne Nachkommen, auch ohne Testament; doch fand sich in seinem Nachlasse ein Beutel mit 400 Louisdors sammt einem von seiner Hand geschriebenen Zettel, welchem gemäß die gedachte Summe der Kirche S. Jürgens, zu deren Sprengel er gehörte, geschenkt sein und für dieselbe "ein schöner Altar zur Ehre Gottes so bald als möglich erbaut" werden sollte. Da die auswärts wohnende Intestaterbin die Gültigkeit dieses Zettels anzweifelte, und der Ausgang eines Prozesses, falls solcher anhängig gemacht werden würde, ungewiß und kostbar erschien, auch im günstigen Falle ein für jene Summe in schicklicher Weise nicht herzustellender Neubau sich vernothwendigt haben würde: so einigten sich die Kirchenbau=Behörde und die Erbin dahin, daß Letztere von der genannten Summe ein Drittel erhalten, jener aber der Rest für S. Jürgen und möglichst zur Renovation des Altarschreins verbleiben solle.

J. Ch. H. Behm war der Erste nicht, dem die alte geschnitzte und vergoldete Tafel auf S. Jürgens Hochaltar mißfiel, und dessen Gedanken sich auf die Herstellung eines neuen Ueberbaus richteten. Hundert Jahre früher schon

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bestimmte der 1765 verstorbene Rathsverwandte Dav. Joach. Wulff nahezu sein ganzes Vermögen S. Jürgens Kirche, und zwar zunächst zu einer Kupferbedachung und nach dieser zu neuer Herstellung von Taufe, Kanzel und Altar; aber das Kapital war nicht groß genug, um damit sofort ein Kupferdach ausführen zu können, reichte also glücklicherweise noch weniger hin, um die weiteren vom Testator ins Auge gefaßten Arbeiten ins Werk zu setzen. Glücklicherweise; denn S. Jürgen behielt aus dem angeführten Grunde seinen mittelalterlichen Schrein, während S. Marien 1749 und S. Nicolai 1774 die ihrigen verloren, um dafür die heutigen Ueberbauten einzutauschen, welche, wenn auch an sich handwerklich ganz respektable Leistungen, doch ihrem Materiale nach kaum besser sind als die Ausstattung eines Opernhauses und stilistisch natürlich übel zu den Kirchen passen, wie sie außerdem durch ihre übermäßige Höhe solche noch kürzer erscheinen lassen, als dieselben ohnehin sind. Immerhin wurde aber freilich ein Altarüberbau, wie die Benannten beiden Kirchen haben, doch noch besser in S. Jürgen gewesen sein, als wenn es 1830 zur Herstellung eines solchen gekommen wäre, wo der Tradition nach selbige wiederum geplant, aber durch den Einspruch des damaligen Bürgermeisters Haupt, eines vielseitig gebildeten Mannes, unterblieben sein soll.

Genug, S. Jürgens Hochaltar hat seinen Schrein bis in die Gegenwart hinein gerettet. Doch befand derselbe sich allerdings in einem kläglichen Zustande, insofern nicht allein das Schnitzwerk vielfach Schaden gelitten hatte, sondern auch der Kreidegrund auf den hervorragenden Theilen der Figuren theils ganz abgefallen, theils so gelockert war, daß geringfügige Erschütterungen sein Abfallen zu bewirken vermochten, ganz zu geschweigen der Malereien auf der Rückseite der inneren und auf den äußeren Flügeln, die theils gänzlich abgefallen, theils nur noch in Fragmenten und bloß in einigen wenigen Bildern vollständig, wenn auch vielfach gelockert, erhalten waren. Die bloß gemalten Tafeln kamen nun freilich nicht zu Gesichte, da der Schrein, wie man aus Schreibereien mit Kreide auf den äußeren Flügeln schließen kann, seit dem ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts stets offen gehalten worden ist; auch ließen der Reichthum der Vergoldung und die Zierlichkeit der Architektur die Beschädigungen der Hauptansicht minder hervortreten, und diese betrafen weniger die Gesichter als die Gewänder. So gewährte der Schrein auch in seinem verwüsteten Zustande Kennern und Freunden der Kunst unserer Vorzeit noch so

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viel Freude, daß namhaftere derselben, wie A. Reichensperger und E. J. Milde, empfahlen, lieber den Schrein seinem Geschicke zu überlassen, als denselben einer rohen, unverständigen oder gewissenlosen Restauration auszuliefern. Allerdings aber waren archäologische oder künstlerische Interessen nicht die allein zu berücksichtigenden; und es ließ sich nicht leugnen, daß der Zustand der Tafel wenig der Würde des Altars entsprach, wie es denn auch nicht zu verwundern ist, Wenn die Nachkommen der Behmschen Erbin nach Verlauf von nahezu zwanzig Jahren darauf drangen, daß die Kirchenbau=Behörde nunmehr der getroffenen Vereinbarung Folge geben möge. Dieselbe war demnach schließlich genöthigt, die Restauration zu unternehmen.

Der Schrein ist ein Werk von bedeutenden Dimensionen, und diese stellten ebenso wie die Lockerung des Kreidegrundes das Versenden an auswärtige, namhafte Restauratoren außer Frage, wie auch die Berufung eines solchen keinen Erfolg versprechend und den vorhandenen Mitteln gegenüber zu kostbar erschien. Man wandte sich daher an den Maler Herrn Karl Michaelsen in Wismar, da, wenn derselbe dergleichen Arbeit auch noch nicht ausgeführt hatte, dessen Geschicklichkeit, Interesse und Selbstlosigkeit eine bedeutende Garantie für tüchtige und gewissenhafte Ausführung des Auftrags boten, und schloß mit diesem, nachdem er zur Probe die Bilder eines kranken Altarschreins in S. Nicolai in befriedigender Weise wieder hergestellt hatte, einen Contract, wonach er die Restauration der geschnitzten und vergoldeten Hauptansicht und der Gemälde, die sich nach Schließung der inneren Flügel zeigten, für die Summe von 7914 Mk. einschließlich der Kosten für die nöthige Bildschnitzerarbeit auszuführen sich verpflichtete.

Die Restauration von vergoldeter und bemalter Schnitzarbeit greift, wenigstens was die Figuren anlangt, im Grunde weit über die Grenzen einer solchen hinaus und ist gegenüber der Restauration von unbemaltem Schnitzwerke oder gar von Bauwerken nahezu eine völlige Erneuerung; denn da an jenen Stellen, wo der Kreidegrund fehlt oder locker geworden ist, derselbe nicht schlechthin ausgefüllt, vergoldet oder bemalt werden kann, sondern die Flache völlig, auch da, wo sie noch fest ist, frisch mit Grund überzogen, mithin auch neu vergoldet und bemalt werden muß, so bleibt vom Alten nur das Holz übrig Somit ist die äußerste Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erforderlich, wenn der Restaurator eines derartigen Werkes in Wahrheit den Namen eines solchen

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beanspruchen will. Um also dieser Aufgabe möglichst gerecht zu werden, wurden sämmtliche Figuren in etwas über 1/3=Größe photoaraphirt und außerdem genaue Protokolle über diese und die Gemälde und Malereien aufgenommen, welche Michaelsen zum Anhalte dienten und die Grundlage der nachstehenden Beschreibung des Schreines bilden.

Das Altarwerk ist ein Flügelaltar, der ohne Aufsatz (oder, wie man im Oberlande sagte, Aufzug) wagerecht mit einer Blätterbekrönung abschließt. Die beiden Seiten der äußeren Flügel sind bemalt und ebenso auch die äußeren Seiten der inneren Flügel; die innere und Haupt=Ansicht aber zeigt geschnitzte, vergoldete und bemalte Statuetten unter Baldachinen, so daß sich der Schrein in drei verschiedenen Ansichten, etwa für die Woche, für die Sonntage und geringeren Festtage, und für die hohen Festtage bestimmt, präsentirt. Der mittlere feste Theil hat eine Breite von 16 Fuß 5 1/2 Zoll Hamb., so daß die Gesammtbreite des Werkes 32 Fuß 11 Zoll bei einer Höhe von 11 Fuß, ungerechnet die Bekrönung, welche 2 Fuß, und die Predella, welche 2 Fuß 7 1/2 Zoll hoch ist, beträgt. Die inneren Flügel, sowie die seitlichen Abtheilungen des festen Theiles sind 5 1/2 Zoll tief, während die mittlere Abtheilung des letzteren durch Ausrücken hinterwärts eine Tiefe von 10 Zoll erhalten hat.

Der feste Theil zerfällt nämlich in eine mittlere durchgehende Abtheilung und zwei seitliche, die wiederum, wie die Flügel, jede zwei Abtheilungen über einander enthalten. In jener, der mittleren Abtheilung, ist zuunterst ein Sockel von 11 Zoll Höhe angeordnet, welcher in drei durch kleine Pfeiler markirte Compartimente getheilt ist. Jedes derselben enthalt ein von zwei Spitzbogennischen, die mit durchbrochenem Maßwerk gefüllt sind, begleitetes Rechteck. In dem mittleren Rechtecke ist auf Goldgrund halb erhaben ein betender Greis dargestellt, kahl, ohne Bart, in einem langen, faltigen, mit weiten Aermeln versehenen rothen Gewande, umgürtet mit einem goldenen Gürtel, an dem eine schwarze Tasche hängt. Vor ihm lehnt ein dreiseitiger Schild, der auf Silber ein schwarzes Merk (Hausmarke) aufrechtstehend, also nicht im Längsdurchmesser des Schildes, zeigt, und über ihm flattert ein Spruchband mit den Worten:

Spruchband

(nämlich magnam misericordiam tuam, Ps. 50). In den beiden seitlichen Rechtecken sieht man die Brustbilder je eines

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Königs, von denen derjenige rechts schwarzes, derjenige links röthliches Haar hat. Beide halten Spruchbänder. Auf dem Spruchbande des ersteren liest man:

Spruchband

(nämlich in vestitu deaurato, circumdata varietate), auf dem des zweiten:

Spruchband

Jene Legende ist dem Psalter, 44, diese mit der Modification von eius statt mea dem Jesus Sirach oder Ecclesiasticus, 24, entnommen. Vermuthlich sollen die Figuren David und Salomon vorstellen, was kaum zweifelhaft sein würde, wenn die zweite Stelle statt im Ecclesiasticus im Ecclesiastes oder Prediger sich fände.

Ueber diesem Sockel thront Christus mit seiner ihm zur Rechten sitzenden Mutter, beide gekrönt, auf einer reich geschmückten Bank. Maria mißt bis zur Krone 3 Fuß 2 Zoll, Christus 3 Fuß 3 1/2 Zoll. Maria hat dunkelblaue Augen und goldenes, über die Schultern herabfallendes Haar, Christus braune Augen und braunes Haar; seine Füße sind unbeschuht. Maria sitzt in betender Haltung dem Sohne zugeneigt, während Christus, die Rechte segnend erhoben, auf dem linken Knie die Weltkugel mit dem Kreuze darauf haltend, ihr sich zuwendet. Neben den Figuren ist die Vorderseite der Thronbank sichtbar, die auf silbernem Grunde mit schmalen Bogen, abwechselnd roth und grün lasirt, bemalt ist. Ebenso ist die Vorderseite des Sitzbrettes und der Sockel der Bank behandelt, nur daß diese statt der Bogen Vierpässe zeigen. Die bis an die Schultern der Figuren reichende, mit einer Blattbekrönung abschließende, vergoldete Rückwand ist mit durchbrochenen Spitzbogen geschmückt, welche mit versilbertem und abwechselnd roth und grün lasirtem Papier von hinten belegt sind. Die nach vorne etwas auseinander laufenden Seitenwände der Bank, die nächst der Rückenlehne mit dieser gleich hoch sind, sind durchbrochen und an der Vorderkante mit zwei Fialen über einander verziert, wie auch eine solche an der Vorderseite des Bankkastens zwischen den beiden Figuren angebracht ist und dieselben trennt. Auf die vorderen, niedrigeren Pfosten der Seitenwände ist je ein kleiner hockender Löwe, auf die hinteren, etwas höheren je ein knieender musicirender Engel in weißem Gewande gesetzt, von denen derjenige rechts die Laute, der andere eine Handorgel spielt. Ueber den beiden Hauptfiguren sind zwei Bal=

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Hochaltar zu S. Jürgen in Wismar.
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dachine (oder, wie man vor Alters sagte, simborien d. i. Ciborien) von einer Totalhöhe von 4 Fuß 6 1/2 Zoll angebracht, die dreiseitig aus dem Sechsecke formirt sind, ein unteres höheres und ein oberes niedrigeres Geschoß haben und mit einer wagerechten Blattbekrönung abschließen. Hinter den Häuptern der beiden Figuren sind in den Goldgrund Nimben von 23 Zoll Durchmesser eingepunzt, dessen innerer Theil bei Christus mit einem Strahlenkranze, hinter dem die vier lilienartig gehaltenen Arme des Kreuzes hervortreten und bis an den äußersten Rand des Nimbus gehen, bei Maria allein mit einem Strahlenkranze gefüllt ist. Der äußere, von einem mit kleinen Kreisen besetzten Rande auswärts und einwärts eingeschlossene, 4 Zoll breite Ring ist mit Schrift verziert. Dieselbe lautet dort:

Spruchband

und hier:

Spruchband

Jene Legende ist aus dem 1. Timotheus=Briefe, 6, oder der Apokalypsis, 19, genommen, diese, jedoch verstümmelt und corrumpirt, aus Jesus Sirach, 24; sie lautet vollständig und berichtigt: ego mater pulchre dilectioms et timoris et agmtioms et sancte spei.

Von den beiden seitlichen ist die mittlere Abtheilung durch Pfeiler getrennt, deren jeder mit zwei kleinen, übrigens leeren Baldachinen und Fialen darüber besetzt ist.

Die seitlichen Abtheilungen des festen Schreins enthalten angegebener Maßen ebenso wie die Flügel zwei Reihen von Heiligenfiguren von 30 bis 31 Zoll Höhe übereinander. Diese sind fast frei heraus gearbeitet, stehen auf grünen Bodenstücken, die auf einem durchgehenden, 4 Zoll hohen Sockel befestigt sind, dessen Vorderansicht in Maßwerk (maselrigen), welches von Figur zu Figur wechselt, durchbrochen ist, und sind durch Pfeiler, mit Fialen besetzt, von einander getrennt. Ueber ihnen sind wieder Baldachine von 25 1/2 Zoll ganzer Höhe angebracht, deren Flächen in Wimberge ausgehen und reich durchbrochen sind. Um die Köpfe ist ein ganz einfacher, nur mit einem Rande von kleinen Kreisen verzierter Nimbus eingepunzt. Insbesondere sind in den Nimben die Namen der betreffenden Heiligen nicht angegeben; und da manchen von diesen auch die Attribute

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fehlten, so war die Erkenntniß derselben mit einiger Schwierigkeit verbunden. Die Figuren sind von dem rechten Flügel angefangen folgende.

A. Obere Reihe.

I. Rechter Flügel.

1) Ein Ritter, welcher auf einem Drachen steht, dessen Hals er mit der Linken gepackt hat; mit der hoch erhobenen Rechten hat er offenbar eine Lanze gehalten. Das bei braunen Augen goldene gelockte Haar ist mit einem goldenen gedrehten Wulste bedeckt, und bekleidet ist er mit einem silbernen, im unteren Brusttheile mit einem querlaufenden Grate hervortretenden Harnische und Schienen über einem Kettenpanzer. Jene sind mit Gold staffirt, und um seine Hüften ist ein breiter goldener Gürtel gelegt. Der Drache oder Lindwurm, vierfüßig und ungeflügelt, ist silbern, mit Grün lasirt. Es ist S. Jürgen, Patron der Kirche.

2) Männliche Person mit goldenem Barette auf dem goldenen gelockten Haare, blauen Augen, in faltigem, unten mit Pelzwerk besetztem, bis zu den Knien reichendem Rocke mit bauschigen Aermeln, welcher um die Leibesmitte durch einen schmalen Gürtel zusammengezogen ist, während ein breiter goldener die Hüften umspannt, und über den ein auf der linken Schulter durch eine Agraffe geschlossener Mantel fällt, faßt und erhebt diesen mit der Linken. Die rechte Hand fehlte zur Hälfte; doch war deutlich, daß sie einen Gegenstand in wagerechter Richtung vor sich gehalten hatte, zweifellos ein Schwert: S. Martin, Patron der Kirche.

3) Männliche Figur in Aposteltracht mit langem, schlichtem, grauem Haare und halblangem ebensolchem Barte, braunen Augen, zeigt mit der Rechten auf eine roth umrandete Scheibe in der Linken, auf welcher man in Blau einen goldenen geflügelten Stier sieht, dem ein Spruchband mit der Aufschrift S ° lucas beigegeben ist. S. Lucas ist, wie die folgenden Figuren bis 18 mit Ausnahme von zweien, unbeschuht.

4) Apostel mit langem, schlichtem, dunkelbraunem Haare, halblangem lockigem, ebensolchem Barte und braunen Augen, mit der Rechten ein geschlossenes Buch haltend, in der Linken ein breites Messer: S. Bartholomäus.

5) Apostel mit langem, schlichtem, grauem Haare, langem, lockigem, grauem Barte und braunen Augen, trägt im rechten Arme ein geschlossenes Buch, in der linken Hand

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ein langes Holz, zweifellos Rest eines Doppelkreuzes, wie er ein solches auch in einer Darstellung auf den Chorschranken hält. Auf der, wie allenthalben ausgehöhlten, Rückseite der Figur fand sich ein Pergamentblättchen aufgeleimt, auf dem der Name symon stand. Das ist eine Verwechslung: es ist S. Philippus.

6) Apostel ohne Bart, mit lockigem, goldenem Haare und braunen Augen, hält in der Rechten ein offenes Buch, in dem er mit der Linken eine Stelle andeutet. Dieser ist beschuht und hat kein weiteres Attribut. Ein Zettelchen auf der Rückseite nennt ihn: mateus

II. Mitteltheil.

a. Rechte Seite.

7) Apostel mit schlichtem hellgrauem Haare, lockigem ebensolchem Barte und braunen Augen trägt mit der Linken ein Buch und stützt sich mit der Rechten auf eine Keule, deren kolbiges Ende auf dem Boden steht. Die Aufschrift auf einem Blättchen auf der Rückseite bezeichnet ihn fälschlich als fylipp es ist Judas Thaddäus, Compatron der Kirche.

8) Apostel mit braunem, schlichtem Haare, kurzem lockigem Barte und braunen Augen, trägt auf der Linken ein Buch. Das verlorene Attribut in der Rechten kann nach der Haltung derselben nur eine Lanze gewesen sein und, wenn auch eine Aufschrift auf der Rückseite ihn als jacop mynor ausgiebt, niemand anders als S. Thomas bezeichnen.

9) Apostel, dessen Bart braun, lang und lockig ist, hat den Mantel über den Kopf gezogen; seine Augen sind blau. Auf der Linken trägt er ein Buch, in der Rechten ein Schrägkreuz: S. Andreas. So auch die Aufschrift des Zettels auf der Rückseite: andreas

10) Apostel mit kurzem, krausem, dunkelgrauem Haare um eine Glatze und ebensolchem, etwas dunklerem Barte, hält mit der Rechten einen Buchbeutel, in der Linken einen silbernen Schlüssel: S. Petrus. So auch der Zettel auf der Rückseite: petrus

b. Linke Seite.

11) Apostel mit schlichtem, goldenem Haare, langem, lockigem, goldenem Barte und braunen Augen, hält in der

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Linken ein Buch, auf dem ein weißes Lamm liegt, dessen linken Vorderfuß er mit der Rechten gefaßt hat: S. Johannes der Täufer.

12) Apostel, dessen Kopf oben bis auf eine Stirnlocke völlig kahl ist, das Haar schlicht und blond, Bart blond, lockig, lang, und dessen Augen blau sind, trägt auf der Linken ein Buch und hält mit der Rechten aufrecht ein Schwert mit rothem Griffe: S. Paulus.

13) Apostel mit goldenem, lockigem Haare und braunen Augen, bartlos, hält mit der Linken einen goldenen Kelch mit rundem Fuße und erhebt die Rechte: S. Johannes der Evangelist.

14) Apostel mit langem, schlichtem, braunem Barte und braunen Augen, hat den Mantel über den Kopf gezogen und trägt in der Linken eine goldene Muschel, in der Rechten den Pilgerstab: S. Jakob d. Ä., Zebedäus' Sohn.

III. Linker Flügel.

15) Apostel mit lockigem, grauem Haar und ebensolchem Barte, braunen Augen, die Füße beschuht, trägt mit der Linken ein Buch und hat in der Rechten den goldenen Handgriff eines Werkzeuges, welches nichts anderes gewesen sein kann, als eine Handsäge, so daß wir S. Simon vor uns hätten, Compatron der Kirche.

16) Apostel mit schlichtem Haare und halblangem Barte, beide dunkelgrau, mit grauen Augen, auf der Rechten ein Buch tragend, in der Linken den Rest eines Werkzeuges, welches im Griff braun, oberwärts versilbert und allem Ansehen nach ein Wollbogen gewesen ist: S. Jakob d. J., Alphäus' Sohn.

17) Apostel mit lockigem, goldenem Haare, ohne Bart, mit braunen Augen, trägt auf der Linken ein Buch. Die etwas gesenkte Rechte hat das Attribut eingebüßt. Es wird ein Beil gewesen und S. Matthias gemeint sein.

18) Männliche Figur in Aposteltracht mit schlichtem Haare und lockigem Barte, beide hellbraun, und mit grauen Augen, halt wie S. Lukas, 3, eine Scheibe mit einem geflügelten Löwen auf der Rechten, neben dem ein Spruchband mit der Aufschrift S 9 . marcus angebracht ist.

19) Männlicher Heiliger mit lockigem, goldenem Haare und blauen Augen, bartlos, in Diakonentracht, die Alba weiß und vorne mit goldener Parura versehen, welcher in

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der Rechten drei Steine trägt. Der verlorene Gegenstand, welchen die Linke hielt, muß ein Palmzweig gewesen sein, und das Bild stellt ohne Zweifel S. Stephan, den ersten Märtyrer, Compatron der Kirche, dar.

20) Weibliche Heilige, mit weißem, über den Kopf gezogenem Schleier, mit goldenem Haare und blauen Augen, auf der Rechten eine silberne Schüssel mit Fischen tragend, in der gesenkten Linken eine silberne bauchige Kanne: S. Elisabeth von Ungarn oder von Thüringen, Compatronin der Kirche. 1 )

B. Untere Reihe.

I. Rechter Flügel.

1) Ritter von brauner Gesichtsfarbe, mit schwarzem, gelocktem Haare und braunen Augen, ohne Bart, gekleidet wie S. Jürgen (S. 46), hat in beiden Händen Gegenstände gehalten, und zwar offenbar mit der Rechten eine Lanze, in der Linken einen Schild; es ist sicher S. Mauritius.

2) König in faltigem, mit Pelzwerk besetztem Rocke, der bis zu den Waden reicht und um die Leibesmitte von einem breiten Gürtel zusammengefaßt ist; über demselben trägt er einen auf der rechten Schulter geschlossenen Mantel. Haare und Bart sind lockig und rothblond. Er steht auf einem silbernen, grün lasirten, vierfüßigen und ungeflügelten Drachen mit bärtigem, gekröntem Menschenkopfe. Auf der Linken trägt der König eine Kugel; der Rechten fehlt das Attribut, eine Hellebarde: S. Olav von Norwegen.

3) Diakon mit lockigem, goldenem Haare und blauen Augen, wie S. Stephan (A 19) gekleidet, auf der Rechten einen Mühlenstein haltend, in der Linken einen Palmenzweig. Ein Mühlenstein ist Attribut des h. Quirinus. Da dieser aber Bischof war und sein Vorkommen in Meklenburg zweifelhaft ist 2 ), so wird man unseren Heiligen wohl für S. Vincenz den Diakonen ansehen müssen, dessen besondere Verehrung, und zwar neben S. Laurenz (s. 4), auch für


1) S. Elisabeth, nicht aber ein Hauptpatron der Kirche, S. Jürgen oder S. Martin, ist auf dem alten Rectoratssiegel der Kirche dargestellt, was damit zusammenhängen mag, daß der Landesherr das Patronat derselben 1270 dem Deutschen Orden schenkte (Mekl. U.=B. 1181), und bei diesem die h. Elisabeth in besonderer Verehrung stand.
2) Nach Mekl. U.=B. 5833 wäre freilich S. Quirin der Bischof Patron der Kirche zu Dobbertin, aber nach einem späteren klösterlichen Siegel ist es S. Quirin der Tribun, wie Dr. Wigger mir gefälligst mittheilt.
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Broda und Dobbertin nachzuweisen ist 1 ). Allerdings soll dieser einen Mühlenstein neben sich haben, auf dem ein Rabe sitzt; doch wird das Fehlen des Letzteren nicht von Bedeutung sein.

4) Diakon mit goldenem, lockigem Haare und blauen Augen, gekleidet wie der vorige, auf der Rechten ein Buch haltend, in der Linken den schwarzen Stiel eines abgebrochenen Geräthes, wie nicht zweifelhaft, eines Rostes: S. Laurenz, Patron der Stadt.

5) Bischof mit braunem, lockigem Haare und ebensolchem halblangem Barte, auch braunen Augen, die Rechte benedicirend emporhaltend, während der Stab in der Linken fehlt. Die Hände sind, wie auch bei den folgenden Bischöfen, mit weißen Handschuhen bekleidet, die auswendig und inwendig mit runden goldenen Monilien geschmückt sind. Da ein Attribut nicht vorhanden ist, so muß dahingestellt bleiben, welchen Heiligen man unter dieser Figur zu verstehen hat.

6) Bischof mit braunem Haare und braunen Augen, ein silbernes "Heldenschloß" (Fesselschloß) auf der Rechten haltend, während das Pedum in der Linken fehlt: S. Leonhard.

II. Mitteltheil.

a. Rechte Seite.

7) Bischof mit goldenem Haare und braunen Augen, auf der Rechten ein offenes Buch nach außen gekehrt vor sich haltend; der Hirtenstab fehlt in der Linken: S. Ambrosius, nach Maßgabe der drei folgenden Bilder.

8) Bischof mit goldenem Haare und braunen Augen, auf der Rechten ein geschlossenes Buch tragend. Der Hirtenstab in der Linken fehlt: S. Augustinus.

9) Cardinal mit braunem Haare und blauen Augen, in einen Mantel gehüllt und den Kopf mit einem breitgerandeten goldenen Hute bedeckt, auf der unbekleideten Rechten ein auswärts gekehrtes offenes Buch haltend, die Linke auf die Brust gelegt: S. Hieronymus.

10) Papst mit schwarzgrauem Haare und braunen Augen, in halblangem Mantel, unter dem die mit einer Parura geschmückte Alba hervorsieht, das Haupt bedeckt mit der


1) Mekl U.=B. 4485. 5833.
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rothen, mit drei goldenen Kronen gezierten Tiara, auf der Linken ein geschlossenes Buch haltend. Der Kreuzstab fehlt. Es ist S. Gregorius der Große.

b. Linke Seite.

11) Matrone mit über den Kopf gezogenem weißem Schleier, mit grauen Augen, auf der Rechten Maria mit dem Christkinde, auf der Linken einen goldenen Apfel tragend: S. Anna.

12) Weibliche Heilige mit braunen Augen, einen Schleier über den Kopf gezogen, hält auf der Rechten ein weißes cylindrisches Gefäß, auf welches sie mit der Linken zeigt: S. Maria Magdalena.

13) Weibliche Heilige mit goldenem Haare, blauen Augen und, wie alle folgenden mit Ausnahme von 17, goldener Krone und mit offenem Mantel. Das Attribut der Rechten fehlt und ebenso die halbe linke Hand; doch ist nach deutlichen Spuren und der Haltung der Figur kein Zweifel, daß sie auf der Rechten ein Rad trug und mit der Linken auf ein Schwert sich stützte, so daß es die h. Katharina von Alexandrien, eine in Meklenburg vormals vorzüglich verehrte Heilige, ist 1 ).

14) Eine Heilige in geschlossenem Mantel. In der Rechten fand sich nur ein durchaus nicht zu deutender Rest eines Attributs; doch zeigte die Oeffnung der Hand, daß es kein Gegenstand von irgend Umfang gewesen sein konnte. Auf der Linken hatte sich ein Fragment des runden Fußes von einem Gefäße erhalten. Dies kann ein Kohlenbecken, das verlorene Geräth in der Rechten eine Zange gewesen sein, und darf daher diese Heilige wohl für S. Agathe angesehen werden.

III. Linker Flügel.

15) Heilige in offenem Mantel, mit der Linken ein Buch tragend, auf dem ein Lamm liegt, die Rechte fehlend: S. Agnes, Compatronin der Kirche 2 ).

16) Heilige in offenem Mantel, ein Buch auf der Rechten tragend, das Attribut in der geschlossenen Linken fehlt. Dasselbe kann sehr wohl ein Pfeil gewesen sein, und wird


1) Während ich die Verehrung der h. Katharina an 58 Orten nachweisen kann, fand ich die des Ritters S. Jürgen, welcher die nächsthöchste Zahl im Vorkommen erreicht, nur an 44 Orten.
2) S. u. d. Urkunde.
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man diese Figur um so eher als die h. Ursula ansehen können, als diese auch auf den Chorschranken dargestellt ist.

17) Heilige in geschlossenem Mantel, welche, statt mit einer Krone geschmückt zu sein, wie die anderen, einen abwechselnd mit rothen und weißen Rosen besteckten grünen Kranz auf dem Kopfe hat, auf der Rechten einen goldenen geflochtenen Korb mit Rosen tragend: S. Dorothea; das der Linken fehlende Attribut wird ein Palmenzweig, wenn nicht, wie auf einem Wandgemälde in der Wollenweber=Capelle, ein Rosenzweig, gewesen sein.

18) Heilige mit offenem Mantel, die Rechte auf die Brust gelegt, auf der Linken einen rothen Thurm mit silbernem Dache tragend: S. Barbara.

19) Heilige in geschlossenem Mantel, auf der Linken ein geschlossenes Buch haltend, auf welches sie mit der Rechten deutet. Es ist kein Attribut vorhanden und auch nie vorhanden gewesen, so daß sich nicht bestimmen läßt, welche Heilige die Figur darstellen soll.

20) Heilige mit geschlossenem Mantel, um den Hals ein runder Kragen von Grauwerk (oder Hermelin?), mit welchem auch die Kleidung gefuttert ist. Sie trägt auf der Linken ein Buch, während die vorwärts gewendete Rechte, welche das Attribut gehalten hat, völlig fehlt. Wir haben demnach in einem solchen keinen Anhalt für die Deutung der Figur; doch darf man jedenfalls aus der mit Pelzwerk ausgestatteten Kleidung schließen, daß es eine Heilige von vornehmer, vielleicht königlicher Abkunft sei, und an die h. Brigitta von Schweden oder die h. Clara denken, deren Verehrung in Meklenburg bekannt ist, oder aber an S. Katharina von Schweden, deren Verehrung bei uns sich jedoch nicht nachweisen läßt. Jene - so S. Brigitta auf einem aus dem Schwarzen Kloster stammenden Altarschrein - pflegen aber in Ordenstracht dargestellt zu werden, für die h. Brigitta könnte vielleicht aber der Platz am Ende der Reihe sprechen, da dieselbe erst 1391 canonisirt worden ist. Es muß bis auf Weiteres unentschieden bleiben, welche Heilige mit dieser Figur gemeint ist.

Der ohne Unterlage von Leinewand hergestellte Kreidegrund des Schreins, auf dem die Figuren und Baldachine befestigt sind, ist vergoldet, polirt und ohne weiteres Ornament als die um die Köpfe der Heiligen eingepunzten Nimben; hinter den Figuren aber ist er weiß geblieben und

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hinter den Baldachinen roth gestrichen. Ebenso sind die Seitenwände des Schreins zinnoberroth gefärbt und mit Reihen von goldenen Vierblättern, welche mittelst Patronen darauf gesetzt sind, geschmückt. Die vordere Kante des Rahmens ist vergoldet und die Hohlkehle blau bemalt, und zwar wie überall an dem Schreine mit einem Blau, welches nicht Kobalt, geschweige denn Ultramarin ist, sondern, nach der Untersuchung des Herrn Lössin in Wismar, blauer Grünspan.

Mit Blau sind auch die Hohlkehlen der Baldachine gefärbt, deren derbere Theile polirt sind, während das Gold auf die feineren Theile ohne Grund aufgetragen und unpolirt geblieben ist. Die gewölbartig gehaltenen Decken der Baldachine sind mit vergoldeten Schlußsteinen und blauen Rippen versehen, die Kappen aber weiß gestrichen und mit rothen Linien eingefaßt.

Die Gewänder der Figuren sind, so weit nicht eine andere Färbung natürlich war, wie z. B. bei den Alben der Geistlichen, oder insofern ein Anderes nicht ausdrücklich angegeben ist, vergoldet und polirt und ohne weitere Verzierung mittelst Pinsel oder Punzen; nur am oberen Rande von Marias Kleide ist eine Bordure, eine zarte Blattranke enthaltend, eingepunzt. Die untere Seite der Gewänder der Figuren ist allenthalben blau und nur dort von Pelzwerk, wo solches bemerkt ist.

Die Bekrönung besteht aus 24 stark geschlitzten, stilisirten Blättern 1 ), welche vergoldet und eins um das andere mit Blau und mit Roth staffirt sind; zwischen je zwei Blätter ist immer eine Knospe eingeschaltet. Der Umriß der Blätter auf den Flügeln deckt, wenn der Schrein geschlossen ist, das entsprechende auf dem Mitteltheile genau und vollständig.

Schließt man die inneren Schreinflügel, so kommen deren Rückseiten und die inneren Seiten der äußeren Flügel zu Gesicht, von denen jede vier in Oel auf vergoldeten Grund gemalte Bilder enthält, so daß im Ganzen sechszehn Bilder da sind. Ein mit der schwarzen Einfassung 11 Zoll breites Band zieht sich der Quere nach über jede Tafel, so daß immer zwei Bilder oberhalb, zwei unterhalb desselben sich befinden, die von einander durch einen 3 3/4 Zoll breiten, ornamentirten senkrechten Streifen getrennt sind. Das Or=


1) Soweit sind sie ergänzt, es haben aber auch die äußeren Flügel früher eine Bekrönung gehabt.
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nament besteht aus Doppelblättern auf abwechselnd grün und roth lasirtem Grunde, welche zwischen die Rundungen mit einem Stern eingeschaltet sind. Auf dem Querbande sind je fünf Rundbilder, also im Ganzen zwanzig angebracht, welche auf Goldgrund männliche Halbfiguren mit Spruchbändern enthalten, und zwar so gestellt, daß die vier äußeren Figuren jeder Tafel der Mitte des Schreins sich zuwenden, während die fünfte sich jenen entgegenkehrt. Zwischen den Medaillons ist der Grund abwechselnd grün und roth lasirt und goldenes Eichenlaub darauf gemalt, Alles aber, wie die Bilder selbst, und zwar je weiter nach außen, desto mehr, und stärker auf den Tafeln an der Nordseite als an denen der Südseite, arg beschädigt. Insbesondere haben die Spruchbänder nicht allein durch Lockerung und Abfallen des Grundes gelitten, sondern auch, wo dieser erhalten, dadurch, daß die schwarze Farbe der Buchstaben nicht gehörig gehaftet hat und abgerieselt ist, so daß man nur noch deren braune Spuren ohne scharfe Umrisse auf den weißen Bändern sieht.

Die Darstellungen in den Rundbildern sind folgende:

I. Rechter äußerer Flügel.

1) Bärtiger Mann, dessen Kopf mit einem Tuche umwunden ist.

2) Ein Mann ohne Bart, dessen Haupt eine Kappe bedeckt.

3) Ein Papst mit Kehlbart.

4) Ein Bärtiger mit einem Hute.

5) Ein Mann in brauner Kutte. Von der Aufschrift des Spruchbandes erkennt man noch:

Spruchband

II. Rechter innerer Flügel.

1) Ein König mit grauem Barte.

2) Ein gleicher. Von der Legende auf dem Spruchbande lesbar:

Spruchband

3) Ein Cardinal. Legendenrest:

Legendenrest

4) Ein Bärtiger. Legendenrest:

Legendenrest
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5) Eine Figur, einem Eccehomo gleichend. Von der Legende ist lesbar:

Legende

III. Linker innerer Flügel.

1) Fehlend.

2) Mann mit einem Tuche um den Kopf. Von der Legende erkennt man:

Legende

3) Ein Bischof.

4) und 5) Fehlen.

IV. Linker äußerer Flügel.

1) Bärtiger Greis. Auf dem Spruchbande:

Spruchband

2) Bärtiger Greis, mit der Aufschrift auf dem Spruchbande:

Spruchband

3) Ein Bischof.

4) Ein Bärtiger mit einem Tuche um den Kopf.

5) Bärtiger Greis. Legende:

Legende

Wenn es keinem Zweifel unterliegen kann, daß die mittleren Figuren jeder Tafel als die vier großen Kirchenlehrer anzusehen sind, und die Zahl der übrigen derjenigen der Propheten entspricht, so liegt es nahe, diese als solche zu deuten; aber es wäre auch die Uebereinstimmung der Zahl und die Zusammenstellung mit jenen das alleinige Fundament dieser Annahme. Die Tracht der dargestellten Personen ist nur zum Theil als prophetische anzusehen, und wenn man auch den mönchischen Habit der Gestalt I, 5 passiren lassen möchte, so sind doch die beiden Könige II, 1, 2 gewiß recht sehr Bedenken erregend, und ist es ganz besonders die Gestalt II, 5. Ebensowenig führen die Aufschriften der Spruchbänder auf die Propheten hin, da dieselben theils zu fragmentär sind, theils, wo vollständiger, schlechterdings auf bestimmte Persönlichkeiten sich nicht beziehen lassen, ja nicht einmal nachweisbar und aus beliebigen Stellen der biblischen Bücher umgebildet zu sein scheinen. So erinnert zwar I, 5

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an Jonas, II, 3: Clamavi de tribulacione mea ad dominum, II. 2 an Jesaias, IX, 6: factus est principatus super humerum ejus, II. 4 an das Hohelied, III, 11: videte, filiae Sion regem Salomonem in diademate, III, 2 an Ps. LXXXIV, 13: et terra nostra dabit fructum suum, oder LXVI. 7: terra dedit fructum suum, III, 5 an Jonas, II, 8: ut veniat ad te oratio mea ad templum sanctum tuum; von einer völligen Uebereinstimmung aber kann nirgend die Rede sein.

War nun dieser Fries stark beschädigt, so hat die Zerstörung die viermal vier Bilder selbst verhältnißmäßig noch stärker mitgenommen, und zwar wiederum diejenigen auf den äußeren Flügeln mehr als die auf den inneren, und weiter die, welche zu äußerst sind, mehr als die einwärts befindlichen, die auf der Nordseite mehr als die auf der entgegengesetzten.

I. Rechter äußerer Flügel.

A. Obere Reihe.

1) Nur wenige Quadratzolle haben sich erhalten, während jedes Bild 4 Fuß 7 Zoll hoch und 3 1/2 Fuß breit ist, also einen Inhalt von 2310 Quadratzollen hat; doch lassen theils die Reste, theils Spuren auf dem nackten Tafelholze erkennen, daß an der rechten Seite eine auf einem Thronsessel sitzende Figur, seitlich und hinterwärts von dieser eine stehende und ein vor dem Throne, aber abgewendet von dem selben, Knieender dargestellt waren.

2) Das Bild daneben stellt einen jugendlichen Mann mit schlichtem blondem Haare dar, welcher nackt mit den Händen an eine auf zwei Bäume gelegte Stange gehängt ist. Der nur mit einem Lendentuche bedeckte Körper zeigt überall Schnittwunden, welche ein zur Linken stehender Kerl noch vermehrt und mit einer Fackel brennt, während ein anderer daneben weit ausholend den Hängenden mit einem Knittel schlägt. Rechts stehen noch zwei Peiniger, von denen der eine ein Salzfaß hält, mit dessen Inhalt der andere die Wunden des Gemarterten reibt. Noch weiter rechts steht ein Graubart mit einem Turban auf dem Kopfe und in langem Gewande von Brokat, einen Säbel in der Rechten tragend, und hinter demselben noch eine Person.

3) Auf dem Bilde unten rechts sieht man in einer ländlichen vierseitigen Kufe, die auf einem Roste ruht und mit einer durch darunter angebrachtes Feuer leicht wallenden

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Materie gefüllt ist, denselben Jüngling wie oben in betender Stellung sitzen. Fünf Personen, alle mit mahnenden oder verweisenden Geberden, stehen um die Kufe her.

4) Das letzte Bild zeigt ebendenselben Jüngling auf blumigem Boden betend und linkshin knieend, den Hals entblößt, während, dem Beschauer mit dem Rucken zugewendet, ein Kerl in gelbem Wamse und blauen Hosen in Begriff ist, demselben mit weit ausgeholtem Säbel den Kopf abzuschlagen. Rechts steht ein Mann in reicher Kleidung mit faltiger spitzer Mütze, auf ein großes Schwert sich stützend, und hinter ihm ein andere der ihm etwas zuraunt. Ganz links stehen noch zwei, von denen der eine eine mit Hermelin besetzte cylindrische Kappe trägt und einen Brokatrock, unter dem nackte, nur mit einer gewulsteten Umhüllung um die Unterschenkel bekleidete Beine hervorsehen.

Diese vier Bilder vergegenwärtigen demnach S. Jürgens Martyrium, eines aus Kappadocien gebürtigen Ritters, welcher, als er während der Verfolgung zur Zeit Diocletians und Maximians viele Christen ihren Glauben verleugnen sah, unwillig vor den Statthalter Dacian trat und sich zum Herrn der Himmel bekannte. Das wird Vorwurf des ersten Bildes sein. Das zweite Bild stellt S. Jürgen dar, wie er gepeinigt wird; was in dieser Weise ebenso vergeblich war wie andere Martern, von denen das Sieden in geschmolzenem Blei auf dem dritten Bilde geschildert ist. Schließlich wurde er, wie das letzte Bild zeigt, enthauptet. (Um 287 nach Lomb. hist. LVI.)

II. Linker äußerer Flügel.

1) Auf dem Bilde oben rechts sieht man aus einem Thore, gefolgt von einem Knappen, einen jugendlichen Ritter auf reich gezäumtem Schimmel reiten und seinen pelzbesetzten Mantel mit dem Schwerte theilen. Vor ihm kniet ein nackter Mensch ohne Füße und streckt die Arme zu ihm empor. Links stehen drei Personen, die dem Vorgange zuschauen. Ganz oben im Bilde ist in einer Rundung Christus, nackt und in halber Figur dargestellt und zwei Engel neben ihm, welche ein Gewandstück von der Farbe des Mantels, den der Ritter zerschneidet, halten.

2) Das Bild daneben stellt einen sitzenden Bischof dar, welchem zwei andere die Mitra auf das Haupt setzen.

3) Das Bild unten rechts zeigt vor einem Altare einen Bischof, die Hostie erhebende während zwei fliegende Engel

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an seine Arme greifen. Ganz links kniet ein Ministrant, eine am Altane befestigte Schelle ziehend, und hinter dem Bischofe, rechts, stehen sechs Geistliche, von denen einer die Mitra trägt, ein zweiter die Patene, ein dritter ein Tuch, wie es scheint.

4) Auf dem Bilde unten links sieht man unter einer Laube (architektonisch) in weißem Gewande einen Sterbenden auf einer Matte liegen. Ein Priester giebt ihm die letzte Oelung. Links steht ein anderer mit einem Vortragkreuze, rechts einer mit einem Asaperaill, ein anderer mit einem Rauchfaße, ein dritter eine Kerze haltend.

Die Bilder stellen zweifellos die Geschichte des h. Martin dar. S. Martin, in pannonien geboren, in Ravia erzogen, diente unter Constantius und Julianus anstatt seines Vaters, eines Krieastribunen. Noch Katechumen, gab er einem nackten Armen zur Winterszeit seinen halben Mantel, worauf der Heiland ihm in der Nacht erschien, angethan mit dem weg= gegebenen Theile des Mantels und die Worte sprechend:

Martmus adhuc cathecummus hac me veste contexit. Diesen Voraana sehen wir im ersten Bilde. Demnach ließ er sich taufen und wurde in der Feige Bischof von Tours: das zweite Bild. Als er einmal bei der Messe die Arme emporhob, fielen, da dieselben äußerst mager waren, die Aermel zurück, so daß die Arme entblößt wurden; Engel kamen und bedeckten dieselben mit goldenen, mit edelen Steinen geschmückten Ketten. Letztere sieht man auf dem dritten Bilde, welches ohne Zweifel diesen Vorgang veranschaulichen soll, freilich nicht, und der Maler hat sich gestattet die Legende dahin abzuändern, daß die Engel die Arme mit dem Gewande bedecken. Endlich starb der h. Martin (um 400), indem er, von einem Fieber ergriffen, Anerbietungen ihn weicher zu betten zurückwies und darauf beharrte, in gewohnter Weise auf einer Haardecke (cilicium) und Asche zu liegen, was Gegenstand des letzten Bildes ist.

III. Linker innerer Flügel 1 ).

1) Maria sitzt in einem röthlichen Brokatkleide, über welches ein dunkelblauer, grünlich gefütterter Mantel geworfen ist, mit einem Buche auf dem Schöße rechts gewendet unter einer Laube. Ihr entgegen kniet der Erzengel Gabriel


1) Man hätte die Vilder dieses Flügels auf dem rechten vermuthet und umgekehrt.
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in bräunlichem Brokatmantel über der Albe, Maria mit dem

Spruchband

was man auf einem daneben angebrachten Spruchbande liest, grüßend. Im Vordergrunde steht ein silbernes oder zinnernes Gefäß von Kannenform mit einer Lilienstange darin.

2) Auf dem Boden liegt in einer Stralenglorie das nackte Christkind, gegen welches Maria, hier in weißem Gewande, betend kniet. Zwei kleine Engel halten hinter der Gruppe ein rothbraunes Brokatstück. Dahinter erhebt sich ein Schuppen, in dem man den Nährvater Joseph in gelbem Wamse und mit einer blauen Gugel bedeckt (ohne Nimbus) sieht; unter einer Anlehnung stehen Rind und Esel. Links zeigt sich ein Hirte mit Schafen und darüber schwebend ein Engel mit einem Spruchbande mit dem

Spruchband

Am oberen Rande des Bildes schaut aus einer Rundung mit blauem Grunde Gott Vater, auf die Weltkugel in seiner Linken zeigend.

3) Maria, unter dem Schuppen sitzend, hält das nackte Christkind auf dem Schoße. Vor demselben kniet Kaspar mit kahlem Scheitel, den das Christkind berührt, verehrend, indem er seine Krone vor sich auf den Boden gelegt hat. Daneben und rückwärts stehen Balthasar, jugendlich, blond, mit schwachem Barte, ein beschlagenes Horn tragend, und der braune Melchior mit langem krausem Barte, ein hohes goldenes Gefäß, wie ein Rokal gestaltet, haltend. Hinter ihnen sehen drei Personen hervor. Ganz rechts bückt sich Joseph, neben dem ein Krückstock liegt, im Begriffe das von Kaspar dargebrachte Geschenk in eine kleine Truhe zu thun.

4) Neben einem Ciborienaltar steht links Maria, rechts Simeon, welcher das Christkind entgegen nimmt. Hinter und neben diesem steht Joseph mit zwei Begleitern, links hinter Maria eine weibliche Person, die eine Kerze und einen Korb mit zwei Tauben trägt.

IV. Rechter innerer Flügel.

1) Unter einer Laube steht Christus nackt, mit den Armen an eine Säule gebunden; zwei knieende Kerle schnüren die Beine fest, und zwei andere schlagen ihn mit Geißeln.

2) Christus sitzt in rothem Mantel auf einer Thronbank, und drei grauhaarige Kerle mit Hüten, deren breiter Rand vorne in die Höhe geklappt ist, drücken ihm mittelst zweier Stäbe die Dornenkrone auf das Haupt; ein vierter, mit

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einer rothen Gugel auf dem Kopfe, einen Palmzweig in der Linken, salutirt ihn knieend und verhöhnt ihn.

3) Christus schleppt das Kreuz, gefolgt von Maria, Maria Magdalena und Johannes d. E. Zwei Kriegsknechte und ein Mann, der mittelst eines Spatens einen Korb auf der Schulter trägt, begleiten ihn.

4) Christus am Kreuze hangend, dessen oberer Arm nur die Länge hat, um den Titel aufnehmen zu können, zu seiner Rechten Maria, Maria Magdalena und Johannes, zur Linken drei reich gekleidete Männer, neben deren vorderstem ein Spruchband angebracht ist mit der Legende:

Spruchband

Es ist also der Hauptmann, der Centurio Lonainus. Hinter der Gruppe zur Rechten steht ein Mann, der die Seite des Heilandes mit einem Speere öffnet. Noch weiter rückwärts sieht man das Kreuz des guten Schächers, des Dismas, dessen Seele in Kindsgestalt ein Engel in Empfang nimmt, während hinter der Gruppe zur Linken sich Gestas am Kreuze zeigt, dessen Seele ein Teufel packt.

Der Rahmen, welcher diese Bilder umschloß, war roth (der Grund ist zumeist abgefallen) und, nach der Analogie der äußeren Seiten, wohl mit Gold ornamentirt.

Die äußeren Seiten der Außenflügel befinden sich bezüglich der Bilder im trostlosesten Ruin, was kein Wunder, da der Schrein seit vielleicht dreihundert Jahren nicht mehr völlig geschlossen worden ist, wie die mit Kreide auf den linken Flügel geschriebenen Zahlen beweisen, unter denen die Daten 1637 und 1649 sich finden. Die Decoration des Rahmens ist auf dieser Seite aber völlig deutlich geblieben. Der Rahmen ist bei einer Breite von 5 1/2 Zoll einfach rechteckig und nur gegen die Bilder, nach innen, flach abgeschrägt. Diese Schräge oder Abfasung ist grünlich grau, und auf diesen Grund ein leichtes Ornament mit Gold aufgetragen, welches einem Taue gleicht, an dem in gewissen Abständen Knoten angebracht sind; der übrige Rahmen aber ist roth gefärbt und mit Ornamenten in Gold verziert, welches gegenwärtig jedoch fast überall gänzlich schwarz geworden ist. Die Ornamente bestehen auf den senkrechten und unteren Rahmenstücken aus geschwungenen, stark geschlitzten Blättern, auf den oberen Stücken aber sind sie complicirter, einer Riemenverschlingung ähnlich.

Jeder Flügel ist durch ein goldenes, 4 1/2 Zoll breites Band, welches mit Laubwerk und Sternrosetten dazwischen

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geschmückt ist, in zwei Abtheilungen, eine obere und eine untere, gebracht, deren jede drei Figuren enthielt, welche auf einem gequaderten Boden stehen, der hinterwärts gegen den rochen, mit einem goldenen Streumuster verzierten Grund durch eine grünlich=graue niedrige Schranke abgeschlossen ist. Von den Figuren ist noch Folgendes sichtbar und kenntlich.

A. Obere Reihe.

I. Rechter Flügel.

1) Reste eines Panzers, der Handgriff eines Schwertes an der linken Seite der Figur und Drachenflügel rechts.

2) Reste eines grünen Mantels mit goldener Borte, der ersichtlich durch die Arme gedehnt wird, und eines grauen engen Rockes.

3) Von dieser Figur ist absolut nichts erhalten.

II. Linker Flügel.

4) Aus den Resten dieser Figur ist nichts zu erkennen.

5) Reste eines gelblich=rothen (?), weiß gefutterten Mantels und eines grünen, mit Pelz besetzten Rockes, der von einem breiten goldenen Lendengürtel umspannt ist, so wie einer Hand, welche ein goldenes Gefäß - kugelig auf einem Fuße - hält.

6) Ein bartloser blonder Mann, dessen Haupt ein mit goldener Bekrönung versehener Turban deckt, in grünem, mit schmaler Verbrämung von Pelz besetztem Rocke mit lang geschlitzten Aermeln und mit rothen Strümpfen, trägt ein pokalförmiges goldenes Gefäß. Er hat keinen Nimbus.

B. Untere Reihe.

I. Rechter Flügel.

1) Reste eines rothen Gewandes mit goldenem Ornament und silberner Borte.

2) Reste eines Heiligen mit grauem Haar und Bart, bekleidet mit einem blaugrünen, roth gefutterten Gewande, welches durch einen Gurt zusammengefaßt ist. Er trug ein Buch auf der Hand und hat entschieden den Habitus eines Apostels.

3) Geringe Reste eines dunkelblauen Gewandes.

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II. Linker Flügel.

4) Reste eines weiblichen, mit einem Tuche bedeckten Kopfes und eines grauen Gewandes.

5) Eine weibliche Heilige mit goldenem Haare, einem grünen, mit einer Goldborte versehenen und durch ein goldenes Schloß zusammengefaßten Mantel, welche ein Lamm trägt.

6) Weibliche Heilige in dunkelblauem, roth gefuttertem Mantel, welche in der Rechten einen Weihwedel hält. Im Nimbus dieser Figur haben sich unkenntliche Spuren eingepunzter Buchstaben erhalten.

Die Figuren sind also nur theilweise kenntlich. Die letzte Figur stellt die h. Martha, Lazarus' Schwester dar, und die vorletzte S. Agnes, Patronin der Kirche, welche auch auf der geschnitzten Tafel, wie oben angegeben, zur Darstellung gekommen ist. Demnach ist zu muthmaßen, daß auch die übrigen Patrone hier zur Anschauung gebracht sind, und die Tracht der neben S. Agnes stehenden Weiblichen Figur entspricht auch durchaus derjenigen der h. Elisabeth. Die über diesen angebrachten Figuren ohne Nimben sind zweifellos die drei Weisen aus dem Morgenlande.

Die Reste der ersten und zweiten Figur auf dem rechten Flügel sprechen dafür, daß diese S. Jürgen und S. Martin darstellten, und wird S. Stephan der dritte in der Reihe gewesen sein, während in der unteren die Apostel Simon und Judas standen und noch ein heiliger Mann, über welchen jedoch die vorhandenen Reste keine Muthmaßung gestatten.

Diese Seite der Außenflügel ist in ihrem alten Zustande verblieben.

Die Predella, Staffel oder der Fuß, wie man bei uns sagte 1 ), ist mit einem Bilde geschmückt, welches Dank dem Schutze einer schlechten Schilderei, die man vor etwas mehr als rund 200 Jahren davor genagelt hatte, bis auf einzelne Beschädigungen leidlich wohl erhalten war. Dasselbe zeigt auf zinnoberrothem, mit goldenen Röschen belegtem Grunde neun Halbfiguren. In der Mitte ist Christus als Ecce homo dargestellt. Er trägt einen weißen Lendenschurz, und die Schultern sind mit einem weißen, roth gefutterten Mantel bedeckt. Im rechten Arme hält er die Ruthe und weist auf die Wunde in der Seite, während er im linken die Nägel


1) Item ene ghemalde taffelen mit enem vote vnde mit v vloghelen, Wism. Inventur=Buch fol. 61.
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hält und mit der Hand die Geisel. Rechts unten sieht man ein Zahlbrett mit Geld, auswärts die Säule, welcher, zur Linken aufgerichtet, der Stab mit dem Schwämme und die Lanze entsprechen. In den Nimbus ist die Umschrift eingepunzt:

Umschrift

d. i. Ecce ag[n]us dei, ecce qui tollit peccata mu[n]d[i]. Joh. 1, 29.

Christus zur Rechten sind vier Personen ohne Nimben, zur Linken vier mit solchen dargestellt, jenes Laien, diese Geistliche.

Christus zunächst zur Rechten sieht man einen Greis mit langem Haare und Barte, der über einem Turban eine Krone trägt und mit einem hellgrünen, mit Pelz verbrämten Brokat=Ueberwurfe, unter welchem ein blaugrünes Wamms hervorsteht, bekleidet ist. Auf dem ihm beigegebenen Spruchbande liest man:

Spruchband

d. i. Dicite in gentibus, quia dominus regnauit, Ps. 95.

Der Zweite, ebenfalls mit Turban und Krone, hat rothblondes Haar und einen ebensolchen langen Bart, und trägt über einem rothen Brokatrocke einen mit Pelz besetzten Mantel von grünem Silberbrokat. Die Aufschrift seines Spruchbandes lautet:

Spruchband

d. i. Dilectus meus candidus et rubicundus electus ex milibus. Hohel. 5, 10.

Der Dritte, der mit einem Turban von hellgrünem Brokat bedeckt ist, trägt ein dunkelrothes Kleid und einen grünen Mantel darüber. Seine Gesichtsfarbe ist braun, und Haare und Bart sind schwarz und lang. Die ihm beigegebene Legende heißt:

Legende

d. i. A planta pedis vsque ad verticem non est in eo sanitas propter iniquitates nostras. Jes. 1, 6.

Der Vierte und Letzte, mit langem graublondem Haare und Barte, hat einen Rock von rothem Brokat und darüber einen grünen Mantel, der auf der linken Schulter mit goldenen Knöpfen geschlossen ist. Er trägt einen spitzen Hut mit breitem Rande, der vorne in die Höhe geschlagen und

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dort mit einer senkrechten Goldborte besetzt ist. Die Aufschrift seines Spruchbandes lautet:

Spruchband

d. i. Dedit dilectam animam suam m manibus inimicorum suorum, nach Jes. 12, 7.

Links des Ecce=homo steht, wie die rothe, dreifach gekrönte Tiara ergiebt, ein Papst in weißem Gewande und mit rothem, dunkelgrün gefuttertem Mantel; die in seinen Nimbus eingepunzte Umschrift bezeichnet ihn als

Umschrift

d. i. Sanctus Gregori[us] papa e(c)t doctor.

Ihm zunächst steht ein Cardinal mit seinem scharlachrothen Hute in weißem Gewande und carmoisinrothem, dunkelgrün gefuttertem Mantel. Im Nimbus liest man:

Spruchband

d. i. Sanctus Iheronimus doctor.

Dann folgt ein Bischof mit weißer, goldbordirter Mitra und einer Kasel von rothem Brokat, welche hellgrün gefuttert ist. Auf dem Rücken der in der Mitte roth durchzogenen Handschuhe sieht man eine viereckige Goldstickerei (monile). Der Bischofsstab ist weiß, die Krümmung desselben golden, und ein Sudarium darunter befestigt. Im Nimbus steht:

Spruchband

d. i. Sanctus Au[gu]stinus doctor.

Der Letzte trägt eine rothe Mitra und eine Kasel von graugrünem Silberbrokat, die dunkelgrün gefuttert ist; Handschuhe und Pedum gleichen denen des h. Augustinus. Die Nimbusumschrift bezeichnet diesen Bischof als

Spruchband

d. i. Sanctus Ambrosius doctor.

Auch diesen vier Figuren sind Spruchbänder beigegeben; doch ist es allein bei dem des h. Ambrosius gelungen, seine Legende zu entziffern. Sie heißt:

Legende

d. i. Per passionem Cristi de morte ad vitam vocati sumus.

Auf dieser, der linken Seite sind also die vier großen Kirchenlehrer dargestellt, und gleich sicher sind es die h. drei Könige, welche neben Christus zur Rechten angebracht sind. Zweifelhaft aber erscheint es, wen die Figur hinter den letzteren, die vierte der rechten Seite, darstellen soll. An den

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Nährvater des Erlösers oder den Simeon ist nicht zu denken, da dieselben als Greise dargestellt sein würden, während ein Hirte einfacher, Longin kriegerischer gekleidet sein müßte. Vielleicht darf man auf den Ratsherrn Joseph von Arimathia rathen, zumal auch für diesen ein eigener Gedächtnißtag von der Kirche angeordnet sein soll 1 ).

Die Seiten des Fußes sind roth gestrichen, und Reihen von goldenen Vierblättern mittelst Patronen daraufgesetzt.

Es ist oben bereits gesagt, daß derjenige Theil des festen Schreins, welcher Marien Krönung enthält, tiefer ist als der übrige Schrein und hinterwärts kastenartig hervortritt. Die größere mittlere Tafel, welche also die Rückwand bildet, ist auswärts bemalt, aber nicht in Oel, sondern Tempera; doch sind die darauf ausgeführten Bilder zum Theil durch den Einfluß der Luft, noch mehr aber durch blöde Tröpfe und absichtlich beschädigt worden. Zwei rothe, mit gelben Röschen belegte, fingerbreite Bänder trennen die drei Bilder, die über einander angeordnet sind.

Die erste Abtheilung, die oberste, enthielt drei Figuren, von denen die rechte vollständig abgekratzt ist; nur das dieselbe begleitende Spruchband mit seiner Aufschrift hat sich erhalten, welche lautet:

Spruchband

Diese Legende zusammen gehalten mit den beiden folgenden Bildern, läßt nicht bezweifeln, daß es der Teufel gewesen ist, den die abgekratzte Figur dargestellt hat. Die mittlere Figur bildet ein jüngerer Mann, bartlos und mit langem blondem Haare, das Haupt mit einem rothen Barette bedeckt, in einem kurzen, mit weißem Pelze besetzten, faltigen Brokatrocke und die Füße mit rothen langschnabeligen Schuhen bekleidet. Die Aufschrift seines Spruchbandes lautet:

Spruchband

Um den Hals des jungen Mannes ist eine goldene Kette befestigt, welche der Teufel hielt, um die Leibesmitte eine eiserne, welche die linke Figur, ein Engel in weißem Gewande, und mit röthlichen Flügeln in der Hand hat. Neben


1) Clemens, die - apokryph. Evangelien, IV, S. 40.
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Letzterem flattert gleichfalls ein Spruchband, dessen Aufschrift lautet:

Aufschrift

Die mittlere Abtheilung enthält vier Figuren. Rechts erkennt man die Reste eines Teufels, der roth gefiedert war und Vogelfüße hat, und dessen Beischrift lautet:

Beischrift

Dann folgt zunächst ein Mann in enge anschließendem kurzem Rocke, mit braunem Hute, einer Tasche am Gürtel und mit rothen Schnabelschuhen. Die Legende seines Spruchbandes ist nicht mehr lesbar. Neben ihm steht wieder der Engel, von dessen Beischrift nur zu entziffern ist:

Beischrift

Ganz an der linken Seite sieht man in einer Kapelle einen Priester vor einem mit einem Marienbilde geschmückten und mit zwei Leuchtern besetzten Altare knieend beten; ein Spruchband ist demselben nicht beigegeben.

Auf dem dritten und untersten Bilde steht an der rechten Seite wiederum ein Teufel, der hier aber grasgrün sich zeigt und einen langen Schwanz hat. In der Hand hat er die goldene Kette, die oder nicht mehr an einer zweiten Person befestigt ist. Auf einem Spruchbande neben ihm erkennt man:

Spruchband

Dann folgt der Engel, dessen Legende auf dem Spruchbande völlig unlesbar ist, und darauf ein Knieender, eben noch erkennbar, von dessen Legende gleichfalls nichts erhalten ist. Er kniet vor einem sitzenden Priester, der ein Spruchband neben sich hat, auf dem man noch liest:

Spruchband

Was diese Bilder anzeigen sollen, ist handgreiflich: die Möglichkeit aus den Banden des Teufels gerettet zu werden und der Weg dazu. Der Untergang der Bilder scheint kein großer Verlust; immerhin ist es aber bei unserer Armuth an solchen Darstellungen, die aus dem Kreise der heiligen Geschichte und der der Heiligen heraustreten, ein Verlust 1 ).


1) Die Anbringung des Bildes hinter dem Schreine beweist übrigens, daß ehedem auch die Rückseite des Schreins sichtbar, der Chor ursprünglich zwischen den beiden östlichsten Pfeilern durch eine Gitterschranke geschlossen war, ehe das jetzt dort befindliche Uhrwerkgehäuse angebracht wurde.
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Die architektonischen Theile des Schreins sind auf das Beste in reinem Stile entworfen und mit einem außerordentlichen Reichthum von Mustern im Maßwerke zierlichst ausgeführt. Nur die beiden Baldachine über der Mittelgruppe haben etwas Schweres und verrathen eine gewisse Verlegenheit des Künstlers, während eine Abweichung vom strengen Stile sich darin zu erkennen giebt, daß die Bogen der Baldachine nicht reine Spitzbogen sind, sondern dem Eselrücken=Bogen sich nähern oder, präciser ausgedrückt, ein wenig überhöhete und geschneppte Rundbogen sind. Die Figuren anlangend, so sind dieselben von ungleichem Werthe; denn so vortrefflich einerseits z. B. der h. Laurentius oder die h. Barbara, so wenig gelungen sind der Ritter S. Jürgen oder der h. Gregor. Durchgängig sind die Gestalten zu kurz, die Schultern zu schmal, die Köpfe zu groß: Mängel, welche der mittelalterlichen Bildnerei jedoch überhaupt eigen sind, aber theils im Gesammtbilde verschwinden, theils durch den geistigen Ausdruck der Figuren ausgeglichen werden. Die Haltung und die Bewegungen derselben sind natürlich und ungezwungen. Der Faltenfluß der Gewänder ist der Körperbewegung angemessen und leicht, und läßt weder eine symmetrische Starrheit noch unruhiges Gebrochensein bemerken; nur hie und da ist die Faltenbildung vielleicht ein wenig gehäuft. Die Individualisirung der einzelnen Gestalten, welcher, wie die oben gegebene Beschreibung zur Genüge ergiebt, die Bemalung noch zu Hülfe gekommen ist, ist eine sehr sorgfältige und gelungene. Ob und wie weit eine solche bezüglich der Gesichtsfarbe statt gefunden, ließ sich leider nicht ermitteln, da die Einwirkung des Staubes von viertehalb Jahrhunderten dieselbe gleichmäßig aschfarben gemacht hatte; nur der dunkle Teint des h. Mauritius war unverkennbar. Jedenfalls waren die Fleischtheile neben entschiedener Färbung der Wangen und der Lippen sehr hell, fast weißlich gehalten und haben, um mich eines treffenden Ausdrucks des Dr. Schlie zu bedienen, das Ansehen gehabt, als ob sie in Schmelz hergestellt waren; sie erschienen um so mehr so, als sie nicht matt gehalten, sondern entweder durch Ueberziehen mit einem Lack oder auf mechanischem Wege einen sanften Glanz erhalten hatten. Auch dies wird man als Merkmal eines höheren Alters ansehen dürfen, da die Gesichter und Hände der Bilder entschieden jüngerer Schreine in ihrer Färbung deutlich das Bestreben zeigen den Fleischton nachzuahmen.

Ebenso haben die Gemälde einen sehr alterthümlichen Charakter. Die Composition ist einigermaßen unbeholfen,

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die Modellirung geringe, die Farbengebung dunkel, aber sehr kräftig. Die Köpfe sind rundlich, die Linien von weicherem Fluße, als das bei Arbeiten späteren Ursprungs der Fall ist. Der Ausdruck der Innigkeit tritt mehr in der Haltung hervor als in den Mienen, wahrend heftige Affecte durch mehr oder minder übertriebene Bewegungen ausgesprochen sind. Ganz besonders ist das bei den Juden und Heiden der Fall, welche auffällig dunkel colorirt und häßlich sind, ohne daß der Heiland und die Seinen sich grade durch ansprechende Lieblichkeit auszeichneten, die statt dessen eher weichlich erscheinen. Immerhin sind die Gemälde von Bedeutung und in ihrer Gesammterscheinung ein würdiger Schmuck des Altars, ganz besonders aber für den beachtenswerth, welcher der Geschichte der Malerei in der Vorzeit unseres Landes Aufmerksamkeit und Studium zuwendet.

Die Frage nach dem Alter unseres Schreins ist mit Sicherheit dahin zu beantworten, daß derselbe wie die große Mehrzahl der Altarwerke, die uns geblieben sind, dem funfzehnten Jahrhunderte angehört. Das ergiebt sich schon aus einem äußeren Grunde, indem der Schrein für den vorhandenen Chor durchaus zu breit ist und seine Flügel gegen die nächsten Pfeiler schlagen, seine Dimensionen vielmehr dem Neubaue entsprechen, der nach einer an der nördlichen Thurmabseite angebrachten Inschrift von dieser her im Jahre 1404 begonnen, aber nicht weiter fertig geworden ist als bis zu dem dem Kreuzschiffe auf der Ostseite nächst belegenen Joche. Auf die ersten Decennien des Jahrhunderts dürfte die Tracht der nicht in conventioneller, sondern in der Kleidung des Tages dargestellten Personen hinweisen und nicht minder die Architektur des Schreins, die nur in den leicht geschneppten hängenden Rundbogen der Baldachine ein Abweichen von dem reinen und strengen Stile gewahren läßt. In dieser Hinsicht besitzen wir glücklicherweise als Grundlage zum Vergleiche noch einen anderen Schrein, den vom Krämer=Altar zu S. Marien, welcher freilich nicht datirt ist, dessen Entstehungszeit aber mit erheblicher Sicherheit in die Jahre 1411 bis 1415 zu setzen ist 1 ). Mit der Architektur dieses Schreins


1) Das Amt der Krämer kaufte nämlich 1411 einen Platz zu einer an den Umgang von S. Marien im Nordosten anzubauenden Kapelle, welche 1415 fertig gewesen sein muß, da in diesem Jahre in derselben eine Messe gestiftet wurde, was doch nicht eher geschehen sein kann, als bis die Kapelle ihre völlige Ausstattung erhalten hatte. Zu dieser gehört denn auch vorzugsweise der Altar mit seinem Schreine, dessen Ausführung ein Gerd Dikmann mit 5 M. unterstützt hat.
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zeigt die des hier besprochenen eine entschiedene Aehnlichkeit, aber so, daß letzterer eher jünger als älter sein dürfte, indem die hängenden Bogen des Krämer=Schreins noch nicht geschneppt sind. Endlich spricht auch für die Entstehung unserer Tafel in einer frühen Periode des fünfzehnten Jahrhunderts, also etwa für das erste Viertel oder die drei oder vier ersten Decennien desselben, die Form des Wappenschildes und die Stellung des Merks in diesem; in sonstigen Wismarschen Monumenten findet man jene wenigstens nicht später und gerade in dieser Zeit auch die Sitte, das Wappenbild oder das Merk aufrecht und nicht dem Längsdurchmesser des gelehnten Schildes entsprechend zu stellen.

Hier nun kommen wir zu der Frage, wen die im Sockel der Mittelgruppe dargestellte knieende Person mit dem Wappenschilde vorstellen soll. Daß es der Verfertiger des Schreins sei, scheint undenkbar, da es in jener Zeit, von den Gießern abgesehen, durchaus nicht Sitte war, daß die Künstler sich an ihren Werken verewigten, wenigstens bei uns nicht; und es ist vielmehr anzunehmen, daß der Betende der Stifter des Schreines ist, wie der ausgezeichnete Platz, an dem wir ihn sehen, und die behäbige, ja reiche Tracht an die Hand geben. Jedenfalls muß der Donator ein sehr begüterter Mann und kann sehr wohl ein Mitglied des Rathes gewesen sein; wenigstens ist der Umstand, daß er kein eigentliches Wappenbild, sondern nur ein Merk im Schilde führt, kein Beweis dagegen. Bekannt ist letzteres aber freilich nicht. Wäre es erlaubt zu rathen, so könnte man wohl an Hinrik Wesebom, Rathmann von 1430 bis 1441 oder 1442, denken, der nach seinen vielen Vermächtnissen zu frommen Zwecken 1 ) wohl in der Lage gewesen sein mag bei Lebzeiten noch ein solches Werk herstellen zu lassen; dessen Merk oder Wappen ist aber nicht auf uns gekommen.

Sind wir nun trotz des beigegebenen Kennzeichens nicht im Stande den Donator zu bestimmen, so vermögen wir noch weniger anzugeben, wer den Schrein gemacht hat. Die Möglichkeit, daß derselbe nicht in Wismar, sondern auswärts hergestellt worden sei, etwa in Lübek 2 ), ist allerdings keines=


1) Schröders P. M., S. 1991.
2) Hotho, Gesch. d. christl. Mal. S. 346, mag immerhin Recht haben. Wenn er die besseren der in Lübek vorhandenen Altartafeln für niederländischen Ursprungs erklärt; doch ist nicht zu übersehen, daß dort 1338 ein Maler Peter v. Kortrijk, 1356 ein Johann v. Brüssel als Bürger vorkommen, Namen, welche ohne Zweifel von der Heimath der Betreffenden abgeleitet und nicht auf sie vererbt sind. So mögen auch (  ...  )
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wegs ausgeschlossen; allein der Umstand, daß Parchim für seinen Hauptaltar zu S. Georg im Jahre 1421 einen Schrein bei dem Wismarschen Maler Henning Leptzow in Bestellung gab 1 ), Sternberg einen solchen 1505 bei Hermen Kulemann 2 ), Städte also, denen einerseits Lübek, andererseits Rostock kaum ferner lagen, zeigt doch, daß die Wismarschen Maler einigen Ruf und guten Namen hatten. Allerdings ist aber unser Altarschrein auf keinen Fall Henning Leptzow, der etwa gleichzeitig lebte, zuzuschreiben, und ebensowenig derjenige der Krämer, da nach Michaelsen, welcher die Rudera des Parchimschen Werkes nach der Restauration unseres Schreins, also zu einer Zeit sah, wo er mit diesem völlig vertraut war, der Parchimsche Schrein nicht über gewöhnliche Handwerksarbeit sich erhebt. Gleichzeitig mit Henning Leptzow, 1422, und nur das eine Mal, wird dann noch ein Wenemar v. Essen als Maler in Wismar genannt; doch wissen wir von demselben nichts weiter, als daß er ein Haus in der Dankwardsstraße besaß, und ebensowenig von einem Johann, welcher zwischen l45i und 1463 gestorben ist, also freilich auch noch in Frage kommen könnte. Kurz, wir vermögen nicht den Verfertiger des Werkes festzustellen.

Ueber die Wiederherstellung des Altarschreins zu sprechen ist hier der Ort nicht; doch wird man, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, sagen können, daß die Sorgfalt und Treue, welche auf dieselbe verwendet worden, nicht erfolglos gewesen sind, und daß die Ausführung gegen frühere Unternehmungen dieser Art einen wesentlichen Fortschritt darstellt.

Schließlich noch die Bemerkung, daß, wenn die Genauigkeit der Beschreibung in Vorstehendem übertrieben erscheinen und das Lesen unleidlich machen sollte, es dem Verfasser vor Allem darauf ankam, nachzuweisen, mit wie großer Sorgfalt und Liebe zur Sache die alten Künstler bei Herstellung ihrer Werke verfahren sind, und auf den Weg hinzuweisen, auf welchem bei Restaurationen derselben allein befriedigende Resultate erlangt werden können.


(  ...  ) im 15. Jahrhunderte Niederländer in Lübek sich anfässig gemacht, Lübische und überhaupt hansische Zunftgenossen im Westen ihre Ausbildung gesucht und gefunden haben, so daß jene Gemälde nicht nothwendig dort entstanden zu sein brauchen, vielmehr nur einer niederländischen Schule angehören. Daß die Arbeiten der Lübeker Maler aber weithin geschätzt wurden, zeigen die von Pauli, Lüb. Zustände III, S. 28 f. angeführten Beispiele.
1) Jahrb. XXXIII, S. 373.
2) Schröder, P. M. S. 2750. Der Maler wird dort fälschlich Kellmann genannt.
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Nicolaus, Bischof zu Schwerin, verkündet einen Ablaß zum Besten der Kirche S. Jürgens zu Wismar.

Bützow, 1449, Februar 1.

Vniuersis et singulis Cristi fidelibus presentes litteras inspecturis siue audituris Nicolaus dei gracia episcopus Zwerinensis salutem in domino sempiternam. Pia mater ecclesia, de animarum salute sollicita, deuocionem fidelium per quedam munera spiritualia, remissiones videlicet et indulgencias, inuitare consueuit ad debitum famulatus honorem deo et sacris edibus impeudeudum, vt, quanto crebrius et deuocius illuc coufluit populus Cristianus assiduis saluatoris graciam precibus implorando, tanto delictorum suorum veniam et gloriam regni celestis consequi mereretur eternam. Sane, sicuti accepimus, missa de corpore Cristi in ecclesia parrochiali beati Georgii opidi Wismariensis, Razeburgensis diocesis, omnibus feriis quintis per circulum armi cuiuslibet ob reuerenciam sacrosanctissimi eucaristie sacramenti et dei omnipotentis decantari soleat. Cupientes igitur Cristi fideles ipsos ad regnum celorum promerendum incitare, omnibus et singulis vere penitentibus, confessis et contritis, qui in omnibus festis principalibus anni ac festiuitatibus prefati beati Georgii, natiuitatis Cristi, circumscisionis, epyphanie, resurreccionis, asscensionis, penthecostes, corporis Cristi, concepcionis beatissime virgims Marie, necnon annunciacionis, natiuitatis, purificacionis ac assumpcionis eiusdem ac natiuitatis Johannis baptiste ac beatorum Petri et Pauli ceterorumque apostolorum festiuitatibus, necnon patronorum ecclesie prescripte, videlicet beati Georgii, Stephani, Simonis et Jude, Martini, beate Elyzabeth vidue et beate Agnetis virginis, et dedicacionis dicte ecclesie aut eius chori siue eciam altaris auf capelle, necnon omnium celebritate sanctorum dictam ecclesiam beati Georgii prefati causa deuocionis, oracionis auf peregrmacionis deuote visitauerint deuocionique misse predicte interfuerint et oraciones suas deuocione aut oblacionum munera hilariter exposuerint deumque pro animabus fidelium defunctorum m ipsa ecclesia uel eius cimiterio quiescentium pie orauerint aut idem humiliter ac deuote perambulauerint, necnon qui ad fabricam, ornamenta uel luminaria ipsius ecclesie manus suas porrexerint adiutrices, vel qui in eorum testamentis aut extra aurum, argentum, vestimentum uel aliquid aliud caritatiuum subsidium dicte ecclesie donauerint, legauerint

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vel procurauerint, tociens, quociens premissa vel alia pia opera erga dictam ecclesiam cum deuocione fecermt vel alios ad id faciendum induxerint, de omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum eius meritis et auctoritate confisi, nostre spirituali dicioni subiectis, necnon et aliis, dummodo diocesani eorum voluntas accesserit et consensus, quadraginta dies indulgentiarum de iniunctis sibi penitenciis misericorditer in domino relaxamus. Datum in castro nostro episcopali Butzouwensi nostro sub sigillo presentibus appenso anno domini millesimo quadringentesimo quadragesimo nono, mensis Februarii die eius prima.

An einer Pergamentpressel ist das bischöfliche runde Siegel von rothem Wachs angehängt, neber einem Baldachine eine Heilige mit einem Thurme: - S. Barbara - darunter das Wappen - ein Schwan. Umschrift:

Umschrift

 

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