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VI.

Alte Wohnplätze

bei

dem auf der Feldmark von Neubrandenburg liegenden Gute

Fünfeichen.

Vom

Rath Dr. F. W. L. Brückner.


A uf Veranlassung des Herrn Rath Löper, des Besitzers von Fünfeichen, ist in Folge eines Fundes von Alterthümern, den der Gutspächter Herr Kohrt daselbst im Jahre 1879 gemacht hatte, die ganze Localität von Fünfeichen wiederholt und eingehend untersucht worden.

Nachdem man früher bei der Beackerung schon wiederholt auf kleine Steinsetzungen gestoßen war und Urnenscherben ausgepflügt hatte, waren nun durch den Herrn Kohrt unter einer Anzahl zusammengelesener Urnenstücke auch einige Gegenstände von Bronze gefunden worden, nämlich eine Art Knopf von Bronze, mehrere kleine Ringe von Bronzedraht und eine Bronzenadel, die mit einer dicken Schicht schöner, glänzend grüner Patina überzogen ist.

Die in Folge dieses Fundes wiederholt angestellten Untersuchungen und Ausgrabungen haben nun zu dem Resultate geführt, daß zwischen der Hofstelle von Fünfeichen, dem Mühlenholze und der Grenze mit Bargensdorf im Acker des Gutes Fünfeichen in verschiedener Tiefe zahlreiche kleine Dämme vorhanden sind, auf denen sich Spuren von Brand, Reste zerbrochener Urnen u. s. w. vorfinden. Die Urnenscherben

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sind theils glatt, theils verziert. Als Verzierungen kommen slavische Ornamente vor, am häufigsten die Wellenlinie, und erscheint diese bald einfach, bald in größerer Anzahl beisammen, so daß Systeme von Parallellinien entstehen.

Die Schicht von Kohlen= und Branderde, welche über den Dämmen regelmäßig vorhanden ist, ist ihrer Mächtigkeit nach sehr wechselnd. - Unter den Dämmen werden keine Brandspuren mehr gefunden; hier ist allemal unberührter Mutterboden.

Manche von den Dämmen liegen ziemlich oberflächlich, 20-40 Cm tief, so daß hin und wieder einige derselben bei der Ackerbestellung bemerkt wurden. Andere liegen in größerer Tiefe. Bei der letzten Ausgrabung (im October 1882) wurde ein Damm in der Tiefe von 140 Cm bloß gelegt, über welchem eine Schicht von Kohlen= und Branderde von mindestens 50 Cm Mächtigkeit ruhete.

Durch aufmerksame Beobachtung hatte Herr Kohrt gelernt, die Stellen, an denen tiefer liegende Dämme, und überhaupt Dämme, in der Erde steckten, mit Sicherheit an der abweichenden Färbung der Maulwurfshügel zu erkennen. Die Färbung der aufgeworfenen Erde war über den Dämmen allemal dunkler und offenbar schwärzlich gefärbt durch Theile der mit aufgeworfenen Brandschicht.

Die Größe der Dämme, die alle von mittelgroßen, leicht zu handhabenden Feldsteinen zusammengesetzt sind, ist nicht immer dieselbe. Die Durchmesser derselben variiren etwa zwischen 5 bis 10 Fuß.

Die ersten Nachgrabungen, die angestellt wurden, betrafen mehr flach liegende Dämme, und wurden dabei über den Steinen in der Branderde nur Urnenscherben gefunden, so daß man vermuthen konnte, auf einen alten Begräbnißplatz gestoßen zu sein. - Allein die Auffindung von Dämmen, die 120-140 Cm unter der Oberfläche liegen, die starke, bis 50 Cm mächtige Anhäufung von Kohlen= und Branderde über denselben, die Knochenreste von Hirsch, Rind, Kalb, Schaf, die sich nach und nach in den Brandschichten gefunden haben, und die doch nur als Küchenabfälle aufzufassen sind, sowie endlich die eigenthümliche, flache, schalenförmige, Hausgeräthen entsprechende Form der Urnen, von denen einige wohlerhalten zu Tage gekommen sind, und deren Form durchaus von der gewöhnlichen Form der Aschenkrüge abweicht, liefern unzweifelhaft den Beweis, daß man es hier mit Herdstellen von alten Wohnstätten zu thun hat.

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Da mehrere dieser Fundstellen in tiefen Gruben angelegt waren, so entsprechen die zu Fünfeichen aufgefundenen Wohnstätten einem großen Theile nach den sogenannten "Höhlenwohnungen", wie sie durch Lisch von Dreveskirchen und anderen Orten beschrieben worden sind.

Im Ganzen sind aus den Herdstellen bis dahin zu Tage gekommen:

A. an Resten von Thieren:

1) Geweihreste vom Hirsch,

2) verschiedene Rinderknochen, darunter

3) manche der Zubereitung wegen sichtlich und mit Absicht zerschlagen,

4) Reste (Unterkiefer) vom Kalb,

5) Unterkiefer vom Schaf,

6) Unterkiefer eines Hundes von kleiner Rasse,

7) zwei zusammengehörende Muschelschalen von unio tumidus, einer Art, die in der nahen Tollense häufig zu finden ist.

B. Von Gegenständen, die zum häuslichen Gebrauche gedient haben, ist Nachfolgendes auf den Herdstellen gefunden worden:

8) zwei flache, fast ganz erhaltene schalenförmige Urnen ohne Verzierungen 1 ), von denen die eine (8 Cm hoch) mit einem einzigen großen Henkel versehen ist, während die andere (9 Cm hoch) eines solchen gänzlich ermangelt. Die Urnen sind durch Handtöpferei, nicht auf der Scheibe, hergestellt und können ihrer ganzen Form nach nur zum Gebrauche in der Haushaltung gedient haben.

9) zahlreiche Urnenscherben, die von Gefäßen herstammen, die mit der Hand, ohne Scheibe, geformt sind. Viele von diesen Urnenscherben haben Verzierungen. Am häufigsten kommt unter den Ornamenten vor:

a. die Wellenlinie. Dieselbe erscheint bald einfach und roh, bald in Parallelsystemen, die oft ungemein sauber und mit entschiedenem Kunstsinne gezogen sind. Ferner kommen als Verzierungen vor:

b. zickzackförmige Punktreihen,

c. kleine runde Kreise, die mit einem Stempel, anscheinend einem Rohrhalm oder einer Federspule, eingedrückt sind. -

Einige Urnenscherben tragen auch als Ornament:


1) Von der im Friderico-Francisceum VI, 13 und XXXV, 11 abgebildeten Form.
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d. vielfach über einander liegende breite Horizontallinien. - Sehr bemerkenswerth ist

e. eine Urnenscherbe mit Eindrücken, die Schriftzüge zu sein scheinen. Die Züge, welche, wie eine Untersuchung mit der Lupe deutlich erkennen läßt, schon in die weiche Masse eingedrückt wurden, gleichen nicht den Runen, sondern mehr großen römischen Buchstaben 1 ).

10) Zu den Fundgegenständen, die von Hausgeräthen stammen, gehört ferner eine kleine siebförmig durchlöcherte Thonscherbe, offenbar das Fragment eines Seihgefäßes oder Durchschlages Inschrift . Eine ganz ähnliche Scherbe ist in den Verhandlungen der Berliner anthropolog. Gesellschaft, Jahrgang 1881, S. 103 aus der Nähe von Luckau abgebildet, und wird dort darauf hingewiesen, daß ähnliche Dinge bei den Ausgrabungen auf Hissarlik und in Böhmen zu Tage gekommen seien.

Es sind sodann zu Fünfeichen auch einige Scherben gefunden worden, die von auf der Töpferscheibe geformten Gefäßen herstammen, nämlich

11 ) eine gut gebrannte, äußerlich bräunliche, an der Innenfläche geschwärzte, Urnenscherbe, die mit breiten Horizontalrippen verziert ist, und in deren Masse keine Granitbrocken sich befinden. Im Gegensatz zu der bräunlichen Außenfläche ist die schwarze Innenfläche sehr bemerkenswerth. Der färbende Stoff bildet nur eine ganz feine Schicht. Es scheint hier eine ähnliche Technik in Anwendung gekommen zu sein, wie bei dem Schwarzfärben von Thongefäßen in Indien. (Vergl. darüber Jagor in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1878, S. 228 ff. und 1879, S. 43 ff.)

12) Auf der Scheibe sind ferner auch zwei zu Fünfeichen gefundene Scherben gearbeitet, die ebenfalls aus einer ganz homogenen Masse ohne Beimischung von Granitbrocken bestehen, aber gelbgraue Färbung und breit umgelegte, wulstförmige, Ränder haben. In den breiten wulstförmigen Rand der einen Scherbe ist ein winkelförmiges Ornament eingedrückt, ähnlich manchen slavischen Verzierungen. Diese Scherben


1) Nach einer vom Herrn Rath Dr. Brückner gefälligst mitgetheilten Photographie ähneln die von ihm als Buchstaben gedeuteten Vertiefungen einigermaßen folgenden Formen: Inschrift . Ich bekenne jedoch, daß ich mich der Deutung auf römische Buchstaben nicht anzuschließen wage, in den Zügen vielmehr, zumal auch sonst auf der Scherbe allerlei Gekritzel zu sehen ist, zufällige Aehnlichkeiten erblicke. W.
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entsprechen aber sowohl der Technik als auch der Masse nach nicht dem slavischen Typus; ebenso wenig gleichen sie jedoch auch mittelalterlichen Scherben. Vielleicht gehören sie einer Uebergangszeit an.

Zu den Funden auf den Herdstellen von Fünfeichen gehören dann noch:

13) einige Spindelsteine,

14) zwei Schleifsteine,

15) vier kleine Ringe von Bronzedraht,

16) ein kleiner Knopf von Bronze,

17) eine Bronzenadel mit schöner, glänzend grüner und dicker Patina,

18) ein Messer von Eisen.

Die Gesammtheit der aufgezählten Funde aus den Herdstellen von Fünfeichen macht es völlig zweifellos, daß hier zur Slavenzeit lange Zeiträume hindurch eine volkreiche Ansiedelung bestanden hat.

Nun sind aber dort in der Gegend noch anderweitige Funde gemacht worden, welche deutlich darthun, daß auch schon in vorslavischer, sehr früher Zeit die Gegend bei Fünfeichen bewohnt war. Beim Ausmodern eines Wasserloches wurde eine Anzahl von Urnenscherben gefunden, die mit kurzen, kräftigen geraden Linien, dem charakteristischen Ornament der Steinzeit, verziert sind. Die Ornamente entsprechen ganz denen, wie solche aus der Steinzeit durch Lisch im X. Bande der Jahrbücher beschrieben und abgebildet sind.

Beim Absuchen der Felder wurden 5 Feuersteinäxte ("Keile") und eine Lanzenspitze von Feuerstein gefunden.

Das Resultat aller bei Fünfeichen gemachten Funde ist demnach, daß die Gegend dort schon von den frühesten prähistorischen Zeiten an bewohnt, und zwar nach einander von Volksstämmen auf verschiedenen Stufen der Culturentwickelung bewohnt war. Von dem Zeitalter des Steins ist in den Funden die fortschreitende Entwickelung der Cultur bis zur Bronze und bis zum Eisen angedeutet, während die Keramik

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von der Handtöpferei sich bis zum glatten auf der Scheibe gedrehten Gefäße, und das Ornament von der geraden Linie der Steinzeit sich bis zur zierlich geschwungenen Wellenlinie und anscheinend doch auch bis zur Schrift entwickelte.

 

 

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