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IV. Urnenfeld von Reutershof.

Bei Stavenhagen sind auf einem Acker des Gutes Reutershof Grabstätten gefunden, die durch Steinsetzungen im Boden, in deren Mitte eine oder mehrere Urnen standen, gebildet wurden. Seit 1876 sind 6 Urnen aufgedeckt; den Inhalt von zweien hat Herr cand. phil. B. Schmidt aus Ivenack dem Verein geschenkt. Diese Urnen standen etwa 70 cm tief im Boden auf einem Steinpflaster, sie hatten eine kugelige Gestalt mit ziemlich hohem geradem Halse, bestehen aus geschlemmtem Thon in ziemlich seiner Mischung und haben eine bräunliche Oberfläche. In der größeren lag ein Bronzering von 2 1/2 cm Durchmesser mit dunkelgrüner, nicht tiefgehender Patina, in der größeren ein offener Armring von seltener Form. Derselbe ist oval, hat 8, resp. 5 cm Durchmesser, wird nach den Enden zu dünner und läuft in eine concave Erhöhung aus. Solche Formen, an die la Tène-Periode erinnernd, sind, wie oben (S. 287) erwähnt, bei uns sehr selten (z. B. in Sukow, Alt=Schwerin, Ruthen ähnliche) gefunden; dagegen werden sie häufiger, je weiter man nach Süden geht, und kommen z. B. in Thüringen (zu Diesburg) und am Rhein (mehrere im Museum zu Darmstadt, einer aus Eisenberg i. d. Pfalz) oft vor.

Je schroffer in Meklenburg der Uebergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit zu sein scheint, desto sorgfältigere Beobachtung erheischen Funde, die der Zeit des Uebergangs zuzuschreiben sind. In Pommern sind Urnenfelder mit "Steinkistengräbern" ungleich häufiger als bei uns und enthalten daselbst Bronzegegenstände, meist einfach gearbeitete Ringe, und Eisen (Kasiski, Beschreibung der vaterländischen Alterthümer im Neu=Stettiner Kreise, S. 35). Desgleichen finden sie sich in den durch Virchow's Untersuchungen bekannt gewordenen Lausitzer Urnenfeldern der Provinz Brandenburg (z. B. zu Guben, s. Jentzsch, Verhandl. der Berliner Anthrop. Gesellsch. 1879, S. 388, und zu Sorau, s. Katal. der Berliner Ausstell., S. 117) und Posen häufig, gehören also dem Osten an. Ich zähle im Folgenden die meklenburgischen Grabstätten auf, die mit der Reutershofer zusammengehören. Es fanden sich Begräbnißplätze bei:

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1) Klink, worüber im Folgenden gesprochen werden wird.

2) Sukow (Jahrb. XIII, 367). Unter kleinen über der Erde befindlichen Steinhügeln waren unter dem Urboden Steinkisten von 2/3 m Breite und 2/3-1 3/4 m Länge. Die zahlreichen Urnen waren mit Asche oder Knochen gefüllt, nur letztere enthielten Alterthümer, und zwar viele oben krumm gebogene Nadeln, Pincetten, Sicheln, Messerklingen und Armringe, von denen der eine nach innen hohl, an den Enden dem Reutershofer völlig gleich war.

3) Karstädt (Jahrb. XXVI, 136). Beim Steinbrechen wurden im Acker sehr viele Urnen gefunden, von denen nur 3 Alterthümer enthielten, und zwar ein einfaches Messer und zwei Ringe, einer mit einer Oese, der andere gleich dem Reutershofer.

4) Dobbin (Jahrb. XI, 377). Auf, zum Theil in der Erdoberfläche standen, von Steinringen umgeben, Steinkisten mit Urnen, in denen "Scheermesser", Stangen mit heller Patina, Pfriemen, Sägen, Doppelknöpfe und Ringe lagen.

5) Rambow (Jahrb. VII, 25), ganz wie bei Dobbin, nur sind die Funde spärlicher.

Charakteristisch für diese der jüngeren Bronzezeit angehörenden Begräbnißplätze ist demnach: es sind Urnenfelder, in denen die Urnen in geringer Tiefe im Boden stehen, oft in Steinkisten und von Steinkreisen umgeben. Ihre Stelle ist gewöhnlich durch einen Steinkegel über dem Boden gekennzeichnet. Die Urnen erscheinen stets in großer Masse und sind mit Asche oder Knochen gefüllt. Neben letzteren finden sich, im Verhältniß zu der Anzahl der Urnen nicht häufig, Alterthümer von Bronze, und zwar Gegenstände des häuslichen Gebrauchs oder der Toilette. Diese sind meist schwach patinirt und zeigen, soweit sie gegossen sind, einen rothen Kern. Diese Form des Begräbnisses schließt sich unmittelbar an die der älteren 1 ) Bronzezeit an, wie das der Umstand beweist, daß auf dem an Kegelgräbern reichen Felde von Retzow (s. Jahrb. IX, 381; X, 278, und besonders XI, 384) neben Kegelgräbern der älteren Zeit eine zweite Gruppe kleinerer mit Steinkisten gefunden wurde, welche die oben angeführten Beigaben enthielten 2 ). Aehnlich verhält es sich mit


1) Ich möchte fast sagen: der reinen Bronzezeit. Denn ich meine, daß wohl auch in Meklenburg der Gebrauch des Eisens in dieser Periode der Urnenfelder mit Steinkistengräbern begonnen hat.
2) Kasiski a. a. O. neigt dazu, für sein Gebiet eine Entstehung der Steinkistengräber aus den freistehenden Steinkammern der Steinzeit anzunehmen.
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Alt=Schwerin (Jahrb. XVII, S. 367). In Liepen (Jahrb. X, S. 294; XI, 395), Lelkendorf (Jahrb. II, S. 43) und Gallentin (Jahrb. II, S. 35) sind kleine Erdhügel geöffnet, die, im Allgemeinen den Kegelgräbern ähnelnd, Sachen der jüngeren Bronzezeit enthielten. Nach der andern Seite führt uns das Reutershofer Grab in die Eisenzeit hinüber, indem bei Dalmien (s. Fr.-Fr., Text S. 100) zwei Ringe gefunden wurden, von denen der eine dem oben beschriebenen genau gleicht, der andere ähnelt.

Die jüngere Bronzezeit bezeichnet bei uns eine Zeit der Erschlaffung und des Rückgangs. Die alten, edlen Formen verschwinden, und es treten einfachere, nüchterne an ihre Stelle. Die Grabformen verlieren ihre Würde, und die reiche Mannigfaltigkeit, die dem individuellen Geschmack vollen Spielraum ließ, wie wir sie oben bei den Friedrichsruher Gräbern bemerkten, macht der ärmlichen Gleichmäßigkeit und dürftigen Ausstattung der Urnenfelder Platz. Daß es nicht möglich ist, in den Urnenfeldern die Begräbnisse des ärmeren Theiles jenes Volkes zu sehen, welches seine Fürsten und Helden in weithin sichtbaren Hügeln barg, ergiebt der Umstand, daß die Beigaben nicht nur durch ihren Stil, sondern auch durch ihre Technik und Erhaltung eine andere, jüngere Zeit verrathen. Es wird natürlich dunkel bleiben, was für Umstände jenem alten Heroengeschlechte auf unserem Boden ein Ende bereitet haben. Ein kulturgeschichtlicher Widerspruch aber liegt jedenfalls nicht in der Annahme, daß auf eine auch technisch hochentwickelte Kultur ein Niedergang auch in dem industriellen Geschick und Geschmack gefolgt ist. Wessen Phantasie eine Stütze braucht, der möge sich etwa denken, daß einerseits das alte Heldengeschlecht, von den Wogen einer Völkerbewegung ergriffen, seine bisherigen Wohnsitze verließ, andererseits die allmählich hereindringende Eisenkultur dem zurückbleibenden Volke seine Lust und Liebe an der Bronzetechnik ebenso nahm, wie wir heute im Osten und Süden Asiens den denkwürdigen Proceß sich vollziehen sehen, daß nicht nur beginnende, viel versprechende Kulturbestrebungen halbwilder Völker, sondern auch uralte reiche Kulturen von der übermächtigen europäischen erdrückt und in einen Zustand der Verkümmerung gebracht werden, der ihr dereinstiges Ende kennzeichnet.