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1. Vorchristliche Zeit.
a. Steinzeit.
Steingeräth=Werkstätte von Eldenburg.
Nachtrag zu Jahrb. XLI, S. 161.
Im Herbst 1876 hat der Herr Gymnasiallehrer Struck zu Waren die in Jahrb. XLI, S. 161 flgd. beschriebene Stelle der Steingeräth=Werkstätte von Eldenburg bei Waren noch einmal abgesucht und hier folgende Alterthümer gefunden und dem Vereine geschenkt.
7 kleine Feuersteinsplitter wie Pfeilspitzen, meistentheils mit Schlagmarken, darunter auch noch eine größere abgeschlagene Platte oder ein Bruchstück eines Kerns mit einigen schmalen Schlagflächen.
1 kleiner Keil von Feuerstein, 8 Centim. lang, an der Schneide schön geschliffen, gut gearbeitet und erhalten.
1 großer Keil aus Diorit, 14 Centim. lang, überall geschliffen und gut erhalten.
2 Topfscherben mit vertieften Parallellinien um den Bauch verziert. Scherben dieser Art gehören nach Verzierung, Thon und Farbe der letzten heidnischen Zeit an. Die Werkstätte scheint also zu allen Zeiten des Heidenthums benutzt worden zu sein.
G. C. F. Lisch.
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Begräbnisse der Steinzeit von Dargun.
Bei Dargun liegt rechts am Wege von der Darguner "Neubaute" nach Lehnenhof auf Darguner Feldmark eine Anhöhe, in welcher eine Sandgrube ist. Bei Gelegenheit von Sandgraben fand Herr Landdrost von Pressentin zu Dargun im April 1875 Reste von menschlichen Gebeinen, namentlich zuerst eine Schädeldecke, welche durch flache Scheitelbeine und niedrige Stirn auffiel. In der Sandgrube und in dem ausgefahrenen Sande wurden trotz der sorgfältigsten Nachsuchungen keine von Menschenhand gefertigten Geräthe und keine Spur von menschlicher Thätigkeit gefunden. Jedoch fand Herr v. Pressentin im Juni noch mehrere Bruchstücke von dem Schädel, namentlich Kiefer, und andere zerbrochene menschliche Knochen, auch einige unbedeutende Kohlenbrocken. Deutlich war zu erkennen, daß an zwei Stellen in der Grube "kein ungerührter Urboden" war.
Nach der ganzen Beschaffenheit und Farbe der Knochen weise ich diesen Schädel der Steinzeit zu. Er scheint einem Menschen von mittlerem Lebensalter angehört zu haben. Die Zähne sind klein, ziemlich abgeschliffen und schon etwas morsch.
Zur bessern Erkenntniß sandte ich die Schädeldecke an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin, welcher darüber folgende wissenschaftliche Beschreibung und Beurtheilung giebt.
Schwerin.
G. C. F. Lisch.
Die leider sehr zertrümmerten Stücke des Schädeldaches bestehen eigentlich nur aus Stirnbein, beiden Scheitelbeinen und dem größern Theile der Hinterhauptsschuppe; kleine Ueberreste der Nasenwurzel sitzen noch am Stirnbein an. Alle Urtheile sind daher von sehr zweifelhaftem Werthe.
Die Knochen machen den Eindruck eines nicht allzuhohen Alters (d. h. nach dem Tode des Individuums). Das äußere Knochenblatt löst sich überall in Form gelber Häute, welche sich umrollen, also noch eine gewisse Elastizität haben. Auch kleben diese Theile wenig an der Zunge. Nur die tiefern Schichten der Diploë sehen weiß und brüchig aus. Auch die innere Tafel hat eine gelbbraune Farbe.
Das Individuum war offenbar ein noch jugendliches. Dafür spricht die Dünnheit der sämmtlichen Knochen, die Glätte ihrer Oberfläche und der Mangel tieferer Eindrücke
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an der inneren Tafel. Indeß kann es nicht zu jung gewesen sein. Abgesehen von dem Umfange, welcher für einen völlig ausgewachsenen Zustand Zeugniß ablegt, besteht eine vollständige Verknöcherung der innern Theile der Nähte.
Wahrscheinlich war es ein junges Weib. Die niedrige, aber volle Stirn, deren vordere Fläche sehr steil und gegen den hintern Abschnitt des Stirnbeins in einen fast rechten Winkel gestellt ist, die flachen Curven der Scheitellinien, der Mangel ausgesprochener Höcker sind Merkmale des weiblichen Schädels.
Die äußern Nähte sind sehr gezackt, die geöffnete Stirnhöhle groß, jedoch fehlt jede stärkere Vermittlung der Stirn= oder Orbitalwulste. Der Nasenansatz ist voll. Alle Formen machen den Eindruck der Weichheit.
Größte Länge 181 Millimeter.
Größte Entfernung der Stirnwölbung von der größten Verwölbung des Hinterhauptes 122 Millimeter.
Sagittalumfang des Stirnbeins 123 Millimeter.
Länge der Pfeilnaht 126 Millimeter.
Unterer Frontaldurchmesser 82 Millimeter.
Die Breite läßt sich nicht sicher bestimmen, da die Knochen in der betreffenden Gegend sehr zerbrochen und zugleich stark verbogen sind.
Aller Wahrscheinlichkeit nach war jedoch der Schädel mehr lang und von relativer Niedrigkeit, also im allgemeinen von germanischer Form.
Berlin im Juli 1875.
R. Virchow.
In der ersten Hälfte des Monats Juli ward in derselben Grube noch ein Menschenschädel gefunden, über welchen Herr Landdrost von Pressentin in dem Oeffentlichen Anzeiger für die Aemter Dargun, Gnoien u. s. w. 1875, Nr. 58, 21. Juli, Folgendes berichtet:
"In voriger Woche ist in derselben Sandgrube wieder ein Menschen=Schädel gefunden, aber trotz des sorgfältigsten, wiederholten Suchens weiter nichts von menschlichen Gebeinen und kein von menschlicher Hand gefertigter Gegenstand. Dieser Schädel ist ebenfalls der eines Erwachsenen (über Stirn und Hinterkopf gemessen hat er 51 Centimeter Umfang) und an demselben gleichfalls eine niedrige, flache Stirn (von 29 Millimeter Höhe) und eine geringe Scheitel=
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höhe (62 Millimeter) bemerkenswerth. Wir sind geneigt, diese Schädel den allerältesten Bewohnern unseres Landes, von welchen Spuren bis auf unsere Zeit gekommen sind, zuzuschreiben. -- Aus dem Gefundenen sind indessen sichere Ergebnisse noch nicht zu ziehen, erst wenn noch mehr gefunden werden sollte, besonders Gegenstände menschlicher Kunstfertigkeit, lassen sich sichere Angaben machen über die gefundenen Gebeine."
Dargun.
C. v. Pressentin.
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Herr Archivrath Dr. Wigger zu Schwerin schenkte aus dem Nachlasse seines verstorbenen Schwiegervaters, des Präpositus Dr. Schencke zu Pinnow bei Schwerin, eines eifrigen Mitgliedes des Vereins, einen kleinen, sonderbar geformten, zu Pinnow am fischreichen See gefundenen Stein, wie es scheint aus Sandstein oder hart gebranntem Thon. Der abgerundete Stein ist oval, 17 Gramm schwer und 2 1/2 Centimeter lang und 1 3/4 Centimeter dick, ähnlich einer großen Haselnuß oder einer Olive. Um die breitere Seite ist ringsherum eine kleine Rille eingegraben, wahrscheinlich zur bessern Befestigung einer Schnur. Nilsson (Steinalter oder die Ureinwohner des Skandinavischen Nordens, Hamburg 1868, S. 26 flgd.) hält solche Steine für Angelsenker und bildet Taf. XI, Fig. 217, einen solchen Stein aus Pensylvanien ab, welcher an Größe und Gestalt dem Pinnower fast ganz gleich ist. Von den in Schweden gefundenen Angelsenkern, auch mit Rillen, welche Nilsson Taf. II, Fig. 33, 34 und Tafel XI, Fig. 216, abbildet, mögen einige wohl zu Netzsenkern gedient haben, da sie für Angelsenker zu groß, also zu schwer erscheinen. Ferner schenkte der Herr Dr. Wigger aus derselben Hinterlassenschaft eine vollständig runde steinerne Kugel, gegen 5 Centimeter im Durchmesser und gegen 1/4 Pfund schwer, die ebenfalls eine Rille in ihrem Umfange hat, welche jedoch nur flach und unregelmäßig ist und nicht gerade über die Mitte läuft. Vielleicht mag diese Kugel auch zur Fischerei gedient haben.
G. C. F. Lisch.
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Bei der Grabung des Kanals von Neukalen nach dem Cummerower See ward ein seltenes Stück gefunden und von dem Herrn Burgemeister Mau zu Neukalen dem Vereine geschenkt. Es ist dies ein völlig regelmäßig gearbeiteter und auf der ganzen Oberfläche sauber geschliffener Stein aus feinem, schwarzem Gneis in Form einer etwas platt gedrückten Kugel, 2 1/4 Zoll hoch und 3 Zoll im größten Durchmesser. Der Stein ist in der Höhe von 2 1/4 Zoll mit einem Loche von 7/8 Zoll Weite durchbohrt, jedoch ist die Bohrung in der Mitte noch nicht ganz vollendet und das Loch noch nicht ausgeschliffen. Wahrscheinlich hat dieser Stein als Waffe gedient, nach der Weise der modernen sogenannten "Todtschläger".
G. C. F. Lisch.
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b. Bronzezeit.
Zu Woosten bei Goldberg ward im Herbste 1871 in einer moorigen Wiese die Klinge eines Bronze=Schwertes, welches einen hölzernen Griff gehabt haben wird, gefunden und von dem Pächter Herrn Carls an die großherzoglichen Sammlungen eingereicht. Die Klinge, welche 38 Centim. oder 15 3/4 Zoll lang ist, ist "löffelförmig" ausgebaucht, wie die meisten alten Bronze=Schwerter; das kurze Heft zum Einnieten ist nur 5 Centim. oder 2 Zoll lang; in dem Hefte sitzen noch die 3 Niete mit großen gewölbten Köpfen. Die Klinge, welche ganz glatt ist und keine verzierenden Längsstreifen hat, ist völlig neu, ohne allen Rost und sehr scharf.
Nicht lange darauf ward in derselben Torfgrube die wohl erhaltene Klinge eines Bronze=Dolches gefunden und durch den Herrn Forstcontroleur Angerstein den Sammlungen zugewandt. Die Klinge ist sehr schmal und verhältnißmäßig lang, ungefähr 18 Centim. lang und durchschnittlich, außer der Spitze, 1 3/4 Centim. breit. Die Klinge ist ebenfalls zum Einnieten in einen kurzen hölzernen Griff bestimmt gewesen; in dem kurzen, ungefähr 3 1/2 Centim. langen und breiten Hefte sitzen noch die bronzenen 4 Niete.
G. C. F. Lisch.
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Zu Damshagen bei Grevismühlen ward im Mai 1864 auf dem trigonometrischen Fixpunkt Nr. 1 der Landesvermessung ein stark gerostetes Bronze=Schwert, jedoch nur in einem Bruchstück der Klinge von 9 Zoll Länge mit alten Bruchenden, von dem Unterofficier Drall gefunden und durch den Herrn Obristlieutenant Köhler zu Schwerin eingereicht.
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Am 6. Mai 1875 ward zu Rutenbek bei Crivitz auf dem Schulacker beim Urbarmachen und Sandgraben eine
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bronzene Lanzenspitze ausgegraben und von dem Herrn Lehrer Th. Linshöft zu Rutenbek dem Vereine geschenkt. Die schön geformte Lanzenspitze ist hohl gegossen, 7 Zoll oder 18 Centimeter lang, stark gerostet und mit glänzendem, "apfelgrünem" edlen Rost bedeckt. Leider, oder vielmehr glücklicherweise, ward die Lanzenspitze beim Graben quer durchstochen. Denn jetzt zeigte sich, daß in dem Schaftloche der ganzen Länge nach noch die wohl erhaltene, hellfarbige hölzerne Schaftspitze steckt, welche mit einer dünnen bräunlichen, zerreiblichen Hülse umwickelt ist, die in Rutenbek beim Finden als Leder erkannt ward. Dieser überraschende Fund ist äußerst selten und findet kaum seines gleichen.
G. C. F. Lisch
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Im Jahre 1849 ward zu Lübtheen in einem Moder= oder Torflager die merkwürdige, hohl gegossene Krone von Bronze gefunden und Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge von dem Herrn Sanitätsrath Dr. Becker geschenkt, wie in Jahrb. XIV, S. 315 berichtet ist. In demselben Lager, einige hundert Schritte vom Fundorte dieser Krone, ward beim Torfstechen noch eine bronzene Lanzenspitze gefunden und von dem Herrn Dr. Becker der großherzoglichen Sammlung geschenkt. Die Lanzenspitze ist 8 Zoll lang, hohl gegossen und enthält in der Spitze der Höhlung noch den Rest des hölzernen Schaftes, wird also mit dem ganzen Schaft in das Torflager gekommen sein. Die Auffindung dieser Lanzenspitze scheint darauf hinzudeuten, daß dieses Moor an seltenen und wichtigen Alterthümern der Bronzezeit reich ist oder daß diese in besonderer Veranlassung hineingekommen sind.
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Pastor Ragotzky zu Triglitz schenkte dem Verein ein Beil aus Bronze, welches er aus der Gegend von Meyenburg, also dicht vor der meklenburgischen Grenze, ungleich mit einem steinernen Hammer erhalten hat. Das Geräth ist voll gegossen, also ohne Schaftloch, aber auch ohne Schaftrinne, in Gestalt eines Beiles ohne Loch, mit
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breiter Schneide, ohne Rost. Der Guß ist rauh und uneben und das Metall etwas röthlich und daher leicht für Kupfer zu halten; jedoch erscheint es, neben Kupfer gehalten, doch noch gelblich und ist härter als Kupfer. Das Metall ist daher ohne Zweifel eine alte Bronze mit sehr wenig Zinn, wie sich ähnliche bronzene Beile von röthlicher Bronze auch in der Schweiz, namentlich im Bodensee finden.
G. C. F. Lisch.
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c. Eisenzeit.
Im Jahre 1867 ward von dem damaligen Seminarlehrer Herrn Dr. Krüger zu Neukloster, jetzt Pastor zu Boddin, die heidnische Dorfstelle der alten Burg Kussin in dem jetzigen Seminargarten zu Neukloster entdeckt. Vgl. Jahrb. XXXIX, S. 159 flgd. Die dort gefundenen zahlreichen Scherben von Thongefäßen aus der letzten heidnischen Zeit stammen ohne Zweifel von Geräthen zum häuslichen Gebrauche.
Jetzt ist nun auch ein heidnischer Begräbnißplatz von Kussin bei Neukloster entdeckt. Beim Bau der Chaussee von Neukloster nach Reinstorf stieß man im Frühling 1876 bei einem Durchschnitt auf diesen Begräbnißplatz ("Wendenkirchhof"), dessen Beaufsichtigung der Herr Ingenieur Szalla, damaliger Baumeister der Chaussee, übernahm und auch die Einsendung genauer Nachrichten und der bei der Aufgrabung gefundenen Alterthümer sogleich besorgte. Der Platz liegt nicht weit von Neukloster in dem jetzigen Neuklosterschen Forst=Reservat, zwischen der Neuklosterschen und der Nakenstorfer Feldmark und dem alten Reinstorfer und Wariner Landwege. Herr Szalla berichtete Folgendes:
Beim Bau der Chaussee ward im Frühling 1876 ein "Wendenkirchhof" durchschnitten. Man fand eine Brandstelle, ein Feldsteinpflaster, mit schwarzer Erde, Asche und Kohlen (darunter auch Eichenholzkohlen) bedeckt. Im Kreise umher standen 7 Urnen, meistentheils hellbraun, ohne Verzierungen, mit zerbrannten Knochen und Asche gefüllt, von denen jedoch die meisten zertrümmert wurden. In einer Urne lag eine stark gerostete Heftel von Eisen, in 4 Stücke zerbrochen. Sonst wurden bei dieser Aufgrabung keine andern Alterthümer gefunden.
Später sind beim Fortschritt der Arbeit in einiger Entfernung wieder Urnen gefunden, welche ungefähr 4 Fuß tief auf einem Steinpflaster mit Kohlen standen. Dies mag eine Höhlenwohnung gewesen sein.
Die Alterthümer, welche Herr Szalla bei der ersten Aufgrabung gerettet und eingeliefert hat, sind folgende:
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1 Urne, glatt, ganz schwarz von Farbe und glänzend, ohne Verzierungen, bis auf einige Brüche am Rande vollständig erhalten.
1 Urne, glatt, hellbraun von Farbe, mit eingeritzten senkrechten Liniengruppen am Bauche verziert, nur in einer Seitenansicht erhalten.
1 Urne, hellbraun von Farbe, auf der Oberfläche rauh mit hervorstehenden Kiesstückchen, noch nicht mit geschlämmtem Thon überzogen und geglättet, am Rande mit leichten Linien und Punkten verziert, nur in einer Seitenansicht erhalten. Unter dem Rande stehen zwei durchbohrte Knötchen oder Oehren zum Durchziehen einer Schnur.
Eine feine Heftel von Eisen in 4 Stücke zerbrochen.
Nach allen Umständen scheint dieser Begräbnißplatz der letzten Wendenzeit angehört zu haben.
G. C. F. Lisch.
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Nachtrag zu Jahrb. XXXVII, S. 236.
Nach Mittheilung des Herrn Raths Dr. Brückner zu Neubrandenburg ward im Jahre 1873 beim Bau der Berliner Nordbahn auf der Feldmark des Gutes Cammin bei Stargard eine glänzende schwarze Urne mit gradlinigen Verzierungen von Punktlinien aus viereckigen Punkten bestehend gefunden, ähnlich den zahlreichen Urnen von Camin bei Wittenburg. Leider ist die Urne zerbrochen, jedoch ein ausreichendes Bruchstück in die Neubrandenburger Sammlung gekommen, von welchem Herr Dr. Brückner eine Zeichnung zur Ansicht eingesandt hat.
Diese Urne ist also die östlichste von dieser Gattung von Urnen in Meklenburg.
G. C. F. Lisch.
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oder Schmuckperle mit Oese, rund, 1 Centim. im Durchmesser, hohl, mit gerippter Oberfläche, gefunden zu Diestelow bei Goldberg auf einem Urnenfriedhof zwischen Urnenscherben, ward geschenkt von Fräulein Margarethe Klockmann aus Hoppenrade bei Güstrow. Muthmaßlich ist diese feine Arbeit aus dünnem Silberblech eine römische aus der ersten Eisenzeit.
G. C. F. Lisch
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d. Alterthümer anderer Europäischer Völker.
Herr Baurath Wachenhusen aus Meklenburg, jetzt zu Chemnitz im Königreich Sachsen, hat den Schweriner Sammlungen im Jahre 1877 einige thönerne Gefäße aus der heidnischem Zeit, darunter eine sogenannte Riesenurne 1 ), geschenkt, welche im Jahre 1876 auf dem Braunkohlenwerke seines Schwiegersohnes auf der Feldmark Ladowitz bei Dux in Böhmen gefunden wurden und durch Geschenk in seinen Besitz kamen.
Die Riesenurne stand etwa 1 Klafter (6 Fuß) tief in einer ungefähr 2 Klafter mächtigen Kiesschicht über der die Braunkohle deckenden Lettenschicht und ward beim Abräumen zur Herstellung eines sogenannten Tagebaues gefunden. Einige kleine Gefäße standen dabei, welche jedoch, mit Ausnahme von 2 Geräthen, bei der Erdarbeit zerschlagen wurden.
Die Riesenurne war auch zerbrochen, ward jedoch auf Anordnung des Vorstandes des Kohlenwerkes zusammengeleimt und mit Drath umwunden, so daß sie vollständig vorhanden ist, und von Herrn Wachenhusen nach Chemnitz gebracht, wo derselbe sie verpacken ließ und nach Schwerin schickte, wo sie auch trotz der Zerbrechlichkeit, des großen Gewichts und des bedeutenden Umfanges glücklich und unversehrt angekommen ist.
1) Die Riesenurne
ist von Thon, nach heidnischer Weise mit Kies gemischt, aufgebaut, cylindrisch von Gestalt, und hellbraun von Farbe. Sie ist 61 Centimeter (2 1/4 Fuß) hoch, hat 2 Meter 10 Centim. (3 3/4 Ellen) Umfang in der größten Bauchweite und eine
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Oeffnung von 41 Centim. im Durchmesser. Am obern Bauchrande unter dem kurzen Halse sind zur Verzierung zwei parallele, schmale und dünne Bänder aus feinem Thon wie eine gedrehte Schnur erhaben modellirt. Unter diesen Bändern umher sind fünf erhabene Kreise mit einer eingedrückten runden Vertiefung in der Mitte, von deren jedem vier eingeritzte, kurze wellenförmige Linien hinablaufen.
Die Wandungen sind nach oben hin 1 Centim. dick, nach unten hin dünner, bis 1/2 Centim.; der Rand ist 2 Centim. breit.
Bei dieser Größe und Stärke hat das Gefäß das außerordentlich große Gewicht von 200 Pfund. Auf dem Eisenbahn=Frachtbriefe ist das Gewicht der Urne mit der Packkiste zu 121 Kilogramm angegeben. Da nun im Handel das Gewicht einer Packkiste ungefähr von der Größe der hier in Frage stehenden zu 40 Pfund als Tara angenommen zu werden pflegt, so werden für die Urne ungefähr 200 Pfund Gewicht übrig bleiben.
In dem Gefäße lagen viele kleine Klumpen schwarzer Erde, ein schwarz gefärbtes, zerschlagenes und gespaltenes Bruchstück von einem Thierknochen, wahrscheinlich Unterschenkelbein vom Rind 1 ), und viele kleine Knochensplitter.
Bei der Riesenurne lagen mehrere kleine Gefäße von gleicher Beschaffenheit, von denen aber der größere Theil zertrümmert, zwei jedoch fast ganz erhalten waren.
2) Ein Tragetopf.
Ein kleines, kugelförmiges Gefäß, 11 1/2 Centim. hoch und 36 Centim. weit im Bauchdurchmesser. Unter dem Rande sind 2 Knoten, welche durchbohrt sind zum Durchziehen einer Schnur oder eines dünnen Seils. Das Gefäß hat also zum Tragen und Heben an einer Schnur gedient und ist ungefähr das, was plattdeutsch "sêlpott", d. i. Seiltopf oder Tragetopf, heißt.
3) Eine Henkelkanne.
Ein schlankes, gehenkeltes Gießgefäß, 12 Centim. hoch und 31 Centim. weit im Bauchdurchmesser. Der Henkel ist abgebrochen, jedoch sind die Ansätze noch vorhanden.
Wahrscheinlich ist es, daß diese Gefäße aus der letzten Bronzezeit oder aus der ersten Eisenzeit stammen.
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Die Fundstelle.
Grabgefäße für verbrannte Leichen sind diese Gefäße, namentlich die Riesenurne, sicher nicht gewesen. Dazu ist die Riesenurne zu unhandlich und roh und stand zu tief. Ich halte die Fundstelle für eine Gruben= oder "Höhlenwohnung" 1 ) mit unterirdischem Feuerherd, die Riesenurne für einen Vorrathstopf und die kleinen Gefäße für Küchengeräth und Hausrats. Der Fußboden der sogenannten "Höhlenwohnungen" 2 ) liegt nach vielfältigen Beobachtungen in Meklenburg, wie in den Jahrbüchern oft dargestellt ist, gewöhnlich 4 bis 5 Fuß unter der Erdoberfläche, und ungefähr eben so tief hat auch die Riesenurne in Böhmen gestanden. Die "Wilden" in Afrika pflegen noch heute ihre Vorräthe an Lebensmitteln in großen Töpfen neben ihren Hütten aufzubewahren. Ueberhaupt dienten in heidnischen Zeiten, beim Mangel modernen Mobiliars, ohne Zweifel Töpfe zur Aufbewahrung von Habseligkeiten aller Art.
Mit diesen Erfahrungen und Beobachtungen über Gruben= oder Höhlenwohnungen stimmen auch alte schriftliche Nachrichten überein. Tacitus sagt in seiner Germania 16: "Die Germanen pflegen sich unterirdische Höhlen zu graben und diese mit viel Mist (oder Rasen?) zu bedecken, zur Zuflucht im Winter und zum sichern Aufbewahrungsort für die Feldfrüchte."
"Solent subterraneos specus aperire eosque multo insuper fimo onerant, suffugium hiemi et receptaculum frugibus, quia rigorem frigorum ejusmodi locis molliunt. Si quando hostis advenit, aperta populantur, abdita autem et defossa ignorantur aut eo ipso fallunt, quod quaerenda sunt."
Vergleichungen in Meklenburg.
In Meklenburg sind früher auch Riesenurnen von derselben Größe und Beschaffenheit und unter gleichen Umständen, jedoch nur selten, gefunden:
1) Zuerst zu Gr.=Medewege nahe bei Schwerin, 2 Fuß im Bauch=Durchmesser; 1847 beim Bau der Eisen=
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bahn in einem Durchschnitt tief in der Erde, zerbrochen, aber in einer ganzen Seitenansicht wieder zusammengesetzt. Vgl. Jahrb. XIII, 1848, S. 378.
2) Darnach zu Satow bei Kröpelin, im Acker, ein starkes Randstück, nach dessen Schwingung die Oeffnung 1 1/2 Fuß weit gewesen ist, also ungefähr so weit, als die Oeffnung des böhmischen Gefäßes. Vgl. Jahrb. XVIII, 1853, S. 261.
3) Schon früher bei Wittenburg, 1839 beim Chaussee=Bau, Bruchstücke 3 Fuß tief in der Erde. Vergl. Jahrb. V, 1840, B, S. 64.
G. C. F. Lisch.
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Der Herr Major a. D. Baron von Nettelbladt zu Güstrow schenkte vor mehreren Jahren dem Vereine mehrere Alterthümer, welche von demselben zu Deva in Siebenbürgen gefunden sind und in Bereitungsweise den alten norddeutschen Alterthümern gleichen:
1 ganz kleinen Napf aus Thon, nach altheidnischer Weise mit Granitgrus durchknetet, aus freier Hand geformt, nur 1 1/4 Zoll (3 Centim.) hoch und weit;
1 Scherbe von einem ungewöhnlich großen und starken Vorrathstopf, 1 Zoll (2 1/2 Centim.) dick, ebenfalls mit Granitgrus oder Grand durchknetet;
1 ganz kleinen, überall geschliffenen Keil mit schräger Schneide, wie es scheint von grauem Kieselschiefer, nur 2 1/4 Zoll (5 Centim) lang und 3/4 Zoll (1 3/4 Centim.) breit.
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2. Christliches Mittelalter
und neuere Zeit.
Nach den Berichten des Herrn Burgemeisters Ahlers zu Neubrandenburg ist an der südlichen Thür der Marien= Kirche zu Neubrandenburg, früher an der äußeren, jetzt an der inneren Seite, ein aus Bronze (Messing?) gearbeiteter Eberkopf angebracht, welcher einen Ring im Maule trägt. Man hält diesen Kopf für das älteste "Wahrzeichen" der Stadt und hat ihn durch eine in Niederhöffer's Meklenburgischen Volkssagen I, S. 96 in dichterischer Form wiederholte sogenannte Volkssage verherrlicht, welche aber nichts weiter ist als eine Fabel neuerer Zeit. Nach dieser Sage soll ein wüthender Eber zur Zeit der Messe in die Kirche eingebrochen, aber vor dem entgegen gehaltenen Crucifix zu Boden gestürzt und zahm geworden sein.
Dieser einen Ring tragende Eberkopf ist aber eben nur ein Thürring oder Thürklopfer, wie es deren viele giebt, indem man es im Mittelalter liebte, die Thürringe an erhaben gearbeiteten Köpfen von Thieren (z. B. Löwen) und auch von Menschen, oft auch nur an gothisch durchbrochenen Scheiben zum Schmuck anzubringen.
Die Bildung des Kopfes mag Kunstwerth haben. Von sprachlichem Werth ist jedenfalls eine um den Kopf stehende Anschrift in alter sogenannter Mönchsschrift, durch welche sich der Erzgießer in stark alliterirenden plattdeutschen Reimen mit Namen kundgiebt. Diese Inschrift lautet nach Lesung des Herrn Ahlers:
d. h. wenn ich einen Ring im Maule habe.
Das Wort oder hochdeutsch bedeutet = wie, gleichwie.
Der Personenname oder ist bis jetzt noch nicht bekannt.
G. C. F. Lisch.
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In der Stadt Wismar ward in einem Keller eine Kachelform gefunden und in das städtische Museum gegeben, und der Herr Dr. Crull schenkte dem Verein einen Gypsausguß aus der Form. Die Form, welche wie gewöhnlich die Kachelformen der Töpfer aus Thon besteht, ist die Form zu einer langen Kachel, mehr hoch als breit, 12 Zoll (29 Centim) hoch und 8 Zoll (19 Centim.) breit. Die Kachel ist eine "Bildkachel" 1 ). Sie stellt das Bild der Herzogin Anna Sophia (1555 † 1591), Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg († 1576) dar. Das Bild der Herzogin (en face), fast Kniestück mit beiden Armen und Händen, steht unter einem auf zwei Säulen ruhenden schönen Bogen im Renaissance=Baustyl, als sähe sie aus einem Fenster. Auf einer Brüstung unter dem Bilde steht:
Die Arbeit ist sehr gut und sorgfältig. Es ist die Frage, welcher Zeit die Kachel angehört. Sie wird in der letzten Zeit des Lebens der Herzogin oder nach ihrem Tode zum Andenken gemacht sein. Die Tracht ist völlig abweichend von der gewöhnlichen strenge landschaftlichen Tracht der Fürstin in den ersten Zeiten ihrer Ehe, von welcher noch mehrere Original=Bilder vorhanden sind. Die Tracht ist vielmehr freier und moderner und erinnert stark an die Tracht der Königin Elisabeth von England. Die Kachel wird also frühestens in das letzte Viertheil des 16. Jahrhunderts fallen.
Die ganze Darstellung und Architektur, sowie die ungewöhnliche Höhe der schmalen Kachel, auch die starke Umrahmung lassen vermuthen, daß sie in ihrer jetzigen Gestalt nicht zu Oefen, sondern zur Einmauerung in die Wand eines Gebäudes zum Andenken bestimmt gewesen ist, wie sich ähnliche eingemauerte Kacheln in alten Städten Norddeutschlands, z. B. in Rostock, noch finden.
Vielleicht sind aber einzelne Theile der Urform zur Benutzung zu Ofenkacheln eingerichtet gewesen. Durch die Mitte der Figur, durch den linken Ellenbogen und den Gürtel, geht nämlich eine feine Fuge, so daß die Urform,
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vielleicht aus Holz, aus mehreren Stücken zusammengesetzt gewesen ist. Man hat also die obere Hälfte mit dem Brustbilde der Figur auch zu den herkömmlichen viereckigen Ofenkacheln benutzen können. Jedoch ist es nicht unmöglich, daß auch die ganze Kachel zu obern Abtheilungen von Oefen benutzt worden ist.
Auf der Rückseite der Form ist und eine Hausmarke eingeritzt, wahrscheinlich die Zeichen des Töpfers. Ein Töpfer mit diesen Anfangsbuchstaben seines Namens hat sich aber durch den kundigen Herrn Dr. Crull in den Papieren der Stadt nicht ermitteln lassen.
Kachelformen dieser Art sind außerordentlich selten; in Meklenburg giebt es wohl kein zweites Stück, obgleich alte Kacheln, ganz und in Bruchstücken, in großen Mengen gefunden sind.
Herr Bankier Salomon Cohn zu Lübek, ein gewiegter Münzforscher, besitzt aber zehn Stück aus gebranntem Thon, wohl erhalten, welche nach dessen Bericht im Jahre 1875 in der Stadt Lübek beim Umbau eines Hauses gefunden wurden, wo früher vermuthlich eine Töpferei gewesen ist. Die Kacheln sind, nach dem ausführlichen Berichte des Herrn Cohn, alle kleine Bildkacheln von quadratischer Form durchschnittlich ungefähr 17 Centim. (7 Zoll) im Quadrat groß. Die Kacheln enthalten theils symbolische Darstellungen, theils menschliche Brustbilder. Einige Kacheln enthalten auch historische Portraits in Brustbildern, so z. B. eine Kachel mit der Inschrift: HERZOG HANS FRIDERICH KORFVRST (von Sachsen, † 1554) und eine andere mit der Inschrift: SIBILLA (Gemahlin des Kurfürsten, † 1554), beide mit gleicher Einfassung. Die Sammlungen zu Schwerin besitzen auch glasurte Kacheln mit denselben Darstellungen und von gleicher Größe, aus der Stadt Wismar, z. B. eine fast ganz erhaltene Kachel mit einem männlichen, bärtigen Brustbilde und der Inschrift: H . IOHAN . CHVRFVR[ST] († 1532) ohne Verzierungen, gelb, weiß und dunkel= und hellblau auf gelbem Grunde malerisch glasurt. Ein Bruchstück derselben Kachel ist ganz grün. Diese Wismarsche Kachel stimmt nicht ganz mit der Lübekischen überein.
Auf der Rückseite einer Form stehen die Buchstaben F. S. zu beiden Seiten einer Hausmarke, welche von der Wismarschen abweicht.
Herr Cohn setzt die Entstehung dieser Formen in die Zeit um das Jahr 1550 und vermuthet, daß diese Kunst
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aus Wismar gekommen sei, da erweislich Baukünstler und Bildner um die Mitte des 16. Jahrhunderts von den Schloßbauten in Wismar und Schwerin nach Lübek gingen. Vorherrschend scheinen die Bilder der Fürsten aus der Zeit der Reformation, namentlich der sächsischen Fürsten, zu sein.
Herr Cohn erinnert sich bis jetzt nur im Gewerbe=Museum zu Berlin Bildkacheln dieser Art in kleiner Anzahl gesehen zu haben, unter Andern auch Kachelformen mit den Brustbildern von Johann Friedrich und Sibilla, jedoch von geringerem künstlerischen Werthe.
G. C. F. Lisch.
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Die Frau Oberlehrer Werner zu Schwerin schenkte durch Vermittelung des Fräuleins Custodin A. Buchheim den großherzoglichen Sammlungen einen großen Koffer mit Eisenbeschlag und Malerei.
Der Koffer ist von Eichenholz mit gewölbtem Deckel, ähnlich den noch viel im Lande vorhandenen Leinenzeugkoffern aus dem vorigen Jahrhundert, jedoch etwas kleiner.
Werthvoll ist dieser Koffer durch den kunstreichen Eisenbeschlag, welcher noch Anklänge der Gothik enthält und für ein hohes Alter spricht. Hiernach wird der Koffer noch aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege, vielleicht aus dem Ende der Renaissancezeit, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammen.
Auf der Vorderwand des Deckels steht über älterer Schrift übergemalt:
Sopfia Margarete von Vlotow
vielleicht auch noch 1710 jedoch nicht ganz deutlich. Dies ist also wohl die letzte Besitzerin des Koffers aus der Familie v. Flotow, aus deren Aussteuer, gewesen.
Auf der Vorderwand des Koffers stehen zwei v. Flotow'sche Wappen gemalt, welche über ältern Wappen in grünen Kränzen übergemalt sind: heraldisch rechts mit den Buchstaben P. F. V. F. und links mit den Buchstaben S. M. V. F. Alle diese Malereien sind durch die geschickten Bemühungen des Fräuleins Custodin A. Buchheim aus vielfacher Verdeckung ans Licht gebracht. Das Wappen links ist also das Wappen der Sophie Margarete Von Vlotow von Stuer, welche nach Genealogien des vorigen Jahrhunderts an Paschen Friedrich Von Flotow auf Altenhof bei Stuer
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(geb. 29. Juli 1664, gest. 9. Jan. 1727) verheirathet war. Der Koffer gehörte also zur Aussteuer zu dieser Heirath im ersten Viertheil des 18. Jahrhunderts.
Die Genealogie dieser beiden Eheleute gestaltet sich nach alten Stammbäumen also:
Also ist der Koffer älter als Sophie Margarethe v. Flotow.
Da nun auch durch das übergemalte Wappen der Sophie Margarethe v. Flotow das v. Blüchersche Wappen mit zwei gekreuzten rothen Schlüsseln im weißen Schilde durchschimmert, so ist wohl nicht zu bezweifeln, daß der Koffer schon der Mutter der Sophie Margarethe v. Flotow, Katharine Sophie v. Blücher, vielleicht als Aussteuer, gehörte und von dieser durch Geschenk oder als Erbstück auf ihre Tochter überging.
Bemerkenswerth sind die beiden v. Flotow'schen Wappen auf der Vorderseite des Koffers, welche vielleicht die ältesten kolorierten Wappen der Familie sind. Das Wappen zeigt im Weißen Felde ein durchgehendes "gemeines", rechtwinkliges rothes Kreuz mit vier rothen Ringen in den Winkeln und auf dem Helme zwei in Weiß und Roth übereck geteilte, oben von einem grünen Kranze umwundene Hörner, zwischen denen ein schwarzer Vogel mit einem goldenen Ringe im
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Schnabel. Dies wird die richtige Färbung des Wappens sein.
Eben so bildet der Genealoge und Heraldiker Johann Heinrich v. Heinckhusen († 1746) in seinem im Staats=Archive aufbewahrten, aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammenden Meklenburgischen Wappenbuche das Wappen in Farben ab. Ihm folgt v. Gamm in seinen ebenfalls im Staats=Archive aufbewahrten Adels=Genealogien (1780).
Seit den Zeiten der modernen Heraldiker sind aber die Farben des Wappens verkehrt, wahrscheinlich durch Siebmacher's Wappenbuch, und zeigen im rothen Schilde ein weißes Kreuz mit goldenen Ringen. So giebt das Wappen noch Masch in seinem Mecklenburgischen Wappenbuch, 1837, und nach ihm v. Lehsten im "Adel Mecklenburgs, 1864." Diese Darstellung ist ohne Zweifel nicht richtig, da sich kein Beweis dafür beibringen läßt.
G. C. F. Lisch
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Nachdem nach der unglücklichen Schlacht von Jena (14. Octbr. 1806) die französischen Truppen im November 1806 in Meklenburg eingerückt waren, nahmen am 28. Nov. 1806 die Franzosen Besitz von den Meklenburgischen Landen. In Folge dieses schweren Ereignisses wurden am 19. Decbr. 1806 die Meklenburgischen Wappen von den öffentlichen Gebäuden abgenommen und durch den französischen Adler ersetzt. 1 ) Vgl. Wedemeier, Abriß der Meklenburgischen Geschichte in Raabe Meklenburg. Vaterlandskunde II, 1863, S. 1102. Es giebt noch solche abgenommene Französische Steuer= und Zolltafeln im Lande. Dies sind hölzerne Tafeln von ungefähr 3 Fuß Höhe und 1 1/2 Fuß Breite, welche auf weißem Grunde den gelben Napoleonischen Adler unter einer gelben Krone zeigen. Das großherzogliche Amt Dömitz hat an die großherzoglichen Alterthümersammlungen zwei solche Tafeln eingeschickt, welche sich noch auf dem Hausboden des Amtes gefunden haben, von denen die eine von
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dem Landzoll=, die andere von dem frühern Elbzoll=Amte stammt, beide mit dem beschriebenen Napoleonischen Adler und der Unterschrift: Allhier giebt man Zoll. 1806.
Im großherzoglichen Archive wird auch eine gleiche Tafel aufbewahrt, welche mit alten Acten aus der Regierungs=Registratur dahin gekommen ist, mit der Unterschrift: Steuer-Stube.
Nach und nach wurden bald noch viele Tafeln ins Land gebracht, von denen mehrere, wohl zu Vorbildern, der noch in Andenken stehende Maler Nipperdey zu Schwerin malte. Im großherzoglichen Archive hat sich unter verworfenen Acten in neuerer Zeit noch eine Quittung gefunden über "16 Thaler N2/3 für Malen von fünf französischen Wappen, Schwerin 25. März 1807, G. H. Nipperdey."
G. C. F. Lisch.
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Zu Viez bei Hagenow fand der Herr Lehrer Lau in loser Erde auf einer Wiese ein kleines, sonderbares Glasgefäß, welches er dem Vereine schenkte. Das Gefäß ist aus ganz dünnem, grünlichem, durchsichtigem Glase und hat die Gestalt einer ein wenig länglichen Halbkugel, welche nur 1 Zoll im Durchmesser und 5/8 Zoll Höhe hat, so daß man ungefähr die Spitze eines Fingers hineinlegen kann. Nach vorne hat das Gefäß unten 2 ganz kleine Füße, durch welche es, horizontal gelegt, ziemlich gerade stehen kann; am entgegengesetzten Rande hat es eine ganz kleine (zerbrochene) Oese, durch welche ein Faden gezogen werden kann, nicht einen Henkel. Wenn man das Gefäß senkrecht, mit der Oeffnung auf der Seite, hinstellt, so steht es auf dem Rande und den beiden Füßen ganz gut und sicher und die Oese, welche vielleicht zum Aufhängen gedient hat, sitzt dann oben. - Das kleine Gefäß ist räthselhaft. Es kann ein mittelalterliches Spielwerk, es kann aber auch römische Arbeit, vielleicht ein Salbengefäß, sein, da bekanntlich vor vielen Jahren bei Hagenow viele römische Alterthümer gefunden sind. Einstweilen läßt sich wohl nichts bestimmen.
G. C. F. Lisch.
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Beim Ausgraben eines Kellerraumes neben dem Wohnhause des Herrn Posthalters Busch zu Krakow ward 7 bis 8 Fuß tief neben Mauerwerk von alten starken Mauerziegeln und neben ungewöhnlich großen Dachziegeln im Jahre 1869 ein Pulverhorn aus Hirschhorn gefunden und von dem Herrn Busch dem Vereine geschenkt. Das Pulverhorn ist an einer Seite sauber in Relief geschnitzt und zeigt unter einem Bogen die ganzen Figuren eines Mannes in spanischer Tracht und einer Frau, im Style ungefähr aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Rückseite zeigt die natürliche Hirschhornoberfläche. Dieses Pulverhorn gleicht dem im Jahre 1849 bei Röbel gefundenen Horne; vgl. Jahrb. XIV, S. 350.
G. C. F. Lisch.
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Christliches Mittelalter.
Kirchliche Bauwerke.
Von
Dr. G. C. F. Lisch.
In den Jahrbüchern XV, S. 287-305 und XX, S. 333 -357, sind die Kirche und das Nonnen =Kloster Rehna ausführlich und gründlich beschrieben und untersucht. Namentlich ist in den Jahrb. XX, S. 350-355 eine frei stehende, noch wohl erhaltene gewölbte Halle beschrieben, welche schließlich dort der "Capitelsaal" genannt wird. Die Halle (ähnlich einer Capelle) hatte nach ihrer ganzen Einrichtung sicher keine kirchliche Bestimmung, sondern diente ohne Zweifel zu Versammlungen des Kloster=Convents oder Kapitels; deshalb habe ich das Gebäude den Capitelsaal genannt.
Das Kloster Rehna hatte schon lange vor der Aufführung dieser Halle ein eigenes "Capitelhaus". Eine Urkunde des ganzen Kloster=Convents und des zuständigen Bischofs Volrad von Ratzeburg vom 9. September 1346 ist datirt vom Kloster Rehna im "Capitelhause" ("Datum
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et actum in claustro Rene in domo capitulari"). Vgl. Meklb. Urk.=Buch X, Nr. 6678, p. 56, wo auch von der Wohnung und dem Hofe des Propstes die Rede ist.
Der Saal steht in gleicher Flucht an dem noch stehenden bis zum Frühling des Jahres 1875 von dem wailand Herrn Oberforstmeister v. Lehsten bewohnten "Amtshause", wahrscheinlich dem alten Verwaltungshause (oder der Propstei) des ehemaligen Klosters und ward von diesem als "Wagenschauer" benutzt.
Mir war dieses Gebäude, da es neben dem modernisirten Hauptgebäude liegt und gewöhnlich verschlossen war, unbekannt geblieben und ich nahm deshalb in Jahrb. XX, S. 350 flgd., eine Beschreibung meines Freundes Masch zu Demern auf, da dieser in der Nähe wohnt, und begleitete diese Beschreibung S. 354 mit einigen urkundlichen Forschungen zur Zeitbestimmung. Am 14. October 1867 hatte ich die große Freude, in Begleitung des Herrn Oberforstmeisters v. Lehsten zu Rehna, des Herrn Archivraths Masch aus Demern, des Herrn Amtmanns von Koppelow aus Gadebusch, als zuständigen Baubeamten, und des Herrn Kirchen=Provisors Neumann zu Rehna den Saal untersuchen zu können und meine hohen Erwartungen in mancher Hinsicht übertroffen zu sehen. Der Saal hat zwar in den Jahrb. XX, S. 350 seine Beschreibung gefunden. Es ist aber zum Verständniß nöthig, die Beschreibung hier gleich nach der Besichtigung im Jahre 1867 kurz zu wiederholen.
Die Halle bildet eine Oblongum von drei Gewölben Länge und zwei Gewölben Breite; sie hat also im Ganzen sechs Gewölbe, an jeder Seite drei, welche innerhalb des Raumes von zwei Monolithen, an den Wänden und in den Ecken aber von zehn Kragsteinen oder Consolen getragen werden. Die Gewölbe sind schlank und sauber, die Rippen fein profilirt.
Was aber den Saal zu einem der ausgezeichnetsten Kunstwerke des Landes macht, ist der bildliche Schmuck, welcher ihn zieret und zu den schönsten Erzeugnissen des Mittelalters in seiner Art gerechnet werden kann. Masch hat ihn zwar andeutend beschrieben, jedoch ist er bis jetzt noch nicht klar erkannt worden, und dies ist doch zur richtigen Würdigung nothwendig.
Der Hauptschmuck liegt in den zehn Kragsteinen, welche weibliche Brustbilder als Büsten darstellen. Dies sind nämlich die fünf klugen und die fünf thörichten Jungfrauen (Ev. Matth. 25, 1 flgd.) in feinen, angemessenen
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Verzierungen und Umgebungen. Am Eingange beginnen die fünf klugen Jungfrauen von links nach rechts herum, darauf folgen die fünf thörichten Jungfrauen, so daß in den beiden schmalern Wänden in der Mitte an einem Ende eine kluge und an dem andern Ende eine thörichte Jungfrau steht. Die Jungfrauen sind alle sehr schön modellirt und tragen Lampen in den Händen, welche wie Glocken gestaltet sind, wie man es auch anderswo wohl sieht. Die klugen Jungfrauen, welche fast alle zum Schmuck Kronen auf dem Haupte haben, halten die Lampen mit der Oeffnung, aus welcher ein Docht hervorragt, gerade nach oben gekehrt. Die thörichten Jungfrauen halten die Lampen umgestürzt und erscheinen alle mit betrübten, weinerlichen Gesichtern und wankenden Kronen; einer z. B. fällt die Krone vom Haupt, andere raufen das Haar. Alle sind aber doch edel, künstlerisch und fein gebildet, ohne irgend eine Uebertreibung oder Verzerrung.
Dieser Schmuck, von dieser Seite betrachtet, ist jedenfalls vor vielen anderen Kunstwerken der höchsten Beachtung würdig.
Einen zweiten Schmuck hat die Kapelle in den sechs Schlußsteinen der Gewölbe, die mit runden Scheiben belegt sind, welche sehr schöne Reliefverzierungen tragen, theils Wappen, theils symbolische Darstellungen. Auch diese Bildwerke sind in den Jahrb. a. a. O. schon zur Sprache gekommen. Die sechs Scheiben oder Schilde tragen nachstehende Darstellungen,
1. Wappen | 2. Wappen |
der von Bülow | der Mölenknecht. |
(Priorin.) | (Propst.) |
3. Wappen | 4. Wappen |
der vom Lohe. | der Dartzow. |
5. Segnende | 6. Christuskopf. |
Hand (Gottes). |
Die Wappen geben zugleich die Bauzeit an, welche zwischen 1422-1430 fällt (vgl. Jahrb. XX, S. 355). Die Darstellungen find folgende:
1. Ein Schild mit 14 Kugeln, das bekannte Wappen der v. Bülow. Adelheid v. Bülow war Priorin des Klosters 1430-1439 und wahrscheinlich schon früher, nach 1422 (vgl. Jahrb. XX, S. 356).
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2. Ein gespaltener Schild, rechts mit einem Stern, links mit einem halben Mühlrade, das Wappen der Mölenknecht. Johann Mölenknecht war 1422-1423, vor 1430, Propst des Klosters Rehna (vgl. Jahrb. XX, S. 354).
3. Ein Schild mit einem Rad. Dies ist das Wappen der adeligen Familie vom Lohe oder Loe, welche auf Scharfstorf bei Wismar wohnte und am Ende des 16. Jahrhunderts ausstarb (vgl. Lisch, Gesch. des Geschl. v. Oertzen II, S. 175 und 272). Ob die Familie sich besonders beim Bau auszeichnete, ob eine Jungfrau des Geschlechts vielleicht Unterpriorin des Klosters war, ob ein Priester vom Loe im Kloster lebte, läßt sich nicht ermitteln. Im Jahre 1439 lebte noch ein Priester Eggerd vom Loe, Bruder des Knappen Johann vom Loe auf Scharfstorf, zu Wismar und führte nichts weiter als denselben Schild im Siegel.
4. Ein Schild mit einem geschachten Andreaskreuz mit einem bärtigen Menschenkopf im obern Winkel, das Wappen der lübeker Patricierfamilie von Dartzow oder Dertzow, welche auch zur Wölbung des Schiffes der Kirche seit 1430 beisteuerte und daher ihr Wappen auch auf die Kragsteine der Kirche setzte (vgl. Jahrb. XV, S. 292 flgd.)
5. Im Kreise eine segnende Hand (Gottes, Gott bedeutend), welche auch sonst oft vorkommt.
6. Im Kreise ein Christuskopf in flachem Relief, höchst ausgezeichnet und vielleicht das schönste Werk in dem ganzen Saale, welches hoher Beachtung werth ist.
Durch die also sicher erforschte Bauzeit erhalten die Kunstwerke einen noch größeren Werth.
Außerdem ist die Kapelle auf den Wänden und auch wohl in den Gewölben noch auf weißer Kalktünche bemalt gewesen, jedoch läßt sich dies ohne Entfernung der wohl schwer abzunehmenden Kalktünche nicht beurtheilen. Rankenwerk ist hin wieder bloß gelegt.
Auf meinen konservatorischen Antrag vom 25. Mai 1875 hat die hohe Kammer in den Jahren 1875 und 1876 umfassende und gründliche Veranstaltungen zur Conservirung des Capitelsaales und Restaurirung desselben und des anstoßenden Kreuzganges getroffen, den Capitelsaal dem wirthschaftlichen Gebrauche entzogen und zu einem später sich ergebenden höhern Bedürfnisse zur Verfügung gestellt.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Im Rathsarchive der Stadt Wismar ward nachfolgendes Schreiben der Meklenburgischen Herzoge vom 25. August 1484 gefunden und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar dem Vereine in Abschrift mitgetheilt. In diesem Schreiben ersuchen die Herzoge Magnus und Balthasar (1480-1503) den Rath der Stadt Wismar, den Vorstehern der Domkirche zu Schwerin den Ankauf einer Schiffsladung ungebrannten Kalkes zum Bau der Domkirche, "to hulpe der buwete der kerken", zu gestatten.
Es ist die Frage, was unter Bau (buwete) zu verstehen ist; da das Domkirchengebäude im Jahre 1375 vollendet ward. Das Wort "Bau" kann im Allgemeinen Bauverwaltung oder Bauamt bezeichnen, was in lateinischer Sprache durch "structura" ausgedrückt ward. Am 31. October 1307 bestimmten die Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin ein Drittheil der Geldstrafen für Gewaltthätigkeiten und Verbrechen auf dem kirchlichen Gebiete Schwerins zum Bau ("structura") der Kirche. Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch V, Nr. 3193. Die großen Kirchenverwaltungen hatten immer Baumaterialien in Vorrath. Noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war in der Schweriner Domverwaltung ein "Structuarius", der sich freilich gerne nur damit beschäftigte, von Zeit zu Zeit, namentlich für "Festlichkeiten", die Sockel, Dienste und Gewölberippen der ausgeweißten Kirche mit Kienruß in Branntwein überstreichen zu lassen.
Das herzogliche Schreiben lautet folgendermaßen:
Die Herzoge Magnus und Balthasar von Meklenburg
ersuchen den Rath der Stadt Wismar, den
Vorstehern der Domkirche zu Schwerin den Ankauf
einer Schiffsladung ungebrannten Kalkes zum Bau
der Domkirche in der Stadt Wismar zu
gestatten.
D. d. Schwerin, 1484. Aug. 25.
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Magnus vnde Balltzar, gebrudere, von gots gnaden hertogen to Mekelenborg, fursten to Wenden, grauen to Zwerin, Rosztock vnde Stargarde etc. der lande herenn.
Vnnszenn gunst vnde guden willen. Erszamenn vnde wiszen, huen getruwen. Alszo wy jw ermals gebeden hebben, to nottorft vnnszer domkerken to Zwerin mochten vorgunnen, binnen juwer stadt vngebrenden kalk to kopende, bogeren wy noch van jw, den vorstenderenn vnnszer domkerken to Zwerin willen gunnen to kopende eyn schipp vull kalkes to hullpe der buwete der kerken. Dar werden gy dat Ion von gade entfangen vnnde wy sindt des willig gunsthken to erkennende. Datum Zwerin, amme Middeweken na Bartolomei, vnnder vnnszeme ingesegel, anno etc. lxxxiiij to .
Denn erszamenn vnnszenn liuenn getruwen borgermeisteren vnnde radtmannen vnnszer stadt Wisszmer.
Auf Papier im Wismarschen Raths=Archive.
Dieses Schreiben kann aber auch vielleicht auf einen bestimmten Bautheil am Dome zielen. Das Kirchengebäude war zur Zeit des Schreibens schon hundert Jahre fertig.
Es kann also nur, wenn unter Bau ein Neubau verstanden wird, der Kreuzgang gemeint sein. Von dem Kreuzgange war aber nur der östliche Flügel, das Refectorium, jetzt Schulgebäude fertig, welches nach der Bau=Inschrift 1392 gebaut ist. Es könnte hier nur der lange, nördliche Flügel, durch welchen eine Straße geht, gemeint sein. Der Bau dieses Flügels ward im Jahre 1463 unter dem Bischofe Werner (1458-1475) angefangen und unter dem Bischofe Conrad Loste (1483-1504) vollendet, wie dessen an der Nordseite des Flügels eingemauertes, großes steinernes Wappen bezeugt. Vgl. Jahrb. XIII, S. 158. Das herzogliche Schreiben fällt also gerade in die Zeit der Erbauung des größten Theiles des Kreuzganges, welcher allerdings für eine so späte Zeit ein ungewöhnlich gutes Bauwerk des gothischen Baustyls ist.
Von großer Wichtigkeit für die Baukunde ist in dem herzoglichen Schreiben die Nachricht, daß ungebrannter Kalk eingeführt ward. Im Mittelalter wurden nur ungebrannte Kalksteine eingeführt und jeder große Bau hatte eine eigene
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Kalkbrennerei. Vgl. Jahrb. XV, S. 327. Der Schweriner Dom hatte schon früh einen Kalkofen. Vgl. Jahrb. XVI, S. 182.
Aehnlichen Inhalt hat das im Folgenden mitgetheilte Schreiben, welches ich vor sieben Jahren im Schweriner Archive unter verworfenen Papieren im halb vermoderten Zustande durch Zufall gefunden habe. Am 20. Mai 1497 bittet Hans Bevernest, wahrscheinlich ein adeliger Hofdiener, den Herzog Magnus, die 30 Last ungebrannten Kalkes, welche für den Herzog in Wismar lagern und dort im Wege liegen, abholen zu lassen.
Hans Bevernest bittet den Herzog Magnus von Meklenburg, die 30 Last ungebrannten Kalkes, welche für den Herzog zu Wismar lagern, abholen zu lassen.
D. d. Wismar, 1497. Mai 20.
Irluchtige, hoegeborne furste. Myne vnderdanigenn, willigen, vorplichtigen dinsth sint Juwen furstliken gnaden nu vnnd to allen tiiden voran bereith. Gnedige leue here. Szodan beuele my Juwe furstlike gnade beuole to weruende an den [R]ath tor Wiszmer von behaluen desz kalkes, szo hefft Juwe gnade dar liggen XXX teste kalkes vngebrenth vnnd licht eme in dem wege. Szo moth Juwe furstlike gnade dar by schicken, wente szodan kalk moth man wegen. Izo moten fort von stunth szodan wagen sin vnnd laden den kalk von der wacht na der munth. Ock moth eyn by den wagen szyn, de dar to nyt, wente id is stein, de bure laten ene liggen, wenner er von dem wagen fallet. Got [welle Juwe] furstlike gnade fristen vnnd sparen sunnth vnnd gluckselig to langen [i]aren. Datum Wiszmar in Juwer furstliken. [gnaden] [houest]at, amme auende Trinitatis, Anno XCVII.
Hans Beuernesth.
Dem Irluchtigen Hoegebornnen fursten vnnd herenn heren Magnus hertogen to Megkelnborg, fursten to Wenden, greuen to Szwerin, Rostock vnnd Stargarde etc. der lande here, mynem gnedigen leuen heren dinstliken geschreuen.
Nach dem sehr stark Vermoderten und schwer zu lesenden Original im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Das runde Siegel enthält einen Schild mit einem gestümmelten Baumast; umher liegt ein Band mit der Umschrift:
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Hans Bevernest gehörte zu der Märkischen Adelsfamilie, welche seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch in Meklenburg ansässig ward. Hans war "von seiner Jugend an" bei dem Herzoge Heinrich IV. († 1477) und darauf bei dessen Söhnen Magnus und Balthasar in "Dienst" gewesen. Am 11. November 1483 wohnte er zu Santow bei Grevesmühlen und besiegelte, "Hans Beuernest to Santkow", als Zeuge bei Mathias v. Schönfeld auf Schönfeld, welcher auch Santow besaß und dessen Geschlecht im Anfange des 16. Jahrhunderts ausstarb, eine Urkunde mit demselben Siegel, mit welchem der vorstehende Brief versiegelt ist. Er wird also wohl einen Dienst auf dem Amte Grevesmühlen oder auf dem Fürstenhofe zu Wismar gehabt haben. Am 27. September 1489 schenkten die Herzoge ihm zur Belohnung seiner Dienste die Eventual=Belehung mit den Gütern des Geschlechts Holtebütel, welches bald darnach ausstarb. Dadurch gelangte Hans Bevernest in den Besitz des Gutes Golm im Stargardischen Vgl. Jahrb. XXIII, S. 52 und 251. Hans Bevernest starb vor dem Jahre 1519.
Das Wort "munth" ist außerordentlich undeutlich geschrieben. Ich kann jedoch, wie es den Anschein hat, nicht lesen, sondern nur "munth".
Das Wort "mund" bedeutet: "Mündung des Brennofens" und den "Brennofen" selbst. So z. B. führt Frisch in seinem Teutschen Wörterbuch auf: "Ofen=Munt: Mündung eines Backofens". Schon im 14. Jahrhundert kommen "munt kalk" zum Brennen vor, z. B. 1344, April 23, im Wismarschen Zeugebuche, wo in einer Eintragung von Holzlieferungen zum Ziegel= und Kalkbrennen die Rede ist: "ad quamlibet fornacem duo mund cimenti" und "pro quolibet mund"; vgl. Meklenb. Urk.=Buch IX, Nr. 6407, S. 552, Vgl. Nr. 6517, S. 651.
Möglich ist es, daß diese Kalksteine noch Ueberreste von der Schiffsladung waren, welche der Herzog 1484 in Wismar zum Schweriner Dombau ankaufen lassen wollte. Möglich ist es aber auch, daß sie zu den Schweriner Schloßbauten bestimmt waren, welche der Herzog Magnus (1477 † 1522) am Ende des 15. Jahrhunderts ausführen ließ. Vgl Jahrb. V, S. 23 und 41.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Nachdem die allerdings nothwendige Restauration der Kirche zu Teterow im Jahre 1870 beschlossen ist 1 ), habe ich Veranlassung genommen, die Kunstwerke derselben wiederholt genauer zu untersuchen und theile ich in Fortsetzung meines Berichts in Jahrb. XII, S. 464 im Folgenden meine Forschungen mit.
1.
Der Hochaltar.
Der Altar der Kirche zu Teterow ist eines der schönsten, edelsten und ältesten kirchlichen Kunstwerke in seiner Art und überhaupt im Lande und noch recht gut erhalten. Alle Figuren und sonstiges Schnitzwerk ist edel und einfach und im reinen gothischen Style gehalten. Das Kunstwerk wird in der frühen Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter dem Pfarrer Gerhard Vogelsang, 1360 -1380 (vgl. unten) ausgeführt sein, und darnach ist der Altar zugleich auch einer der ältesten im Lande. Der Teterower Altar gleicht außerordentlich dem ungewöhnlich großartigen Hochaltar, welcher im vorigen Jahrhundert aus der Jacobi=Kirche zu Lübek an die ausgebrannte Kirche zu Neustadt geschenkt, hier verworfen und schon seit vielen Jahren im großherzoglichen Antiquarium zu Schwerin aufgestellt ist; dieser Altar gehört ebenfalls der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an. Möglich ist es, daß beide Altäre Werke desselben Künstlers sind, nur daß der Teterower Altar nach den Verhältnissen der Kirche kleiner ist.
Der Altar von Teterow ist ein Doppelflügelaltar, in der vordem Ansicht mit geschnitzten und vergoldeten und bemalten Figuren, auf den Rückwänden mit Gemälden geschmückt.
In der Vorderansicht enthält die Mitteltafel in der Mitte Christus und Maria, beide Figuren sitzend (die
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"Krönung Mariä"). Zu jeder Seite stehen unter Baldachinen 3 Apostel in ganzen Figuren. Jeder Flügel enthält auch 3 Apostel und an jedem Ende eine Heiligenfigur, zur Rechten eine apostelähnliche Figur (vielleicht Paulus) mit einem geschlossenen Buche im Arme, zur Linken die Figur eines Diakons (vielleicht Stephanus) mit einem offenen Buche in der Hand, beide ohne weitere Attribute. Die ganze Darstellung ist also eine durchaus würdige und altkirchliche. Die Apostelfiguren sind gegen 3 Fuß hoch.
Unter dieser großen Darstellung ist eine Reihe von kleinen Heiligenbildern, in Brustbildern oder halben Figuren von 1 Fuß Höhe, welche theils mit der Geschichte Christi, theils mit der Geschichte der christlichen Kirche, auch mit den besonderen Heiligen der Teterower Kirche zusammenhangen. Die Reihe dieser Figuren, welche keine Baldachine über sich haben, tritt in der Erscheinung als untergeordnet gegen die große obere Reihe zurück.
Unter der Mitteltafel stehen 9, unter jedem Flügel 4 Figuren.
Diese Figuren sind in der Ansicht von links nach rechts folgende:
im Flügel zur Rechten:
1) der H. Nicolaus, Bischof mit dem Bischofsstabe in der linken Hand und einem Brot im rechten Arm;
2) der H. Otto 1 ), Bischof mit dem Bischofsstabe in der linken Hand und segnend mit der rechten Hand, sonst ohne Attribut;
3) der H. Erasmus (?), Nothhelfer mit dem Bischofsstabe in der rechten Hand, über dem linken Arme die Manipel;
4) der H. Mauritius in schwarzer Hautfarbe, mit einer Fahnenlanze in der Hand und Schild und Schwert zur Seite;
in der Mitteltafel:
5) der H. Georg, Nothhelfer, ein Jüngling in Rittertracht, der einem Drachen ein Schwert in den Rachen stößt;
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6) der H. Laurentius 1 ), ein Diakon mit einem Rost in der Hand;
7) der H. Johannes der Täufer, mit dem Lamm auf einem Buche;
8) der H. Michael, ein Engel mit Flügeln, der ein Schwert schwingt gegen einen Teufel zu seinen Füßen;
9) die H. Anna mit Maria und dem Christkinde zur Seite ("Sanct Anna selbdritte"), in der Mitte der ganzen Reihe gerade unter Maria und Christus;
10) die H. Maria Magdalena 2 ), mit Lockenhaar und mit einer Salbenbüchse in der Hand;
11) die H. Katharina 3 ), Nothhelferin und Braut Christi, gekrönte Jungfrau, mit Schwert und Rad;
12) die H. Margaretha, Nothhelferin, gekrönte Jungfrau, mit einem Drachen auf dem linken Arm und einem Kreuz in der rechten Hand;
13) die H. Dorothea, gekrönte Jungfrau, mit einem Korbe mit Blumen und einem Rosenzweig in der Hand;
im Flügel zur Linken:
14) die H. Barbara, Nothhelferin, gekrönte Jungfrau, mit einem Thurm neben sich;
15) die H. Gertrud, Frau im Kopftuch, mit einem Hospitalmodell im Arme;
16) die H. Christine, gekrönte Jungfrau, mit einem Palmzweig in der rechten und einem offenen Buche in der linken Hand;
17) die H. Elisabeth, Frau im Kopftuche, mit einem Teller mit 2 Fischen in der rechten und einem Brot (?) in der linken Hand.
Die Rückseiten enthalten auf den Flügeln Gemälde aus dem Leben Christi. Jeder Flügel ist vierfach getheilt, so daß im Ganzen 16 Gemälde vorhanden sind. Nach der
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Zeitfolge laufen die Gemälde durch die ganze Breite in zwei Reihen. Die Gemälde sind recht gut und ziemlich gut erhalten und noch zu restauriren. Die Gemälde sind in der Aufeinanderfolge folgende:
1) Christi Einzug in Jerusalem;
2) Christi Abendmahl;
3) Christi Gebet am Oelberge;
4) Christi Verrath (Judaskuß);
5) Christi Verspottung;
6) Christus vor Pilatus;
7) Christi Geißelung;
8) Christi Dornenkrönung;
9) Christi Darstellung (Ecce homo);
10) Pilatus wäscht sich die Hände;
11) Christi Kreuztragung;
12) Christus wird ans Kreuz geschlagen;
13) Christi Kreuzigung;
14) Christi Grablegung;
15) Christi Auferstehung;
16) Christi Himmelfahrt.
Die Predelle ist jetzt ein dunkel angestrichenes Brett. Es ist aber möglich, daß unter diesem Brett noch der alte Predellenschmuck steckt, wie dies im Lande oft vorkommt, welcher auch zu erhalten wäre. Jedoch läßt sich dies erst nach Abnahme des Altars beurtheilen und untersuchen.
Ueber dem Altare steht jetzt ein großes Crucifix mit den Bildsäulen der Jungfrau Maria und des Evangelisten Johannes, welches früher ohne Zweifel im oder am Triumphbogen gestanden hat. Das Crucifix ist alt und gut; das Kreuz ist an den vier Enden mit den vier Evangelisten=Symbolen, die Ränder sind mit großen Blättern besetzt. Die Figuren der Maria und des Johannes sind von geringerem Werthe und vielleicht aus jüngeren Zeiten.
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Nebenaltäre
der
Kirche zu Teterow.
Nach dem Visitations=Protocoll vom Jahre 1552 wurden "noch elf Altäre zu dem hohen Altare" in der Kirche gefunden:
1) Altar des Heil. Kreuzes;
2) Altar S.
Petri mit S. Annä=Commende;
3) Altar
S. Katharina;
4) Altar S.
Laurentii;
5) Altar S. Magdalenä;
6) Altar S. Andreä und Johannis Ev.;
7)
Altar in der Marienkapelle im Thurm;
8) Altar S. Bartholomäi;
9) Altar S.
Jacobi;
10) Altar S. Maria
(Frühmessen=Altar);
11) Altar der H. Drei Könige.
Der Marien=Altar.
Von allen diesen Nebenaltären ist noch einer erhalten, welcher jetzt an der Ostwand des südlichen Seitenschiffes angebracht ist. Er enthält Maria in der Sonne und vier Heilige. Dies ist ein kleiner Flügelaltar von unbedeutendem Werthe. Wahrscheinlich ist dies der "Altar aus der Marienkapelle im Thurm".
Vor dem Altare liegt ein alter Leichenstein auf dem Grabe des Pfarrers Gerhard Vogelsang, † 1380, welcher an und für sich gut und dadurch von Werth ist, daß er das Andenken einer der wenigen geschichtlichen Persönlichkeiten aufbewahrt, welche Teterow überhaupt aufzuweisen hat.
1) Der Leichenstein (vgl. Jahrb. XII, S. 464) enthält das Bild eines den Kelch weihenden Priesters unter einem gotischen Baldachin. In den vier Ecken des Steines stehen die vier Evangelisten=Symbole, zu den Füßen der Figur lehnt ein Schild mit einem Vogel. Die Inschrift lautet:
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Der Pfarrer Gerhard Vogelsang starb also entweder im Jahre 1380 oder nicht lange darauf. Hinter der Jahreszahl ist eine Lücke zur Eintragung der nähern Zeitbestimmung frei gelassen. Wahrscheinlich hat Vogelsang in der Erkenntniß seines nahen Todes sich selbst sein Grab erwählt und selbst den Stein legen lassen; es ist aber nach seinem Tode versäumt worden, den Tag einzumeißeln.
Der Pfarrer Gerhard Vogelsang war in vielfacher Hinsicht ein Wohlthäter der Kirche.
2) In der Erwartung seines nahen Todes stiftete er nach der Original Urkunde im Geheimen und Haupt=Archive einen Altar zu Ehren Gottes, der Jungfrau Maria, des H. Laurentius und der H. Katharina ("hujus altaris primus fundator"), welchen der Caminer Weihbischof am S. Georgentage (23. April) 1380 weihete. Es ist möglich, daß die Kirche noch heute Hebungen aus dieser Stiftung besitzt.
3) Noch heute besitzt die Kirche als ein Geschenk von Gerhard Vogelsang einen schönen Kelch (vgl. Jahrb. XXI, S. 287), mit der Inschrift:
und auf den sechs Knäufen des Griffes mit den Buchstaben:
4) Höchst wahrscheinlich ist es, daß, wenn Gerhard Vogelsang lange im Amte war, durch ihn auch der schöne Hochaltar geschenkt oder besorgt ist, weshalb er denn auch wohl vor diesem Altare begraben ist. Er wird 1360-1380 Pfarrer gewesen sein und diese Zeit stimmt ganz zu dem Kunststyle des Altars. Vogelsangs wahrscheinlicher Vorgänger war Johann Sternberg, welcher 1359 sein Testament machte (vgl. Jahrb. XXIV, S. 46). Dieser war zugleich Domherr zu Güstrow, wo er auch gewohnt zu haben scheint, und hielt in Teterow wahrscheinlich einen Vikar. Die Pfarre zu Teterow war später der Pfarre zu Malchin und einer Domherrnstelle zu Güstrow incorporirt (vgl. Jahrb. XIL, S. 16 flgd.
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5) Der Leichenstein hat außerdem einen besondern, wenn auch nur negativ geschichtlichen Werth, indem er seit dem Anfange des 17. Jahrhunderts in der Stadt Teterow die Veranlassung zu einer Sage geworden ist, welche man erst in den allerneuesten Zeiten aufzugeben angefangen hat. Die Stadt Teterow führte früher und jetzt wieder im Siegel den Helm des Wappens ihrer ehemaligen Landesherren und Gründer, der Fürsten von Werte: einen vorwärts gekehrten Stülphelm und auf demselben zwei gekreuzte Pfauenfedern. Im 16. und 17. Jahrhundert erkannte man aber den Helm nicht mehr als solchen und stellte nach Verlust der alten Siegelstempel statt des Helmes ein einem Blumentopf ähnliches Geräth dar und statt der zwei Pfauenfedern drei Rosenzweige (vgl. Jahrb. XXI, S. 65). Hierauf ward, wahrscheinlich erst von einem Stadtschreiber im Anfange des 17. Jahrhunderts folgende Sage gemacht. Ein Ritter von Vogelsang sei General des Herzogs Heinrich des Löwen von Braunschweig gewesen und habe für diesen die Schlacht bei Demmin (Verchen 1164) gewonnen. Zum belohnenden Zeichen habe der Herzog ihm drei Rosen an den Helm gesteckt, worauf dieser dann die Stadt Teterow gegründet und derselben die Rosen im Siegel verliehen habe. - Der Pfarrer Gerhard Vogelsang hatte seinen Namen wohl von dem nahen Landgute Vogelsang und gehörte nicht zu der vorpommerschen adeligen Familie von Vogelsang, welche ein ganz anderes Wappen führt. Das Wappen Gerhard's ist sicher ein redendes Wappen einer bürgerlichen Familie. In Meklenburg lebte keine einheimische adelige Familie v. Vogelsang.
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Von
Dr. G. C. F. Lisch.
Nachträge zu Jahrb. XXXIII, S. 164.
Erster Nachtrag
In den Jahrbüchern XXXIII, 1868, S. 164 flgd. habe ich durch die bischöfliche Urkunde nachgewiesen, daß die S. Marien= Kirche auf der Neustadt Parchim am 19. Juni 1278 eingeweihet ist. Der noch stark romanisirende Bau, so wie er jetzt äußerlich erscheint, stammt also aus diesem Jahre, mit Ausnahme des jungem weiten Anbaues an der Nordseite. Im Innern deuten aber viele Spuren darauf hin, daß in dem Bau von 1278 ein noch älterer Bau steckt; namentlich sprechen die beiden starken Halbsäulen mit Würfelkapitälern am Triumphbogen stark für eine ältere Zeit.
Im Jahre 1869 fiel von den Gewölben des Chores über dem Altare Kalkputz herunter, und so ward man auf den Zustand der Gewölbe aufmerksam. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, daß die Wände ausgewichen und die Gewölbe dadurch baufällig geworden waren. Es mußte daher der Chor sogleich abgesperrt werden, und es wurden sogleich zwei starke Pfeiler an den beiden äußern Ostecken des Chors aufgeführt. Als man nach Vollendung derselben im Innern an die Ausbesserung und Sicherung der Gewölbe und Wände ging, entdeckte man unter der jungen Kalktünche alte Wandmalereien, und legte die Wände so viel als möglich frei. Leider ließ sich nicht viel mehr erkennen. Im September 1869 nahm ich persönlich eine Untersuchung vor und fand den erwarteten alten Zustand. Alle drei Wände sind ganz mit Gemälden bedeckt. Diese bestehen aus lebensgroßen Figuren unter Baldachinen. Ich konnte in der Höhe zwei Reihen über einander erkennen. An der Nordwand war noch ein alter, bärtiger Mann zu erkennen, mit einem langen Dolchmesser in der Hand: also der Opferversuch Abrahams. An der Südwand hatte eine Figur
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ein Spruchband in der Hand, auf welcher deutlich die Buchstaben zu erkennen waren. Dies wird also eine Darstellung des Apostels Paulus gewesen sein, nach Apostel=Geschichte 9,4: "Saul, Saul, was verfolgest Du mich". Nach den ganz alten Schriftzügen auf diesem Spruchbande gehörte die Malerei dem Ende des 13. Jahrhunderts an, und ist sicher älter als 1350, stammt also aus der Zeit der Vollendung der Kirche. Leider ließ sich nichts erhalten.
Diese Malereien sind denen sehr ähnlich, welche im Dome zu Schwerin auf den Pfeilern hinter dem Hochaltare, der Heiligen=Bluts=Kapelle gegenüber, stehen und noch ziemlich erhalten sind. Auch diese werden ungefähr aus jener Zeit stammen.
Nach diesem Beispiele so wie aus sehr vielen andern, wird es immer sicherer, daß im Lande fast alle, sicher die meisten Kirchen des romanischen und des Uebergangs=Styls bis in die altgothische Bau=Periode hinein mit Kunstmalereien geschmückt waren.
Mit dieser Kirchweih mag der Sommer=Jahrmarkt auf der Neustadt Parchim am 17. Juli zusammenhangen, welcher also die Kirmeß sein würde. Freilich scheint der Monat jetzt verschoben zu sein.
Zweiter Nachtrag.
In den neuesten Zeiten ist eine Entdeckung gemacht, welche die vorstehenden und früher mitgetheilten Forschungen zu bestätigen scheint. Im Jahre 1876 entdeckte Herr Advocat Kahle zu Parchim, Provisor der S. Marien=Kirche auf der Neustadt, in einer alten Kiste im Kirchenarchiv eine zusammen gefaltete kleine Pergament=Urkunde. Diese in der Anlage mitgetheilte Urkunde ist ein Ablaßbrief des Schweriner Bischofs Hermann für die S. Marien=Kirche vom Jahre 1277. Der Bischof Hermann, ertheilt hierdurch allen Gläubigen, welche die Marien=Kirche auf der Neustadt Parchim am Tage der Kirchweihe (in anniversario dedicationis) jährlich in Andacht besuchen, den ungewöhnlichen Ablaß auf ein Jahr. Da nach der in Jahrb. XXXIII, S. 165 mitgetheilten Urkunde die Einweihung (consecratio) der jetzt noch stehenden fertigen Kirche am 19. Juni 1278 vollzogen war, so wird unter der durch die neu entdeckte Urkunde vom Jahre 1277 beglaubigten Einweihung oder Widmung (dedicatio) wohl eine ältere oder vielmehr die erste Gründungs=Weihung der Kirche zu verstehen sein.
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Möglich ist es freilich, daß der Bischof im Jahre 1277 in Voraussicht des nahe bevorstehenden Ausbaues den Ablaß ertheilt hat. Aber die Urkunde beweist doch klar, daß schon vor dem Jahre 1278 eine Marien=Kirche auf der Neustadt stand. Die ermittelten Reste eines alten Baues werden also viel älter sein, als 1277.
Anlage.
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Hermann, Bischof von Schwerin, verkündigt allen Gläubigen, welche die Marien=Kirche in der Neustadt Parchim am Jahrestage der Kirchweihe jährlich zur Andacht besuchen, Ablaß auf ein Jahr.
D. d. 1277.
Hermannus dei gracia episcopus Cwerinensis vniuersis Christi fidelibus salutem in domino. Splendor paterne glorie, qui sua mundum illuminat ineffabili claritate, pia uota fidelium de clementissima ipsius maiestate sperancium tunc primum benigno fauore prosequitur, cum ipsorum deuota humilitas sanctorum meritis et precibus adiuuatur. Cupientes igitur, ut ecclesia sancte dei genitricis et virginis Marie Noue Ciuitatis de Parchem in anniuersario dedicacionis eius die ab omnibus Christi fidelibus congrua deuocione frequentetur et eis ibidem crescat assecucio beneficii specialis, nos de omnipotentis dei misericordia confisi omnibus vere penitentibus, qui eandem ecclesiam in dicto die congruis honoribus frequentauerint annuatim, vnum annum de iniuncta eis penitencia misericorditer relaxamus. Datum anno domini LXXVH°.
Nach dem Original auf einem schmalen Pergamenistreifen in einer kleinen, gedrängten Minuskel im Archive der Marienkirche zu Parchim, von dem Herrn Advocaten Kahle zu Parchim, Provisor der Kirche, im Archive in einer alten Kiste vereinzelt gefunden und zur Abschrift mitgetheilt. Ein aus der Charte geschnitten gewesener schmaler Pergamentstreifen zur Anhängung eines Siegels ist abgeriffen. - Wahrscheinlich ward dieser Ablaß während des Ausbaues der jetzt noch stehenden Kirche gegeben, da die fertige Kirche erst am 19. Junii 1278 eingeweihet ward; vgl. Lisch in Jahrb. XXXIII, S. 164 flgd. Die vorstehende Urkunde ist auch schon 1876 vorweg gedruckt in Meklb. Urk.=Buch Bd. X, Nr. 7197. - (Ueber römische große Ablaßbriefe für die S. Georgen=Kirche zu Parchim vgl. (Cordes) Cleemann Chronik von Parchim S. 20.) -
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Dritter Nachtrag.
Der Altarschrein der S. Marien-Kirche zu Parchim
und
Die Jagd des Einhorns.
In Folge der Beschreibung kirchlicher Werke in den Jahrb. XXXIII, 1868, hat der seitdem verstorbene Pastor Koch an der S. Marien=Kirche zu Parchim 1868 einen von ihm früher gehaltenen Vortrag über den Altar dieser Kirche zur Ansicht und Benutzung mitgetheilt, welchem wir auszugsweise die unten folgende Beschreibung entnehmen. Der Altar ist ein reicher, sinnreicher Doppelflügelaltar. Auf den innern Flügeln ist in Malerei auch die "Jagd auf das Einhorn" dargestellt.
"Auf der Tafel zur Linken steht rings von Waldung und blauen Bergen umgeben die kräftige Gestalt eines Engels mit ausgebreiteten bunten Flügeln und einem wehenden rothen Mantel. In seiner Rechten hält er einen Speer und in der Linken ein langes, gebogenes goldenes Horn, das er mit vollen Backen bläst. Darüber liest man auf einem aufgerollten Bande die Worte: "Ave Maria, gratia plena, dominus tecum." Vor ihm weg springen drei schlanke Hunde von rother, schwarzer und weißer Farbe, und über ihnen flattern wieder drei Bänder mit den Worten: Spes, fides, caritas. Nun erhebt sich vor ihnen ein hohes Brettergehege, in brauner Farbe, oben im Zickzack ausgeschnitten, und zieht sich um einen grünen blumigen Hügel (Garten). Man sieht eine verschlossene Thür. Auf der Mitte des Hügels sitzt die heilige Jungfrau. Mit beiden Händen umfaßt sie die Vorderfüße eines schlanken, weißen Einhorns, das sich vor ihr erhebt und sich umsieht, als horche es auf den Klang des Horns und auf die heranspringenden Hunde. Links steht ein rother, vorn geöffneter Altar nach alter Weise, zu dem Stufen hinaufführen. Ein leinenes Tuch mit goldener Borte ist darüber gebreitet und darauf stehen 12 Lichter, davon das mittelste sich oben in drei Rosen theilt (die grünende Ruthe Aarons). Daneben auf der Erde liegt der Laib eines weißen Brotes. Auf der andern Seite dagegen steht ein Brunnen mit drei Röhren, aus denen Wasser in ein Kübel fließt, aus welchem es dann wieder hervorquillt. Vor dem Brunnen steht ein goldener Eimer mit schwarzen Bändern. Hinter dem Brunnen sieht man meinem grünen
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Busch Gott den Vater. Am Fuße des Busches taucht die goldene Sonne aus mit einem Gesicht darin, dessen große Augen eben noch sichtbar werden. Strahlen gehen von ihr aus."
Dieses Altarbild gleicht also ganz der Darstellung auf dem Altare in der Kirche zu Lübbersdorf bei Friedland, welche in Jahrbüchern XXXIII, 1868, S. 169 flgd. genau beschrieben und beurtheilt ist.
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Amts Lübz, war ein ganz kleines, oblonges Gebäude, mit dreiseitigem Chorschluß, unregelmäßig aus Feldsteinen und Ziegeln aufgeführt, ohne Thurm und Anbauten, ohne allen künstlerischen und geschichtlichen Werth und Schmuck, ungefähr gegen das Ende des 15. Jahrhunderts gebaut, wahrscheinlich im Jahre 1486, da die Glocke diese Jahreszahl hat. Die Pforten und Fenster waren ohne künstlerische Gliederungen aus gewöhnlichen Backsteinen aufgeführt und hatten keine andern Profilirungen, als die rechtwinkligen des Backsteins. Gewölbe waren beabsichtigt, aber nicht zur Ausführung gekommen, und die Bretterdecke war verfallen. Da nun die Kirche für die Gemeinde viel zu klein, und dazu noch baufällig und werthlos war, so ward der Bau einer neuen Kirche beschlossen und die alte Kirche abgebrochen. Beim Abbruche der Kirche fand sich in den Fundamenten nirgends ein als solcher bezeichneter Grundstein, da der Herr Pastor Malchow sorgfältige Aufmerksamkeit darauf verwandt hat.
Die Kirche hatte folgende Geräthe, welche zum größten Theil ins Antiquarium zu Schwerin versetzt sind.
Der Altar ist ein kleiner Doppelflügelaltar, aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, auf der Vorderseite mit geschnitzten Figuren, auf den Hinterseiten mit Gemälden bedeckt; Schnitzerei und Malerei sind schlecht und ohne besonderen Werth. Die Vorderseite hat gemusterten Goldgrund, unten mit blau=roth=weißen Franzen, wie viele Altäre aus jener Zeit.
Die geschnitzte und bemalte Vorderseite hat auf der Mitteltafel die Jungfrau Maria mit dem Christkinde, über welchem ein kleiner anbetender Engel schwebt. Die Maria ist ziemlich gut, aber das Christkind ist sehr schlecht und im höchsten Grade manierirt, eben so der Engel. An jeder Seite der Maria stehen auf der Mitteltafel 2 Heiligen=
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figuren, deren Namen auf die Heiligenscheine gemalt sind, von ziemlich guter Arbeit:
oben: rechts: die H. Anna, die Mutter der Maria, mit dem Christkinde auf dem rechten Arme und einer kleinen Maria links neben sich, welche zum Christkinde hinauflangt, mit der Inschrift: S NCT NN OR.
oben: links: die H. Katharine, die Braut Christi, ein Schwert mit beiden Händen fassend; das Rad fehlt und ist auch nicht vorhanden gewesen: Inschrift: S NCT K TERIN OR.
unten: rechts: der H. Nicolaus, einer der 14 Nothhelfer, ein Bischof, mit der rechten Hand segnend, auf dem linken Arm ein geschlossenes Buch haltend, auf welchem drei runde Brote liegen; Inschrift: S NCTVS NICOL VS;
unten: links: der H. Erasmus, ein Bischof, auf dem rechten Arm ein geöffnetes Buch haltend, mit der linken Hand einen Bischofsstab, welcher freilich verloren gegangen, von welchem jedoch noch das Tuch (Sudarium) vorhanden ist; andere Attribute sind nicht vorhanden gewesen; Inschrift: S NCTVS ER SMUS.
Auf den Flügeln stehen die 12 Apostel, von ganz schlechter Arbeit, deren Namen auf den Sockelleisten auf blauem Grunde stehen.
Die zweiten Flügel, wenn die Vorderseite zugeklappt ist, enthalten die Leidensgeschichte Christi in 8 Gemälden, ohne künstlerischen Werth; die Flügel sind queer getheilt, so daß auf jeder Tafel zwei Gemälde stehen; die Gemälde sind in folgender Ordnung, in der Ansicht von links nach rechts, folgende:
oben: | 1) Christi Gebet am Oelberge, |
2) Christi Gefangennehmung, | |
3) Christus vor Pilatus, welcher sich die Hände wäscht, | |
4) Christi Geißelung, | |
unten: | 5) Christi Dornenkrönung, |
6) Christi Hinausführung in der Dornenkrone (Ecce homo), | |
7) Christi Kreuztragung, | |
8) Christi Kreuzigung. |
Auf der Rückseite der zweiten Flügel ist in zwei durchgehenden, großen Figuren die Verkündigung Maria in etwas besserer Malerei dargestellt: in der Ansicht rechts: die Maria, vor einem Betpulte knieend, links der Engel mit einer Urkunde in der Hand, an welcher drei Siegel hangen
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und auf welcher in drei Zeilen steht:AVE R │ CI PLE │ N DOMI
Auf dem Kirchenboden fand sich ein sehr großer Belt (Opferstock), welcher größer ist als gewöhnlich und nicht zum Herumreichen, sondern nur zum Aufstellen gedient haben kann, da er ungefähr 2 Fuß hoch und sehr schwer ist. Auf einem hervorragenden Sockel steht eine regelmäßig ausgeschnittene und bemalte Hinterwand, vor welcher die hohe Figur eines Bischofs mit den Füßen in einem Grapen (dreibeinigen Kessel) steht; er erhebt die rechte Hand zum Segnen und hat in der linken Hand ein jetzt fehlendes Attribut (einen Bischofsstab oder eine Winde) gehalten. Dieser in einem Grapen stehende Bischof ist der H. Erasmus, Welcher in einen Kessel mit siedendem Pech gesetzt ward, und welchem schließlich die Eingeweide ausgewunden wurden; das Attribut des Grapens beim H. Erasmus, welches in Meklenburg oft vorkommt, scheint Norddeutschland eigenthümlich zu sein (vgl. Jahrb. XXIV, S. 344). Neben der Bischofsfigur stehen auf dem Belt zwei kleinere männliche Figuren, zur Rechten eine nackte, zur Linken eine mit Hemd und Mütze bekleidete Figur, von denen jede ein kurzes, viereckiges Stück Holz (? von der Winde?) in den Händen hält.
Diese Heiligenfigur, welche sicher der H. Erasmus ist, ist also dieselbe Figur, welche auf dem Altar mit dem Namen des H. Erasmus dargestellt ist. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die Kirche zu Granzin dem H. Erasmus geweihet war.
In der Kirche fanden sich noch zwei Flügel von einem andern Doppelflügelaltare, welche auf einer Seite jeder mit einer großen Figur bemalt sind; auf dem einen Flügel steht die H. Gertrud im Schleier, mit Heiligenschein, ein Hospital auf den Händen tragend; auf dem andern Flügel steht eine reich geschmückte Jungfrau in einem rothen Hut mit vielen großen weißen Federn, ohne Heiligenschein, eine brennende Kerze in der linken Hand haltend.
An der Nordseite neben dem Altare stand ein hohes Wand=Tabernakel: über einem kleinen Wandschranke erhob sich an der Wand ein recht gut gearbeiteter und erhaltener gothischer Thurm von ungefärbtem Eichenholz, 12 Fuß hoch, welcher aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, also aus der Zeit der Erbauung der Kirche stammt. Durch die umsichtige Fürsorge des Pastors Malchow ist dieses hübsche Tabernakel unbeschädigt abgebrochen und eben so gut erhalten nach Schwerin transportirt worden.
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An der südlichen Chorpforte der abgebrochenen Kirche war eine heidnische Quetschmühle als Weihwasserbecken eingemauert.
Die Kanzel war in dem schlechtesten Style der Zopfzeit erbaut und ohne allen Werth.
Eine Glocke hat die Inschrift:
Wahrscheinlich ist diese Glocke zur Zeit der Erbauung der Kirche gegossen.
Alle im Vorstehenden beschriebenen Alterthümer werden gleich alt sein und aus der Zeit der Erbauung der abgebrochenen Kirche, nach der Jahreszahl der Glocke wahrscheinlich aus dem Jahre I486, stammen.
G. C. F. Lisch.
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Da in der Gegend der Stadt Gadebusch die ältesten romanischen Kirchen stehen (Gadebusch, Vietlübbe, Rehna) und der Ort Lübsee schon 1236 und die Kirche daselbst schon 1263 genannt wird, so waren in der Kirche zu Lübsee noch alte Baureste zu vermuthen. Diese Erwartung hat sich aber nicht ganz bestätigt.
Die Kirche besteht aus einem quadratischen Chor mit einem Gewölbe und einem oblongen Schiff von zwei Gewölben Länge.
Das Schiff besteht aus zwei ganz verschiedenen Hälften.
Die westliche Hälfte ist ganz aus Feldsteinen erbaut, welche sorglich gespalten und an den Ecken behauen sind. Dieser Theil enthält geringe Spuren von rundbogigen Oeffnungen in Pforten, welche zugemauert, und in Fenstern, welche ausgebrochen sind. In jungem Zeiten ist dieser Theil durch Ziegel erhöht, um ihn mit dem östlichen Theile zur beabsichtigten Wölbung in gleiche Höhe zu bringen. Dieser kleine Theil mag früher romanischen Baustyl gehabt und allein das Schiff einer kleinen Kirche gebildet haben. In
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noch Jüngern Zeiten sind die alten Fenster ausgebrochen und dafür zwei gleiche große Fenster, an jeder Seite eines, mit einfacher Ziegeleinfassung eingesetzt worden. Diese Fenster tragen ganz den junggothischen Charakter des 15. Jahrhunderts.
Die östliche Hälfte des Schiffes ist aus großen, alten Ziegeln aufgeführt, auf einer Unterlage von vier Schichten von Feldsteinen. In diesem Theile ist an jeder Seite ein großes Fenster und eine Pforte, alle ziemlich reich und kräftig gegliedert und sehr gut, wenn auch einfach, construirt. Alle tragen den Charakter des altgothischen Styls, etwa aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts. Auch dieser Theil hat noch keine Strebepfeiler, sondern nur Lissenen an den Ecken.
Das Innere des Schiffes hat, mit Ausnahme der Fensterformen, vielleicht zur Zeit der Erbauung der östlichen Hälfte gleiche Wände und gleiche Höhe erhalten und ist auf Wölbung angelegt, welche jedoch nicht zur Ausführung gekommen ist.
Im Osten steht ein kleiner quadratischer Chor, welcher gewölbt ist. Dieser hat in der östlichen Altarwand drei Fenster, von denen das mittlere höher ist, als die beiden anderen, mit schräge und glatt eingehender und leise gespitzter Laibung, ohne Schmuck, im Uebergangsstyle, als wäre die Construction aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Da es aber wahrscheinlich ist, daß wegen der östlichen Hälfte des Schiffes der ganze Bau von Westen nach Osten vorgeschritten ist, so wird dieser Chor im Uebergangsstyl wohl ein letzter Anklang, vielleicht gar eine Nachahmung des Uebergangsstyls sein. Denn der dazu gehörende Triumphbogen und die jetzt im Innern durch eine Empore halb verdeckte, im Aeußern in dem Vorbau aber ganz sichtbare Nordpforte sind im altgothischen Style gewölbt und die Gewölberippen tragen auch keinen alten Charakter. In der Südwand des Chors haben ohne Zweifel zwei gekuppelte Uebergangsfenster, wie die Altarfenster, gestanden, welche aber in neueren Zeiten zu einem modernen viereckigen Fenster umgeschaffen sind, das bei der (1867) bevorstehenden Restauration 1 ) vernichtet werden soll. In der Nordwand sind diese Fenster schräge über der Pforte nur durch zwei kurze Nischen angedeutet.
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Nach einigen unter der Kalktünche entdeckten Rankenverzierungen in den Gewölbezwickeln war das ganze Chorgewölbe bemalt.
Der Altar |
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der Kirche ist ein alter Flügelaltar 1 ) mit doppelten Flügeln. Der Altar ist alt, nach dem noch ziemlich rein gehaltenen gothischen Schnitzwerk der Baldachine aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, hat jedoch durch Unbill sehr stark gelitten und ist im Jahre 1741 ganz und schlecht mit Wasserfarben überschmiert, wie eine prahlende Inschrift auf der übermalten Predelle angiebt; bei der Gelegenheit sind denn auch alle Flügel hinten auf allen Seiten überpinselt, so daß von denselben gar nicht mehr die Rede sein kann. | ||
Die Vorderseite enthält aus Holz geschnitzte Figuren in nebenstehender Anordnung in der Ansicht: | ||
In der Mitte ist die Krönung Mariä in zwei großen, durchgehenden, sitzenden Figuren, wie Gott (in der Gestalt des Sohnes) die Jungfrau Maria krönt, in herkömmlicher Darstellung. Ueber den beiden Figuren ist ein kurzer Wolkenbogen, auf welchem sieben kleine musicirende Engel in Brustbildern mit musikalischen Instrumenten angebracht sind. | ||
An jeder Seite dieser Darstellung stehen auf dem Mittelstück an jeder Seite vier kleine Figuren in zwei Reihen übereinander, nämlich: | ||
zur Rechten: | ||
S. Anna, mit den kleinen Figuren Mariä und Christi ("selbstdritte") | ||
S. Stephanus, in Diakonentracht, mit drei Steinen auf dem Arme; | ||
S. Nicolaus?, ein segnender Bischof, ohne bezeichnendes Attribut, also schwer zu bestimmen; |
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S. Christina, eine schwer zu erkennende Figur, mit einem Mühlsteine;
zur Linken:
S. Georgius, mit einem Drachen neben sich;
S. Katharina?, eine gekrönte Jungfrau, ohne Attribut;
S. Johannes der Täufer, mit einem Lamm auf einem Buche im Arme;
S. Maria Magdalena, im Kopftuche, mit der Salbenbüchse.
In jedem Flügel sind sechs Apostel in je zwei Reihen über einander. Abweichend von den gewöhnlichen Bildern sind alle sitzend dargestellt. Die Attribute fehlen alle.
Alle Figuren sind flach und ausdruckslos, und nur mittelmäßig geschnitzt.
Außer dem Altar hat die Kirche an alten Geräthen noch einen sehr alten und großen Taufstein (aus Granit), in runder Kelchform, jedoch ohne alle Verzierungen, leider mit Oelfarbe überschmiert.
Ein noch im Gebrauche befindlicher "Belt" hat eine sehr geschnörkelte Figur und ist verhältnißmäßig jung und schlecht.
Am Westende der Kirche steht jetzt ein wenn gerade nicht ausgezeichneter, doch beachtenswerther, alter Predigerstuhl, welcher früher unter der Kanzel gestanden hat. Der Stuhl hat vorne eine Brüstung, welche vier Füllungen hat, und an jeder Seite eine Thür mit einer Füllung. Der ganze Stuhl ist mit Leimfarben bemalt und für die Zeit und die Geschichte der Pfarre nicht ohne Werth.
Auf der Füllung der Thür rechts steht ein Wappen und die Inschrift:
Auf der Füllung der Thür links steht auch ein Wappen und die Inschrift:
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Der Pastor Küchmeister 1626 ist bisher unbekannt gewesen und in den Archiv=Acten und Visitations=Protocollen nicht zu finden.
Auf den vier Füllungen der Brüstung stehen folgende Bilder:
1) zuerst rechts neben der Thür rechts ein Crucifix, zu dessen Füßen der Pastor und seine Frau betend knieen; neben dem Pastor knieet ein kleiner Sohn; dann folgen der Reihe nach: 2) die Hochzeit zu Canaan; 3) die Himmelfahrt Christi; 4) das Abendmahl.
Eine Glocke ward nach dem Berichte des Herrn Dr. Crull zur Restauration im Jahre 1867 in Wismar umgegossen. Inschrift: Um den Hals las man in einer Zeile:
d. i. Anno domini mcccc hundert en unde lx. help got unde Maria.
G. C. F. Lisch.
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Glockengießer.
Matthäus David, Bürger zu Rostock bietet dem Rathe von Lübek seine Dienste als Glockengießer an.
Rostock. 1464. Octbr. 22.
Mynen willigben denst to juwer erwerdighen beheghelicheyd. Erwerdighen leuen heren, my is to wetende worden, wo gy ghebreck hebben an juwer besten klocken een to vnser leven Vrouwen myt juw vnde dar enes meysters to behof hebben etc. So do ik juwer erwerdicheyd to wetende, were id juw to willen, so wolde ik juw myt der hulpe godes dar ynne denen, de klocken. wedder to ghelende, dat gy my dancken scholden, vnde wolde juw ene klocke gheten, de juw beheghelik scholde wesen van lude vnde van formen, wo gy se van stemmen hebhen wolden by de andere, ene note hogher ofte syder, dat se concorderden. Bouen alle wen de klocke rede were vnde were so nicht van lude vnde van formen, so vor screuen steyd, so en wolde ik nicht enen pennynck van deme godeshuse to lone hebben, wente ik my in anderen steden in sodane arbeyde bewyset Iiebbe, dar ik ere tuchnysse in open beseghelden breuen vp hebbe, also benomelken to Reuel, to der Parnouwe vnde to Wenden alle in Lyflande begegnen, dar ik klocken ghegoten hebbe van xxx vnde van xxiiij schippunde vnde ok van xvj etc. Ok in dessen landen to Vredelande, to Witstok, to Pryswalk vnde ok to der Wilsnacke, ok to der Nygenstad in deme lande to Mekelenborch, dar ik ok klocken ghegoten hebbe van xxvj schippunden van xx vnde van xvj, also gy dit in eren openen beseghelden breuen wol seende werden, is dat wy to samende komen etc. Leuen erwerdighen heren, wes juw hyr ane to willen is, dat vorscryuet my. Hyrmede syt gode beuolen to syme denste. Screuen to Rotzstock, des mandaghes na der xi[h]m juncvrouwen daghe in deme lxiiij jare vnder myme inghesegel.
Mattheus Dauyd
borgher to Rotzstok.
Nach dem Original im Lübischen
Archive mitgeteilt vom Staatsarchivar Dr.
Wehrmann zu Lübek.
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Diese seltene und merkwürdige Urkunde ist für die Kulturgeschichte von großer Wichtigkeit. Sie wird hier ohne weitere Bemerkungen mitgetheilt, da sich solche schwer machen lassen. Von Bedeutung würde es sein, wenn sich von den in der Urkunde aufgeführten großen Glocken noch die eine oder andere entdecken ließe. - Ueber alte Glocken in Meklenburg vgl. Jahrb. XL, S. 195-204, und früher in den Jahrbüchern an vielen Stellen, nach dem vierten Register, 1806, S. 510. G. C. F. Lisch.
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An der Kirche zu Cambs zwischen Bützow und Schwaan war nur der Chor alt und kommt daher bei einer geschichtlichen Untersuchung allein zur Berücksichtigung. Das Schiff war von Fachwerk mit Holzdecke, der Thurm von Holz; beide waren werthlos und wurden seit dem Jahre 1865 neu gebaut.
Der Chor ist ein altes Gebäude von quadratischer Form, von Ziegeln mit Feldsteinen. Er trägt noch Spuren eines alten Baustyls. An den Ecken stehen Lissenen und im Innern sind die Gewölbeansätze und eine Pforte rundbogig. Der Bau wird also noch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen. Die Fenster sind jedoch in jüngeren Zeiten erweitert und tragen den Charakter des 15. Jahrhunderts. Das eine Gewölbe, mit welchem der Chor bedeckt ist, hat quadratische Rippen. Die Wände sind roth mit weißlichen Fugen bemalt gewesen; auf dieser Malerei stehen die alten bischöflichen Weihkreuze. Hinter dem Altare sind auf weißem Grunde Reste von rother Rankenmalerei, welche jedoch jünger sein mag, als die Bemalung der Seitenwände. Die ganze Kirche war im Innern mit Kalk übertüncht, ward jedoch im Jahre 1863 restaurirt.
Die Kirche hat einen alten geschnitzten und vergoldeten und bemalten Flügelaltar, welcher im Anhange beschrieben ist.
Chor und Altar sind 1863-64 restaurirt.
Eine sehr große Seltenheit ist die Kanzel aus Eichenholz, welche noch aus der katholischen Zeit und wahrscheinlich noch aus dem 15. Jahrhundert oder doch spätestens aus dem ersten Anfange des 16. Jahrhunderts stammt. Sie ist aus dem Sechseck construirt und zeigt vier Seitenwände, die fünfte Seite liegt in der Wand und die sechste Seite dient der Treppe und Thür. Die vier hervorstehenden Seiten
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sind durch gothische Pfeiler, welche die Fugen bedecken, getrennt. Zwischen den Pfeilern stehen vier gothische Baldachine, unter denen ohne Zweifel die Bildsäulen der vier Evangelisten gestanden haben, welche jetzt fehlen und 1709 durch Malerei auf dem Grund ersetzt sind. Die Kanzel ist allerdings sehr schadhaft und zerbrochen, so daß sich nur aus einzelnen Resten die ganze Construction erkennen läßt; dennoch ist sie sehr wichtig, da sie wohl die einzige Kanzel aus dem Mittelalter im Lande und gut construirt ist. Der Fuß, die Treppe und der Schalldeckel, welcher schlecht zu der Kanzel paßt, stammen aus einer Renovation vom Jahre 1709. Bei der Restauration der Kirche sind die Reste der Kanzel, als ganz unhaltbar, ins Antiquarium nach Schwerin versetzt.
Außerdem war in der Kirche bei Seite gesetzt, ein frei stehendes Tabernakel aus Eichenholz, in Gestalt eines durchbrochenen Thurmes, von viereckiger Grundfläche; die Spitze fehlt und das Uebrige ist sehr beschädigt. Auch diese Reliquie ist ins Antiquarium versetzt.
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Der Altar
der Kirche zu Cambs bei Schwaan
ist ein achtungswerthes Werk aus dem 15. Jahrhundert, ein Doppelflügelaltar. Die Architektur der Vorderseite ist nur einfach und mittelmäßig, die durchbrochenen Ornamente sind meistentheils Fischblasen. Die Figuren, welche, außer der Maria, 2 Fuß hoch sind, sind aber in der Haltung und Gewandung gut gearbeitet, in den Gesichtern weniger. Der Altar, welcher 5 Fuß Höhe hat, ist 13 Fuß breit und macht eine gute Wirkung.
In der Mitte der Mitteltafel steht durch die ganze Höhe reichend Maria mit dem Christkinde in einem Wolkenkranze. Die Flächen zu beiden Seiten der Maria auf der Mitteltafel und die Flügel sind queer getheilt und enthalten im Ganzen 24 Heiligenfiguren. Zu den Seiten der Maria stehen noch auf der Mitteltafel 8 Figuren und in jedem Flügel wieder 8 Figuren.
In der Mitte der Mitteltafel steht die Jungfrau Maria, in der Sonne, auf dem Monde, mit der Sternenkrone, das Christkind auf dem linken Arme haltend. Sie ist umgeben von einem schmalen, elliptischen, blauen Wolken=
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kranze, aus welchem an jeder Seite drei Engel hervorragen, welche singen und musiciren. Oben über dem Wolkenkranze in den Zwickeln stehen in kleinen Figuren: zur Rechten: Jehovah im feurigen Busch und Moses die Schuhe ausziehend (2. Mos. 3, 2 flgd.); zur Linken: der Prophet Ezechiel vor dem verschlossenen Thore auf einem Felsen (Ezech. 44, 2 flgd.).
Die 24 Heiligenfiguren zu den Seiten sind scheinbar ohne Ordnung durch einander gestellt. Diese scheinbare Unordnung ist aber ursprünglich, da der ursprüngliche Goldgrund der Hinterwand noch vorhanden ist und die charakterischen Umrisse der Figuren in den Kreidegrund eingerissen sind, um die Grenze der Vergoldung zu bestimmen. Es lassen sich also die Figuren und ihre Stellung genau bestimmen, um so mehr, da sie noch nicht abgebrochen gewesen sind, sondern noch in ihrer alten Befestigungsweise (durch einen Nagel über dem Kopfe) stehen. Viele Figuren waren noch an den Attributen und Verzierungen zu erkennen, viele haben aber Hände und Attribute verloren.
So viel ergab sich nach den noch vorhandenen Attributen und Eigenthümlichkeiten mit Sicherheit, daß unter den 24 Figuren auch die 12 Apostel waren, und daß diese in der Mitte standen. Es waren an Attributen und Gestalten noch sicher Petrus, Andreas, Jacobus d. ä., Johannes, Thomas, Jacobus d. j., Philippus, Bartholomäus zu erkennen; es blieben also nur Matthäus, Simon, Judas Thaddäus, Mathias übrig, welche einander sehr ähnlich und deren Stellen an den Umrissen auf dem Hintergrunde um so leichter zu erkennen waren, als sie an anderen Stellen keinen Platz finden konnten. Die 12 Apostel waren alle in der Mitte aufgestellt, jedoch nicht nach herkömmlichen Rangordnungen, auch nicht ganz ungemischt mit anderen Figuren. Denn oben rechts von der Maria stehen die Heiligen Johannes der Täufer und H. Georg, denen zwei Apostel haben reichen müssen. Diese beiden Heiligen sind also wahrscheinlich die Localheiligen der Kirche. Die übrigen Heiligen haben ihre Stellen an den Seiten erhalten.
Es folgen hier die Beschreibungen der Heiligen, wie sie sich in der Ansicht von links nach rechts darstellen, da sich eine bestimmte Rangordnung von der Mitte aus nicht gut begründen läßt.
Es stehen:
Oben, von der Linken zur Rechten:
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Flügel:
1) Der H. Erasmus, Nothhelfer, in Bischofskleidung, mit der Bischofsmütze, im Grapen stehend, in der linken Hand die Winde haltend, (in der rechten Hand den Bischofsstab) 1 ).
2) Der H. Antonius, in Priesterkleidung, mit viereckiger Mütze, in der linken Hand ein geschlossenes Buch und eine Glocke haltend, (in der rechten Hand einen Stab mit dem Antoninskreuz T), am linken Fuße von einem Schwein begleitet.
3) Der H. Thomas, Apostel, mit bartlosem Gesichte, langem blonden Haar, aufgeschürztem Gewande, einem Buche im Arme, (mit der Lanze in der rechten Hand).
4) Der H. Matthäus, Apostel, in langem, schlichtem Haar, mit einem Buchbeutel, (mit der Hellebarde in der Hand).
Mitteltafel:
5) Der H. Georg, Nothhelfer, im Harnisch, auf dem Drachen stehend, die linke Hand auf einen Schild gestützt, mit der rechten Hand (ein Schwert) schwingend.
6) Der H. Johannes der Täufer, ein Kamelfell, welches das ganze linke Bein bedeckt, als Untergewand tragend, im linken Arme ein Buch, auf welchem ein Lamm liegt, mit der rechten Hand darauf hinweisend.
7) Der H. Petrus, Apostel, mit krausem, dunklem Haar, im linken Arme ein geschlossenes Buch haltend, (in der rechten Hand einen Schlüssel).
8) Der H. Andreas, Apostel, mit kahlem Kopf und langem Bart, in der linken Hand einen Buchbeutel tragend, vor sich (das Schrägekreuz) haltend, welches zwar fehlt, dessen Anlage aber ersichtlich ist.
Flügel:
9) Der H. Philippus, Apostel, mit langem Haar, mit geschlossenem Buche im Arme, (das Doppelkreuz haltend).
10) Der H. Stephanus, erster Märtyrer, in Diakonenkleidung, ohne Kopfbedeckung, in jugendlicher Gestalt, ohne
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Bart, mit drei eckigen Steinen im linken Arme, (in der rechten Hand eine Palme haltend).
Der H. Nicolaus mit den drei Broten im Arme kann diese Figur nicht sein, da dieser immer als Bischof dargestellt wird.
11) Der H. Laurentius, ganz wie der H. Stephanus, in Diakonenkleidung, ohne Kopfbedeckung, in jugendlicher Gestalt, ohne Bart, im rechten Arme ein geschlossenes Buch haltend, in der gesenkten linken Hand (einen Rost).
12) Der H. Mauritius, als Mohr, mit schwarzem, krausen Haar, ganz im Harnisch, die linke Hand auf einen Schild stützend, (in der rechten Hand eine Fahne haltend),
Unten, von der Linken zur Rechten:
Flügel:
13) (Der H. Dionysius), Nothhelfer, ein Bischof, mit der Bischofsmütze auf dem Kopfe, im linken Arme eine zweite Bischofsmütze (scheinbar mit einem Theile der Stirn) tragend, (in der rechten Hand den Bischofsstab haltend). Der H. Dionysius wird sonst gewöhnlich ohne Kopf dargestellt, wie er sein abgeschlagenes, mit der Bischofsmütze bedecktes eigenes Haupt im Arme trägt. Die Darstellung auf dem Cambser Altare mag eine Milderung dieser Darstellung sein, da sie sich sonst nicht gut deuten läßt.
14) (Der H. Jodocus), Patron der Feldfrüchte, in Priester= oder Abt=Kleidung, mit viereckiger Mütze, ohne Bart, (in der rechten Hand einen Stab haltend, da dieser dem H. Jodocus zukommt, und kein anderer Heiliger für diese Figur zu ermitteln war).
15) (Der H. Valentin), ein Bischof, mit Bischofsmütze, die rechte Hand zum Segnen erhoben, (in der linken Hand einen Bischofsstab haltend).
16) Der H. Simon, Apostel, mit einem geschlossenen Buche im Arme, (eine Säge haltend).
Mitteltafel:
17) Der H. Bartholomäus, Apostel, mit kurzem Haar, mit aufgeschürztem Gewande, (ein Messer haltend).
18) Der H. Jacobus d. ä., Apostel, im Pilgerhut mit der Muschel, (einen Pilgerstab haltend).
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19) Der H. Jacobus d. j., Apostel, einen Buchbeutel tragend, (mit einem Walkerbaum).
20) Der H. Mathias, mit einem geschlossenen Buche im Arme, (mit einem Beutel).
Flügel:
21) Der H. Judas Thaddäus, Apostel, mit aufgeschürztem Gewande, (mit einer Keule).
22) Der H. Johannes Ev., in jugendlicher Gestalt, ohne Bart, mit dem Kelche in der linken Hand.
23) Die H. Maria Magdalena, in weißem Kopftuche, mit der rechten Hand das Gewand, in der linken Hand eine große Salbenbüchse haltend.
24) Der H. Ulrich, ein Bischof, mit Bischofsmütze, in der rechten Hand einen Stock haltend, (in der linken Hand einen Bischofsstab).
Die ersten Rückseiten des Doppelflügelaltars haben nach einigen Spuren die Leidensgeschichte Christi in Gemälden enthalten, welche aber ganz abgefallen sind.
Die letzten Rückwände sind nur mit schwarzen Sternen auf hellem Grunde bemalt gewesen.
Die Predelle hat die Darstellung des Abendmahls in schlechter Malerei aus junger Zeit.
G. C. F. Lisch.
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ist ein sehr kleiner, unansehnlicher, mit einer Bretterdecke bedeckter Feldsteinbau in Oblongumform, an den ein Thurm von Feldsteinen in gleicher Breite angebaut ist, dessen unterer Raum mit zur Kirche gezogen ist. Die Kirche ist nur von Feldsteinen gebaut, welche an den Ecken des Gebäudes behauen sind; der Thurm und eine im Süden angebaute Vorhalle sind an den Ecken und Oeffnungen mit Ziegeln eingefaßt. Die Kirche hat durch eine in den neueren Zeiten vorgenommene Restauration im Styl so sehr gelitten, daß von den alten Baueigenthümlichkeiten wenig übrig geblieben ist. Nur ein Fenster zeigt noch den Uebergangs=
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styl, ebenso der große, starke Bogen, welcher sich zwischen Kirche und Thurm öffnet. Die südliche Pforte, vor welche die Vorhalle vorgebaut ist, ist im Rundbogenstyl aus Ziegeln gut gegliedert gebaut. Die Kirche wird daher in die Zeit der Erbauung der Kirche zu Alt=Röbel fallen, (also gegen das Ende des ersten Viertheils des 13. Jahrhunderts).
Der Altar, ein Schnitzwerk aus dem Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts, ist sehr klein, schlecht gezeichnet und ausgeführt, auch in den durchbrochenen Sockeln und Baldachinen, sowie in den Attributen der Heiligen sehr verstümmelt und zerbrochen. Der Altar hat eine Mitteltafel und zwei Flügel. Die Mitteltafel hat eine durchgehende Darstellung und an jeder Seite in queer getheilten Räumen unter Baldachinen zwei sitzende Figuren unter einander. Die Flügel sind queer getheilt und haben in jeder Abteilung ebenfalls nur eine sitzende Figur. Die durchgehende Hauptdarstellung der Mitteltafel ist eine Kreuzigung Christi in schlechter Ausführung. Daneben sind oben zwei Apostel oder Evangelisten, rechts mit einem Buche im Beutel, links mit einem aufgeschlagenen Buche, - unten rechts Johannes der Täufer mit dem Lamm auf einem Buche, links Johannes der Evangelist, dessen Arme abgeschlagen sind. In den Flügeln ist rechts oben der Apostel Paulus, unten eine männliche Figur mit einem Winkelmaaß (der Evangelist Matthäus), und links oben die H. Barbara mit dem Thurm, unten ein Apostel. Es scheint, als wenn in neuern Zeiten die Figuren versetzt sind und die 4 Evangelisten und vier andere Heilige: Johannes der Täufer, (der Apostel Petrus), der Apostel Paulus und die H. Barbara, haben dargestellt sein sollen. Die Malereien auf den Rückwänden der Flügel sind abgefallen. Die Kanzel, aus neuern Zeiten, ist über dem Altar angebracht, da die Kirche sehr klein und an den Seitenwänden mit Emporen gefüllt ist.
G. C. F. Lisch.
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Die nur kleine alte Kirche zu Bruderstorf bei Dargun, deren Abbruch zum Zweck eines Neubaues nothwendig war, war aus Feldsteinen mit Ziegeln vermischt sehr einfach gebaut und gänzlich verfallen und im Laufe der Zeiten sehr verunstaltet. Sie wird am Ende der Zeit des Uebergangs=
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styls aufgeführt sein, ist im Chore gewölbt und im Schiffe mit einer Balkendecke bedeckt und hat kein einziges Glied von irgend einem architektonischen Werthe. Es ist 1861 der Abbruch dieser alten und der Bau einer neuen Kirche beschlossen und im Jahre 1863 ausgeführt.
Von dem Mobiliar der alten Kirche verdient nur Beachtung:
1) Der Altar, ein alter Flügelaltar mit doppelten Flügeln. Die Vorderseite, ohne Queertheilung hat jetzt noch fünf ziemlich große und gute Figuren weiblicher Heiligen, alle mit einer Krone auf dem Haupte: Maria, Maria Magdalene(?) (mit einem Gefäße), Barbara (mit einem Thurme), Margaretha (mit einem Drachen) und Gertrud (mit einem Hospital); zwei Figuren fehlen. Sowohl der Schrein, als die Figuren sind in jüngeren Zeiten auf abschreckende Weise von Stubenmalern mit Wasserfarben übermalt. Oben auf dem Altare waren noch ein Marienbild und acht kleine geschnitzte Figuren und im Schiffe noch zwei Figuren, wahrscheinlich von Nebenaltären, aufgestellt.
2) In der Sakristei steht ein alter, großer, runder Taufstein aus Kalkstein, welcher zwar ohne alle Verzierungen, aber recht gut geformt und erhalten ist.
3) Bei dem Abbruche des Altars im Jahre 1863 wurden auch die Reliquien gefunden, leider nicht in Anwesenheit eines Gelehrten. Es waren sieben ganz kleine Knochenstücke, deren jedes in ein kleines Läppchen von losem, sehr altem, hellfarbigem Seidenzeuge, das ganze aber in einen großen Lappen von ähnlichem Seidenzeuge von rother oder violetter Farbe gewickelt war. Diese Reliquien lagen in einer sogenannten "Urne", von etwa 1 1/2 Zoll Durchmesser, welche beim Herausnehmen zerfiel. Bei näherer Untersuchung der noch erhaltenen Bruchstücke war dieses kleine Gefäß von ungeläutertem Wachs geformt, welches ziemlich mehlig geworden war. Außer den Reliquien lag in der Urne ein Siegel, welches aber leider von den Arbeitern so rein gebürstet ist, daß die Namen der Umschrift nicht gelesen werden können. Das Siegel hat offenbar nicht an einer Urkunde gehangen, da jede Spur von einem Siegelbande fehlt. Das Siegel ist ohne Zweifel ohne Urkunde lose hineingelegt, um aus demselben die Zeit zu erkennen; es kommen gleiche Fälle vor; in diesem Falle ist aber der Zweck nicht erreicht. Das Siegel ist ein kleines, parabolisches Siegel aus ungeläutertem Wachs, ungefähr 2 1/4 Zoll lang und 1 3/8 Zoll breit in der Mitte: unter einem
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einfachen Baldachin sitzt die Figur eines Bischofs, welcher die Rechte zum Segnen erhebt, und in der Linken den Bischofsstab hält; die untere Spitze des Siegels ist abgebrochen, die obere undeutlich. Von der Umschrift in gothischer Majuskelschrift ist noch zu lesen:
Es ist unmöglich gewesen, dieses Siegel zu bestimmen. Ein Siegel des zuständigen Bischofs von Camin wird es nicht sein; wahrscheinlich ist es das Siegel irgend eines fremden, reisenden Weihbischofes. Nach dem Styl des Baldachins, der Figur und der Buchstaben wird das Siegel in die Zeit um das Jahr 1300, vielleicht vor dieses Jahr fallen. Am Sonntag Lätare (9. März) 1309 zu Camin ward von dem Bischofe Heinrich von Camin die Kapelle zu Bruderstorf, welche bis dahin Filial von Röknitz gewesen war, zu einer Pfarrkirche erhoben und mit zwei Hufen dotirt und am 23. Mai 1309 ward die von dem damals lebenden Abte Johann von Dargun erbaute Kirche von dem Herzoge Otto von Pommern mit dem freien Eigenthum der Dotation beschenkt. - Vielleicht gehört das Siegel dem Caminer Weihbischofe Petrus (1299) an; vgl. Lisch, Meklb. Urk. I, Nr. C, S. 211: Das Siegel des Caminer Weihbischofs Conrad, 1335, (vgl. Jahrb. XXX, S. 176 flgd.) ist dieses Siegel nicht.
G. C. F. Lisch.
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Als im November 1872 zu Wismar bei Herstellung der Anlagen auf dem S. Marien=Kirchhofe an der westlichen Thurmseite zwecks Reparatur des Sockels abgegraben wurde, fanden die dabei beschäftigten Arbeiter in der Erde, etwa einen Fuß tief, eine Urne, bedeckt von mehreren grünen Ofen=Kacheln. Die Urne - von gewöhnlicher Form, ohne Henkel, außen glasurt und 6 Zoll hoch - war mit einem zusammengerollten Lederstücke verschlossen, und enthielt:
I. Bracteaten (mit gestrahltem Rande).
1) 2 kleine Wismar'sche,
2) 25 größere und 3 kleinere Meklenburgische,
3) 1 größerer Lübeker,
4) 1 größerer und 37 kleinere Hamburger,
5) 1 größerer der Stadt Lüneburg, und 34 kleinere (Scherfe),
6) 1 größerer und 68 kleinere der Stadt Salzwedel,
7) 13 kleinere von Dänemark.
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II. Zweiseitige Münzen.
8) 2 Wittenpfennige Lübek.
9) 1 Solidus Hamburg
1/2 Solidus Hamburg
10) 1 Pfennig - 1/8 Schilling, Stadt Dortmund - 15. Jahrhundert.
11) 15 Kreuz = Witten - Stadt Malmö - Dänemark, während des Interregnums vom 6. Januar-28. September 1448.
12) 71 Kreuz =Witten - Stadt Malmö - Dänemark, Christian I. 1448-1481.
13) 91 Kreuz = Witten der Stadt Malmö - Dänemark, Johann I. 1481-1513.
14) 7 Kreuz = Witten - Norwegen - Johann I. 1481-1513.
15) 1 Witten= Pfennig der Stadt Stettin.
16) 1 Denar (undeutlich), wahrscheinlich Italien.
Wismar, im November 1876.
F. J. Briesemann, Advocat, Oeconomus.
Von diesen Münzen schenkte Herr Advocat Briesemann dem Verein:
1 | Stück | von | Nr. | 2. |
2 | " | von | Nr. | 4. |
2 | " | von | Nr. | 5. |
2 | " | von | Nr. | 6. |
1 | " | von | Nr. | 7. |
1 | " | von | Nr. | 11. |
2 | " | von | Nr. | 12. |
2 | " | von | Nr. | 13. |
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13 | Stück |