zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 151 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

VIII.

Ueber die Verwandtschaft des meklenburgischen Fürstenhauses mit den Königen von Schottland.

Von Dr. F. Wigger, Archivrath.

Von einer verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den Regenten von Meklenburg und den schottischen Königen ist bisher freilich nichts bekannt gewesen; dennoch ist solche unzweifelhaft. Es hat nämlich der jüngst verstorbene, seiner Zeit in den öffentlichen Blättern viel genannte päpstliche Archivar Augustin Theiner aus den Registern des Vaticans ein zu Lyon am 20. Mai 1248 gegebenes Schreiben veröffentlicht, in welchem Papst Innocenz IV. der Schwester des Königs von Schottland auf ihre Bitte, trotz dem entgegenstehenden Statut des Cistercienser=Ordens (welches Frauen vom Besuche der Mönchsklöster ausschloß), gestattet, mit sechs würdigen Frauen das Cistercienser=Kloster Doberan in der Schwerinschen Diöcese, dessen Gründer ihr Gemahl, der Edle B. von Rostock sei, jährlich zwei= bis dreimal zu Andachtsübungen zu betreten.

Der Wortlaut des Briefes ist nach Theiner, Vet. monumenta Hibernorum et Scotorum historiam illustrantia (Romae, 1864), p. 50, folgender:

"Innocentius episcopus etc. dilecte filie nobili mulieri . . ., sorori carissimi in Christo filii nostri . . . illustris regis Scotie, salutem etc. Pium arbitramur et congruum, ut in hiis prompti simus ad gratiam, que profectum respiciunt animarum, presertim circa personas nobiles, que pura fide conspicue deo et ecclesie sunt devote. Hinc est, quod nos, tue nobilitatis precibus annuentes, ut cum sex matronis honestis monasterium de Doberan, Cisterciensis ordinis, Zwerinensis diocesis, cuius nobilis vir B. de Rozstoc, maritus tuus, fundator existit, bis vel ter in anno causa devotionis intrare valeas, eiusdem ordinis statuto contrario non obstante, tibi auctoritate presentium conferimus facultatem. Datum Lugduni, XIII. kal. Junii, pontificatus nostri anno quinto."

König von Schottland war im Jahre 1248 Alexander II., welcher seit 1214 regierte und im Jahre 1249 starb; sein Vater und mithin auch der Vater der Fürstin von

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 152 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Rostock war König Wilhelm I. von Schottland, welcher in der Geschichte den Beinamen "der Löwe" führt.

Nicht so klar ist aber auf den ersten Blick, welcher Edle Herr von Rostock der Gemahl dieser schottischen Königstochter war. Da der Papst denselben nicht durch einen sonst üblichen Zusatz, wie z. B. "quondam maritus tuus", oder "maritus tuus piae memoriae", oder "maritus tuus felicis recordationis", als bereits verstorben erwähnt, auch das Präsens "existit", nicht das Perfectum "exstitit" gebraucht, so ist man leicht versucht anzunehmen, "B" sei der damals (1248) regierende Herr von Rostock Heinrich Burwin III., und nicht dessen Vater, der am 5. Juni 1226 1 ) verstorbene Fürst Heinrich Burwin II., welcher in den Urkunden in der Regel sich nur Heinrich, gelegentlich 2 ) aber doch auch "Heinricus Burwinus dei gracia dominus in Rozstoc" genannt hat.

Indessen stößt man mit dieser Annahme bei genauerer Betrachtung auf unüberwindliche Hindernisse. Denn erstens geben alle bisher bekannt gewordenen Urkunden uns nur von einer Gemahlin Burwins III. Nachricht, und diese war im Jahre 1248 längst nicht mehr am Leben; dies war Sophie, eine dänische Königstochter. Ueber deren Herkunft kann kein Zweifel bestehen; denn auf ihrem Siegel 3 ), welches an einer Urkunde vom 15. Februar 1237 hängt, hält sie als den väterlichen Schild in ihrer Linken den dänischen Königsschild mit den 3 Leoparden über einander. Sie starb spätestens in den ersten Monaten des Jahres 1241. Denn in einer Urkunde 4 ), welche Burwin III. am 24. April 1241 dem Kloster Dargun gab, gedenkt der Fürst ihrer bereits als verstorben: "quondam vxoris nostre, domine Sophie, filie regis Swetie". Den Irrthum, als ob sie die Tochter eines Königs von Schweden gewesen wäre, werden wir dem Concipienten dieser Urkunde zuschieben müssen; wahrscheinlich legte das Kloster Dargun dem Fürsten diesen Brief ausgefertigt zur Besiegelung vor. Denn der Annahme, daß Fürst Burwin III. seine Gemahlin Sophie von Dänemark bald nach dem 15. Februar 1237 verloren, dann eine schwedische Prinzessin gleiches Namens heimgeführt habe, bis zum 24. April 1241 aber zum andern Mal Wittwer geworden sei, steht entgegen, daß er hier und auch in einer andern Urkunde für das Kloster Dargun vom 14.


1) Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 324.
2) Daselbst Nr. 319.
3) Abgebildet im Mekl. Urk.=Buch I, zu Nr. 463.
4) Daselbst Nr. 527.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 153 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

September 1252 5 ) nur von einer verstorbenen Gemahlin spricht ("ad salutem anime domine S., nostre coniugis iam defuncte"). Diese geborne Prinzessin von Dänemark, Sophie, war die Mutter Waldemars, des Sohnes und Nachfolgers von Burwin III.; Waldemar selbst gedenkt ihrer so 6 ): "matris videlicet nostre, domine Sophie".

Indessen, wenn wir freilich auch sonst keine einzige urkundliche Spur davon finden, daß Burwin III. sich nach 1241 zu einer andern Ehe entschlossen hätte, so möchte vielleicht jemand eben aus dem in Rede stehenden Schreiben des Papstes Innocenz IV. doch folgern, daß jener Fürst im Jahre 1248 in zweiter Ehe mit einer schottischen Königstochter gelebt hätte.

Diese Vermuthung wird aber aufs Bestimmteste widerlegt durch des Papstes Angabe, daß der Gemahl der schottischen Prinzessin Gründer des Klosters Doberan sei. Als solcher konnte Burwin III. in keiner Weise bezeichnet werden, da die Gründung dieses Klosters weit vor seiner Lebenszeit lag. Vielmehr erweist eben jene Bezeichnung als fundator des Klosters Doberan unzweifelhaft, daß mit "B. de Rozstoc" Burwins III. Vater, Herr Heinrich Burwin II. von Rostock, gemeint ist. Denn als 1227 Fürst Heinrich Burwin I. starb, waren seine 4 Enkel: Johann, Nicolaus, Heinrich Burwin (III.) und Pribislaw, noch sämmtlich unmündig, Burwin III. also sicher nicht vor 1205, wahrscheinlich aber noch etliche Jahre später, geboren; die Aufrichtung des Klosters zu Doberan - anstatt des im Jahre 1179 von den Wenden zerstörten Klosters zu Althof - ward aber schon im Jahre 1186 vom Bischof Berno und vom Fürsten Burwin I. begonnen, und diese neue Stiftung gewann einen gewissen Abschluß durch die Urkunde vom Jahre 1192 7 ), durch welche Burwin I. dem Kloster Doberan den alten Güterbesitz bestätigte und vermehrte. In dieser Urkunde gedenkt Burwin I. aber ausdrücklich der Zustimmung seiner beiden Söhne, Heinrich Burwins II. und Nicolaus: "de consensu filiorum nostrorum Henrici et Nicolai monasterium dotauimus memoratum." Hatte aber Heinrich Burwin II. zur Ausstattung des Klosters 1192 seinen Consens ertheilen müssen, so durfte er mit Recht der Ehre genießen, zu den Gründern des Klosters gerechnet zu werden.

Ueber die Gemahlinnen Heinrich Burwins II. besitzen


5) Mekl. Urk.=Buch Bd. II, Nr. 706.
6) Daselbst Nr. 1143.
7) Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 152.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 154 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

wir nun bis jetzt sehr wenig Nachrichten. Die Tafel, welche früher im Chor der Franciscanerkirche zu Wismar hing und nur durch eine Abschrift im Kirchenbuche erhalten ist, meldet von Johann I. 8 ): "Johannes Theologus, eyn hertogk (!) tho Mekelnborch van der Linie der koninge Obotritorum vnd eyn szone hern Hinrici Burewini, syn mutter Sophia, des konings to Sweden dochter". - Diese Nachricht ist uns nur aus dieser, dem Ausgange des Mittelalters angehörenden Quelle bekannt, und die Form der Ueberlieferung erweckt an sich wenig Vertrauen; da aber die Angaben der genannten Tafel auf ältere Aufzeichnungen zurück gehen, und die Franciscaner zu Wismar im 13. Jahrhunderte in engen Beziehungen zu dem meklenburgischen Fürstenhause standen, auch sonst nichts dagegen spricht, so ist es immerhin sehr wohl möglich, daß die Mutter Johanns I., Sophia, eine Tochter des Königs (Karl?) von Schweden, war. Dann war diese eben die erste Gemahlin Heinrich Burwins II., und Christine, die Mutter seiner jüngeren Söhne: Nicolaus, Heinrich Burwins III. und Pribislaws, seine zweite Gemahlin, die ihn überlebte. Denn Nicolaus selbst nennt Christine seine Mutter ("matris mee domine Christine"), und zwar in einer Urkunde 9 ), welche von ihm etwa sechs Jahre nach des Vaters Tode, um 1232, ausgestellt ist. Damals lebte die verwittwete Fürstin Christine nach ihres Sohnes Angabe als geistliche Schwester und Clausnerin zu Satow ("soror Christina reclusa de Satowia"). Den Hof Satow hatte ihr Schwiegervater den Cistercienser=Mönchen zu Amelungsborn geschenkt und der Pfarre daselbst 1224 einen Sprengel angewiesen. Einer Dame, die mit dem Cistercienserorden in eine so nahe Beziehung getreten war und als geistliche Schwester bei einem Hofe dieses Ordens lebte, lag in der That die Bitte nahe, in dem von ihrem Gemahl mitgegründeten Cistercienserkloster Doberan von Zeit zu Zeit ihre Andacht verrichten zu dürfen. Bisher war ihre Abkunft unbekannt, und jene um 1232 von ihrem Sohne gegebene Urkunde das einzige Zeugniß von ihrem Leben. Aus dem oben von uns mitgetheilten Briefe des Papstes Innocenz IV. lernen wir nun also, daß die Fürstin Christine eine Tochter des schottischen Königs Wilhelm I. des Löwen war, und daß sie noch im Jahre 1248 lebte.

Vignette

8) Mekl. Urk.=Buch Bd. II. Nr. 669 B.
9) Mekl. Urk=Buch I, Nr. 396.