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Die oberste Verwaltung des Klosters Dobbertin hat im J. 1872 die drei großen Glocken der Kirche veräußert, weil sie nicht musicalisch zu einander stimmten, und dafür neue Glocken mit harmonirenden Tönen angeschafft. Von diesen alten Glocken ist nun die größte von besonderer Wichtigkeit für die alte Glockenkunde.
1) Die größte Glocke, in der Form die schönste, 972 Kilogramm schwer, ist die älteste und wird aus der ersten Hälfte des 14. Jahrh. stammen. Sie hat 3 Reihen Inschriften unter einander. Die oberste Reihe um den Helm hat eine Inschrift in sehr großer Majuskelschrift, welche im Ganzen zwar schön, strenge und klar, jedoch in einigen Buchstaben etwas geziert ist:
Ein Anhaltspunct für den Anfang ist nicht gegeben. Ich habe als Anfang das Wort genommen, da dieses ja bekanntlich der Anfang des englischen Grußes ist. Wenn nun auch die einzelnen Worte verständlich sind, so ist doch die Construction nicht klar und rein; das Wort NOS (als Accusativ) bleibt immer ein Stein des Anstoßes. Ich bin daher auf den Gedanken gekommen, daß der Imperativ von einem grade nicht classischen Verbum benignare (= begnade, segne uns) sein könne. Einen andern Ausweg kann ich nicht finden. - Herr Archivar Dr. Wigger vermuthet, daß NOS eine Abkürzung von sein könne; aber es steht kein Abkürzungszeichen da, das sonst in diesen Umschriften nicht fehlt.
Unter dieser ersten Reihe steht eine zweite, ebenfalls rund herum, ohne Lücke. Diese Reihe ist im allgemeinen in langer, schmaler enger Minuskelschrift gehalten, welche jedoch noch mit Majuskelschrift gemischt ist:
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Diese Anrufung: O rex gloriae etc. ist auf alten Glocken, besonders des 15. Jahrhunderts, bekanntlich sehr gewöhnlich wenn auch ohne den Zusatz: visitare nos.
Ganz besonders auffallend ist der Ausdruck in Majuskelschrift am Anfange oder Ende der zweiten Reihe unter dem Kreuz und . Die Buchstaben sollen 2 Worte bilden, denn es steht ein Stern zwischen und Das steht verkehrt, d. h. ist recht modellirt und verkehrt gegossen. Der vorletzte Buchstabe des letzten Wortes ist aber schwer zu deuten. Es ist ein ungewöhnlich gezierter und geschnörkelter Buchstabe, wie ähnliche in der ersten Reihe vorkommen, und ist einem sehr ähnlich, jedoch in allen Zügen mehr gerundet. Ich kann nichts anders finden, als daß dieser Buchstabe ein mißverstandenes, verunglücktes = M, und die ganze Redensart der Name der Glocke ("Laß mich"? oder "Ohne mich"?) sein soll, den ich freilich nicht erklären kann. Auch bewährte Theologen haben auf Befragen den Sinn nicht deuten können.
In der dritten Reihe stehen die Namen der 4 Evangelisten auf 4 Seiten der Glocke:
in Minuskelschrift mit Anfangsbuchstaben in Majuskel. Unter steht .
Was das Alter der Glocke betrifft, so möchte ich den Guß in die Zeit kurz vor der Mitte des 14. Jahrh. setzen, etwa 1340-1350. Für diese Annahme reden die Form der Glocke und der Inschrift=Buchstaben. Die Inschriften sind noch theils in alter Majuskel, theils in alterthümlicher Minuskel gehalten; die seltenen Inschriften werden also in die kurze Zeit des Ueberganges von der Majuskel in die Minuskel fallen.
Für diese Ansicht scheint auch eine gewisse Zeitbestimmung aus der Glocke zu sprechen. Zwar trägt die Glocke keine Jahreszahl, aber doch Zeichen, welche annähernd eine Zeitbestimmung geben. An den stellen der zweiten und dritten Inschriftreihe, wo hier ein kleiner Kreis ° abgedruckt ist, sind die zur Zeit des Glockengusses in Umlauf gewesenen Münzen eingedrückt und mit abgegossen. Diese 7 Münzen
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sind nun freilich keine redende Münzen, sondern kleine, starkblechige Bracteaten mit einem einfachen Stierkopfe und mit glattem Rande. Münzen dieser Art werden nach mehrern Anzeichen und Forschungen in die Zeit um die Mitte des 14. Jahrh. fallen, wenn sich auch die Jahrzehende nicht sicher angeben lassen. So hat diese Glocke auch Werth für die vaterländische Münzkunde.
2) Die zweite Glocke, welche nach der Domina Hedwig v. Quitzow den Namen Hedwig trug, ist im J. 1863 von Hausbrand in Wismar gegossen.
3) Die dritte Glocke hat am Ende die Inschrift:
MICHEL BEGUN HATT MICH GEGOSSEN ANNO 1719.
Von demselben bis dahin nicht bekannt gewesenen Glockengießer Michael Begun waren auch zwei in den neuesten Zeiten in Wismar umgegossene Glocken der Kirche zu Krakow vom J. 1717 und der Kirche zu Dobbin bei Krakow, vom J. 1728; vgl. unten.
Schwerin.
G. C. F. Lisch.