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Kirche und Reliquien=Urne von Stöbelow.

Nicht weit von Doberan steht in dem Dorfe Stöbelow eine kleine alte Kirche, welche seit langen Zeiten ein Filial der Pfarrkirche zu Parkentin ist. Zur katholischen Zeit war zu Stöbelow eine eigene Pfarre. Jm J. 1718 war nach Archivnachrichten noch eine "Wedeme" (Pfarrhof) daselbst. Seit dem Ende des 16. Jahrh., wahrscheinlich seit der Reformation, erscheint aber Stöbelow als Filial von Parkentin So weit die Archiv=Acten zurückreichen, ist in denselben, von 1597 bis 1703, nur von der Baufälligkeit der "kleinen" Kirche, namentlich an Dächern, Fenstern, Thüren und Stühlen, die Rede.

Herr Baumeister Müschen giebt nach eingehender Untersuchung folgende Nachrichten über das Kirchengebäude. Die Kirche mit dem Thurm ist von Ziegeln im größten Format im gothischen Baustyl; die Fenster, Thüren und Nischen sind in sehr guten Verhältnissen im Spitzbogen geschlossen. Die Kirche ist nur klein und besteht aus zwei fast quadratischen Gewölbejochen, welche mit gut erhaltenen, schlanken spitzbogigen Kreuzgewölben bedeckt sind. Die spitzbogigen Fenster

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haben gemauerte Pfosten und sind in der Nord= und Südwand zweitheilig, in der Ostwand dreitheilig. Der gut erhaltene Bau zeigt in Kirche und Thurm in verkleinertem Maaßstabe manche Anklänge an die nahe Mutterkirche zu Parkentin. Der Thurm hat 4 Giebel mit Blendnischen, über denen sich der Thurmhelm als kräftige achtseitige Pyramide erhebt. Altes Mobiliar besitzt die Kirche nicht mehr.

Im J. 1874 ist eine überraschende Entdeckung gemacht, welche einige Blicke in die Vergangenheit dieser Kirche thun läßt.

Im Herbste 1874 untersuchte Herr Amtmann Burchard zu Rostock, vom Domanialamte Toitenwinkel, bei der Jahresbesichtigung die Kirche. Er entdeckte dabei in der Kirche hinter dem Altare unter dem großen Fenster etwa in Manneshöhe ein Rüstloch, das mit Spinnweben dicht verklebt war und in das wohl seit langer Zeit keine menschliche Hand hineingelangt hatte. Er griff hinein und holte aus einem Wust von Staub und Kalk, Spinnen und Motten eine hölzerne runde Büchse heraus, welche ohne Zweifel der Reliquienbehälter des ehemaligen alten Altars war, wie dergleichen hölzerne Reliquiarien schon öfter in alten Altären in Meklenburg gefunden sind. Die Büchse, 5 1/2 Centim. (2 1/4 Zoll) hoch und 8 Centim. (3 1/4 Zoll) im Durchmesser, ist aus rohem Holz gedrechselt und hin und wieder unregelmäßig mit senkrechten blutrothen Streifen bemalt. In der Büchse lag ein kleiner menschlicher Knochen, ein Stück von dem 3. oder 4. Halswirbel, in dünnes dunkelblaues Seidenzeug gewickelt, ein Stückchen dunkelgelbes Zeug und ein Stückchen Weihrauch. Dies Alles war in einen Lappen von schwerem dunkelrothem Seidenzeug mit eingewirkten goldenen Verzierungen (Thieren, wie es scheint), von hohem Alter, vielleicht aus dem 13. oder 14. Jahrhundert, gewickelt.

Oben darauf lag in der Büchse ein kleines rundes Siegel mit eingelegter rother Wachsplatte in einer ungefärbten, außen braunroth bemalten Wachsschale. Das runde Siegel, gegen 3 Centim. im Durchmesser, zeigt den den Kelch segnenden Bischof im Brustbilde, unter demselben einen rechts gelehnten Schild mit einem rechts gekehrten halben Widder über einem links gekehrten Bischofsstabe; die Umschrift lautet (mit Ergänzungen):

Umschrift

Dies ist also ohne Zweifel das Secretsiegel des Bischofs Conrad Loste von Schwerin (1482-1503). Vgl. Jahrb. VIII, S. 26-27.

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Oben auf der Büchse lag ein kleiner Papierzettel, welcher von Gewürm stark zerfressen und abgenagt war; es ist noch zu lesen:

auf der einen Seite:

- - - - - - - - - - - - - - - - -
- - unden so wurden die - - - -
- - wieder - herrein - - - - -
- - setz aber - - - - - - - -

auf der andern Seite:

Kirchen vor - - - - - - - -
Pinngel, Da - - - - - - - -

Die Handschrift scheint der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anzugehören. Ohne Zweifel ist dies eine Nachricht der damaligen Kirchenvorsteher. Der Name Pingel ist nach des Herrn Amtmanns Burchard Bericht in Stöbelow noch jetzt sehr häufig. Im J. 1703 waren nach den "Beichtkinder=Specificationen" unter den Bauern: "Hans Pingel" und "der alte Hans Pingel".

Aus diesen Funden ergiebt sich Folgendes.

Die Reliquien, vielleicht auch die Büchse, sind nach den offenbar sehr alten Umhüllungen alt, aus dem frühen Mittelalter.

Am Ende des 15. Jahrhunderts (zwischen 1490 und 1500) besorgte, nach dem Bischofssiegel, der thätige Bischof Conrad Loste von Schwerin, welcher mehrere Altäre im Lande besorgt hat, z. B. die großen Altäre zu Schwerin und Bützow, einen neuen Altarschrein 1 ), ohne Zweifel noch im mittelalterlichen Geschmack, und weihete den neuen Altar.

Wahrscheinlich am Ende des 18. Jahrhunderts ward dieser Altar des Bischofs Conrad, vielleicht wegen Baufälligkeit, abgebrochen und dabei die Reliquienbüchse gefunden, welche von den Kirchenvorstehern zum Andenken in das Rüstloch "hereingesetzt", hier aber vergessen ward, bis sie in unsern Tagen wieder ans Licht gekommen ist. Aus den Gewölben und im Thurme liegen noch zerbrochene Schnitzwerke und Reste von verstümmelten Figuren, ohne Zweifel von diesem alten Altar.

Der jetzige Altar im modernen Styl, mit einer Kanzel über dem Altartische statt einer Bildtafel, ist vor ungefähr 40 Jahren errichtet.

G. C. F. Lisch.



1) Um das Jahr 1500 scheinen in Mecklenburg noch sehr viele geschnitzte Flügelaltäre in Meklenburg verfertigt zu sein. (Vgl. auch die folgende Abhandlung über den Altar zu Leussow.)     G. C. F. Lisch.