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XXXIX. 1.
I. Wissenschaftliche Thätigkeit.
In der Quartalversammlung vom 4. d. M. konnte zur Freude der Anwesenden die Vollendung des Druckes des VIII. bis zum Ende des Jahres 1336 reichenden Bandes des Meklenburgischen Urkunden=Buches mitgetheilt werden. Die Ausgabe desselben wird daher noch im Laufe dieses Monats erfolgen. So erfreulich dies rasche, ununterbrochene Fortschreiten des wichtigen Werkes ist, so hat es doch einen Uebelstand zur Folge, der in den Versammlungen des Vereinsausschusses schon öfter zur Sprache gekommen ist, und der Abhülfe dringend bedarf. Bei der ziemlich starken, 750 Exemplare betragenden, Auflage des Werkes und dem zur Zeit verhältnißmäßig nicht bedeutenden Absatz von circa 310 Exemplaren sind nämlich von jedem Bande gegen 450 auf dem Lager geblieben, so daß der Vorrath incl. des neuen Bandes bis auf ungefähr 3500 Exemplare angewachsen ist, ein Volumen, zu dessen Aufbewahrung es an Raum fehlt, und dessen Schwere überdies für das alte Gebäude
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gefährlich wird. Eine Verminderung der Auflage, welche schon wiederholt in dem Ausschusse, wie in den Generalversammlungen, in Erwägung gezogen worden ist, hat man gleichwohl auch für die Zukunft für unthunlich gehalten, da Quellenwerke dieser Art dauernden Werth haben und nicht veraltern, der Absatz mithin erfahrungsmäßig, wenn auch langsam, doch allmählich im Laufe der Jahre ein bedeutender zu werden pflegt. Auch schreckt das Beispiel der Jahrbücher des Vereins von einer solchen Maaßregel zurück, da nach Abminderung der früheren Auflage von 700 Exemplaren auf 600, die ersten 6 Jahrgänge längst vergriffen sind, so daß wir genöthigt waren, zu der früheren Stärke der Auflage zurückzukehren.
Unter diesen Umständen hat der Ausschuß unter Vorbehalt der hohen Genehmigung der Landes=Regierungen so wie der vereinigten Ritter= und Landschaft beider Großherzogthümer beschlossen, gegen 200 Exemplare der jetzt vollendeten 8 Bände an alle oberen geistlichen und weltlichen Behörden unentgeltlich zu vertheilen. Der Ausschuß glaubt auf die allerhöchste und hohe Billigung seiner bei der unterthänigsten Anzeige dieses Beschlusses geäußerten Ueberzeugung hoffen zu dürfen, daß der Verein seinen tiefgefühlten Dank für die ihm zu Theil gewordene großartige Unterstützung des gemeinnützigen Werkes nicht besser bethätigen, und zugleich seinem Hauptziele, durch thunlichste Verbreitung desselben den Sinn für die vaterländiscbe Geschichte zu wecken und zu fördern, nicht besser nachstreben zu können, als durch die vorgeschlagene Vertheilung des Vorrathes, da der Ankauf des Werkes auch bei dem verhältnißmäßig überaus billigen Preise immerhin nur wenigen Privatpersonen gestattet ist.
Inzwischen hat auch der Druck des 9. Bandes sofort nach Vollendung des 8. bereits begonnen, und es sind alle Anstalten getroffen, jede Stockung in Fortsetzung desselben zu verhüten, so weit das menschlicher Vorsicht möglich ist.
Das Material zu dem 39. Bande der Jahrbücher liegt größtentheils zum Drucke bereit, so daß derselbe, wie gewöhnlich, bald nach Neujahr beginnen kann. An kleinern Abhandlungen sind in dem abgelaufenen Quartale noch folgende 3 überreicht:
1) Ueber die Glocken der Kirche zu Bützow, von dem Herrn Dr. Crull in Wismar.
2) Ueber einen großen wendischen Burgwall von Neu=Nikör bei Gnoien, von dem Herrn Pastor Dr. Krüger zu Boddin.
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3) Ueber Hausurnen, von dem Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch.
Die Abrechnung mit der Stillerschen Hofbuchhandlung über den Verkauf der vorstehend besprochenen beiden literarischen Unternehmungen des Vereins für den Jahrgang 1872/73 ergab
1)
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für das Urkunden=Buch
einen
Ertrag von . . . . . . . . . . . |
145 |
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- |
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2)
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für die Jahrbücher 32 16 | ||||
wovon für Fracht 11 = 6 = | |||||
abgehen, bleibt Reinertrag . . . . | 21 | = | 10 | = | |
3)
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für den Separatabdruck der
Abhandlung
über die Römergräber in Meklenburg von Lisch . . . . . |
3 |
= |
10 |
= |
Summa | 169 | 20 |
In Betreff des durch den, unten sub III. zu besprechenden, plötzlichen Tod des Oberlehrers Dr. Schiller für den Augenblick verwaisten "Mittelniederdeutschen Wörterbuches" kann ich schon jetzt die beruhigende Nachricht geben, daß das junge Unternehmen durch diesen harten Schlag doch glücklicher Weise nicht ins Stocken gerathen wird. Vielmehr ist der Mitarbeiter Schillers, Herr Gymnasiallehrer Dr. Lübben in Oldenburg, nach geschehener Verständigung mit den Erben seines Freundes und der erfolgten Auslieferung des reichen, durchaus wohlgeordneten Manuscriptes, entschlossen, dasselbe allein fortzusetzen, und alsbald mit frischem Muthe an die Arbeit gegangen.
II. Die Sammlungen des Vereins.
Im Monate September d. J. geruheten Ihre Königl. Hoheiten der Großherzog und dessen hohe Gemahlin, die Frau Großherzogin Marie, in Begleitung der Frau Gräfin Navikof (geb. Fürstin v. Kinéef) aus Petersburg das Antiquarium durch einen längeren Besuch zu beehren. Außerdem ward dasselbe in den Monaten Juli bis September von zahlreichen fremden Gelehrten, theilweise zum Zwecke eingehender Studien, besucht, namentlich von den Herren Dr. v. d. Ropp aus Hamburg, Herausgeber der Hansischen Recesse, Dr. Koppmann, Privatdocenten aus Barmbeck bei Hamburg, Dr. Sophus Müller aus Kopenhagen auf einer archäologischen Reise durch Mitteleuropa, Dr. Aspelin aus Helsingfors, einem Finnischen Archäologen, Dr. Bendixen
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aus Christiansund in Norwegen, Dr. Ernst Salomon, Oberarzt der Irrenheilanstalt zu Malmö, und Pastor Cramer, evangelischen Prediger auf der Kaiserlich Deutschen Marine.
Dagegen waren die neuen Erwerbungen fast aller unserer Sammlungen in diesem Quartale sehr unbedeutend. Es erwarben
1) Aus der Steinzeit.
1 kleine nicht ganz vollendete Streitaxt aus grauem Sandstein, gef. zu Blüssen bei Schönberg, geschenkt von dem Herrn Lehrer Splitter zu Lübsee bei Rehna.
2) Aus der Eisenzeit.
1 kleiner Spindelstein aus grauem Thon, gef. in einem Garten an der Poststraße in Schwerin, gesch. von dem Herrn Kammersecretair Meyer daselbst.
3) Ausländische heidnische Alterthümer.
1 flache Büste einer Frau mit einem Kinde auf dem Arme aus rothem Thon, 9 Cent. hoch; 1 kleiner menschlicher Kopf mit einer Kappe, aus gelbem Thon, 4 Cent. hoch; 2 Spanmesser aus Obsidian, Bruchstücke von 3 1/2 Cent. Länge mit den Schlagmerkmalen, den meklenb. Feuersteinspänen ähnlich; Bruchstücke von einem starken Dolche aus Obsidian, 4 1/2 Cent. breit und 9 Cent. lang, an Bearbeitung den meklenburgischen ähnlich, alles altmexikanische Alterthümer, geschenkt von der Frau Doctorin Lehmann in Rostock durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Luckow in Schwerin.
Vgl. auch unten die Rubrik: Bildersammlung.
B. Die Münzsammlung:1 einseitiger Heller der Stadt Kyritz und 1 dito der Stadt Beeskow, 1621, aus einem kleinen in der Gegend von Pritzwalk gemachten Münzfunde. Geschenk des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz bei Pritzwalk.
1 altes polnisches Groschenstück und ein danziger Dreigroschenstück 1537. Geschenk des Schülers Karl Wustrow in Schwerin.
C. Die Bildersammlung:
Der Leichenzug des Herzogs Ernst des Frommen zu Sachsen, gestorben 26. März 1675. Kupferstich von 1678,
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auf 3 Platten, zusammen 6 Fuß lang und 1 1/2 Fuß hoch. Geschenk des Herrn Architecten G. Stern in Schwerin.
Colorirte Abbildung einer im Jahre 1872 zu Luggendorf bei Pritzwalk gefundenen Hausurne in dem königlichen Museum zu Berlin, der im Jahre 1837 zu Kiekindemark bei Parchim gefundenen in der Schweriner Sammlung (Jahrb. XXI, 247 ff.) fast ganz gleich. Geschenk des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz.
Photographie von einem auf der Insel Hiddensee durch die Sturmfluth vom 13. November 1872 aus der Erde gespülten Goldschmuck. Geschenk des Herrn Stadtbibliothekars R. Baier in Stralsund.
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VII. Würtemberg.
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VIII. Fürstenthümer Reuß.
IX. Sachsen (Königreich).
X. Preußen. Sachsen.
XI. Schleswig, Holstein, Lauenburg.
XII. Bremen.
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XIII. Lübek.
XIV. Meklenburg.
III. Die Matrikel des Vereins.
Die in dem abgelaufenen Quartale eingetretenen Veränderungen in dem Personalbestande des Vereins beschränken sich lediglich auf die Classe der ordentlichen Mitalieder. Hier habe ich zunächst den am 29. Juli d. J. zu Berlin im 76. Lebensjahre erfolgten Tod des Geh. Raths Friedr. Albrecht v.Oertzen a. d. H. Kittendorf zu melden. Der Verstorbene, früher großherzoglich Meklenburg=Schwerinscher Regierungs=Director, gehörte zu den ersten Gründern des Vereins und ward bereits am 1. Novbr. 1834 in die Matrikel desselben eingetragen, in der constituirenden Versammlung vom 17. Juni 1835 aber zum Vicepräsidenten ernannt. In dieser Stellung hat er im Verein mit seinem gleichfalls bereits verstorbenen Collegen, dem ersten Präsidenten des Vereins, Geh. Raths=Präsidenten v. Lützow, Exc., durch sein lebhaftes nie ermüdendes Interesse für die junge Stiftung wesentlich zu dem raschen gedeihen derselben beigetragen, bis er im Jahre 1851 mit seinem hohen Staatsamte zngleich auch das Präsidium des Vereines in die Hand seines Nachfolgers, des Regierungsrathes Knaudt, niederlegte. Als aber dieser nach 5 Jahren durch Krankheit gleichfalls zum Rücktritt gezwungen war, ward er in der General=Versammlung vom 11. Juli 1856 zum 2. Male einstimmig zum Vicepräsidenten erwählt, und bekleidete dies Amt mit alter Liebe nochmals 5 Jahre hindurch, bis zum 24. April 1860, wo er in Folge seiner Uebersiedelung nach Berlin seinen Rücktritt anzeigte. Aber auch von dort aus bewies er die Fortdauer seines Interesses für die Zwecke des Vereins, indem er noch mehre Jahre hindurch nach alter Gewohnheit fortfuhr unsere Bibliothek durch
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Einsendung eines werthvollen historischen Werkes zu bereichern.
Diesem hochgeehrten Veteranen folgte noch vor Ablauf einer Woche ein jüngerer, nicht minder treuer Freund des Vereins, der Oberlehrer Dr. Carl Friedrich Schiller in Schwerin. Derselbe wirkte seit 1834 mit großer Liebe als Lehrer an dem hiesigen Gymnasium und war seit dem 11. Juli 1856 ordentliches Mitglied des Vereins. Nach der Berufung des Herrn Candidaten Dolberg, unseres bisherigen Bibliothekars, zum Pfarramte im Jahre 1861 übernahm Schiller bereitwillig die einstweilige Aufsicht über die Vereinsbibliothek und ward in der General=Versammlung vom 11. Juli jenes Jahres zum wirklichen Bibliothekar gewählt, in welcher Eigenschaft er namentlich die in diesen Blättern regelmäßig mitgetheilten Verzeichnisse der neuen Erwerbungen an Büchern verfaßt hat. Als Beweise seiner philologisch=wissenschaftlichen Thätigkeit sind in früheren Jahren nur die folgenden, von der Kritik stets als tüchtig anerkannte, Schriften durch den Druck veröffentlicht: Sluiteri lectiones Andocideae. Lips. 1834; - Andocidis orationes quatuor. Lips. 1835; - Commentar zu einigen Oden des Horatius. Leipz. 1837; - Horatiana. Schulprogramm von 1844; - Regeln aus der lateinifchen Syntax. Schulprogr. von 1855. Seit dieser Zeit aber widmete er seine Mußestunden mehr und mehr, allmählich ausschließlich und mit dem glücklichsten Erfolge, den germanistischen Studien, namentlich der lexicalischen Sammlung des niederdeutschen Wortschatzes, Arbeiten, welche sich unmittelbar einer der Hauptaufgaben des Vereins anschlossen, und welche daher auch in diesen Blättern stets mit Aufmerksamkeit verfolgt worden sind. Schon in dem Schulprogramm von 1860 erschien als erste reife Frucht dieser Studien der erste Abschnitt seiner eben so gelehrten, als populairen Abhandlung: "Zum Thier= und Kräuterbuche des meklenburgischen Volkes", welchem in den Jahren 1861 und 1864 in dem Bärensprungschen Verlage hieselbst noch 2 selbstständige Hefte als Fortsetzung folgten. Durch diese überall mit dem größten Beifall, in seiner engern Heimath aber, wie ohne Uebertreibung gesagt worden ist, mit Begeisterung begrüßte Arbeit, legitimirte er sich zugleich als gründlichen Kenner der niederdeutschen Sprache und bahnte sich somit den Weg zur künftigen Veröffentlichung seines Hauptwerkes, dessen Vollendung er mehr und mehr als die eigentliche Aufgabe seines Lebens betrachtete. Als erste Probe dieser Arbeit konnte er bei dem darauf verwandten eisernen
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Fleiße schon in dem Schulprogramm von 1867 seine "Beiträge zu einem mittelniederdeutschen Glossar" der gelehrten Welt zur Prüfung vorlegen, und die hohe Anerkennung, welche auch diese Arbeit in ganz Deutschland fand, führte dem Verfasser nicht nur in dem Gymnasiallehrer Dr. August Lübben zu Oldenburg einen würdigen, gleich tüchtigen Mitarbeiter zu, sondern ließ beide gelehrte Freunde auch alsbald in der Kühlschen Buchhandlung zu Bremen einen entschlossenen Verleger für das durch die Verschmelzung der unabhängig von einander angelegten Sammlungen beider Freunde zu einem vollständigen "mittelniederdeutschen Wörterbuche" angewachsene Manuscript finden. Die drei ersten 1872 und 73 erschienenen Hefte dieses großen Werkes sind in diesen Blättern bereits angezeigt und in dem Schlußberichte vom Juli d. J. ward zugleich die seit Ostern eingetretene glückliche Veränderung in der amtlichen Stellung unsers Schiller, der sich nunmehr an dem Ziele seiner Wünsche sah, freundlich begrüßt, da - fast unmittelbar darauf - traf seine zahlreichen Freunde und Verehrer, völlig unvorbereitet, die Trauerkunde von dem am 4. August nach kurzem, wie es schien, völlig gefahrlosem Krankenlager plötzlich erfolgten Tode des erst im 62. Lebensjahre stehenden, vor Kurzem noch so rüstigen Mannes! - Zu den trauernden Freunden zählt sich auch der Unterzeichnete. Die Forschungen des Verstorbenen über die niederdeutsche Sprache hatten schon seit Jahren zu einem regen wissenschaftlichen Verkehre desselben mit den Beamten des hiesigen Archivs, einer reichen Fundgrube für seine Sammlungen, geführt, dem der liebenswürdige, gemüthvolle Charakter des Mannes bald den Stempel gegenseitiger herzlicher Zuneigung aufzudrücken wußte.
Wiederum nach Verlauf einer kurzen Woche trat ein neuer Todesfall ein, dessen amtliche Meldung meinem Herzen die schwerste Pflicht ist. Am 11. August ward mein lieber Sohn, der Senator Georg Friedrich Beyer in Parchim, mitten in der Ausübung seines Amtes als Commandeur der Städtischen Löschanstalten, durch den herabstürzenden brennenden Giebel einer Scheune in den glücklichsten amtlichen und Familien=Verhältnissen, in den Jahren der vollsten Manneskraft, erst 40 Jahre alt, plötzlich erschlagen. Der Verstorbene zeigte schon als Knabe ein lebhaftes Interesse für den Verein und dessen Sammlungen, dem er sofort nach seiner Wahl zum Senator seiner Vaterstadt am 29. Novbr. 1861 als ordentliches Mitglied beitrat. Seitdem hatte ich fast alljährlich die Freude, in diesen Blättern unter den Freunden
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des Vereins, welche dessen Sammlungen durch Geschenke bereichert hatten, auch meinen Sohn zu nennen 1 ).
Als neues ordentliches Mitglied ist in diesem Quartale beigetreten Herr Prof. Dr. Kundt, früher in Würzburg, jetzt an der neuen Reichs=Universität Straßburg, unser Landsmann und Sohn des Herrn Stallcommissairs a. D. Kundt zu Schwerin.
Schließlich habe ich noch zu bemerken, daß der Herr Oberlehrer Dr. Latendorf hieselbst auf sein freundliches Erbieten in der letzten Ausschußversammlung nach Dr. Schillers Tode mit der interimistischen Verwaltung der Vereinsbibliothek betrauet worden ist, da die definitive Wahl des Bibliothekars statutenmäßig erst in der Generalversammlung am 11. Juli 1874 stattfinden kann.
W. G. Beyer, Dr.,
Archivrath,
als zweiter Secretair des Vereins.