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Die Kirche zu Leussow.

Die Kirchen nordwestlich und nördlich von Ludwigslust haben eine gewisse Bedeutung für die Erkenntniß der Culturgeschichte Meklenburgs. Der Landstrich zwischen der Walerow (oder Rögnitz) und der Sude nach der Elbe hin war das Land Jabel, die bekannte Jabelhaide, ein tief sandiger, unfruchtbarer Landstrich, mit weiten Kieferwäldern, in welchen in Meklenburg bis zuletzt, noch im Anfange des 16. Jahrhunderts, Wenden wohnten. In diesem Lande ward wohl erst spät deutsche und christliche Bildung verbreitet. Es sind hier vornämlich die Kirchen und Pfarren zu Leussow und Picher, welche auch erst spät genannt werden. Es mag das Cistercienser=Nonnenkloster Eldena gewesen sein, welches in dieser Gegend einigen Einfluß auf die Bildung hatte. Das Kloster war um 1235 gegründet und der zuständige Bischof von Ratzeburg verlieh dem Propste des Klosters am 19. Mai 1291 das Archidiaconat über die Ortschaften des Landes und die schon gegründeten und noch zu gründenden Kirchen zwischen der Sude und Eldena. Unter den Orten werden zuerst auch Jabel, Loysowe und Pychere aufgeführt. Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch III, Nr. 2118, S. 421. Die Kirche zu Eldena ist mit dem Kloster wiederholt abgebrannt und bei den Restaurationen vielfach verändert, so daß sich schwerlich noch ein Vorbild oder eine Bauschule herauserkennen läßt. Vgl. Jahrbücher X, S. 307. - Von einer andern Seite in der Nähe läßt sich gar keine Culturströmung nachweisen. Im Jahre 1246 stiftete die Gräfin Audacia von Schwerin in der Grafschaft und im Bisthum Schwerin ein Nonnenkloster zu (Alt=) Lüblow nördlich von Picher. Aber das Kloster kam hier gar nicht zu Stande und ward nach einigen Jahren ganz nach Zarrentin verlegt, wo es geblieben ist und die Gebäude noch heute stehen. Vgl. Jahrb. XXXIV, S. 3 flgd. Die alte Kirche zu Lüblow ist längst verschwunden und an ihrer Stelle im Jahre 1738 ein ärmliches Holzfachwerkgebäude aufgeführt; jedoch giebt ein alter, aber sehr einfacher geschnitzter Flügelaltar Zeugniß von dem frühern Vorhandensein einer gothischen Kirche.

Die Kirche zu Leussow ist wohl die älteste Dorfkirche in dieser Gegend. Die Kirche, ein alter Ziegel=

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bau 1 ), bildet ein schmales, sehr niedriges Oblongum mit flacher dreiseitiger Altarwand, welche an den Seitenecken etwas abgeschrägt ist und daher sich der Kreisform zu nähern scheint, ohne eine eigne Apsis zu bilden. Die Wände haben keinen Granitsockel, sondern wachsen mit Ziegeln aus der Erde. Die Kirche, welche eine Balkendecke hat, hat an jeder Langseite 6 Fenster und in der dreiseitigen Altarwand 4 Fenster. Alle Fenster sind sehr niedrig, mit schräger, glatter Laibung und mit Wölbung in altem Rundbogen; die Wölbungen der Fensteröffnungen sind mit Kalk geputzt. Der Styl der Kirche ist also noch der romanische. Eigenthümlich ist, da zwischen je zwei Fenstern eine kreisrunde Scheibe von etwa 1 Fuß Durchmesser vertieft gemauert und mit Kalk geputzt und getüncht ist. Unter jedem alten Fenster ist in jüngern Zeiten ein kleines viereckiges Fensterloch durchgehauen um Licht unter die Chöre der äußerst niedrigen Kirche einzulassen. In jeder Seitenwand ist eine spitzbogige Thür aus jüngerer Zeit. An jeder Altarseite ist ein Strebepfeiler angesetzt, während die Kirche sonst keine Strebepfeiler hat. Außerdem ist die ganze Kirche im Innern stark verdickt, ohne Zweifel in jungem Zeiten. Auf diese jungern Veränderungen mag sich eine Inschrift auf einem braunrothen Feldstein vielleicht Jaspis, beziehen, welcher in der Außenwand neben der Südpforte eingemauert ist. Die Inschrift ist sehr flach eingehauen, jedoch ist davon

Inschrift

zu erkennen; sie stammt also wohl aus der letzten Zeit des Katholicismus.

Der ursprüngliche Hauptbau stammt also aus der Zeit des romanischen Baustyls und mag um die Mitte oder im dritten Viertheil des 13. Jahrhunderts aufgeführt sein, ist also ohne Zweifel das älteste Kirchengebäude dieser Gegend.

Da die Kirche für die große Gemeinde viel zu klein und niedrig, auch etwas baufällig war, so ist die Abbrechung beschlossen und bereits eine sehr große, stattliche Kirche aufgeführt, welche im Herbst 1872 im Mauerwerk vollständig fertig geworden ist. Nach Vollendung der innern Ausrüstung wird die alte Kirche, welche ich noch am 16. October 1873 untersucht habe, abgebrochen werden.


1) Im Ganzen und Großen ist die niedrige Kirche von Ziegeln erbauet jedoch sind hin und wieder in die Wände größere Feldsteine (Granitfindlinge) vermauert, welche sonst in der sandigen Haideebene selten sind, vielleicht weil hier auch die Ziegel selten waren.
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An Mobiliar besitzt die alte Kirche gar nichts, was irgend der Rede werth wäre, auch an Kunstwerken nichts; im Innern stammt Alles ohne Ausnahme aus den schlechtesten Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts. Nach dem Visitations=Protocoll vom Jahre 1706 hatte die Kirche damals noch einen mittelalterlichen Altar. "Der altar ist von altem schnitzwerck, vermahlet und vergüldet, doch schon alt."

Der Thurm ist ein dem Verfall nahes, ganz hölzernes Gebäude.

Schwerin, im October 1873.

G. C. F. Lisch.