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2) Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


a. Weltliche Bauwerke.


Ofenkacheln des 16. Jahrhunderts.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


B ekannt und schon viel besprochen sind die farbigen Ofenkacheln des 16. Jahrhunderts, welche oft wahre Kunstwerke und von denen noch ganze Oefen vorhanden sind, z. B. die bekannten schönen Oefen auf der Burg zu Nürnberg.

Die ältesten Ofenkacheln 1 ) waren Töpfe, nämlich unglasurte Töpfe, welche viereckig gedrückt und ganz den heutigen Schmelztiegeln gleich waren 2 ). Diese "Töpfe" wurden liegend zum Ofen in Lehm aufgebauet, so daß die obere offene Seite nach dem Gemach, der Boden nach dem Heizraum gekehrt war. Daher hießen die Ofenkacheln: Kacheltöpfe, plattdeutsch: Kachelpötte. So werden im Jahre 1551: "Kachelpotte thom Kachelofen" und "Potte thom Kachel="ouen" genannt 3 ).

Im 16. Jahrhundert, also im Anfange der neuern Geschichte und während des Renaissancestyls gingen aber große Veränderungen mit den Ofenkacheln vor. Die Oeffnung der Kacheltöpfe ward durch eine Platte, welche mehr oder minder reich und meist mit figürlichen Darstellungen verziert war, geschlossen und der Boden geöffnet, und so entstand nach und nach die heutige flache, tafelförmige Ofenkachel.


1) Vor und neben den Oefen aus Kacheln bauete man auch Oefen aus Ziegelsteinen ("Mauersteinen"), Wie noch in neuern Zeiten, ja wohl noch heute. Die "Kachelöfen" sind jungem Ursprungs.
2) Die Vereinssammlung besitzt mehrere von diesen ältesten Kacheltöpfen.
3) Vgl. Jahrb. XIV, S. 349.
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Im 16. Jahrhundert wandte man aber großen Fleiß auf die Herstellung der Ofenkacheln 1 ), namentlich durch Reliefbilder aller Art. Die Hauptkacheln enthielten gewöhnlich Portraits, meist in Profil, ganze Figuren, Gruppen und erst später, wie es scheint, flaches Ornament. Diese Kacheln waren immer glasurt, in der bessern Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts am häufigsten grün , im südlichen Deutschland mitunter auch wohl mit Vergoldung einzelner Theile, dann aber auch gelb, und weiß und blau, auch wohl gelb, weiß und blau. Oefen von solchen Kacheln, namentlich grünen, sind außerordentlich schön 2 ). - Mit dem 17. Jahrhundert bürgert sich nach und nach die schwarze Farbe ein, welche stellenweise noch jetzt an alten Oefen zu sehen ist.

Auch in Meklenburg waren solche glasurte, farbige Kachelöfen 3 ), namentlich die grünen, ziemlich verbreitet. Beim Bau des Schlosses zu Schwerin wurden in der Tiefe neben den Fundamenten sehr viele schöne grüne Kacheln gefunden, größtentheils zerbrochen, die ohne Zweifel zu Oefen gehörten, welche bei einem Brande in die Tiefe gestürzt waren. Sie enthalten meistentheils die Reliefbilder gleichzeitiger fürstlicher Personen. Am häufigsten sind aber solche Kacheln in Wismar 4 ) bei dem Ausgraben von Fundamenten oder dem Ausräumen verschütteter Keller in der Tiefe gefunden 5 ), sind also auch früher bei Bränden versunken.

Nähere Kenntniß giebt die hier folgende Töpferrechnung vom Jahre 1565, welche im Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin bei den Rechnungen des Amtes Neu=Buckow gefunden ist.



1) Ueber die Kachelfabrication des 16. Jahrhunderts in Meklenburg etc . vgl. Jahrb. XV, S. 278 flgd.
2) Zu Lübek in dem Hause der Kaufleute=Compagnie, in welchem das bekannte Fredenhagen'sche Zimmer sich befindet, steht in dem vordern Versammlungszimmer noch ein reich verzierter, schöner grüner Kachelofen.
3) Die alten Meklenburgischen Kacheln sind immer nur klein, die süddeutschen sind häufig viel größer, wie noch heute.
4) Auch an andern Orten in Meklenburg waren grüne Kachelöfen, z. B. in dem ehemaligen Franziskaner=Kloster zu Güstrow, welches am Ende des 16. Jahrhunderts zur fürstlichen Wohnung eingerichtet war, stand nach einem Inventarium von 1592 in der "Hofstube" ein großer "grüner Kachelofen".
5) Alle diese alten Kacheln werden in den Alterthumssammlungen zu Schwerin aufbewahrt.
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Töpferrechnung vom Jahre 1565.

Geldt vor Kagelauwen thor Wismar geuenn vor die potte 1 ) vnd arbeidt vp m. g. frouwen gemack.

4 fl. 8 ß.  vor 52 Bildepotte 2 ), dat stugk 2 ß.
Am 10. Decembris.
1 fl. --   vor 12 ordepotte 3 ), dat stugk 2 ß.
1 fl. 20 ß.   vor 22 Semsenpotte 4 ), dat stugke 2 ß.
1 fl.  --   vor 4 lowordepotte 5 ), dat stugke 6 ß.
3 fl. 13 ß.   6 Pfennig (Meckl.) vor 52 Bildepotte 2 ), dat stugk 1 ß. 6 Pfennig (Meckl.) .
2 fl. --   vor 26 auerkronenpotte 6 ), dat stugk 2 ß.
1 fl. 4 ß.   vor 29 graue potte 7 ) in die helle 8 ), dat stugke 6 Pfennig (Meckl.) .
2 fl. --   Mackelonn vor denn kagelauen Valentin dem potter geuenn.
 Summa lateris 16 fl. 21 ß. 6 Pfennig (Meckl.) .

Neu=Bukow'sche Amts=Rechnungen
Trin. 1565-1566.


Erläuterung.

   1) Potte, d. h. Töpfe oder Kacheln.

   2) Bildepotte, d. h. Kacheln mit Bildern oder Relief =Portraits zu den äußern Hauptwänden des Ofens, sonst auch Bildkacheln genannt.

   3) Ordepotte, d. h. Eckkacheln, von dem plattdeutschen Ort = Ecke oder Spitze.

   4) Semsepotte, d. h. Gesimskacheln, schmale und längliche Kacheln mit kleinen Ornamenten verziert.

   5) Lowordepotte. Ich übersetze diesen Ausdruck durch Löweneckkacheln. Die Vereinssammlung besitzt noch eine vollständige Kachel aus Wismar, welche diesen Ausdruck erklärt. Es ist eine Eckgesimskachel, welche auf der langen Seite einen Schild mit einem Reichsadler zwischen zwei Greifen enthält, auf der kurzen Seite auch einen Greifen. Auf diesem Gesimse liegt ein Löwe in runder Figur mit aufgesperrtem Rachen, der Ecke zugewendet. Gleiche Gesimskacheln ohne einen Löwen sind auch noch vorhanden. Die

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Länge und Höhe der Kachel, mit dem Löwen, mißt 26 Centimeter (gegen 11 Zoll).

Diese Löwenkacheln waren dazu bestimmt, die obern Ecken des Ofens zu verzieren; daher wurden für einen Ofen 4 Stück verwandt. Die Kachel ist gelb glasurt mit weißen und blauen Einzelnheiten. Die Vereinssammlung besitzt noch eine zweite, zerbrochene Löwenkachel aus Wismar, welche grün glasurt ist, aber aus dem Gesimse andere, rein architektonische Verzierungen hat, also zu einer andern Ofenart gehört.

   6) Auerkronenpotte werden kleine Kacheln sein zur Verzierung der Krönung zwischen den Löwen.

   7) Graue Potte, d. h. grobe, ordinaire, unglasurte Kacheln oder Töpfe.

   8) Helle (auch "Hölle") ist der Raum zwischen dem Ofen und der Wand (vgl. Heyse Deutsches Wörterbuch). Zu der Hinterseite des Ofens wurden also unglasurte, nicht verzierte, daher wohlfeilere Kacheln, vielleicht altmodische Kacheltöpfe, verwandt. "Helle" 1 ) heißt auch überhaupt; Abseite, z. B. auf dem Schiffe auf dem Verdeck zur Aufbewahrung von Geräthen. "Hill" ist in den alten Meklenburgischen Bauerhäusern der Raum über den Abseiten neben der Diele zur Aufbewahrung von allerlei Gegenständen.


Aus dieser Rechnung vom Jahre 1565 erfahren wir auch, daß die Kacheln zu Wismar gemacht wurden und daß der Töpfer Valentin hieß, d. i. Valentin Möller 2 ), nach Jahrb. XVIII, S. 271.

Für Meklenburg ist also Wismar 3 ) als Fabrikort für die Kacheln zur Renaissancezeit anzusehen, wo vielleicht auch die Kacheln für Schwerin gemacht wurden, da die Herzoge


1) Daher auch wohl plattdeutsch: Hellbessen = Höllenbesen, ein Schimpfwort.
2) Der Töpfer Valentin Möller zu Wismar lieferte im Jahre 1576 auf Bestellung des herzoglichen Baumeisters auch Oefen mit "Bildkacheln" für das fürstliche Haus zu Wismar. Vgl. Jahrb. XVIII, S. 271.
3) Andere Töpfer in Wismar aus dieser Zeit sind: Simon Rümelink 1552, Hinr. Ratsack 1559, Drewes Borchwart 1568, Hinr. Giffende 1509, Hans Postelin 1564. Daß diese Leute auf die künstlerische Ausstattung der Oefen Einfluß hatten, ist aber wohl zu bezweifeln. (Mittheilung des Herrn Dr. Crull zu Wismar.)
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in damaliger Zeit bekanntlich auch in Wismar eine Residenz (den "Fürstenhof") besaßen.


Große Theilnahme muß es erwecken, wenn man hört, daß gegenwärtig in Wismar die Kachelfabrication nach alter Weise wieder aufgelebt ist. Der Herr Töpfermeister Carl Schindler jun. zu Wismar hat für das neu erbauete Haus des Herrn Malermeisters Michaelsen zwei Oefen dieser Art, einen grünen und einen gelben, ausgeführt, welche nach zuverlässigem Urtheil den alten an Farbe, Glasur und Tüchtigkeit auf das Beste nachkommen, jedoch noch kein Bildwerk tragen. Auch die Hornemannsche Kachelfabrik hat dergleichen ins Auge gefaßt.

 

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