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Höhlenwohnungen in Thüringen.

Der Herr Kaufmann Lilliendahl zu Neu=Dietendorf bei Gotha hat dem Vereine aus Theilnahme zur Vergleichung einen Fund zum Geschenk gemacht, der allerdings geeignet, ist, Aufmerksamkeit zu erregen, wenn der Fund auch grade keine glänzende Außenseite hat. Er ward beim Grundausgraben zu einem neuen Hause in Neu=Dietendorf gemacht. Der Boden bestand aus Lehm; doch bemerkte Herr Lilliendahl, daß sich darin Gruben befanden, welche mit Humus gefüllt waren. In diesen Gruben fand derselbe in einer Tiefe von 3-6 Fuß nun folgende Sachen:

   1) Zahlreiche Scherben von Töpfen und Schalen, alle nach heidnischer Weise bereitet, theils ganz roh, theils von feiner Arbeit, mitunter auch geglättet und schwarz von Farbe, alle von ziemlich großen Gefäßen. Alle Gefäße scheinen nach Gestalt und Größe zum häuslichen Gebrauche, nicht zur Leichenbestattung bestimmt gewesen zu sein. Unter diesen Scherben befindet sich

   2) ein Randstück von einem sehr großen Gefäß, dessen Wandung 14 Millimeter dick ist; das Gefäß hat offenbar zu einem großen Vorrathstopfe oder Wasserkübel gedient.

   3) Stücke von einem dicken, auf der Oberfläche geebneten, roth gebrannten Lehmschlag, über 7 Centim. dick, welcher offenbar die Oberfläche eines Feuerheerdes gebildet hat.

   4) Stücke von Lehmschlag, welche auf der untern Seite Eindrücke von (hölzernen) Stangen haben, also wohl Wand= oder Dachbekleidungen gewesen sind.

   5) Schlacken und mürbe gebrannte Steine.

   6) Ein kleiner, 4 Centimeter langer, künstlich zugespitzter und geglätteter Pfriemen aus einem Vogelknochen.

   7) Viele Thierknochen, namentlich Kinnladen und Zähne vom Rind, Schaf und Schwein.

Aus der Lage und Beschaffenheit der Fundstücke und durch Vergleichung mit ähnlichen Vorkommenheiten gelangt man bald zu der Ansicht, daß hier menschliche Ansiedelungen vorliegen, und zwar Höhlenwohnungen oder Grubenwohnungen, welche sich in Meklenburg mit ähnlichen Ueberresten auch immer 4-5 Fuß tief unter der Erdoberfläche zu finden pflegen. Es dürften also hiernach heidnische Höhlenwohnungen auch in Thüringen gefunden sein. - Aehnliche Beobachtungen scheint auch Dr. Klopfleisch zu Jena

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nach seinen Berichten auf der General=Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Schwerin, Septbr. 187l, in Thüringen gemacht zu haben.

Das Alter dürfte schwer zu ermitteln sein. Die Gefäßscherben sind gut und sorgsam gearbeitet und deuten auf eine alte Zeit. Die Knochen sind aber noch ziemlich frisch und fest.

Ein Zeugniß könnten vielleicht

   8) einige verzierte schwarze Gefäßscherben geben. Es sind Scherben von schwarzen Gefäßen vorhanden, welche mit eingeschnittenen Parallellinien verziert sind. Solche Gefäße gehören in Meklenburg der altern Eisenzeit an. Es ist aber auch eine feine schwarze Scherbe vorhanden, welche reiche Verzierungen von Punktlinien hat, welche offenbar mit einem Werkzeug eingedrückt sind. Solche Urnen kommen bekanntlich in Meklenburg häufig vor und fallen in die Zeit der Römergräber oder römischen Alterthümer in Meklenburg, also ungefähr in das 2.-3. Jahrhundert n. Chr. Ich würde daher aus allen diesen Gründen kein Bedenken tragen, diesen Fund von Neu=Dietendorf eben dieser Zeit anzuweisen. Bemerkenswerth ist jedoch die Eigenthümlichkeit, daß die "Punkte" in den "Punktlinien" nicht, wie in Meklenburg, aus kleinen Vierecken, sondern aus Dreiecken wie kleine Pfeilspitzen bestehen.

G. C. F. Lisch.