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Ueber Hausurnen.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Seitdem schon im Jahre 1837 in Meklenburg, zu Kiekindemark bei Parchim, in einem Kegelgrabe eine ,,Hausurne" entdeckt und erkannt ist, haben die heidnischen Grabgefäße dieser Art eine Weite und große Theilnahme gefunden. "Hausurnen" sind die "bienenkorbförmigen" Grabgefäße der Bronzezeit genannt, deren Oeffnung, am häufigsten in Kuppelform, zugedeckt ist und deren Seitenwand eine viereckige Oeffnung hat mit einer einzusetzenden Platte als Thür. Man hat sie daher für eine Nachbildung eines Wohnhauses der Bronzezeit erklärt, in welchem die zerbrannten Gebeine des verstorbenen Bewohners beigesetzt sind. Diese Urnen sind in diesen Jahrbüchern, von Abbildungen begleitet, 1856, Jahrgang XXI, S. 243 flgd. (vgl. XXIV, S. 290 flgd.) besprochen. Die oben erwähnte Hausurne von Kiekindemark, welche in den Jahrbüchern XXI, S. 247 und hier wieder

Hausurne von Kiekindemark
1/4 Größe.

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abgebildet ist, hat eine sehr ausgebildete und bestimmte Form in der muthmaßlichen Gestalt eines Hauses.

Schon früher, im Jahre 1817, ward in Italien am Albanergebirge bei Castel Gandolfo 1 ) ein ganzes Lager von solchen Urnen entdeckt, welches zu seiner Zeit viel Aufsehen erregte (vgl. Jahrb. XXI, S. 251 flgd.).

Es giebt aber außer diesen Urnen in Gestalt eines runden Hauses oder einer Hütte auch Nachahmungen solcher Grabgefäße, welche ganz die Gestalt einer Urne oder eines cylindrischen Topfes haben, welche jedoch mit einem festen kuppelförmigen Dache oder mit einem losen Deckel bedeckt sind und ein viereckiges Thürloch in der Seitenwand oder in dem Dache haben.

Bei Alba Longa sind 1817 auch mehrere Urnen gefunden, deren Gestalt der Meklenburgischen von Kiekindemark gleich ist.

In den neuesten Zeiten ist aber in Norddeutschland wieder eine Hausurne gefunden, welche der oben abgebildeten Meklenburgischen von Kiekindemark ganz gleich ist. Im Jahre 1872 ward sie auf dem Felde des Gutes Luggendorf in der Mark Brandenburg, 1 1/2 Meilen von Pritzwalk, zwischen Pritzwalk und Perleberg, also ungefähr 5 Meilen südlich von Kiekindemark, beim Drainiren 1 bis 2 Fuß tief unter der jetzt ebenen Erdoberfläche zwischen Steinen ziemlich unverletzt gefunden; leider ist die viereckige Thonplatte zu der Thüröffnung verloren gegangen. Unter lebhafter Theilnahme des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz bei Pritzwalk, unsers vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, welcher den seltenen Fund gleich erkannte, kam die Urne mit ihrem Inhalte bald in die Hände des Besitzers des Gutes, Herrn von Wartenberg, welcher den Fund sorgfältig bewahrte, bis er ihn im Frühling 1873 dem Museum zu Berlin übergab. Der Herr Pastor Ragotzky hat unserm Vereine eine ganz getreue, schöne colorirte Abbildung dieser Urne in halber Größe mit einem vollständigen Fundbericht geschenkt. Die Urne von Luggendorf ist in der Form ganz der von Kiekindemark gleich.


1) Die in Jahrb. a. a. O. S. 254 erwähnte, höchst seltene Schrift von Alessandro Visconti über diese Albaner Hausurnen, welche früher nirgends zu finden war, habe ich vor wenig Jahren durch die Güte des Herrn Directors, Professors L. Pigorini zu Parma geschenkt erhalten. Die Schrift führt den Titel: Lettera del signor dottore Alessandro Visconti al signor Giuseppe Carnevale Di Albano sopra alcuni vasi sepolcrali rinvenuti nelle vicinanze della antica Alba-Longa. Roma 1817. Mit Abbildungen.
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Beide unterscheiden sich von einander nur dadurch, daß die Urne von Kiekindemark ein glattes Kuppeldach hat, die Urne von Luggendorf ein scharf gestreiftes Kuppeldach, als Nachbildung einer Rohr= oder Schilfbedachung. Uebrigens ist das Material der Urne eine grobe, dunkelbraune Thonmasse, wie diejenige aller Grabgefäße der alten heidnischen Vorzeit.

In der Urne befanden sich Knochenreste, Asche und Erde. Dazwischen fanden sich mehrere Gegenstände von Bronze, welche von den Arbeitern bei Seite geschafft und leider nicht sämmtlich wieder zusammen gebracht sind. Jedoch gelang es dem Herrn Pastor Ragotzky bei seinen Nachforschungen in Luggendorf noch folgende Gegenstände wieder zu erlangen: eine stark oxydirte, etwa 5 Zoll lange Nadel und einige kleine zierliche Schnallen von etwa 2 Zoll Durchmesser, mit sehr schöner, glatter, dunkler Patina überzogen. Dieser Fund beweiset also wieder, daß die runden Hausurnen der Bronzezeit angehören, wie ich schon früher zu beweisen gesucht habe.


Ungefähr um dieselbe Zeit ward noch eine Urne dieser Classe entdeckt. Der Herr Dr. Hostmann zu Celle fand nämlich im Winter 1871-72 in der Sammlung des Herrn Dompropstes Thiele zu Braunschweig eine sogenannte "Hausurne", welche in einem großen Urnenfriedhofe bei Nienhagen unweit Halberstadt gefunden ist. Diese Urne hat nun keine Aehnlichkeit mit einem Hause, sondern ist nur eine "Nachahmung", wie oben bemerkt ist: sie ist ein Topf in Becherform und mit einem losen, flachen Deckel zugedeckt. Aber sie hat im obern Theile einer Seitenwand eine viereckige Oeffnung, zu welcher noch die viereckige Thür aus Thon vorhanden ist; die Urne war mit Knochen gefüllt, die Thür mit einem "metallenen" Stift verschlossen. Daß diese Urne nicht ein Haus vorstellen soll, versteht sich von selbst; aber der Topf hat charakteristische Merkmale der Hausurnen. Eben so fanden sich auch am Albaner Gebirge neben vollständig ausgebildeten Hausurnen auch solche Töpfe von derselben Form wie die Urne von Nienhagen, welche auch eine Thüröffnung in der Seitenwand und einen losen Deckel jedoch in der Form eines Hausdaches, mit Sparren, First und Hahnebalken, hatten. Herr Dr. Hostmann hat die Güte gehabt, an den Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde und an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin eine Photographie der Urne von Nienhagen zu

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übersenden, und Herr Professor Dr. Virchow hat dieselbe in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Sitzung vom 15. Juni 1872, S. 16, in Holzschnitt abbilden lassen. Herr Dr. Hostmann setzt das Urnenlager von Nienhagen in das 3-4 Jahrhundert nach Chr. G., "wie er, nach seinen Worten, aus den Beigaben erweisen kann".