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II.

Ueber die Stiftung

des Klosters zum Heil. Kreuz in Rostock,

insonderheit

über den Stiftungsbrief der Königin Margarete von Dänemark.

Von

Archivar Dr. F. Wigger.


Das Archiv der Stadt Rostock birgt unter zahlreichen werthvollen Urkunden des Mittelalters auch den merkwürdigen Stiftungsbrief, welchen die Königin Margarete von Dänemark zu Rostock am 22. Septbr. 1270 dem dortigen Cistercienser=Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz ausgestellt hat. Dieses Document ist freilich erst neuerdings im zweiten Bande des Meklenburgischen Urkunden=Buches (unter Nr. 1198) abgedruckt; jedoch wiederholen wir hier zu größerer Bequemlichkeit des Lesers den Text, und zwar mit einzelnen kleinen Berichtigungen aus dem uns vorliegenden Original.

In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Margareta dei gracia regina Danorum vniuersis et singulis presencia visuris seu audituris salutem in omnium saluatore et rerum gestarum noscere veritatem. Cum ea, que in dei laudem et diuini cultus augmentum racionabiliter ordinantur, non solum debeant ampliari, verum eciam necessarium est ex litteris et sigillis eadem sortiri perpetuitatem: noscat igitur omnis generacio,

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tam presens quam futura, quod quondam labore nostre peregrinacionis peracto cum quadam particula de ligno sancte crucis, qua per manum domini nostri apostolici fuimus decenter honorata, attemptauimus terram Danorum nauigio pertransire, et post multorum euersionem monasteriorum per nos enormiter perpetratam disposuimus eadem desolata ac quedam alia in reconpensam reformare. Tribus igitur vicibus nauigatu attemptato, propter periculosissimas semper exortas tempestates regionem Dacie arripere minime valebamus. Destituta ergo cum omnibus nostris familiaribus omni humano solacio, in solum deum et beatam dei genitricem ac in sanctam crucem nostra vota direximus confidenter, et sic diuino auxilio impetrato, tranquillo fluctuum meatu super Warnouiam apprehendimus gratulanter. Diuina igitur prouidencia, dispositum habens pereunti mundo in omni loco semper prouidere de remedio salutis oportuno et, ut concepimus ex uirtute miraculi, in terra Slauorum monasteria fieri, sic in nobis preordinauit, vt hoc lignum salutiferum, nobis tam honorifice donatum, ibidem esset omnibus in refugium patronatus. Nos igitur vsa consilio omnium consiliariorum nostrorum, castrum dictum Hundesborgh in monasterium proposuimus ordinasse; sed ad peticionem discreti viri. domini Hermanni Krudener, proconsulis in Lubek, ac plurimorum honorabilium virorum ac de plenario consensu et libera voluntate adhibita nostri specialis amici et patrui domini nostri Woldemari de Rostok monasterium quoddam sanctimonialium intra muros ciuitatis Rostok in honorem dei patris omnipotentis et gloriose virginis Marie ac in laudem ligni preciosi sancte crucis et in remissionem peccaminum omnium nostrorum progenitorum fundauimus, situauimus et locauimus extunc, fundamus, situamus et locamus exnunc cum omni iuris libertate per presentes, ut per personas religiosas ibidem in vinculo caritatis congregatas diuinis solummodo vacando ministeriis laus domini et saluatoris nostri eo pocius amplificetur. Vt autem hec memorata fundacio firma permaneat et inconwlsa, eam presenti scripto autoritate domini Woldemari domini de Rostok, vt prefertur, stabilimus, ratificamus, confirmamus ac cuiusdam (!) nostri sigilli munimine, continentis formam capitis regine in maiestate sua

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residentis, firmiter roboramus. Testes huius sunt: Johannes de Snakenborgh, Lodowicus Kabold, Heynricus Fulmen, Johannes de Cropelyn, nostri milites, prefatus Hermannus Krudener et alii quam plures nostri consiliarii fide digni. Datum et actum Rostok, anno domini M°CC°LXX°, decimo kal. mensis Octobris.

Die "Königin der Dänen", Margarete, beurkundet also Folgendes: Nachdem sie einstmals die Mühseligkeit ihrer Wallfahrt überstanden, hat sie mit einem Stückchen vom Holz des heiligen Kreuzes, mit welchem sie "durch die Hand unsers apostolischen Herrn" ehrenvoll beschenkt war, eine Seefahrt durch das Dänenland angetreten und dabei die Absicht gehabt, nach der durch sie arger Weise begangenen Zerstörung vieler Klöster wieder eben diese verwüsteten und etliche andere zum Ersatz herzustellen. Sie hat also dreimal die Fahrt begonnen, aber, weil sich allemal höchst gefahrvolle Stürme erhoben, nicht vermocht in Dänemark ans Land zu kommen. Darum also schon mit aller ihrer Begleitung alles menschlichen Trostes beraubt, hat sie allein zu Gott und der seligen Mutter Gottes und zum heiligen Kreuze vertrauensvoll ihre Gelübde gerichtet, ist so göttlicher Hülfe theilhaftig geworden und unter ruhigem Wellengange auf der Warnow gelandet. Die göttliche Vorsehung, welche der ins Verderben eilenden Welt überall ein zweckmäßiges Rettungsmittel bieten und, wie die Königin aus dem Wunder ersehen, auch im Wendenlande Klöster gegründet haben will, hat ihr nun ins Herz gegeben, daß das heilbringende Holz, welches ihr so ehrenvoll geschenkt worden, dort Allen Zuflucht und Schutz bieten solle. Darum hat sie auf Zurathen aller ihrer Räthe beschlossen, die Burg Hundesburg zu einem Kloster herzurichten. Aber auf die Bitte des Lübischen Bürgermeisters Hermann Krüdener und sehr viel anderer ehrenwerther Männer und mit voller Zustimmung und freiem Willen ihres nahen Freundes und Vetters, Herrn Waldemars von Rostock, hat sie ein Nonnenkloster innerhalb der Mauern der Stadt Rostock zu Ehren des allmächtigen Gottes und der glorreichen Jungfrau Marien und zum Lobe des köstlichen Holzes vom heiligen Kreuze und zur Vergebung der Sünden aller ihrer Vorfahren damals gestiftet, gegründet und angelegt, und stiftet, gründet und legt es jetzt durch gegenwärtigen Brief an, mit aller Rechtsfreiheit, auf daß von durch das Band der Liebe verbundenen Ordenspersonen, die sich allein dem Gottesdienste widmen, die Ehre unsers Herrn und Erlösers um so mehr erhöhet werde.

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Margarete hebt schließlich noch einmal hervor, daß sie diese Bestätigung mit Vollmacht Herrn Waldemars von Rostock gebe, und zwar unter einem gewissen Siegel, welches das Haupt der Königin in ihrer Majestät darstelle.

Dieses "Siegel" hängt noch jetzt an der Urkunde; es zeigt folgende Gestalt:

Siegel

Als die obige Urkunde vor zehn Jahren im Meklenburgischen Urkunden=Buche zum Abdrucke kam, konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, daß sie unecht sei; das merkwürdige, in seiner Art einzige Siegel, der Ton des Textes und die Erwähnung eines anderweitig ganz unbekannten Lübischen Bürgermeisters Hermann Krüdener erweckten in mir starken Verdacht. Leider konnte ich aber damals das Original nicht selbst einsehen. Da mir indessen von einem sehr sachkundigen Manne versichert ward, daß die Schriftzüge durchaus unverdächtig und der Zeit, in welche die Stiftung jenes Klosters fällt, völlig angemessen seien, so gab ich mich der Ansicht hin, daß die Urkunde nicht in der Canzlei der Königin ausgefertigt, und der Bürgermeister Hermann Krüdener von dem Concipienten irrtümlich als ein Lübeker bezeichnet sein möchte. Aus dieser Vermuthung entsprang die unter dem Text versuchte Conjectur, jener Bürgermeister möge ein Rostocker gewesen sein, da sich gegen das Ende des 13. Jahrhunderts in Rostock wirklich ein "Hermannus Crudener" in den Stadtbüchern findet.

Hernach überzeugte ich mich bei weiteren Studien in den Rostocker Stadtbüchern jedoch bald davon, daß dieser

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Hermann Krüdener nirgends als Rathmann, geschweige denn als Bürgermeister bezeichnet wird, auch, um jene Zeit wenigstens, die Familie Krüdener zu den Rostockschen Rathsgeschlechtern nicht zählte, und nahm darum jene Vermuthung bald zurück 1 ).

Neuerdings hat nun der bekannte dänische Historiker C. Paludan=Müller, zum Theil angeregt durch die im Meklenburgischen Urkunden=Buche geäußerten Zweifel, vornehmlich aber, weil er in dem Stiftungsbriefe Irrthümer rücksichtlich der Geschichte der Königin Margarete entdeckte, im vierten Stücke seiner "Studier til Danmarks Historie i det 13 de Aarhundrede" 2 ), S. 61 flgd., diese Fundations=Urkunde der Königin aufs Bestimmteste für eine Fälschung erklärt, die "bedeutend jünger sein müsse, als sie sich ausgebe"; und er hat seine Verurtheilung ausführlich begründet. Es sind nicht weniger als sieben Beweisgründe, welche er für seine Behauptung anführt, nämlich:

1) empfange die Königin hier nur den Titel "regina Danorum", es fehle dabei mindestens der Zusatz "Slavorum-que";

2) eine Reise der Königin Margarete zum Papste sei anderweitig ganz unbezeugt;

3) es liege nicht das Mindeste darüber vor, daß sie "auch nur ein einziges Kloster zerstört habe, geschweige denn viele";

4) habe "in Lübek kein Bürgermeister mit Namen Hermann Krüdener existirt";

5) "unter den Zeugen sei kein einziger dänischer Mann", die Königin "allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben";

6) die "in der Diplomatik ungewöhnliche Beschreibung des Inhalts des Siegels" (am Schlusse des Textes) "dränge sich sogleich als eine tendenziöse Vertheidigung der Bulle auf"; und

7) sei das anhangende Siegel falsch, weil es abweiche von dem in einem dänischen Exemplar 3 ) und in einem me=


1) Mekl. Urk.=Buch III. Nr. 1949; IV A, S. 242.
2) S. Vidensk. Selsk. Skr., 5. Række, hist.-phil. Afd., 4 de Bd. VIII, Kjøbenhavn, 1872.
3) Abgebildet bei Thorkelin, Dipl. Arna-Magn. I, Tab. IV, Nr. 4. Es ist parabolisch: rechts vor einem sitzenden gekrönten Marienbilde knieet anbetend die Königin, den Schleier über das Haupt gezogen; ein herabschwebender Engel hält ihr die Krone über das Haupt. Im unteren Abschnitt ein links gewandtes Thier, vermuthlich ein Löwe, wie auf dem sehr ähnlichen Siegel der Königin Mechthild (das. Nr. 3).
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klenburgischen - an der im Mekl. Urkunden=Buche Bd. II, unter Nr. 1251 gedruckten Urkunde - erhaltenen echten Siegel der Königin 1 ), und seiner ganzen Beschaffenheit nach überhaupt kein Siegel zu nennen, da alle Merkmale desselben: die runde oder längliche Form, das flache Gepräge und die Umschrift, fehlen.

Als Zweck der Fälschung erscheint Hrn. Paludan=Müller die Absicht des Klosters zum Heil. Kreuz, unter den zahlreichen Fragmenten des Heiligen Kreuzes, deren große Menge nothwendig Zweifel hätte erwecken müssen, gerade seiner Reliquie 2 ) größere Glaubwürdigkeit zu verschaffen, indem in der Stiftungs=Urkunde gesagt wird, daß sie direct vom Papst gekommen sei.

Natürlich verwirft derselbe Gelehrte damit auch die schlecht beglaubigte längere Ausfertigung 3 ) von der Urkunde derselben Königin, in welcher diese zu Nykjöbing am 2. Juni 1272 dem Kloster zum Heil. Kreuz das Dorf Schmarl verleihet, da in diese längere Ausfertigung jener Stiftungsbrief von 1270 eingeschaltet ist, während er in der kürzeren, im Original erhaltenen und mit dem unbezweifelt echten parabolischen Siegel der Königin Margarete besiegelten Ausfertigung fehlt.

 

Da Hr. Paludan=Müller den Herausgebern des Meklenburgischen Urkunden=Buches einen Vorwurf daraus macht, daß sie - in der Note zu dem Abdruck - auf halbem Wege stehen geblieben und nicht bis zur gänzlichen Ver=


1) Nach dem Urk.=Buche d. St. Lübek I, S. 265, hängt auch an dem dort gedruckten Privilegium der Königin vom 16. Aug. 1204 noch ihr Siegel.
2) "Die Stücklein von dem heiligen Creutze Werden noch diese Stunde in der Kirchen des Klosters hinter einem Chrystall, an einem Crucifix gezeigt, und zwar sind es itzo zwo gantz kleine, gleichsahm Fäserchen Holtzes, etwa einen Zoll lang: Dieselben sind verwahret in einer silbernen Capsel und mit Perlen umher besteckt." Schröder, Pap. Meckl. S. 721, y.
3) S. Mekl. Urk.=Buch Bd. II, Nr. 1251, Note. - Eine Abschrift aus dem 18. Jahrh. ist hier auf der Regierungs=Bibliothek; einen Abdruck giebt schon Westphalen IV, p. 942. Wenn Suhm X, S. 65, schreibt: "Hvorom alting er, saa siger Dronningen i set Brev" (d. d. 22. Sept. 1270), som foruden at det findes i Original i Rostock ogsaa haves i en Vidisse hos os af 1272 - -"; so meint er doch wohl nur das Transsumpt in der längeren Ausfertigung der Urkunde vom 2. Juni 1272, wovon er auf S. 671 spricht. Es wäre sehr erwünscht, wenn jemand über diese zu Suhms Zeit also noch in Dänemark befindliche Abschrift Auskunft geben möchte. Noch wichtiger wäre es, wenn jemand gar ein "Vidisse" von 1272 auffinden könnte!
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urtheilung des Stiftungsbriefes vorgeschritten seien, so nahm ich hieraus Veranlassung, das Diplom selbst und die Gründe des dänischen Gelehrten einer Erörterung zu unterziehen, deren Resultate ich den Lesern dieser der meklenburgischen Geschichte gewidmeten Zeitschrift zu weiterer Prüfung vorlege.

 

Wie ich schon erwähnte, kam mir vor zehn Jahren das Original nicht zu Gesichte; und deshalb scheuete ich mich weiter zu gehen. Hr. Paludan=Müller hat das Original auch nicht gesehen, verfällt aber eben darum auch sofort in den nicht gleichgültigen Irrthum, als ob die Fälschung "bedeutend jünger sein müsse, als sie sich ausgebe."

Wäre die Handschrift des Originals "bedeutend jünger", so wäre die Unechtheit auch hiesigen Diplomatikern nicht entgangen, oder auch nur zweifelhaft gewesen. Ich kann aber, nachdem ich jetzt jenes Original wiederholt, lange und sorgfältig prüfend betrachtet habe, nicht anders Urtheilen - und Hr. Geh. Archivrath Lisch und Hr. Archivrath Beyer sind derselben Ansicht -, als daß Pergament und Schriftzüge gar keinen Verdacht erwecken, und daß die Urkunde, wie sie im Original vorliegt, spätestens um 1300 geschrieben sein muß. Das kräftige Pergament ist 43 Centimeter breit, 16 Centimeter hoch, die Schrift füllt 16 1/3 Reihen, sie ist sehr schön, kräftig und sorgfältig ausgeführt, ein breiter Rand ringsum gelassen, die ganze Ausstattung einer königlichen Stiftungs=Urkunde sehr würdig. Die Siegelschnur von rother und weißer Seide ist durchaus regelrecht in den umgeschlagenen unteren Rand eingezogen. Das "Siegel" ist wohl erhalten, nur die Nase der Königin ist im Laufe der Jahrhunderte platt gedrückt.

 

Richtiger könnte man dies Siegel allerdings, wie die Abbildung auf S. 23 ergiebt, ein nach Art der Gemmen gebildetes Portraitrelief nennen; mit einem Siegel hat es, wie Paludan=Müller richtig bemerkt, keine Aehnlichkeit. Darum aber heißt es auch im Texte: "cujusdam nostri sigilli", "continentis formam capitis regine in majestate sua residentis". Aus der flachen viereckigen, an den Ecken etwas abgestumpften Platte erhebt sich in der Mitte (über den durchgehenden Siegelschnüren) das Bild der Königin, den Schleier um das Haupt, auf dem Schleier das Diadem (oder die Krone, deren Verzierung dann aber abgestoßen ist); auf einem breiten Saum des Kleides am Halse ist ein Schmuck in Form eines Vierblatts sichtbar.

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Wenn es überall statthaft war, daß die Königin ihr Bildniß statt eines regelrechten Siegels (das sie vielleicht 1270, wo sie möglicher Weise nur zum Besuche bei der fürstlichen Familie in Rostock erschien, nicht bei sich führte) an eine Urkunde hing, so wird man kaum die Beschreibung desselben in der Urkunde mit Paludan=Müller für anstößig, sondern wohl eher - des Ausnahmefalles wegen - für geboten erklären. Aber daß die Königin sollte ein solches Bildniß als Siegel benutzt haben, ist durch keine Analogie zu stützen 1 ), es sei denn, daß man sich auf die Verwendung antiker Petschafte mit Portraits berufen wollte.

Aber, fragt man, wie verfiel ein Fälscher gerade auf solche Besiegelung? Fälscher unternehmen allerdings nichts Ungewöhnliches, sie bilden vielmehr mit ängstlicher Treue, so weit es ihnen möglich ist, Echtes nach, um ja allem Verdachte zu entgehen und durch den Schein der Wahrheit zu täuschen. Wer preußische Thaler fälschen will, wird ihnen nicht eine viereckige Gestalt geben, obwohl es ja quadratische Münzen gegeben hat. Dazu kommt noch hinzu, daß gerade das Kloster zum Heil. Kreuz in Rostock an der echten Urkunde vom 2. Juni 1272 ja ein echtes parabolisches Siegel der Königin Margarete besaß. War es nun für den Fälscher, der doch wohl im Auftrage des Klostervorstandes und für denselben arbeitete, nicht leichter, von dem echten Siegel etwa mittels eines Thonabdruckes ein falsches für den Stiftungsbrief herzustellen, als erst das Bildniß der Königin - sei es direct in Wachs zu bilden, oder gar zuvor in Holz oder Metall zu schneiden und daraus einen Wachs=


1) Bei Herrlich, Geschichte der Stadt Rostock bis zum J. 1300 (in Schirrmachers Beiträgen), S. 58, Anm. 4, wird bemerkt: "Das dänische Reichssiegel" (d. h. wohl das Siegel des Königs Erich) "war nicht am Platze, weil das Kloster in Rostock in der Folge ganz unabhängig von Dänemark dastehen mußte und nicht in den dänischen, sondern in den meklenburgischen Kirchenverband eintrat." Das Königssiegel erwartet man hier allerdings nicht in einer Privatangelegenheit der Königin, wohl aber das an Nr. 1251 hangende Siegel der Königin Margarete. "Auch scheint mir", heißt es hier weiter, "aus der ungewöhnlichen und speciellen Beschreibung des Siegels mehr hervorzugehen, daß dasselbe, wenn nicht zu diesem Zwecke verfertigt, so doch mit Absicht dazu verwandt ist, als daß es ausnahmsweise gebraucht worden sei." Aber ein Ausnahmefall bleibt dies ja doch immer, da weder irgend eine andere Urkunde Margaretens dieses Bildniß als Siegel trägt oder auch nur im Text eine Andeutung enthält, daß sie es getragen habe, noch von andern Personen ein ähnliches Siegel bekannt geworden ist.
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abguß zu nehmen? Diesen Einwand könnte man Hrn. Paludan=Müller immer entgegenhalten. Gewiß ist jedenfalls, daß das Kloster ohne eine besondere Veranlassung auf den Gedanken einer solchen Besiegelung schwerlich verfallen wäre. Wir kommen hernach hierauf zurück.

Aber ja nicht das Siegel allein erregt Anstoß, der Text noch viel mehr!

Das ist gewiß niemand zweifelhaft, daß diese fast im Legendenton abgefaßte Urkunde nicht geschäftsmäßig in der dänischen Canzlei entworfen ist; diese hätte gewiß im Titel der Königin den Zusatz "Slavorumque" nicht vergessen. Aber mit solcher Wahrnehmung allein begründet man freilich keine Unechtheit. Denn eine nicht ganz kleine Zahl von mittelalterlichen Urkunden ist nicht in den Canzleien derjenigen Herren entworfen, welche als die Aussteller genannt werden; vielmehr sind solche Briefe gar nicht selten schon fertig von den Petenten vorgelegt und, wenn die Fürsten sie genehmigt hatten, durch Anhängung ihres Siegels vollzogen. Ich sehe hierbei natürlich ab von päpstlichen Urkunden in Parteiensachen, wo der Sachwalt der einen Partei, z. B. wenn er bestimmte Personen zu Richtern delegirt zu sehen wünschte, ein vollständig extendirtes päpstliches Mandat an diese dem Auditor causarum contradictarum vorlegte, und, nachdem der Sachwalt der Gegenpartei seine Zustimmung erklärt hatte, der Auditor den Canzleibeamten die Ausfertigung und Besiegelung des Mundums befahl 1 ).

Um ein nahe liegendes Beispiel anzuführen, so giebt sich Sophie, die Gemahlin des Fürsten Borwin III. von Rostock, auf ihrem aus dem Jahre 1237 erhaltenen Siegel 2 ) durch die drei Leoparden über einander im väterlichen Schilde ganz unzweifelhaft als eine Tochter des dänischen Königshauses zu erkennen. Wenn dann aber 1241 ihr Gemahl Borwin - in jener ganz unverdächtigen Urkunde, in welcher er dem Kloster Dargun die Kirche zu Levin vereignet und incorporirt - seiner "weiland Gemahlin Frau Sophia, Tochter des Königs von Schweden" (quondam vxoris nostre domine Sophie, filie regis Suetie) gedenkt: so wird sich diese unrichtige Angabe kaum anders erklären lassen, als wenn man annimmt, daß nicht des Fürsten Notar oder Canzler, der noch kurze Zeit vorher mit dem Siegel der Fürstin umgegangen war, solchen Fehler beging, sondern daß


1) Einen solchen Fall s. im Mekl. Urk.=Buch Bd. VIII. Nr. 5027, [10], [11].
2) 2) Abgebildet im Mekl. Urk.=Buch I, zu Nr. 463.
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dies Privilegium von einem jenes Verwandtschaftsverhältnisses weniger kundigen Schreiber des Klosters Dargun entworfen und durch die Anhängung des fürstlichen Siegels vollzogen worden ist.

Noch merkwürdiger ist die Uebereinstimmung der Urkunden, welche die meklenburgischen Fürsten Lübischen geistlichen Stiftungen ertheilt haben, rücksichtlich einer großen Zahl juristischer Cautelen, die sich in andern ähnlichen meklenburgischen Diplomen jener Zeit nicht finden. Wollte man solche Uebereinstimmung nun auch auf bestimmte, für Lübek besonders geltende Formulare der meklenburgischen Canzlei zurückführen, so ist es doch sehr auffallend, daß in einer Urkunde vom 26. Aug. 1337 1 ) Fürst Albrecht dem Bischofe Heinrich von Lübek Eigenthum, Bede und Gericht der Dörfer Stove und Güstow, die der Bischof von den v. Plessen erkaufte, bestätigt mit Zustimmung seines Bruders Heinrich (consensu carissimi nostri fratris domicelli Hinrici). Glücklicherweise ist das (im 16. Jahrh. hierher ausgelieferte) Original sehr gut erhalten, und Inhalt, Schrift, Pergament und Siegel 2 ) sind völlig unverdächtig. Der Fürst Albrecht hatte aber keinen andern Bruder als den damals noch minderjährigen Fürsten Johann! Die fürstliche Canzlei kann unmöglich jenen Fehler begangen haben, wohl aber ein Lübeker Notar, der die Abkürzung "Hen." gelesen hatte und sie unrichtig nicht Hennekinus, sondern Henricus deutete. Dafür aber, daß dies Diplom in Lübek geschrieben und hernach auf des Fürsten Albrecht Befehl von seiner Canzlei durch die Besiegelung vollzogen ist, spricht ferner auch der Umstand, daß diesselbe Versehen schon früher gerade zu Lübek begangen war, namentlich in einer jetzt freilich nicht mehr im Original, sondern nur noch im Registrum Capituli Lubicensis II erhaltenen Urkunde vom 18. Januar 1336, durch welche Albrecht Testamentarien eines Lübischen Bürgers das Dorf Johannsdorf bestätigte 3 ). - Ob in diesen Fällen die fürstliche Canzlei einen solchen Fehler übersah oder ihn zu gering achtete, um eine neue Reinschrift anfertigen zu lassen, mag dahingestellt bleiben.

Um auf den Stiftungsbrief des Klosters zum Heil. Kreuz zurückzukommen, so würde also die Annahme, daß die


1) Gedr. im Mekl. Urk.=Buch IX, Nr. 5804.
2) Es ist das im Mekl. Urk.=Buch VIII, zu Nr. 5676 abgebildete runde Siegel des Fürsten.
3) Leverkus I, S. 774, und danach im Mekl. Urk.=Buch VIII, Nr. 5643.
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Gönner des Klosters ihn hätten anfertigen lassen, und ihn der Königin zur Vollziehung vorgelegt hätten, oder daß die Königin 1270 ohne Canzlei nach Rostock gekommen wäre und auf Bitten jener Personen einem Rostocker Geistlichen den Auftrag zur Abfassung gegeben hätte, immerhin unwesentliche Verstöße - wie die Auslassung des Zusatzes Slavorumque im Titel, kleine Versehen in seiner Erzählung von der Entstehung des Klosters, die, wie wir sehen werden, schon etliche Jahre früher fiel, - und etwa sonst nicht zu erwartende Unbestimmtheiten des Ausdruckes - daß z. B. der Name des Papstes fehlt, daß das Kloster so unbestimmt als quoddam monasterium bezeichnet ist u. a. -, sowie auch den ascetischen Ton des Einganges, den dieser Brief übrigens mit andern Fundationsbriefen für geistliche Stifter theilt, hinlänglich erklären.

Indessen fragt sich doch, ob eine solche Vermuthung alle Zweifel beseitigen kann. Denn die Verstöße, welche Paludan=Müller dem Diplom vorwirft, sind nicht unbedeutend. Namentlich bestreitet dieser Gelehrte, wie oben angeführt ist, daß die Königin sich Klosterverwüstungen habe selbst vorwerfen oder sich zum Vorwurf habe machen lassen können in einer Urkunde unter eigenem Namen, da solche ihr nicht einmal von ihren Gegnern nachgesagt seien.

Werfen wir einen Blick in die jüngst voraufgegangene dänische Geschichte, um dort die Veranlassung zu solchem Ausdruck eines, wenn nicht ganz, so doch fast gleichzeitigen Urkundenconcipienten zu suchen, so stoßen wir zunächst auf den großen Aufstand der Bauern, der in Folge der Streitigkeiten König Christophs mit dem Erzbischof von Lund Jakob Erlandsön 1256 ausbrach und dann bis ins dritte Jahr gegen Adel und Geistlichkeit wüthete, wobei viele Burgen und vermuthlich auch Klöster verwüstet wurden. An diesem innern Kriege konnte sich aber Margarete keine Schuld beimessen, vielmehr hat ihr Gemahl dem Erzbischof, wenn auch unter dessen Widerspruch, den Ausbruch Schuld gegeben und den Aufstand selbst 1258 niedergeschlagen.

Oder war der Verfasser des Rostockschen Stiftungsbriefes der Zeitgeschichte so unkundig, daß er hier auf die wilden Verheerungen des Rujanerfürsten Jaromar auf Seeland und Bornholm (1259, 1260) anspielte? Jaromar war ja gerade der Gegner der Königin und trat für ihre Feinde, den Bischof Peter von Roeskilde und den Herzog Erich, ein!

Auf diese beiden verheerenden Kriege darf man die in Frahge stehenden Worte von der Klosterzerstörung keineswegs

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beziehen. Andererseits darf man aber auch nicht mit Paludan=Müller hierin einen Nachklang jenes Hasses finden, der vom Kloster Oem, weil die Königin einmal zwei Nächte demselben mit 1600 Reitern und Gefolge zur Last gelegen und den Bischof Tyge in einem Streite mit diesem Kloster unterstützt habe, und vom Ruhkloster ausgegangen sei, sich von den dänischen Cisterciensern zu den norddeutschen Klöstern dieses Ordens hin verbreitet habe "und viele Jahre später zu einem leichtfertigen Mönchs= und Nonnengeschwätze geworden" sei. Denn hier schreibt ein Mann, der mindestens bald hernach lebte, vielleicht noch ein Zeitgenosse genannt werden kann. Täuscht nicht Alles, so deuten jene Worte des Stiftungsbriefes auf etwas ganz Anderes hin.

Es erzählt uns nämlich der Annalist von Lund, der seine Jahrbücher bis 1267 fortführte, von dem Herzoge Albrecht von Braunschweig, der gleich, nachdem die Grafen von Holstein am 28. Juli 1261 auf der Loheide die Königin Margarete mit ihrem Sohne und vielen Anhängern gefangen genommen hatten, sich der Sache der Königin annahm und zunächst in Holstein einbrach, Folgendes 1 ): "1262. In diesem Jahre ging Erzbischof Jakob in die Verbannung nach Schweden. Und der Herzog von Braunschweig kam nach Dänemark und verübte viel Böses; und auf Befehl des genannten Herzogs und M. Gerhards und Johann Litles wurden alle Güter der Lundischen und der Roeskilder Kirche geraubt, desgleichen auch Güter der Domherren confiscirt, (die) Priester aber unter Hohn gefangen genommen und gefangen abgeführt und aller ihrer Habe beraubt. Es führte zu weit, wollten wir einzeln aufzählen, wie viel Böses Gott durch die Vorhingenannten, den Herzog von Braunschweig und seine Helfershelfer, zugelassen hat."

Es ist ein Feind des Herzogs und der Königin, der dies schreibt, und wahrscheinlich übertreibt er; aber ebenso wahrscheinlich ist es, daß die Königlichen, nachdem sie das Gut ihrer beiden unversöhnlichen Gegner, des Erzbischofs Jakob und des Bischofs Peter, und Gut und Leben ihrer Anhänger


1) Nordalb. Stud. V, S. 55 : 1202. Hoc anno archiepiscopus Jacobus exulavit in Sw[e]ciam. Et dux de Brunswyc venit in Daciam et operatus est multa mala; et per mandatum dicti ducis et magistri Gerardi et Johannis dicti Parvi omnia bona Lundensis et Roskildensis ecclesiarum sunt spoliata, similiter et bona canonicorum confiscata, presbiteri vero ignominiose capti et captiuati ducebantur et omnibus suis spoliati sunt. Quanta mala Deus permisit fieri per predictos ducem de Brunswyc et complices suos, longum est enarrare per singula.
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in ihre Hand bekommen hatten, nicht eben zart mit ihrer Beute umgegangen sind. Die. Königin konnte sich von diesem Vorgehen jedenfalls nicht freisprechen; denn als sie 1262 nach längeren Verhandlungen ihre Freiheit wiedererlangt hatte, kehrte sie nach Dänemark zurück und führte die Regierung für ihren Sohn (der erst 1264 in Freiheit kam).

So ganz grundlos war also die Annahme, daß die Königin über geraubtes Kirchengut Reue empfinden konnte, keineswegs. Doch darf man den Ausdruck immerhin als nicht zutreffend tadeln; vielleicht ist er auch nur aus einer gewissen Eitelkeit des Schreibers entsprungen, der statt "Kirchen" den Ausdruck Klöster wählte, um die Antithese Klosterverwüstungen und Klofterstiftungen zu gewinnen. Auf solche Bekenntnisse der Reue über Angriffe auf das Gut und die Diener der Kirche, die wir in manchen mittelalterlichen Urkunden weltlicher Herren finden, wenn sie sich veranlaßt sahen, die Kirche durch Schenkungen oder Stiftungen zu versöhnen, ist auch kaum immer großes Gewicht zu legen, und der Ausdruck rührt in der Regel von Geistlichen her. Immer aber ist der Ausdruck "Kloster" in diesem Zusammenhange jedenfalls nicht genau, wenngleich der Schreiber des Diploms eine ziemlich gute Kenntniß der Vorgänge in Dänemark verräth, so gut sie eben ein Ausländer haben konnte, mag er nun 1270 oder 20 Jahre später den Entwurf der Urkunde gemacht haben. Sollte aber die Königin sich 1270, also zu einer Zeit, wo ihr Streit mit dem Erzbischof Erlandsön noch nicht beigelegt war, schwerer Vergehen gegen kirchliche Stiftungen so urkundlich beschuldigen? zumal in Ausdrücken, welche über die wirklichen Facta weit hinausgingen? -

Leichter wiegt jedenfalls der Zweifel Paludan=Müllers, ob die Königin Margarete den päpstlichen Hof persönlich besucht habe. Die Möglichkeit bestreitet er nicht, ja er weis't sogar das Jahr vom Herbste 1267 bis zum Herbste 1268 als einen Zeitraum nach, in welchen die Reise gefallen sein könne, da während dieses Jahres die Königin im Norden nicht angetroffen werde. Und erwägt man, daß der Erzbischof Jakob Erlandsön sich 1265 zu dem neu gewählten Papste Clemens IV. begab, um diesen günstiger für sich zu stimmen, als dessen Vorgänger Urban IV. sich erwiesen hatte, daß Clemens daraus den Cardinallegaten Guido nach Dänemark sandte, dieser dann über das Land das Interdict aussprach und, nachdem er 1267 im Mai auf päpstlichen Befehl Dänemark verlassen hatte, noch im Herbste des Jahres 1267 gegen die Königin, ihren Sohn und ihren Anhang eine

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Bannbulle ausgehen ließ: so kann man darin wohl Veranlassung genug für Margarete finden, sich persönlich an den Papst zu wenden, um eine Umstimmung der Curie zu bewirken. (Denn auf eine solche Reise muß man, so scheint es, das Wort "peregrinatio" in Verbindung mit dem Ausdruck "per manum domini nostri apostolici" deuten.)

Am 29. Novbr. 1268 starb der Papst Clemens; später darf also die Reise der Königin keinenfalls angesetzt werden, da hernach, bis 1272 der erst 1271 gewählte Papst Gregor X. in Italien anlangte, der päpstliche Stuhl vacant blieb, auch, wie sich hernach zeigen wird, im Mai 1269 die Königin Margarete schon mit der Klosterstiftung beschäftigt war.

Aber daß die Königin nicht auch schon früher hatte die Fahrt nach Italien machen können als 1267, behauptet freilich Paludan=Müller, hat es jedoch unsers Erachtens nicht erwiesen. Denn daß sie "sich in den Jahren 1259-1266" immer "entweder frei oder als Gefangene in Dänemark und Norddeutschland befand", ist bei dem empfindlichen Mangel an Urkunden aus jenen Jahren eine gewagte Behauptung. Z. B. aus den Jahren 1262-1264 weisen die Regesta Danica nur zwei Urkunden nach, welche die Königin Margarete hier im Norden gegeben hat, einen Brief d. d. Randers, 28. November 1263 1 ), und das zu Rostock am 16. August 1264 der Stadt Lübek verliehene Privilegium gegen Ausübung des Strandrechtes an ihrem Gute in Dänemark 2 ). Der Stiftungsbrief, mit dem wir uns beschäftigen, giebt mit dem unbestimmten quondam keine Andeutung über die Zeit der Reise; nur muß man aus dem genauen zeitlichen Unterschied, welcher hier zwischen der ersten Stiftung und der jetzigen Bestätigung (fundauimus . . . extunc, fundamus . . . exnunc) gemacht wird, schließen, daß der Verfasser des Diploms die erste Stiftung um einen beträchtlichen Zeitraum früher angenommen hat. Jedenfalls aber ist es sehr wohl denkbar, daß die Königin im Jahre 1263, bevor der Herzog von Braunschweig im Herbst die Leitung der dänischen Angelegenheiten beschloß und nach Deutschland zurückkehrte, den Papst Urban IV. durch eine mündliche Aufklärung über ihre Lage gegenüber dem ihr so feindlichen Erzbischof Jakob, dem der vorige Papst Alexander IV. († 1261) so entschiedenen Beistand geleistet hatte, für sich günstiger zu stimmen versuchte. Vielleicht unternahm sie diese Fahrt von


1) Huitfeldt, Bispe=Krön., p. 23.
2) Urk.=Buch d. St. Lübek I, S. 265.
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Norddeutschland aus absichtlich ohne viel Aufhebens; und daraus erklärt sich auch das Schweigen der dänischen Annalen über die Reise. Am 13. Septbr. 1263 cassirte der Papst Margaretens Wahl eines Bischofs zu Reval, bestätigte aber doch denselben Mann nun kraft apostolischer Machtvollkommenheit. Er wahrte also freilich der Königin gegenüber seine eigenen Ansprüche, nahm in der Person des Geistlichen jedoch keinen Wechsel vor. Aber in dem Streite der dänischen Krone mit dem Erzbischof von Lund und dem Bischof von Roeskilde ergriff Urban IV. jetzt entschieden die Partei der Königin, und immerhin kann ein Besuch derselben im Jahre 1263 darauf eingewirkt haben, daß er für die Dauer jenes Streites der Königin und ihrem Sohne, dem jungen König Erich, am 2. Januar 1264 auf ihre Bitte einen Schutzbrief gegen Bann und Interdict ertheilte und ihnen geheimen Gottesdienst während eines Interdicts gestattete, dann aber am 4. April dem Erzbischof Jakob die schärfsten Vorwürfe wegen Hochverraths u. s. w. machte und ihn zur Niederlegung seiner Würde aufforderte 1 ). - Vielleicht erscheint es Anderen bei näherer Erwägung und genauerer Kenntniß aller einschlagenden Verhältnisse zweckmäßiger, die Fahrt der Königin in den Frühling 1264 zu verlegen (zwischen den 2. Januar und den 4. April), und ihr damit nur die Erwirkung der letzten schweren Entscheidung über den Erzbischof zuzuschreiben. Wenn aber in die Jahre 1263 und 1264 eine solche Reise gefallen sein kann, wo die Königin vom Papste eine Reliquie vom "Holz des Heil. Kreuzes" empfangen konnte, "an dem unser Heil gehangen hat", wie sich Urban in der Bulle vom 4. April an den Erzbischof ausdrückt und damit den hohen Werth bezeichnet, den er auf solche Reliquie legte: so kann die Königin im August 1264 recht wohl eine Fahrt durch die dänischen Inseln hin angetreten haben, um dort allerlei Schäden der Kirchen zu heilen, und durch einen Sturm von ihrem Cours abgelenkt und nach Rostock verschlagen sein. Denn am 16. August 1264 finden wir sie, umgeben von einer Anzahl dänischer Räthe und Begleiter 2 ), zu Rostock, und


1) Liljegren, Diplomatar. Svecan. I, S. 416-421.
2) Lüb. Urk.=Buch I, S. 265: - dominorum, qui presentes aderant, videlicet venerabilium patrum Nicholai Wibergensis domini regis cancellarii, et Tukonis Arusiensis episcoporum, Ernesti comitis de Glyghaen, Elbonis filii Vgoti, quondam marscalci, Jonannis Genwaecher, quondam dapiferi, Andree Palni sun, Andree pincerne, Jaon Litlae, praeses (!) Lundensis, Absalonis Andraes sun et Stringonis fratris sui, Thorbni Saxi sun, Mathei de Northorp, domini regis dapiferi, Gregorii de Skania, Nicholai Oendoer sun, Petri Pannae, Barchaas et Petri Niclaes sun.
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zwar, wie schon bemerkt, beschäftigt mit einer Lübischen Angelegenheit, indem sie den Lübekern einen Schutzbrief für ihr in Dänemark gestrandetes Gut ertheilte. Daß Mitglieder des Lübischen Rathes in Rostock dies Privilegium erbaten und entgegennahmen, darf man von vorne herein annehmen, und daß ein Lübischer Bürgermeister dabei sich auch einen Rath in Sachen einer Klosterstiftung erlaubte, ist bei der großen Bedeutung Lübeks und bei der Gunst, in welcher die Lübeker bei der Königin standen, sicher nichts Auffallendes. (Wir werden übrigens noch weiterhin auf diesen Rath zurückkommen.) Immerhin könnten dann auch die in diesem Privilegium für Lübek genannten Dänen jene "quam plures nostri consiliarii" sein, deren im Stiftungsbrief für das Kloster zum Heil. Kreuz am Schlusse gedacht wird.

Es kam uns indessen nur darauf an, einen möglichen Fall zu zeigen; es kann die Königin auch in einem späteren Zeitpunkte nach Rostock verschlagen sein. Jedenfalls athmet die Erzählung, daß Margarete in großer Todesgefahr auf Hülfe wegen der Reliquie, die sie bei sich führte, gehofft und das Gelübde gethan habe, nach glücklicher Rettung ein Kloster zu stiften zu Ehren des Heil. Kreuzes, so sehr den Geist des Mittelalters, daß sich kaum ein innerer Grund auffinden lassen möchte, der diese, wenn nicht 1270, so doch jedenfalls kaum 20 bis 30 Jahre später aufgezeichnete und schon durch den Namen des Kreuzklosters bestätigte Geschichte erschüttern könnte.

Aber der Lübische Bürgermeister Hermann Krüdener, der die Stiftung des Klosters mitberathen haben soll, ist eine höchst problematische Persönlichkeit! Keine andere Urkunde giebt von seiner Existenz Zeugniß, auch fehlt er in den Rathslinien und im Oberstadtbuche 1 ). Gestehen muß man, daß die älteste Rathslinie auf einem erst im 14. Jahrhundert angelegten Necrologium beruht, und daß sie keineswegs als vollständig und zuverlässig angesehen werden kann 2 ), daß die Urkunden des 13. Jahrhunderts uns auch nicht mit annähernder Vollständigkeit die Namen aller Rathsmitglieder Lübeks überliefert haben können, und daß wir, nachdem uns 1263, am 17. Juni 3 ), Heinrich Vorrad und Johann von Bardewik als die "Bürgermeister in diesem Jahre" (magistri


1) Urk.=Buch d. Stadt Lübek II, 2, S. 1140.
2) E. Deecke, Von der ältesten Lübekischen Rathslinie (Lüb. 1842), S. 5, 23, 27.
3) Urk.=Buch d. St. Lübek I, S. 254.
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ciuium ipso anno) mit 17 andern Rathsherren "und dem gesammten Rath" genannt sind, hinsichtlich des Lübischen Rathes über die folgenden Jahre sehr wenig unterrichtet sind. Der Name "Krüdener" ist in Lübek im 13. Jahrhundert nicht unbezeugt; in einer Urkunde des Bisthums Lübek vom Jahre 1239 steht ein Gottschalk Krüdener, anscheinend ein Geistlicher, in der Zeugenreihe an einer Stelle, aus der man auf einiges Ansehen dieses Mannes schließen darf 1 ). Wäre nun Hermann Krüdener hier einfach als Rathmann, nicht als Bürgermeister, bezeichnet, so möchte zur Rettung seines Namens die Vermuthung erlaubt sein, daß er, weil er sich dem Großhandel zuwandte, vielleicht auch in verwandtschaftlichen Verhältnissen zu Rathsherren stand, in den Rath gekommen, aber auch der einzige Rathmann seiner Familie geblieben sein könne, weil er entweder keine Söhne hinterlassen habe, oder diese ausgewandert oder zum Kleinhandel zurückgekehrt seien, u. s. w. Daß aber ein Bürgermeister nicht in früheren Urkunden wenigstens schon als Rathmann Erwähnung gefunden haben sollte, erregt gerechtes Bedenken, und man kommt leicht zu der Vermuthung, daß, wenn dieser Angabe in dem Stiftungsbrief Thatsächliches zu Grunde liegt (was wir hernach wahrscheinlich zu machen versuchen werden), der Verfasser den Namen des Lübischen Bürgermeisters oder den Titel oder die Heimath Hermann Krüdeners nicht richtig erfahren hat. Von der ersten Stiftung waren bis 1270 schon einige Jahre verflossen, ein Irrthum der bezeichneten Art wäre nach diesem Zeitraume allerdings schon denkbar; erklärlicher freilich, wenn man annimmt, die Urkunde sei noch später abgefaßt.

Nicht viel weniger Anstoß nimmt Hr. Paludan= Müller endlich auch an den andern vier Zeugen in der Fundations=Urkunde des Kreuzklosters, da "unter ihnen nicht ein einziger dänischer Mann" ist, und wir die Königin "allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben sehen." Er nimmt dabei an, daß der Ausdruck: "Testes huius sunt" sich nicht auf die Beurkundung am 22. Sept. 1270, sondern auf die erste, etliche Jahre früher geschehene Klosterstiftung bezieht. Wer unbefangen liest, wird auf den ersten Blick denken, mit "hujus" werde die Beurkundung und Bestätigung gemeint;


1) Leverkus I, S. 77: Hec autem ordinacio facta est in presentia Bertrammi canonici Lubicensis, Godescalci Apotecarii, Gerardi sacerdotis sancti Egidii, Gerlai seruientis, Tagmari sacerdotis, qui scripsit, Seghefridi laici, Henrici laici, Johannis sacerdotis et in presentia aliorum.
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da dann aber noch Hermann Krüdener hinzugefügt wird und die Annahme, daß dieser zweimal, früher und wieder 1270, zugegen gewesen sei, kaum statthaft erscheint, so bleibt nur übrig, entweder alle als Zeugen der ersten Stiftung, oder die vier dänischen Ritter deutscher Herkunft als Zeugen der Beurkundung im Jahr 1270, Hermann Krüdener aber und die zahlreichen Räthe der Königin als Zeugen der ersten Stiftung anzusehen.

Wie dem sei, daß die Königin allein von meklenburgischen Edelleuten umgeben gewesen, wird man hieraus nicht schließen dürfen; die "zahlreichen Räthe" konnten ja lauter Dänen sein. Daß aber die Königin in einer Privatangelegenheit, der Stiftung eines deutschen Klosters, sich vornehmlich mit einem deutschen Bürgermeister und mit Rittern von deutscher Herkunft in ihrem Gefolge, die vielleicht in Esthland Lehne empfangen hatten (nostri milites), berathen und darum auch Letztere als Zeugen genannt hat, würde an sich kaum anstößig gefunden werden, wenn nicht schon andere Gründe den Verdacht gegen die Echtheit des Diploms erweckt hätten. Auch würde man an sich gegen Ritter deutscher Abkunft im Gefolge der Königin gewiß kein Vorurtheil haben. Denn die Kriege König Christophs und hernach seiner Gemahlin Margarete boten dem allzeit kriegslustigen jungen Adel in den deutschen Ostseeländern Verlockung genug, sich in Dänemark den Ritterschlag und ein Lehn zu verdienen. König Christoph schloß 1253 mit dem Grafen Gunzel von Schwerin einen förmlichen Dienstvertrag 1 ) und sicherte ihm darin jährlich 1000 Mk. Pfennige zu; er erwartete also gewiß eine nicht unbedeutende Mannschaft, und gewiß nicht ausschließlich schwerinsche.

Auch die Namen der vier Ritter: Johann von Snakenburg, Ludwig Kabold, Heinrich Blixem (Fulmen), Johann von Kröpelin, erwecken keinen begründeten Verdacht. Keiner von ihnen gehört der Herrschaft Rostock an; auch sind sie nicht alle Meklenburger. Wenigstens Heinrich Blixem kann man kaum als einen Werler betrachten; seine Familie ist überall keine meklenburgische. Nur ganz vorübergehend erscheint in zwei Urkunden aus den Jahren 1241 und 1242 2 ) in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle ein Knappe mit dem Namen Heinrich Blixem. Da dieser dann in Meklenburg ganz verschwindet, mag er immerhin in


1) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 724.
2) Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 523, 541.
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dänische Kriegsdienste gegangen und hernach im Gefolge der Königin als Ritter nach Rostock gekommen sein. Uebrigens kann Letzterer auch ein anderer Mann desselben Geschlechts sein; da bestimmte Rufnamen in jeder Familie vor andern üblich waren und immer wiederkehrten, ist Gewißheit in diesem Falle, wie in tausend ähnlichen, nicht zu erlangen.

Die Familie Kabold, in welcher der Name Ludwig vorwaltet, gehört so gut dem Fürstenthum Rügen, wie dem Fürstenthum Werle an, ein Kaboldestorp (jetzt Kavelstorf) liegt bei Tribsees in Vorpommern, ein anderes bei Schwan in dem Werleschen. Schon 1221 war beim Fürsten Wizlav von Rügen Ludwig Kabold, aber anscheinend als Gefährte des meklenburgischen Fürsten Heinrich (Borwin); 1248-1264 kommt ein Ritter dieses Namens oft in der Umgebung des Fürsten Nicolaus von Werle vor 1 ). 1257 erscheint bei dem Rujanerfürsten Jaromar zu Tribsees ein Ritter Johann Kabold 2 ), dessen Erben in einer Urkunde des Fürsten Wizlav von 1267 3 ), dann 1275 Ludwig und Nicolaus Kabold 4 ), und von 1276 5 ) an findet sich der Ritter Ludwig Kabold Jahrzehnte lang in vorpommerschen Urkunden. In welcher Verwandtschaft zu diesen der dänische Ritter Ludwig Kabold in der Umgebung der Königin Margarete stand, ist schwer zu sagen.

Ein Johann von Snakenburg tritt in meklenburgischen Urkunden schon 1218, bei dem Fürsten Heinrich Borwin von Meklenburg, auf und war 1226 und 12 29 bereits einer der angesehensten meklenburgischen Räthe. Er hatte sein Lehen in der Herrschaft Werle, in der Nähe von Plau, und lebte dort noch 1259, gewiß schon in sehr hohem Alter. Dieser Mann kann hier wohl nicht mehr in Frage kommen 6 ). Sein einziger Sohn, der hier in Meklenburg vorkommt, führte den Namen Gerhard; immerhin könnte ein anderer mit dem Namen Johann sich nach Dänemark begeben haben.

Endlich lernen wir einen Güstrowschen Ritter Johann von Kröpelin schon 1230-33 kennen, dann kommt ein solcher 1253 bis etwa 1274 in den Urkunden des Fürsten Nicolaus von Werle vor 7 ). Unter den drei muthmaßlichen


1) Mekl. Urk.=Buch Nr. 607 - 1015.
2) Fabricius, Ruy. Urk. II (I), Nr. LXVI.
3) Daselbst III (II), Nr. XCVI.
4) Daselbst Nr. CXVII.
5) Daselbst Nr. CXX; Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1405, Nr. 2393.
6) Vgl. Mekl. Urk.=Buch, Bd. IV B, Personen=Reg. S. 342.
7) Daselbst S. 252 b .
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Söhnen desselben, denen wir seit 1262 in Werleschen Urkunden begegnen, hieß keiner Johann; auch ein solcher könnte in Dänemark Dienste gesucht haben. - Unsere Untersuchung über diese vier als Zeugen genannten Ritter ergiebt also keine sichern Merkmale der Unechtheit.

Wer sich anderweitig schon für die Unechtheit der Urkunde entschieden hat, ist vielleicht geneigt, dem Fälscher zuzutrauen, daß er auf gut Glück bekannte deutsche Ritternamen zusammengestellt habe. Aber Blixem war jedenfalls in Rostock ein sehr wenig geläufiger Name; auch sieht man nicht ab, warum der Fälscher nicht zu vornehmen dänischen Namen gegriffen haben sollte, die bei dem lebhaften Verkehr mit Dänemark in Rostock ja bekannt genug waren. Dies gilt zumal, wenn man mit Paludan=Müller annimmt, der Fälscher habe seine deutschen Landsleute nur über die Herkunft der Reliquie vom Heil. Kreuz täuschen und sie vor andern ähnlichen beglaubigen wollen.

Aber darin, dünkt uns, liegt der schwächste Punkt der Beweisführung jenes dänischen Kritikers, daß er keinen recht einleuchtenden Zweck der Fälschung anzugeben vermag. Denn wenn er meint, man habe mit derselben nur die Reliquie gegen Zweifel zu schützen beabsichtigt, so scheint er die naiv gläubigen Katholiken des dreizehnten mit den kritischen Protestanten des neunzehnten Jahrhunderts zu verwechseln. Und wer etwa im 13. Jahrhundert aufgeklärt genug war, die Echtheit der Reliquien in Zweifel zu ziehen, wird auch wenig darauf gegeben haben, ob diese oder jene durch die Hand des Papstes gegangen war. Von dessen Hofe kamen ja überdies die meisten!

Fassen wir kurz den Ertrag unserer Erörterungen über die Gründe, welche Hr. Paludan=Müller gegen die Echtheit des Stiftungsbriefes aufgestellt hat, zusammen, so ist von den aus dem Text entnommenen kaum einer allein so durchschlagend, daß daraus hin die Verurtheilung erfolgen dürfte, wenn die Urkunde durch ein ganz zweifelfreies Siegel beglaubigt wäre. Da aber das als Siegel anhangende Bildniß immerhin durch kein zweites Exemplar oder durch Analogien bekräftigt wird, so erwecken namentlich die Behauptung, als ob die Königin Klöster habe zerstören lassen, und der sonst unbezeugte Name des Lübischen Bürgermeisters einen allerdings wohl gerechtfertigten Verdacht.

Indessen darf unsere Untersuchung hier nicht stehen bleiben. Denn auch verdächtige oder erweislich gefälschte Urkunden sind nicht allemal werthlos für die Geschichte.

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Manche sind der Ausgangspunkt für ein neues Recht geworden, wie z. B. die um 1190 gefälschte, neben der echten vom Jahre 1171 hier im Archiv aufbewahrte Stiftungsurkunde Herzog Heinrichs für das Bisthum Schwerin, indem die in die Fälschung hineingetragenen Bestimmungen durch die Confirmation Kaiser Otto's IV. vom Jahre 1211 Rechtskraft erhielten 1 ). Andere sind in Theilen, die auf echten Urkunden beruhen, völlig zuverlässig, und es ist dann die Aufgabe der Kritik, den Zweck zu ermitteln, der die Fälschung veranlaßte, und danach das Unechte, so weit es möglich ist, abzugrenzen. Noch andere, wie z. B. manche Reinfeldische im hiesigen Archiv 2 ), erwecken durch ihren Inhalt gar keinen Verdacht, erweisen sich aber durch die zu junge Handschrift und durch Operationen an den echten Siegeln als Fälschungen; sie scheinen eigenmächtige Abschriften der Inhaber zu sein, welche den Inhalt der vermodernden echten Briefe auf diesem Wege zu retten suchten. Immer aber kommt es vornehmlich auf die Zeit an, in welcher die Fälschung geschehen ist.

In unserm Falle, wo die Schriftzüge erweisen, daß das zweifelhafte Diplom jedenfalls noch dem Ende des 13. Jahrhunderts angehört, können wir uns nicht begnügen, den Inhalt, so weit er sich auf die Umstände bei der Stiftung eines der bedeutendsten Landesklöster bezieht, ohne Prüfung zu verwerfen oder auf sich beruhen zu lassen. Denn man darf von vorne herein behaupten, daß, weil am Ende des Jahrhunderts noch viele Rostocker Augenzeugen der Klosterstiftung lebten, auch ein damaliger Verfasser noch richtige oder wesentliche richtige Aufschlüsse erlangen konnte. Es liegt uns ob, uns mit Hülfe unzweifelhaft echter Quellen ein Bild von dem ganzen Verlauf der Gründung zu entwerfen und damit die Angaben in der Stiftungs=Urkunde zu vergleichen.

Zwischen dem dänischen Königshause und dem Rostocker Fürstenhause bestanden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nahe verwandtschaftliche Beziehungen. Da, wie schon erwähnt ist, Sophie, die Gemahlin Borwin's III. von Rostock, dem dänischen Königshause angehörte, wird sie nach der Zeit, in die ihr Leben fiel, eine Tochter König Waldemars II., also eine Schwester König Christophs und mithin eine Schwägerin der Königin Margarete, gewesen sein. Die Fürstin Sophie war nun freilich früh verstorben; aber


1) Mekl. Urk.=Buch I, Nr. 100, 202.
2) Mekl. Urk.=Buch I, Vorrede S. XXXIII, flgd.
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Margarete war auch in anderer Hinsicht mit dem alternden Borwin († 1277) und dem lange für ihn regierenden Sohn Waldemar verwandt. Sie nennt nicht nur in dem Stiftungsbriefe, der uns hier vornehmlich beschäftigt, Waldemar ihren nahen Freund und Vetter (specialis amicus et patruus), sondern auch in der unverdächtigen Urkunde vom 2. Juni 1272 (Nr. 1251) ihren Blutsfreund (dilecti consanguinei nostri domini Woldemari). Allem Anscheine nach war Mechthild, Margaretens Mutter, die Gemahlin des Herzogs Sambor von Liebschau, eine Schwester der Fürsten Johann von Meklenburg, Nicolaus von Werle, Borwin von Rostock und Pribislav von Richenberg 1 ). Bei so nahen Verwandtschaftsverhältnissen kann es nicht Wunder nehmen, daß gerade Borwin von Rostock und sein Bruder Nicolaus schon 1256 Versöhnungsversuche zwischen dem König Christoph und dem Erzbischof Jakob unternahmen, daß der Fürst Heinrich der Pilger von Meklenburg wiederholt an den dänischen Hof kam und noch kurz vor dem Antritt seiner Pilgerfahrt nach Palästina der Königin zu Nykjöbing einen Besuch machte 2 ), und daß die Königin Margarete wiederholt nach Rostock kam. Ja die letzte Urkunde, welche wir von ihr besitzen, ist am 4. December 1282 zu Rostock ausgestellt; sie machte der Wittwe des kurz zuvor, am 9. November 1282, verstorbenen Fürsten Waldemar, Agnes (einer gebornen Gräfin von Holstein), einen Besuch, und vielleicht ist sie gar nicht mehr nach Dänemark zurückgekehrt, sondern (am 26. März 1283) zu Rostock verstorben. Wenigstens widerspricht kein altes Zeugniß der Angabe Kirchbergs (Cap. 183), daß sie in der Kirche zu Doberan ihr Grab gefunden hat 3 ).

Wenn also die Königin auf der See in Todesnöthen das Gelübde gethan hatte, nach glücklicher Rettung ein


1) Vgl. Quandt in den Balt. Studien, Bd. XVI, H. 2, S. 67, und Klempin, Regesten, Berichtigungen und Ergänzungen zum Cod. Pomeran. diplom., S. 364 flgd. Die dagegen im Mekl. Urk.=Buch IV A, zu Nr. 2667, der entscheidenden Urkunde, geäußerten Bedenken vermögen, so lange die Blutsverwandtschaft zwischen Waldemar und der Königin Margarete nicht anderweitig zu erweisen ist, jene Combination Quandts allerdings nicht zu entkräften.
2) S. Mekl. Urk.=Buch IV A, Nr. 2670, 2682; II. Nr. 1222.
3) War es sonst zwar wenig üblich, daß Fürstinnen zu Doberan im Mönchskloster bestattet wurden, so erinnern wir an die nahen Beziehungen, in welchen der Vater der "Margareta Sambiria", Herzog Sambor, zum Kloster Doberan stand. Welche die Gründung des Klosters Neu=Doberan (Pelplin) herbeiführten. Vgl. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 828, 829, 925, und Strehlke in Jahrb. XXXIV, S. 20 flgd. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Königin Margarete der Brüderschaft des Klosters theilhaftig geworden war.
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Kloster zum Heil. Kreuz zu stiften, und nun, statt in Dänemark, bei Rostock das feste Land erreichte, so mag es ihr nicht schwer geworden sein, sich zu einem Klosterbau hier im Wendenlande, der Heimath ihrer Mutter, zu entschließen.

In einer Beziehung ist sie jedenfalls die Stifterin geworden, indem sie nämlich die ersten Mittel zum Bestehen dargereicht hat. In den Rostockschen Testamenten Dietrichs von Raven aus dem Jahre 1268 und Johann Friesens vom Jahre 1269 1 ), in denen so zahlreiche geistliche Stiftungen, und namentlich die Rostockschen bedacht sind, ist vom Heil.=Kreuz=Kloster noch nicht die Rede; man darf daraus also wohl schließen, daß es damals noch nicht vorhanden war. Erst im Jahre 1269 that die Königin zur Lösung ihres Gelübdes den ersten Schritt, indem sie am 24. Mai 1269 sich in einem von Rostock datirten Privilegium vom Fürsten Waldemar 2 ) die Erlaubniß ertheilen ließ, in seinem Gebiete nach ihrem Gefallen und ihrer Gelegenheit vier Pflug Landes zu erwerben. Der Fürst Waldemar übertrug ihr hiebei im Voraus das Eigenthumsrecht in der Weise, daß sie über diesen Acker ganz nach Gefallen verfügen könne, und er auf jegliche Zehnten und sonstige Gefälle Verzicht leiste. Solche Freiheit pflegten die meklenburgischen Fürsten über die Güter zu geben, die zu geistlichen Zwecken, zur Gründung oder zum Unterhalt geistlicher Stiftungen, bestimmt waren. Und in der That beurkundete die Königin Margarete zu Nykjöbing am 2. Juni 1272 in einer recht kurzen Urkunde 3 ) - unter ihrem parabolischen Siegel - , daß sie zu Ehren des Herrn Jesu Christi, zum Heil ihrer Seele, "dem Nonnenkloster zum Heil. Kreuz zu Rostock" "ihr Dorf" (villam nostram) Schmarl, welches 4 Pflug Ackers in Cultur habe, mit allem Zubehör, Zehnten und Abgaben, zu ewigem Besitz und zu freier Verfügung verliehen habe.

War dies die erste Urkunde, welche sie dem Kloster gab? Dann muß es in der That auffallen, daß sie sich hier auch nicht mit der leisesten Andeutung als die Gründerin des Klosters bezeichnet, wie nahe es auch lag, diesen Ruhm auf die Nachwelt zu bringen. Oder unterließ sie aus Demuth solche Erwähnung? Man vermißt sonst förmlich einen Stiftungsbrief. Oder konnte sie einen solchen nicht geben, weil das Kloster nicht unter dänischer Landeshoheit stand? - War


1) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1138, 1153.
2) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1165.
3) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1251.
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aber ein solcher voraufgegangen, so war es an sich nicht unangemessen, ihn in diesen Bewidmungsbrief, der ihn gewissermaßen ergänzte, zu transsumiren, und auch auf den kurzen Schenkungsbrief hätte immer noch die so erweiterte, feierlichere Ausfertigung folgen mögen.

Oder hat sich die Königin vorbehalten, späterhin, bei weiterer Entwicklung ihrer Stiftung, einen solchen feierlichen Stiftungsbrief zu geben? und ist dieser wohl nicht zu Stande gekommen, und darum hernach ein solcher erdichtet?

Oder will man aus jenem Schweigen schließen, daß nicht sie die Stifterin gewesen sei? Aber woher dann die große Zuneigung, aus welcher sie zuerst das Kloster mit einem ganzen Dorfe beschenkte und dadurch erst die Existenz ermöglichte?

Und wer könnte denn sonst der Gründer gewesen sein?

Die beiden Urkunden des Papstes Innocenz V. vom 23. März 1276 1 ), in welchen dieser die Priorin und den Convent der Cistercienser=Nonnen des Klosters zu Rostock mit allem Klostergut unter seinen apostolischen Schutz nimmt und ihnen alle Freiheiten und Gerechtigkeiten bestätigt, sind, zumal im Vergleich zu den ausführlichen päpstlichen Urkunden, welche die Klöster Doberan (1209) und Neukloster (1267) empfangen hatten, leider auch recht kurz gehalten und geben über die Entstehung des Klosters keinerlei Aufschluß.

Der Fürst Waldemar, der, wenn nicht die Königin die Gründerin sein sollte, allein als der Stifter oder Mitstifter in Frage kommen könnte, dann aber doch auch gewiß als solcher vom Kloster anerkannt wäre, nahm, weil er es für seine Pflicht erachte, neue Pflanzstätten (novellas plantationes de novo plantatas) durch Werke der Barmherzigkeit zu befruchten (rigare), am 23. Oct. 1278 "die Kirche der Nonnen zum Heil. Kreuz" in Rostock unter seinen Schutz, indem er dieselbe von dem Parochialverbande der Jakobikirche eximirte 2 ), oder genauer: den Nachfolgern des damaligen Pfarrers Heinrich zu St. Jakob alles Recht zur Messe und auf die daselbst gespendeten Almosen und Opfer entzog. Aber er rühmt sich nicht, an der Stiftung irgend einen Antheil zu haben, giebt auch sonst keine Andeutung über dieselbe, die er ja mit Recht als allgemein bekannt voraussetzen konnte.

Merkwürdig ist es jedenfalls, daß das Kloster, zu welchem erst 1269 die erste Anstalt getroffen ward, und das


1) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1387, 1388.
2) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1471.
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erst 1272, oder doch wohl nicht viel früher, in den Besitz eines Dorfes kam, bald einen großen Aufschwung nahm und über sehr bedeutende Geldmittel verfügte. Schon 1274 kaufte es das Dorf Bandow um 1300 Mk. Pf., 1277: sechs Hufen in Damm für 210 Mk., 1278: Gr.=Sprenz um 950 Mk., 1284: Schwiesow um 883 Mk., dann im ruyanischen Vorpommern: 1289 fünf Hufen zu Behrenshagen und sieben zu Primersdorf um 480 Mk., 1293 eilf Hufen zu Alt=Willershagen um 554 Mk. 1 ) u. s. w.

Brachte nun auch wohl manche Nonne eine nicht unansehnliche Mitgift zu (wie z. B. Adelheid Vot im Jahre 1283: 90 Mk. 2 ), wurden die Klosterjungfrauen auch in manchen Testamenten der Seestädte mit schönen Vermächtnissen bedacht 3 ), und mehrten sich bei wachsendem Güterbesitze und geschickter Verwaltung desselben auch allmählich die Ueberschüsse: so reichten doch wenigstens in der ersten Zeit solche Hülfsquellen gewiß bei weitem nicht aus, um davon das Kloster zu erbauen, die Nonnen zu unterhalten und daneben noch bedeutende Güter anzukaufen. Man kommt unwillkürlich zu der Vermuthung, daß sich eine fürstliche Hand freigebig zu beträchtlichen Spenden aufgethan hat und daß, da Waldemar dem Kloster nicht ein ein einziges Gut geschenkt hat, vornehmlich die Königin Margarete ihre Mildtätigkeit leuchten ließ.

Uebrigens unterschied sich das Nonnenkloster zum Heil. Kreuz von den andern Cistercienserklöstern Meklenburgs wesentlich, insofern es kein Feldkloster war, sondern innerhalb der größten Stadt des Landes angelegt ward; und es drängt sich die Frage auf, warum ein Lübischer Bürgermeister den Plan der Königin, außerhalb der Stadt das Kloster zu gründen, durchkreuzte.

Der Stiftungsbrief giebt darauf eine befriedigende Antwort.

Die Lage der Hundesburg ist auch heutigen Tages noch allgemein bekannt. Der Platz, auf welchem sie im Jahre 1270 noch stand, ein Hügel südlich vom Hofe auf der Feldmark Schmarl, unmittelbar an dem westlichen Ufer der Warnow, wo dieses ein wenig in den Fluß hineinspringt, führt noch jetzt den Namen Hundesburg. Während weiter abwärts größtentheils Wiesen sich längs der Warnow hinziehen und der Fluß am Ufer wenig Tiefe hat, war die


1) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1324,1429, 1466; III, 1729, 2041, 2212, 2292.
2) Mekl. Urk.=Buch III, Nr. 1685.
3) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1479; III, Nr. 2017, 2018, 2045.
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Wahl des Platzes für die Hundesburg wohl wesentlich dadurch mitbestimmt, daß dort sich eine gute Anfurt findet und der Fluß sich dort etwas verengt. Hier konnte die Königin, wenn sie an dem, vom Nordsturm vielleicht überflutheten, Dorfe Warnemünde vorüber und durch den Breitling hindurch in die Warnow gelangt war, sicher landen. Und eben dieses Schloß, wo sie das feste Land zuerst erreichte, wünschte sie nun zu einer Klosteranlage zu benutzen; man sieht auch, warum sie, nachdem dieser Plan verworfen war, gerade die Feldmark Schmarl für das Kloster ankaufte.

Die Burg Hundesburg gehörte dem Fürsten von Rostock, und Waldemar möchte sie seiner Cousine auch vielleicht überlassen haben. Aber, da sie die Warnow beherrschte, war die Hundesburg den Rostockern, die es mit Anstrengungen erreicht hatten, daß die Burgen der Fürsten innerhalb der Stadt verschwunden waren, ein Dorn im Auge. Nicolaus Glöde scheint eine Weile als fürstlicher Beamter auf derselben gesessen zu haben. In der letzten Zeit nämlich (1268-70) hatte es sich erst ereignet, daß dieser einen Rostocker, der zu Kessin hatte Vögel fangen wollen, verhaftete und auf die Hundesburg brachte; Glöde ward deswegen vor das Gericht zu Rostock geladen, erschien aber nicht und ward daraus verfestet 1 ). Was Wunder, wenn die Rostocker die Burg auch nicht als Kloster fortbestehen lassen mochten, das in gefahrvoller Zeit leicht von Feinden der Stadt in Besitz genommen und zur Sperrung oder Behinderung der Schiffahrt auf der Warnow benutzt werden konnte! Der Bürgermeister einer verbündeten hanseatischen Stadt leistete also den Rostockern einen großen Dienst damit, daß er der Königin jenen Plan ausredete und sie zur Verlegung des Klosters in die Stadt bewog; auch auf der Feldmark Schmarl wäre den Rostockern die Errichtung eines festen Klostergebäudes und Hofes kaum weniger unwillkommen gewesen. Wahrscheinlich haben sie dagegen sich dazu verstanden, innerhalb der Stadt den Raum zum Kloster unentgeltlich herzugeben. Wenigstens wird der Fürst Waldemar nicht als der Geber dieses Platzes, also als Mitstifter des Klosters, gerühmt, was doch wohl, wenn er es verdient hätte, nicht unterblieben wäre; nur seiner Zustimmung zu der Anlage in der Stadt oder zu der Verlegung des Klosters in die Stadt wird gedacht. Hätte die Königin aber den Klosterplatz von der Stadt Rostock käuflich erworben, so würde uns gewiß ein Kaufbrief in dem reichen


1) Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1152.
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Rostocker Urkundenschatze oder eine Inscription des Stadtbuches davon Kunde geben.

Beiläufig sei hier erwähnt, daß die Rostocker ihren Wunsch rücksichtlich der Hundesburg doch bald hernach erfüllt sahen. Wann und aus welcher Veranlassung sie abgebrochen ist, wissen wir nicht; aber am 21. Decbr. 1278 stand sie nicht mehr. An diesem Tage verkaufte der Fürst Waldemar die leere Burgstätte an die Stadt Rostock, und es ward im Kaufbriefe bedungen, daß weder dort noch überhaupt längs der Warnow zwischen Rostock und dem Meere bis auf eine Meile vom Flußufer je eine Burg wiedererbauet werden dürfe 1 ). Dem Kloster zum Heil. Kreuz aber war es störend, daß die Stadt jenen Hügel innerhalb der Feldmark des Klostergutes Schmarl besaß. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, kaufte es am 27. August 1307 von der Stadt Rostock "den Wall der Burg Hundesburg mit dem ganzen Raum und was dazu liegt." Aber auch jetzt war die Besorgniß der Rostocker vor einem möglichen Wiederaufbau einer Burg so groß, daß in den Kaufbrief die Bedingung aufgenommen ward, falls ein Herr sich des Walles bemächtigen wolle, sollten Kloster und Stadt dies gemeinschaftlich nach besten Kräften verhindern 2 ).

So sehen wir also in Allem, was die Stiftung des Klosters selbst betrifft, in dem Stiftungsbriefe der Königin Margarete nicht nur keinen einzigen Widerspruch gegen anderweitige untrügliche Nachrichten, sondern die Mittheilungen, welche wir durch sie empfangen, geben uns allein die erwünschten und in sich glaubwürdigen Aufschlüsse. Und selbst von dänischen Angelegenheiten zeigt der Verfasser eine so gute Kenntniß, als man von einem Rostocker nur erwarten kann. Damit mindert sich augenscheinlich unser Interesse an der Frage, ob jene Urkunde wirklich 1270 von der Königin Margarete gegeben, oder ob sie vielleicht fünfzehn bis zwanzig Jahre später auf ihren Namen gefälscht ist. Manche Ausstellungen, welche gegen sie gemacht sind, haben hoffentlich oben ihre Erledigung gefunden, anderen sind Zweifel entgegen gestellt. - Aber erwägt man, daß die Königin Margarete im Jahre 1270, als der Streit mit dem Lundischen Erzbischof noch nicht beigelegt war, schwerlich ihre Schuld an der Beraubung des Kirchengutes urkundlich hätte eingestehen und sich am wenigsten einer schrecklichen (enormiter!) Ver=


1) Mekl. Urk,=Buch II, Nr. 1474.
2) Mekl. Urk.=Buch V, Nr. 3184.
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Wüstung von Klöstern, die sie nie begangen hatte, schuldig hätte bekennen mögen, daß ferner ein Irrthum in dem Namen, oder in der Würde, oder in der Heimath des Bürgermeisters Hermann Krüdener im Jahre 1270 immerhin sehr auffallen müßte, während ein solcher 15-20 Jahre später einem auch sonst ganz sorgfältigen und sachlich wohl unterrichteten Verfasser leicht widerfahren konnte, und daß endlich die Besiegelung einer Urkunde mit dem Bildniß der Königin jedenfalls gegen allen diplomatischen Brauch war: so wird man sich doch entschließen müssen, hier eine pia fraus anzunehmen.

Und zwar eine pia fraus in besonderem Sinne. Denn seltsam wäre eine solche Urkunde von der Königin selbst, in welcher dem Kloster kein einziges Recht und kein Besitz verliehen, sondern lediglich der Hergang der Gründung erzählt, und die Bestätigung nicht, wie man doch zu erwarten berechtigt wäre, von dem Landesherrn, sondern "kraft Vollmacht" (auctoritate) des Landesherrn ausgeübt wird, ohne daß der Landesherr zum Zeichen seiner Genehmigung, wie doch sonst in solchen Fällen üblich war, sein Siegel anhing. Dagegen verlieren sich alle Bedenken mit der Annahme, daß der Vorstand des Klosters, weil dieses keinen Bestätigungsbrief vom Fürsten Waldemar und keinen Stiftungsbrief von der Königin Margarete empfangen hatte, nach dem Tode des Fürsten und der Königin den Verlauf der Gründung selbst zu beurkunden unternahm und dazu die unerlaubte Form einer Urkunde auf den Namen der Königin wählte. Wie leicht man sich im Mittelalter zu diesem schlimmen Wege entschloß, ist bekannt genug und wird auch für unser Land leider durch etliche Nummern des Meklenburgischen Urkunden=Buches bezeugt. In diesem Falle aber mochte man sein Gewissen über diese Fälschung um so leichter beruhigen, da man mit derselben niemand an irgend einem Rechte kränkte und mit einer Erzählung von der Stiftung der Gründerin des Klosters gewissermaßen ein Denkmal der Dankbarkeit zu setzen beabsichtigte.

Diesem letzten Gedanken entspricht nun auch die eigenthümliche Besiegelung: einem urkundlichen Denkmale für die Königin fügte man ihr Bildniß hinzu!

Es ist kaum denkbar, daß die Königin Margarete selbst, sei es in Italien, sei es hier im Norden, die Form zu diesem Reliefbilde von sich hat anfertigen lassen und solche etwa dem Kloster zum Heil. Kreuz oder einem Vorsteher desselben geschenkt hat; denn zum Siegeln verwandte man solche Hautreliefs nicht, und zu welchem andern Zwecke wäre

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sie nütze gewesen? Viel wahrscheinlicher dünkt es uns, daß dies Wachsbildniß auf eine Gemme oder auf ein silbernes oder goldenes Relief eines Armringes oder einer Spange oder eines andern Schmuckstückes zurückzuführen ist. Wir lassen aber dahingestellt, ob es von solchem vermittels einer Thonform genommen, oder nach demselben direct in Wachs modellirt ist; am flachen Rande scheint nämlich mit den Fingern nachgeholfen zu sein 1 ). Auf dem echten Siegel vom Jahre 1272 fand diese Darstellung ihr Vorbild nicht.

 

Ob dies Reliefbild statt des Siegels auch an der durch die Einfügung des Stiftungsbriefes erweiterten Ausfertigung des Schenkungsbriefes über Schmarl vom 2. Juni 1272 gehangen hat, bleibt ungewiß, da in dem Text keine Andeutung davon gegeben wird. Und da bisher weder das "Original" dieser Erweiterung, noch eine alte Abschrift sich hat auffinden lassen, ist es auch zur Zeit unmöglich zu ermitteln, ob dieses Transsumpt schon von dem Verfasser der Stiftungsurkunde herrührt, oder ob ein Anderer in seine Fußstapfen getreten ist.

 

Vignette

 

 


1) In der Kirche zu Doberan, welche die Begräbnißstätte des Rostockschen Fürstenhauses war und noch kurz zuvor die Leiche des Fürsten Waldemar aufgenommen hatte, fand Margarete, wie schon erwähnt ist, ihr Grab. Auf demselben lag früher eine Statue der Königin aus Holz und dieselbe ist auch noch vorhanden. Der Geh. Archivrath Dr. Lisch, welcher diese Bildsäule neuerdings einer genauen Untersuchung unterzogen hat, findet den Kopf derselben mit jenem Wachsbilde "identisch", und glaubt aus dem Stil und hohen Alter schließen zu dürfen, daß sie alsbald nach dem Begräbniß der Königin angefertigt ist. Hiernach könnte also die Bildsäule nach demselben Vorbilde gearbeitet sein wie das Wachsbild.