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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Steingrab von Blengo.

Auf dem Gute Blengow, in der Nähe der Ostsee bei Neu=Bukow, lag an dem nach Zweendorf führenden Wege auf der Höhe einer ansteigenden Fläche ein kegelförmiger Hügel, welcher sich ziemlich hoch über den umliegenden Boden erhob, dessen Oberfläche aber schon zu Ackerland gemacht war. Beim Pflügen war man oft auf einen Stein unter der Erdoberfläche gestoßen; äußerlich war aber kein Anzeichen von einer absichtlichen Steinsetzung zu sehen. Hiedurch aufmerksam gemacht, ließ der Gutsbesitzer Herr Beste, nach Steinen zu einem Bau suchend, im Frühling 1871 nachgraben und fand unter der Erdoberfläche einen großen Stein, der, wie sich später zeigte, die Decke eines Steingrabes bildete, welches zunächst frei gegraben ward. Der Herr Beste hat die Güte gehabt, eine genaue Beschreibung dieser im Frühling 1871 vorgenommenen Aufdeckung zu liefern, welche jedoch damals noch nicht bis auf den Grund ausgeführt ward.

In dem Hügel standen einander gegenüber zwei große Steine, mit ebenen Flächen einander zugekehrt. Auf diesen ruhte fest schließend der erwähnte große Stein als Deckstein. Es war hiedurch eine von Westen nach Osten gerichtete Steinkammer von ungefähr 8 Fuß Länge, 4 Fuß Breite und etwa

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4 Fuß Höhe gebildet. Die westliche Seite war durch eine vorgestellte große Steinplatte geschlossen, welche jedoch nicht an den Deckstein hinan reichte, sondern oben eine Oeffnung ließ. Vor die östliche Oeffnung waren mehrere kleinere flache Steine gestellt, deren Stellung durch gegengepackte kleinere Steine gesichert war. Das Innere des Steinhauses war ganz mit sandiger Erde ausgefüllt. In dem Grabe stieß man auf die Reste einer nicht verbrannten Leiche. Im Westen fand man an dem Schließsteine dicht an der Oeffnung einen menschlichen Oberschädel. Nach Osten hin lagen tiefer die Reste von Beinknochen. Die Leiche wird also in sitzender Lage beigesetzt gewesen sein, so daß der Rücken an die westliche Steinplatte lehnte. Neben den Beinknochen fand sich auch eine Pfeilspitze von Feuerstein.

Bis zum Grunde ward das Grab nicht ausgeräumt, da Herr Beste dies im Herbste vorzunehmen beabsichtigte. Bis zu dieser Zeit ist das Grab wieder mit Erde gefüllt worden, um neugierige Hände abzuhalten.

Im Sommer schritt Herr Beste zur völligen Abräumung des Grabes, da mehrere Anzeichen vermuthen ließen, daß unberufene Hände geneigt seien, hier nach Schätzen zu graben. Der Boden der Steinkammer war mit flachen Granitplatten ausgelegt, von welchen eine kleine Anzahl auch am Eingange aufgehäuft lagen. Gespaltene rothe Sandsteine, mit denen sonst die Ränder und Lücken ähnlicher Gräber ausgesetzt zu sein pflegen, fanden sich nicht, eben so auch nicht zerschlagene, weiß gebrannte Feuersteinstücke im Fußboden. Die Lücken zwischen den großen Steinen waren mit Granitstücken von außen zugesetzt. Der ganze innere Raum war mit trockener, leichter Erde ausgefüllt. An der Nordseite war im Innern durch kleinere Steine und darauf liegende Erde (beim Begräbniß wohl Rasen) eine niedrige Bank hergestellt. Hier fand man die Knochenreste von zwei Leichen, welche nach der Lage der Knochen anscheinend auf der Bank gesessen hatten und bei der Verwesung zusammengefallen waren. Von der einen Leiche war der Schädel und ein Theil der Rückenwirbelsäule zwischen die Beine gesunken; die andere Leiche war seitwärts gesunken, so daß der oben erwähnte eine Schädel dicht an der westlichen Schließplatte lag. Die Schädel waren ziemlich gut erhalten; die übrigen Knochen waren meistentheils in Splitter zerfallen, mit Ausnahme eines Schenkelknochens, welcher sehr lang ist. Auf der Bank war ein Platz für eine dritte Leiche leer. Am östlichen Eingange stand ein verzierter thönerner Topf,

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welcher leer war. Zwischen den Fußknochen der einen Leiche fand sich eine kleine steinerne Streitaxt mit Schaftloch von Hornblendegestein, von der Form, wie Jahrb. XXX, S. 38, Nr. 1, 4 Zoll, ungefähr 9 Centimeter, lang, zwischen den Fußknochen der andern Leiche ein Feuersteinkeil. Außerdem fanden sich eine feuersteinerne Pfeilspitze und einige Feuersteinsplitter. Einige wenige, ganz unbedeutende Kohlenstückchen werden mit der Erde von außen in das Grab gekommen sein. Die beiden Schädel, von denen der eine ziemlich gut erhaltene durch starke Augenbrauenbogen und hervorstehendes Nasenbein vom Gewöhnlichen abweichend zu sein scheint, hat Herr Beste dem Vereine geschenkt. Auch den Topf oder die Urne hat der Verein durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Thormann zu Wismar gewonnen. Diese kleine Urne hat eine nach unten hin kegelförmig auslaufende Gestalt mit einem Boden von nur 3 1/2 Centim. Durchmesser. Auf dem Bauchrande stehen an zwei Seiten zwei kleine Knoten, welche von oben nach unten zur Durchziehung von Schnüren durchbohrt sind. Die Urne ist also eine Hängeurne, wie sie in Meklenburg aus der Steinzeit noch nicht bemerkt ist. Sie gleicht den in Dänemark öfter gefundenen Hängeurnen der Steinzeit, von denen ein Exemplar in Worsaae Nordiske Oldsager, Kjöbenhavn, 1859, Taf. 20, Fig. 100 abgebildet ist. Der abgebrochene Rand an der Mündung ist mit kurzen, derben Strichen verziert, welche in Form von kurzen Andreaskreuzen oder Rauten von ungefähr 1 Centim. Höhe dicht neben einander gestellt sind. Von einem zweiten dickwandigen nicht verzierten Topfe sind nur einige Bruchstücke erhalten. Diese Hängeurne würde für eine ferne Zeit auf gleiche Geschmacksbildung in Meklenburg und Dänemark schließen lassen.

Nach allen Zeichen ist dieses Grab ein Grab der Steinzeit unter der Erde, wie das Grab von Nesow, welches in Meklenburg zuerst als solches erkannt ward; vgl. Jahrbücher XXX, S. 133. Sonst pflegen die Gräber der Steinzeit immer Steinkisten auf der Erdoberfläche zu bilden.

Rund um das Grab liegen an dem Rande des Erdkegels ungefähr 20 Steinkreise, jeder von ungefähr 20 Fuß Durchmesser, aus einer einfachen Reihe von Steinen gebildet, welche so groß sind, daß sie von 1 bis 2 Mann gehoben werden können. In den Räumen innerhalb dieser Steinkreise haben sich aber bis jetzt keine Ueberreste alter Zeit gefunden. Ob diese Steinkreise in irgend einer Beziehung zu dem Grabe stehen, ist wohl schwer zu ergründen.

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Einige Ruthen von der Steinkammer entfernt liegt ein anderes Grab, welches aber schon lange zerstört ist. Dieses Grab bestand aus einem Hügel von kleinen Steinen, in denen eine kleine Steinkiste stand. Wahrscheinlich ist dieser Hügel ein Grab der Bronzezeit gewesen.

G. C. F. Lisch.     

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Steingrab von Tankenhagen Nr. 1.

In der Forst von Tankenhagen bei Dassow, hart an der großen "Schnese", welche das Gehölz in der Richtung von Osten nach Westen durchschneidet, lag auf der Erde ein großer Granitblock, welcher vor einigen Jahren zum Bau der Eisenbahnbrücke bei Schönberg verwandt ward. Unter diesem großen Steine bemerkte man unter der Erdoberfläche noch mehr Steine, von denen einer 1/2 Fuß aus der Oberfläche hervorragte, die übrigen aber unter der Oberfläche lagen. Die Vermuthung lag daher nahe, daß dieser Stein der Deckstein einer unterirdischen Steinkammer gewesen sei, und diese Vermuthung bestätigte sich auch bei näherer Nachforschung.

Der Jäger zu Tankenhagen hatte bald nach der Oeffnung des Grabes vorläufige Nachgrabungen angestellt und Bruchstücke von einem menschlichen Skelet und eine feuersteinerne Pfeilspitze gefunden. Im Mai 1871 nahm der Herr Forst=Auditor Max von Flotow eine völlige Aufgrabung vor, worüber derselbe Folgendes berichtet.

Unter der Erdoberfläche war eine regelmäßige viereckige Kammer gebildet, welche aus 4 erratischen Granitblöcken gebildet war und einen innern Raum von Osten nach Westen von 3 Fuß und von Norden nach Süden von 2 Fuß zeigte. Im Osten stand ein Block, welcher gegen 50 Cubikfuß groß ist, also ein bedeutendes Gewicht hat; die andern 3 Steine waren kleiner und konnten durch 2 Mann von der Stelle gerückt werden.

In der Tiefe von 3 Fuß lag das oben erwähnte Skelet, welches jedoch durch die frühere Untersuchung in dem strengen Lehm, womit das Grab gefüllt war, so sehr gelitten hatte, daß nichts Zusammenhangendes gerettet werden konnte und die Reste bei der leisesten Berührung zerfielen; auch ließ sich die Lage der Leiche nicht, mehr erkennen. Der Unterkiefer mit tadellosem Gebiß war ziemlich gut erhalten. Das Skelet schien einem 25jährigen Manne angehört zu haben.

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In der Tiefe von 4 Fuß fand sich ein zweites Skelet, welches mit dem Kopf und Rumpf längs des westlichen Schlußsteins "in gekrümmter Stellung" lag, mit dem Kopf an der Nordwand, während sich die Beinknochen an dem südlichen Seitensteine fanden. Ohne Zweifel war die Leiche sitzend beigesetzt, was schon nach der Kürze der Grabkammer anzunehmen ist. Die meisten Knochen waren so mürbe, daß sie bald zerfielen und aus dem strengen Lehm nicht herausgeholt werden konnten. Nur einige Stücke von den Arm= und Beinknochen, ein Bruchstück von dem Oberkiefer und ein Rest vom Schädel, welcher ganz mit Lehm gefüllt war, haben erhalten werden können. Der Schädel ist schon früh im Grabe zerdrückt, da sich z. B. andere Bruchstücke des Schädels und Fingerknochen im Hinterhauptsknochen im Lehm fanden. Die Beinknochen sind ziemlich stark und die Zähne im Oberkiefer durchweg gesund; vom Schädel ist nur der Schädelgrund mit der Hinterhauptsschuppe, welche ziemlich weit ausladet, vorhanden.

Die Hinterhauptschuppe hat an der linken Seite eine kleine Vertiefung, einem Finger=Eindruck ähnlich. Dieser Eindruck war mit Lehm gefüllt und in dem Lehm steckte die Spitze eines scharfen spitzigen Feuersteins, wie eine Pfeilspitze, deren noch vorhandene äußerste Spitze vielleicht abgebrochen ist. Möglich ist es also, daß dieser Eindruck von einer Verwundung durch einen Pfeil herrührt (Beobachtung des Fräuleins Custodin Am. Buchheim).

Ueber und neben den Skeleten lagen 5 bis 20 Pfund schwere kleinere Steine, mit denen, wie oft bemerkt ist, die Leichen zugedeckt waren, auch hin und wieder kleine Stückchen Kohle.

Weiter ward trotz des sorgfältigsten Suchens in dem Grabe nichts gefunden. Freilich erschwerte der strenge Lehm die Untersuchung sehr.

Wir haben hier also wieder ein unterirdisches Grab der Steinzeit, welches dem im voraufgehenden Abschnitte beschriebenen Grabe von Blengow ganz gleich ist.

G. C. F. Lisch.     

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Steingrab von Tankenhagen Nr. 2.

Nicht weit von dem im Voraufgehenden beschriebenen unterirdischem Steingrabe von Tankenhagen bei Dassow findet sich auf der Spitze eines mit Buchen bestandenen und

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in ein Bruch hineinragenden "Halses" eine Steinstellung, welche wahrscheinlich die Reste eines ausgedehnten Grabes bildet. Der Herr Forst=Auditor Max v. Flotow berichtet darüber Folgendes. Auf einer 35 Quadratfuß großen Erhebung, welche nur wenige Zoll über dem Erdboden hervorragt, sind offenbar absichtlich durch Menschenhand regelmäßig Steine gestellt, welche wahrscheinlich die Reste eines Begräbnißplatzes sind. In grader Linie erstreckt sich eine Reihe von etwa 12 Steinen, von denen 4 den 3 kleinern in dem unterirdischem Steingrabe an Größe gleich, die übrigen aber kleiner und nur einige hundert Pfund schwer sind; an einem Ende stößt hieran im rechten Winkel eine kleine gerade Reihe von ähnlichen Steinen. Es scheint, als wenn diese Steine Reste von einem großen Oblongum sind. An die Mitte der langen Reihe schließt sich seitwärts ein regelmäßiger viereckiger Raum oder eine Kammer von 7 Fuß Länge und 5 Fuß Breite, welche von gleichen Steinen einfaßt ist.

Wahrscheinlich sind diese Steinstellungen Reste von einem Langhügelgrabe oder Ganggrabe der Steinzeit.

G. C. F. Lisch.     

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Feuersteindolch von der Lieps bei Wismar.

Auf der jetzt überflutheten Insel Lieps in der Ostsee bei Wismar ward im Frühling 1869 ein guter Feuersteindolch, 6 Zoll lang, mit viereckigem Griff, gefunden und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar geschenkt. Die Oberfläche, welche wohl sehr lange von Meerwasser bedeckt gewesen ist, ist ganz ausgebleicht und weiß von Farbe, das Innere, nach einer kleinen Bruchstelle zu urtheilen, dunkelgrau. Ueber die Insel Lieps und frühere Funde von Feuersteingeräthen auf derselben vgl. Jahrb. XXXI, S. 39 flgd. und 45.

G. C. F. Lisch.     


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b. Bronzezeit.


Bronzene Schmuckdose von Kritzemow.

Nachdem mein Sohn Aemil erfahren hatte, daß Tagelöhner aus Groß=Schwaß beim Torfstechen Alterthümer auf der Feldmark Kritzemow bei Rostock gefunden hatten, begab sich derselbe zu dem Inhaber dieser Sachen und bewog denselben, gegen ein Fundgeld dieselben für den Alterthumsverein herauszugeben. Dieselben bestehen in einem runden Gefäße aus rostfreier Bronze und 2 darin vorgefundenen, nach innen hohlen Arm= oder Handringen, ebenfalls aus Bronze, die aber leider, wie so oft, von den Arbeitern durchbrochen sind. Das Gefäß besteht aus 2 Theilen. Der Haupttheil ist auf der oberen Seite sehr hübsch verziert, scheint einen Schild mit Buckel in der Mitte darzustellen und hat einen Durchmesser von 21 Centimetern (8 3/4 Zoll). Die darauf befindlichen Gravirungen scheinen mit einem farbigen Kitt ausgelegt gewesen zu sein. Der Rand ist 3,6 Centimeter (1 1/2 Zoll) hoch und hat auf den entgegengesetzten Seiten nach unten 2 Oehre. Der Deckel ist unterhalb des Gefäßes und hat ebenfalls in der Mitte ein Oehr. Durch alle 3 Oehre ging, wie die Arbeiter sagen, als Riegel ein Stück Holz, welches aber bereits vermodert war und beim Aufnehmen zerfiel. Nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten ist es ein Aufbewahrungsgefäß für weiblichen Schmuck.

Um die Fundstelle genau zu besehen, begab ich mich an Ort und Stelle. Es ist eine im Acker des Dorfschulzen und jetzigen Erbpächters Herrn P. Schade zu Kritzemow belegene kleine Wiesenfläche von etwa 70 Metern Länge und 23 Metern Breite auf dem nördlichen Ende, in dem Winkel zwischen der Straße von Rostock nach Wilsen und dem sich hier nach Kritzemow abzweigenden Wege. Der Torfstich begann da, wo diese Fläche die größte Breite und wahrscheinlich auch die größte Tiefe hat. Die Tiefe in diesem Ausstiche, der sich sogleich mit Wasser gefüllt hat, beträgt 2,32 Meter und hier stand das Gefäß auf dem Grunde. Sicher

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ist diese Fläche in alter Zeit ein Wasserloch gewesen, wie sich deren viele in hiesiger Gegend finden.

Friedrichshöhe bei Rostock.

J. Ritter.     

Mit diesem Fundberichte in Begleitung des Fundes selbst hat uns der alte, bewährte Freund unseres Vereins J. Ritter auf Friedrichshöhe bei Rostock überrascht. Ich gebe den Fundbericht hier wortgetreu wieder und erlaube mir einige vergleichende Betrachtungen hinzuzufügen. Im Allgemeinen sei bemerkt, daß das Gefäß ein so großes und reich verziertes ist, wie ich dergleichen keines in irgend einer Sammlung bemerkt habe. Das Gefäß ist, wie gesagt, 8 3/4 Zoll (21 Centimeter) im Durchmesser, 1 1/2 Zoll (4 1/4 Centimeter) hoch im Rande und 2 1/3 Pfund schwer.

Gefäß

Das hier in der Ober= und Seitenansicht abgebildete Gefäß hat auf dem Rande zwei parallel liegende breite Oehren. Der einpassende Deckel hat in der Mitte ein in gleicher Richtung liegendes Oehr. Durch alle drei Oehren ward zum Verschluß ein Riegel geschoben, welcher an dem gegenwärtigen Exemplare beim Auffinden noch vorhanden und von Holz war, beim Ausheben aber leider zerfiel; er war aus Holz gemacht und seine Breite ist auf dem Deckel an der Färbung der Bronze noch deutlich zu erkennen. Der Deckel ist ganz glatt, die untere Seite ist sehr reich verziert. Das Ganze ist erst modellirt und dann gegossen; die Näthe der Gußform sind im Innern noch deutlich erkennbar. Nach der ganzen Einrichtung mit dem Deckel gehört dieses Gefäß also zu der Gattung der Bronzegefäße, die wir früher Schmuckdosen genannt haben, gleichwie Ritter, und ungefähr von der

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Beschaffenheit, wie ein Exemplar hieneben und andere Exemplare, z. B. im Friderico-Francisceum Taf. XII, Fig. 3 und 4, und in Worsaae Nordiske Oldsager, Taf. 62, Fig. 283 a und b , wo sie Hänge=Gefäße oder Urnen genannt werden, abgebildet sind.

Schmuckdose

Die Schmuckdosen dieser Art unterscheiden sich aber wesentlich von den bronzenen sogenannten Hängeurnen. Diese "Hängeurnen" sind zwar den "Schmuckdosen" ähnlich und in mancher Hinsicht fast gleich: aber sie sind höher und spitzer im Bauche, immer mit Drachenornamenten verziert und haben keinen Deckel, dagegen fast immer einen eben so verzierten Buckel mit Handhabe bei sich, um damit das Gefäß hangend an einem Riemen zu tragen (vgl. Abbildung in Jahrb. XXIX, S. 191). Diese Gefäße scheinen auch etwas jünger zu sein, als die Schmuckdosen. Die Schmuckdosen sind dagegen flacher, oft ganz flach, haben immer einen Deckel mit einem Riegelöhr und enthalten in der Regel weiblichen Schmuck; die Verzierungen des Bauches deuten mehr auf die reine Bronzezeit und bestehen nie aus Drachenwindungen.

Das Auffallende ist, daß alle Schmuckdosen auch auf der Unterseite verziert sind und der Deckel immer schlicht und glatt ist. Manche Exemplare, wie auch das vorliegende von Kritzemow, haben dazu unten in der Mitte einen Knopf oder buckelförmigen Schild, so daß sie nicht grade stehen können, weder auf der Unterseite wegen des Knopfes, noch auf der Oberseite wegen der Oehren. Die Schmuckdosen scheinen daher zum Aufhängen zur Aufbewahrung eingerichtet gewesen zu sein, ohne grade zum Tragen.

Die auf den folgenden Seiten ganz in 2/5 Größe und in einem Ausschnitt in ganzer Größe abgebildete Unterseite des Gefäßes von Kritzemow ist nun außerordentlich reich verziert. Es laufen um den Knopf in der Mitte drei Reihen Bänder, wenn ich mich so ausdrücken darf, alle von gleicher Breite, ungefähr 3 Centimeter breit. In der Mitte um den Knopf legt sich ein Stern mit 8 abgerundeten Strahlen, in deren Winkeln Halbkreise stehen. Dann folgt

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Unterseite des Gefäßes

ein Band, welches zwischen zwei Bändern mit Parallel=Kreisen 40 gestrichelte Trapeze enthält. Darum legt sich ein Band mit 35 an der Spitze abgerundeten, verzierten Lappen, welche nach innen schlagen. Den äußersten Rand begrenzt dann noch ein 1 Centimeter breites Bändchen mit 28 parallelen Halbkreisen.

Alle diese reichen Verzierungen liegen erhaben in gleicher Fläche. Der Grund dagegen ist überall vertieft oder ausgespart und mit einem jetzt braunen Kitt ausgefüllt, welcher noch an vielen Stellen, z. B. auf dem Sterne in der Mitte, fast ganz erhalten ist. Dies ist der schon oft in unseren Jahrbüchern besprochene Kitt, welcher zur Auslegung vertiefter Verzierungen, auch wohl zu Räucherwerk diente. Versuche mit Proben von dem vorliegenden Gefäße haben dies wieder bestätigt. Kleine Stücke verbrannten am Lichte mit heller Flamme und gaben einen Geruch von sich, der an Theer und Bernstein erinnerte.

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Unterseite des Gefäßes
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Wie gewöhnlich in Gemäßen dieser Art, fand sich auch in dem vorliegenden Exemplar bei der Ausgrabung weiblicher Schmuck, nämlich 2 hier abgebildete gleiche, quer gerippte

Armring

Armringe, welche halbrund und nach innen hohl gegossen sind, wie solche nicht selten vorkommen und vielleicht zu einem Stützpunkt für die Zeit dienen können.

Nach der ganzen Technik und der Form der Armringe scheint der ganze Fund in die jüngere Zeit der Bronze=Periode zu gehören.

G. C. F. Lisch.     

Bronzene Hängeurne von Düssin.
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Vor mehr als 40 Jahren ward beim Bau der Berlin=Hamburger Chaussee zu Düssin bei Hagenow (Brahlstorf) in dem Tannen=Gehölze zwischen Düssin und Vellahn auf dem sogenannten Bullenberge beim Steinbrechen eine bronzene "Hängeurne" gefunden, welche umgestülpt in einer ziemlich großen Steinkiste lag und zwei "kreuzweise gelegte schlüsselförmige Instrumente" bedeckte. Die Urne, welche leider sehr zerbrochen und ziemlich stark gerostet ist, gleicht ganz der zu Roga in Meklenburg=Strelitz gefundenen, in Jahrb. VII, 1842, S. 34 beschriebenen und abgebildeten und hier auf folgender Seite wieder abgebildeten bronzenen Hängeurne: nur ist sie ein wenig flacher, als die von Roga. Sie ist auf der Außenfläche ebenfalls mit drei Reihen Drachenverzierungen bedeckt und ist nur dadurch von der Rogaer abweichend, daß die unterste Reihe um den Knopf nicht mit kleinen getrennten Drachen oder Schlangen,

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sondern mit einem zusammenhangenden Drachenornament, wie in den beiden oberen Reihen, verziert ist. - Diese Urne, oder Kessel, ist dadurch von besonderer Wichtigkeit, daß sie

Bronzene Hängeurne von Düssin

nicht allein überhaupt sehr selten, sondern die erste ist, welche in Meklenburg=Schwerin gefunden ist. Bisher wurden die meisten bronzenen Hängeurnen dieser Art allein in Meklenburg=Strelitz (Land Stargard) gefunden (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 35); diese Erfahrung ist noch heute zutreffend.

Die Urne von Düssin ist gegenwärtig im Besitze des Herrn Seifenfabrikanten Pfeiffer zu Schwerin; die übrigen in der Steinkiste gefundenen Sachen sind leider verloren gegangen.

G. C. F. Lisch.     

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Lanzenspitzen von Klein=Warin.

In den Jahrb. XXXVI, S. 140, ist Bericht gegeben von 3 bronzenen Lanzenspitzen, welche auf einen Ring gezogen und zu Klein=Warin bei Warin gefunden sein sollten. Es wollte lange nicht gelingen, sichere Nachricht über diesen Fund und den Fund selbst zu erlangen, bis der Herr Criminalrath Krüger zu Bützow beides von dem Herrn Pächter Uhthoff zu Klein=Warin für die großherzoglichen Sammlungen gewann. Eingeliefert sind 2 hohl gegossene, bronzene Lanzenspitzen mit Schaftloch, 12 Centimeter lang, jede mit 2 Nagellöchern an den Seiten; ein drittes Stück ist zur Zeit der Auffindung verloren gegangen. Die Lanzenspitzen sind durch die Nagellöcher auf einen dünnen bronzenen Armring von 1/2 Centimeter Dicke und gewöhnlichem Durchmesser gezogen. Wahrscheinlich ist dies zur besseren Aufbewahrung im Hause oder zum Handelstransporte geschehen.

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Die Gegenstände, welche alle rostfrei sind, sind auf dem Acker beim Pflügen in einer Ackerfurche gefunden. Wahrscheinlich ist es, daß sie beim Drainiren der Stelle aus verhältnißmäßig großer Tiefe auf den Acker ausgeworfen sind und in der Tiefe in wasser= und eisenhaltiger Erde gelegen haben. Die Lanzenspitzen sind auf den ebenen Flächen noch mit einer dünnen Schicht hellbraunen, eisenhaltigen, festen Staubes bedeckt. Daher mag es auch kommen, daß eine Lanzenspitze am Ende des Schaftloches mit einer sehr festen Schicht eisenhaltigen Sandes zugeschlämmt ist. Ein Rest vom Gußkern, wie man wohl vermuthen könnte, kann diese feste Schicht nicht sein, da der übrige Theil leer ist und der Gußkern nur aus der Oeffnung des Schaftloches herausgeholt werden konnte. - Wahrscheinlich stammt dieser Fund aus einer ehemaligen Höhlenwohnung, da der Boden der Höhlenwohnungen gewöhnlich so tief unter der Erdoberfläche zu liegen pflegt, als jetzt die Drainsgräben reichen.

G. C. F. Lisch.     

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Kopfring von Krusenhagen.

Zu Krusenhagen bei Wismar ward in einem Torfmoor auf Domanial=Forstgebiet 10 Fuß tief ein wohl erhaltener, seltener Kopfring von Bronze gefunden und von dem Herrn Förster Petersen zu Farpen durch Vermittelung des Herrn Rentiers Mann zu Wismar an die großherzoglichen Sammlungen eingeliefert. Der Ring ist ein sehr sauber gearbeiteter, dicker, tief gefurchter, gewundener Kopfring (oder Halsring), mit überfassenden Haken an den Enden und voller Elasticität, ganz wie der zu Reinshagen, A. Doberan, gefundene seltene Ring (vgl. Jahrb. XXX, S. 150, und Lindenschmit Alterthümer, Bd. I, H. II, Taf. 3, No. 4), jedoch etwas kleiner und dünner und ohne Spur von einem Kittüberzug, welcher diesen auszeichnet.

Am nächsten wird er dem Ringe in Lindenschmit a. a. O. No. 1 stehen.

G. C. F. Lisch.     


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c. Eisenzeit.


Begräbniß von Borkow.

Bei Gelegenheit des Chausseebaues von Sternberg nach Dobbertin ward zu Borkow bei Sternberg, nahe an der Woseriner Grenze, ein Begräbniß mit einer Urne entdeckt und der Inhalt von dem Herrn Ingenieur Wehner an den Verein eingesandt. Die Urne stand mit ihrem Rande ungefähr 2 1/2 Fuß unter der Erdoberfläche, welche durchaus eben war und augenscheinlich nie einen Hügel getragen hat. Sie stand auf einem glatten Steine von ungefähr 2 1/2 Quadratfuß Größe und war mit einem ähnlichen Steine zugedeckt und von mehreren paßlichen Steinen offenbar von Menschenhänden umstellt. Die nach heidnischer Weise gearbeitete Urne, welche leider ganz zerbrochen ist, war ungefähr 8 bis 9 Zoll hoch, ist sehr dickwandig und grobkörnig im Bruche und im Aeußern röthlich=hellbraun, im Innern dunkelbraun von Farbe. Ein Bruchstück hat eine mit dem Rande parallel laufende eingeschnittene Verzierungslinie über dem Bauchrande. Die Urne war mit zu kleinen Stücken zerbrannten Menschenknochen, Asche und Sand gefüllt. Zwischen den Knochensplittern lagen folgende Alterthümer:

Eine Kette von Eisen, stark gerostet. Die kleinen, gut gearbeiteten Ringe haben gegen 1 Centimeter im äußern Durchmesser. Ob die Ringe, welche in mehreren kleinen Klumpen zu Tage gekommen sind, einen Kettenpanzer oder nur eine zusammen gelegte und gerostete Kette bildeten, läßt sich schwer erkennen. Der Fund ist außerordentlich selten, da eiserne Ketten aus heidnischer Zeit sonst noch nicht bekannt zu sein scheinen.

Zwei Niete von Eisen, 1 1/2 Centimeter hoch, oben mit einem rhombischen Knopfe von 1 1/2 Centimetern Durchmesser, unten mit einem kleinen runden Nietumschlag. Ganz gleiche Niete sind auf der Burg Meklenburg in einem heidnischen Topfe, auf der heidnischen Burg Lübek und in Dänemark in der Königin Thyra Danebods Grabhügel gefunden; vgl, Jahrb. XXVI, S. 171.

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Mehrere Bruchstücke von Hefteln, wie es scheint, von Eisen.

Mehrere Bruchstücke von Nadeln von Eisen.

Eine Spange und ein Beschlagstreifen von Eisen.

Sehr viele, auch große Stücke gebogenes Bronzeblech, entweder von einem wulstförmigen Armringe von 3 Centimetern Breite oder von einem Gefäße. Vielleicht sind es Bruchstücke von beiderlei Art von Geräthen, denn einige mehr grade Stücke sind mit eingeschlagenen Ringen oder Augen von 1/2 Centimeter Durchmesser verziert, während die größeren Stücke ganz den Armwulsten (Frid. Franc. Taf. XXI, Fig. 4) gleichen.

Zwölf offene Fingerringe von Bronzeblech von ungefähr 1/2 Centimeter Durchmesser. Von denselben sind 3 und 3 Stück in einander gehängt, die übrigen zerbrochen. Einer ist ebenfalls mit kleinen eingeschlagenen "Augen" verziert. An einem halben Ringe ist ein Ende auf die Oberfläche zurückgebogen, ein Zeichen junger Zeit.

Fünf ganz dünne offene Fingerringe von Bronzeblech, kaum 2 Millimeter breit, davon 3 ganz und 3 zerbrochen.

Nach den Metallen, der Bearbeitungsweise, den Formen gehört dieses Begräbniß der jüngeren Eisenzeit an, vielleicht dem 10. Jahrhundert n. Chr., also der wendischen Zeit. Die rhombischen Nietköpfe bezeichnen diese Zeit, ebenso die Bleche aus Bronze und die zurückgebogenen Ringenden.

G. C. F. Lisch.     

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Silberne Nadeln von Raben=Steinfeld.

Zu Raben=Steinfeld bei Schwerin ward beim Brunnengraben 10 Fuß tief, wie berichtet ist, eine silberne Nadel gefunden und von dem Herrn Secretär Fromm zu Schwerin erworben und an die großherzoglichen Sammlungen eingereicht. Die Nadel, ohne Rost, ist dünne, spitz und im Ganzen 7 Zoll lang. Sie hat einen runden hohlen Knopf, 3/4 Zoll hoch und weit, mit scharfem Rande, von dünnem Silberblech, welcher ganz mit sehr feiner, kettenartiger Filigran=Arbeit belegt ist. Diese Nadel gleicht also ganz der Arbeit an den silbernen und goldenen Bommeln und an den silbernen Nadelknöpfen, welche in der ersten Eisenzeit vorkommen.

G. C. F. Lisch.     


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Römergräber in Meklenburg.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Fortsetzung von Jahrb. XXXV, S. 99.


II.

Römische Alterthümer von Häven.

D. Dritte Aufgrabung.

Grab Nr. 7.


I m Monat Februar 1872 ließ der Herr Pächter Jenssen auf dem Domanialhofe Häven bei Brüel zum Bau einer Arbeiterwohnung Sand graben und zwar aus demselben Sandhügel, in welchem in den Jahren 1868 und 1869 6 Römergräber entdeckt wurden (vgl. Jahrb. XXXV, S. 106 flgd.). Bei der Arbeit stießen die Arbeiter wieder auf ein Begräbniß, dessen Inhalt von dem Herrn Jenssen gerettet und dem zuständigen großherzoglichen Amte Warin übergeben ward, welches mir die Fundstücke sogleich zusandte, während Herr Jenssen dem Amte und mir alsbald die schriftlichen Nachrichten gab.

Das Grab war durch kein äußeres Merkmal gekennzeichnet. Das Gerippe der unverbrannten Leiche, welches ziemlich gut und fast ganz erhalten und gerettet ist, lag 5 Fuß tief im Sande ausgestreckt und war mit einem Haufen von "Feldsteinen" (d. i. Granitfindlingen von ungefähr Menschenkopfgröße und kleiner) zugedeckt, wie in den Gräbern Nr. 1 und 2. Der Kopf lag im Norden und die Füße lagen im Süden, so daß auch diese Leiche, wie die übrigen, nach Süden schauete.

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Die zahlreichen Alterthümer lagen und standen auf und neben dem Gerippe. Alle sind römischen Ursprunges. Thönerne Geschirre und andere Sachen nördlicher Fabrik fehlen ganz.

Die Alterthümer sind folgende:

1) Ein großer glockenförmiger "Krater" oder Mischkrug von Bronze, wie gewöhnlich gegossen, gegen 8 1/2 Zoll weit, mit dem eigenthümlichen, starken, quer gereifelten Bronzehenkel, welcher in Henkellappen mit Einer Oeffnung hängt, ganz dem Krater in dem Grabe Nr. 1 gleich, beschrieben in Jahrb. a. a. O. S. S. 112 und abgebildet Taf. II, Fig. 17. Unter dem starken Rande ist eine Kante von Parallellinien eingedrehet, wie auf dem eben angeführten Krater. Ebenso ist der starke Fuß abgedrehet und mit eingedreheten Linien verziert. Der untere Theil ist, wie gewöhnlich, zerbrochen, da er sehr dünne gegossen ist, und der schwere Fuß ausgebrochen, jedoch noch vollständig vorhanden. Im Innern, ungefähr 2/3 des unteren Raumes, bemerkt man eine dünne Schicht von einer weißlichen, mit Grünspan grünlich gefärbten Masse, wahrscheinlich den Resten des der Leiche mitgegebenen Inhalts.

2) Ein Kessel von Bronze, 6 Zoll (14 Centimeter) hoch und in der Mündung und im Bauche 91/2 Zoll (24 Centimeter) weit, offenbar getrieben oder gehämmert, nicht gegossen, mit 2 kleinen Henkellappen mit Einem Loche, jedoch ohne Henkel, ohne gedreheten Fuß, mit abgerundetem, breitem Boden. Ich habe in früheren Beschreibungen Nachdruck darauf gelegt, daß die bekannten "vasenförmigen", gehenkelten "Bronzeeimer" mit Fuß nicht "Kessel" (zum Kochen) oder "Eimer", sondern Mischkrüge (Krateren), Gefäße für Getränke, seien. In diesem Grabe haben wir nun einmal neben einem Krater einen wirklichen Kessel (zum Kochen), welcher nicht viel von den heutigen Formen abweicht, aber viel geschmackvoller als die modernen gestaltet ist. Für die Bestimmung als Kessel zeugt auch deutlich die innere und äußere Oberfläche. Die Außenfläche ist nämlich ganz, bis zum Rande, mit sehr dickem, losem, schwarzem Ruß belegt. Im Innern ist der Boden mit einer weißen Kruste, wie mit Eierschalen, belegt. Es kann also nicht anders sein, als daß dieser Kessel noch kurz vor seiner Beisetzung zum Kochen gebraucht ist. An den Krateren ist nie eine Spur davon zu finden, daß sie zum Kochen benutzt worden seien.

3) Eine Kelle von Bronze und

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4) ein Sieb von Bronze, welches genau in die Kelle paßt. Beide werden fast immer in römischen Funden bemerkt. Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 114 und Abbildung Taf. I, Fig. 3 und 4. In dem vorliegenden Siebe und auch in der Kelle am Rande sitzt eine dünne Kruste von dem gelblichen Sande des Hügels, welche sehr fest und steinhart ist, so daß sie durch eine leimende Flüssigkeit gebildet sein muß. Wahrscheinlich ist dies durch Speise oder Trank hervorgebracht, welche dem Todten mitgegeben wurden. Aller andere Sand an den Fundstücken war sehr lose, so daß er sich leicht abwischen oder abbürsten ließ.

5) Ein Becher oder eine Schale von ungefärbtem Glase, vollständig und wie neu erhalten, 3 Zoll (7 Centimeter) hoch und 5 1/2 Zoll (13 Centimeter) weit, ganz von derselben Gestalt und Arbeit, wie der Glasbecher in dem Grabe Nr. 1, vgl. Jahrb. a. a. O. S. 114 und Abbildung Taf. II, Fig. 20. Das Gefäß ist aus sogenanntem "weißen" Glase, welches jedoch einen grünlichen Schein hat, wie die meisten, ungefärbten römischen Gläser, während das gleiche Gefäß in dem Grabe Nr. 1 ganz farblos und "wasserhell" ist. Dieser Becher aus dem Grabe Nr. 7 ist auf der Außenfläche eben so verziert, wie der Becher aus dem Grabe Nr. 1, nämlich mit eingeschliffenen senkrechten Strichen und Halbkugeln; jedoch ist die Anordnung der Verzierungen auf beiden Bechern verschieden. Auf dem vorliegenden Becher aus dem Grabe Nr. 7 ist der ganze Bauch mit zwei Doppelreihen senkrechter Striche zwischen feinen Parallelkreisen verziert und die eingeschliffenen Halbkugeln sind auf dem Boden angebracht, wodurch das Gefäß eine mehr sichere Stellung erhält.

6) Eine Schere von Bronze und

7) ein Messer von Bronze mit Bronzegriff. Schere und Messer werden fast in jedem römischen Grabe in Norddeutschland gefunden, wie Kelle und Sieb. Vgl. Jahrb. a. a. O. S. 116.

8) Eine Heftel von Bronze, in der Nadel von gewöhnlicher Construction. Statt des Bügels hat die Heftel aber eine kreisrunde Scheibe aus Bronze, 2 1/2 Zoll (gegen 6 Centimeter) im Durchmesser. Auf der Rückseite ist die volle Nadel mit Federkraft aufgelöthet und aufgenietet und noch vollständig vorhanden. Auf der Vorderseite ist die Scheibe mit einer Zierscheibe aus vergoldetem Silberblech in einem silbernen Ringe, 1 3/4 Zoll (4 Centimeter) im Durchmesser, belegt. Diese Zierscheibe, welche von zwei

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quer gestreiften Ringen eingefaßt ist, ist im Felde von der Rückseite mit kleinen runden gepreßt (gekörnt). Leider ist fast die ganze Mitte dieses Bleches, welches hohl liegt, zerbrochen und verloren gegangen. Jedoch lassen sich noch die Reste einer Thierfigur erkennen, nämlich ein dünnes Vorderbein eines laufenden Thieres und ein Rest des anderen Beines, darüber der rundliche Kopf eines Thieres mit sehr langen Ohren, wie ein Hasenkopf; um den Hals scheint eine doppelte Fessel zu liegen, deren Ende hinter den Ohren liegt. - Diese Heftel ist den in Lindenschmit's Alterthümern Bd. I, Heft 12, Taf. 8, abgebildeten "Gewandnadeln aus alamanischen und fränkischen Gräbern", namentlich Fig. 2 und 5, entfernt ähnlich.

9) Eine große Heftel von Silber. Diese Heftel gehört zu den merkwürdigsten Alterthumsfunden und ist ganz eigenthümlich und vielleicht einzig in ihrer Art. Daher folgt hier eine Abbildung in ganzer Größe, da eine Beschreibung

Heftel in Silber
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schwerlich genügen würde. Die Construction der Vorderseite ist folgende. In der Mitte ist eine kreisrunde Zierscheibe von 2 Zoll (5 Centimeter) Durchmesser. Von dieser Scheibe gehen vier nach derselben Seite hin rund gebogene Arme frei aus, welche in einem Dreiblatt endigen, von denen eines sich wieder an die Scheibe lehnt. Das Ganze ist von Silber, 3 1/2 Loth Zollgewicht schwer und füllt einen Raum von 4 Zoll oder ungefähr 10 Centimetern im Quadrat. Die Hinterseite ist flach. Die Heftelnadel, ebenfalls von Silber, ist auf der Hinterseite der Scheibe angelöthet und angenietet und vollständig erhalten, so daß die Bestimmung zur Heftel nicht bezweifelt werden kann. Die mittlere Scheibe, die Arme und die Dreiblätter sind mit dünnen, verzierten Platten aus vergoldetem Silberblech belegt, wie die Abbildung zeigt. Die Arbeit ist durchweg gut. Die Bildung dieser Heftel ist höchst seltsam und merkwürdig und scheint irgend eine tiefere Bedeutung zu haben. Ich glaube annehmen zu können, daß

Unterseite der Heftel
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die Bildung ein ornamentirtes Hakenkreuz Hakenkreuz darstellen soll, welches im ganzen Alterthum heilige Bedeutung hatte. Und in diesem Falle würde das ganze Grab einen besonderen Werth haben. Auch die kleeblattartigen Enden der 4 Haken oder Arme bilden in der Grundzeichnung ein Kreuz. Wenigstens erscheint es mir wahrscheinlich, daß das Hakenkreuz den Anstoß zu dem seltenen Ornament gegeben hat. - Die Vorderseite dieser beiden Hefteln ist allerdings eigenthümlich und der Styl etwas strenger, als die der glatten römischen Arbeiten jener Zeit, und es wäre wohl möglich, daß diese beiden Hefteln ein Erzeugniß einer eigenthümlich gebildeten Völkerschaft des römischen Reiches wären, vielleicht der Etrusker; aber die Nadeln auf der Rückseite sind ganz Arbeit nach "römischer" Art. - In Dänemark sind auch ähnliche Hefteln gefunden, von denen ein Exemplar in Worsaae Afbildninger (erste Auflage 1854), Tab. 78, Fig. 316, und Nordiske Oldsager (zweite Auflage 1859), Tab. 91, Eig. 395, als "Silberspange mit Goldbelegung" in ganzer Größe abgebildet ist. Diese Heftel unterscheidet sich aber von der Hävenschen dadurch, daß das "Kreuz" ganz auf einer kreisrunden Scheibe liegt, welche am Rande mit 22 aufgelegten kleinen Buckeln eingefaßt ist. Die Mittelscheibe und das "Kreuz" mit den 4 gebogenen Armen sind aber fast genau so gestaltet, wie an dem Exemplar von Häven, außer daß die Arme nicht in einem Dreiblatt, sondern in einem runden Buckel endigen. Wohl zu bemerken ist die stets gleiche Bildung des "Kreuzes", welche auf eine bestimmte, fest stehende Quelle hinzudeuten scheint. An der Herstammung beider aus gleicher Quelle läßt sich nicht zweifeln. Von der Hävenschen Heftel ist es aber sicher, daß sie aus einem Grabe mit reichen römischen Beigaben stammt. Nach des Herrn Etatsraths Worsaae brieflicher Mittheilung werden im Museum zu Kopenhagen noch 3 oder 4 ähnliche Exemplare aufbewahrt. Es ist also wohl nicht zu bezweifeln, daß diese gleiche Bildung und Arbeit aus einer bestimmten, gleichen Quelle herzuleiten ist. Der Culturzusammenhang zwischen Meklenburg und Dänemark scheint hiernach unzweifelhaft zu sein. Die dänischen Forscher "glauben aber kaum, daß diese Hefteln römisch sind; wenigstens haben sie im Süden nie etwas Aehnliches gesehen". - Daß an der Hävenschen Heftel die 4 "Arme" frei stehen, ist wohl ein Zeichen, daß die Arme Hauptsache sind und selbstständige Bedeutung haben, also nicht als bloße Verzierung einer Scheibe gelten können.

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Wenn ich die Gräber und Alterthümer von Häven "römische" genannt habe, so habe ich damit nicht behaupten wollen, daß sie gerade von "echten Römern" aus der Stadt Rom und deren Umgebung herstammen. Aber die Alterthümer sind durchaus denen gleich, welche in großen Massen über das ganze Gebiet des "römischen Reiches" verbreitet sind. Sie können also eben so gut von Etruskern, gallischen und allemanischen Völkerschaften stammen, als von "echten Römern". "Römische Cultur" ist eben ein sehr weiter Begriff, der sich schwer auf bestimmte Stellen beschränken läßt. Ich habe diese Ansicht schon in Jahrb. XXXV, S. 139 flgd. und 143 flgd. ausgesprochen. Nach den Schädeln der Männer scheinen die Leichen aber der keltischen oder doch einer südlichen Race anzugehören. Und so mögen diese "Kreuzhefteln" immerhin eine Eigenthümlichkeit einer gewissen Provinz des "römischen Reiches" gewesen und als landsmannschaftliche Besonderheit neben "römischen Alterthümern" mitgebracht sein. Dennoch scheinen die lateinischen Fabrikstempel und Inschriften auf vielen Geräten für den echt "römischen" Ursprung derselben zu zeugen.

10) Ein Kamm aus Knochen, dessen oben abgerundete Handhabe mit einer dünnen Elfenbeinplatte mit Bronzenieten belegt ist, leider zerbrochen und unvollständig; die Elfenbeinplatte ist mit Punctlinien verziert. Dieser Kamm gleicht dem im Grabe Nr. 5 gefundenen Kamme; vgl. Jahrb. a. a. O. S. 126 und Abbildung Taf. II, Fig. 25, und ist in Gestalt und Arbeit dem in Dänemark gefundenen und in Worsaae Nordiske Oldsager Taf. 84, Fig. 365 abgebildeten Kamme ähnlich.

11) Zwölf birnenförmige Bommeln von Bernstein, theils ganz, theils in Bruchstücken, zum Theil von gleicher Größe und Gestalt, wie die in dem Grabe Nr. 6 gefundenen Bommeln (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 128 und Abbildung Taf. I, Fig. 14), alle aber unter sich ungleich und unregelmäßig an Form, wahrscheinlich nach Maaßgabe der rohen Bernsteinstücke.

12) Eine runde, abgeflachte Bernsteinperle, sehr regelmäßig, offenbar auf der Drehbank gedrechselt.

13) Eine kleine Glasperle von dunkelblauem Glase von oblonger Form. Die Perle ist sehr klein; 9 Millimeter lang, 7 Millimeter breit und 4 Millimeter dick, und dabei sehr geschickt geschliffen. Auf jedem Ende ist durch Abkantungen eine glatte Raute hergestellt. Das Loch ist sehr regelmäßig und geschickt gearbeitet. Das Glas ist

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vollkommen wohl erhalten, wie häufig die dunkelblauen römischen Gläser. Möglich ist es, daß das Grab ein ganzes Halsband von solchen Perlen geborgen hat, welche aber bis auf diese eine beim Sandgraben wegen ihrer Kleinheit und Unscheinbarkeit verworfen sein mögen.

14) Einige ganz feine, kleine, gereifelte Ringe von Silber, 1 1/2 und 2 Centimeter im Durchmesser, wahrscheinlich Beschlag= oder Verzierungsringe.

15) Ein menschliches Gerippe, ziemlich vollständig, von mittlerer Größe. Der Schädel ist brachycephal. Die Schädelnäthe sind schon stark verwachsen. Alle Zähne sind gesund. Die Backenzähne sind schon ziemlich stark abgeschliffen. Alle Zähne, besonders die Vorderzähne, sind außerordentlich fein und schmal. Nach dem Urtheil von Aerzten nach Untersuchung des noch vorhandenen Beckens war die hier begrabene Leiche eine weibliche Person.

16) Thierknochen. In dem Grabe fanden sich auch Thierknochen von einem kleinen, schlanken Thiere. Die Knochen sind aber fester, glatter und heller, als die Menschenknochen. Es fehlen der Schädel und die Füße. Ich hielt Anfangs diese Ueberreste für die Knochen eines Fuchses, der hier seinen Bau gehabt haben konnte. Herr Professor Dr. F. E. Schulze versichert aber, daß sie Knochen von einem Schaf seien. Wie nun dieses Thier und ob es in jüngern Zeiten in das Grab gekommen sei, ist nicht zu ermitteln. Vielleicht stammen aber die Knochen von einem Leichenmahle und einer Mitgift, worauf der russige Kessel (vgl. oben Nr. 2) hinzudeuten scheint; dann müßte aber der wohl etwas schwierige Nachweis geliefert werden, daß sich abgekochte Knochen in der Erde länger fest erhalten, als begrabene Knochen in der Verwesung des Leichnams.


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Aeltere Römergräber

in Meklenburg und Dänemark.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Fortsetzung der Weiterführung (von Jahrb. XXXV, S. 161).

Die Entdeckung der "Römergräber" von Häven in Meklenburg (Jahrbücher XXXV, S. 99 flgd.) hat in vielen Kreisen ungewöhnliches Aufsehen erregt, und dennoch ist dieselbe, so viel mir zur Kenntniß gekommen ist, noch nirgends eingehend besprochen, nicht einmal in den Meklenburgischen Blättern. Viele theilnehmende Gelehrte räumen zwar ohne Bedenken ein, daß die Fundstellen "Gräber" und die in denselben gefundenen Geräthe "römische" Alterthümer seien; aber zu der Annahme "römischer Gräber" scheint man sich wegen der überraschenden Neuheit des Fundes noch nicht entschließen zu wollen. Die Forschung rückt aber immer weiter vor. Ich selbst war nicht wenig überrascht, als ich nach dem Abschluß meiner Arbeit über Häven in dem Grabe von Varpelev auf Seeland, "aus der älteren Eisenzeit", ebenfalls ein gleiches Römergrab erkannte (Jahrb. a. a. O. S. 225 flgd.). Weitere Forschungen in Meklenburg und auf den dänischen Inseln ergaben, daß alle früher von anderem Standpunkte aus betrachteten Gräber mit römischen Alterthümern gewisse Eigenthümlichkeiten hatten, welche unerklärlich, wenigstens sehr auffallend erschienen. So z. B. sind alle in Gräbern dieser Art gefundenen Schädel der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit gewesen. Man hat auch schon eingeräumt, daß diese Gräber ganz ungewöhnliche Eigenthümlichkeiten haben und höchst wahrscheinlich "Fremden" angehören.

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Worsaae sagt schon 1846 in seiner Schrift über "die nationale Alterthumskunde in Deutschland, deutsche Uebersetzung, Kopenhagen", S. 35: "In Meklenburg findet man dann und wann römische Alterthümer, unter welchen einige außerordentlich schöne bronzene Gefäße und Vasen der Schweriner Sammlung sich besonders auszeichnen, so wie man hier auch einzelne römische Begräbnisse angetroffen hat" - In den neuesten Zeiten sind die in Dänemark häufig gemachten Funde römischer Alterthümer übersichtlich und eingehend besprochen in einer gründlichen Abhandlung: "Romerske Statuetter og andre Kunstgjenstande fra den tidlige Nordiske Jernalder, af C. Engelhardt" (Römische Statuetten und andere Kunstgegenstände aus dem früheren nordischen Eisenalter, von C. Engelhardt) in: Aarböger for Nord. Oldk. og Hist., p. 432-454, mit 12 Tafeln und mehreren in den Text gedruckten Abbildungen, auch in einem Separat=Abdruck p. 1-23. Engelhardt bespricht in dieser Abhandlung nicht allein alle in Dänemark gefundenen römischen Bronze=Statuetten, sondern auch mit Vorliebe die eben dort entdeckten, höchst merkwürdigen römischen Glasgefäße und auch andere römische Alterthümer, welche bei diesen Gläsern gefunden sind. Bei der Untersuchung, in welcher er zwar den römischen Ursprung der meisten dieser Gegenstände anerkennt, kommt er S. 440(9) auch auf die Meklenburgischen Gräber von Häven zu sprechen und sagt dabei (nach einer handschriftlichen deutschen Uebersetzung): "Das Vorhandensein (solcher Kunstwerke) hier im Norden und in anderen Gegenden außerhalb der äußersten Grenzen des römischen Reiches könnte vielleicht andeuten, daß römische Handelsleute oder Colonisten in diesen Gegenden gewesen seien, ein Gedanke, welcher in Betreff Meklenburgs von Lisch in Schwerin zuerst ausgesprochen ist und welcher möglicherweise auch in Betreff Dänemarks eine schwache Stütze finden könnte in einzelnen anderen Alterthumsfunden (von Thorslunde und Varpelev)." Ich freilich möchte in den Gräbern von Häven nicht eine "schwache Stütze", sondern einen starken Beweis für den römischen Ursprung solcher Art von Gräbern finden.

Nach langen Beobachtungen bin ich dahin gelangt, in meistentheils älteren Funden die Spuren dieser auffallenden Gräber noch weiter verfolgen zu können. Alle haben ebenfalls gewisse besondere Eigenthümlichkeiten und die Wege der römischen Cultur im Norden werden sich mit der Zeit

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immer mehr verfolgen lassen. Man wird zwar nicht so weit gehen können, alle römischen Funde römischen Ansiedelungen zuzuschreiben; dazu scheinen sie (namentlich die Münzen) der Zeit nach zu weit auseinander zu liegen. Die zahlreichen Funde römischer Alterthümer in Meklenburg hat Beyer in den Jahrbüchern XXXIV, Schlußbericht, S. 9 flgd. vollständig zusammengestellt und beurtheilt. Unter diesen werden aber viele Sachen sein, welche in einzelnen Stücken verloren gegangen sind und daher noch keinen Schluß auf römische Ansiedelungen 1 ) oder Gräber gestatten. Es ist mir aber gelungen, noch mehr Spuren eines unmittelbaren römischen Einflusses auf die Ostseeländer zu entdecken und namentlich aus mehreren Gräbern, welche allein einen sicheren Standpunkt gewähren, den Zusammenhang mit den früheren Entdeckungen nachzuweisen. Ich lasse diese in den nachstehenden Aufsätzen folgen, indem ich der Ansicht bin, daß sich Funde und Beobachtungen ähnlicher Art immer mehr häufen werden. Vieles von gleichem Werthe und gleicher Bedeutung, das man aber früher nicht recht deuten konnte, liegt deshalb in den Museen vergraben und wird sich erst bei schärferer Betrachtung und weiterer Vergleichung deuten lassen. Ich selbst habe jetzt erst in den mir anvertraueten Sammlungen an älteren Funden Entdeckungen von Eigenthümlichkeiten gemacht, welche mir früher verborgen geblieben waren, z. B. an dem unten zur Besprechung kommenden Funde von Börzow, - eben so wie die dänischen Forscher die bronzenen Siebe, welche sie vor Jahren noch für dänische Fabricate hielten, jetzt als römische Arbeit anerkennen.


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Begräbnißplatz von Pritzier.

Im Jahre 1842 ward auf dem Felde des Landgutes Pritzier ein großer Begräbnißplatz, aus der Eisenzeit, damals noch "Wendenkirchhof" genannt, aufgedeckt, dessen ganzer, reicher Inhalt in die Sammlungen des Vereins zu


1) Die Lage von Häven war zu einer Ansiedelung glücklich gewählt. Besonders laßt sich dabei noch betonen, daß in dem benachbarten Orte Tempzin, einem späteren Antonius=Hospitale, eine Quelle ist, welcher die Sage seit alter Zeit Heilkraft zuschrieb (vgl. Jahrb. XV, S. 151), und in dem nahen Orte Sülten bei Brüel eine Salzquelle, welche in alter Zeit lange zur Salzgewinnung benutzt ward (vgl. Jahrb. XI, S. 157).
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Schwerin kam; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 58-75. Es wurden ungefähr 200 Urnen gefunden, von denen 40 erhalten und in die Sammlungen gebracht werden konnten. Die Leichen waren, wie immer in den Begräbnissen der Eisenzeit, alle verbrannt und die zerbrannten Gebeine in die Urnen gelegt, welche zugleich zahlreiche Alterthümer enthielten. Die meisten Alterthümer bestehen nun aus Eisen und sind stark gerostet und daher sehr unansehnlich. Jedoch finden sich dabei auch viele Gegenstände aus Bronze und mehrere aus Silber. Vorzüglich reich ist der Inhalt aber an Glas verschiedener Art. Diese Erscheinung war schon vor 30 Jahren sehr auffallend, konnte aber damals noch nicht genügend erklärt werden.

Nachdem in unsern nördlichen Gegenden zu Häven und an andern Orten unzweifelhafte Römergräber entdeckt waren (vgl. Jahrb. XXXV, S. 99 flgd.), konnte man an einem unmittelbaren Einfluß römischer Händler auf den Verkehr mit den einheimischen Völkerschaften nicht mehr zweifeln. Es ließ sich nachweisen, daß in den Brandgräbern der Einheimischen genau dieselben fremden Sachen gefunden waren, wie sie sich in den Römergräbern gefunden hatten, daß also höchst wahrscheinlich diese Sachen hier im Lande von den Römern an die Einheimischen verkauft worden seien.

Urne

Ich habe schon in den Jahrbüchern XXXV, S. 161, unter dem Titel "Weiterführung" vorläufig auf diese Erscheinung hingewiesen und namentlich eine Urne als Beweis beigebracht (S. 123), welche sich in beiden Begräbnißstellen in gleicher Form (mit geringen Abweichungen) gefunden hat. Seitdem habe ich die Alterthümer des Begräbnißplatzes von Pritzier wieder vorgenommen und im Einzelnen genauer durchforscht und dabei gefunden, daß sich die vollkommene Gleichheit mancher Gegenstände nicht wegleugnen läßt, beide Begräbnißplätze also wenigstens aus einer und derselben Zeit stammen müssen.

Die merkwürdigsten Gegenstände von Pritzier sind folgende:

1) Zu Pritzier ward ausnahmsweise viel Glas gefunden, namentlich eine Anzahl von weißen Glasgefäßen, welche

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aber alle durch den Leichenbrand verbogen, zusammen gefallen und zusammen geschmolzen sind. Das Glas selbst ist aber ohne Zweifel römisch. Nur ein Glasgefäß hat sich bei genauerer Beobachtung auch in der Form wieder erkennen lassen.

Römisches Glasfläschchen

Es ist dies ein kleines, dünnes Fläschchen von weißem Glase, welches durch den Leichenbrand nur wenig zusammen gebogen und gefaltet ist, sich aber noch erkennen läßt. Im Sommer 1870 fand ich das hieneben abgebildete römische Glasfläschchen bei dem Herrn Geheimen Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel, welcher dasselbe dem Verein geschenkt hat. Dieses Fläschchen stammt von Velletri und ist dem Fläschchen von Pritzier völlig gleich, welches also sicher römisch ist. Unter den zusammen geschmolzenen Pritzierschen Glasfläschchen befinden sich noch mehrere, welche diesem gleich gewesen sein werden. (Diese kleinen Glasfläschchen werden Salbenfläschchen (unguentaria) oder Medicinfläschchen gewesen sein und deuten auf einen ausgedehnten Handel mit künstlichen Flüssigkeiten, wahrscheinlich mit Salben; für Getränkflaschen sind sie viel zu klein.) Es giebt bekanntlich sehr viele kleine Glasflaschen, welche unter dem frühern Namen "Thränenfläschchen" bekannt sind. Diese sind aber in der Regel größer und anders geformt, als das Fläschchen von Pritzier, welches ziemlich eigenthümlich ist.

2) Zu Pritzier wurden auch sehr viele Glasperlen mit eingelegten Figuren aus verschiedenfarbiger Glaspaste gefunden. An dem römischen Ursprunge derselben ließ sich im Allgemeinen nicht zweifeln. Es ist nun aber unter den Pritzierschen Glasperlen eine gefunden, welche einer Hävenschen vollkommen gleich ist. Es ist dies genau dieselbe undurchsichtige, dunkelgrüne Perle, mit eingelegten gelben Sternen, welche der auf Taf. I, Fig. 10 abgebildeten Hävenschen Perle so durchaus gleich ist, daß sie von einem und demselben Menschen aus einem und demselben Tiegel gemacht sein muß. Dies ist wenigstens ein Beweis für die Gleichzeitigkeit. Ich möchte aber behaupten, daß die Pritziersche Perle von den Hävenschen Händlern an Pritziersche Leute verkauft ist.

3) Zu Häven sind mehrere römische Sachen gefunden, welche sonst im Lande nicht vorkommen. So ist z. B. ein silberner Gürtelring oder Beschlag gefunden, abgebildet zu Jahrb. XXXV, Taf. I, Fig. 8, vgl. S. 127, Nr. 31, welcher

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wahrscheinlich an einem Ende angenietet gewesen ist und mit dem Ringe in der Mitte über einen Haken am andern Gürtelende übergehängt ist. Genau dieselbe Knippe ist auch in dem Begräbnißplatze zu Pritzier von Bronze gefunden, wie sie hier unten abgebildet ist. (Auf der Unterseite ist durch

Gürtelring

das Niet noch ein Stückchen dünnes Bronzeblech befestigt.) Diese Gleichheit der Form eines Stückes, das sonst unter den zahlreichen gleichalterigen Alterthümern gar nicht vorkommt, deutet sicher auf einen Zusammenhang mit Häven.

4) Zu Pritzier wurden auch bronzene Eimerbänder gefunden (vgl. Jahrb. VIII, S. 65, Nr. 16 flgd.), wie an den hölzernen Eimern zu Häven (vgl. Jahrb. XXXV, S. 118, und Abbildung Taf. II, Fig. 16). Solche Bronzestreifen find fönst in einheimischen Gräbern nie gefunden.

5) Zu Pritzier ward ein Spindelstein aus grauem Sandstein gefunden, der mit concentrischen Reifen verziert ist, welche offenbar auf der Drehbank gedrechselt sind. Auch ein feiner gedrechselter Stift aus Knochen oder Elfenbein ward gefunden. Von gedrechselten Arbeiten giebt es aber in heimischen Gräbern keine Spur. Der Spindelstein muß also auch römische Arbeit sein.

6) Zu Pritzier ward ungewöhnlich viel gut gearbeitetes Silber gefunden, welches sonst wohl vorkommt, aber nicht so bezeichnend. So z. B. ein vernieteter Silberbeschlag, ähnlich wie die von Häven, eine silberne Spange ("Hakenfibel"), namentlich aber ein silberner "Siegelring" (vgl. Jahrb. VIII, S. 69 flgd.), ein höchst seltenes Stück.

Siegelring

Auch eine durchsichtige dunkelgrüne Glasperle hat einen eingeschmolzenen silbernen Henkel. Silberne Sachen solcher Art scheinen mir sicher römischen Ursprunges zu sein. Ich sehe mich daher veranlaßt, meine Ansicht aufrecht zu erhalten, daß die kleinen römischen Handelscolonien in Meklenburg ziemlich lebhaften Handel im Lande getrieben haben, da sich deutliche Spuren davon zeigen.

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Ganz ähnlich wird der große Begräbnißplatz oder das Urnenfeld von Perleberg bei Stade gewesen sein, welches in Krause's Archiv des Vereins zu Stade, II, S. 261 flgd. beschrieben ist. Leider ist die Aufgrabung nicht ruhig genug vorgenommen und der Inhalt in mehrere Sammlungen zerstreuet, daher die Beschreibung etwas summarisch gefaßt. Aber aus einzelnen Andeutungen geht hervor, daß auch hier römischer Handelseinfluß geherrscht hat, da sich mehrfach "zerflossene größere Glasmassen, kleine Stücke eines sehr leichtflüssigen lauchgrünen Glases, welche Reste zerschmolzener kleiner Gefäße zu sein scheinen, dunkelgrüne Flüsse mit außen eingebrannten Farbenzeichnungen, zer.schmolzene Glasbruchstücke von einem grünen Gefäß, sehr viele größere und kleinere zusammengesinterte Glasflüsse, meist von Perlen, musivische Perlen, Glasmosaik, braun mit gelben und weißen Streifen, Hefteln von Silber, Scheren von Eisen" und andere Dinge fanden, welche römische Fabrik verrathen. Auch eine Münze des Kaisers Gratian (375-385) ist in dem Funde vorhanden gewesen. Vollständige Römergräber sind hier aber auch nicht zum Vorschein gekommen.

Ganz ähnlich ist eine in den letzten Jahren aufgedeckte große Gräberstätte zu Gruneiken in Ostpreußen, auf der "Grenze von Litthauen und Masuren". Auch hier zeigten sich unverkennbare Spuren unmittelbaren römischen Einflusses, da sich nicht nur allerlei Glasperlen und eine römische Heftel, sondern öfter auch römische Münzen aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. in Urnen mit zerbrannten Gebeinen fanden. Im Allgemeinen ist dieser Begräbnißplatz auch dadurch merkwürdig, daß er wohl der östlichste ist, welcher mit den in den westlichsten baltischen Küstenländern gefundenen Begräbnißstätten gleich ist. (Vgl. über diese Gräberstätte: Virchow in den Blättern der Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc. ., Sitzung vom 15. October 1870, S. 4 flgd.)


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Römergrab von Kittendorf.

Im Sommer des J. 1846 ward bei Gelegenheit des Chausseebaues zwischen Stavenhagen und Waren auf dem Felde des Lehngutes Kittendorf bei Stavenhagen ein Grab entdeckt, dessen Inhalt von dem Besitzer Herrn von Oertzen

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dem Vereine geschenkt und von diesem durchaus für "römischen Ursprungs" erklärt ward; der Fund ist in dem Jahrb. XII, S. 445 flgd. genau beschrieben und hier mit den damals schon bekannten rein römischen Funden von Groß=Kelle und Hagenow in Vergleichung gesetzt.

Wenn schon damals der Fund für "römischen Ursprunges" erklärt ward, so wird man jetzt nach gewonnener Erkenntniß der Römergräber von Häven das ganze Grab für ein "Römer=Grab" halten müssen. Das Grab war ein kleiner Hügel von Kiessand und Steinen. Unter diesem Haufen war unter der Erdoberfläche eine Grube oder ein Grab, das mit 4 großen Steinen überdeckt war, welche nicht auf großen Steinpfeilern ruheten, also nicht eine Steinkammer bildeten. Hierin gleicht dieses Grab ganz dem Römergrabe von Varpelev auf Seeland, vgl. Jahrb. XXXV, S. 225. In dem Erdgrabe lag ein nicht verbranntes menschliches Skelet, wie in allen bisher als Römergräber erkannten Gräbern zur Eisenzeit, namentlich sicher in den Gräbern von Häven und Varpelev; leider konnte der zerspaltene Schädel nicht erhalten werden. Bei dem Skelet fand sich ein kleines Gehänge aus Bronze und Silber, ein Messer und eine Klinge von einer Schere aus Bronze. Alle diese Sachen sind unzweifelhaft römisch; Anderes ward in dem Grabe nicht gefunden.

Aus allem diesem, aus der Art und Weise der Bestattung und den der Leiche beigegebenen Alterthümern dürfte sich wohl mit Sicherheit schließen lassen, daß auch das Grab von Kittendorf ein römisches Grab sei. Vielleicht ist das Grab etwas älter als die Gräber von Häven und Varpelev, wahrscheinlich ein Frauengrab.


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Begräbniß von Börzow.

Im Jahre 1841 ward auf dem Felde des Dorfes Börzow bei Grevesmühlen bei einer Wegebesserung der letzte Rest eines großen Begräbnißplatzes aus der Eisenzeit mit verbrannten Leichen entdeckt und von mir selbst der letzte Rest durchgraben und durchforscht; vgl. Jahrb. VIII, B, S. 91.

Die Entdeckung ward dadurch veranlaßt, daß am Rande dieses Begräbnißplatzes unmittelbar neben den Urnen in

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gleicher Tiefe mit denselben ein altes menschliches Skelet gefunden ward, was die nächste Veranlassung gab, die Erdarbeit einzustellen und eine amtliche Untersuchung einzuleiten; jedoch zeigte eine wissenschaftliche Durchforschung sehr bald, daß die Fundstelle ein sehr alter Begräbnißplatz und daher eine gerichtliche Untersuchung unnöthig war.

Die Auffindung eines unverbrannten Gerippes auf dieser Stelle war sehr auffallend, da die Leichen der Eisenzeit in Meklenburg immer verbrannt sind. Im Jahre 1841 hielt ich noch alle Begräbnißplätze der Eisenzeit für wendisch und suchte das ungewöhnliche Vorkommen eines unverbrannten Gerippes dadurch zu erklären, daß hier in der allerletzten Zeit des Heidenthums (also im 12. Jahrh.) trotz des Verbotes der christlichen Sieger dennoch ein Wende heimlich auf dem heidnischen Begräbnißplätze bei seinen Vorfahren ohne Leichenbrand begraben sei. Den Schädel nahm ich in die großherzogliche Sammlung mit. Von einem zweiten hier begrabenen Gerippe war nichts mehr aufzufinden.

Im Jahre 1859 war der berühmte und gewiegte Schädelforscher v. Baer aus Petersburg in Schwerin, "um eine Ansicht von den Resten der früher dort einheimischen Slavischen Bevölkerung zu erhalten, besonders aber ihre Schädelform wo möglich kennen zu lernen". Ich konnte ihm damals nur den einen Schädel von Börzow zur Untersuchung bieten. Er untersuchte und maß den Schädel während mehrerer Tage Aufenthalts sehr sorgfältig und genau und nahm mehrere verschiedene Photographien mit nach Hause. Im Jahre 1863 legte v. Baer das Ergebniß seiner Untersuchungen über diesen Schädel in einem deutschen Aufsatz nieder: "Ueber einen alten Schädel aus Mecklenburg, der als von einem dortigen Wenden oder Obotriten stammend betrachtet wird, und seine Aehnlichkeit mit Schädeln der nordischen Bronze=Periode, von K. E. v. Baer", in "Mélanges Biologiques "tirés du Bulletin de l'Académie impériale des sciences de St. Petersbourg, Tome IV, 5/17. Juni 1863", p. 335 flgd. Die Abhandlung ist auf einer beigegebenen Tafel von 5 Abbildungen des Börzower Schädels von verschiedenen Seiten (nach den Photographien) begleitet. Baer kommt nur zu der Behauptung: "Die Form des Schädels unterscheidet sich so auffallend von der typischen Kopfform der in dieser Beziehung bekannten Slavischen Völker, daß man bezweifeln darf, daß er einem Slavischen Volke angehört habe. - - - Ich bemerkte schon in Schwerin, daß dieser "Kopf sehr mit der Form übereinstimmte, die ich für die

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wahre keltische halte, nach Formen aus alten Gräbern im mittlern Frankreich u. s. w. - - Ich zweifle nicht mehr, daß diese unverbrannten Leichen nicht zu dem Volke gehörten, dessen Reste in den Urnen liegen. - - -Der zu Börzow ausgegrabene Kopf hat auch viele Aehnlichkeit mit einem viel älteren aus der Bronze=Periode."

Vorläufig ließ sich nichts weiter in der Sache thun. In Folge der Entdeckung der Römergräber zu Häven ward ich aber auf andere seltnere Vorkommenheiten wieder aufmerksam und fing an, die frühern Funde, welche alle sorgfältig aufbewahrt sind, aufs Neue zu durchforschen. Ich hatte auf dem Begräbnißplatze an der Stelle, wo bei der Wegearbeit das Gerippe ausgewühlt war, und zunächst umher, wo Urnen zertrümmert waren, gewissenhaft Alles gesammelt, was irgend den Anschein von Alterthümlichkeit hatte, und hierunter auch mehrere kleine Bruchstücke von Bronze, theils nur zerbrochen, theils geschmolzen (aus den zerschlagenen Urnen). Die nur zerbrochenen, nicht im Feuer gewesenen Bruchstücke von bronzenen Geräthen, welche freilich nur 1 Zoll groß, aber doch noch sehr bezeichnend sind, sind folgende:

1) Ein Stück von einem bronzenen Siebe mit zwei parallelen geraden Reihen feiner eingeschlagener Löcher; in einer dritten geschwungenen Reihe ist das Blech abgebrochen.

Dieses kleine Bruchstück stammt nach der Arbeit offenbar und sicher von einem römischen Siebe.

2) Zwei Stücke von Rändern von zwei Bronzegefäßen, welche in einander gerostet sind. Die Ränder sind nach der Arbeit durchaus charakteristisch für römische Gemäße, indem der Rand verhältnißmäßig sehr stark gegen die dünne Seitenwand und auf der Drehbank abgedreht und polirt ist.

Hier an dieser Stelle hat also offenbar, wie in den meisten römischen Funden des Nordens, eine römische Bronze=Kelle gelegen, in welcher ein Bronze=Sieb gestanden hat. Diese Sachen sind ohne allen Zweifel immer römisch.

Es läßt sich daher nicht bezweifeln, daß hier, wo ein nicht verbranntes Gerippe gefunden ist, römischer Einfluß vorhanden gewesen sei.

Und daraus dürfte zu schließen sein, daß der ungewöhnliche Schädel von Börzow auch ein Römerschädel und das Begräbniß ein Römergrab sei. So viel ein wissenschaftlicher Laie zu beurtheilen vermag, so sind auch die

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römischen Männerschädel von Häven und der Schädel von Varpelev auf Seeland dem Schädel von Börzow gleich.

Der Staatsrath v. Baer giebt die Maaße des Börzower Schädels an, wie folgt:

"Die an dem Schwerinschen Kopfe genommenen Maaße habe ich mir in Engl. Zollen folgendermaßen notirt. Der Englische Zoll ist mit 25,399 oder 25,4 in Millimeter zu verwandeln."

Länge der Schädelhöhle 6, 8
Breite 5, 22
Höhe 5, 28
Breite der Stirn zwischen beiden Sin. semic. 3, 6
Breite am hintern Rande des Stirnbeins 4, 2
Abstand der Parietalhöcker 5, 0
Abstand der Jochbogen 4, 8
Umfang des Schädels 19, 3
Bogen von der sutura nasale bis zum Fr. magnum 14, 3
Von der sut. nasalis bis zum vordem Rande des For. magnum 3, 7
Größte Breite des Hinterhauptes 4, 8

Der Schädel von Börzow wird also ungefähr gleich alt mit den Schädeln von Häven sein. Und dies wirft wieder viel Licht auf die Altersbestimmung gewisser Arten von Urnen. Die Urnen des Börzower Begräbnißplatzes waren schalenförmig weit geöffnet, theils braun, theils kohlschwarz von Farbe, und mitmäanderförmigen Figuren von Punktlinien verziert (vgl. unten S. 236). Ich habe später wiederholt die Ansicht ausgesprochen und auch nachgewiesen, daß diese Urnen der Eisenzeit und deren Inhalt älter sind, als die slavische Bevölkerung in Meklenburg, und sicher wenigstens bis in das erste Jahrhundert nach Chr. zurückreichen (vgl. Jahrb. XXVI, 1861, S. 161 flgd. und XXV, S. 252 flgd.), die Bevölkerung also, von der sie stammen, hier noch eine germanische war. Der Fund von Börzow würde also, wenn sich die Schlüsse richtig verhalten, wieder einen Beweis für das angenommene Alter dieser Urnen liefern, indem sie nach den Forschungen über die Gräber von Häven ungefähr in die Mitte des 3. Jahrh. n. Chr. fallen würden.

Der Herr Lehrer Dr. Mummenthey zu Schwerin hat nun den Schädel von Börzow und die ausgeprägten (römischen) Hauptschädel von Häven nach Virchowscher Weise in den Hauptrichtungen gemessen und auch den Schädel von Varpelev auf Seeland auf Virchowsche Maaße gebracht.

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Das Ergebniß dieser Messungen ist folgendes:

Tabelle I.

Für diese Tabelle gilt das Millimeter als Maaßeinheit.

Schädelmaße

Tabelle II.

In dieser Tabelle werden sämmtliche Brüche auf den Nenner 100 reducirt.

Schädelmaße
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Die Funde von Groß=Kelle und Hagenow,

welche sehr reich an schönen römischen Sachen sind, scheinen auch Römer gräber gewesen zu sein.

Der schöne Fund von Groß=Kelle, welcher in Jahrb. III, B, 1838, S. 42 flgd. beschrieben und zu Jahrb. V, B, Anhang, abgebildet ist, ward allerdings in einem großen Kegelgrabe in einer Steinkiste gemacht. Leider ist über die Leiche und deren Bestattungsweise damals keine Ermittelung

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möglich gewesen. Schon damals sprach ich die Vermuthung aus, daß dieses Grab wohl ein Römergrab sein könne (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 56).

Der ebenfalls reiche und schöne Fund von Hagenow, welcher in Jahrb. VIII, B, S. 38 flgd. beschrieben und dazu abgebildet ist, ward unter der ebenen Erdoberfläche im Sande gemacht, jedoch ist keine Nachricht über Leichenbestattung zu ermitteln gewesen, da die Fundstelle zu verschiedenen Zeiten sehr durchwühlt ist.

Beide Funde enthalten die bezeichnenden römischen Alterthümer, namentlich Kellen und Siebe, es fehlen jedoch die Krateren, statt deren andere, große Bronzegefäße vorhanden sind. Beide Funde scheinen etwas älter zu sein, als die übrigen bisher bekannt gewordenen.


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Gräber von Klein=Prezier in Hannover.

Auf dem Felde des Dorfes Klein=Prezier, im Hannöverschen Amte Bodenteich, südlich von Uelzen (also nördlich von Braunschweig und Hildesheim), nahe bei dem Dorfe Kahlsdorf, liegt ein großes "oblonges Hünenbett" oder Riefenbett, welches 35 Schritte lang und 9 Schritte breit, und von 36 großen Steinpfeilern von ungefähr 3 bis 5 Fuß Höh eingefaßt ist. Die in der nördlichen Hälfte des Steinringes stehende Grabkammer ist von 4 Steinen überdeckt, welche auf kleinern Steinpfeilern ruhen, und 12 Schritte lang. Die südliche Hälfte des Denkmals bildet die Fortsetzung des langen Erdhügels innerhalb des Steinringes.

In diesem, nur aus Erde bestehenden Theile des Grabhügels wurden einige Jahre vor 1846 sechs große menschliche Skelete entdeckt, welche ohne Zweifel aus einer Bestattung jüngerer Zeit stammen. Der Fund ist in den "Heidnischen Alterthümern im ehemaligen Bardengau (Königreich Hannover) von v. Estorff, Hannover, 1846," S. 14 flgd. beschrieben und festgestellt. Schon v. Estorff hielt dafür (S. 16), daß "dieser Fund ein sehr merkwürdiger sei, da "in dortiger Gegend menschliche Skelete aus heidnischer Zeit sehr selten vorkommen". Leider hat die Aufgrabung nicht in allen Theilen wissenschaftlich geleitet und beobachtet werden können; jedoch scheint das Ergebniß ziemlich sicher festgestellt zu sein. Drei von diesen Skeleten hatten alter=

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thümliche Beigaben; die drei letzten, am südlichsten Ende waren ohne alle Beigaben.

Bei dem ersten Skelet ward, nach dem Berichte des Schäfers, der die erste Aufgrabung vornahm, "ein bronzenes Gefäß, in Gestalt eines Grapens, ungefähr 1 Fuß hoch und 9 bis 10 Zoll weit, gefunden, welches ganz mit Sand angefüllt war"; leider zerbrach er bald und ward stückweise ganz verworfen. Bei wissenschaftlicher Nachgrabung fand man ein großes Skelet und um den Leib die Ueberbleibsel eines starken ledernen Gurtes mit einer Schnalle und an der Brust Perlen (aus 2 hohlen Halbkugeln bestehend) und eine Schnalle, Alles aus Bronze. - Das zweite Skelet hatte ebenfalls an denselben Theilen einen Gürtel, eine Schnalle und Perlen, Alles von Bronze, so wie eine hellgrüne Glasperle. Bei dem dritten Skelet fanden sich außer kleinen bronzenen Schmucksachen auch zwei erhaben geschlagene bronzene Hohlbleche mit einer Emailmasse oder Glasfluß.

Nach allen diesen Schilderungen, nämlich nach der Weise der Bestattung und den Skeleten, nach den Beigaben des Bronze="Grapens", der Schnallen, der Bronze= und Glas=Perlen dürfte anzunehmen sein, daß auch diese Gräber Römergräber gewesen seien. Die Aehnlichkeit mit den Römergräbern von Häven in Meklenburg springt zu sehr in die Augen. Der geschützte Erdhügel in dem alten Riesenbette wird als sehr paßlich erschienen und deshalb zum Begräbnißplatz gewählt sein. Die Hünen liegen sicher in der großen Steinkammer begraben. Solche Nachbestattungen in alten Gräbern sind nicht sehr selten.


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Begräbniß von Wotenitz.

Wenn es richtig ist, daß die schalenförmigen schwarzen (und braunen) Urnen mit mäanderähnlichen Verzierungen aus Punktlinien in die Zeit fallen, in welcher im germanischen Norden die römischen Alterthümer verbreitet wurden, wie z. B. das Begräbniß von Börzow anzudeuten scheint, so werden auch die vielen seltenen und schönen Sachen, welche in einer Urne auf dem großen Begräbnißplatze von Wotenitz bei Grevismühlen gefunden wurden, römischen Ursprunges sein. Diese Urne mit ihrem Inhalt ist beschrieben und zum

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Theil abgebildet in Jahrb. XXV, S. 252 flgd., und XXVI, S. 161 flgd. Die Urnen vgl. unten S. 236.

In dieser Urne ward als Prachtstück gefunden eine Halskette aus geflochtenein Golddrath mit anhängender Bommel, alles von höchst ausgezeichneter, mustergültiger Arbeit.

Halskette

Diese Halskette ist ohne allen Zweifel ein Kunstwerk fremden Ursprunges. Da nun in Dänemark auf der Insel Fühnen zu Nörre=Vroby eine ähnliche goldene Bommel neben einem bronzenen Siebe mit einem römischen Fabrikstempel gefunden ist (vgl. Jahrb. XXVI, S. 164 und 165 flgd.), so läßt sich wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Kette von Wotenitz aus römischer Fabrik oder doch durch römischen Handel in den Norden gekommen ist. Außer dieser goldenen Kette wurden in der Urne von Wotenitz noch folgende seltene Sachen gefunden: zwei schwere silberne Hefteln von gewöhnlichen Formen, eine große silberne Nadel mit kunstreich gearbeitetem großen Knopf, 12 kleine silberne Nadeln, wie Stecknadeln, ungefähr 3 Zoll lang, ein silbernes Armband, weiße und blaue Glasperlen und anderes Aehnliches mehr. Alle diese Sachen sind um so mehr für römische zu halten, als sich gleiche und ähnliche Sachen auch in andern Gräbern gefunden haben, welche römischen Ursprunges sind oder römischen Einfluß zeigen.


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Nachrichten von früheren Funden römischer Alterthümer in Meklenburg.

Bronze-Lampe.

Auch aus frühern Zeiten haben wir Nachrichten von Funden römischer Alterthümer. Lessing's Briefwechsel giebt Nachricht von einer römischen bronzenen Lampe mit dem Bilde eines Satyrs, welche in Meklenburg gefunden und in die Sammlung des Herzogs von Braunschweig gekommen ist. In dem Buche "Zur Erinnerung an G. E. Lessing, herausgegeben von Dr. O. v. Heinemann, Leipzig, 1870," S. 27- 30, sind die beiden hierüber redenden Briefe des Herzogs Carl und Lessing's mitgetheilt, welche im Folgenden hier wieder abgedruckt werden.

Herzog Carl von Braunschweig an Lessing.

Mein lieber Herr Lessing. Ich habe neulich durch den Cammerrath Oeder 1 ) in Hamburg eine alte Lampe erhandeln lassen, und da ich nicht völlig gewiß war, ob solche auch würcklich so antique seyn mögte, wie sie angegeben worden; so habe Ich desfalls bereits gegen den C. R. Oeder geäußert, daß ich darüber wohl Seine Meinung schriftlich vernehmen, und die data wißen mögte, woraus man mit einiger Zuverläßigkeit schließen könnte, daß dieses Stück eine würckliche Antique sey? Dieses Sein Gutachten will ich also noch erwarten und bin inzwischen

Braunschweig, Deßen wohl affectionirter
den 27. Novbr. 1770. Carl H. z. B. u. L.

An den Bibliothekar Lessing.          

Lessing an den Herzog Carl. 2 )

Durchlauchtigster Herzog,
Gnädigster Herr.       

Die Bronze, welche Ew. Durchlaucht in Hamburg erstehen lassen, ist ihrem vorigen Besitzer von einem Mecklenburgischen Beamten, auf deßen Gute man sie aus=


1) Kammerrath Oeder war damals Vorstand des herzoglichen Museums.
2) Concept.
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gegraben, für einen Wendischen Götzen verkauft worden. Es fehlte auch nicht viel, so wäre sie unter dieser Bezeichnung in das gedruckte Verzeichniß gekommen, wenn ich nicht dem Verfertiger deßelben gewiesen, daß sich in der Muschel noch die Dille oder Rinne, worin der Docht gelegen, deutlich zeige, als woraus eigentlich der ehemalige Gebrauch des Stückes selbsten erhellet.

Warum ich aber nicht glaube, daß an dem Alterthume desselben zu zweifeln, sind dieses die Ursachen:

1) Weil es nicht in Gelde gekauft worden, und durch die Hände keines Brocanteur gegangen; sondern in Deutschland ausgegraben worden: so daß ein vorsetzlicher Betrug schwerlich zu beweisen.

2) Weil nichts daran zu bemerken, worum es nicht wirklich antik seyn könnte. Vielmehr ist gewiß, daß es in den Cabineten eine Menge ungezweifelt alter Lampen giebt, die dieser an Geschmack und Arbeit sehr gleich kommen, wovon Montfaucon (Antiq. Expl. T. V. Pl. 176 und 177) nachzusehen. Besonders erinnere ich mich einer unter den Alterthümern zu Dresden, welche in dem Recueil auf der 192. Tafel zu sehen ist. (Dieses Werk wird vermuthlich auf dem Cabinete seyn, widrigenfalls ich es auf Verlangen herübersenden kann.) Besagte Dresdener Lampe ist ein fast eben so sitzender Satyr, der gleichfalls außer der eigentlichen Lampe in der einen Hand, (nur daß es dort mehr Lichtdille als Lampe zu sein scheint), in der andern Hand ein ähnliches rundes Gefäß hält. Wenn ich mich recht erinnere, so sind die Verzierungen auf dem Deckel des runden Gefäßes bey beiden sogar die nehmlichen.

Alles was man folglich wider das echte Alterthum des Stückes einwenden könnte, müßte lediglich von der Arbeit hergenommen seyn, welche freilich nicht die feinste ist. Der Satyr ist plumper, als man ihn von einem alten Meister erwartet. Allein hier ist nicht zu vergeßen, daß sich mit dergleichen Hausrath, als Lampen sind, wohl schwerlich nur die besten Künstler werden abgegeben haben. Der gedachte Dresdener Satyr, den ich gesehen habe, und deßen ich mich noch wohl erinnere, ist eben so plump, und erscheint nur die Zeichnung feiner. Wenn aber dieses anstößig seyn sollte, daß die äußere Fläche des Stücks zu glatt und rein, und nicht so äruginös und beschlagen ist, als eine in der Erde lange Zeit gelegene Bronze zu seyn pflegt: so darf man nur wißen, daß der vorige Besitzer in Hamburg lebte, wo man alles scheuert und putzt, das Brennholz auf dem

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Boden und die Alterthümer in dem Cabinete. Endlich ist es auch nicht die Meinung, wenn man das Stück für alt ausgiebt, daß es darum von einem sehr hohen Alter sein müßte. Es ist eine römische Arbeit, die vermuthlich auch noch lange nicht an die Zeit des Hadrian reicht. Unter allem alten Hausrath haben sich überhaupt die Lampen am spätesten in ihren ehemaligen Formen geändert, und so wie sie waren am längsten in Gebrauch geblieben, indem die Erfindung der gemeinen Talglichte noch sehr neu ist.


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Glasbecher von Levetzkow.

In frühern Zeiten scheinen in Meklenburg fast gar keine römischen Alterthümer gefunden, wenigstens nicht aufbewahrt zu sein. In den Sammlungen zu Schwerin wird nur ein Glasbecher aus dunkelblauem Glase aufbewahrt, dessen Form in Frid. Franc. Taf. XXXV, Fig. 15, abgebildet ist (vgl. Erläut. S. 101), welcher immer für ein römisches Gefäß gehalten ist. Der gewissenhafte Hofmarschall v. Oertzen zu Ludwigslust, früher Aufseher und Bearbeiter der großherzoglichen Sammlung, schreibt darüber in einer Uebersicht der vorhandenen Alterthümer ungefähr vom Jahre 1804 Folgendes: "Gläserne Urnen hat man gleichfalls gefunden. So besitzt die Ludwigsluster Sammlung einen sehr schönen Becher von dunkelblauem Glase, etwa 4 Zoll hoch, und so schön erhalten, als wenn derselbe erst heute verfertiget. Die Urne ward Anfangs des vorigen Jahrhunderts in einem Grabhügel zu Levetzow bei Teterow gefunden."

Der Ursprung wird daher verbürgt sein. Der Becher ist ungefähr 4 Zoll hoch und ungefähr von der Form, welche mehrere in neuern Zeiten auf Seeland gefundene römische Glasbecher haben. Was einigen Verdacht gegen das hohe Alter zu erregen schien, war die ganz vollkommene Erhaltung und Reinheit des Glases, welches nirgends angegriffen ist. Aber wenn man die prachtvollen Armringe aus verschiedenfarbigem, namentlich dunkelblauem Glase sieht, welche in neuern Zeiten wiederholt in der Schweiz gefunden sind, so kann man an dem Alter des Gefäßes von Levetzow kaum zweifeln. Der Herr v. Bonstetten auf Eichenbühl bei Thun hat viele dieser Ringe in Farben, durchaus klar und getreu in den Farben, wie ich mich an den Originalen

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selbst überzeugt habe, abbilden lassen in Recueil d'antiquités Suisses, 1855, Pl. XXI, und vorzüglich in Supplement au Recueil etc., 1860, Pl. V, auch in Second supplement au Recueil etc., 1867, Pl. IX. Es bedarf nur eines Blickes, um sich zu überzeugen, daß sich dieses blaue Glas viele Jahrhunderte lang in der Erde ganz unversehrt erhält. Es wird daher nicht gewagt sein, den Becher von Levetzow für römische Arbeit und für ächt zu halten.

Nach den Mittheilungen des Herrn Justizraths Strunk zu Kopenhagen wurden im Herbste 1871 auf Fühnen in einem "Sandgrabe" außer andern Sachen auch zwei prächtige Schalen von dunkelblauem Glase mit weißen Adern gefunden, an deren römischen Ursprung nicht zu zweifeln ist. Auch Engelhardt a. a. O. S. 448 (17) (vgl. oben S. 218) bespricht diese blauen Glasschalen.


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Römische Bronzestatuette von Manderow.

Im Jahre 1852 ward zu Manderow bei Wismar im Torfmoor eine römische Bronzestatuette gefunden und für die Schweriner Sammlungen erworben; die Beschreibung der Statuette und der Auffindung ist in den Jahrb. XXI, S. 257 flgd. gegeben. Die gut gearbeitete Figur ist 6 1/2 Zoll oder 16 Cent. hoch und stellt eine Göttin dar, welche ein Füllhorn im linken Arme und eine flache Schale in der rechten Hand hält. Ohne Zweifel ist sie von römischer Arbeit aus den ersten Jahrhunderten des römischen Kaiserreiches. In den Jahrbüchern ist sie als eine Darstellung der Ubertas oder Felicitas publica bezeichnet, wie solche oft auch auf römischen Münzen vorkommt. Nachdem diese Statuette zum Zwecke weiterer Verbreitung dem königlichen Museum zu Berlin zur Abformung mitgetheilt worden war, ist sie in dem "Verzeichniß der im königlichen Museum zu Berlin käuflichen Gypsabgüsse", z. B. 7. Auflage, 1861, 1, a, S. 7, Nr. 71, als eine "Isis-Felicitas" bezeichnet. - Auch in Dänemark sind nach Engelhard Romerske Statuetter (vgl. oben S. 218), S. 434 flgd., mit Abbildungen, 8 römische Bronze=Statuetten gefunden, welche der Meklenburgischen an Arbeit und Größe ganz ähnlich sind.


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Die schwarzen Urnen mit Verzierungen aus Punktlinien.

Im mittleren und westlichen Theile des Großherzogthums Mecklenburg=Schwerin sind in großen Begräbnißplätzen unter der ebenen Erdoberfläche oft große, weit geöffnete, schalenförmige Urnen mit zerbrannten Menschengebeinen gefunden, die in der Regel gleichmäßig (durch Ruß) kohlschwarz gefärbt und mit mäander= oder hammerförmigen Verzierungen geschmückt sind, welche aus Punktlinien bestehen.

Urne

Als Repräsentant dieser Gattung von Urnen ist hier ein Exemplar aus dem großen Begräbnißplatze von Camin bei Wittenburg abgebildet, welches eine durchschnittliche Ansicht zu geben vermag. Andere Exemplare sind abgebildet im Friderico-Francisceum Tat. XXXIV und in Jahrbüchern, Jahrgang XII, S. 432 flgd.

Verzierung der Urne

Diese Urnen unterscheiden sich von allen andern nicht allein durch ihre Gestalt und Farbe, sondern vorzüglich durch die Beschaffenheit der Verzierungslinien, die aus regelmäßigen, kleinen, viereckigen Punkten bestehen, welche offensichtlich nicht einzeln, sondern durch ein gezahntes (metal=

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lenes) Stempelwerkzeug oder laufendes Rad eingedrückt sind. Zur Veranschaulichung ist ein Theil der Verzierung des Bodens einer kleinen Urne aus demselben Begräbnißplatze von Camin auf der vorhergehenden Seite abgebildet.

Ich habe diese Urnen, da sie sehr in die Augen fallen, seit 35 Jahren in Meklenburg und in den Nachbarländern unablässig verfolgt und eine ausreichende Ansicht über dieselben zu gewinnen gesucht. Sie gehören ohne allen Zweifel der Eisenzeit an, in welcher im nordöstlichen Deutschland alle Leichen ohne Ausnahme verbrannt wurden. Früher schrieb ich sie der jüngsten, also in Meklenburg der wendischen Eisenzeit zu, weil offenbar eine gesteigerte Bildung an ihnen erkennbar ist und sich neben vielem Eisen häufig Silber und Glas in ihnen findet, indem diese jüngern Producte vielleicht auf eine jüngere Zeit schließen ließen. Etwas später konnte ich die Bemerkung machen, daß diese Urnen nicht ausschließlich einen bestimmten Begräbnißplatz beherrschen, sondern auch neben andern von gewöhnlichem Charakter stehen, welche offenbar einheimisches Fabrikat sind. Später machte ich die Erfahrung, daß sie auch da erscheinen, wo sich zugleich unzweifelhafte Spuren römischen Kunstfleißes zeigen, wie z. B. in den Begräbnißplätzen von Wotenitz (vgl. oben und Jahrb. XXV, S. 352) und Börzow (vgl. oben S. 227 und 230). Endlich kam ich (1860) zu der Ueberzeugung, daß die Eisenzeit viel weiter zurückreicht, als früher angenommen ward, und daß namentlich die Eisenzeit, welcher die schwarzen Urnen angehören, die ältere Eisenzeit, wenigstens bis in das 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. zurückreicht (vgl. Jahrb. XXVI, S. 161 flgd.). Die Entdeckung der Römergräber zu Häven und an andern Stellen im Norden scheint diese Beobachtungen zu bestätigen.

Diese Urnen, viele kleine Funde und Bruchstücke nicht gerechnet, sind in größern Lagern in Meklenburg an folgenden Stellen entdeckt: zu Kothendorf (Friderico-Francisceum, S. 91), zu Gägelow (Friderico-Francisceum, S. 96), zu Camin (Jahrb. II, B, S. 53), zu Börzow (Jahrb. VIII, B, S. 91), zu Wotenitz (Jahrb. XXV, S. 352), zu Neu=Stieten (Jahrb. XXXIII, S. 139), zu Döbbersen (Jahrb. VIII, B, S. 27), zu Raguth (Jahrb. IV, B, S. 51), zu Dreveskirchen (Jahrb. XVII, S. 369). Alle diese Orte liegen im mittlern und westlichen Meklenburg=Schwerin.

Im östlichen Meklenburg=Schwerin und in Meklenburg=Strelitz sind sie noch nicht beobachtet (Jahrb. V, B S. 81).

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Ich habe mich aber nicht allein bemüht, ihr Vorkommen in Meklenburg zu beobachten und zu retten, sondern auch ihr weiteres Vorkommen in den Nachbarländern und weiter hinaus zu verfolgen (Jahrb. XI, S. 395). Diese Urnen kommen vor: im mittlern und westlichen Meklenburg=Schwerin, in Holstein nur in dem südöstlichen holsteinschen Lande Wagrien, in Sachsen=Lauenburg bis an die Elbe (vgl. Jahrb. XXX, S. 155), im Herzogthume Lüneburg (vgl. Jahrb. XVII, S. 361), in der nordwestlichen Prignitz, in der Altmark sehr zahlreich, z. B. in den Danneilschen Sammlungen im Museum zu Berlin, vereinzelt noch im Halberstädtischen und von hier und dem Lüneburgischen bis gegen den Harz.

Betrachtet man diese Länderstrecke, so ergiebt sich eine fast überall gleich breite, von Südwest nach Nordost streichende Zone vom Nordfuße des Harzes bis an die Ostsee, oder vom Leine=Thal bis an die jetzigen Häfen von Lübek und Wismar. In dieser Zone liegen auch uralte Elbübergänge (Fähren), z. B. bei Scheßla, Neuhaus gegenüber, und bei Broda (= Fähre) bei Dömitz. Der Herr Staats=Minister Freiherr v. Hammerstein hat in Jahrb. XXXVI, S. 108 flgd. zur Genüge nachgewiesen, daß seit uralter Zeit ein Elbübergang mit einer "Wagenfähre" an der Schetzel oder dem Schetzelbach bei der Darchauer Fähre bestand, und wünscht weitere Nachforschungen. Gleichzeitig und unabhängig davon hat der Herr Dr. Hostmann zu Celle in der zweiten Hälfte des Jahres 1871 und später am linken Elbufer in den Aemtern Danneberg und Blekede, der Darchauer Fähre gegenüber, zahlreiche, große Begräbnißplätze aus dem "ersten Eisenalter" 1 ), welche ganz denen im gegenüber liegenden Meklenburg gleichen, entdeckt, welche ohne Zweifel zu überraschenden Ergebnissen führen werden. Herr Dr. Hostmann theilt im Septbr. 1871 brieflich mit: "Mit der Fuhrt bei der Darchauer Fähre hat es seine volle Richtigkeit. Die Stelle war auch z. B. in diesem Sommer außerordentlich seicht, und man theilte mir mit, daß dieselbe, bevor die Deiche gebauet waren, beständig eine bequeme Durchfahrt


1) Der Herr Dr. Hostmann zu Celle wird sicher seine umfangreichen und merkwürdigen Entdeckungen nach vollendeter Bearbeitung veröffentlichen, und ich enthalte mich daher jeder Mittheilung hierüber. Ich bemerke hier nur, daß ich meine gegenwärtigen Nachträge schon niedergeschrieben hatte, ehe Herr Hostmann seine Entdeckungen machte, meine Ansichten also unabhängig davon sind.     G. C. F. Lisch.
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habe bieten müssen." Diese Fähre liegt auf der Straße von Lüneburg nach Neuhaus, welche in gerader Richtung weiter nach Hagenow und der Schweriner "Fähre" geht.

Außerhalb dieser Zone habe ich in Deutschland auf meinen langjährigen und vielfachen Forschungsreisen diese Urnen nirgends bemerkt. Auch andere Forscher haben dieselbe Beobachtung gemacht, z. B. der schwedische Alterthumsforscher Hans Hildebrand, Adjunct am Staats=Museum zu Stockholm, welcher auf seiner langen Forschungsreise im Sommer 1870 diese Urnen mit Aufmerksamkeit als etwas ihm Neues betrachtete und es sich auch zum Ziele setzte, nach denselben zu forschen; derselbe hat denn auch schon vor seinem Uebergange über die Alpen im November 1870 berichtet, daß er in ganz Deutschland, Oesterreich, Ungarn und Siebenbürgen diese Urnen nirgends anders getroffen habe, als in der beschriebenen Zone in der Mitte Norddeutschlands, die letzten Spuren in der Sammlung des Professors Dr. Wiggert zu Magdeburg, dessen Forschungen bis in die Ebenen am nordöstlichen Harz reichen.

Diese Zone mit diesen eigenthümlichen Urnen ist nun aber gleich mit der Zone, in welcher vorherrschend die römischen Alterthümer aus Bronze, Glas, Silber u. s. w. und Römergräber gefunden werden.

Daher liegt es nicht ferne, daran zu denken, daß diese Urnen, welche so manche classische Anklänge geben, unter dem Einflusse römischer Cultur entstanden sind, d. h. durch Arbeiter aus den Ländern des römischen Kaiserreichs, wenn es auch nicht gerade Römer waren.

Ueberdies giebt die Bearbeitungsweise dieser Urnen manches zu bedenken. Diese Urnen sind zwar noch nach deutsch=heidnischer Weise angefertigt, d. h. aus Thon mit (jedoch feinem) Sande durchknetet und nicht im Töpferofen gebrannt, sondern am offenen Feuer gedörrt. Aber sie sind viel dünner, feiner und regelmäßiger geformt und kunstreicher verziert, als die Urnen, welche sicher norddeutschen Ursprunges sind. Es scheint fast, als wenn die Grundform auf der Töpferscheibe gedreht und darauf die Außenseite mit geschlemmtem Thon, wie in Norddeutschland Sitte war, überzogen sei. Eingeführte römische Fabrikate werden diese Urnen nicht sein; denn die Wege waren wohl zu weit und schwierig, die Gefäße zu groß und zerbrechlich. Auch hatten, wie weltbekannt ist, die Römer bis an die äußerste Grenze ihres Gebiets die Kunst der Ziegelei und Töpferei bis zu dem höchsten Grad der Vollkommenheit gebracht, und eingeführte

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römische Töpferwaare würde ein ganz anderes Ansehen haben. Und dennoch scheint es, daß Römer hier zu Lande ihren Einfluß auf die Töpferei geltend gemacht oder daß sie gar diese Urnen selbst hier gemacht haben. Römisches Töpfergeschirr konnten sie hier freilich nicht fabriciren, da ihnen hier die Ziegel= und Töpfer=Brennöfen und die Materialien, auch vielleicht die Arbeiter zur Erbauung der Oefen fehlten. Aber die Römer können sich den Sitten und Bedürfnissen der norddeutschen Germanen angeschmiegt und nach deren Weise Töpferei, jedoch viel kunstreicher getrieben haben.

Diese Ansichten und Erfahrungen sollen nur Andeutungen sein, um eine wichtige Sache weiter zu verfolgen. Die Ausgangspunkte liegen vielleicht in Italien oder andern Provinzen des römischen Kaiserreiches.

Ich selbst habe nur eine Andeutung außerhalb der angegebenen Zone finden können, nämlich eine aus Hetrurien stammende, gleich gearbeitete, gefärbte und verzierte große Urne, mit dem Hakenkreuz, in den "vereinigten Sammlungen" zu München, deren Entdeckung und Beschreibung ich in den Jahrbüchern XXVI, S. 177 geliefert habe.

Eine andere Beobachtung scheint die Annahme des römischen Einflusses zu bestärken. Im Großherzogthume Luxemburg sind in neueren Zeiten viele Gräber entdeckt, welche vollständig alle Eigenthümlichkeiten der hier zur Sprache gebrachten meklenburgischen Gräber der ersten Eisenzeit haben und an denen vieles, namentlich an den Urnen, auf beiden Seiten vollkommen gleich ist. Die Ausstattung dieser Gräber wird denselben Einflüssen wie die der meklenburgischen Gräber unterworfen gewesen sein, beide jedoch nicht von einander abhangen, da von der Lüneburger Haide bis an die Maas noch kein Mittelglied gefunden ist. Ueber die Luxemburger Gräber vgl. man Jahrbücher XIX, S. 321. Die Luxemburgischen Forscher halten diese Grabstätte für "gallisch=fränkische" Gräber und setzen sie in die Zeit vom 5. bis 10. Jahrhundert n. Chr., und ich habe, hiedurch verleitet, die mit ihnen übereinstimmenden Gräber in Meklenburg noch für "wendische" gehalten.

Wenn die hier ausgesprochenen Ansichten und Vermuthungen sich mit der Zeit bewähren sollten, dann dürfte es noch ernstlich zur Frage kommen, ob auf dem angedeuteten Wege nicht auch alle oder doch die ersten eisernen Geräthe der ersten Eisenzeit von den Römern in den Norden eingeführt sind. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich in heimischen alten Gräbern dieser Zeit genau dieselben eisernen Sachen

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finden, wie in hiesigen römischen Funden, z. B. der sehr große eiserne Ring in dem heimischen Begräbnißplatze von Neu=Stieten und dem großen römischen Funde von Hagenow; vgl. Jahrbücher XXXIII, S. 139. Von der andern Seite finden sich auch in römischen Funden, z. B. in dem Funde von Hagenow, eiserne Geräthe, welche von den einheimischen verschieden und sicher aus der Fremde eingeführt sind. Gewisse Geräthe deuten auf südlichen Ursprung, z. B. die Scheren. Fast in jedem großen römischen Funde ist die bronzene Schere von römischer Arbeit, welche eine neue römische Erfindung zu sein scheint. Nun aber finden sich in den einheimischen Brandgräbern der ersten Eisenzeit auch oft eiserne Scheren von allen Größen. Vorher ist nie eine Schere beobachtet worden. Doch ist diese weitreichende Frage noch lange nicht spruchreif.

Das aber ist unzweifelhaft, daß wir alle Kräfte aufbieten müssen, um gerade die bis auf die neueren Zeiten und bis zur Entdeckung der römischen Alterthümer im Norden ganz vernachlässigten Alterthümer der Eisenzeit sorgsam zu retten und zu bewahren. Gerade aus ihnen können sich ganz neue und unerhörte Ansichten über die Bildungsgeschichte Deutschlands entwickeln.


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Römergräber in Dänemark.

Allgemeines.

Auf den dänischen Inseln sind und werden fortwährend viele römische Alterthümer gefunden, welche immer den römischen Alterthümern von Häven in Meklenburg und unter sich gleich sind, namentlich bronzene Krateren, Kellen und Siebe und gläserne Becher und Perlen. Die dänischen Alterthumsforscher stellen diese Sachen in die "ältere Eisenzeit", also in die Zeit, in welche ich die Gräber von Häven gestellt habe, halten die Alterthümer jetzt auch zum größern Theil für römischen Ursprunges, meinen aber, daß die hier begrabenen Menschen Dänen und die beigegebenen Geräthe Handelswaare sind. Das Dunkel kann nur erhellt werden, wenn man die Gräber, d. h. die Begräbnißweise, vollständig erkennen kann und wenn aus den Gräbern die Gerippe, namentlich die Schädel, erhalten sind. Virchow, welcher die in Kopenhagen aufbewahrten Schädel im Jahre 1869 untersucht

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hat, hat dieselben auch gemessen und die Messungen im Archiv für Anthropologie, Band IV, Heft 1, veröffentlicht. Er fand in Kopenhagen nur 3 Schädel aus der "altern Eisenzeit", von denen nur 2 aus sicher bekannten Gräbern mit unverbrannten Leichen stammen, die Schädel von Sanderumgaard und von Varpelev. Die Leichen waren nicht verbrannt und hatten nur römische Geräthe bei sich. Die Schädel fand Virchov "höchst ungewöhnlich", und zwar am Hinterhaupte stark ausgebildet. Der dritte, starkknochige Dolichocephale von Dueaasen auf Bornholm "steht im Ganzen dem Schädel von Varpelev näher". Erwägt man nun, daß die Bestattungsweise und die Alterthümer ganz abweichend und unter sich gleich sind, und daß diese, so wie die ungewöhnlichen Schädel wieder mit denen von Häven und Börzow in Meklenburg übereinstimmen, so gelangt man leicht zu der Ansicht, daß die also Begrabenen Römer oder doch wenigstens Fremde seien. Alle bisher bekannt gewordenen, schon ziemlich zahlreichen Gräber dieser Art stimmen jedenfalls in der Beigabe römischer Alterthümer genau, oft in den kleinsten Einzelheiten der Arbeit überein.

Im Folgenden werde ich einige der dänischen Gräber dieser Art vorführen, so weit meine Quellen reichen.


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Grab von Sanderumgaard auf Fühnen.

Im Sommer 1821 ward zu Sanderumgaard, Ansum Herred, Odensee Amt, auf der Insel Fühnen vor dem Garten dicht neben einem "Sandgrabe", in welchem schon früher ein paar Gerippe gefunden waren, wieder ein solches aufgegraben, welches viele offenbar römische Alterthümer bei sich hatte. Der Fund ist in Antiquariske Annaler, Bd. IV, Heft I, pag. 152 beschrieben. Die Alterthümer bestanden theils aus edlen Metallen, theils aus "Messing". Zu den Füßen fand man einen ziemlich großen "Metallkessel" (also wohl einen Krater), bei dem Kopfe einen kleinern (also wohl eine Kelle); um einen der Finger saßen zwei Spiral=Goldringe, und eine silberne Schnalle schien auf der Brust gelegen zu haben. Auffallend erschien immer der Schädel aus diesem Grabe. Daher beschrieb ihn Professor Eschricht zu Kopenhagen in Dansk Folkeblad 1837, Nr. 28-29, und lieferte dazu eine Abbildung in fast natür=

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licher Größe (pag. 115). Eschricht, welcher damals freilich noch von einem "Kupferalter" (d. i. Bronzealter) sprach und das Begräbniß dahinein verweisen wollte, fand den Schädel so ganz ungewöhnlich, namentlich ungewöhnlich lang gebildet, wie ihm nie ein Schädel vorgekommen sei. Der Mensch war dazu ein "ungewöhnlich großer Mann" gewesen. Virchow hat nun diesen Schädel auch gemessen. Er sagt darüber (Archiv für Anthropologie a. a. O.) Folgendes: "Der Schädel von Sanderumgaard ist schon von Eschricht wegen seiner kolossalen Länge beschrieben. Der Schädel hat die kolossale Länge von 22,4 und einen Längsschädeldachbogen von 43,0, wovon 14,2 auf die Squama occipitalis und 15,2 auf die Sagittalnaht fallen, - höchst ungewöhnliche Verhältnisse. Es stimmt damit, daß die protuberantia occipitalis externa (Hinterhaupt) und die linea nuchae überaus stark ausgebildet sind und daß das Planum semicirculare sehr hoch hinaufreicht. Der Höhenindex beträgt 63,3, der Breitenindex 54,8, Höhe zur Breite = 106,2 : 100, Hinterhauptslänge 30,8". Es walten hier also alle besondern Verhältnisse vor, welche die Gräber von Häven zeigen, und man kann sich der Ansicht nicht erwehren, daß der Ursprung der Gräber hier wie dort gleich ist.


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Grab von Varpelev auf Seeland.

Fast ganz gleich mit den übrigen von mir für "Römergräber" gehaltenen Gräbern an Bestattungsweise und Alterthümern ist das Grab von Varpelev, welches mit Ruhe und wissenschaftlich untersucht und ausgebeutet werden konnte. In den Jahrb. XXXV, 1870, S. 225, habe ich in Folge der Entdeckung der "Römergräber" von Häven in Meklenburg den großen und schönen Fund von Varpelev zur Sprache und Vergleichung gebracht und meine Ueberzeugung aussprechen zu müssen geglaubt, daß dieses Grab auch ein "Römergrab" sei.

Der Vollständigkeit wegen wiederhole ich aus den Jahrbüchern hier diesen Aufsatz wörtlich.

In meiner Abhandlung über die neu entdeckten "Römergräber in Meklenburg" zu Häven habe ich oft ausgesprochen, daß ähnliche, ja selbst gleiche römische Alterthümer auf den dänischen Inseln oft, jedoch nie in einem Grabe oder mit

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menschlichen Skeletten zusammen, gefunden seien. Meine forschenden Freunde in Dänemark schreiben diese römischen Geräthe dem von ihnen gewiß richtig festgestellten "ältern Eisenalter" zu und meinen, daß die "Grabfunde" aus diesem Zeitalter "allemal einige römische Sachen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung" enthalten. Ich meine jetzt aber, daß umgekehrt solche Grabfunde ebenfalls Römergräbern angehören, welche zugleich auch etwas heimisches Geräth aus der ältern Eisenzeit enthalten.

Den vollen Beweis scheint mir der Fund von Varpelev zu geben, der mit den Gräbern von Häven und auch mit den Funden von Grabow, Heddernheim und andern vollkommen übereinstimmt. Der Varpelev=Fund ist schon im J. 1865 bekannt gemacht: "Varpelev Fundet, beskrevet af C. F. Herbst", in den "Annaler for Nordisk Oldkyndighed, 1861, p. 305-322", auch in einem Separatabdrucke "Kjöbenhavn, 1865", mit 3 Tafeln Abbildungen. Ich habe diese äußerst wichtige und merkwürdige Abhandlung leider bisher übersehen, beeile mich aber, da ich eine deutsche Uebersetzung gewonnen habe, den Hauptinhalt hier zur Vergleichung nachträglich mitzutheilen.

Im Junii 1861 ging bei dem nordischen Alterthumsmuseum zu Kopenhagen die Nachricht ein, daß auf dem Acker eines Hüfners im Kirchspiel Varpelev auf Seeland, in der Harde Stevens, im Amte Praestö, also südlich von Kopenhagen, nicht weit von dem Meere und der Insel Moen, eine Anzahl merkwürdiger Alterthümer entdeckt, die Fundstelle aber noch nicht ganz aufgedeckt sei. Alsbald eilte der Justizrath Strunk, Aufseher des Museums, dahin, um den Fund völlig aufzunehmen und nach allen Seiten hin festzustellen, wie der Justizrath Herbst ihn in der oben angeführten Abhandlung in der richtigen Ansicht beschrieben hat, daß vor allen Dingen nur gesammte und verbürgte Funde der Wissenschaft helfen können. Die Fundstelle zeigte keine Spur von einem Hügel und ward nur dadurch entdeckt, daß man beim Pflügen öfter auf einen Stein gestoßen war, den man jetzt entfernen wollte. Beim völligen Ausgraben zeigte sich, daß in gleicher Höhe 6 Steine auf Kiesaufschüttung lagen, die ein in dem festen Lehmboden ausgegrabenes und mit Kies ausgefülltes Grab deckten, dessen Boden ungefähr 4 Ellen (2,51 métres) tief unter der Erdoberfläche lag. In diesem Grabe lag das Skelet eines ausgewachsenen, ungewöhnlich hohen Mannes. Neben dem Skelet lagen, zum größten Theile an der rechten Seite, folgende Alterthümer:

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1) Ein einfacher Spiralring von dickem Golddrath, von 2 1/2 Windungen (1 3/4 Loth schwer, abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 1), correspondirend mit dem dicken Goldringe von Grabow, Jahrb. XXXV, S. 105.

2-3) Eine bronzene Schöpfkelle mit einem darein passenden Sieb (abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 2), genau so wie die Kellen und Siebe von Häven; vgl. Jahrb. a. a. O. S. 114 flgd. und Taf. I, Fig. 3 und 4.

4) Ein bronzener Krater ("Bronze=Vase") (abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 3), genau dem Krater von Häven S. 112 und Taf. II, Fig. 17, und auch dem charakteristischen Henkel desselben Fig. 17 a. gleich.

5) Der Bronzebeschlag eines hölzernen Eimers (abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 4) ganz dem Beschlage der hölzernen Eimer von Häven S. 118 und 130 und Taf. II, Fig. 16, gleich, auch in der Art der Verzierung durch Austreibung kleiner "Puncte" oder Halbkugeln.

6-8) Drei höchst merkwürdige Glasgefäße mit eingebrannten farbigen Figuren auf der Außenfläche (abgebildet bei Herbst, Taf. I und II und Holzschnitt im Texte), vielleicht Kunstwerke ohne gleichen. Auch zu Häven ward ein Becher von weißem Glase von derselben Größe gefunden, vgl. S. 114 und Taf. II, Fig. 20, welcher jedoch mit eingeschliffenen Halbkugeln und Strichen verziert ist, wie die übrigen in Dänemark gefundenen römischen Glasgefäße.

9) Einige Bruchstücke von einem Gefäße aus gebranntem Thon mit eingeritzten Schrägestrichen verziert, also ähnlich wie zu Häven, S. 122 und 123.

10) Dreizehn Stück runde Steine zum Brettspiel, von verschiedenen Farben, ungefähr 1 Zoll (2,6 Centim.) im Durchmesser, unten flach, oben schwach gewölbt, also genau so, wie die Steine aus dem merkwürdigen römischen Funde von Gr.=Kelle in Meklenburg, abgebildet in Jahrb. V, Lithogr. Fig. 10.

11) Einige Thierknochen, welche Professor Steenstrup der Graugans und dem Schwein zuschreibt, also wohl Reste der dem Todten mitgegebenen Fleischspeise.

Man sieht aus dieser Beschreibung, daß hier fast genau dasselbe Grab vorliegt, wie die Gräber zu Häven, und daß alle Alterthümer wohl sicher römische sind. Und dazu stimmt auch der bei Herbst in drei verschiedenen Ansichten durch Holzschnitt in dem Text unter Professor Steenstrup's Leitung der Merkwürdigkeit wegen abgebildete Schädel, welcher den Männerschädeln von Häven (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 141) völlig

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gleich, also auch wohl römischen Ursprunges ist. Ich kann daher nicht glauben, daß diese seltenen Kunstwerke der "ältern Eisenzeit hier im Lande gearbeitet" seien, sondern muß annehmen, daß das Grab von Varpelev auch ein Römergrab ist. Ganz ähnlich ist auch der a. a. O. oft verglichene schöne römische Fund von Himlingöie, welches "nur eine halbe Meile von Varpelev" liegt.

Ich muß daher zu dem Glauben gelangen, daß die von mir angenommene römische Handelsstraße von Nassau her über die jetzigen Häfen von Lübek, Wismar, Rostock und Stralsund zur See weiter nach dem Sunde an die Ostküste von Seeland ging, um so mehr, da die dänischen Inseln diesen Häfen so sehr nahe sind, indem man z. B. von dem Kreidevorgebirge Arkona die hohen Kreideufer von Moens=Klint mit bloßen Augen sehen kann. Schifffahrt auf kleinen Fahrzeugen ist auf diesem Wege gewiß seit uralter Zeit getrieben, da dieselbe zur heidnischen Zeit der Wenden geschichtlich verbürgt ist, und damals bauete man sicher noch nicht große Schiffe; man wird aber wohl nicht weite Fahrten unternommen, sondern immer nur die nächsten Küsten aufgesucht haben.

Auch den Schädel aus diesem Grabe hat Virchow später untersucht und gemessen; er urtheilt darüber folgendermaßen. "Auch ist hier das Hinterhaupt stark ausgebildet, die Protuberanz sehr entwickelt, dabei die Supraorbitalhöcker stark. Die Dolichocephalie ist demnach sehr ausgebildet."


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Gräber von Himlingoie auf Seeland.

Nahe bei Varpelev auf Seeland war ein langer, niedriger Hügel, Namens Bavnehoi, bei desen Abtragung man von 1828 bis 1835 auf viele Alterthümer stieß. Leider geschah die Aufdeckung nicht regelmäßig und unter wissenschaftlicher Aufsicht. Jedoch sind die meisten Alterthümer und die Berichte über deren Auffindung an das Museum zu Kopenhagen gelangt. Hiernach war der Hügel ein Begräbnißplatz, in welchem die Leichen unverbrannt in der Erde ohne Steinsetzungen begraben waren. Die den Leichen beigegebenen Alterthümer waren meistentheils werthvoll; jedoch ließen sich zwei Arten unterscheiden: Geräthe einheimischen

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("barbarischen") Styls und Geräthe römischen ("antiken") Styls. Jetzt ist die Beschreibung dieses Fundes mit Abbildungen von Engelhardt in den Mémoires de la Société Royale des Antiquaires du Nord, Copenhague, 1869, pag. 262 sq. herausgegeben. Nach dieser Darstellung wurden in dem Hügel mehrere menschliche Gerippe gefunden und an Alterthümern, außer einigen goldenen Ringen, einheimischen Hefteln und andern Sachen, ein Krater, eine Kelle, ein Sieb, ein Eimer, eine Schale, eine Heftel, alles aus Bronze, ein silberner Becher, mehrere gläserne Gefäße, z. B. ein Trinkhorn und ein Becher, farbige Glasperlen, Perlen und Bommeln aus Bernstein, ein Kamm aus Bein u. a. m. Alle diese Sachen sind unzweifelhaft römisch und gleichen ganz den zu Häven gefundenen; dieser Begräbnißplatz stimmt also ganz mit dem von Häven überein. Höchst merkwürdig sind die Bommeln von Bernstein, welche bei Engelhardt a. a. O. S. 265, Fig. 4, a, im Texte durch Holzschnitt abgebildet sind. Diese Bernstein=Bommeln, welche birnenförmig gestaltet und oben mit einem durchbohrten Knopfe versehen sind, sind genau von derselben Größe und Gestalt wie die in den "Römergräbern" zu Häven gefundenen (vgl. die Abbildung in den Jahrb. XXXV, Taf. I, Fig. 16), und finden sich sonst nicht weiter; es ist nicht anders denkbar, als daß alle diese Bommeln von einer und derselben Hand gemacht sind: die verschiedenen Fundorte deuten also auf einen unmittelbaren Zusammenhang beider. Wenn sich nun auch die verschiedenen Gräber in diesem Hügel im Einzelnen nicht mehr genau feststellen lassen, so ist es doch unzweifelhaft, daß hier Leichen mit römischen Geräthen neben einheimischen begraben wurden, nach meiner Ansicht also Römer neben Dänen, ähnlich wie zu Börzow. Engelhardt schreibt diese Alterthümer der "ersten Eisenzeit" (ungefähr 250-500 n. Chr.) zu, spricht sich aber noch nicht bestimmt über Herkunft und Zeit derselben aus. Er sagt nur: "Die einen Funde dieser Zeit umfassen zugleich "römische und barbarische Gegenstände, eine Mischung, welche sich in fast allen Funden dieser Periode findet, die andern, seltenern enthalten nur römische Gegenstände, durch welche man wahrscheinlich zur Bestimmung der Zeit gelangen wird, wenn man erst ein größeres Material gesammelt haben wird." Engelhardt geht auf die von mir aufgestellte Ansicht nicht ein, obgleich er meine Abhandlung schon kannte, indem er sie z. B. pag. 266 und 270 citirt, sondern begnügt sich mit der Beschreibung der gefundenen

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Sachen und hält einstweilen an dem weitern Begriffe des "ersten Eisenalters" fest. Er sagt am Schlusse seiner Abhandlung pag. 271: "Es ist ohne Zweifel, daß die Gefäße von Glas und Bronze alle römische Producte sind, eingeführt in Dänemark durch Kaufleute, deren Weg einst vielleicht bestimmt werden kann durch Hülfe von Funden ähnlicher römischer Alterthümer in Meklenburg, Hannover und bis in Hessen." Ich möchte dagegen meinen, daß alle Gräberfunde, welche, mit Ausnahme von einigen thönernen Gefäßen, nur unverbrannte Leichen und ächt römische Geräthe enthalten, römischen Leichen angehören, wie die großen Gerippe und abweichenden Schädel zu beweisen scheinen.


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Grab von Thorslunde auf Seeland.

In den neuesten Zeiten ist auf Seeland wieder ein Fund "aus dem ältern Eisenalter" gemacht, über den ich jedoch bis jetzt nur briefliche Mittheilungen von dem Herrn Justizrath Strunk zu Kopenhagen habe. Im Herbst 1870 wurden zu Thorslunde in der Nähe von Roeskilde in einer Grandgrube folgende Sachen gefunden: ein Henkel und viele Bruchstücke von einem Eimer (wahrscheinlich Krater) von getriebener Arbeit, eine Kasserole (Kelle), ein Sieb, eine eigenthümliche Kasserole mit sehr langem Griff, ein Kamm von Knochen und ein Bruchstück von einem andern Kamm, drei merkwürdige Glasgefäße mit aufgemalten und eingebrannten Verzierungen und Figuren, ähnlich den Glasgefäßen von Varpelev. Die Justizräthe Strunk und Herbst reisten sofort nach der Fundstelle, um weiter zu forschen, fanden aber nur noch ein Paar kleine Bronzebeschläge mit Bekleidung von Silber, mehrere kleine Bronzestücke, Menschenknochen und einige kleine Thierknochen. Es erscheint hier also wieder genau dasselbe römische Grab, wie an den andern hier beschriebenen Fundstellen. - Später bespricht Engelhardt in seiner oben erwähnten Abhandlung S. 441 (10) diesen Fund auch und sagt dabei, daß die Alterthümer, wie es scheine, neben "einem Skelet" gefunden seien. Er nennt das gefundene "Eimer" auch eine "Bronzevase".


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Grab von Vallöbye auf Seeland.

In den jüngsten Zeiten ist, nach den Mittheilungen des Herrn Justizraths Strunk zu Kopenhagen, auf Seeland zu Vallöbye, wieder im Amte Prästöe, also nicht weit von Varpelev und Himlingoie, durch einen Bauer ein merkwürdiger Fund entdeckt, welcher ohne Zweifel römischen Ursprunges ist. Es wurden gefunden:

1) Bruchstücke von zwei "Bronze=Gefäßen" (Krateren) mit dazu gehörenden Henkeln, wie Worsaae Nord. Oldsager Nr. 307;

2) Bruchstücke von einer Kelle ("Kasserole") und einem Siebe aus Bronze;

3) Bruchstücke von zwei silbernen Bechern mit in Feuer vergoldeten Ornamenten, wie Worsaae Nr. 314;

4) drei weiße Brettsteine ("brikker") von Glas, wie Worsaae Nr. 364;

5) fünf "konische Gegenstände" aus Bronze, Füße zu den Bronzegefäßen;

6) die Hälfte einer schönen, rothen Thonschale (sogenannte samische Arbeit) mit schwarzen und Relief=Verzierungen mit Bogenschützen, Hunden und Wildschweinen. Leider war beim Auffinden kein Sachkundiger zur Stelle und die Bruchstücke blieben längere Zeit unbeachtet. Auch ließ sich die Beisetzungsweise nicht mehr ermitteln. Wahrscheinlich war die Fundstelle auch ein Römergrab; denn alle gefundenen Stücke sind ohne Zweifel römischen Ursprunges und der ganze Fund gleicht ganz den vielen andern Funden, welche man für Römergräber halten muß.

Nach den vielen Funden zu urtheilen mag der südliche und südöstliche Theil der Insel Seeland und deren Küste in uralter Zeit ein Hauptpunkt des römischen Verkehrs gewesen sein, da er in der Mitte der dänischen Inselwelt und des schwedischen und deutschen Festlandes liegt, während der nördliche Theil der Insel, wie noch heute, stark mit Urwald bedeckt war. - Auch Engelhardt a. a. O. (vgl. oben S. 39) sagt S. 440 (9): "Römische Producte werden am häufigsten in den südlichen und namentlich südöstlichen Gegenden des alten Dänemarks angetroffen," und S. 441 (10): "Es ist klar, daß der Mittelpunkt auf Seeland gesucht werden muß."


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Römische Münzen

im Bereiche römischer Geräthe.

Leider sind in Meklenburg und Dänemark mit römischen Alterthümern zusammen noch nicht römische Münzen gefunden. Da aber ungefähr die Zone ermittelt ist, in welcher hier am häufigsten römische Geräthe (und Gräber) gefunden werden, so scheint es von Wichtigkeit zu sein, besonders die römischen Münzen ins Auge zu fassen, welche in der Nähe von Fundstellen römischer Alterthümer gefunden sind. Es wird von jetzt an bei hier gefundenen römischen Münzen viel darauf ankommen, den Fundort derselben festzustellen. Solche in der Nähe von Fundstellen in neuern Zeiten gefundene römische Münzen sind folgende.

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Römische Kupfermünzen von Cremmin.

In weiterer Betrachtung des großen römischen Fundes von Grabow (vgl. Jahrb. XXXV, S. 99 flgd.), welcher vielleicht aus einem Römergrabe stammt, dürfte es von Interesse sein, daran zu erinnern, daß zu Cremmin bei Grabow eine Kupfermünze des Kaisers Severus Alexander vom Jahre 227 auf dem Felde ausgepflügt ward (vgl. Jahrb. II, B, S. 52). In diese Zeit ungefähr werden auch die römischen Alterthümer von Grabow und Häven fallen (vgl. Jahrb. XXXV, S. 156-157).

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Römische Silbermünze von Brüel.

Im Anfange der vierziger Jahre ward bei der Stadt Brüel beim Bau der Chaussee von Brüel nach Schwerin, also ungefähr eine halbe Stunde von Häven, eine römische Münze gefunden und sehr bald in den Jahrb. VIII, B, 1843, S. 87 flgd. festgestellt und ziemlich richtig, jedoch nicht ganz genau, beschrieben. Die Münze ist ein Denar des Kaisers Commodus (180-192 u. Chr.) vom Jahre 187 n. Chr., welcher zum Theil sehr abgegriffen ist.

Av.: M COMM ANT P FEL AVG BRIT
     Lorbergekrönter Kopf, rechts gekehrt.
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Rev.: HILAR AVG [P M TR P XII] IMP VIII COS V P P
Stehende weibliche Figur, links gekehrt, in der Rechten einen kurzen Lorberzweig, in der Linken eine lange Palme haltend.

Bei schärferer Beobachtung lese ich am Ende der Unterschrift auf der Rückseite sicher IMP VIII COS V. Vorher ist für 8 jetzt schwer leserliche Buchstaben Platz, welche in [ ] ergänzt sind. Die Münze ist also die bei Cohen Descr. 545 aufgeführte und gleicht der in Catalogue de la collection de monnaies de feu C. J. Thomsen: Les monnaies antiques, T. II, pag. 176, Nr. 2430, aufgeführten Münze.

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Römische Silbermünze von Friedrichswalde.

Der Schüler Stüdemann zu Schwerin schenkte eine römische Silbermünze, welche im Herbst 1870 zu Friedrichswalde bei Brüel und Blankenberg gefunden ist, also ungefähr eine Meile von Häven und Bibow, wo bedeutende Funde römischer Alterthümer gemacht sind. Die Schwester des Schülers fand die Münze, welche sie für Blei hielt, am Wege im Sande und schenkte sie dem Bruder. Die Münze ist ein Denar des Kaisers Titus (69-81 n. Chr.) vom Jahre 79.

Av.: T CAESAR IMP VESPASIANVS
     Lorbergekrönter Kopf, rechts gekehrt. ("Sa tête laurée".)
Rev.: TR POT VIII COS VII
     Viergespann, links gekehrt, auf dem Wagen eine Blume. ("Quadrige à gauche sur lequel est une fleur".)

Dies ist, nach Grotefend's Nachweisung, dieselbe Münze, welche aufgeführt ist in Catalogue de la collection de monnaies de feu, C. J. Thomsen: Los monnaies antiques, T. II, pag. 78, Nr. 997.

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Römische Bronzemünze von Farpen.

Im Herbste 1871 ward zu Farpen, am Meerbusen von Wismar und in der Nähe des Ueberganges nach der Insel Pöl, auf einem Ackerstücke des Forsthofes

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von Farpen, in unmittelbarer Nähe des Hofes, beim Kartoffelsammeln eine gut erhaltene, kleine römische Bronzemünze des Kaisers Antoninus Pius (138-161) vom Jahre 161 n. Chr. gefunden.

Av.: Kopf des Kaisers ohne Lorberkranz:
     DIVVS ANTONINVS
Rev.: Links schauender Adler über einem bekränzten Altare:
     CONSECRATIO.
Vignette
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II. Zur Naturkunde.

Menschenschädel von Dömitz.

Von

G. C. F. Lisch und R. Virchow .


Mit einer Steindrucktafel.


Im Jahre 1871 ward bei Dömitz an der Elbe bei Gelegenheit des Brunnensenkens Behufs der Fundamentirung eines Fluthpfeilers für die Eisenbahnbrücke über die Elbe in der Tiefe ein merkwürdigem Menschenschädel gefunden, welcher auf Anordnung des Herrn Geheimen Regierungsraths und Bau=Directors Neuhaus zu Berlin durch den Herrn Abtheilungs=Baumeister Stuertz an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt und von diesem mit dem erforderlichen Fundbericht begleitet ist. "Der Pfeiler steht in der Nähe eines alten verlassenen Stromarmes, der nur bei höherm Wasserstande noch Wasser führt. Einige Fuß unter der Oberfläche fand sich eine nicht mächtige Kleischicht, welche offenbar vom Elbeschlick herrührt. Unter dieser Schlammschicht liegt Sand, welcher von kleinen Stückchen Kohle und, nach der Ansicht der Herren Ingenieure, mit Schichten von "Torf" durchzogen ist. In diesem Sande ist der Schädel gefunden; er ist 28 Fuß rheinl. unter der Oberfläche und ungefähr 20 Fuß rheinl. unter dem niedrigsten bei Dömitz beobachteten Wasserstande der Elbe ausgebaggert. Es ist freilich bei Baggerarbeiten die Tiefe, in der ein kleiner rundlicher Gegenstand seine

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Lagerstelle hatte, nicht sicher anzugeben, da der Boden im Baggerbeutel hervorgeholt wird, es also wohl möglich ist, daß ein derartiger Gegenstand oft lange Zeit vom Bagger bei Seite geschoben wird und später oder nach und nach beim Baggern tiefer sinkt und so recht wohl viele Fuß tiefer aufgefunden werden kann, als er vor Beginn der Baggerarbeit gelagert war." Jedoch wird der Schädel immer in großer Tiefe gelagert gewesen sein.

Von Bedeutung für die Beurtheilung des Schädels ist die Erkenntniß des Erdreichs, aus welchem die Lagerstelle besteht. Auf meinen Wunsch hat der Herr Baumeister Stuertz die Güte gehabt, Proben einzusenden.

Der Sand ist Kieselsand von der Art des Sandes des Meeresufers. In demselben finden sich ganz kleine Stückchen "Kohle", d.h. Braunkohle, "welche sich jedoch während des Baggerns in der Tiefe leicht unter den Sand mischen konnten." Das ganze Sandlager ist ohne Zweifel ein Diluvial=Gebilde und kein Alluvial=Gebilde durch die Elbe.

Der Sogenannte "Torf" liegt tief und fest in Schichten gesondert. Ich mußte von vorne herein daran zweifeln, daß so tief im Diluvial=Gebilde Schichten von comprimirtem "Torf" liegen sollten. Auf meine Bitten sandte Herr Baumeister Stuertz hinreichend viele und große stücke dieser braunen, festen Masse bis zu 6 Zoll lang und gegen 3 Zoll dick. Bei näherer Untersuchung ergab sich, daß diese schichten nicht Torf, sondern Braunkohle sind, welche leicht mit dem 1 Meile von Dömitz entfernten großen Braunkohlenlager zu Mallitz (oder Bockup) in Verbindung stehen können.

Um nun in der Forschung sicher vorgehen zu können, sandte ich ausreichende Probe und Nachricht an den Herrn Landbaumeister Koch zu Güstrow, welcher als kundiger Forscher und erfahrener Geologe den melkenburgischen Boden kennt und zu beurtheilen weiß 1 ). Derselbe schreibt Folgendes. "Das stück ist wahre Braunkohle und stammt sicher von dem Braunkohlengebirge zu Bockup, wird aber nicht da, wo es gefunden ist, als anstehend zu betrachten sein. solche Lager sind größere schollen und kleinere Trümmer, welche bei der Diluvialkatastrophe von dem Hauptlager abgerissen und verschwemmt worden sind. Ich habe in meiner kleinen schrift über die anstehenden Lager


1) "Herr Beyrich bestätigt die Zuverlässigkeit des Herrn Koch in der Bestimmung der geologischen Funde." Verhandl. der Berliner Gesellsch. f. Anthropol., 1872, s. 72.
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in der Gegend von Dömitz (Zeitschrift der Deutschen Geol. Gesellsch., 1856) auf solche Zerstörung der Ablagerungen zwischen Bockup und Karenz mehrfach hingewiesen und habe das gleiche Verhältniß bei allen anstehenden Lagern Meklenburgs, die ich untersucht habe, wieder gefunden, und zwar bestimmt nachweisbar. In diesen Umständen liegt auch der Grund für die so unendlich viel in Meklenburg (namentlich beim Brunnengraben) sich findenden, oft ziemlich großen Braunkohlenstücke im Diluvialsande. Den Sand, in dem diese Braunkohlenschollen im Elbthale liegen, habe ich im Sommer 1871 in Dömitz selbst gesehen: "es ist der reinste, klarste See= (Meer=)sand und nach meiner Ueberzeugung auch wirklicher alter Meeresgrund; dieser Sand und die eingelagerten Braunkohlen sind diluvialer Natur, mit dem darüber liegenden Schlick und Klei beginnt das Alluvium."

Es ist sehr zu bedauern, daß mit voller Genauigkeit und Sicherheit nicht zu ermitteln ist, wie tief und in welcher Schicht der Schädel ursprünglich gelegen hat. Es ist jedoch nicht zu bezweifeln, daß der vorstehende Fundbericht annähernd gewiß glaubwürdig und annehmbar ist. Dafür wird auch der Schädel selbst so viel als möglich reden.

Nach meinen Beobachtungen hat der Schädel eine tief dunkelbraune oder schwärzliche Farbe, welche tief 1 ) eingedrungen ist, der Farbe der Braunkohle gleich, welche ihn ohne Zweifel gefärbt und "versteinert" hat. Er ist sehr hart und fest, auf der Oberfläche glänzend und porcellanartig, fast wie versteinert, wie man zu sagen pflegt, dabei außerordentlich gut erhalten und wohl schwer zu beschädigen. Die Schädelknochen sind ungewöhnlich dick und der ganze Schädel außerordentlich schwer; der ganze Schädel hat ein Gewicht von 2 Pfund 2 Loth Zollgewicht und hat an diesem Gewicht in einem halben Jahre nichts verloren, obgleich er immer in einem warmen Zimmer gelegen hat, also vollständig ausgetrocknet sein muß; andere ausgewachsene Schädel aus mittelalterlichen und römischen Gräbern sind nur 1 Pfund 2 bis 6 Loth schwer. Die Schädelnäthe liegen noch klar und sind nicht verwachsen, die Backenknochen sind stark. Nach der Form ist der Schädel stark brachycephal oder vielmehr ein Rundkopf bei im Verhältniß regelmäßiger Ausbildung. Die Stirn ist stark hintenüber geneigt. Die


1) Die dunkelbraune Farbe des Schädels geht tiefer als die ähnliche dunkle Farbe der Knochen aus den Moor=Pfahlbauten der Steinzeit.
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Augenbrauenbogen sind sehr stark hervorragend und stoßen über der Nasenwurzel wie in einem starken Wulst hoch zusammen. Alle einzelnen Gliederungen sind stark ausgebildet.

Dieser Schädel ist nicht nur nach seiner Fundstelle, sondern auch nach seiner Bildung höchst merkwürdig und dürfte bei seinem unzweifelhaft sehr hohen Alter das Urbild eines norddeutschen Urmenschen repräsentiren.

Um in der Beurtheilung möglichst sicher zu gehen, sandte ich den Schädel an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin, welcher denselben genau untersucht hat. Derselbe sprach schon in der Sitzung der Berliner Anthropologischen Gesellschaft vom 9. Dec. 1871 im Allgemeinen die Ansicht aus, daß der Schädel ein "entschiedener Rundkopf" sei (vgl. Correspondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, 1872, März, Nr. 3, S. 2). Später hat Virchow in der Sitzung der Berliner Gesellschaft vom 10. Febr. 1872 den Schädel einer genauen Untersuchung unterworfen, welche in den Verhandlungen der Anthropologischen Gesellschaft zu Berlin, 1872, S. 71 flgd. und mit Virchow's Erlaubniß unter Mittheilung einer Tafel 1 ) mit Abbildungen dieses Schädels hier wieder gedruckt ist.

Nach Mittheilung des von mir hier in der Einleitung gegebenen Fundberichtes "legt Virchow der Gesellschaft den übersandten Schädel vor und knüpft daran folgende Bemerkungen."

"Der in allen Teilen mit Ausnahme des linken Oberkieferrandes und der inneren Theile der Orbitae vortrefflich erhaltene Schädel, dem leider der Unterkiefer fehlt, kann als ein Muster eines uralten Torf= oder, wie man hier vielleicht sagen könnte, Braunkohlenschädels gelten. Er hat jene dunkelgraubraune, fast schwarzbraune Farbe, jenes dichte, glänzende Aussehen, jene Festigkeit und Schwere, welche einen nahezu fossilen Zustand anzeigen. Die starke Abschleifung der Zähne, wie die mächtige Entwickelung aller Knochenabschnitte bezeichnen einen älteren Mann. Die starken und ausgedehnten Muskelinsertionen deuten zugleich auf große Stärke und Wildheit hin. Am Hinter=


1) Hierbei eine Steindrucktafel. - Virchow hat seinem in der gedachten Berliner Zeitschrift für Ethnologie a. a. O. gedruckten Vortrage eine Tafel (Taf. VII.) mit Abbildungen dieses Dömitzer Schädels in 5 Ansichten beigegeben und unserem Vereine gestattet, einen Abdruck derselben für die Jahrbücher zu erwerben, welcher der gegenwärtigen Abhandlung angefügt ist.
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haupt ist die in der letzten Zeit von Herrn Merkel beschriebene Linea nuchae superior stark abgesetzt und die ganze Fläche der Schuppe unterhalb durch zahlreiche längliche Gruben uneben. Die Lineae semicirculares temporales reichen bis über die Tubera parietalia hinauf und nähern sich dicht hinter der Sutura coronaria bis auf 118 Millim.; die Jochbogen sind, obwohl nur mäßig ausgelegt und auf der Fläche stark gebogen, abstehend; die Alae temporales des Keilbeins am obersten Theil sehr breit, rechts 34,6, links 32,6 Millim. im Querdurchmesser, auf der Fläche von oben nach unten stark eingebogen; die Schuppen der Schläfenbeine steil und platt, verhältnißmäßig schmal, im Durchschnitt etwa 68 bis 69 Millim. lang (von vorn nach hinten); die obere Schläfengegend sehr ausgelegt und deswegen der Schädel trotz der Vorragung der Jochbogen kryptozyg. Die Processus mastoides sehr kräftig und die Incisur an ihrer Basis tief und gerade. Der Charakter der Wildheit wird sehr verstärkt durch einen leichten Prognathismus der oberen Alveolarfortsätze, durch einen kolossalen hyperostotischen Wulst über der Nasenwurzel und durch eine stark zurückgelegte, fast ganz flache Stirn, deren Glabella gegen die Horizontallinie fast einen Winkel von 45° macht. Der Gesichtswinkel (äußerer Gehörgang, Spina nasalis inferior, Nasenwurzel) beträgt 75°. Die Augenhöhlen sind breit und groß, die Supraorbitalränder dick und stark überragend, die Incisur fast ganz verstrichen. Die Nasenwurzel von mäßiger Breite, etwas tief liegend, der Nasenrücken schmal, die ganze Nase auffällig niedrig (kurz)."

"Mit diesen Charakteren harmonirt die verhältnißmäßig geringe Capacität des Schädelraumes von 1380 Cubik=Centim., welche einigermaßen überraschend ist gegenüber dem Eindruck der Größe, welchen der Schädel macht. Es erklärt sich dieser Mangel wohl hauptsächlich durch die Depression der Stirn, da fast alle Maaße verhältnißmäßig große sind. Die allgemeine Schädelform ist die eines mäßigen Brachycephalus, der, wie schon Lisch mit Recht bemerkt hat, sich der von mir als trochocephalisch bezeichneten Varietät anschließt. Der Breiten=Index (Länge : Breite) beträgt 79,8, der Höhen=Index (Länge : Höhe) 76,5, der Höhen=Breiten=Index 95,8."

"Was die einzelnen Theile der Schädeloberfläche betrifft, so ist das Stirnbein groß, jedoch mit sehr flacher Wölbung, dagegen seitlich, auch unterhalb der Linea semicircularis, fast kugelig hervorgetrieben. Der Temporal=Durchmesser

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erreicht daher die ungewöhnliche Größe von 129,5 Millim. Die Tubera frontalia sind sehr flach; dafür findet sich, wie erwähnt, über der Nasenwurzel ein mächtiger Wulst; hier zeigt sich in einer Erstreckung von etwa 10 Millim. ein stark zackiger Rest der Sutura frontalis; von da aufwärts läßt sich eine schwache Erhöhung (crista frontans verfolgen. Die Tubera parietalia sind kaum erkennbar, die Emissaria zu beiden Seiten der Pfeilnaht dicht aneinander gereiht. Die Oberfläche zwischen den Lineae semicirculares an beiden Scheitelbeinen mit zahlreichen kleinen, flachen Knochenauswüchsen bedeckt, in der Breite wenig, in der Länge ziemlich gleichmäßig gewölbt. Die Sutura coronaria sehr stark, die Sagittans mäßig, die Sutura lambdoides wenig gezackt. An der Spitze der letzteren ein kleiner Schaltknochen. Der obere Theil der Squama occipitalis in regelmäßiger Fortsetzung der parietalen Curve gleichmäßig gekrümmt."

"Die Eigene des Foramen occip. magnum fällt nahezu mit der des harten Gaumens zusammen; der vordere Rand desselben springt bei rein vertikaler Stellung des Schädels bedeutend nach unten hervor. Die Gelenkfortsätze liegen an der vorderen Hälfte des Umfanges, treten sehr hervor und zeigen stark nach außen gerichtete Gelenkflächen. Die untere Hälfte der Apophysis basilaris nähert sich der horizontalen. Das Palatum ist kurz und breit; es mißt 40 Millim. in der größten Breite, 43 in der Länge, davon gehören 15 dem Os palatinum an, dessen hinterer Theil durch starke Muskeleindrücke uneben ist. Die Flügelfortsätze sind verhältnißmäßig wenig ausgedehnt und die Fossa pterygoidea im Ganzen schmal."

"Die Maaße im Einzelnen find folgende:

Größter Horizontalumfang 531.
Größte Höhe 140.
Entfernung des For. occip. von der vorderen Fontanelle 138.
Entfernung des For. occip. von der hinteren Fontanelle 119.
Größte Länge 183.
Sagittalumfang des Stirnbeins 130.
Länge der Sutura sagittalis 370 <    115.
Sagittalumfang der Squama occip 125.
Entfernung des Gehörganges von der Nasenwurzel. 109.
Entfernung des Gehörganges von dem Nasenstachel. 105,5.
Entfernung des For. occip. von der Nasenwurzel. 106.
Entfernung des For. occip. von dem Nasenstachel. 93.
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Entfernung des Eor. occip. (hinterer Rand) von der Wölbung des Hinterhauptes 58
Länge des Foramen occipitale 35.
Breite des Foramen occipitale 30.
Größte Breite 146.
Oberer Frontal=Durchmesser (Tub. front.) 68
Unterer Frontal=Durchmesser (Proc. zygomat.) 100,5.
Temporal=Durchmesser 129,5.
Parietal=Durchmesser (Tub. pariet.) 130.
Mastoideal=Durchmesser 125.
Jugal=Durchmesser 138.
Maxillar=Durchmesser 62.
Querumfang von einem Gehörgange zum andern über die vordere Fontanelle 372.
Breite der Nasenwurzel 27.
Breite der Nasenöffnung 25,6.
Höhe der Nase 46.
Breite der Orbita 38,5.
Höhe der Orbita 31.

Virchow.     

Dieser stark brachycephalische oder trochocephalische Schädel ist also nach Bildung, Beschaffenheit und Fundort ohne Zweifel sehr alt und dürfte die Urracedes norddeutschen Menschen bezeichnen.


In Meklenburg sind unter besonderen Umständen schon mehr Spuren ähnlicher Schädel gefunden, für welche auch ein hohes Alter spricht. Am meisten nähert sich der Dömitzer Schädel dem Schädel von Plau aus einem Sandgrabe, in welchem sich eine sitzende Leiche fand. Diese hatte noch gar kein Geräth aus Mineral, sondern nur Streitaxt aus Hirschhorn, Halsband aus durchbohrten Schneidezähnen und Diadem (?) von Eberhauern bei sich, wird also wohl über die Steinperiode hinausreichen. Dieser Plauer Schädel ist untersucht und mit Abbildungen beschrieben vom Professor Dr. Schaffhausen in Joh. Müller's Archiv für Anatomie etc. ., Jahrg. 1858, Heft 5, S. 453 flgd. und in den Meklenburg. Jahrbüchern, Jahrg. XXIV, 1859, S. 183, flgd. (vgl. Jahrb. XII, 1847, S. 400).

Virchow sagt an einer anderen Stelle a. a. O. S. 77 über beide Schädel Folgendes:

"Es ist von besonderem Interesse, den eben geschilderten brachycephalen Schädel von Dömitz zu sehen, der ein in

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jeder Beziehung merkwürdiges Spesen darstellt. Man konnte grade von einem solchen Schädel, welcher in so großer Tiefe gefunden wurde und der den ganzen Habitus des eigentlichen Torfschädels oder, wenn man will, Braunkohlenschädels an sich trägt, glauben, er stelle den Typus der eigentlichen Urbewohner der norddeutschen Ebene dar und er möchte einem alten Tschuden der finnischen oder esthnischen Race angehört haben."

"Bevor ich diese Frage weiter verfolge, will ich noch einige Funde erwähnen. Lisch (Jahrb. Xll, 1847, S. 400) hat schon früher den Schädel eines bei Plau in hockender Stellung mit Horn= und Knochengeräth beigesetzten Skelets beschrieben, von dem Schaffhausen (Müller's Archiv, 1858, S. 472) eine genauere Schilderung geliefert hat. Leider ist die größte Breite nicht angegeben; - - - nichts destoweniger nähert sich der Schädel von Plau, den ich aus eigener Anschauung kenne, dem Schädel von Dömitz bis zu einem gewissen Grade."

Virchow.     


Bruchstücke von zerbrochenen ähnliche Schädeln, namentlich Stirnen, haben sich auch sonst in Meklenburg gefunden, z. B. bei Schwaan unter einer Leiche der Bronzezeit. Nach allen diesen Beobachtungen kann ich mich der Ansicht nicht erwehren, daß diese Kurz= oder Rundschädel mit den starken Augenbrauenbogen den Urmenschen des nördlichen Deutschlands repräsentiren, der vielleicht in die Diluvialzeit hineinreicht. Freilich sagt Virchow (a. a. O. S. 77), daß nach seinen Erfahrungen im nordöstlichen Deutschland nur wenige alte Schädel brachycephale Formen darbieten und ausgesprochene Brachycephalen sehr selten seien. Wenn ich aber im mittleren Norddeutschland die Menschen darauf ansehe, so kann ich, soweit es einem gelehrten Laien möglich ist, nur erkennen, daß hier bei Eingeborenen noch die brachycephale Form des Schädels vorherrschend ausgesprochen ist. Damit stimmt auch die Beobachtung Friedel's (im Corresp.=Bl. der deutsch. Gesellsch. f. Anthropologie, 1872, Nr. 4, S. 26) überein, nach denen sich in den Köpfen "der lebenden Holländer zwei scharf getrennte Typen unterscheiden lassen. Der nördliche, ein Rundkopf, mit starken Backenknochen und schlichtem, gelbem Haar, ist entschieden friesisch=germanischen Stammes. Im vollsten Gegensatz zu diesem steht der Südholländer mit ausgesprochen dolichocephaler Schädelbildung."


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Von Werth für die Beurteilung des Dömitzer Menschenschädels ist die Betrachtung dessen, was in der Nähe desselben beim Brückenbau unter dem Elbbette gefunden und auch von dem Herrn Baumeister Stuertz eingesandt ist.

Am 7. Nov. 1871 ward tief im Brunnen zu dem Pfeiler Nr. VIII. ein sehr großer Fischschädel gefunden. Nach genauen Vergleichungen ist dies der Schädel von einem Wels von ungewöhnlicher Größe. Er ist gut erhalten, ebenfalls steinhart, schwarzbraun, ja fast ganz schwarz von Farbe und glänzend. Es ist beim Baggern nur der Hinterkopf oder das Nackenbein abgebrochen. Das jetzt noch erhaltene Stück ist 28 Centim. (gegen 12 Zoll) lang, 9 Centim. (gegen 4 Zoll) breit in der Mitte und 13 Centim. (5 1/2 Zoll) breit in der Maulbreite. Das Thier hatte also eine nicht gewöhnliche Größe. Gefunden ist dieser Welsschädel in derselben Erdbildung, in welcher der Menschenschädel gefunden ist. Es giebt aus früheren Zeiten Nachrichten über den Fang sehr großer Welse. In den allerneuesten Zeiten sind in Meklenburg in der Ober=Warnow bei Rostock wieder mehrere Welse gefangen. Nachdem im Anfang Mai 1872 5 kleinere Thiere von 3-4 Fuß Länge ins Netz gegangen waren, ward ein großes Thier gefangen, welches 6-7 Fuß lang und 80 Pfund schwer war. Einige Tage später ward daselbst wieder ein Wels gefangen, welcher 8 Fuß lang und 110 Pfund schwer war; den Kopf, welcher 40 Pfund schwer war, erwarb das zoologische Museum der Universität Rostock. Bald darauf wurden ebendaselbst wieder mehrere Welse mittlerer Größe gefangen, von denen ich einen Kopf erhandelte, dessen Schädel 17 Centim. (7 Zoll), also ungefähr halb so lang ist, als der Dömitzer Schädel.

Außerdem sind beim Brückenbau bei Dömitz an thierischen Ueberresten noch gefunden: ein Ende von einem Hirschhorn mit der Krone, ein durchschlagener und gespaltener Beinknochen von einer Kuh und ein Hundeschädel von alter Race. Alle diese Knochen sind dunkelbraun, wie Pfahlbauknochen, noch lange nicht schwarz, und scheinen viel jünger zu sein, können also keinen Einfluß auf die Beurtheilung des Menschenschädels haben.

Von größerer Bedeutung ist dagegen ein anderer Fund, welcher am linken Ufer der Elbe, Dömitz gegenüber, gemacht ist. Die Braunkohlen=Diluvialbildung setzt sich in der Gegend von Dömitz unter dem Bette der Elbe fort und kommt oft, wahrscheinlich nicht anstehend, sondern nur in Schollen, am linken Ufer des Stromes bis zur Göhrde

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wieder zum Vorschein. Aus dieser Gegend brachten im Anfange des Jahres 1872 die Zeitungen folgende merkwürdige Nachricht.

"Das Alluvium der Elbufer bei Hitzacker besteht hauptsächlich aus Sand und Kies=Hügeln, welche an der Elbe schroff abfallen. In diesem Sandboden finden sich auch einzelne Anhäufungen von Trümmern anderer Gesteine, wie Lehm und Kalk, welche in ihrer Mischung einen vorzüglichen Mergel geben. In solchen Mergelgruben sind gelegentlich merkwürdige paläontologische Gegenstände gefunden. Nachdem vor längerer Zeit in Drethem an der Elbe (bei Hitzacker) Hirschgeweihe gefunden waren, welche sich im Besitze des Oberamtmanns Ungewitter in Groß=Kühren (bei Neuhaus) befinden, sind vor kurzem Ueberreste von dem Kohlen=Rhinoceros (rhinoceros anthracius) bei Harlingen (bei Dannenberg) aufgefunden. In einer Schicht von schwarzem Mergel lagen die sehr gut erhaltenen Backenzähne mit sehr scharfen Schmelzleisten und ein Theil des Hinterschenkels. Dieselben sind im Besitze des Forstmeisters v. d. Bussche in Dötzingen (bei Hitzacker). Ebenso finden sich in dieser Gegend vereinzelt Braunkohlen und Bernstein. Von ersteren wurde in Werchau vor der Göhrde ein dem Anscheine nach größeres Lager gefunden." (Auch in Meklenb. Zeitung, 1872, No. 52, 2. März, Beilage, nach Hamburger Nachrichten, 1872, No. 51, 29. Febr.)

Nach diesen Nachrichten wandte ich mich in Veranlassung des Dömitzer Fundes an den Herrn Forstmeister v. d. Bussche zu Dötzingen, welcher brieflich folgende Auskunft ertheilt hat. "In Bezug auf die Anfrage, ob die im schwarzen Mergel gefundenen Ueberreste von Rhinoceros anthracius von dunkelbrauner oder schwärzlicher Farbe sind, erwiedere ich, daß ein sehr starker Knochen, sowie auch mehrere Zähne eine ganz schwärzliche Farbe haben und stark von Kohlenstoff durchdrungen sind. Leider sind mehrere Knochen und etwa 12 Zähne unbeachtet geblieben und von Findern fortgetragen; ich hoffe aber, daß im Laufe des Sommers bei niedrigerem Wasserstande noch mehr Theile in der Tiefe der Grube gefunden werden. Die Ueberreste habe ich vorläufig in Verwahrung."

Es scheint also unzweifelhaft, daß der Menschenschädel von Dömitz, sowie der Welsschädel) und das Rhinoceros von Harlingen einer und derselben Zeit, also dem Dilvium, angehören.

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Fast zu gleicher Zeit ist auch in Böhmen ein ähnlicher Fund gemacht, dessen Beschreibung zur Vergleichung und weiteren Verfolgung hier eine Stelle finden möge.

"Im Jahre 1871 ward bei Brüx in Böhmen 3 Fuß über der Braunkohle ein sehr schön gearbeiteter Steinhammer und Theile eines menschlichen Skelets gefunden. Die Ackerkrume beträgt daselbst 2 Fuß, dann kommt der Sand, und auf 1/2 Fuß Tiefe ward in diesem Sande (nach der geologischen Karte zu urtheilen, Diluvialsand) die Streitaxt gefunden, und 2 Fuß darunter das Gerippe mit dem Kopf in der angegebenen Tiefe, mit den Füßen noch tiefer. Der Fund ist an die geologische Reichsanstalt zu Wien eingesandt. Das Fragment des Schädels mit dem Stirnbein und dem obern Theil der Augenhöhlen erinnert, wie Hofrath Rokitansky auf den ersten Blick erkannte, durch die außerordentlich flache und niedere Stirn ganz und gar an den berühmten Neanderthalschädel." (Auch in Meklenb. Zeitung, 1872, No. 13, 16. Januar.)

G. C. F. Lisch.     


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Anhang.

Menschlicher Unterkiefer von Wakendorf.

Bei Wakendorf bei Neu=Bukow, im Kirchspiel Mulsow, war früher ein See, welcher im Jahre 1792 abgelassen ist und dessen Fläche jetzt eine große Moor= und Wiesen=Niederung bildet, noch jetzt der Oberteich genannt. An den südöstlichen Rändern liegt eine Torfschicht, welche ungefähr 7 Fuß stark ist und viele Baumstämme enthält. Unter dieser Torfschicht liegt eine ungefähr eben so starke weiße Thonschicht, aus welcher vortreffliche Ziegel gewonnen werden. In dieser Thonschicht ward 1865 ein schönes, großes Rennthierhorn gefunden, welches von dem Gutsbesitzer Herrn von Oertzen auf Roggow den Schweriner Sammlungen geschenkt ist; vgl. Jahrb. XXXI, S. 119.

Auch die Torfschicht am südöstlichen Ende ist die Fundstätte mancher alterthümlicher Gegenstände. Neben verschiedenen Keilen und Meißeln fand Herr von Oertzen

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auch einen menschlichen Unterkiefer, welchen derselbe dem Vereine schenkte. Der Schädel hat sich trotz eifrigen Suchens noch nicht finden wollen. Der Unterkiefer ist stark, kurz und steil, und scheint den Rundköpfen der ältesten Zeit anzugehören und der Kinnlade des viel besprochenen ("Autochthonen"=) Schädels von Plau zu gleichen. Zwei nicht starke Backenzähne, welche von allen Zähnen allein noch erhalten sind, sind schon etwas abgeschliffen, aber gesund. Die Weisheitszähne sind im Durchbrechen. Die Farbe der Kinnlade ist schwarz, wie die der ältesten Pfahlbauknochen. Höchst wahrscheinlich sind hier uralte (Pfahlbau=) Ansiedelungen gewesen, wie auch Herr von Oertzen nach seinen Beobachtungen und den hier gemachten Funden annimmt. Die Farbe und Structur dieses Unterkiefers gleichen dem oben beschriebenen Dömitzer Schädel so sehr, daß man beide für zusammengehörig halten könnte, wenn sie nicht sicher über 12 Meilen von einander entfernt gefunden wären.

G. C. F. Lisch.     

Vignette
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Menschenschädel.
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