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V.

Ueber

den Wendischen Gott Zuarasici.

Von

W. Freiherrn von Hammerstein.
großherzogl. Meklenb. Strelitzischem Staatsminister.


T hietmar von Merseburg erwähnt bekanntlich, daß in dem Fano der Riedegost=Burg die Bilder der Götter und Göttinnen aufgestellt sind, "deren erster Zuarasici genannt und vor den übrigen von allen Heiden geehrt und angebetet wird 1 )". Statt Zuarasici las man früher Luarisici, und in Folge dessen erschöpften sich unsere Gelehrten in zum Theil wunderbaren Deutungen; Schafarik machte daraus einen Luva-Racic oder Leo regulus, und selbst Hanusch in seiner Wissenschaft des Slavischen Mythus huldigte noch im Jahre 1842 dieser Auslegung. Da gab der fast zu gleicher Zeit mit Thietmar's Chronik geschriebene Brief des Erzbischofs Brun an König Heinrich II. vom J. 1008 (Giesebrecht Kaiserzeit II, S. 602) das Licht, daß man nur falsch gelesen hatte und es im Thietmar Zuarasici heiße, indem dieser Brief die Stelle lieferte: Quomodo conveniunt Zuarasi vel diabolus et dux sanctorum vester et noster Mauritius? qua fronte coeunt sacra lancea et quae pascuntur humano sanguine, diabolica vexilla? non credis peccatum, o rex, quando christianum caput, quod nefas dictu, immolatur sub demonum vexillo? Damit Waren alle jene Auslegungen vernichtet; man wußte nun, daß der


1) Quorum primus Zuarasici dicitur et prae caeteris a cunctis gentilibus honoratur et colitur.
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erste Gott der Wenden Zuarasici und nicht Luarisici genannt wurde. Aber viel weiter war man damit nicht; denn keine einzige Urkunde außer jenen beiden ersten Stellen erwähnt des ersten Gottes der Wenden mit diesem Namen; ob es ein selbstständiger Gott sei, ob der Name nur der Nebenname eines sonst schon bekannten Wendischen Gottes sei, blieb ganz ungelöset, und es scheinen selbst unsere Slavisten, nachdem sie an dem falschen Luarisici sich erschöpft haben, den Muth verloren zu haben, dem für sie neugeborenen Zuarasici weiter nachzuforschen. Hier bleibt daher noch Raum zur Forschung, und es scheint, daß man der Sache doch näher kommen kann, wenn man die äquivalenten Worte der verschiedenen, noch jetzt ergründbaren Wendischen Mundarten aufsucht.

Auf diesem Wege fanden wir zunächst in der Mundart der Lüneburgischen Wenden (Drewaner) laut des von Potocki mitgetheilten Wörterverzeichnisses: Szeratz=Teufel, und das alte Böhmische Wörterbuch S. 55 und 423 hat einen Szaredec oder Szarzedecz, den es ebenfalls mit Azmodeus oder Teufel übersetzt. Die Uebereinstimmung mit Zuarasi und Zuarasici ist hier wohl nicht zu leugnen. Hiernächst scheint fast Zusammenhang mit den in Lausitzischer Mundart vorkommenden Worten: Zarocer, Beschwörer, Zarocic, beschwören (siehe Pfuhl's Wörterbuch S. 984) um so wahrscheinlicher, als das Wort besonders von der Teufelsbeschwörung (certow) gebraucht wird; näher liegt jedoch das Diminutivum von Cert, Teufel, welches als cercik erscheint (das. S. 75), und besonders zu beachten ist, daß Stratec Gespenst ist (das. S. 679). Damit vergleiche man, daß Ztracec Sytiwratow zin (Sohn des Sitiwrat), Radegast aber des Stracec Sohn ist (siehe Grimm Mythol. S. 227-228), Radegast aber auch Enkel des Kirt oder Cert (Radihost wnuk Kirtow, laut Mater verborum S. 14). Hier haben wir daher eine doppelte Bedeutung des Wortes Zuarasici, einmal die des Teufels, des bösen Gottes, überhaupt desselben, welchen Helmold (Lib. I, 52) als Zernebog dem Belbog gegenüberstellt, und so ist die Bedeutung auch vom Erzbischof Brun im Briefe an König Heinrich II. aufgefaßt in den Worten: Zuarasi vel diabolus. Daneben aber geht die Bedeutung des Ztracec als Vaters des Radegast, und die letztere Auffassung könnte den Schlüssel dazu geben, daß Thietmar den Zuarasici als primus deorum bezeichnet; denn in einem Tempel, in welchem vorzugsweise der Radegast verehrt wurde und welcher dessen Namen trug, kann sehr wohl der Vater

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desselben als primus deorum bezeichnet gewesen sein. Immerhin ist es jedoch natürlicher anzunehmen, daß auch hier dem Zuarasici des Thietmar nur die allgemeine Bedeutung des Teufels oder bösen Gottes unterliegt. Thietmar wird aus dem Redarierlande die Kunde erhalten haben, daß der erste der in Rethra oder Riedegost verehrten Götter Zuarasici genannt werde, d. h. Teufel oder der böse Gott; mit dieser Bezeichnung war aber gerade nur Radegast, der durch andere Zeugnisse bekanntlich festgestellte Hauptgott des Fani zu Rethra oder Riedegost gemeint, welcher allerdings als Kriegsgott, als der Gott, welchem die gefangenen Christen geopfert wurden, die Bezeichnung als Teufel oder böser Gott sehr wohl haben konnte. Zu beachten bleibt jedoch noch, daß nach Matthaei's Wendischer Grammatik das Wort Saradzici mit: Rath und That geben, übersetzt wird. Es könnte auch dieses Wort identisch sein mit Zuarasici, aber dann wäre der Name immer nur ein Eigenschaftswort für den Radegast, der allerdings nach den vorhandenen Zeugnissen als der höchste Rath= und Thatgeber der Wendischen Völker sich darstellt. Auf einen besonderen Gott, der den Namen Zuarasici führte, neben dem Radegast wird man nach allem diesem zu verzichten haben, und damit erklärt es sich auch, daß keine andere Quelle einen so genannten besonderen Gott aufführt; selbst die reiche Kenntniß eines Hanusch und anderer Slavisten, welche sich die Ermittelung des Slavischen Mythus zur Aufgabe gemacht haben, hat einen Special=Gott Zuarasici nirgends gefunden; um so natürlicher möchte die obige dieser Benennung gegebene Deutung sein.

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