zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 171 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

VII.

Tycho Brahe

und

seine Verhältnisse zu Meklenburg.

Von

G. C. F. Lisch .


E ine außerordentlich bedeutende Erscheinung in der wissenschaftlichen Welt ist der berühmte Astronom Tycho Brahe, welcher auch vielfach in Berührung mit Meklenburg stand und dadurch für uns von geschichtlicher Wichtigkeit ist. Es kann hier nicht der Zweck sein, eine Lebensbeschreibung 1 ) dieses Mannes zu bearbeiten; es sollen hier nur seine Beziehungen zu Meklenburg in das rechte Licht gestellt werden, da ich das Glück gehabt habe, im Staats=Archive zu Schwerin einige Papiere, namentlich zwei Briefe von Tycho Brahe, zu entdecken, welche zum Theil bedeutenden Aufschluß über sein inneres Leben geben und deren Mittheilung und Erläuterung Gegenstand dieser Zeilen ist.

Tycho Brahe ward am 14. Dec. 1546 zu Knudstrup in Schonen geboren. Seine Aeltern waren Otto Brahe († 1571), Reichsrath, Herr auf Knudstrup in Schonen, und Beate Bille († 1605), Tochter des Reichsraths Claus Bille auf Lyngsgaard in Schonen († 1558), beide aus altadeligen dänischen Geschlechtern stammend. Seit früher Jugend ward Tycho in den Wissenschaften ausgebildet und


1) Sicherm Vernehmen nach wird in Dänemark eine qullenmäßige Biographie des großen Astronomen vorbereitet.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 172 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu den Rechte und Staatswissenschaften bestimmt; aber die Erscheinungen am gestirnten Himmel zogen ihn gewaltsam immer mehr zur Sternkunde. Er studirte 1559-1565 zu Kopenhagen, Wittenberg und Leipzig. Nachdem er 1565 durch den Tod seines Wohlthäters und Oheims Jürgen Brahe zur Rückkehr nach Dänemark veranlaßt gewesen war, ging er zur Fortsetzung seiner Studien bald wieder nach Deutschland zurück, zunächst nach Wittenberg, von hier aber, nachdem die Pest ausgebrochen war, im Herbst 1566 nach Rostock 1 ), wo er im October 1566 immatriculirt ward: "Tycho Brahe, natus ex nobili familia in ea parte regni Danici que dicitur Scania", und zwei Jahre blieb. Tycho Brahe verkehrte in Rostock vorzüglich mit den beiden bedeutenden Professoren Levinus Battus und Heinrich Brucäus, beide Mediciner, Mathematiker und Astronomen und vom Herzoge Ulrich von Meklenburg=Güstrow geschätzt und begünstigt, auch mit den Professoren Chyträus und Bacmeister. Nach seiner zweiten Rückkehr nach Dänemark "fand er einen neuen Gönner an seinem mütterlichen Oheim Steen Bille, welcher ihm zu Heeritzwad bei Knudstrup eine Sternwarte einrichten ließ". Von hier erregte er durch Entdeckungen am Sternenhimmel, z.B. im Jahre 1572, Aufsehen, so daß er die Aufmerksamkeit des bedeutenden Königs Friedrich II. († 1588) auf sich zog, welcher sich so eben mit der schönen, hoch verehrten und viel geliebten Sophie, Tochter und einzigen Kinde des Herzogs Ulrich von Meklenburg, vermählt hatte. Jedoch ging Brahe, da in der gewöhnlichen Welt seine Bestrebungen gering geachtet wurden, wieder einige Jahre auf Reisen. Nach seiner dritten Rückkehr in die Heimath machte aber der König große Anstrengungen, ihn an seine Heimath zu fesseln, und ward "in vollem Sinne des Wortes sein und seiner Wissenschaft Gönner". Der König gab ihm ein Jahrgehalt von 2000 Thlrn. und schenkte ihm auf Lebenszeit die schöne Insel Hveen im Sund, und schoß zur Erbauung eines prächtigen Schlosses auf der Insel bedeutende Summen her, da die Insel für die wissenschaftlichen Zwecke Brahe's außerordentlich günstig gelegen war. Das Schloß, mitten auf der Insel, ward mit Rücksicht auf seine Bestimmung Uranien=Burg genannt und enthielt, außer einer Sternwarte und einer großen Destillirwerkstätte,


1) Vgl. Krabbe, Geschichte der Universität Rostock I, S. 705 flgd., welche für das Verständniß der damaligen wissenschaftlichen Bestrebungen in Rostock sehr wichtig und werthvoll ist. - Hier kann nur das Nothwendige aus bekannten Schriften zur Erläuterung aufgeführt werden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 173 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zahlreiche Anstalten und Annehmlichkeiten; die Insel hatte sogar eine Mühle, welche auch zur Papiermühle benutzt werden konnte, eine Buchdruckerei und viele andere Werkstätten und Merkwürdigkeiten. Ein nicht allein nach der Form, sondern auch nach dem Inhalt wahrhaft königliches Geschenk! In diesem Paradiese lebte Tycho Brahe in einer großen, glücklichen Gesellschaft über 20 Jahre lang ganz und allein der Wissenschaft.

In die glücklichste Zeit seines Lebens fällt nun der hier mitgetheilte Brief 1 ) an seinen Schwager Heinrich v. Below vom 7. Dec. 1587, dessen Bekanntmachung ein Hauptzweck dieser Zeilen ist, da der Brief über sehr wichtige Ansichten Brahe's vollkommenen Aufschluß giebt.

Heinrich v. Below, ein meklenburgischer Edelmann aus alter Familie, war der vorletzte der sechs Söhne des Nicolaus v. Below auf Kargow, Klink und Nossentin, und nach seines Vaters Tode Besitzer des Lehngutes Kargow bei Waren in Meklenburg. Er war in Meklenburg am 6. Dec. 1540 geboren und durch Wissenschaft und Erfahrung hoch ausgebildet. Im J. 1558 diente er (nach Latomus) mit zweien seiner älteren Brüder, Wilhelm und Adam, in Frankreich gegen die Spanier. Am 6. Januar 1568 bestellte ihn der hochgebildete Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg=Schwerin zum "Hofmarschall" wegen seiner Geschicklichkeit und Beredtsamkeit, wie Latomus "vom Adelsstande" sagt; so entfaltete er in Meklenburg zehn Jahre lang eine große Wirksamkeit. Im J. 1579 ward er vom Könige Friedrich II. von Dänemark mit Spöttrup in Jütland belehnt und zum Reichsrath und Befehlshaber des königlichen Schlosses Skivehuus im nördlichsten Theile von Jütland berufen, wo er seine Amtswohnung hatte. Am 18. Novbr. 1582 verlobte und am 10. Febr. 1583 vermählte er sich mit Elisabeth Skram und starb 1606 2 ). - Sein jüngster Bruder Joachim v. Below, auf Hinrichsberg, diente auch eine Zeit lang dem Könige von Dänemark und ward später auch Meklenburgischer Hofmarschall und Hauptmann zu Strelitz.

Die Verwandtschaft Tycho's Brahe mit Heinrich v. Below zeugt klar folgende Tabelle 3 ).


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
2) Nach der Leichenpredigt, welche ihm Bischof Niels Arctander in der Domkirche zu Viborg hielt und 1608 in den Druck gab.
3) Diese, so wie viele andere Nachrichten über diesen Gegenstand verdanke ich der Theilnahme des Herrn Kammerraths Strunk zu Kopenhagen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 174 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Stammtafel des Tycho Brahe

Sie waren also nicht Schwäger im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern Heinrich v. Below hatte Tycho's Brahe Mutterschwestertochter zur Frau.

Die Veranlassung, welche den Brief Tycho's Brahe an Heinrich v. Below hervorrief, war eine astrologische, und daher ist der Brief um so wichtiger, als Brahe sich selbst ausführlich über den Werth der Astrologie ausspricht. Es ist in allen encyklopädischen Werken zu lesen, daß Tycho Brahe "nicht ganz frei von dem Glauben an den Einstuß der Gestirne auf die Schicksale der Menschen gewesen sei, obwohl er das Verdienst habe, die gröbsten Vorurtheile und Irrthümer dieser Art glücklich zu bekämpfen und zu verdrängen". Auch Krabbe a. a. O., S. 705, Note, sagte, daß "seine astronomischen und seine astrologischen Deutungen nicht allgemeine Anerkennung fanden". Dies mag sich für die Zeit von 1567 nachweisen lassen: im Jahre 1587 hatte Brahe aber ganz andere Ansichten, als die hier angedeuteten, und man möchte aus dem ganzen sichern Tone seines Briefes wohl schließen, daß er nie andere Ansichten gehabt habe.

Der Herzog Ulrich von Meklenburg=Güstrow, der Schwiegervater des Königs Friedrich II., hatte sich, nach dem Geiste der Zeit, für das Jahr 1588 zwei "Prognostika" (Weissagungen aus den Gestirnen) kommen lassen, eine von Tobias Möller, die andere von Andreas Rosa. Da beide aber eine "widerwärtige Meinung" zeigten und nicht übereinstimmten, so ersuchte der Herzog den Heinrich v. Below, beide seinem Schwager Tycho Brahe vorzulegen und ihn darum zu befragen, welches von beiden "zutreffend", d. h. richtig sei.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 175 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Tycho Brahe antwortete aber am 7. December 1587 1 ) dem Heinrich v. Below ganz klar und nüchtern, daß

"er sich in astrologische Sachen, welche aus dem Gestirn Bedeutung herholen und Weissagung tractiren, nicht gerne einlasse,

sondern

sich etzliche Jahre her bemühet habe, allein die Astronomie, welche den wunderbaren Lauf des Gestirns erforsche, in eine gewisse und rechtmäßige Ordnung zu bringen, weil nur hiedurch vermittelst rechtschaffener Instrumente auf geometrischem und arithmetischem Grund und Gewißheit die eigentliche Wahrheit durch langen Fleiß und Arbeit gefunden werden könne".

Er stellt dann beide Prognostika in ihrer Blöße dar und meint, daß davon nicht viel zu halten sei, und sagt:

"Es sind diese astrologischen Weissagungen wie ein Kothurn, den man auf jedes Bein anziehen kann, groß oder klein, wie man will, weshalb er auch niemals etwas Sonderliches davon gehalten habe".

Wenn er freilich, sagt er weiter, dem Könige, seinem gnädigsten Herrn, alljährlich ein astrologisches Prognostiken zustellen müsse, so geschehe dies nur auf Seiner Majestät Befehl und Willen, wiewohl er selbst nicht viel darauf halte und nicht gerne mit solchen zweifelhaftigen Weissagungen umgehe, in denen man die eigentliche Wahrheit nicht durchaus erforschen könne, wie sonst in der Geometrie und Arithmetik, darauf die Astronomie durch fleißige Beobachtung des Himmels gebauet werde.

Er erklärt dann beide Prognostika für unrichtig und schickt sie seinen Schwager v. Below zurück. Er habe, fügt er hinzu, dem Könige für das Jahr 1588 ein schriftliches Prognostikon überreicht, aber keine Abschrift davon; wenn der Herzog dieses zu haben wünsche, so möge er sich selbst an den König wenden. Uebrigens werde nach seiner Meinung das nächste Jahr so werden, wie alle andern!

Heinrich v. Below übersandte aber Brahe's Schreiben 1 ) im Originale dem Herzoge Ulrich mit der Andeutung, daß "er aus seinem eigenen Schreiben seine Meinung ohne


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
1) Vgl. Anlage Nr. 1.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 176 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Zweifel am besten werde verstehen können", und enthielt sich aller weitern Bemerkungen 1 ).

Beide, Brahe und Below, benutzten außerdem ihre Briefe zur Erreichung anderer Zwecke, wie hier folgt.

Tycho Brahe wollte von seiner Buchdruckerei zu Uranienburg ein ziemlich großes astronomisches Buch ausgeben lassen, konnte aber zu dem Werke nirgends Druckpapier von der passenden Größe erhalten, wußte aber, daß in Meklenburg zu Grabow und Neustadt gute fürstliche Papiermühlen seien. Er richtete daher an Below die Bitte, daß der Herzog Anweisung gebe, daß für ihn 14 oder 15 Ballen nach der eingesandten Probe gemacht und in Rostock bei seinem Freunde Dr. Heinrich Brucäus gegen Bezahlung geliefert werden, damit er das Papier mit dem allerersten Schiff erhalte, weil ihm gar viel daran gelegen sei. Heinrich v. Below empfahl in seinem Schreiben dem Herzoge dringend die Erfüllung dieses Wunsches, in der Ueberzeugung, daß "Seine fürstliche Gnade solches fornämlich der löblichen Kunst der Astronomie zur Beförderung gerne thun werde". Dieses Werk ist ohne Zweifel: "Tychonis Brahe Dani De Mundi Aetherei Recentioribus Phaenomenis Liber Secundus, Qui Est De Illustri Stella Caudata ab elapso fere triente Nouembris anni 1577 vsque in finem Januarii sequentis conspecta. Uraniborgi Cvm Privilegio"; auf dem letzten Blatt: "Anno Domini M. D. LXXXVIII." Dieses Werk, in 4, ist in 3 Exemplaren auf der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen. Trotz der sorgfältigsten Durchsicht hat sich aber kein Wasserzeichen im Papier finden lassen 2 ).

Wenn Tycho Brahe am Schlusse seines Briefes seine liebe Mutterschwester Frau Maren, d. i. Maria, grüßt, so ist diese nach dem oben mitgetheilten Stammbaum Below's Schwiegermutter, Maren Bille, vermählte Skram, Brahe's Mutterschwester.

Heinrich v. Below hatte in dem Briefe auch eine kleine Angelegenheit bei dem Herzoge vorzutragen. Am 22. Aug. 1586 berichtete er von Helsingör, daß er zu dem Gute Kargow bei Waren, welches er "nun" von seinem Bruder Jürgen erkauft, von der Kirche zu Waren eine halbe Feldmark Gemekenhagen für eine jährliche Heuer in Gebrauch habe, mit dem ihm zugestandenen Vorkaufsrechte, das er jetzt


1) Der Brief des Heinrich v. Below an den Herzog ist "auf Schiffuehuß den 28. Decembris 1588" datirt. Dies muß aber nach allen Umständen durch 1567 erklärt werden: entweder ist 1588 ein Schreibfehler, oder Below fing das Jahr noch von Weihnacht an.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Kammerraths Strunk zu Kopenhagen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 177 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auszuüben gedachte. Am 9. Februar 1587 erließ daher der König Friedrich II. ein Vorschreiben für seinen "Reichsrath und Amtmann auf Schieffuehus Heinrich Below" an den Herzog Ulrich, demselben den Ankauf des halben Feldes zu gestatten. Dies kam auch zu Stande, da am Montag nach Invocavit Heinrich Below zu "Kargow erbsessen" (damals zu Stargard anwesend) sich auf 1700 Gulden für die halbe Feldmark Gemekenhagen verschrieb, welche er an seinen Bruder Wilhelm gewiesen, da er selbst nicht anwesend sein könne. Am 3. Juni 1587 war Heinrich v. Below in Güstrow. In seinem Briefe vom 28. December 158(7) bittet er den Herzog, dafür zu sorgen, daß die noch streitige Grenze zwischen Gemekenhagen und Schmachthagen richtig gemacht werde.


Ungefähr zu derselben Zeit spielte auch theilweise in Meklenburg eine andere Geschichte, welche die Familie Brahe scharf berührte. Im Jahre 1581 ward Tycho Brahe auf Tostrup und Hammer in Kopenhagen von Eler Crasse 1 ), seinem "eigenen Befreundeten", erschlagen. Dieser Tycho Brahe war ein Verwandter des Astronomen Tycho Brahe nach folgendem Stammbaum:

Stammtafel des Tycho Brahe

1) Er unterschreibt sich selbst: "Eler Chraß", Heinrich Brahe nennt ihn "Eler Crasse". In Dänemark wird er Eiler "Krasse" oder "Kravese" genannt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 178 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Eler Crasse zu Egholm, geboren 1524 und vermählt mit Hilleborg Bille, war ein sonst braver Mann und hatte die That "nicht vorsätzlich" begangen. Er mußte aber aus Dänemark flüchtig werden, da ihn Heinrich Brahe, des Erschlagenen Bruder und Vormund seiner unmündigen Kinder, scharf verfolgte. Eler Crasse hielt sich in Rostock auf und lebte hier in einer sehr unglücklichen Stimmung. In den Jahren 1584, 86, 91 und 93 wurden für ihn Geleitsbriefe ausgestellt, so daß er zum Besuche nach Dänemark sicher reisen konnte. Am 6. August 1584 bat er, von Rostock, die Herzogin Elisabeth, Gemahlin des Herzogs Ulrich von Meklenburg, Tochter des Königs Friedrich I. von Dänemark und Mutter der Königin Sophie, um Beförderung eines herzoglichen Vorschreibens um sicheres Geleit "zur Versuchung der vorhabenden christlichen Aussühne mit des seligen Tychen Brahen Brüdern und Freunden". Wenn auch Heinrich Brahe strenge gegen eine Begünstigung des Todtschlägers war, so legte die Herzogin doch bei ihm ein gutes Wort für Eler Crasse ein, "da er die That nicht vorsätzlich begangen habe, sondern was geschehen, aus Anreizung des leiden Teufels und sonderbarem Verhängniß Gottes hergeflossen" sei. Die Aussöhnung wird aber nicht zu Stande gekommen sein, da Eler Crasse am 4. Septbr. 1599 in Rostock starb. Eine Platte von vergoldetem Kupfer, welche auf seinem Sarge angebracht gewesen ist, wird im Museum zu Kopenhagen 1 ) aufbewahrt und trägt die Inschrift: "Hier liegt begraben der ehrliche und wohlgeborne Mann Eyler Kravese zu Egholm, welcher starb zu Rostock den 4. Septbr. im Jahre MDXCIX" u. s. w.

Ueber zwanzig Jahre lang hatte Tycho Brahe auf seiner reizenden und reich ausgestatteten Insel glücklich und wirkungsreich gelebt; noch am 7. Decbr. 1587 schrieb er im vollen Bewußtsein des Werthes der wahren Wissenschaft und im festen, ungetrübten Sinne den hier mitgetheilten Brief an Heinrich v. Below; da starb am 4. April 1588 sein großer Gönner König Friedrich, der härteste Schlag, der ihn treffen konnte. Sein Nachfolger Christian IV. war minderjährig und in seinen Handlungen durch den Reichsrath beschränkt. Daß Tycho Brahe bald Vernachlässigung erfahren mußte, darf nicht auffallen; aber auch Neid und Unverstand ließen ihn bald fühlen, daß man seine Bestrebungen nicht nach Verdienst zu würdigen wußte. Man entzog ihm


1) Nach Mittheilung des Herrn Kammerraths Strunk.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 179 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nach und nach alle die früher, sogar für Lebenszeit gewährten Unterstützungen. Und so sah er sich, nachdem König Christian im Jahre 1596 zur selbstständigen Regierung im Königreiche gekommen war, fast verfolgt, genöthigt, sein geliebtes Uranienburg und sogar Dänemark wie ein Flüchtling mit allem, was er fortbringen konnte, zu verlassen.

Tycho Brahe ging im Jahre 1597 zunächst wieder nach Rostock 1 ), wohin er auch sein vorräthiges baares Geld mit sich nahm.

Die meklenburgischen Herzoge Ulrich und Sigismund August, als Vormünder der jungen Herzoge Adolph Friedrich I. und Johann Albrecht II., Söhne des verstorbenen Herzogs Johann, brauchten grade damals "der vielen Ausgaben halber, so wegen ihrer unmündigen Vettern und Pflegesöhne, der jungen Herzoge zu Meklenburg, fielen", nothwendig eine bedeutende Summe Geldes, welches sie zu dem Zweck aufzuleihen suchten. Sie knüpften daher im Spätsommer 1597 zu Rostock mit Tycho Brahe Verbindungen an, welcher die Summe von 10,000 "harten Reichsthalern" bei sich hatte. Es begannen alsbald, da auch Brahe sein Geld untergebracht sehen wollte, ziemlich weitläuftige Verhandlungen über die Anleihe dieser Summe, welche sich jedoch etwas hinzogen, da Brahe, als gewiegter Mathematiker und Rechenmeister, allerlei Bedingungen machte, die nicht alle leicht zu erfüllen waren. Vor allen Dingen verlangte er eine "bürgliche" Verschreibung der Herzoge. Zuerst forderte er eine Verschreibung der 10 Bürgen auch für deren "Erben", wie dies in Dänemark, Holstein und vielen andern Ländern gebräuchlich sei. Da dies aber in Meklenburg nicht zu erreichen war, so gab er hierin nach. Die bürgliche Verschreibung war jedoch überhaupt so bald nicht zu erreichen, da die Bürgen erst befragt werden und dann die Verschreibung zur Besiegelung umhergeschickt werden mußte. Man brauchte aber bald Geld. Nun verstand sich auch Tycho Brahe dazu, das Capital auszuzahlen, wenn die herzoglichen Vormünder sich vorläufig persönlich verschrieben und ihm das Amt Doberan zu Pfande setzten, bis sie ihm die bürgliche Verschreibung besiegelt zu Michaelis 1597 einhändigen würden. Die Herzoge verstanden sich auch hiezu. Als aber der Hauptmann und der Küchenmeister von Doberan am 6. September 1597 in Rostock erschienen, um


1) Im Nordischen Alterthümer=Museum zu Kopenhagen wird noch eine Uhr aufbewahrt, welche Tycho Brahe's Namen trägt und den Spruch: "Quo fata me trahunt: 1597." Vgl. Engelhardt Guide illustré du Musée à Copenhague, 1868, p. 40.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 180 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gegen die herzogliche Interimsverschreibung das Geld in Empfang zu nehmen, verweigerte Brahe die Auszahlung, da in dieser Verschreibung nicht ausdrücklich der Zinsen gedacht und derselben nicht eine durch die herzogliche Unterschrift beglaubigte Abschrift der zu erwartenden bürglichen Hauptverschreibung beigelegt war. Sobald er eine solche Interimsverschreibung erhalten würde, wolle er auch das Geld selbst nach Doberan bringen, wohin er sich denn auch alsbald begab, wünsche jedoch am liebsten dort mit dem Landrentmeister Andreas Meyer die Sache persönlich bald abzumachen, da er sich bald von Rostock "auf Wismar und von dannen in Holstein zu begeben" denke. Die Zahlung des Geldes in Wismar an Andreas Meyer verweigerte er aber entschieden. Andreas Meyer sorgte nun baldigst für die Erfüllung der Wünsche Brahe's, auch damit dieser, der ziemlich stark "von Gesinde", den Fürsten zu Doberan nicht zu lange auf der Hand sein möge". So ward denn das Geschäft in Ordnung gebracht.

Die Hauptverschreibuug ward, wie bedungen war, vom Tage Bartholomäi (24. August) 1597 für "Tycho Brahe auf Knustorf im Reiche Dänemark erbgesessen" ausgestellt. Die 10 Bürgen waren folgende Angesessene vom Adel: 1) Khöne Wolfrath v. Bassewitz zu Maslow, 2) Clement v. Wangelin zu Vilist, 3) Jaspar v. Oertzen zu Roggow, 4) Hans Hahn zu Basedow, 5) David v. Bassewitz zu Dalwitz, 6) Henning Halberstadt zu Campz, 7) Caspar und 8) Christoph, Brüder, Behr zu Nustrow, 9) Joachim v. Bassewitz, Klosterhauptmann zu Dobbertin, und 10) Joachim v. Bülow zu Karcheetz.

Ein Jahr lang hielt sich Tycho Brahe theils in Rostock, theils in Holstein bei Heinrich v. Rantzau auf. Als sich die Stimmung gegen ihn in Dänemark nicht ändern wollte, nahm er endlich die großartige Einladung des Kaisers Rudolf II. an und folgte derselben nach Prag, wo ihm der Kaiser ein großes "Jahrgehalt aussetzte, ein ansehnliches Lehn versprach und das Schloß Benach" schenkte. Hier wurden auf des Kaisers Kosten wieder Sternwarte und Laboratorien, wie auf Hven, eingerichtet, und Brahe ließ dahin auch seine Instrumente und seine Familie bringen. Als er nach zwei Jahren das Schloß zu seinen Zwecken nicht ganz dienlich fand, siedelte er nach Prag über, wo "alle seine Instrumente eine Zeit lang im kaiserlichen Lustgarten beim Schlosse" aufgestellt wurden. Bald aber, ("neulich" 1600-1601) kaufte ihm "der Kaiser des gewesenen Reichs=Vice=Canzlers

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 181 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Jacobus Curtius ansehnliche und stattliche Behausung, so an einem hohen Ort äußerst an der königlichen Hauptstadt Prag gelegen, für 10,000 Thaler zu seinem und des astronomischen Studiums Nutzen" 1 ) und ließ es so einrichten, daß dort "alle seine Instrumente aufgestellt und Laboratorien gebauet" werden konnten.

Als nun Tycho Brahe in Böhmen unter reichem kaiserlichen Schutze sein Leben gesichert glaubte, gedachte er sich in Böhmen ganz ansässig zu machen und wollte zu diesem Zwecke seine 10,000 Thaler wieder aus Meklenburg ziehen.

In Gemäßheit der Verschreibung hatte Tycho Brahe Michaelis 1600 durch seiner Bevollmächtigten Eske Bille zu Kopenhagen, seinen Vetter 2 ), das Geld zu Ostern 1601 bei dem meklenburgischen Landrentmeister A. Meyer kündigen lassen. Tycho Brahe erinnerte selbst von Prag am 10. April 1601 den Herzog Ulrich daran, da ihm glaubwürdig berichtet sei, daß der Landrentmeister die Zahlung verweigere und andere große Aufgaben vorschütze, er aber das Geld nothwendig gebrauche, da er in Böhmen "Landgüter gekauft" habe. Aber aus der Zahlung zu Ostern ward nichts, da in Meklenburg Einnahmen ausblieben und der Landrentmeister noch in der "letzten Stunde bloß" gesetzt ward. Die Zahlung ward daher zu Johannis 1601 in Aussicht genommen. Auf Eske Bille's Mahnung entschuldigte sich der Herzog am 17. Junii bei diesem, indem er bat, sich noch "eine kleine und geringe Zeit zu gedulden", und gab dem Landrentmeister Befehl, jetzt für die Herbeischaffung des Geldes zu sorgen. Eske Bille schickte nun zu Johannis 1601 einen eigenen Diener zur Empfangnahme des Geldes nach Doberan, wo auch der Herzog Ulrich sich damals aufhielt und am 22. Junii dem Landrentmeister die Herbeischaffung des Geldes zur Pflicht machte, obgleich dieser wieder vorgegeben hatte, daß ihm Gelder ausgeblieben seien 3 ). Bille's Diener ward also vertröstet


1) Nach Tycho Brahe's Brief Anlage Nr. 2.
2) Die Verwandtschaft des Eske (Asserus) Bille welcher wohl sicher Eske Bille zu Svanholm auf Seeland war, ist wohl noch nicht sicher bestimmt. Ohne Zweifel war er ein Verwandter seiner Mutter Beate, geb. Bille, jedoch nicht deren Brudersohn.
3) Bei dieser Gelegenheit schickte der Landrentmeister Andreas Meyer zu Wismar dem Herzoge Ulrich am 21. Junii eine halbe Tonne, darin Auerhähne ("Vhrhanen") und Birkhühner sein sollten, die er aus Schweden bekommen hatte. Weil sie aber nicht mit genugsamer Butter" eingemacht waren, so waren davon nicht mehr als zwei zu gebrauchen. Der Herzog empfahl daher zu bestellen, daß künftig die Fässer ganz voll Butter gegossen würden, die man nachher zu anderer Notdurft in der Küche wohl gebrauchen könne".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 182 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und die Zahlung geschah wirklich wieder nicht zum Termine. Daher mahnte Tycho Brahe selbst von Prag am 18. Julii 1601 noch ein Mal. Der Herzog erwiederte, daß das Geld seit Johannis vorhanden sei, Bille's Diener sich aber nicht wieder gemeldet habe. Darauf war Eske Bille vor dem 9. August 1601 selbst "aus Dänemark um des Geldes willen" in Rostock angekommen und der Herzog befahl die Auszahlung vor seinem "Aufzuge von hinnen, welcher am Dienstag Morgen geschehen" sollte.

Die Abtragung der Schuld ward jetzt auch ins Werk gerichtet, da die eingelöste Schuldverschreibung noch vorhanden ist.

Die Mittheilung des Briefes 1 ) von Tycho Brahe vom 10. April 1601, in welchem er seine Lage in Böhmen schildert, ist der weitere Zweck dieser Zeilen, da er eben so willkommenen Aufschluß giebt, als der frühere Brief vom 7. Decbr. 1587.

Jedoch kaum war Tycho Brahe wieder auf dem Gipfel seines alten Glückes und Ruhmes angelangt, als der Tod ihn nach kurzer Krankheit schon am 24. October 1601 hinwegraffte.

Der Kaiser ließ ihn mit Pracht zur ewigen Ruhe bringen, sorgte kaiserlich nicht allein für seine zahlreiche Familie, sondern auch dafür, daß durch Johann Kepler 2 ) seine Bestrebungen fortgesetzt wurden. Auf der Insel Hven verschwand aber bald die letzte Spur von seinem Wirken.


1) Vgl. Anlage Nr. 2.
2) Fast zu gleicher Zeit mit Tycho Brahe mußte auch Johann Kepler, um seines lutherischen Glaubens willen, vorläufig im Herbst 1598, aber ganz im Herbst 1600 aus Gratz auswandern, um einer Einladung Tycho Brahe's nach Prag zu folgen. Kepler's Entlassungszeugniß vom 4. September 1600 ist in den neuesten Zeiten mitgetheilt in den Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark, Heft 16, Gratz, 1868, S. 187 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 183 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Anlagen.


Nr. 1.

Tycho Brahe an Heinrich v. Below.

D. d. Uranienburg. 1587. Dec. 7.

Meinen freuntlichen grues mitt wunschung alles guettes alzeitt beforr. Edler, Ehrnvester, freundlicher lieber Schwager vnd besonder vortraweter freundt. Neben Danksagung für vielfeltige erzeigete wolthaten kan ich dir freundtlicher wolmeinung nicht verhalten, das ich dein schreiben habe entpfangen vnd darinne ein Copie des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herren Hertzog Virichs zu Mechelburg an Dir geschriebene brieffs, worauß ich erfahre, das ihr furstliche Gnade begehrett von mir gnedichlich zu wissen, welcher meines erachtens von den beiden Prognosticatoribus Tobia Moller vnd Andrea Rosa dem Zcill neher zutrifft, ihndem daß der eine ihn diesem zukunfftigen 88 Jhar den Regenten des Jhars Jovem vnd Venerem, der ander Saturnum vnd Martem setzet, darahn sie nicht alleine keinstheils einig sein, sondern wie ihr Furstliche Gnade schreibet, gahr widerwertiger meinung haben; dan der eine macht beide beneficos Planetas, der ander beide maleficos (wie sie die Astrologi nennen) zum Regenten im selbigen Jhar, welchs gar contrarie bedeuttung bringett. Hierauff kan ich dir freundlicher meinung nicht bergen, das wiewoll ich in die Astrologische Sachen, welche bedeuttung auß dem gestirn herholen vnd weissagunge tractiren, mich nicht gerne einlaße, dieweill darauff nicht vhill zu bawen ist, Sondern allein die Astronomiam, welche den wunderlichen lauff des gestirns erforschett, in einen gewißen vnd rechtmessigen ordung zu bringen mich etzliche Jhar her bemuhet, dan darahn kan durch rechtgeschaffene In=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 184 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

strumenten nach Geometrisch vnd Arithmetisch grundt vnd gewisheit die eigentliche warheitt durch langwirigen fleiß vnd arbeitt gefunden werden, So habe ich doch nach ihrer Furstlicher gnaden begerung beide Prognostica, die du mihr zuschickest, (die ich doch nicht, wie du gemeinett hast, zuvor gehatt habe, dan ich niemals pflege solche practicen wider zu kauffen, noch zu lesen, ne bonas horas male collocem,) durchgesehen, den mangel, worahn es hafftett, das sie so widerwertige Judicia stellen, daraus zu suchen, vnd befinde, das sie in ihre Rechnung gar vnterscheidliche fundament gebraucht haben; dan der eine, nemlich Mollerus, bawett sein Calculation auf des hocherfarnen Copernici rechnung, der ander, Rosa, auff die alte durch des Königs Alphonsi in Hispanien liberalitet gemachte Tabeln, die man darumb die Alphonsinische nennett. Hirauß kömpt es, das der eine den anfang des Jhars in aequinoctio verno setzet ahm 10 tag Martii bey Neun vhr nach mittage, der ander ahm selbigen tag, aber vmb 2 Stunden nach der vorgehende Mitternacht, daß also zwischen beide ihre rechnung schier 19 gantze Stunden verlauffen, in welchen der himmel sich gar vil vorendern thutt, vnd kan gar ein ander Astrologisch Judicium darauß fallen, ebensowol als wen dar ein gantzes Jhar oder noch mehr zwischen wehre: Das darumb nicht zu vorwundern ist, das diese beide Astrologi in domino Anni nicht vberein stimmen, weil sie den auß der Figura Caeli introitus Solis in Arietem, wan daß vorbemelte aeqvinoctium vernum geschicht, pflegen herholen. Wiewol es auch lichtlich geschehn kan, das wan sie schon gleichmessige Tabeln vnd rechnungen volgeten, das sie gleichwoll in Dominis Anni vnd ihren gantzen Weissagungen gar widerwertige meinungen können fürgeben, das darauß leichtlich zu probiren ist, daß wan man hundertt der Prognosticken lisset, so befindett sich doch gahr selten, das einer mitt dem andern concordirett, dan sie bawen nicht alle auff gleichformige grundt ihn ihren Judiciis vnd haben vntherscheidliche process vnd ahnleitungen. Es sein auch diese astrologische weissagungen wie ein cothurnus, den man kan auff ein jeder Bein ziehen, gros vnd klein, wie man will, darumb ich auch niemals darvon ettwas Sonderlichs gehalten habe. Das ich aber Kong. Maj. meinen Gnedigsten Herren jhärlich ein solches Astrologisch Prognosticon untherteniglich zustelle, mus ich in dem nach ihre May. befell vnd willen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 185 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

thun, wiewoll ich selbst nicht vill darauf halte vnd nicht gerne mitt solchen zweiffelhafftigen praedictionibus vmbgehe, darin man die eigenttliche warheitt nicht durchauß erforschen mag, wie sonst in Geometria vnd Arithmetica, darauff die Astronomia durch hulff der vleißigen observation ihm lauff des Himels gebawet wirtt. Dennoch dieweill ihr Furstliche Gnade gnedichlich begertt von mir zu wissen, welchen von den beiden ich beifellig sey, was den dominis Anni also widerwertiger weiß von ihnen gestellet thutt ahnlangen, So kan ich hierauff nicht anders sagen, dan das ihrer beiden rechnung vnd iudicium gehtt auß ein vormeinten vnrichtigen grundt; dan weder die Alphonsinischen, noch die Copernianischen Tabeln, welchen sie folgen, geben den justen lauff der Sonnen, wie er ahn sich selbst am Himmel geschichtt, vnd ist hierinne kein geringe vnterscheidt, wie auß meiner eigenen Restitution vnd vornewrung in Rechnung des lauffs der Sonnen zu sehen ist, welche ich auf etzliche vorgehende Jharen durch große vnd rechtmeßige Instrumenten augenscheinlich vom Himel selbst her ab durch fleißige observation vnd warnemungen genomen habe, auß welchen sich befindet, das des Jhars Anfang in aequinoctio verno, darauß die Astrologi ihre vrtheil nehmen, geschicht ahm 10 tag Martii 8 2/3 stunde nach der vorigen Mitternacht, welchs bey 7 stunden speder ist, als Andreas Rosa gesetzt hat, und 12 stunden fruer, als Tobias Mollerus meinett, darauß den vhil ein andere Constitution des himels zur Zeitt des aequinoctii einfeltt, als ein jetzlicher von ihnen gefunden hat, worauff auch ein ander vrtheill folgett vnd auch wol andere domini Anni, wie sie es nennen, (darauß doch nicht vhil zu holen ist), mögen gesetz werden. Was aber meine meinung sey ahnlangende Astrologische gitzung vber dis kunfftige 88 Jhar, habe ich Königl. May. meinen gnedigsten Herren ihn einen geschriebenen Prognostick vnterteniglich auffgezeignett, welchs ich auch ihre Furstliche Gnade gerne wolte vnterteniglich mitteilen, aber ich hab keine vberige Exemplar darvon, wan ihr Furstliche Gnade lasset bey ihr May. darumb ahnlangen, wird ihr Furst. Gna. wol ein ab schrifft dar von bekomen. Ich bin darinne gentzlich nicht der meinung, daß solche gahr große vorenderunge in diesen negstkunftigen Jhar vorhanden sein, als die Astrologi auß etzlichen altten reimen, die sie den

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 186 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Regiomontano zumessen, furgeben, dan ich befinde im Constitution des Himels keine Sonderliche vrsachen darzu, sondern achte, das dis kunfftige Jhar wird den vorgehenden gleich meßig sein vnd in zimlichen guten wesen in allen Sachen sich erzeigen, aleine wo zuuor krieg vnd vneinigkeitt aufferweckt ist, dar möchte es wol ettwas weitter einreißen. Vnd kan ihr Furstliche gnade meine meinung vom Astrologischen judicio vber das gantze Jhar auß vorbemelten Prognostico, welchs ich Köng. May. meinen gnedigsten herren vnterteniglich habe zugestellt, weitter erfahren. Dis habe ich auff dein guttwilliges schreiben vnd beger nicht wollen vntherlaßen zu antworten. Bitte gar deutlich, du wollest vnbeschwert sein vnd mitt erster gelegenheitt ihr Furstliche Gnade hierauff meine antwortt vnd meinunge vnterteniglichen von meinettwegen zu vorstehn geben. Worin ich sonst ihre Furstliche gnaden zu willen vnd gefallen sein kan, bin ich alzeitt mitt aller deinstlichkeitt vnterteniglich erböttig.

Lieber Schwager, nach dem ich so gutte gelegenheitt habe, kan ich nicht vnterlaßen, dich in einer Sachen, dar ahn mihr vhil gelegen ist vnd darinne du mihr itzunder konnest behulffiich sein, zu besuchen, vnd gebe dir darumb gantz freundtlich zu wissen, das nach dem ich itzunder in meiner eigenen alhie angerichten Druckerey ein Astronomisk Buch lasse außgehn, waches zimlich groß wird fallen, vnd mihr baldt Druckpapir darzu von nötten mangeln wirt, vmb wes wegen ich meine botschafft auff vhil örten außgehabt vnd gleichwol keines der größe, wie zu dem wercke von nöten, bekommen können, habe ich darumb ergistern widerumb im Land zu Mechelburg dem laßen nachstellen, dieweill ich vormercke, das alda zu Graubow vnd Neustat zwey gutte papir=Mölen vorhanden sein, vnd habe die beide Ambtleuthe ahn den selbigen örtern, nemlich Johan Holdorp vnd Stellan Wakenitz, zugeschrieben, das sie wollen mihr so vhil zu gefallen sein vnd den papirmachern alda befehl geben, daß sie mihr mitt dem Allerersten etzliche Ballen Druckpapir nach der größe des vbergeschichten Forms wolten forfertigen, welchs ich dan zu danck ihnen will lassen bezahlen, so baldt ich es holen laße. Aber die weil ich diesen beiden Amptleutten villicht mach unbekantt sein, ist mein gantz fleißige bitte ahn Dir, Du wollest so woll thun vnd ihnen von meinet wegen hierumbe auch zuschreiben, das sie mihr darinne wolten zu gefallen sein, vnd du wollest auch so woll thun vnd einen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 187 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

von deinen gutten bekanten ahm Furstlichen hoffe zuschreiben, das er bey meinen Gnedigsten Hern Hertzog Vlrich wolle von meinet wegen vnthertenigen ahnlangung thun, das auß ihrer Furstlich Gnaden authoritet vnd befehl alles möchte mitt dem befurderlichsten zugehn, das ich mitt erster Müglichkeit 14 oder 15 Ballen papir alda auff ihr Furstliche Gnaden papirmöllen beckomen, nach solcher grösse und gestalt, wie ich dir hier neben ein proba schicke. Ich will gerne bezalen, was die papirmeister darfur haben sollen. Vnd du wollest darneben auch laßen vnterteniglich befördern, das ihr Furst. Gn. wolle mihr gnedichlich furgunnen, wan das papir fertig vnd bezalt ist, das es möchte von einen Amptman zum andern biß gen Rostock gefurett werden vnd alda den Hern Doctori Henrico Brucaeo vberlübert, das ichs von dannen mit dem allerersten schiff möchte hierein beckommen. Wan du mihr hierinne in der gestaltt zu gefallen sein wollest, wie ich auch ahn deinem gutten willen keinen zweifel trage, vnd mihr dis zuwege bringen, beide bey ihr Furstlichen Gnaden selbst vnd auch bey den Amptleutten, thetest du mir einen sonderlichen deinst vnd wolgefallen dar mitt, dan mihr gahr viell daran gelegen ist, das ich mitt dem ersten solch papir in einer gutten menge beckomen möchte. Vnd so ich in einiger sachen von meinen vormuegen dier jemals widerumb zu deinst und danckbarckeitt sein kan, wil ich alzeitt mehr dan guttwillig gefunden werden, vnd thue dich hier mitt sambt deiner lieben haußfrawen dem Almechtigen Gott befehlen. Du wollest auch meiner lieben Mutterschwester Fraw Maren und Deiner lieben Hausfrawe, ihrer tochter, von meinet wegen vhil gutter nacht sagen. Datum Vraniborg den 7 Decemb. Anno etc. . 87.

Tui amantissimus                               
Tycho Brahe                    
Manu ppr.                      

Erlig och Welbyrdig Mandt Henerich
Beloff thill spöttrop Kong.
Myt. Befalnings=Mandtt paa Skiffhuß
Min kere Swoger och synderlig
gode Wen ganske wenlig thilskreffnen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 188 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

(Uebersetzt: Dem ehrbaren und wohlgebornen Mann Heinrich Below zu Spöttrup, Sr. Königl. Majestät Befehlshaber auf Skivehuus meinem lieben Schwager und besonder guten Freunde, ganz freundlich zugeschrieben.)

Nach den Original im Geh. und Hanpt=Archiv zu Schwerin.


Nr. 2.

Tycho Brahe an Herzog Ulrich von Meklenburg.

D. d. Prag. 1601. April 10.

Durchlauchtigster, Hochgeborner Furst, gnedigster Herr etc. . Ewer Furstl. Gnaden sein meine unterthenigste, gantzwillige Dienste ieder Zeit hochstes fleißes beuor. Vnd seitenmahl ich itzo einen eigenen Potten in Dennemarck abgehen laße, hab E. Furstl. gnaden ich mit dießem meinem geringen schreiben in Vnterthenigkeit zu ersuchen vnd deroselben vor die vielfaltige mir bezaigte gut vnd wohlthatten zu dancken mitt vmbgehen können etc. .

Waß dan meinem itzigen Zustandt betrifft, werden E. Furstl. gnaden denselben vnlangst auß meinem vorigen schreiben vmbstendiglichen vemomen haben, Darumb hie ferner zu wiederholen vnuonnötten etc. . Dan Ihre Rom. Keys. Mayt., mein allergnedigster Herr, nochmahlß (wie vor, ie lenger, ie mer) mir mit Allen keyßerlichen gnaden (Gott lob) gewogen, vndt haben erst neulich deß gewessen Reichs=Vice=Cancellarii Jacobi Curtii L. M. ansehenliche vndt statliche behausung, so ahn ainen hohen ortt eußerst an der königlichen Hauptstadt Prag gelegen vnd zehentausendt thaller zu meinem vnd des Studii Astronomici nutz mildtlichen kauffen laßen, wo alle meine Instrumenta, so ain Zeit lang in Ihr. Kays. Maytt. Lustgarten nahe beim Schloß gestanden, itzo conuenienti modo disponirt, auch ain Laboratorium pro spagyricis (!) exercitiis angerichtet wirt etc. .

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 189 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ferner kan E. Furstl. Gnaden ich vnterthenigst nit verhalten, wie dieselben auch noch gnedigst werden wißen zu entsinen, daß vor ainem halben Jhar die summa von zehentausendt Reichsthallern, so der Jungen herschafft zu Mechlenburgk von mir gutwillig vorgestrecht, deroselben Rentmeistern Andreß Meiern durch meinen Vettern vndt Volmechtigen Derer Oerter Ecke (!) Bilden auffkundigen laßen, dan ich dießer Oerter Landtgütter eingekaufft, zu welcher entrichtung ich darzue vervrsacht worden, Worin dan E. Furstl. gnaden damahlß (inmaßen söllichs der pilligkeit gemeß) sich gantz gnedigst vnd willfharlich erzaigt, Ich auch alhie die Leutte darauff vertröstet habe. Anietzo aber werde ich von Herrn Doctore Gödellman, welchem ich die zehentausendt thaller hauptsumma sampt dem Interesse meinentwegen einzuenehmen volnkomblich commission gegeben, glaubwürdig berichtet, daß obgedachter Rentmeister nitt allein in der Summen, sondern auch deß schon verschienen interesse erstattung weigerlich befunden werde vndt andere große außgaben furwende.

Dieweiln dan E. Furstl. gn. alß hochstgedachter Jungen herschafft vormund darin gnedichst gewilfharet, sollichs auch ann ihme selbs pillich vndt ich andern Leutten darauff zuegesagt, Alß gelangtt an E. Furstl. Gnaden mein vnterthenigste gantz fleißige pitt, sie wollen nit geschehen laßen, daß meine wort zue nichte gemacht vndt ich dadurch an meinem biß dato wohllhergebrachten Nahmen vnd glimpff abbruch erleiden, Sondern mehrgedachte summa vndt interesse furderlichst, wofern sölliches vber hoffnung noch nitt geschehen, anhero vber kommen muege. Sölliches vmb E. Furstl. gn. (wozue dan Dero gnedigsten rhats ich mich vnterthenig getroste) eußerste mueglicheit gehorsambst zu verdienen, erkenne ich mich stetz schuldig vnd geflißen.

Thue hiemit E. Furstl. gn. sampt Dero vielgeliebten gemahlen zu glucklicher langwehrender regierung vndt zue deren ferneren fürstlichen gnaden mich vnterthenigst vndt getreulich entpfelen etc. . Datum P rag, den 10. Ap. A n mit Querstrich o 1601,

Ewer Furstlichen gnaden                                
vnterthenigster gantz williger     
Tycho Brahe Eigenhn.        

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 190 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Dem durchleuchtigsten Hochgebornen Fursten vnd Herrn Herrn Vldarich, Hertzogen zu Mechellenburgk, Fursten zu wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostoch vnd stargartten Herrn, Meinem gnedigsten Fursten vndt Herrn.

(L. S.)

Nach dem Original im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. - Das Siegel enthält einen Schild mit einem Pfahl (oder senkrechten Balken) und einen Helm mit einem wachsenden Adler mit ausgebreiteten Flügeln, wie es scheint; Umschrift: TYCHO - BRAHE. - Die Unterschrift zu der Namensunterschrift, welche allein von Tycho Brahe's Hand ist ist sehr undeutlich geschrieben und erscheint fast wie "Figechw" oder "Eigenchn", was ohne Zweifel durch "Eigenhn", d. h. mit "Eigenhand", zu erklären ist. Auch eine andere Schrift vom Jahre 1597 ist deutlicher unterzeichnet: "Tycho Brahe Egenhd". Sonst unterschreibt sich Tycho Brahe gewöhnlich mit lateinischen Buchstaben und Worten: "Tycho Brahe Manu ppr.", Was gewöhnlich in Deutsch durch "Mein Hand" oder "Eigen Hand" übersetzt zu werden pflegt.

 

Vignette