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Pfahlbauten 1 ) von Sternberg und Ruchow,

vom

Justizcanzlei=Director a. D. v. Bülow zu Schwerin.

Die Richtigkeit der gleich nach Entdeckung der Schweizer Pfahlbauten verkündeten, auf gewichtige Gründe gegründeten Vermuthung des um die vaterländische Geschichte und Alterthumskunde hochverdienten Herrn Archivraths Dr. Lisch bestätigt sich jetzt, nachdem dadurch das Auge der Forschung geschärft worden, durch immer neue Entdeckungen.

I.

So z. B. liegt auf einer Insel im Wustrower See bei Sternberg ein höchst interessanter Pfahlbau klar zu Tage. Die gedachte Insel ("Werder"), ungefähr 120 Schritte lang und 40 Schritte breit, befindet sich ungefähr in der Mitte des Wustrower Sees in der Längenrichtung von Westen nach Osten und ist mit demselben zur Zeit an den Fischer Possehl in Sternberg verpachtet. Die Insel erhebt sich nur 1 bis 3 Fuß über den Seespiegel und besteht aus einem Untergrunde von Kalk und Sand, welcher hie und da mit einer leichten Torfdecke überzogen ist. Die hohen Ufer des Sees beweisen, daß er früher einen höhern und


1) Der Herr Canzlei=Director v. Bülow wünscht sehr die baldige Veröffentlichung dieses Berichts. Auf den ersten Blick scheinen "Pfahlbauten" entdeckt zu sein. Wenn man aber unter "Pfahlbauten" die Ueberreste ehemaliger Wohnungen aus der Heidenzeit in noch flüssigen oder zu Mooren gewordenen Wassern versteht, so kann ich den im Folgenden beschriebenen Ueberbleibseln menschlicher Thätigkeit die Bezeichnung von Pfahlbauten nicht zuerkennen. Meine folgenden Bemerkungen werden dieses Urtheil erläutern.     G. C. F. Lisch.
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größern Wasserstand gehabt hat, und es geht aus den über die Oberfläche der Insel zerstreuten unzähligen Muschelschalen deutlich hervor, daß die Insel, wenn sie auch eine seichte Stelle in der Mitte des Sees gebildet hat, doch vom Wasser überfluthet gewesen ist. Die Insel ist mit einem niedrigen Gestrüpp von Bruch=Weiden, Espen, Himbeeren u. s. w. bewachsen; doch hat der Fischer Possehl im letzten Jahre etwa ein Dritttheil des Bodens am östlichen Ende derselben zum Kartoffelbau urbar zu machen gesucht.

Da ich nun auf dieser Insel (bei ihrer Lage und in Berücksichtigung der benachbarten häufigen Kegelgräber) Pfahlbauten vermuthete, so ließ ich mich gestern von dem Knechte des Fischers Possehl in einem Kahne hinübersetzen. Sogleich bei meiner Landung fiel mir

1) auf dem urbar gemachten Theile der Insel eine viereckige, offensichtlich durch Kohlenstaub geschwärzte Stelle von etwa 20 Schritten Länge und 10 Schritten Breite auf, welche durch eine Reihe eichener Pfähle, (von denen noch 9 Stück etwa 1/4 bis 1/2 Fuß aus dem Boden hervorragten), umgeben war. Dabei lagen noch mehrere herausgezogene, unten zugespitzte Pfähle von 3 bis 6 Fuß Länge, von denen ich den kleinsten der Vereins=Sammlung eingesandt habe. Die Pfähle mögen früher 1/2 Fuß im Durchmesser gehabt haben; jetzt, da nur noch das Kernholz ("Splint") vorhanden ist, sind sie, insoweit sie sichtbar sind, nur noch ungefähr 2 Zoll dick. Ob sie früher abgebrannt waren, läßt sich nicht mehr erkennen, da sie nur bis zum Wasserspiegel abbrennen konnten, später aber, nach der Senkung des Sees, noch weiter verwittert sind. Zwischen den Pfählen 2 ) fand ich einige Gefäß=


2) Diese Alterthümer geben kein Zeugniß für heidnische Pfahlbauten. Die Gefäßscherben sind alle nur Reste von den bekannten "blaugrauen" Töpfen und Krügen des christlichen Mittelalters, anscheinend des 14. Jahrhunderts; der Pfahl besteht aus noch festem, schwerem Eichenholz, welches mit der eisernen Axt behauen ist; der Thierknochen hat noch eine ganz helle Farbe. Nach diesen Alterthümern kann man hier also nur eine mittelalterliche Wohnstätte oder Burgstelle vermuthen.
Die im folgenden Nachtrage zu I. beschriebenen, an einer andern Stelle der Insel gefundenen Alterthümer sind freilich etwas älter, jedoch für "Pfahlbauten" nicht alt genug.
Ich kann daher die Anlagen an dieser Stelle nur für Ueberreste eines Burgplatzes der neueren Zeit halten.     G. C. F. Lisch.
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scherben und einen Thierknochen, welche ich gleichfalls eingesandt habe. Etwa 10 Schritte von der nordöstlichen Ecke dieses Pfahlbaues und unmittelbar am Ufer waren noch etwa 6 Fuß von einander 2 Pfähle eingetrieben, worauf vielleicht ein Vorbau oder eine Brücke geruht hatte. - An diesem Ufer stand auch eine Bank von größern und kleinern Feldsteinen, unter denen sich mehrere gerundete befanden, welche zum Quetschen des Korns hatten dienen können. Nach Aussage des Fischerknechts hatten diese Steine größtentheils als Fundament zwischen den Pfählen gelegen und waren bei Urbarmachung des Bodens herausgenommen und aufgesetzt worden. Es sollen jedoch noch viele Steine unter der Oberfläche des Pfahlbaues sich befinden. Aber auch

2) der übrige, mit Gestrüpp bewachsene Theil der Insel ist voll Pfähle. Deutlich unterscheidet man darunter noch einen Pfahlbau von gleicher Länge und Breite, wie den erstgedachten, wobei noch 6 Pfähle im äußern Umfange und 8 Pfähle in zwei innern Reihen hervorragen.

Wahrscheinlich wird eine Nachgrabung leicht und ergiebig sein, da die Alterthümer nur wenige Fuß unter der Oberfläche liegen werden (und nach der ganzen beschriebenen Lage des Pfahlbaues zu vermuthen steht, daß er der Wohnsitz eines Stamm=Oberhaupts gewesen sein mag).

II.

Nicht minder ist bei der vor etwa 12 Jahren erfolgten Senkung des großen Ruchower Sees (bei der Pfarre) ein Pfahlbau zu Tage getreten, welcher am jetzigen Ufer des Sees, nur theilweise vom Wasser bedeckt, in einer Länge von 28 und einer Breite von 16 Fuß mittelst vier gerader Reihen von jedesmal 8 eichenen Pfählen sichtbar und nur zum kleinen Theile noch vom Wasser bedeckt ist. Dabei befindet sich auf der Landseite ein durch vier (je vier und sechs Fuß von einander stehende) Pfähle gebildeter viereckiger Vorbau. Die Pfähle, etwa von der Dicke eines halben Fußes und ungefähr 1/4 bis 1/2 Fuß aus dem Boden hervorragend, sind noch ganz wohl erhalten, was auch natürlich ist, da sie bis zu der erst vor einigen Jahren er=

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folgten Senkung des Sees von dem damals mindestens 8 Fuß höher belegenen Wasserspiegel bedeckt waren. Die Erstreckung dieses Pfahlbaues von dem frühern Seeufer beträgt ungefähr 45 Schritte.

Durch die vorgedachten Entdeckungen sind Pfahlbauten der Urzeit mindestens indicirt; weitere Nachforschungen und Nachgrabungen können freilich diese Vermuthungen erst zur Gewißheit erheben.

Schwerin, den 21. Mai 1867.