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4.
Schwerin am Plauer - See und der Werder.

Dies Kirchdorf Alt=Schwerin, wie dasselbe seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gewöhnlich genannt wird, im ritterschaftlichen Amte Plau, gehörte schon in den ältesten Zeiten zu dieser Vogtei, d. h. zur Herrschaft Warnow und ward nur eine kurze Zeit hindurch in Folge seiner kirchlichen Verbindung mit dem Kloster Malchow zur Vogtei Malchow in der Herrschaft Moritz gerechnet Die große, langgestreckte Feldmark dieses Dorfes ist, ähnlich wie die Feldmark Ostorf, fast ringsum durch Gewässer abgeschlossen. An der schmalen Seite gegen Süden und Südwesten ist dieselbe durch den großen Plauer See begrenzt, gegen Osten und an der ziemlich spitz zulaufenden Nordseite aber durch den langen, aber schmäleren Schweriner See, aus welchem ein Bach durch ein breites Wiesenthal zum Plauer See abfließt und die Grenze gegen die Sparower und die Malchower Feldmark bildet,

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jedoch so, daß die ganze Wiese und das Vorland am Plauer See bis zur Feldmark Bistorf hin noch zu Schwerin gehört. Ebenso bildet der viel kleinere, schmale Samoter oder Smoter See, nach einem untergegangenen, jetzt zur Feldmark Karow gehörigen Orte Zarmoth an der Nordspitze desselben alsogenannt, welcher gleichfalls durch einen Bach mit sumpfigen Ufern mit der Karower Blänke, einer Bucht des Plauer Sees, verbunden ist, die natürliche Grenze unsrer Feldmark. Nur im Nordwesten auf einer kleinen Strecke zwischen dem Samoter Kruge am Nordende des gleichnamigen Sees und dem Ortkruge an einer breiten, weit nach Westen übergreifenden Bucht des Schweriner Sees liegt die Feldmark offen gegen die großen Karower Tannenwaldungen. Dieser nördlichste Theil der heutigen Feldmark Schwerin gehörte aber früher zu einem besondern Dorfe Treye, vermuthlich an der Stelle des obengenannten Ortkrugs gelegen 1 ), dessen Feldmark durch den kleinen, zwischen dem Samoter und dem Schweriner See liegenden Dreier See, welcher nach Osten hin in den letztern abfließt, von der eigentlichen Feldmark Schwerin abgegrenzt zu sein scheint, so daß die offne Seite der letztern gegen die Karower Waldung noch mehr auf die nur einige Ruthen betragende Strecke vom Samoter bis zum Dreier See eingeengt wird.

Das Dorf und der alte Ritterhof Schwerin liegt nicht unmittelbar am Plauer See, sondern auf der schmalsten Stelle der Feldmark zwischen der nördlichsten Bucht des Plauer und der südlichsten Spitze des Schweriner Sees, an einem höchst eigenthümlichen, herzförmigen kleinen See, welcher jetzt der Tauchersee genannt wird, auf ältern Karten aber der Tauchow heißt, und mit der Südspitze das Ufer des Plauer Sees fast berührt, aber doch durch eine nicht unbedeutende Höhe, welche ihn fast auf allen Seiten einschließt, davon getrennt wird. Nur auf der kürzern Nordseite dieses Sees breitet sich eine kleine, tiefliegende und zum Theil sumpfige Ebene aus, in welcher das Dorf aufgebauet ist. Hinter dem Dorfe, etwa 2 Ruthen von dem Ufer des Sees entfernt, erhebt sich auf einer ringsum von Wiesen eingeschlossenen festen Horst, ein kreisrunder, 20 bis 25 Fuß hoher Hügel, welcher jetzt oben geebnet ist, und auf einer Fläche


1) Das Dorf wird nur ein Mal, im Jahre 1289, genannt, und war schon im 15. Jahrhundert wüst geworden. Im 16. Jahrh. war das "Feld zu Treyge, Tregen, Trehen und Drehn", ein Mal auch Drewser=Feld" den Bauern zu Schwerin in Heuer beigelegt.
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von 3 1/2 Ruthen im Durchmesser einen Pavillon trägt, zu welchen in Schneckenwindungen ein mit alten Ulmen besetzter Weg hinauf führt. Nach dem Alter dieser Bäume wird die ganze künstliche, jetzt in den Hofgarten gezogene Anlage vor etwa 120 Jahren entstanden sein, und seit dieser Zeit wird diese Höhe auch den Namen Parnaß=Berg führen, welcher schon auf der ungefähr aus derselben Zeit stammenden großen Karte des Ingenieurs Wibeking verzeichnet ist. Der Hügel an sich ist aber ohne Zweifel älter, und vielleicht eine heidnische Grabstätte, da er zu einem ursprünglichen Burgwalle doch nicht ganz geeignet erscheint. Der nahe dabei gelegene Hof selbst war früher im Halbkreise von einem etwa 2 Ruthen breiten, jetzt zugeschütteten und nur an der muldenförmigen Vertiefung erkennbaren Wallgraben eingeschlossen, über welchen eine von alten Leuten noch gekannte Zugbrücke führte, und dessen beide Enden in den Tauchow ausliefen. Dies scheinen mittelalterliche Befestigungs=Werke zu sein. - Am Ufer des Plauer Sees liegen gegenwärtig die kleinen Meiereien Wendorf und Jürgenshof, welche erstere schon im 17. Jahrhundert vorkommt, letztere aber später angelegt ist. Diesen Meiereien gegenüber endlich, nahe am Ufer, jedoch im offnen klaren Wasser des Plauer Sees, liegt eine nicht ganz unbedeutende Insel, früher der Gammen=Werder, jetzt schlechthin der Werder genannt, welche in ältern Zeiten gleichfalls zu Schwerin gehörte, und stets als Pertinenz dieses Hauptortes betrachtet worden ist, wenn gleich sie sich im 14. Jahrhundert im abgesonderten Besitze einer Nebenlinie der v. Gamm auf Schwerin befand, und dieser hin und wieder selbst den Beinamen vom Werder (de insula) gegeben hat. Erst in neuerer Zeit ist dieselbe zu einem selbstständigen Gehöft erhoben. Auf der Nordspitze dieser Insel, dem Festlande grade gegenüber, befindet sich ein alter, nach der mir gegebenen Beschreibung höchst wahrscheinlich heidnischer Burgwall, auf welchem große Felsblöcke liegen, und welcher nach der erwähnten Wibeking'schen Karte die Papenborg heißt. Der alte Ritterhof scheint dagegen an dem Westufer der Insel gestanden zu haben, wo noch heute ein Meiereigehöft liegt.

Unter den Ortsbezeichnungen auf dieser Feldmark sind noch hervorzuheben: der Blocksberg am Ostufer des Tauchow; der Jötenberg, ein isolirter Hügel in der großen Wiese an der Sparower Grenze, auf dessen Höhe sich nach der Wibeking'schen Karte eine sumpfige Vertiefung befindet; der Mönchbusch, jetzt ein kleiner Meierhof, im 16. und 17.

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Jahrhundert aber eine Weichhölzung, welche wenigstens theilweise zur Pfarre gehörte; die Kreutze und das Papenhorn an der Grenze der 3 Hufen betragenden Kirchenländereien, zu welchen im 17. Jahrh. namentlich die ganze Haide vom Dorf bis an den Malchower Weg und die Wiesen an der Sparower Grenze gehörte, wogegen der Pfarracker nach dem Dreveser= (Dreier=) See hin lag; das hügelichte Brannenholz gegen Norden der Feldmark, wo auch der Appensoll und die Ketelkuhle liegen; endlich auch der Satzke, eine theilweise gleichfalls zur Kirche gehörige Ackerfläche nordwestlich vom Dorfe an dem Ufer des ganz zu Schwerin gehörigen Nordbusens des Plauer=Sees, welcher schon im 14. Jahrhunderte gleichfalls den Namen Satzik führte und noch jetzt der Satzk genannt wird 1 ). - Erwähnenswerth sind ferner auch die merkwürdigen Alterthumsfunde auf dieser Feldmark. Im Jahre 1846 wurden bei Gelegenheit eines Chausseebaues mehrere kleine Kegelgräber aufgedeckt, in welchen Hals= und andere Ringe, sogenannte Hütchen, Pfriemen und Nähnadeln, auch ein kleines, dünnes Messer von Bronze, aber keine Waffen gefunden wurden 2 ). Dazu kam im Jahre 1852 eine Menge bronzener Armringe, welche neben Scherben eines zerbrochenen Gefäßes unter einer kleinen Erhöhung lagen, und nach Form und Metallmischung durchaus eigenthümlich sind, und unter denen sich mehrere von dünnem Bronzeblech befinden, in der Art der Blechdiademe, die man wohl für Priesterschmuck gehalten hat. Leider ist der Ort dieser Funde nicht genauer bekannt 2 ). Einzeln wurden außerdem auch eine Streitaxt aus Hornblende und eine Lanzenspitze aus Feuerstein gefunden 3 ). - Denkt man sich endlich diese unter allen Umständen merkwürdige und höchst interessante Feldmark im Alterthume bewaldet, und namentlich die Höhen um den kleinen höchst eigenthümlichen Tauchow 4 ) mit alten Buchen bestanden, so giebt es gewiß ein Bild, welches die bisher gewonnene Ansicht über die Bedeutung der Schwerine zu bestärken in hohem Grade geeignet ist. Man wird in der That nicht leicht eine Oertlichkeit finden, welche so


1) Lisch, Jahrb. XVII. S. 73 und 318. Auch ein kleiner Teich nahe an dem bezeichneten Seeufer heißt der Sachsker=Soll.
2) Jahrb. XII. 413; XVII. 367; XX. 285 und 287.
2) Jahrb. XII. 413; XVII. 367; XX. 285 und 287.
3) Jahrb. XX. 277.
4) Ich kann nicht unterlassen, wenigstens in einer Note eine freilich gewagte Conjectur über den Namen dieses Sees niederzulegen. Wie, wenn derselbe ursprünglich Tauchnow gelautet hätte und dies zu dem böhmischen tagno: versteckt, geheimnißvoll (occultus secretus) gehörte?
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vollkommen zu dem düstern und geheimnißvollen heidnischen Kultus paßte, als die hier beschriebene 1 ). Diese Ansicht findet aber auch in der Geschichte dieser Gegend eine höchst willkommene und entscheidende Bestätigung.

Die älteste Nachricht über diese Gegend stammt nach meiner Ansicht aus dem Jahre 955. In diesem Jahre unternahm der Kaiser Otto I. nach der Rückehr von seinem siegreichen Heereszuge gegen die am 10. Aug. auf dem Lechfelde vernichteten Ungarn noch im Herbste einen Feldzug gegen die verbündeten Obotriten und Wilzen, welche auf Anstiften des sächsischen Grafen Wichmann und unter Führung der Obotritenfürsten Nacco und Stoignev in der Abwesenheit des Kaisers einen verwüstenden Einfall in die wendische Mark jenseits der Elbe gemacht hatten, und anscheinend selbst in die Erbländer des Kaisers bis an die sächsische Grenze vorgedrungen waren. Auf diesen vermuthlich von Havelberg ausgehenden Zuge gelangte Otto, nachdem er die slavische Grenze überschritten, an einen Fluß, welcher die Raxa genannt wird, unter welchem ich die Elde und die von ihr durchströmten Seen zwischen der Müritz und dem Plauer See verstehen zu müssen glaube. Die genauere Entwickelung der Gründe, welche mich hiezu bestimmen, muß ich mir bis zu einer andern Gelegenheit aufsparen. Sie beruhen theils auf den politischen und strategischen Verhältnissen, theils auf der mit den Angaben der gleichzeitigen Annalisten in jeder Beziehung vollständig und genau übereinstimmenden Oertlichkeit, theils endlich auf dem Namen dieser Gewässer selbst. Nur in letzterer Beziehung bemerke ich, daß die Elde auf der bezeichneten Strecke schon im 13. Jahrhundert bis auf den heutigen Tag auf allen Punkten, an welchen sich die Seen zu Stromschnellen verengen, Reke genannt wird, namentlich die Eldenbrügger oder Wangelinsche, die Göhrensche, Malchower und Lenzer Reke, von dem slavischen reka, rzeka, rjeka, riaka, riazka und riaza, (nach den verschiedenen Dialecten), d. i. Fluß, oder genauer, wie es scheint, dem deutschen Fließ entsprechend, so daß auch der Name des Flessen=Sees (auch Fließen=See und bloß Fließ genannt), nur eine Uebersetzung des slavischen Wortes ist, von welchem man andrer Seits auch den Namen der Ria=


1) Ich kenne das Dorf Alt=Schwerin zwar aus eigener Anschauung, aber nur obenhin. Die genauere Beschreibung der Oertlichkeit entlehne ich den gefälligen Berichten zweier, genau mit derselben vertrauter Herren.
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zianer ableitet. An diesem Flusse, welcher den Hauptsitz der Morizer von dem kleinern am Nordufer liegenden Gaue Zareza (za riaza, d. i. jenseits der Reke) schied 1 ), und nur einen einzigen schmalen, durch das sumpfige Ufer schwierigen Uebergang (bei Eldenburg auf der schmalen Landzunge zwischen der Müritz und dem Kolpin) zu haben schien, schlug der Kaiser sein Lager auf. Jenseits stand beobachtend das Hauptheer der Wenden unter dem Fürsten Stoignev, während eine andere Abtheilung sich im Rücken des Kaisers zusammenzog, und ihm durch schnell aufgeworfene Verhaue (in dem leicht zu versperrenden engen Paß in dem sumpfigen Bezunt=Wald auf der heutigen Grenze zwischen Wredenhagen und Wittstock) den Rückzug abschnitt. Schon litt das deutsche Heer in dieser schwierigen Lage durch Hunger und Krankheiten, da gelang es den befreundeten Ruanern weiter stromabwärts (an der Lenzer Reke) einen zweiten Uebergangspunkt zu entdecken, worauf der Markgraf Gero sofort während der Nacht drei Brücken über den Fluß warf. Am nächsten Morgen brach auch der Kaiser mit dem Heere auf. Ihm folgte Stoignew auf dem jenseitigen Ufer, aber sein Weg war der weitere (longiorem viam currunt, nämlich oben um den Jabelschen See herum, während der Kaiser auf der Sehne des Bogens marschirte), weßhalb er zu spät kam, den Uebergang des deutschen Heeres zu verhindern. Jeneits (auf der Bisdorfer und Malchower Feldmark, also an der Grenze unsers Schwerins) kam es zur Schlacht, in welcher die von dem anstrengenden Marsche ermüdeten, und in Unordnung gerathenen Wenden eine vollständige Niederlage erlitten. Stoignew selbst suchte mit zwei Gefährten nach Ablegung der Waffen eine Zufluchts=


1) Ich muß an dieser, von Wigger in seiner vortrefflichen Arbeit über Bischof Berno, (Jahrb. XXVIII, 221), bestrittenen Ansicht festhalten, da mich die Gegengründe nicht überzeugt haben. Wiggers Bestimmung, wonach unter zareze der schmale, später zum Caminer Sprengel gezogene Landstrich am linken Nebelufer mit den drei Pfarren Güstrow, Badendieck und Rosin, und vielleicht noch Zehna, zu verstehen sei, hat zu vieles gegen sich. Ich kann hier nur bemerken, daß die bischöflichen Tafelgüter nach den Bestimmungen der Bullen des 12. Jahrh. ohne Zweifel bis zur Nebel reichten. Nur das jenseits liegende Tribeden wird durch Fälschung hinzugefügt sein. Erst nach der Verleihung dieser Güter an das Domstift zu Güstrow und das Kloster zu Michaelstein mit Consens des Bischofs, wobei von dem Schweriner Capitel keine Rede ist, (1226 und 1229) ward die Grenze in dem Vergleich von 1232 natürlich enger gezogen. In den bischöflichen Tafelgütern sollte aber nach ausdrüchlicher Bestimmung der Urkunden das Capitel keine Zehnten haben, die ihm gleichwohl in Zareze angewiesen werden.
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stätte in dem benachbarten heiligen Haine, ward aber auch hier entdeckt und fand seinen Tod durch das Schwert eines Sachsen 1 ). Nach diesem Siege wird Otto ohne Verzug entweder über Wittstock und Havelberg oder über Lenzen nach Sachsen zurückgekehrt sein. Daß aber unter dem heiligen Haine, in welchem Stoignew den Tod fand, wenn meine Darstellung der Ereignisse überhaupt richtig ist, nur unser Schwerin verstanden werden kann, bedarf keiner Erörterung.

Nicht unwahrscheinlich wurden erst in Folge dieses kurzen Feldzuges dem Bischof von Oldenburg, zu dessen Sprengel seit der etwa 15 Jahre früher erfolgten Gründung des Bisthums das ganze Slavenland bis zur Elde und Pene gehörte, auch zwei Ortschaften in den Ländern Müritz und Kussin zu seinen Tafelgütern verliehen. In diesem Falle ist anzunehmen, daß dieselben auf und in der Nähe des Schlachtfeldes gelegen haben werden, was durch den spätern Güterbesitz des Bischofs von Schwerin in derselben Gegend bestätigt wird. Nach dem Aufstande der Wenden im Jahre 983 gingen natürlich auch diese Besitzungen verloren, und wir erhalten überhaupt erst durch die vergeblichen Bemühungen. des Bischofs Benno zur Wiedererlangung derselben um 1020 - 1022 Kenntniß von der Verleihung 2 ). Diese spricht aber wiederum entschieden für die Richtigkeit meiner Darstellung.

Fast 200 Jahre nach der Schlacht an der Raxa ward unsre Gegend abermals durch die Kriegsfackel beleuchtet, und läßt uns wiederum nicht nur den heiligen Hain, sondern auch den Tempel der Gottheit darin erkennen. Im Jahre 1147 führte Markgraf Albrecht der Bär aus derselben Gegend und auf demselben Wege wie Otto der Große, auf welchem in der Zwischenzeit auch der Friedensapostel Otto von Bamberg nach Pommern gezogen war, das furchtbare


1) Widukind III. 53 - 55. (Wigger Meklenb. Annalen S. 33 - 34:Stoinef - - fugit - lucoque quodem cum duobus satellitibus repertus a viro militari Hosed, certamine fatigatus armisque nudatus capite caesus est. Etwas abweichend, Thietmar II. 6.: Stoigneum, luco absconditum, captum decollari precepit sc. rex Otto. Das Wort lucus wird bekanntlich schon im Alterthum vorzugsweise von den heiligen Hainen der Gottheit gebraucht, und dürfte im Mittelalter kaum jemals in einem andern Sinne vorkommen.
2) Helmold I. 18 praedia, quae fuerunt in remotiori Slavia, quae olim ad Aldenburgense episcopium pertinuisse antiquitas commemorat, ut est Derithsewe, Morize et Cuzin, cum attinentiis suis. Einen Ort Moriz hat es sicher nie gegeben, weßhalb anzunehmen ist, daß es sich nur um Güter in den genannten Landschaften handelte.
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Kreuzheer von 60000 Mann zur Bekehrung der Wenden in unser Land, doch schlug nicht das ganze Heer dieselbe Straße durch den Müritzgau ein, wie der Magdeburger Annalist, dem wir diese Nachricht verdanken, ausdrücklich bemerkt. Das Ziel war Demin. So wird eine Abtheilung, aus Polen und Mähren bestehend, rechts am Ostufer der Müritz, eine andre, welche die Elbe tiefer stromabwärts überschritten hatte, links am Westufer des Plauer Sees vorgedrungen sein. Die letztere scheint sich dann in dem Müritz=Gaue Zareze vor der Burg Malchow mit dem Hauptheer vereinigt zu haben. Alle auf diesem Wege liegenden Städte und Burgen wurden niedergebrannt, und unter diesen wird namentlich ein Tempel mit Götzenbildern vor Malchow, sowie Malchow selbst hervorgehoben 1 ). Genannt wird diese Tempelstätte nicht, weßhalb man dieselbe gewöhnlich unmittelbar bei Malchow und zwar auf dem südlichen Ufer des Sees, wo jetzt das Kloster Malchow steht, gesucht hat. 2 ). Aus den Worten der Annalisten folgt dies nicht, und ich muß bekennen, daß mir das staffelweise aufsteigende Ufer, an welchem die Klosterkirche erbauet ward, ebensowenig zur Anlage eines heidnischen Heiligthums geeignet erscheint, als der ebne, flache Bergrücken über demselben, da alle bisher bekannt gewordenen Tempelstätten befestigt waren. Die bisherigen Ermittelungen über die Bedeutung unsers Schwerins sprechen dagegen zu entschieden dafür, daß grade hier ein solches Heiligthum gestanden haben müsse, als daß wir über die Lage des 1147 zerstörten Tempels in Zweifel bleiben könnten, wogegen die Wahl der Stätte für das christliche Kloster ohnehin durch das Schicksal, welches 17 Jahre nach unserer Zeit den Fürsten Wartislav sehr wahrscheinlich grade an dieser Stelle ereilte, hinreichend motivirt ist.

Die Folge dieses Kreuzzuges und der damit zusammenhangenden kriegerischen Unternehmungen des Sachsenherzogs Heinrich in den Jahren 1160 und 1164 war bekanntlich die Wiederaufrichtung des Bisthums Meklenburg und die Verlegung des Bischofsitzes nach Schwerin. Es ist daher gewiß sehr beachtenswerth, daß sofort in der Dotationsurkunde des Herzogs vom 9. Septbr. 1171 den Tafelgütern des


1) Ann. Magdeb. ad a. 1147: Hi equidem omnes - - in diversis partibus terram paganorum ingressi sunt, - - et fere per tres menses peragrando omnia vastaverunt, civitates et oppida igne succenderunt, fanum etiam cum idolis, quod erat ante civitatem Malchow, cum ipsa civitate concremaverunt.
2) S. Lisch, in der vorhergehenden Abhandlung S. 8 und 9.
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Bischofs auch zwei Dörfer in den Herrschaften Moritz und Warnow und zwar unmittelbar durch den Herzog selbst hinzugefügt wurden 1 ). Die Verleihung dieser ganz isolirt liegenden Güter in so weiter Entfernung von dem Bischofssitze hat gewiß eine besondere Veranlassung gehabt, weßhalb die Vermuthung, daß dies dieselben Güter seien, welche schon nach dem Heereszuge Ottos des Großen im Jahre 955 dem Bischof von Oldenburg zugewiesen wurden, wohlbegründet erscheint. Die Lage dieser Güter, welche in keiner der spätern Bestätigungsbullen der Päpste und Kaiser vergessen werden 2 ), ist zwar auch diesmal nicht näher bezeichnet, es ist jedoch gleichwohl gelungen, wenigstens das eine derselben im Lande Müritz mit voller Sicherheit nachzuweisen. Es ist das ehemalige Dorf Crazneierst, welches später Biscopesdorp, jetzt Bistorf genannt wird, in dem Winkel zwischen dem Plauer See und der Lenzer Reke nordwestlich von Malchow, also das Schlachtfeld an der Raxa von 955 3 ). Durch diese Entdeckung bestimmt sich aber zugleich die Lage des zweiten Dorfes im Lande Warnow mit ziemlicher Sicherheit. Schon der Umstand, daß beide Dörfer stets unmittelbar neben einander genannt werden, läßt vermuthen, daß sie auch bei einander lagen. Dazu kommt, daß der Papst Alexander III. 1178 beide als am Plauer See belegen bezeichnet 4 ). Ganz bestimmt geht dies aber aus einer leider nur im Auszuge erhaltenen Urkunde der Fürsten Nicolaus und Heinrich zu Rostock vom 27. März 1232 hervor, wodurch ein in seinem Verlaufe nicht näher bekannter Streit mit dem Bischof Brunward geschlichtet ward. Darin verzichten nämlich die Fürsten nicht nur auf alle Ansprüche, welche sie in Bezug auf das Land Bützow erhoben hatten, sondern verpflichten sich auch zur Einräumung zweier Dörfer, welche zusammen 60 Hufen enthielten, und wovon das eine, welches beiläufig Crazneierst genannt wird, "auch den halben Theil des Wassers, so von Malchowe heruntergehet in den See Cuzhin und die andern Wasser, so weit sich das Land daran erstreckt", dem Bischofe sofort überwiesen, die Ueberweisung des andern, nicht genannten Dorfes


1) M. U. B. Nr. 100: His in eadem dote adjunximus - - villam in Moritz et aliam in Warnowe.
2) M. U. B. Nr. 124, 141, 149, 151, 162, 202.
3) Lisch Jahrb. III. 148; V. 219 - 220; VI. 181.
4) M. U. B. Nr. 124: exaltera parte Albiae villas II, circa lacum Sturizche (Sturichze) alias villas duas.
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aber vorbehalten wird 1 ). Offenbar sind dies die beiden Dörfer, welche schon in der Dotationsurkunde von 1171 zu den bischöflichen Tafelgütern gelegt, während des nun geschlichteten Streites aber von den Fürsten eingezogen worden waren, und nun zurückerstattet werden sollten. Aus der angegebenen Grenzbestimmung des Dorfes Crazneierst ergiebt sich aber ferner mit Sicherheit dessen Identität mit der heutigen Feldmark Bistorf in der Vogtei Malchow, Herrschaft Moritz. Da nun das zweite Dorf, welches mit jenem zusammen eine Fläche von 60 Hufen bildete, also ohne Zweifel unmittelbar damit zusammenhing, nach der Dotationsurkunde und deren Bestätigungen in der Herrschaft Warnow lag, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, daß es kein anderes gewesen sein könne, als die Feldmark Schwerin in dem Warnowschen Lande Cutzin oder dem heutigen Plau.

Welche Hindernisse der sofortigen Wiedereinräumung dieser Feldmark entgegenstehen mogten, wissen wir nicht. Wahrscheinlich werden die Fürsten inzwischen anderweitig darüber verfügt haben, und mußten dieselbe also zuvörderst wieder einlösen. Daß dies demnächst wirklich geschehen sei, leidet keinen Zweifel, obgleich es auch nicht urkundlich nachzuweisen ist. Beide Dörfer werden nämlich in der nächstfolgenden Zeit äußerst selten genannt. Schwerin kommt überhaupt zuerst in einer Urkunde vom 6. März 1289 vor, worin der Bischof Hermann von Schwerin dem Domcapitel daselbst die durch den Tod seines Bruders Ludolf, Bischofs von Halberstadt freigewordenen Zehnten mehrerer Dörfer im Lande Waren verleihet, denen er am Schlusse noch die Zehnten in Treye, in Zwerin und in Sture hinzufügt 2 ). Dann wird es in dem langen Zeitraum bis zum Jahre 1330 nicht wieder genannt, wo wir die ganze große Feldmark mit dem Werder im Besitze der v. Gamm wiederfinden. Auch Crazneierst kam früh aus bischöflichem Besitze. Im Jahre 1295 verpfändete der Bischof Gottfried dasselbe bereits unter dem neuen Namen Biscopestorp an die v. Mallin. Im 14. Jahrhunderte war es Anfangs ein Pfandbesitz des Nicol. V. Lobeck, ward aber später, vor 1351, durch Andreas v. Flotow und Gerd vom Sande gewaltsam occupirt. Im Jahre 1366 war es wieder im Besitze des Bischofs Friederich, welcher die Niederreißung der inzwischen daselbst, wahrscheinlich auf der kleinen Insel Lenz, Lentzick, erbaueten Burg beschloß. Im Jahre 1408


1) M. U. B. Nr. 398.
2) M. U. B. Nr. 2016.
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endlich ward es durch den Bischof Rudolf dem Andreas v. Flotow zum erblichen Lehn gegeben. Schon zu Anfang des 16. Jahrh. lag die Feldmark wüst, und während dieser Zeit, oder schon früher wird ein Theil derselben an die Stadt Malchow übergegangen sein, da bei den jetzigen engen Grenzen auch mit Schwerin zusammen die alten 60 Hufen nicht herauskommen dürften. Man sieht, die Bischöfe hatten bei der eigenen Verwaltung dieser entfernten Güter ihre Rechnung nicht gefunden, und suchten sich ihrer bald zu entledigen. Daß aber auch Schwerin von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts wirklich im geistlichen Besitze gewesen war, dafür sprechen die oben angeführten Feldmarksbezeichnungen: Mönchebusch, Papenborg, Papenhorn und Kreuz, sowie der ungewöhnlich große Landbesitz der Kirche und Pfarre, deren Patronat, soweit unsre Nachrichten reichen, dem Kloster Malchow zustand. Auch über den Bau der Kirche wissen wir nichts, doch wird sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts als ein großes Gebäude bezeichnet.

So trifft denn alles zusammen, um den letzten Zweifel zu lösen, daß auch diese Feldmark im Heidenthume wirklich die Bedeutung gehabt habe, die ihr Name vermuthen ließ. Die Hufen der Rosse des Gottes freilich haben keine Spur in dem heiligen Haine zurückgelassen. Auch wage ich nicht über die Lage der alten Tempelburg, ob sie an dem geheimnißvollen Tauchow, oder auf dem Werder stand, ein bestimmtes Urtheil zu fällen, bevor beide Orte von Sachverständigen darauf angesehen sein werden. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht zur Zeit für die Papenborg, deren Namen ich eben auf die Zeit des bischöflichen Besitzes zurückgeführt habe. Die Bischöfe selbst werden sie aber auch schwerlich erbauet, sondern schon vorgefunden haben. Zwar war in dieser Gegend früh das Rittergeschlecht der Papen angesessen, aber es findet sich keine Spur eines Besitzes derselben in Schwerin und auf dem Werder, und ebenso waren die Swartepapen in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. zwar eine Zeit lang in dem Pfandbesitze des Satzig, d. h. des Seebusens hinter der Nordwestseite der Insel, aber nie der Insel selbst. Auch ist diese zu unbedeutend und der Zugang zu ihr vor allen Dingen zu schwierig, als daß die Erbauung einer besondern Ritterburg auf derselben neben der Hauptburg zu Schwerin irgend wahrscheinlich sein könnte, selbst wenn der Name unsers Burgwalles erweislich auf eins der erwähnten Geschlechter zurückzuführen wäre. Andrer Seits ist eine Spukgeschichte, welche man sich auf der Insel, wo es

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überhaupt nicht geheuer sein soll, zuflüstert, in der mir vorliegenden Gestalt zu unbestimmt, als daß ich sie als alte Volkssage geltend zu machen wage. Eine auf dem Werder wohnende Frau, erzählt man, ward längere Zeit hindurch allnächtlich von einem Geiste, oder mehreren Geistern belagert und gequält, bis sie sich durch den andächtigen Gesang des christlichen Liedes "Jesu, Ruh der Seelen", nicht nur von ihren Quälgeistern befreiete, sondern diese auch veranlaßte, ihr fliehend einen der großen Felsblöcke auf dem Burgwall zu bezeichnen, unter welchem sie einen großen Schatz finden würde, den die Frau jedoch verschmähte. Wüßte man, was der Geist von der armen Frau begehrt habe, mögte die Sage vielleicht größern Werth für uns haben. Der Schluß derselben schmeckt allerdings nach dem Heidenthum, und könnte fast an die Schatzkammer Petermännchens auf dem Schweriner Schloß erinnern. -.Eine andere, von Studemund poetisch bearbeitete Sage aus der Gegend des benachbarten Nossentin ist leider nicht viel klarer. Darnach ist ein armer Sünder, welcher im Leben einen Grenzstein verrückte, verdammt, in der Mitternachtsstunde, während der Wilde Jäger "Hackberg heulend fliegt", auf der gefälschten Scheide auf= und abzuwandern, wo man ihn winselnd durch die Nacht rufen hört: Nein, hier ist die Grenze nicht 1 ). Ich nehme an, daß der aus den märkischen Sagen bekannte Wilde Jäger Hackelberg hier nur eine poetische Floskel ist, um das Grauen der Mitternacht zu schildern. Aber auch ohne ihn erinnert dieser unheimliche Scheidegänger lebhaft an den grenzhütenden Wod der oben berichteten Ganschower Sage, und es scheint mir nicht unmöglich, daß der Dichter in der poetischen "Bearbeitung" seines Stoffes den Grenzhüter zu praktischer Nutzanwendung in sein Gegentheil verwandelt hat. Damit würde denn allerdings meinem ganzen Bau die Krone aufgesetzt sein. Ein Blick auf die nächste Umgebung unsers Werders kann aber nicht verfehlen, das Interesse für die neuentdeckte Burg noch bedeutend zu erhöhen; rechts von demselben am Westufer des Sees liegt zunächst die bedeutendste Landesburg dieser Gegend, Kutzin, jetzt Quetzin; ein wenig weiter zurück der Burgwall von Gaarz, in welchem schon Lisch ein religiöses Heiligthum, vielleicht einer weiblichen Gottheit, erkannt hat; links aber am Ostufer des Sees zunächst, wenn auch nicht unmittelbar an dem Ufer selbst, die gleich wichtige Landesburg Malchow, und dem Burgwall von Gaarz gegenüber


1) Studemund, Meklenb. Sagen S. 79.
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auf einer vorragenden Höhe der Burgwall von Zislow, in welchem Lisch gleichfalls ein Heiligthum vermuthet, wahrscheinlich wie die Hoheburg bei Schlemmin und ähnliche, eine Tempelstätte des Donnergottes. Fast in dem Centrum dieses Halbkreises also liegt unser Werder, gewiß ein geeigneter Platz für den Tempel des höchsten der Götter, Wodan Swantewit!