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Wohnplatz von Zippendorf bei Schwerin.

(Höhlenwohnung.)

Am südlichen Ende des großen Schweriner Sees, 3/4 Stunden von der Stadt Schwerin entfernt, liegt unmittelbar am Ufer des Sees das der Stadt gehörende Dorf Zippendorf. Der Raum des Dorfes und der nächsten Umgebungen desselben hinter dem jetzt sandigen Ufer bildet eine ebene Fläche, welche sich an die nicht weit entfernten, nicht unbedeutenden, zum Theil noch jetzt bewaldeten Höhen lehnt. Die Fläche ist zum größten Theile mit schwarzer Wiesenerde bedeckt, ist aber in alten Zeiten wohl Wasser oder Sumpf gewesen. Ungefähr 250 Schritt hinter dem dem Herrn Bosselmann gehörenden Hause und Vergnügungsorte liegt in gerader Richtung gegen Süden in der demselben gehörenden Wiese eine ziemlich große, feste Erdscholle, welche aus Lehm besteht und sich einige Fuß hoch über die Wiesenfläche erhebt. Früher soll nach der Ueberlieferung alter Leute der Wald sich bis über diese Stelle erstreckt haben.

Als Herr Bosselmann im Frühling 1865 hier Lehm graben ließ, um zu seinen Bauten daraus Luftziegel fertigen zu lassen, stieß der Arbeiter in einiger Tiefe auf viele Steine und Gefäßscherben, auch einige andere Alterthümer, warf

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aber im Betriebe seiner Arbeit alles hinaus, merkte sich jedoch die Lagen, da es schon sein Geschäft mit sich brachte, nach reinem Lehm zu graben. Als dieser Fund bekannt geworden war, besuchten mehrere Herren aus Schwerin diese Stelle, namentlich der Herr Architekt Stern und der Herr Litterat Fromm, und bemüheten sich, einiges von dem Funde zu retten und an sich zu bringen, und ich selbst besichtigte und untersuchte die Stelle.

Nach allen Anzeichen und den Berichten des Arbeiters war hier eine Wohnstelle aus der Bronzezeit, also vielleicht das älteste Dorf an dieser Stelle, dessen Bekanntwerden bei der Nähe der Stadt Schwerin einiges geschichtliches Interesse hat.

Das erste Zeichen einer in die Erde eingegrabenen Wohnung waren viele Feldsteine (Findlinge), welche sich, gegen die Regel, in großer Menge im Lehm an einer Stelle fanden; die Steine waren von Faustgröße bis zu Kopfgröße, einige wenige jedoch von einem Gewicht bis gegen 100 Pfund.

An einer Stelle, gegen 2 Fuß tief unter der Erdoberfläche, waren die Feldsteine, wie ein "Steindamm" (oder Herd) regelmäßig neben einander gelegt. Der Raum über diesem Steinpflaster war nicht reiner, gelber Lehm, sondern gemischte Erde von bräunlicher Farbe, also von oben herab hinein gefallen und geschlämmt.

Auf dem Steinpflaster fanden sich Holzkohlen und Asche. Dazwischen lagen verhältnißmäßig sehr viele (über 50 große) Scherben von zerbrochenen Thongefäßen (die meisten geschenkt von Herrn Stern und Herrn Fromm). Die Gefäße waren meistentheils sehr groß und dickwandig; es mögen wohl Scherben von wenigstens 8 großen Gefäßen ausgegraben sein. Alle Gefäße sind stark mit Granitgrus vermengt, also heidnischen Ursprungs; die meisten haben außen eine rauhe Oberfläche und sind noch nicht mit geschlämmten Thon überzogen; einige mit geglätteter Oberfläche haben ganz den Charakter der Bronzezeit. Es leidet keinen Zweifel, daß diese Gefäße Wirthschaftstöpfe, und keine Begräbnißurnen waren.

Zum weiteren Beweise einer Wohnstätte dienen zahlreiche Thierknochen, welche, mit Ausnahme von einigen dünnen Rippen, alle zerschlagen sind, also von zubereitetem Fleisch herrühren.

Alterthümer, welche diese Stelle genauer kennzeichnen könnten, sind leider nur wenige gefunden, jedoch genug, um genauere Bestimmungen geben zu können.

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Von Wichtigkeit ist ein kleines Thongefäß ("Topf"), von schönen Formen, ganz in dem Charakter der Bronzezeit, ähnlich den kleinen Kinderurnen, welche oft in großen Begräbnißurnen stehen, nur 3 1/4 Zoll hoch und eben so weit im Bauchdurchmesser, in einer Seitenansicht fast vollständig erhalten (geschenkt vom Herrn Fromm).

Unter den Topfscherben fand sich auch ein Bruchstück, welches sich bei genauer Betrachtung als ein Viertheil einer ganz kleinen, flachen Schale ergab, welche ungefähr nur 1 1/2 Zoll Weite in der Oeffunng und 1/2 Zoll Höhe gehabt hat. Dies ist wohl das kleinste Thongefäß, welches bisher beobachtet ist. So kleine Schalen pflegen sich in Gräbern nie zu finden und scheinen auf häuslichen Gebrauch zu deuten.

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist aber eine Messerklinge von Bronze (geschenkt vom Herrn Fromm), ganz von der Form der Messer der Bronzezeit, mit leichtem edlen Rost überzogen, 4 Zoll lang, offenbar nachgeschliffen. Der Griff ist abgebrochen, oder gar nicht vorhanden gewesen. Dagegen ist das breite Heftende der Klinge etwas umgebogen und breit geschlagen, wohl um die Klinge besser in einem hölzernen Griff befestigen zu können; an diesem Heftende ist auch die Klinge 3/4 Zoll 1ang nicht geschliffen. In Gräbern pflegen immer wohl erhaltene und im häuslichen Gebrauche nicht sehr abgenutzte Geräthe gefunden zu werden.

Der Gymnasiast F. W. Lisch zu Schwerin fand beim schließlichen Durchsuchen des Erdauswurfes zwischen den zerschlagenen Thierknochen einen gut gearbeiteten knöchernen Pfriemen, aus einem der Länge nach gespaltenen Thierknochen geschnitzt, 4 1/2 Zoll lang, überall sehr regelmäßig bearbeitet und vollkommen geglättet. In Gräbern der Bronzezeit sind in Meklenburg noch nie knöcherne Geräthe gefunden, und dieser Pfriemen ist überhaupt das erste knöcherne Geräth aus der Bronzezeit, welches in Meklenburg beobachtet ist.

Ob eine rohe, sehr löcherige Feuersteinknolle von Faustgröße und ein kleines scharfkantiges Stück Kreide mit Absicht in die ehemalige Wohnung gebracht sind, ist nicht zu errathen. Mehr Beobachtung verdient ein dünnes, unregelmäßig vierseitiges Stück Feuerstein, von welchem an drei Seiten Späne abgeschlagen sind.

Alle diese Funde geben den sichern Beweis, daß wir hier eine Wohnstätte (oder Höhlenwohnung) der Bronzezeit haben. Daß diese Stelle kein Grab war, geht schon daraus hervor, daß die Fundstelle der Alterthümer einige Fuß tief unter der Erdoberfläche war, die Grabhügel der Bronzezeit

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aber immer auf der Erdoberfläche errichtet sind. Ein Begräbniß der Eisenzeit, welche immer unter der Erdoberfläche liegen, ist aber nach allen durchaus charakteristischen Alterthümern nicht anzunehmen. Aber für die Bronzezeit reden alle Gefäße und das bronzene Messer. Für eine Wohnung reden auch bestimmt die zerschlagenen Thierknochen, besonders aber die gänzliche Abwesenheit zerbrannter menschlicher Gebeine, welche bei Scherben von Begräbnißurnen nie fehlen.

Der Herr Bosselmann zu Zippendorf, Eigenthümer des Grundstücks, hat nachträglich die Güte gehabt, den ganzen Fund dem Vereine als Geschenk zuzusichern.

G. C F. Lisch.