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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit .


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Pfahlbauten von Russow bei Roggow.

Auf dem Felde des zu dem Haupthofe Roggow gehörenden Gutes Russow bei Neu=Bukow liegen zwei Torfmoore von schwarzem, moderhaltigem Torf, welche viele Spuren von Pfahlbauten der Steinperiode enthalten. Beide Moore sind nicht sehr groß und ohne Zweifel in den ältesten Zeiten Süßwasserseen gewesen; sie sind von sanft ansteigenden Höhen Ackerlandes umgeben und gleichen an Größe, Lage und Beschaffenheit ganz dem Pfahlbau von Gägelow bei Wismar (vgl. Jahrb. XXX., S. 86).

I. "Himbeeren=Soll" heißt das Torfmoor, in welchem noch jetzt Torf gegraben wird. In diesem Moor sind in den letzten Jahren sehr viele Gegenstände ausgegraben, welche auf einen Pfahlbau schließen lassen , aber fast alle von den Arbeitern verworfen sind. Es sind nämlich nach den Berichten des Herrn v. Oertzen auf Roggow und der Arbeiter nach und nach gefunden, und zwar meisten Theils an einer tiefen Stelle nicht weit vom festen Ackerlande auf dem Grunde:

außerordentlich viel Pfahlholz, kleine und auch große Stämme, welche in großer Menge in dem Moor liegen, auch Reste von angebrannten Pfählen;

große Massen von Haselnüssen;

eine große Menge von Thierknochen, von denen die Arbeiter vor einigen Jahren ganze Trachten mit nach Hause genommen haben ;

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sehr viele geschliffene Feuersteinkeile, welche jedoch von den Arbeitern alle verworfen und zum Theil zerschlagen sind; im Frühling 1866 hat jedoch der Herr v. Oertzen aus diesem Torfmoor noch zwei Feuersteinkeile gewonnen, welche die für die norddeutschen Pfahlbauten charakteristische rauchbraune Farbe haben und an Farbe ganz mit den Keilen von Gägelow und Wismar übereinstimmen (im Besitze des Herrn v. Oertzen);

ein großes Hirschgeweih, ein Vierzehnender, fest am Schädel (im Besitze des Herrn v. Oertzen), und viele nicht zerschlagene Knochen von einem Hirsch;

ein Schädel von einem wilden Eber, mit sehr großen Fangzähnen von 5 Zoll Länge, welche jedoch nicht mehr aufzufinden sind.

Die Arbeiter behaupten, auch viel Flachs gefunden zu haben.

Ein seltener Fund ist

eine Schildkröte.

Dies ist die gemeine Sumpfschildkröte oder Süßwasserschildkröte (Emys oder Testudo europaea), deren Schilde nur in der Mitte der Seiten fest verwachsen sind, im Rückenschilde, welcher 13 Horntafeln hat, nur flach gewölbt, gegen 8 Zoll lang, dunkelbraun von Farbe wie die Pfahlbauknochen. Es ist nur der Rückenschild vorhanden. Diese Schildkröte gleicht an Gestalt, Bau und Größe genau der Schildkröte, welche im Pfahlbau von Wismar gefunden ist. Die Schildkröten sind ein sicherer Beweis, daß die Torfmoore einst Süßwasserseen waren. Im Pfahlbau von Moosseedorf in der Schweiz ist auch ein halber Bauchschild von dieser Schildkrötenart gefunden (vgl. Rütimeyer Fauna S. 114).

II. "Großes Moor" heißt das Torfmoor, welches gegenwärtig nicht bearbeitet wird. Hier ist früher ebenfalls

eine Schildkröte

gefunden, welche genau die Gestalt und Größe der eben erwähnten hat. Es sind noch beide Schilde ziemlich vollständig vorhanden.

Außerdem ist ein kleiner Hundeschädel gefunden.

Der Herr v. Oertzen auf Roggow hat die Güte gehabt, bei der Untersuchung der beiden Moore durch mich am 20. Julii 1865 die beiden Schildkröten und den Hundeschädel dem Vereine zu schenken. Außer diesen Gegenständen ist, ausgenommen das Hirschgeweih, von den Funden nichts

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mehr vorhanden. Der Herr v. Oertzen hat aber nach dieser Entdeckung für die Zukunft schärfere Beaufsichtigung in Aussicht gestellt.

In Folge dieser Entdeckung hat der Herr v. Oertzen bei dem letzten Torfstich in den letzten Tagen des Monats Julii 1865 noch angebranntes und ganz verkohltes Holz und mehrere Haselnüsse gefunden. In einem eingesandten Stück Torf steckte noch ein ganz zu Kohle gebrannter runder Baumzweig von 1 Zoll Durchmesser.

G. C. F. Lisch.


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Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 1.

Auf dem Felde des Gutes Roggow bei Neu=Bukow ist in einem Ackerschlage südlich vom Hofe eine sich weit hin erstreckende, regelmäßige, sanfte Ansteigung, in deren Nähe sich eine Wiese und ein kleiner Bach, welcher früher ohne Zweifel wasserreicher gewesen ist, und am Fuße ein jetzt zugeworfener Graben befindet. Der Untergrund ist Mergel. Beim Drainiren im Jahre 1864 fand der Herr v. Oertzen auf Roggow, daß einzelne Stellen in gleicher Richtung am Abhange wahrscheinlich Höhlenwohnungen 1 ) gewesen sind. Es waren im Mergel einzelne runde Stellen von ungefähr 6 bis 8 Fuß Durchmesser, welche aus schwärzlicher Dammerde bestanden. Man kam beim Drainiren durch diese Schicht unten wieder auf den Mergelboden. Auf diesen Stellen fanden sich in einer Tiefe von 4 Fuß, aber nicht tiefer, viele Scherben von sehr alten, dickwandigen Kochtöpfen und sehr viele Holzkohlen in gefärbten Erdstreifen und in kleinern und größern Stücken, oft von einigen Zollen im Durchmesser, auch Feldsteine. Weiter ward freilich nichts gefunden. Es ist aber wahrscheinlich, daß diese Stellen in sehr entfernten Zeiten Gruben waren, welche nach und nach zugeschlämmt und ver=


1) Der Ausdruck "Höhlenwohnungen" ist, auch nach des Herrn v. Oertzen Ansicht, nicht ganz richtig, da man unter dem Worte Höhle eine horizontal eingehende Vertiefung versteht, die "Höhlenwohnungen" in Meklenburg aber senkrecht eingehende Gruben gebildet haben. Der Ausdruck "Höhlenwohnungen" ist aber deshalb gewählt und beibehalten, weil, nach dem Vorgange der griechischen Benennung der ältesten Bewohner, welche in der Erde wohnten, der Troglodyten, im Allgemeinen die Uebersetzung durch Höhlenbewohner vorherrschend angenommen ist.
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schüttet sind. Es ist auch wahrscheinlich, daß die Ansteigung früher höher war und nach und nach abgeschlämmt und abgepflügt ist. Es wiederholen sich also hier ungefähr dieselben Erscheinungen, wie in den Höhlenwohnungen in dem nicht weit von Roggow entfernten Dreveskirchen; vgl. Jahrb. XXX., S. 123 flgd.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 2

Im Herbst 1865 ließ der Herr v. Oertzen noch eine kleine Strecke auf einem andern, ebenfalls sanft geneigten Abhange dicht neben einem kleinen Teiche drainiren, und fand auch hier wieder sogenante "Höhlenwohnungen", von denen er mehrere genau und kritisch untersuchte und im Folgenden brieflich beschreibt. Die Stellen liegen beinahe 3 Fuß tief unter der jetzigen Erdoberfläche in festem Lehm. Sie sind in dieser Tiefe auf dem Boden meistenteils vollständig ausgedämmt mit faustgroßen Feldsteinen. Die Steine sind aber nicht rund und abgeschliffen, sondern zum großen Theil an einer Seite scharfkantig und Bruchstücke von größern Felsblöcken. Die Stellen sind kreisrund und haben ungefähr 4 bis 5 Fuß Durchmessser. Gefäßscherben und Feuerrsteinsplitter wurden auf dieser Stelle nicht gefunden, jedoch viele Holzkohlen und Asche, auch Schlacken. Die Steine sind alle sehr mürbe und zerbrechlich, ein Beweis, daß viel Feuer auf Ihnen gebrannt hat. Der Herr v. Oertzen hält diese jetzt unter der Erdoberfläche liegenden Stellen nicht für menschliche "Wohnungen", da sie hiezu wohl zu klein waren, sondern nur für "Feuerstellen der Pfahlbaubewohner", welche sie zum Kochen und Backen eingerichtet hatten, da sie sich immer an sanften Abhängen in der Nähe von jetzigen Wiesen und Mooren und nicht weit von Wasser finden, und glaubt, daß sie im Laufe der Zeiten nach und nach durch herabgeschwemmte Erde hoch bedeckt sind. Diese Ansicht ist auch schon in den Jahrb. XXX., S. 123 ausgesprochen. Es ist immer wahrscheinlich, daß die Pfahlbaubewohner doppelte Wohnungen hatten, auf dem Lande zum Arbeiten bei Tage und auf dem Wasser zum Wohnen und zur Sicherheit, namentlich bei Nacht. Sie mußten offenbar zum Schlachten, Backen, Brauen, Aernten und andern ähnlichen Geschäften Räumlichkeiten haben, welche größer und gegen Feuer gesicherter waren, als die engen Pfahlhäuser. Ob nun diese Anlagen auf dem festen Lande nur

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Küchen und Keller, oder auch zugleich Wohnstätten waren, läßt sich wohl noch nicht entscheiden, da die Erfahrungen noch nicht ausreichend sind.

Man würde hiedurch zu dem Schlusse kommen, daß sich dort, wo Pfahlbauten gefunden werden, in der Nähe auch Höhlenwohnungen finden, und umgekehrt Höhlenwohnungen auf Pfahlbauten in der Nähe schließen lassen, da beide zusammen gehören. Der Herr v. Oertzen machte diese Beobachtung schon im Jahre 1864.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 3.

Beim Drainiren im Jahre 1866 fand der Herr v. Oertzen auf einem Ackerstücke, welches der "Kirchhof" genannt wird, wieder Höhlenwohnungen, jedoch weiter keine Alterthümer, obgleich solche nach dem Namen zu vermuthen standen. Es waren 11 Wohnungen, welche 16 bis 20 Fuß von einander und gegen 3 Fuß tief lagen. Es wurden bei dieser Drainirung nur einige wenige Topfscherben gefunden.

G. C. F. Lisch.


Höhlenwohnungen von Roggow Nr. 4
am Salzhaf.

Das feste Land des Gutes Roggow fällt in lehmigen Ufern steil in das Salzhaf, einem salzigen Binnenwasser der Ostsee, ab. Stürme und Wasserfluthen arbeiten hier beständig an der Veränderung der Ufergestaltung. Durch die Stürme im Spätherbst 1865 unterwühlte das Wasser an vielen Stellen das hohe Ufer und am 17. December 1865 riß bei einem starken Nordsturme die See nicht unbeträchtliche Massen des Ufers hinweg. Hiedurch wurden drei "Höhlenwohnungen" durchbrochen, welche nun in ihren Durchschnitten klar zu Tage lagen. Die eine derselben ließ sich noch untersuchen und der Herr v. Oertzen auf Roggow unternahm es, dieselbe aufzugraben und sorgfältig zu beobachten. Die Entdeckung ward dadurch gemacht, daß sich im Durchschnitt eine ungefähr 1 Fuß dicke und 6 Fuß lange Kohlenschicht zeigte. Die Wohnung lag mit dem Fußboden 3 Fuß unter der Erdoberfläche, war rund oder oval gewesen und hatte 6 Fuß im Durchmesser. Sie war in Lehm angelegt

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und hatte einen Estrich von Lehm. Mehrere röthlich gebrannte, feste Stücke von sandhaltigem Lehm haben offenbar im Feuer gelegen. An der nordöstlichen Seite, also der Windseite gegenüber, da die Hauptwindrichtung dort südwestlich ist, war auf dem Estrich eine Art Herd, 1 Fuß hoch und 2 Fuß im Quadrat. Derselbe war von ungefähr faustgroßen Granitsteinen aufgebauet, welche alle von grober, bröckeliger (also vom Feuer angegriffener) Masse und scharfkantig waren, obgleich dort an der See rundlich abgeschliffene Kiesel in jeder Größe und Menge zu finden sind. Auf diesem Herde lag eine sehr große Menge von heidnischen, grobkörnigen, rauhen, dickwandigen Topfscherben, einige von sehr großen Gefäßen, sicher aus der Steinzeit herrührend, welche an der Außenseite Spuren von Feuer tragen. Voll Bedeutung ist, daß der Boden von zwei Gefäßen, weil sie auf dem Herde gestanden hatten, nicht zerbrochen war, grade wie in den Höhlenwohnungen von dem nahen Dreveskirchen (vgl. Jahrb. XXX., S. 124), mit denen die Roggower Höhlenwohnungen genau übereinstimmen. Auch Scherben von 4 verschiedenen dünnwandigen, auf der Außenseite geglätteten, feinen Gefäßen oder Krügen wurden gefunden. Zwei dickwandige Gefäße hatten unter dem Rande einen erhabenen Reif abwechselnd von Knoten und Fingereindrücken, ganz genau in derselben Weise, wie sie einige Scherben aus den Höhlenwohnungen von Dreveskirchen zeigen, eines von kreisförmigen, flachen Fingereindrücken. Auf dem Estrich lag über einen halben Fuß hoch eine Menge von Kohlen und zerschlagenen Thierknochen. Die Kohlenschicht war so fest und hart, daß mit dem Spaten nicht durchzudringen war, sondern oft die Hacke angewandt werden mußte.

Die Thierknochen sind weiß und mürbe, wie überhaupt die Knochen der Steinzeit, welche lange in der Erde gelegen haben. Nach der Bestimmung des Herrn Professors Schulze zu Rostock befinden sich unter den erkennbaren Stücken Reste von folgenden Thieren: Rind, linker Oberkiefer, mit 4 Zähnen, und rechter Unterkiefer, Bruchstücke, Reh (oder Hirsch), linkes Schulterblatt, Schaf oder Ziege, rechtes Schulterblatt, Bruchstück, und mehrere zerschlagene, nicht zu bestimmende Knochen, auch vom Pferde ein Zahn vom rechten Oberkiefer. Steinerne Geräthe wurden nicht weiter gefunden, als zwei sehr gute Reibsteine, charakteristische Kennzeichen der unterirdischen Feuerherde aus der Steinzeit, ungefähr gut 4 Zoll im Durchmesser, der eine von weißem "alten Sandstein", der andere von röthlichem, feinkörnigem Granit.

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Stroh=Reste und Eindrücke waren trotz allen Suchens nicht zu finden. Es ist daher wohl anzunehmen, daß die Grube mit Rohr, welches dort häufig vorkommt, gedeckt war und dieses, da es luftiger liegt, ohne Zurücklassung von Kohle zu Asche verbrannte. Ueberdacht war der Raum sicher gewesen, da sich sonst wohl nicht die fast steinharte Kohlen und Knochenschicht so fest hätte bilden können.

G. C. F. Lisch.


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Begräbnißplätze von Roggow.

Auf dem Gute Roggow bei Neu=Bukow erstreckt sich nördlich vom Hofe am Salzhaf, einem salzigen Binnenwasser, eine große Wiese, die "Riemkoppel", welche früher ohne Zweifel seichter Meeresgrund gewesen ist, der nach und nach zugeschlämmt ist, wie noch heute die See unaufhörlich hier Land anspült und dort wegreißt. In dieser weiten, ebenen Wiese liegt gegen Osten hin in einiger Entfernung vom festen Lande eine Erhöhung, welche in uralten Zeiten ohne Zweifel eine Insel gewesen ist. Auf dieser Höhe werden nun außerordentlich viele unverbrannte Gerippe, alle gegen Osten schauend, gefunden, bisher jedoch ohne Geräthe. Ohne Zweifel ist dies ein Begräbnißplatz der Einwohner aus der Steinperiode, welche hier in Pfahlbauten wohnten und ihre Todten auf dieser sandigen Höhe begruben. Noch jetzt findet man Pfähle im Salzhaf. (Die großen Steingräber der Steinperiode dagegen gehörten gewiß Helden oder Herrschern derselben Zeit an.) In der Nähe sind zwei Süßwasserteiche.


Oestlich von dem Hofe erhebt sich im festen Lande aus schwerem Boden eine sandige Höhe, in welcher noch außerordentlich viele Gerippe gefunden werden, obgleich auf diesem Begräbnißplatze vor vielen Jahren schon viele Gerippe mit Keilen und Spanmessern aus Feuerstein und thönerne Urnen ausgegraben sind; vgl. Jahrb. IX., S. 367. Dies ist also eine zweite Begräbnißstätte der Steinperiode.

G. C. F. Lisch.


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Hünengrab von Mestlin Nr. 2.

(Vgl. Jahrb. XXVII., S. 165.)

Auf der Feldmark von Mestlin bei Dobbertin lag, auf der Hufe des Erbpächters Müller, nach der Beschreibung desselben ein mit großen Steinen ausgesetzter Hügel, welcher zur bequemern Beackerung abgetragen ward. Die Arbeiter fanden in dem Grabe mehrere steinerne Geräthe, welche der Herr Dr. Wiechmann = Kadow erwarb und dem Vereine wieder überließ. Diese Steingeräthe sind folgende:

1) ein Streitkeil aus bräunlich=grauem Feuerstein, dünn und breit, 7 1/2 Zoll lang, sehr regelmäßig gearbeitet, auf den beiden breiten Seiten sehr schön geschliffen, an den beiden schmalen Seiten und am Bahnende zur Ebnung angeschliffen, unversehrt;

2) ein Arbeitsteil aus fettlosem, hellgrauem Feuerstein, dick und kurz, 4 1/2 Zoll lang, nur am Beilende geschliffen, sonst überall abgesprengt und schadhaft;

3) eine Streitaxt aus Diorit, kurz und plump, nur 4 Zoll lang, mit einem großen Schaftloche, am Beilende verletzt;

4) eine noch nicht fertige Streitaxt aus Diorit. Dies ist ein dünner flacher Stein, 5 Zoll lang, 2 Zoll breit, in der Querlinie des Schaftloches und überall nur 3/4 Zoll dick. Dieses Geräth zeigt wieder klar den Gang in der Verfertigung. Das Schaftloch ist vollständig fertig, wie in der Regel das Schaftloch vor der Schleifung der Oberfläche vollendet ward. Die beiden breiten Oberflächen sind noch gar nicht bearbeitet. Die beiden Enden sind quer stumpf angeschliffen, wahrscheinlich um eine sichere Linie für die Zuspitzung nach beiden Enden zu erreichen. Nach dem Beilende hin sind allein die beiden schmalen Enden angeschliffen, um nach und nach die richtige Mitte der Spitze zu gewinnen.

Eben so selten und in Meklenburg einzig in seiner Art ist

5) ein Reiber aus Diorit. Dieses Geräth ähnelt der obern Hälfte einem dicken, fast viereckigen Keil und ist 3 Zoll lang. Das untere, regelmäßige Viereck von etwa 1 1/2 Zoll Quadrat Größe ist vollkommen eben gestaltet und glatt geschliffen und an allen vier Kanten schmal und rund abgeschliffen. Wozu dieses Geräth gedient haben mag, ist nicht klar; jedenfalls hat es aber zum Reiben feiner Sachen gedient, da es eben so vollkommen geglättet ist, wie heute ein steinerner Farbenreiber.

G. C. F. Lisch.


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b. Bronzezeit.


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Kegelgräber von Braunsberg.

Im Herbste des Jahres 1865 ließ Herr Hand auf Braunsberg bei Güstrow auf seinem Felde an vielen Stellen nach Steinen graben. Bei dieser Arbeit stieß derselbe ganz der Nähe des Hofes im Acker auf drei kaum merklich erhabene Stellen, welche unter der jetzigen Erdoberfläche von einem Kreise von größern Steinen eingeschlossen waren und 50 bis 60 Fuß im Durchmesser hatten. Innerhalb der Kreise lagen mehrere Schichten von kleinern Steinen dammartig über einander. Unter und zwischen diesen kleinen Steinen standen viele kleine thönerne Gefäße, welche aber alle beim Ausgraben zerbrachen. Ohne Zweifel bildeten diese Plätze niedrige Kegelgräber der Bronzezeit, wie sie im Lande früher in großer Menge vorhanden waren und noch jetzt nicht selten unter den Pflug gebracht sind, jedoch von einem kundigen Auge, schon an der geringern Fruchtbarkeit der nur wenig erhöheten Stellen, leicht erkannt werden können.

In einem dieser Kreise fand Herr Hand

neben einer zerbrochenen Urne, deren Scherben ganz den Charaktér der Bronzezeit tragen,

ein Schwert von Bronze, welches Herr Hand mit den Urnenscherben dem Vereine geschenkt hat. Das ziemlich stark gerostete, zweischneidige Schwert, welches mit dem Griffe gut 2 Fuß lang oder ein wenig länger gewesen sein wird, hat einen erhabenen Mittelrücken, welcher an jeder Seite von 4 Linien begleitet ist, und einen bronzenen Griff. Der Griff hat einen mit 8 kleinen Löchern und sonst mit Linien derzierten rautenförmigen Knopf, wie ihn häufiger die Bronzedolche haben, und daher selbst einen der Raute sich nähernden Durchschnitt, und ist an jeder Seite mit 8 Queerfurchen, welche wahrscheinlich mit farbigem Kitt ausgelegt gewesen sind, oder mit 8 durch die Vertiefungen stehen gebliebenen Queerreifen verziert. Schwerter dieser Art sind noch wenig oder gar nicht

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zur Abbildung gekommen. Das Schwert gleicht in jeder Hinsicht den in den großen Kegelgräbern von Dabel (Jahrb. XXII, S. 281) und Peccatel ( (Jahrb. IX., S. 375) gefundenen Bronzeschwertern. Das Schwert von Peccatel ist auf der Lithographie zu Jahrb. IX., Fig. 5 abgebildet; diese Abbildung kann zur Veranschaulichung der Form des Schwertes von Braunsberg dienen; nur gehen an dem Schwertgriffe von Peecatel die Queerrillen rund umher durch, während sie an dem Griffe von Braunsberg an den beiden Seiten durch Längsstreifen geschlossen sind; die eigenthümlich gestaltete Anfügung des Griffes an die Klinge und der Knopf sind aber bei beiden Schwertern gleich. - Das Schwert von Braunsberg ist bei der Einlegung ins Grab in 4 Stücke zerbrochen, wie die gerosteten Bruchenden beweisen, und die Mittelstücke sind sehr stark verbogen; bei der Aufgrabung sind wieder einige Stücke zerbrochen; daher ist die Klinge auch nicht ganz vollständig mehr vorhanden, jedoch noch in so viel Bruchstücken, daß sie im Ganzen 18 Zoll lang sind.

G. C. F. Lisch


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Wohnplatz von Zippendorf bei Schwerin.

(Höhlenwohnung.)

Am südlichen Ende des großen Schweriner Sees, 3/4 Stunden von der Stadt Schwerin entfernt, liegt unmittelbar am Ufer des Sees das der Stadt gehörende Dorf Zippendorf. Der Raum des Dorfes und der nächsten Umgebungen desselben hinter dem jetzt sandigen Ufer bildet eine ebene Fläche, welche sich an die nicht weit entfernten, nicht unbedeutenden, zum Theil noch jetzt bewaldeten Höhen lehnt. Die Fläche ist zum größten Theile mit schwarzer Wiesenerde bedeckt, ist aber in alten Zeiten wohl Wasser oder Sumpf gewesen. Ungefähr 250 Schritt hinter dem dem Herrn Bosselmann gehörenden Hause und Vergnügungsorte liegt in gerader Richtung gegen Süden in der demselben gehörenden Wiese eine ziemlich große, feste Erdscholle, welche aus Lehm besteht und sich einige Fuß hoch über die Wiesenfläche erhebt. Früher soll nach der Ueberlieferung alter Leute der Wald sich bis über diese Stelle erstreckt haben.

Als Herr Bosselmann im Frühling 1865 hier Lehm graben ließ, um zu seinen Bauten daraus Luftziegel fertigen zu lassen, stieß der Arbeiter in einiger Tiefe auf viele Steine und Gefäßscherben, auch einige andere Alterthümer, warf

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aber im Betriebe seiner Arbeit alles hinaus, merkte sich jedoch die Lagen, da es schon sein Geschäft mit sich brachte, nach reinem Lehm zu graben. Als dieser Fund bekannt geworden war, besuchten mehrere Herren aus Schwerin diese Stelle, namentlich der Herr Architekt Stern und der Herr Litterat Fromm, und bemüheten sich, einiges von dem Funde zu retten und an sich zu bringen, und ich selbst besichtigte und untersuchte die Stelle.

Nach allen Anzeichen und den Berichten des Arbeiters war hier eine Wohnstelle aus der Bronzezeit, also vielleicht das älteste Dorf an dieser Stelle, dessen Bekanntwerden bei der Nähe der Stadt Schwerin einiges geschichtliches Interesse hat.

Das erste Zeichen einer in die Erde eingegrabenen Wohnung waren viele Feldsteine (Findlinge), welche sich, gegen die Regel, in großer Menge im Lehm an einer Stelle fanden; die Steine waren von Faustgröße bis zu Kopfgröße, einige wenige jedoch von einem Gewicht bis gegen 100 Pfund.

An einer Stelle, gegen 2 Fuß tief unter der Erdoberfläche, waren die Feldsteine, wie ein "Steindamm" (oder Herd) regelmäßig neben einander gelegt. Der Raum über diesem Steinpflaster war nicht reiner, gelber Lehm, sondern gemischte Erde von bräunlicher Farbe, also von oben herab hinein gefallen und geschlämmt.

Auf dem Steinpflaster fanden sich Holzkohlen und Asche. Dazwischen lagen verhältnißmäßig sehr viele (über 50 große) Scherben von zerbrochenen Thongefäßen (die meisten geschenkt von Herrn Stern und Herrn Fromm). Die Gefäße waren meistentheils sehr groß und dickwandig; es mögen wohl Scherben von wenigstens 8 großen Gefäßen ausgegraben sein. Alle Gefäße sind stark mit Granitgrus vermengt, also heidnischen Ursprungs; die meisten haben außen eine rauhe Oberfläche und sind noch nicht mit geschlämmten Thon überzogen; einige mit geglätteter Oberfläche haben ganz den Charakter der Bronzezeit. Es leidet keinen Zweifel, daß diese Gefäße Wirthschaftstöpfe, und keine Begräbnißurnen waren.

Zum weiteren Beweise einer Wohnstätte dienen zahlreiche Thierknochen, welche, mit Ausnahme von einigen dünnen Rippen, alle zerschlagen sind, also von zubereitetem Fleisch herrühren.

Alterthümer, welche diese Stelle genauer kennzeichnen könnten, sind leider nur wenige gefunden, jedoch genug, um genauere Bestimmungen geben zu können.

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Von Wichtigkeit ist ein kleines Thongefäß ("Topf"), von schönen Formen, ganz in dem Charakter der Bronzezeit, ähnlich den kleinen Kinderurnen, welche oft in großen Begräbnißurnen stehen, nur 3 1/4 Zoll hoch und eben so weit im Bauchdurchmesser, in einer Seitenansicht fast vollständig erhalten (geschenkt vom Herrn Fromm).

Unter den Topfscherben fand sich auch ein Bruchstück, welches sich bei genauer Betrachtung als ein Viertheil einer ganz kleinen, flachen Schale ergab, welche ungefähr nur 1 1/2 Zoll Weite in der Oeffunng und 1/2 Zoll Höhe gehabt hat. Dies ist wohl das kleinste Thongefäß, welches bisher beobachtet ist. So kleine Schalen pflegen sich in Gräbern nie zu finden und scheinen auf häuslichen Gebrauch zu deuten.

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist aber eine Messerklinge von Bronze (geschenkt vom Herrn Fromm), ganz von der Form der Messer der Bronzezeit, mit leichtem edlen Rost überzogen, 4 Zoll lang, offenbar nachgeschliffen. Der Griff ist abgebrochen, oder gar nicht vorhanden gewesen. Dagegen ist das breite Heftende der Klinge etwas umgebogen und breit geschlagen, wohl um die Klinge besser in einem hölzernen Griff befestigen zu können; an diesem Heftende ist auch die Klinge 3/4 Zoll 1ang nicht geschliffen. In Gräbern pflegen immer wohl erhaltene und im häuslichen Gebrauche nicht sehr abgenutzte Geräthe gefunden zu werden.

Der Gymnasiast F. W. Lisch zu Schwerin fand beim schließlichen Durchsuchen des Erdauswurfes zwischen den zerschlagenen Thierknochen einen gut gearbeiteten knöchernen Pfriemen, aus einem der Länge nach gespaltenen Thierknochen geschnitzt, 4 1/2 Zoll lang, überall sehr regelmäßig bearbeitet und vollkommen geglättet. In Gräbern der Bronzezeit sind in Meklenburg noch nie knöcherne Geräthe gefunden, und dieser Pfriemen ist überhaupt das erste knöcherne Geräth aus der Bronzezeit, welches in Meklenburg beobachtet ist.

Ob eine rohe, sehr löcherige Feuersteinknolle von Faustgröße und ein kleines scharfkantiges Stück Kreide mit Absicht in die ehemalige Wohnung gebracht sind, ist nicht zu errathen. Mehr Beobachtung verdient ein dünnes, unregelmäßig vierseitiges Stück Feuerstein, von welchem an drei Seiten Späne abgeschlagen sind.

Alle diese Funde geben den sichern Beweis, daß wir hier eine Wohnstätte (oder Höhlenwohnung) der Bronzezeit haben. Daß diese Stelle kein Grab war, geht schon daraus hervor, daß die Fundstelle der Alterthümer einige Fuß tief unter der Erdoberfläche war, die Grabhügel der Bronzezeit

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aber immer auf der Erdoberfläche errichtet sind. Ein Begräbniß der Eisenzeit, welche immer unter der Erdoberfläche liegen, ist aber nach allen durchaus charakteristischen Alterthümern nicht anzunehmen. Aber für die Bronzezeit reden alle Gefäße und das bronzene Messer. Für eine Wohnung reden auch bestimmt die zerschlagenen Thierknochen, besonders aber die gänzliche Abwesenheit zerbrannter menschlicher Gebeine, welche bei Scherben von Begräbnißurnen nie fehlen.

Der Herr Bosselmann zu Zippendorf, Eigenthümer des Grundstücks, hat nachträglich die Güte gehabt, den ganzen Fund dem Vereine als Geschenk zuzusichern.

G. C F. Lisch.


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Wohnplatz von Schwerin.

(Höhlenwohnung.)

Im Südwesten bei der Stadt Schwerin erhebt sich, zwischen dem Wege nach Neumühlen, und weiter nach Wittenburg, und dem Ostorfer See plötzlich eine bedeutende Gruppe von hohen, sehr steinigen und grandigen Bergen, welche im Volksmunde die "Schweriner Schweiz" genannt werden und erst seit Menschengedenken in Cultur gebracht sind. Dort, wo gegen Neumühlen hin, eine kleine halbe Stunde von der Stadt entfernt, diese Hügelbildung aufhört, greift eine Bucht des Ostorfer Sees in die Niederung hinein, die sich weit in eine Wiese fortsetzt, welche in den ältesten Zeiten ohne Zweifel auch Wasser gewesen ist; durch diese Niederung zieht sich der Verbindungsgraben zwischen dem Lankower und Ostorfer See. Hier am Ende der Wiese, in sehr geschützter Lage, auf einem kleinen, lehmigen Vorsprunge des festen Bodens (Ackerstück 224, resp. 222) ist im Jahre 1865 durch Herrn Kleeberg eine Leimsiederei mit einem Wohnhause angelegt, wo nach Aufhebung der Frohnerei bei der Stadt an der Bleicherstraße (Bekanntmachung vom 23. April 1866) die gefallenen Thiere so sehr verwerthet werden, daß an Ort und Stelle schließlich gar nichts übrig bleibt.

Der Vorsprung oder der Hügel, auf welchem das Haus steht, senkt sich gegen Osten hin sehr rasch zu der Wiese und dem Graben hinab. Am Fuße des Hügels fand Herr Kleeberg beim Ebnen ungefähr ein Dutzend ziemlich großer Feldsteine in fast grader Reihe und dahinter ungefähr 1 1/2 Fuß unter der Erdoberfläche, folgende Alterthümer:

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2 bronzene Frameen, gleich, voll gegossen, mit durchgehender, nicht tiefer Schaftrinne, mit starkem, hellgrünem, edlem Rost, und

1 bronzene Lanzenspitze, kurz, hohl gegossen, mit Nagelloch, von gleicher Beschaffenheit,

welche in den Besitz des Herrn Litteraten L. Fromm zu Schwerin gekommen sind.

Beim Nachgraben in meiner Gegenwart wurden im Lehm noch einige größere Steine, welche offenbar absichtlich zusammengepackt waren, und einige Stücke ohne Zweifel sehr alter Holzkohle gefunden.

Herr Kleeberg schenkte mir noch 2 Knochen, welche er an derselben Stelle gefunden hat:

1) einen sehr alten, ganz ausgedörrten Knochen, nach der Bestimmung des Herrn Professors Schulze zu Rostock ein an beiden Enden abgebrochener Oberschenkelknochen von einem nicht großen Menschen, vielleicht einer Frau;

2) einen jüngern, noch blanken, jedoch noch alten, etwas stärkern Knochen von einem Thier, jedenfalls nicht von einem Menschen.

An der entgegengesetzten Seite des Hügels, nicht weit vom Hause, war am Rande der Wiese ein Wasserloch gegraben. Dabei wurden mehrere eichene Pfähle herausgezogen, welche sehr alt, im Innern jedoch noch fest, aber schwarz sind. Man könnte hier Pfahlbauten vermuthen; aber die Pfähle halten ungefähr 1 Fuß im Durchmesser: die Pfähle der Pfahlbauten pflegen nie so dick zu sein.

Nach allen Anzeichen scheint diese Stelle nicht ein Begräbnißplatz, sondern ein Wohnplatz für Bewohner der Bronzezeit zu sein, dem ähnlich gelegenen Wohnplatze von Zippendorf vergleichbar (vgl. oben S. 60). Ein Grab würde nach den bisherigen Erfahrungen sicher auf dem Rücken des Hügels erbauet sein, welcher nur wenige Schritte von der Fundstelle entfernt ist.

G. C. F. Lisch.


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c. Eisenzeit.


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Granitkegel von Quast,

als

Sinnbild des phönizischen Sonnengottes.

von

G. C. F. Lisch.

Im Jahre 1864 ward zu Quast bei Lübtheen, im Kirchspiel Jabel, mitten in der großen Kieferhaide, welche seit alter Zeit den Namen Jabel Haide trägt, im südwestlichen Meklenburg, ein großer kegelförmiger Stein gefunden und von dem Herrn Förster Ehrenstein zu Quast dem Vereine geschenkt.

Granitkegel

Der Stein ward beim Suchen nach Feldsteinen zu Hausfundamenten im freien Felde im Sande gefunden und es ist keine Veranlassung vorhanden zu vermuthen, daß er von irgend einem Bau aus der historischen Zeit stammen sollte.

Derhieneben abgebildete Stein ist ein grobkörniger, jedoch sehr fester und dichter, weißer, schwarz gesprenkelter Granit und durch Kunst zu einem fast ganz regelmäßigen Kegel bearbeitet, 21 Zoll (50 Centimeter) hoch und in der am Rande etwas abgerundeten Basis ungefähr 9 Zoll (22 Centimeter) im Durchmesser, 58 Pfund schwer; der Kegel gleicht fast ganz einem Zuckerhut. Die Ober=

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fläche ist durch Schlagen und Reiben geebnet, aber nicht geschliffen; an einer Seite ist eine natürliche Bruchfläche zur Gestaltung benutzt. In Meklenburg, vielleicht in Deutschland, sind solche Steine bisher noch nicht beobachtet, auch ist keine Vermuthung vorhanden, daß sie in der Neuzeit zu häuslichen Zwecken sollten gedient haben. Bischof Münter zu Kopenhagen besaß ein Paar "konische Steine", welche aus dessen Nachlaß der als Sammler bekannte Oberst Sommer, Commandant des Schlosses Rosenburg in Kopenhagen, kaufte.

Ich trage daher kein Bedenken, diesen kegelförmigen Stein dem Heidenthum zuzuschreiben und ihn für ein Symbol der Gottheit zu halten. Diese Erklärung findet ihre Hauptquelle in der Geschichte des römischen Kaisers Heliogabalus. Heliogabalus, in Rom früher mit dem Namen Varius Avitus Vassianus, war der Enkel der Syrerin Mäsa, einer Schwägerin des Kaisers Septimius Severus, welche sich nach Antonin's Ermordung auf Befehl des Usurpators Macrinus von Rom wieder nach ihrer Heimath Emesa in Syrien hatte begeben müssen. Hier erreichte es das kluge und reiche Weib, daß ihr schöner Enkel Bassianus in seinem 13. Lebensjahre zum Oberpriester der Sonne erhoben ward, welche zu Emesa unter dem Bilde eines herabgefallenen Meteorsteines in einem großen Tempel verehrt ward. Der griechisch gebildete Name dieses syrisch=phönizischen Steines und Gottes, Heliogabalos, wird durch das syrische Wort Ela=gabal oder Al=Gebel (Έλαιαγάβαλος), erklärt, welches wörtlich "Gott bildet", Gottesbildung bedeutet, und war ein Symbol der schaffenden Gottheit. Nachdem Bassianus nach der Ermordung des Macrinus durch das Geld seiner Großmutter Kaiser geworden war, schrieb er seine Erhebung auf den Kaiserthron seiner Landesgottheit zu und seine abergläubische Furcht trieb ihn dahin, den Sieg des Gottes von Emesa über alle andern Gottesdienste der Erde zu erheben. Er befahl, den neuen Gott vor allen andern Göttern Eleäagabalus zu nennen (όυομάζειυ τέου δεόυ Έλαιαγάβαλου, Herodian V., 5, 7), nahm selbst den Namen Heliogabalus (mit dem griechischen Zusatze Helio =, d. i. Sonne) an, ließ den Stein nach Rom versetzen und der Gottheit einen prachtvollen Tempel erbauen und feierte demselben alljährlich mitten im Sommer große Feste, so daß zu seiner Zeit die Verehrung dieses Gottes alle andern verdrängte. Den Gott ließ er bei dem Feste auf einem goldenen, mit kostbaren Steinen reich besetzten Wagen aus der Stadt in einen in der Vorstadt erbaueten großen Tempel fahren.

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Herodian in seiner Lebensbeschreibung der römischen Kaiser, V., 3, 5 (Herodiani libri octo, ab Imm. Bekkero recogniti, 1855, L. V., c. 3, §. 5.) giebt eine ganz genaue Beschreibung dieses Steins; er sagt:

"Das Bild war nicht, wie bei den Hellenen oder Römern, vou Menschenhänden gemacht, die Gestalt einer Gottheit zeigend; sondern es ist ein sehr großer Stein, von unten her rund, in eine Spitze auslaufend; er ist kegelförmig von Gestalt und schwarz von Farbe, und es wird versichert, daß er vom Himmel gefallen sei.(λιδος δέ τις έστι μέγιστος, κάτωδευ περιψερ[Symbol: nicht zuordenbar wie r mit Strich]ςλήγωυ ές όξύτητα . κωυοειδές αιτφ δχημα, μελαιυά τε η χροιά . διιπετη τε αιτόυ ειυαι σεμυολογοισιυ)

Diese Beschreibung des Steines stimmt also ganz genau mit dem Granitkegel von Quast überein, nur daß dieser weiß von Farbe und schwarz gesprenkelt ist, während der Elagabal ganz schwarz gewesen sein soll.

Diese Beschreibung des Herodian wird auch durch Münzen als wahr bewiesen. Auf einigen seltenen Münzen des Kaisers Heliogabal steht auf der Rückseite als Symbol des von ihm angenommenen Namens ein solcher Sein, welcher mit einem Adler verziert ist. Eine solche Münze ist abgebildet in Mionnet de la rareté et du prix des médailles Romaines, Seconde édition, T. I., p. 343. Nach Eckhel III., S. 326 hat eine andere Münze auf der Rückseite ein Viergespann mit einem Wagen, auf dem derselbe Stein steht; Herr Archivrath Grotefend zu Hannover besitzt ein Exemplar dieser Münze in Silber. Die Abbildung des Steines auf diesen Münzen ist aber nicht ein spitzer Kegel, wie Herodians Beschreibung meldet und der Stein von Quast zeigt, sondern mehr ein oben abgerundeter Cylinder.

Die Sache ist auch schon von verschiedenen Gelehrten angeregt. Bischof Münter gab in Folge seiner Studien und seiner Beobachtungen im Norden die Schrift heraus: Religion der Karthager, Kopenhagen, 1821. Er schließt S. 62-67 ungefähr Folgendes. "Astarte, die zweite Hauptgottheit der Karthager war das empfangende und gebärende Princip der Natur, welches im Orient und in Griechenland unter den verschiedensten Namen verehrt ward Denn die Isis der Aegypter, die Astarte und Baaltis oder Beltis und Belene der Syrer, die babylonische Mylitta, die paphische Venus, die taurische und ephesische Diana, waren im

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Ganzen Ein Wesen mit der karthagischen Himmelsgöttin oder der Urania der Griechen. - - Ohne allen Zweifel war die Verehrung dieser Gottheit aus Tyrus oder aus Sidon, wo sie besonders angebetet wurde, nach Karthago "eingewandert. - - (S. 67.) Die älteste Kunstvorstellung finden wir in Paphos, wo das Idol eine lange Reihe von Jahrhunderten hindurch ein weißer konischer Stein war."

In den neuesten Zeiten hat z. B. Holmboe , Professor zu Christiania, die Sache behandelt (Traces de Buddhisme en Norvége, Paris, 1857, p. 57), indem er in diesen kegelförmigen Steinen, deren mehrere im Norden gefunden sind, wie schon der Titel seines Buches andeutet, Spuren des indischen Buddha=Dienstes zu erkennen glaubt. Die von ihm beschriebenen Steine sind aber mehr oben abgerundete Cylinder, als eigentliche Kegel. Auch in Meklenburg sind kleine an einem Ende abgerundete Cylinder gefunden, welche zwar alt sind, aber nach meiner Ansicht kein besonderes Gewicht für die Entscheidung der Sache haben.

Auch Nilson zieht die Sache in den Kreis seiner Untersuchungen (Die Ureinwohner des Scandinavischen Nordens. I. Das Bronzealter. Aus dem Schwedischen übersetzt. Hamburg. 1863), indem er eine pyramiden= oder kegelförmige Darstellung auf dem Kivikmonument für das symbolische Bild des Sonnengottes (Baal) erklärt (S. 43, 45, 60) und dabei auch die Erzählung Herodians zur Untersuchung zieht.

Es ist hier nicht der Ort, tiefer in das Wesen dieses Götzendienstes einzugehen. Nur das scheint mir sicher festzustehen, daß der Granitkegel von Quast eine sehr wichtige Bereicherung der Reihe dieser symbolischen Kegelsteine ist und jedenfalls große Aufmerksamkeit verdient.

Es ist ein Spiel des Zufalls, daß der Stein von Quast in der Nähe des Ortes Jabel gefunden ist und der eigentliche, reine Name der phönizischen Gottheit Gabal lautet. Ich darf jedoch den Ortsnamen Jabel nicht von dem syrischen Gabal, sondern wohl sicher aus dem Wendischen ableiten; denn in allen slavischen Dialekten, z. B. im Altslavischen, Böhmischen, Polnischen und heute im Oberlausitzischen, heißt gablon oder jablon: der Apfelbaum, und gablko, jabloko, gablkowy: der Apfel. In der Jabelhaide wohnten die letzten Wenden in Meklenburg.


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d. Alterthümer anderer europäischer Völker.


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Alterthümer

aus

dem Diluvium

und

der Steinperiode der Picardie

vom

Herrn Boucher de Perthes zu Abbeville .

Bericht

von

G.C. F. Lisch .


Fortsetzung zu Jahrb. XXX., S. 157.


Herr Boucher de Perthes zu Abbeville, der Entdecker der menschlichen Alterthümer im Diluvium, unser correspondirendes Mitglied, hat die aufopfernde Freundlichkeit gehabt, von den letzten Resten seiner Sammlung, welche er in den Hauptbestandtheilen im Jahre 1865 dem Staate geschenkt hat, im April 1866 dem Vereine noch folgende werthvolle Stiicke zu schenken.

Diluvium.

Thierknochen.

Abbeville.

Vorstadt Menchecourt.

1 Gelenkkopf von einem Elephantenbein, großes Bruchstück, gefunden mit den 3 unten zuerst verzeichneten Feuersteingeräthen 8 Metres (24 Fuß rheinländ.) tief.

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1 großer Wirbelknochen, ebendaselbst gefunden mit denselben Feuersteingeräthen 1860, eben so tief, wahrscheinlich zusammen mit dem in Jahrb. XXX., S. 160 zuerst aufgeführten Wirbelknochen;

1 kleiner Beckenknochen, eben so;

1 Fußknochen, 1861, 8 Metres tief;

1 Beinknochen, wahrscheinlich vom Urrind (Bos primigenius), gefunden 1862 mit bearbeiteten Feuersteingeräthen, 8 Metres tief;

1 Rippe, wahrscheinlich vom Rhinoceros, Bruchstück.

Feuerstein = Alterthümer.

Abbeville.

Vorstadt Menchecourt.

1 Beil, bräunlich und gelblich gefleckt, gefunden 1860 mit den oben zuerst aufgeführten Thierknochen;

1 Messer, eben so gefärbt und eben so mit Elephantenknochen gefunden, mit Schlagansatz, an den Schneiden stark abgenutzt;

1 Messer, weiß gefärbt, mit Schlagansatz, an den Schneiden etwas abgenutzt, eben so mit den oben zuerst aufgefundenen fossilen Thierknochen gefunden;

1 Messer, weiß gefärbt, an den Schneiden abgenutzt;

1 Messer, hell von Farbe, an den Schneiden abgenutzt, mit fossilen Knochen gefunden;

1 Span, pfeilförmig.

Moulin Quignon.

1 Beil, wie das oben aufgeführte, bei Menchecourt gefundene gefärbt, 4 Metres tief.

Mautort bei Abbeville.

1 Beil, hellbraun von Farbe, sehr stark abgerieben, in einer Grandgrube ("carrière") 1865 gefunden, 5 bis 6 Metres tief;

1 Scheibe (Schaber), weiß gefärbt, 1849 gefunden.

Umgebung von Abbeville.

1 Beil, bräunlich von Farbe, mit hellbraunem Sande bedeckt, an den Kanten etwas abgerieben, im Jahre 1860 gefunden, 4 Metres tief mit Knochen.

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1 Beil, dunkelgrau von Farbe, an allen Kanten stark und glatt abgerieben, im umgebrochenen Lande ("terrain remanié") 1860 gefunden, mit gelblich=grauer Erde bedeckt.

Nachdiluvianische Steinzeit.

Abbeville.

Thierknochen.

Torfmoor an der Somme.

1 Rindskinnbacken;

1 abgehacktes Hirschhornende, mit thönernen Gefäßen gefunden;

1 Eberhauer;

1 großer Beinknochen, mit Feuersteingeräthen gefunden;

4 kleine Beinknochen;

1 dünne Rippe;

1 Halswirbel.

Feuersteingeräthe.

Torfmoor an der Somme.

1 Beil, von Abbeville aus den nahen Torflagern, wo diese nur geschlagenen (nicht geschliffenen) Feuersteingeräthe sich zu Millionen bei Topfscherben finden;

1 Beil;

1 kleines Beil;

1 beilförmiger Splitter, gefunden 1836;

1 beilförmiger Splitter, gefunden 1836;

1 Beil;

1 Messer, gefunden 1839.

Gräber der Steinzeit.

1 kleines Beil, gefunden 1840 mit Knochen und Scherben;

1 kleines Beil;

1 kleines Beil, gefunden 1840.

Auf der Erde in der Umgegend.

Feuersteinsplitter, zerschlagene Knochen und Topfscherben, auf oder im Schlamm oder Torf bei heidnischen Gefäßen.

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Amiens.

1 Keil von hellgrauem Feuerstein, mit abgerundeten Kanten, ganz geschliffen, an beiden Enden zerbrochen.


Alterthümer

der ältesten Steinzeit

von Grand-Pressigny.

(vgl. Jahrb. XXX., Seite 162.)

1 großer abgesplitterter Block von braunem Feuerstein, 2 1/2 Pfund schwer, und

3 Späne oder spanförmige Messer von demselben Feuerstein,

gefunden von dem Herrn Dr. Leveillant, welcher sie dem Herrn Boucher de Perthes wieder überlassen hat.


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II. Zur Baukunde.


Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.


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Die Kirche zu Kavelsdorf,

von

G. C. F. Lisch

Das Dorf Kavelsdorf, früher Kaboldesdorf, zwischen Schwaan und Rostock, nicht weit von der Warnow, ist mit der uralten Kirche wohl ohne Zweifel von der ritterlichen Familie Kabold gegründet, wenn auch der Name dieses Ortes bei Schwaan im ganzen 13. Jahrhundert noch nicht vorkommt. Als der Ritter Kabold eine Vikarei im Dome zu Güstrow gestiftet hatte, bestätigte der Fürst Nicolaus von Werle im Jahre 1301 dazu auch das Eigenthum einer Hufe in Kavelsdorf und im Jahre 1317 schenkten die Ritter Kabold dem Dome zu Güstrow den See zu Prisannewitz. Ohne Zweifel ist von derselben Familie auch das Dorf Kabelsdorf bei Tribsees in Festland Rügen gegründet, wo noch ein ungewöhnlich großer Burgwall liegt (vgl. Lisch Urk. des Geschl. Behr, I., A., S. 71). Die Familie erscheint auch zugleich sowohl im Lande Rügen, als auch im Lande Werle. Zuerst tritt der Ritter Ludwig Kabold schon im Jahre 1221 auf, offenbar im Gefolge des Fürsten Heinrich (Borwin II.) von Werle (Mekl. U. B. I., Nr. 278). In Meklenburg erscheinen die Kabold nur als Vasallen der Fürsten von Werle, nie der Fürsten von Rostock, obgleich das Dorf der Stadt Rostock so nahe liegt, daß man

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von demselben die Kirchen der Stadt deutlich sehen kann, und die Glieder der Familie sehr häufig in der Stadt Rostock auftreten. Die Familie Kabold besaß auch in alter Zeit das Dorf Kavelsdorf, da sie noch 1301 dem Dome zu Güstrow eine Verleihung aus demselben machten. Außerdem besaß sie auch das gegenüber am andern Ufer der Warnow liegende Dorf Polchow, welches sie im Jahre 1275 verkaufte (Mekl. U. B. II., Nr. 1367). Die Kabold saßen also an der nördlichsten Grenze des Landes Werle (Schwaan), und die Grenzflüsse Tichmenzeke 1 ) und Zarnow, von denen die Zarnow sich bei Reez in die Warnow ergießt, lagen wohl an oder auf ihrem Gebiete 1 ) (vgl. Jahrb. VI., S. 89 flgd.). Die Söhne des Ludwig Kabold werden gewöhnlich auch Kabold, daneben aber auch Kabold's Söhne ("Johannes Kaboldi": Mekl. U. B. II, Nr. 1182) und von Kavelsdorf ("Johannes et Henricus fratres de Kaboldisdhorpe": Mekl. U. B. II., Nr. 1254) genannt. Dies sind zugleich die Glieder der Familie, welche im 13. Jahrhundert am häufigsten als Vasallen der Fürsten von Werle erscheinen. Außer diesen kommt noch ein Knappe Werner Kabold im Jahre 1274 vor (vgl. Mekl. U. B. II., Nr. 1342). Ein Werner Kabold tritt auch im Jahre 1367 auf.

Nach dem Berichte des Herrn Cantors Hill zu Kavelsdorf lebt im Volksmunde der dortigen Gegend noch die Ueberlieferung, daß Kavelsdorf ehemals eine ringsumher von einem See umgebene Burg gewesen sei, welche nur auf der Südostseite einen ganz schmalen Zugang gehabt habe. Ein Blick auf die Oertlichkeit läßt dies auch nicht als unmöglich erscheinen, indem das Dorf, auf einer ziemlich bedeutenden Anhöhe liegend, noch jetzt ringsumher von See, Sumpf und Wiesen eng eingeschlossen ist. An welcher Stelle die Burg gestanden habe, verrathen zu Tage liegende Ueberreste nicht; jedoch vermuthet Herr Hill, daß ihre Stelle auf dem alten Kirchhofe, der jetzt nicht mehr benutzt wird, gewesen sei, da man hier vor etwa 6 Jahren in der Tiefe auf altes Mauerwerk gestoßen ist.

Die Kirche ist ein außerordentlich tüchtiges und bedeutendes Werk aus den ältesten Zeiten des Kirchenbaues im


1) Es würde von Werth sein, jetzt nach den Lehnherren und Vasallen die Grenzen der Länder Werle und Rostock zu beiden Seiten der Warnow festzustellen. - Das Original der Bulle des Papstes Urban III. vom 23. Febr. 1186 mit den Grenzbestimmungen und deren richtige Lesung ist jetzt bestimmt; vgl. Mekl. U. B. I. Nr. 141.
1) Es würde von Werth sein, jetzt nach den Lehnherren und Vasallen die Grenzen der Länder Werle und Rostock zu beiden Seiten der Warnow festzustellen. - Das Original der Bulle des Papstes Urban III. vom 23. Febr. 1186 mit den Grenzbestimmungen und deren richtige Lesung ist jetzt bestimmt; vgl. Mekl. U. B. I. Nr. 141.
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Lande. Sie besteht aus einem Chor, einem Schiff und einem Thurmgebäude. Alle diese Theile sind aus sorgfältig gewählten oder gespaltenen Granitblöcken aufgeführt. Alle Ecken und Pforten sind von regelmäßig behauenen und geebneten Graniten gebauet. Nur die Fensterwände und der Schifffries sind aus Ziegeln ausgeführt.

Der Chor ist viereckig und in seinen Wänden noch im romanischen oder Rundbogenstyle gebauet und wahrscheinlich das älteste Bauwerk der ganzen Gegend, in welcher bis jetzt noch keine romanischen Bauwerke bekannt geworden sind. Die Fensteröffnungen, welche nur wenig schräge eingehen, sind im reinen Rundbogen gewölbt. Zum sichern Beweise ist auch die Chorpforte im Süden, welche von behauenem Granit aufgeführt und von einem Rundstabe eingefaßt ist, im Rundbogen gewölbt. Der Chor hat in jeder der drei Seitenwände, auch in der Altarwand zwei Fenster. Sonst ist der Chor sehr einfach und ohne allen Schmuck, z. B. ohne Gesimse u. dgl.

Alles Uebrige ist im Uebergangsstyle gebauet, auch das Gewölbe des Chores, welches also etwas jünger ist, als die Wände. Die ganze Kirche muß daher in die letzte Zeit des romanischen und die erste Zeit des Uebergangsstyls fallen, d. h. wohl noch in das erste Viertheil des 13. Jahrhunderts. Die Familie Kabold kommt nach den oben mitgetheilten Berichten früh genug vor, um Erbauerin der Kirche sein zu können.

Das Schiff ist ebenfalls ein Gewölbe lang und hat an jeder Seite drei gekuppelte, leise gespitzte Fenster im Uebergangsstyl. (Die ganze Kirche hat also im Ganzen 12 Fenster.) In demselben Style ist auch die Pforte ausgeführt. Das Schiff hat am Dachgesims einen umgekehrt treppenförmigen Fries.

Von Bedeutung sind die beiden Gewölbe und die Gurtbogen der Kirche. Der Triumphbogen ist, wie die Fenster des Schiffes, spitz gewölbt. Eben so sind die beiden Gewölbe, welche starke Rippen haben, ausgeführt. Die Gurtbogen und Gewölbe sind also im Uebergangsstyle gebauet. Beide Gewölbe zeichnen sich dadurch aus, daß sie acht Rippen haben, welche nicht in einem Schlußsteine zusammenstoßen, sondern sich im Scheitel an einen großen Kreis von der Stärke der Rippen anlehnen. Die Rippen des Schiffgewölbes sind ganz einfach. Die Rippen des Chorgewölbes tragen aber einen reichen Schmuck. Die vier Kreuzrippen sind ganz einfach. Aber die vier Rippen, welche mit den Wänden parallel liegen,

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sind besonders construirt und geschmückt. Jede Rippe besteht nämlich aus zwei Theilen; von jedem dieser beiden Theile geht nämlich der eine von dem Gewölbekreise, der andere von der Seitenwand in schlichter Form aus; jeder endigt sich aber in einem Kleeblatt, so daß jedes Ende den Arm eines Kleeblattkreuzes bildet. Es begegnen sich also in jeder Gewölbekappe immer zwei Kleeblattstengel.

Der Thurm ist ein sehr mächtiges, starkes Feldsteingebäude aus der Zeit der Erbauung der Kirche, im obern Theile achteckig abgeschrägt. Die Spitze ist jetzt niedrig und verkümmert. In das Thurmgebäude, welches unten nicht gewölbt ist, führt an der Südseite eine sauber aus behauenem Granit ausgeführte Pforte mit Kleeblattbogen, auch noch ein Zeichen alter Zeit;

Die Kirche gehört also auch noch zu der Gruppe der Kirchen zwischen Sternberg und Schwaan, welcher auch die Kirchen zu Lüssow und Hohen=Sprenz angehören. Alle haben dieselben Eigenthümlichkeiten des Styls. Die Kirche zu Kavelsdorf scheint die älteste unter ihnen zu sein.

Der Chor zeigt Spuren von alter Malerei. Da aber die Kirche in den jüngsten Zeiten restaurirt und ausgeweißt ist, so ist die Erkenntniß der Malerei schwer zu erreichen. Der Herr Cantor Hill zu Kavelsdorf berichtete aber, daß er bei der letzten Restauration die Malereien, deren Conturen in den Kalkputz eingerissen seien, deutlich habe erkennen können. Auf der Altarwand, zu beiden Seiten des Altars, sei in folgender Reihe von der Linken nach der Rechten dargestellt gewesen: Christi Höllenfahrt, Grablegung, Auferstehung, Himmelfahrt.

Sonst ist die Ausrüstung der Kirche ganz modern und hat außer den unten aufgeführten Seltenheiten nichts Altes mehr aufzuweisen. In der Kirche ist außerdem noch ein Epitaphium auf den Obersten Claus von Oertzen zu Scharfstorf († 1694) und ein Epitaphium und ein mit Wappen bemaltes Chor der Familie von Vietinghof auf Reetz aus dem 18. Jahrhundert erhalten.

Das Altargemälde mit Einrahmung ist ein ganz schlechtes, wenn auch anspruchsvolles Werk des 18. Jahrhunderts.

Der Altartisch hat aber eine große, schöne Seltenheit, nämlich ein Antependium auf der Vorderseite. Ich habe in Meklenburg bisher außerdem nur noch ein Antependium zu Dänschenburg gefunden (vgl. Jahrb. XXIV., S. 349). Das Gemälde ist auf Holz auf Goldgrund gemalt und im

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Ganzen sehr gut, jedoch in der untern Hälfte abgestoßen und mit grauer Farbe überstrichen. Der obere Theil ist durch die Altardecke der jüngern Zeit geschützt gewesen. Das Gemälde enthält 5 ziemlich große Brustbilder, fast in Lebensgröße. In der Mitte ist Christus in der Dornenkrone (Ecce homo); zwei fliegende Engel zu seinen Häupten halten den Mantel und die Marterwerkzeuge. Zur Rechten Christi ist Maria in Kopfschleier, betend, zur Linken Johannes der Evangelist, mit vor der Stirn kurz abgeschnittenem Haar, anbetend. Zur Rechten der Jungfrau Maria ist der heilige Erasmus mit Bischofsmütze auf dem Haupte, mit dem Bischofsstabe in der linken Hand und mit einem (messingenen) Grapen in der erhobenen rechten Hand (vgl. Jahrb. XXIV., S. 344). Zur Linken des Evangelisten Johannes ist die heilige Maria Magdalene, in einer Haube, in der rechten Hand mit der Salbenbüchse, deren Deckel sie in der linken Hand hält. -Alle Figuren, mit Ausnahme von Christus und Maria, tragen die Gewandung der Zeit. Das Werk mag in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gemalt sein, wahrscheinlich als ein neuer Flügelaltar gemacht und der Leichenstein als Altarplatte auf den Altartisch gelegt ward.

Auf dem Altartische liegt ein großer Leichenstein, welcher, vielleicht im 15. Jahrhundert, bei der Erbauung des ehemaligen Flügelaltars gehoben und auf den Altartisch gelegt ist, da auf demselben die 5 bischöflichen Weihkreuze eingehauen sind, ein Zeichen, daß der Stein noch in katholischen Zeiten zur Altarplatte geweihet ward. Die figürliche Darstellung ist sehr schwer zu erkennen, da sie nur in seinen Umrissen in die Kalkplatte eingravirt oder eingeritzt, also der Grund nicht vertieft ist. Es ist jedoch mit Sicherheit eine große, stehende Gestalt eines Ritters zu erkennen, der auf dem Kopfe einen Stülphelm mit 2 Rosen trägt, welcher das Gesicht ganz bedeckt, mit der rechten Hand ein Schwert vor der Brust und in der linken, gesenkten Hand unter dem Schwertgriffe einen großen, alterthümlichen, dreiseitigen Schild vor sich hält. Die Inschrift steht auf vertieftem Grunde in großen und schönen mittelalterlichen Unzialen in dem Charakter der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; an den 4 Ecken der Inschrift steht im Viereck von der Höhe des Inschriftrandes ein verziertes Kreuz. Die Inschrift, welche vielfach ausgesprungen und zum Theil von dem Altarbildrahmen verdeckt ist, lautet:

Inschrift
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Inschrift

Das Wort im Anfange der zweiten Zeile ist nicht zu erkennen; es wird F' A (feria) heißen sollen. Eben so wird das letzte Wort derselben Zeile F M LS (famulus) sein; es steht M IL e S sicher nicht da. Ich würde daher lesen und erklären:

Anno domini MCCCXLII (1342) │ [feriaj V post
Martini (Nov. 14) obiit Wernerus Ruze [famulus]
Anno domini MCCC - - │ - - - . . . eci
obiit Berta uxor eius. │

Diese Platte ist also der Leichenstein von dem Grabe des Knappen Werner Rütz († 1342) und seiner Ehefrau Bertha. Dieser Werner Rüze mag seinen Vornamen von dem oben genannten Werner Kabold führen, und ein Sohn der Tochter dieses Kabold sein, durch deren Vermittelung vielleicht Kavelsdorf von den Kabold auf die Rüze überging.

Schild

Der Helm, welcher auf den Schultern der Figur steht, ist ein vorwärts gekehrter Stülphelm, welcher nicht aufgeschlagen ist, also kein menschliches Antlitz zeigt. Der Helmschmuck besteht aus zwei Rosen, welche an den beiden obern Ecken des Helms stehen. Der Helm ist also dem hieneben abgebildeten Helm mit vier Rosen der von Kabold, welche gewöhnlich diesen Helm im Schilde führen, wie er auch im Mekl. U. B. II., Nr. 1367 abgebildet und erläutert ist, äußerst ähnlich. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, daß in der Umschrift ntcht RUZ e , sondern R e Z e gelesen werden müsse und dieser Werner Rüze ein aus dem Geschlecht der Kabold stammender Werner Reze gewesen sei, welcher vielleicht auf dem nach Kavelsdorf eingepfarrten Gute Reetz ansässig war. Aber der Helm auf dem Leichensteine hat sicher nur zwei große Rosen und von zwei kleinen Rosen unter den großen ist hier keine Spur zu finden. Dazu kommt, daß in der Umschrift entschieden nur RUZ e zu lesen ist 1 ). Wir haben hier also ohne Zweifel einen Knappen Werner Rütz.


1) Ich bin der scharfsichtigen Beobachtung des Herrn Cantors Hill zu Kavelsdorf bei dieser Forschung großen Dank schuldig, da derselbe hinterher bei scharfem Sonnenlicht nicht nur den Stein wiederholt geprüft, sondern auch eine sehr gelungene Zeichnung der Figur eingesandt hat.
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Zu dem Namen Rüze stimmt auch der Schild auf dem Leichenstein, welcher ein Stiergehörn (Stirn, Hörner und Ohren) über zwei Adlerflügeln, ohne Queertheilung, zeigt. Dies ist denn auch wirklich der Schild der Familie Rüze, wie ihn Originalsiegel von 1350 und 1408 im Archive zu Schwerin haben. Dieser Schild der Rüze ist dem Schilde der meklenburgischen Familie von Barnekow gleich, welche im Mittealter sehr häufig, namentlich in der Gegend von Rostock, vorkommt und wohl mit der Familie Rüze stammverwandt ist; im Jahre 1350 z. B. erscheinen die Rüze zugleich mit den von Barnekow in Rostock.

Die Rüze bilden ein altes meklenburgisches Adelsgeschlecht, welches aber wenig vorkommt. Sie erscheinen, wie die meisten alten Adelsgeschlechter, zuerst im westlichen Meklenburg. Zuerst erscheint im Jahre 1237 bei der Stiftung des Klosters Rehna ein (Ritter) Elias Rüze zu Ratzeburg bei dem Bischofe (vgl. Mekl. U. B. I., Nr. 471). Aber schon im Jahre 1275 tritt ein Nicolaus Rüze als der letzte (jüngste) unter den Vasallen der Fürsten von Werle zu Güstrow auf (vgl. Mekl. U. B. II., Nr. 1373). Seit dieser Zeit erscheinen sie, jedoch selten, immer nur in dem mittlern und nordöstlichen Theile des Landes. Im Jahre 1310 ward der Sohn des Ritters Rüze ("Ruce filius Rucen militis") von der Stadt Rostock verfestet, weil er an der Ermordung des Rostocker Stadtdieners Hermann Bukow Theil genommen hatte. (Liber proscript. Rostoch.). Dies mag der hier behandelte Werner Rüze sein. Am 21. Januar 1350 liehen zu Rostock Raven von Barnekow, Ritter, Otto Lowenborch, Johannes Rutze und Dietrich Slemmin 28 Mk. lub. Pf. von den Brüdern Moscekin und Jacob, Juden in Rostock (Orig.=Urk. im Archive zu Schwerin); Raven von Barnekow und Johann Rüze führen dasselbe Schildzeichen im Siegel.

Im 14. Jahrhundert saßen die Rüze auf Kavelsdorf. Dies deutet nicht allein der Leichenstein an, sondern auch eine urkundliche Nachricht. In den handschriftlichen Genealogien von v. Hoinckhusen wird folgende Urkunde aufgeführt, welche in ihrem Wortlaut leider noch nicht aufgefunden ist:

"1386, des Sontages nach Paschen, da man singet Miser. Dom. (Mai 6) hat Henning Lutowe genömet Rütze, Knecht, eine Urfehde ausgestellet, und befunden sich unter denen Mitgläubigern Werneke Lutowe tho Knegendorp, Werner Rütze tho Caboldestorp".

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"Henning Lutowen anders genömet Rüze Siegel an diesem Brieffe war des Werneri Lutowen, außer der Umschrift, egal, es bedienete sich derselbe im Wapen einen altformischen Flügel, welchen die Rützen ebenmäßig zu führen in Gebrauch gehabt".

Dies ist ohne Zweifel das oben beschriebene Schildzeichen, in welchem Hoinckhusen das Stiergehörn nicht erkannt, sondern mit zu den Flügeln gezogen hat. Wir lernen hier also noch eine dritte Familie, von Lutow, mit einem ähnlichen Wappen kennen, welches jedoch nicht ganz mit dem der Familie Rüze übereinstimmt.

Die Urkunde wird wohl im Archive der Stadt Rostock liegen oder gelegen haben. Denn der Verein besitzt in einer Sammlung vieler von Rostocker Urkunden mit den Pergamentbändern abgeschnittener Original=Siegel auch das ohne Zweifel von dieser Urkunde abgeschnittene Siegel des Werner Rüze: ein rundes Siegel mit einem stehenden Schilde, auf welchem zwei Adlerflügel unter einem Stiergehörn liegen, mit der Umschrift:

Umschrift

Auf den Pergamentstreifen, an welchem dieses Siegel gehangen hat, steht, wahrscheinlich von Nettelbladt's Hand, geschrieben:

1386. Werneke Rufe (?) to Kaboldestorp.

Aber in derselben Sammlung findet sich auch noch das Siegel des Werneke Lutow: ein rundes Siegel mit einem stehenden Schilde, auf welchem zwei Adlerflügel (ein Flug) liegen, jedoch sicher ohne Stiergehörn. Die sehr undeutliche Umschrift lautet:

Umschrift

Auf dem Pergamentstreifen steht von derselben Hand geschrieben:

1383. Werneke Lunowe (?),

in der Jahreszahl und im Zunamen ohne Zweifel mit Irrthümern.

Der in der Urkunde von 1386 genannte Knappe Werner Rüze zu Kavelsdorf ist höchst wahrscheinlich ein Sohn des Werner Rüze, dem der Leichenstein angehört.

Diese Urkunde beweiset also klar, daß die Rüze im 14. Jahrhundert auf Kavelsdorf angesessen waren.

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In jüngern Zeiten saßen die Rüze auf Kladrum, Kobande und Lanken in der Gegend der Stadt Crivitz.

Vor dem Altare der Kirche zu Kavelsdorf liegt ein kleiner, nicht sorgfältig gearbeiteter Leichenstein mit einem Schilde mit einem halben springenden Thier (Hund?) mit Halsring. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Das erste Wort in der dritten Zeile scb ist undeutlich. Es ist möglich, daß es mit dem folgenden zusammen; subplebanus heißen soll. Der Name Reddemile kommt sonst in Meklenburg nicht vor; die Person wird also wohl eine ausländische gewesen sein.

Unter den Altargeräthen ist noch ein alter, gut gearbeiteter, silberner Kelch, welcher auf dem Fuße folgende eingravirte Inschrift hat:

Inschrift

(Dieser Kelch gehört dem Kaland des Heiligen Leichnams an Unser Lieben Frauen Kirche (zu Rostock?) nach dem Tode Arnolds von Lübeck).


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Die Kirche zu Malchin,

von

G. C. F. Lisch.


Die Kirche der Stadt Malchin bietet zwar von der Nordostseite her den recht großen Anblick eines reinen gothischen Baues; betrachtet man sie aber von der Südwestseite oder tritt man gar in die Thurmhalle zum Innern, so erblickt man ein so großes Gewirre der verschiedensten Bauten, daß es unmöglich ist, bald zur klaren Erkenntniß zu gelangen. Auch ich habe, aus Mangel theils an Zeit, theils an Einsicht, viele Jahre lang nicht dahin kommen können, den Bau sicher zu bestimmen, obgleich es nicht an urkundlichen Anhaltspuncten fehlte, bis es mir im Sommer 1866 möglich war, das Gebäude an mehrern Tagen verschiedene Male lange und ruhig zu beobachten.

Die Kirche, ehemals zum Sprengel des Bisthums Camin gehörig, erscheint auf den ersten Blick jetzt als ein gothisches Gebäude aus dem Ende des 14. Jahrhunderts in noch ziemlich reinem gothischen Baustyl (vgl. Lisch Meklenburg in Bildern, Heft 4, S. 5, mit Abbildung). Sie hat ein dreischiffiges Langhaus mit erhöhetem Mittelschiff und einen einschiffigen Chor mit dreiseitigem Chorschluß, es fehlt jedoch ein Kreuzschiff. Der Thurm wird nach Vollendung der Kirche in ihrer jetzigen Gestalt angebauet sein, da er am Westende nicht in der Mittellinie der jetzigen Kirche, sondern an der Nordwestecke derselben vor dem nördlichen Seitenschiffe steht.

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Grundriß

Außerordentlich merkwürdig ist es, daß am Westende nach Süden hinaus, in der Richtung von Nord nach Süd, eine kleine Kirche oder sehr große Kapelle mit dreiseitigem Chorschluß angebauet ist, welche nach Süden hin weit über die Ringmauern der Kirche hinausreicht und das Mittelschiff der Kirche noch zum Theil bedeckt, nach Norden hin sich aber nach dem Thurmgebäude öffnet, so daß die in der Westecke des ganzen Baues stehende Thurmhalle den Eingang in das nördliche Seitenschiff der Kirche und zugleich in die Seitenkapelle nach Süden hin bietet. Aus der ungewöhnlichen Anlage des Thurmes geht hervor, daß die Kapelle schon früher angebauet gewesen sein wird, als der Thurm aufgeführt ward.

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Es wird zum bessern Verständniß des Kirchenbaues dienlich sein, die Darstellung der geschichtlichen Hauptbegebenheiten vorauszuschicken. Der Ort Malchin wird zuerst 1215 und 1229 genannt, als das Cistercienser=Nonnenkloster Arendsee in der Altmark, wahrscheinlich weil es Mutterkloster des meklenburgischen Klosters Neukloster war, das jetzt in der Feldmark des Gutes Basedow untergegangene Dorf Wargentin, am Malchiner See, wohl die erste christliche Culturanlage in dieser Gegend, geschenkt und bestätigt erhielt, nach welchem der Malchiner See Jahrhunderte lang der Wargentiner See hieß und noch heute in der Stadt eine Straße und ein Thor den Namen führt (vgl. Meklb. U. B. I., Nr. 219 und 371, und Abbildung in Meklenburg in Bildern, Heft 4.). Die Stadt Malchin entstand im J. 1236, da sie am 7. April 1236 mit dem Schwerinschen Stadtrecht bewidmet ward (vgl. Meklb. U. B. I., Nr. 449). Nicht lange nach dieser Zeit wird man den Bau einer Kirche begonnen haben; nach 10 Jahren, im Januar 1247, ward die Kirche eingeweihte und der Pfarrsprengel bestimmt. Der Bischof Wilhelm von Camin war persönlich in Malchin, in Begleitung des Dompropstes Conrad und des Domscholasters Heinrich, und wies der reich dotirten Kirche den Pfarrsprengel an, zu welchem damals noch das Kirchspiel Basedow bis Sagel und Liepen, also das ganze südöstliche Ufer des Malchiner Secs mit Ausnahme von Wargentin, als Filial gehörte, und weihte die Kirche zu Ehren der Jungfrau Maria und des Evangelisten Johannes ("Actum Malchyn, anno domini M° CC° XL° VII°, in die consecrationis eiusdem ecclesie"). Die Urkunde 1 ) darüber ward am 14. Jan. 1247 zu Güstrow ausgestellt (vgl. Meklb. U. B. I., Nr. 589) und noch am 11. Julii 1296 bestätigt (vgl. Meklb. U. B III., Nr. 2404). Das Patronat der Kirche gehörte Anfangs den Fürsten von Werle; aber am 4. Sept. 1301 vereinigte der Fürst Nicolaus von Werle, auf Betrieb des güstrowschen Domherrn Nicolaus v. Malin, welcher zugleich Pfarrer zu Malchin war, diese Pfarre mit der Domherrn=Präbende zu Güstrow, welche mit dem Dorfe Kotekendorf (Koitendorf, bei Badendiek in der Nähe von Güstrow untergegangen,) bewidmet war, und übertrug das Patronat dem Domcapitel zu Güstrow. Wenn hiedurch auch das Ansehen und Einkommen der Malchiner Pfarre stieg, so ward ihr doch dafür eine große Last aufgelegt, indem sie von


1) Vgl. Urkunden=Beilage Nr. 1.
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jetzt an jedem der 13 Domherren zu Güstrow und dem Landesherrn wöchentlich 14 feine Waizenbrote oder Semmel aus einem Scheffel Waizenmehl liefern mußte. Dies ist der Ursprung des oft genannten "Präbendenbrotes". Diese Stiftung ward am 1. Junii 1303 von dem Bischofe von Camin, am 24. Febr. 1303 von allen Landesherren und am 30. Jan. 1304 sogar vom Papste Benedict bestätigt. Da in der Folge diese Lieferung der Malchiner Pfarre schwer fiel, so ward ihr dafür im J. 1489 die Pfarre zu Teterow incorporirt (vgl. Jahrb. XII., S. 15 flgd.). Noch bei der Kirchen=Visitation vom J. 1534 heißt es: "Schal me ock geuen to Güstrow de semmelen alle weken den domhere jedern van einem schepel weiten semmelen".

Das Ansehen und die Mehrung der Geistlichkeit in Malchin stieg jetzt von Jahr zu Jahr, wenn die Stadt auch kein Kloster hatte. Die angesehene S. Johanniskirche, deren Pfarrer immer zugleich Domherr von Güstrow war, erhielt nach und nach 30 Nebenaltäre (vgl. auch Schröder Evang. Meklb. I., S. 396 flgd.), von denen die Dominikaner=Mönche ("swarten mönnicke") und die Franziskaner=Mönche ("grawen mönnicke") je einen, jeden mit zwei Vikaren, besaßen. Die Anzahl der Geistlichen an Vikaren war also sehr groß. Der Pfarrer allein hatte 18 Vikareien zu besetzen ("In desser kerken hefft de kerckher bi XVIII geistliche lehen tho verlehnen"). Die großen Cistercienser=Mönchsklöster Dargun, welches seit alter Zeit viele Güter in der Nähe, und Doberan, welches seit 1298 die Mühle zu Malchin besaß, hatten Wirthschaftshöfe und Verwalter in der Stadt. Außerdem besaß die Stadt ungewöhnlich viele selbstständige milde Stiftungen und Kapellen.

Dieser kirchliche Glanz ward aber bedeutend dadurch getrübt, daß im J. 1397 durch eine große Feuersbrunst auch die ganze Kirche mit allem Schmuck, Gewändern, Büchern, Kelchen, Leuchtern und aller Habe völlig verbrannt war. Daher verlieh am 6. Junii 1397 der in Malchin anwesende Caminer Weihbischof Johann, Bischof von Garda in partibus, der Kirche einen ausgedehnten Ablaß 1 ) und gestattete dabei auch die Aussendung von Boten zur Einsammlung milder Gaben. Ohne Zweifel durch ein Versehen oder durch einen Schreib= oder Lesefehler wird in dieser Urkunde als Schutzpatron S. Johannes der Täufer aufgeführt. Die übrigen Urkunden reden aber nur von S. Johannes dem Evangelisten


1) Vgl. Urkunden=Beilage Nr. 2.
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und zu mehrerer Bestätigung enthalten die Altarbild er auch nur das Leben des Evangelisten.

Die beiden glücklicher Weise erhaltenen, deutlich redenden Urkunden von 1247 und 1397 sind für die Baugeschichte der Kirche entscheidend, und diese Geschichte läßt sich jetzt auch in der Betrachtung der einzelnen Theile von Westen gegen Osten klar erkennen.

Die erste Kirche von 1247 war eine dreischiffige Kirche im Uebergangsstyl noch mit vielen romanischen Eigenthümlichkeiten, wahrscheinlich mit einem kleinen, viereckigen Chor, also eine Kirche wie die zu Alt=Röbel, im kleinern Maaßstabe wie der Dom zu Güstrow. Diese Kirche war im Schiffe 3 Gewölbe lang und nicht sehr hoch. Diese Kirche ist noch in den südwestlichen Ringmauern vorhanden. Die ganze südliche Seitenwand des alten Nebenschiffes steht noch heute 3 Gewölbe lang von Westen und der angebaueten Kapelle her. Diese Seitenwand hat noch keinen Granitsockel und keine Strebepfeiler, wie die übrigen Theile der Kirche, dagegen stehen noch an den beiden ehemaligen Ecken der alten Kirche die beiden Ecklissenen, von denen die östliche durch den ersten Strebepfeiler fast ganz bedekt ist, alles Kennzeichen romanischer Bauweise. Die drei ehemaligen Doppelfenster sind nach den noch sichtbaren Spuren ausgehauen und zu weiten gothischen Fenstern gestaltet. Der südliche Theil des ehemaligen Westgiebels der Kirche ist noch innerhalb der im Westen angebauten Kapelle erhalten. Hier hat die Wand als Fortführung des ehemaligen Dachgesimses noch einen gut geformten, einfachen Rundbogenfries unter einer doppelten Stromschicht von Ziegeln und darunter noch die Wölbung eines schmalen Fensters im Uebergangsstyl mit schräg eingehender, einfacher Laibung. Ueber dem Friese ist in dem ehemaligen Westgiebel noch eine vertiefte, vierblätterige Kleeblattverzierung. Wir haben hier also den sichern Beweis, daß noch im J. 1247 romanische Bauornamente gebraucht wurden, wenn auch schon die Fenster im Uebergangsstyl gespitzt waren. Im Innern dieses Theils der Kirche sieht man an den Seitenwänden noch überall die romanisirenden Reste der alten Schildbogen und Fenstereinfassungen. Auf dem jetzigen Orgelchor sieht man in der Südwestecke noch ein Sück von der alten romanisirenden Wölbung mit der Gewölberippe, welche aber bei der Restauration nach dem Brande von 1397 bis auf den untern Theil abgehauen und zum Tragen der neuen Wölbung benutzt ist. Es ist also wieder äußerlich und innerlich die Südwestecke, welche, wie oft

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vorkommt, beim Umbau erhalten worden ist, z. B. auch bei der Kirche zu Doberan, weil hier, wie Einige meinen, "der Grundstein liegen" soll. Aus den Ueberresten an der Süd= und West=Mauer ließe sich aber noch die ganze Kirche in Zeichnung wieder darstellen.

Die zweite Kirche von 1397 ist die noch jetzt stehende. Nach dem großen Brande erhöhete man zunächst die 3 westlichen Gewölbe der alten Kirche bedeutend und verstärkte die alten Pfeiler zu achteckigen gothischen Pfeilern zur Tragung eines erhöheten Mittelschiffes; das alte Schiff lag ohne Zweifel ganz unter Einem Dache. Dieser Theil der Kirche, die Erhöhung der alten Kirche, ist der bessere Theil, im Style einer noch guten Gothik, im erhöheten Mittelschiffe unter dem Dache mit einem schwarz glasurtem Friese verziert. Zu gleicher Zeit bauete man, an der Stelle des ehemaligen, schmalem Chores, noch ein Ende von einem Gewölbe lang an; dieses Stück scheint auf eine Kreuzkirche angelegt zu sein, da die Seitenbogen größer sind, als in dem alten Theil. Der schwarz glasurte Fries geht aber noch über diesen Anbau hinweg. Die Seitenschiffe des jetzigen Schiffes der Kirche stimmen nicht zu dem Mittelbau; denn der größere Theil des südlichen Seitenschiffes ist, wie dargestellt, die alte Kirche, und das nördliche Seitenschiff ist ein nur unbedeutender Bau, welcher vielleicht jünger ist, als das Mittelschiff, vielleicht gleichzeitig mit dem in gleicher Seitenwand liegenden Thurm. Es ist überhaupt die Frage, ob die alte Kirche auch so breit war, wie die jetzige; in den Basen der westlichen Pfeiler der Nordreihe scheinen gradlinige Reste alter Seitenmauern zu stecken; jedoch ist ohne genaue Zeichnungen die Beurtheilung schwierig.

Der dritte Theil der Kirche ist der einschiffige Chor mit dreiseitigem Chorschluß, welcher weit gegen Osten vorgerückt und ohne Zweifel erst nach der Restaurirung, Erhöhung und Verlängerung des Schiffes in gleicher Höhe in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. angebauet ist. Der Chor hat an jeder Seite 2 schmale Fenster und im dreiseitigen Chorschluß 3 Fenster, ungefähr wie in dem auch verlängerten Chor des Doms zu Güstrow. Der Chor hat zwar auch einen schwarz glasurten Fries, welcher jedoch von dem Friese des Schiffes verschieden ist.

Vor dem ehemaligen Westgiebel der alten Kirche ist ungefähr von der Mitte des Giebels an weit gegen Süden hinaus die schon erwähnte, in der Mittellinie von Norden nach Süden liegende, große Kapelle angebauet, welche eben durch

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diese Lage sehr merkwürdig ist. Sie hat ein Schiff von 3 Gewölben Länge und außerdem einen gewölbten dreiseitigen Chorschluß. Der Baustyl ist der gothische des 14. Jahrhunderts und die Kapelle scheint schon vor dem Brande von 1397 fertig gewesen zu sein. Die Kapelle ist ohne Zweifel zu einem besondern gottesdienstlichen Gebrauche aufgeführt, welcher sich jedoch nirgends auf gradem Wege hat ergründen lassen, da die Kapelle nie mit einem besondern Namen genannt wird. Wenn ich aber nicht irre, so war diese Kapelle eine Marien=Kapelle, um so mehr da die Kirche außer dem Evangelisten Johannes auch der Jungfrau Maria geweihet war. Bei der Kirchen=Visitation vom J. 1552 werden noch alle 30 Altäre aufgeführt, und hiebei wird mehrere Male die "Kapelle" genannt, während sonst keine Kapellen aufgeführt werden. Die Altäre in der Kapelle sind aber Marien=Altäre. So heißt es: "Marien=Altar in der Kapelle, "hebben de Vicarien und E. E. Radt dat lehen". Ferner: "Dat Altar compassionis gloriose virginis, voran in der Capelle, gehort den Vicarien zu vorlenen". Das Fest "compassionis Mariae" oder der Medelidinge (Mitleidung) Mariä kam am Ende des 15. Jahrh. auf; es ward die Maria sitzend dargestellt, wie sie den Leichnam Christi auf dem Schooße liegen hat. Die Kapelle scheint auch durch eine bestimmte Aeußerung sicher angedeutet zu werden; es lag nämlich "in der Capell, im Winkel alse men vpt grote werck sticht, Gregorii Altar, dartho hebben de Vicarien dat lehen"; das "große Werk" ist nämlich die große Orgel, und wenn die große Orgel auch im Mittelaltar im Westen lag, wie es nach dem Bau der Kirche wahrscheinlich ist, so war der "Winkel" dieselbe Ecke, in welcher man noch jetzt von der Kapelle zur Bälgenkammer hinauf steigt. Endlich wird noch genannt der "Hanen=Altar in der kercke an der Kapelle, dartho hebben die Vicarien de peticio". Hiernach scheint es unzweifelhaft, daß die "Kapelle" eine Marien=Kapelle war. Merkwürdig ist, daß die Präsentation zu allen Altären in der Kapelle den Vikaren (als einer Art Corporation) gehörte. Daß die Kapelle besonders zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmt war, geht auch daraus hervor, daß noch die bischöflichen Weihkreuze unter der schwachen Kalktünche vorhanden sind.

An der Westwand des Schiffes dieser Kapelle ist noch ein niedriger Bau wie ein Seitenschiff, aber getrennt von der Kapelle, aufgeführt. Dieser unbedeutende Bau mit niedrigen, weiten Fenstern stammt aus dem 15. Jahrh. und dient jetzt zum. Kirchen=Archive.

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Der Thurm liegt merkwürdiger Weise mit seiner Nordwand in gleicher Flucht mit der Nordwand der Kirche, zum größten Theil vor dem nördlichen Seitenschiffe derselben, in der Ecke zwischen der Kirche und der Kapelle, so daß die Thurmhalle die Vorhalle zu beiden bildete. Der Thurm ist wahrscheinlich erst nach Vollendung beider im 15. Jahrh. gebauet. Der Thurm hatte früher ohne Zweifel eine schönere und würdigere Spitze, als die jetzige ist, welche auf Schönheit grade nicht Anspruch machen kann. Die alte Spitze fiel am Ende des 30jährigen Krieges herunter; im Kirchen=Visitations=Protocoll vom J. 1662 heißt es: "Die in Anno 1648 im Monath Febr. herunter gefallene Spitze ist in etwas wieder auffgebauet, aber noch nicht vollends fertig".

An altem Mobiliar hat die Kirche außerordentlich wenig, da sie in diesem Jahrhundert gänzlich verrestaurirt ist.

In der Kapelle liegt noch der erste Taufstein aus Granit mit 5 rohen Gesichtern (Christus und die Evangelisten?), aus der ersten Zeit des Christenthums, jetzt umgekehrt in der Erde als Basis eines hohen hölzernen Balkens, welcher die Bälgenkammer trägt. Der Fuß liegt auf dem Kirchhofe an der Westwand.

Zurückgesetzt in der Kirche ist noch der alte große Hauptaltar, ein Doppelflügelaltar von außerordentlich großem Reichthum und Kunstgeschmack, wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh., aus der Zeit der Vollendung der Kirche nach dem Brande von 1397, stammend, und noch gut erhalten. Da er hoch an der Westwand der Kirche angebracht ist, so läßt sich eine vollständige und sichere Beschreibung nicht gut ohne besondere Vorrichtungen machen. Das Mittelstück enthält die Krönung der Jungfrau Maria und in den Flügeln 36 Heiligenfiguren, unter denen auch die 12 Apostel. Oben zunächst der Marienkrönung steht zur Rechten S. Johannes der Täufer und zur Linken S. Johannes der Evangelist. Der Herr Maler Greve zu Malchin hat es jedoch versucht, durch Leitern dem Altare näher zu kommen, um die in den Heiligenscheinen stehenden Namen der Heiligen zu entziffern und die Bilder auf den Flügeln zu beschreiben so gut es möglich gewesen ist.

Hiernach enthält die Vorderseite folgende Figuren:

Vorderseite:
a. rechts hin, b. links hin,
neben Maria: neben Christus:
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1. in der oberen Reihe:
  1. S. Johannes d. T.
  2. S. Petrus Ap.
  3. S. Andreas Ap.
  4. S. Bartholomäus Ap.
  5. S. Simon Ap.
  6. S. Judas Thaddäus Ap.
  7. S. Matthäus Ap. Ev.
  8. S. Lucas Ev.
  9. S. Michael.
  1. S. Johannes Ap. Ev.
  2. S. Paulus Ap.
  3. S. Jacobus d. ä. Ap.
  4. S. Mathias Ap.
  5. S. Philippus Ap.
  6. S. Jacobus d. j. Ap.
  7. S. Thomas Ap.
  8. S. Marcus Ev.
  9. S. Georgius.
2. in der untern Reihe:
  1. S. Gregorius, Papst.
  2. S. Otto, Bischof.
  3. S. Stephanus.
  4. S. Maria Magdalena.
  5. S. Katharina.
  6. S. Agneta.
  7. S. Dorothea
  8. S. Gertrudis.
  9. S. Birgitta.
  1. S. Nicolaus, Bischof.
  2. S. Martinus.
  3. S. Laurentius.
  4. S. Margaretha.
  5. S. Cecilia.
  6. S. Ursula.
  7. S. Apollonia.
  8. S. Barbara.
  9. S. Elisabeth.

Die Rückseiten der Flügel enthalten folgende Gemälde:

1. die ersten Flügel:

a. der rechte Flügel:

1. Christi Kreuztragung. 2. Christi Kreuzigung.
3. Christi Dornenkrönung. 4. Christi Geißelung.

b. der linke Flügel.

5. Christi Verehrung durch die H. drei Könige. 6. Christi Beschneidung.
7. Christi Geburt. 8. Mariä Verkündigung.

2. die zweiten Flügel:

a. der rechte Flügel:

"4 Darstellungen aus dem Leben Johannis" (nicht gut zu erkennen).

b. der linke Flügel:

5. Johannes Ev. in siedendem Oel gesotten zu Rom (ante portam latinam). 6. Johannes Ev. in der Wüste auf der Insel Pathmos schreibt das Evangelium, wozu ihm ein Engel das Buch hält.
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7. Johannes Ev. bei Christus, wie dieser die Tochter Jairi wieder lebendig macht. 8. Johannes Ev. wie auf sein Wort in Asien der Heidentempel zusammenbricht.

Die beiden Rückwände der letzten Flügel enthalten je 2 große, durchgehende Figuren:

a. zur Rechten:

1. die Jungfrau Maria, fast ganz zerstört, im Heiligenscheine die Worte Maria mater etc.

2. eine männliche Figur (S. Johannes der Täufer?), fast ganz zerstört.

b. zur Linken:

3. eine große weibliche Figur, die eine Hand segnend erhoben, die andere auf eine "Weltkugel" (? Herz ?) mit einem Kreuze gelegt; diese wird wohl die H. Birgitta, die Patronin Schwedens, sein, welche in der Hand mit einem Herzen, auf welchem ein Kreuz steht, dargestellt wird; daher steht sie auch Nr. 27 unter den Heiligen auf der Vorderseite: die H. Birgitta (Nr. 27) und die H. Elisabeth (Nr. 36) sind die jüngsten Heiligen des Altars.

4. eine männliche Figur (S. Johannes der Evangelist).

Die Darstellungen aus dem Leben und den Legenden Johannis des Evangelisten stimmen ganz mit den alten Passionalen überein, namentlich mit "Dat levent der hylgen effte dat Passional, Basel, 1517".

5. Das Bild Nr. 5 wird erläutert durch:

"De richter (in Ephesus) brachte ene to dem keyser Domicianum to rome, - - vnde settede em darna yn sedendich olye, dar sath he ynne als in eynem kolden döuwe, vnd god was mit em vnde halp em, dath em neen leed enschach vnde ginck gesunt vnde vrölick dar wedder vth".

6. Zum Bilde Nr. 6:

"De keyser Domicianus wart seer tornich vnde sande em in dath eylandt Pathmos, dat was eyne gans vnfruchtbaer stede. De engele ghodes weren alle tydt by eme vnde godt apenbaerde eme dar meer hemelycke dynge, danne ye yennigem mynschen, wente he apenbaerde eme de hillige dreuoldicheit vnde de negen kör der hilligen engele. Sunte Johannes sach eine mennichvoldige schaer vnde engele spreken myt em vnde berychteden en alles, wes he en vragede".

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7. Zum Bilde Nr. 7:

"Wente (Christus) nam en mit sick, do he de junckfrouwe leuendich makede".

8. Zum Bilde Nr. 8:

"Dar na preddikede sunte iohannes yn Asia, do werden de heyden gans tornich vnde vyngen en vnde tögen en myt gewalt vor den affgod Dianam vnde heten en okleren. Do he vor den affgodt quam. do sede he: Gi schölt seen, dat vele böse geiste in deme affgade sint, vnde sprack syn beth to gade und boet deme tempel, dat he mit den affgöden nedder vylle vnde dede den minschen nenen schaden. Tho hant vyl he nedder vnde wart to nichte. Do de minschen dat hoerden und segen, do leten sick twelff dusend döpen, ane vrouwen vnde kyndere".

 


Urkunde Nr. 1.

Wilhelm, Bischof von Camin, bestätigt bei dcr Einweihung der Kirche zu Malchin die Gründung und Bewidmung der Pfarre zu Malchin und deren Tochterkirche zu Basedow und bestimmt die Grenzen des Sprengels beider Kirchen.

D. d. Güstrow. 1247. Jan. 14.

Nach einer alten Abschrift im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.

Willehelmus dei gracia episcopus ecclesie Caminensis omnibus presentem intuentibus paginam salutem in domino Jhesu Christo. Quoniam ea, que statum cupiunt firmitatis adipisci, per scripturarum maxime testimonia solidantur, hinc est quod ad noticiam vniuersorum pariter ac singulorum, tam futuri temporis, quam presentis, volumus deuenire, quod nos ecclesiam sancte Marie virginis et heati Johannis ewangeliste in Malchyn, dotatam tribus mansis iacentibus infra agros ad idem oppidum pertinentes et XIIIIcim mansis, ville Tessenowe adiacentibus, a parrochiis circumiacentibus distinguentes, villam Muceliz ipsi pro limite assignamus; ecclesiam in villa Bas- dowe, duobus mansis eidem uille adiacentibus dotatam

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et duobus mansis in villa Lypin, cum villis subscriptis filiam fecimus ecclesie supradicte, villas easdem ipsi eciam pro limitibus assignantes: hee autem sunt ville: Jacin, Lipyn, item Lipyn, Zawal, Gutisdorp, Nycasiusdorp. Theodericus autem Luch ecclesie prefate in Basdowe redditus vnius mansi in eadem villa temporibus uite sue plebano contulit profutoros. Vt autem hec omnia rata iugiter et inconuulsa permaneant et a posteris illibata, hanc cedulam conscribi fecimus et sigilli nostri munimine roborari. Huius autem rei testium hec nomina sunt subscripta: dominus prepositus Camineusis Conradus, Henricus scolasticus Caminensis, Reynerus decanus Guzstrowensis, Wasmodus canonicus Guzstrowensis Vrowinus marsscalcus miles, Arnoldus Rolle miles, Albertus de Calue et alii quam plures, tam clerici, quam layci. Acta Malchyn, anno domini M ° CC° XL° VII°, in die consecrationis eiusdem ecclesie. Datum Guzstrowe, XIX° kal. Februarii, pontificatus nostri anno secundo, per manus Conradi capellani et notarii nostri.

Aus dem Pergament=Diplomatarium des Klosters Doberan aus dem Anfange des 14. Jahrh., im großherzogl. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin; die Original=Urkunde fehlt. In der Bestätigungs=Urkunde vom 11. Julii 1296 sind die Dörfer der Pfarre Basedow so geschrieben:

"Hee autem sunt ville: Jacyn, Lipin, item Lipin, Zawal, Gutizdorp, Nycauizdorp",

und unter den Zeugen steht: "Arnoldus miles dictus Rolle". Gedruckt ist diese Urkunde in v. Weftphalen Mon. ined. III, p. 1489, Lisch, Hahn. Urk. I, S. 35, Kosegarten, Cod. Pom. I, S. 761 und Meklenburg. Urk. Buch, I, Nr. 589.

 


Urkunde Nr. 2.

Johann, Bischof von Garda, Weihbischof des abwesenden Bischofs Johann von Camin, ertheilt der abgebrannten S. Johannis=Pfarrkirche zu Malchin zur Wiederaufbauung und Ausrüstung einen Ablaß.

D. d. Malchin. 1397. Junii 6.

Nach dem Original im Archive der Stadt Malchin.

Vniuersis sancte matris ecclesie filiis, ad quos presentes littere peruenerint, Johannes dei gracia episcopus

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ecclesie Gardensis, in pontificalibus vicarius reuerendi in Christo patris ac domini domini Johannis eadem gracia episcopi Caminensis, ducis Opoliensis, in remotis agentis, salutem et sinceram in domino caritatem. Eterni patris filius dominus noster Jhesus Christus, cui ipse pater omnium viuorum et mortuorum iudicium tradidit et cum sederit in solio sue maiestatis secundum opera sua cuilibet redditurus, de operibus misericordie, sicud ipse testatur, precipue disceptabit, et quemadmodum de operibus pietatis regnum glorie bonis confertur, ita quod illorum defectu malos detrudet ad thartara, vbi est ignis inextingwibilis dyabolo et angelis suis preparatus. Cupientes, vt ecclesia parrochialis in Malchin, Caminensis dyocesis, in honore omnipotentis dei sueque genitricis virginis Marie, necnon sancti Johannis baptiste constructa, pro nune ignis voragine miserabiliter cum omnibus suis ornamentis, libris, calicibus, luminaribus ac aliis multis suis necessariis destructa, congruis honoribus a Christi fidelibus iugiter frequentetur et veneretur, omnibus vere penitentibus, confessis et eontritis et propositum confitendi firmum habentibus, qui dictam ecclesiam causa deuocionis, oracionis et peregrinacionis accesserint aut qui ad fabricam libros, calices, luminaria, ornamenta et queuis alia dicte ecclesie necessaria manus porrexerint adiutrices vel qui in eorum testamentis vel . . . . . . . . aurum, argentum vel aliquod aliud caritatiuum subsidium dicte ecclesie donauerint et legauerint seu ab aliis donari vel legari procurauerint, seu qui missas ac alia diuina officia quecunque in dicta ecclesia audierint et qui corpus dominicum et sacr[ament]um vnccionis, quando infirmis ministretur, seruiri facient, vel qui in pulsacione serotine campane beatam virginem Mariam ter cum angelica salutacione flexis genibus deuote salutauerint aut cimiterium dicte ecclesie pro animabus corporum ibidem sepultorum exorando adierint, quocienscunque et quandocunqne premissa vel aliquid premissorum deuote fecerint, de omnipotentis dei gracia et beatorum Petri et Pauli apostolorum suffragiis et auctoritate confisi, quadraginta dies indulgenciarum et vnam carenam, auctoritate domini Caminensis nobis in hac parte specialiter indulta, de iniunctis eis penitenciis misericorditer in domino relaxamus per presentes. Vobis quoque vniuersis dominis ecclesiarum rectoribus aut vestras vices gerentibus in

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dicta dyocesi constitutis auctoritate domini nostri Caminensis vt supra presentibus in virtute sancte obediencie et sub excommunicacionis pena precipiendo mandamus, quatenus nunccios ecclesie supradicte, cum ad vos pro petendis fidelium elemosinis accesserint, eos beniuole admittentes indulgentesque publice vestros parrochianos fidelibus et piis exhortacionibus (?), vt nuncciis preexpressis subsidia porrigant caritatis, volumus eciam pena sub premissa, quatenus de elemosinis ipsis collatis penitus nichil recipiatis. Datum et actum Malchin, anno domini millesimo CCCmo nonagesimo septimo, feria quarta post ascensionis domini, nostro sub secreto presentibus appenso.

Nach einer Abschrift des wail. Archis=Raths Evers von dem an verschiedenen Stellen sehr verblichenen und durch Rostflecke und Moder löcherig gewordenen Original auf Pergament im Archive der Stadt Malchin. Das Siegelband mit dem Siegel ist abgeriffen.


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Zur Geschichte

des Universitätshauses zu Rostock

oder Weißen Collegii,

von

G. C. F. Lisch.

Im Anfange des Jahres 1866 ward nach langen Ueberlegungen und Vorverhandlungen der Bau eines neuen Universitätshauses zu Rostock beschlossen, da das alte Gebäude sehr baufällig und unzweckmäßig geworden war. Am Ende des Winters ward der Abbruch des alten Gebäudes begonnen und im Junii 1866 vollendet 1 ). Das alte Gebäude war von der Stiftung der Universität an das Hauptgebäude derselben gewesen und hatte außer mehreren Namen auch die Namen Domus Collegii (prope sanctam crucem) oder Collegium album 2 ) oder "Weißes Collegium", unter welchem Namen es allgemein bekannt ist. Das Gebäude, 3 Stock hoch, nahm die Westseite des Blücherplatzes (ehemaligen Hopfenmarktes) an der Kröpliner=Straße, mit der Front gegen Osten, ein und enthielt zuletzt vorzüglich die Bibliothek und die Versammlungszimmer.

Das alte Universitätsgebäude war am 6. December 1565 abgebrannt; das jetzt abgebrochene Gebäude war durch Beförderung der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich seit dem Jahre 1566, also gerade vor dreihundert Jahren, wieder aufgebauet.


1) Nachdem das alte Gelände bis auf die Fundamente abgebrochen war, begab ich mich sogleich nach Rostock, um die geschichtlichen Forschungen anzustellen.
2) Vgl. Krabbe's Universität Rostock, Theil I., 1854, S. 95.
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Nach sichern Nachrichten stand vor der Stiftung der Universität (1419) an derselben Stelle 1 ) der Hof des Bischofs von Schwerin. Es ist nach Lindenberg's Rostocker Chronik 2 ) vielfach gesagt, das alte Gebäude sei eine "Kapelle" des Bischofs von Schwerin gewesen ("olim sacellum fuit episcopi "Suerinensis"). Dieser Ausdruck ist aber wohl nicht ganz bezeichnend. Richtiger drückt sich wohl die Universitäts=Matrikel zum 12. August 1566 aus, wenn sie berichtet, das Gebäude sei "ein Sitz und eine Kapelle des Bischofs von "Schwerin" gewesen ("fuisse sedem et sacellum episcopi Suerinensis"). 3 ) Es ist ja seit alter Zeit bis auf heute gebräuchlich, daß reiche Prälaten oft in geeigneten Städten ihres Sprengels Absteigequartiere oder Höfe besitzen, mit denen häufig eine Hauskapelle und ein "Gasthaus" für Pilger und Priester verbunden ist. Die Hauptsache bleibt aber immer der Wohnhof 4 ); so besaß auch der einflußreiche Abt von Doberan einen großen Hof in der Stadt Rostock. Es ist sogar wahrscheinlich, daß der bischöfliche Hof zu Rostock zugleich der Sitz der bischöflichen Beamten war, da in Rostock ein bischöflicher Archidiakonus und Official ihren Sitz hatten. 5 )

Es sind auch in den schon erwähnten alten Nachrichten die Kennzeichen des alten bischöflichen Hofes genau beschrieben. Die Universitäts=Matrikel sagt zum Jahre 1566: "Es beweisen aber nicht allein die Einrichtung des Gebäudes, sondern auch die Wappen der adeligen Familie von Bülow, welche in die vordere Wand zum Andenken eingemauert


1) Die nicht zur Stadt gehörenden geistlichen Stiftungen in Rostock, mit Ausnahme des Franciskanermönchsklosters , lagen alle in fast unmittelbarem Zusammenhange neben einander an der Westseite in der Stadt von der Kröpliner Straße bis zur Steinstraße an der Stadtmauer, nämlich die Kirche zu St. Jacobi, später mit einem Domherren=Collegium, der Hof des Bischofs von Schwerin, später Universität, das Cistercienser=Nonnenkloster zum Heil. Kreuz, fünf Bursen oder Collegien der Universität am Hopfenmarkt, das Kloster der Brüder vom Gemeinsamen Leben, der Doberaner Hof oder Hof des Abtes von Doberan und das Dominikanermönchskloster am Steinthor.
2) Vgl. Lindenberg Chronicon Restoch. V., c. 8. Vgl. Krabbe a. a. O. S. 95, Note.
3) Vgl. Krabbe a. a O. S. 617, Note 1.
4) Vgl. Lisch Meklenburg in Bildern, III.,1844, S. 43.
5) Herr Ober=Appellationsgerichts=Rath Dr. Mann glaubt sich zu entsinnen, daß im Rostocker Archive ein "Bischofshof" ("curia episcopi") vorkommt. Derselbe bemerkt außerdem, daß das alte Rathhaus der Neustadt am Hopfenmarkt (Blücherplatz) lag und immer an der Stelle des spätern Bischofshofes gestanden haben kann.
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"noch erhalten sind, daß das Gebäude ein Sitz und eine Kapelle des Bischofs von Schwerin gewesen sei." ("Indicabant vero prioris aedificii dispositio et insignia nobilis familiae Buloviorum, quae parieti seu muro anteriori in rei memoriam affixa asseruantur, hanc collegii domum ante Academiae fundationem fuisse sedem et sacellum episcopi Suerinensis".). Dasselbe sagt auch Lindenberg, welcher die bülowschen Wappen noch kannte ("quod vetus structura testabatur et adhuc insignia Buloviorum indicant").

Alle diese Nachrichten haben sich auch beim Abbruch des Weißen Collegii im Jahre 1866 als richtig erwiesen, als die Fundamente ausgegraben wurden. In der Tiefe fanden sich die alten Fundamente, welche ich am 18. Junii 1866 vor dem Abbruch derselben selbst untersucht habe. Die Fundamente waren auf Felsen gelegt und von sehr großen, rothen, festen Ziegeln mit außerordentlich festen, dicken Kalkfugen hinaufgemauert. Das alte Gebäude hatte mit dem Bau von 1566 dieselbe Lage und Front gehabt. Die ganze Länge der Front=Fundamente war 160 Fuß Hamburger Maaß; sie reichten an der Seite jedoch nicht bis an die Kröpliner Straße im Norden, sondern waren von dieser noch 27 Fuß entfernt, so daß hier noch ein ziemlich geräumiger Platz übrig geblieben war. Neben der andern Seite im Süden, nach der kleinen sogenannten Katthagen=Straße hin, neben dem jetzigen Universitäts=Museum, lag einige Fuß tief unter dem jetzigen sehr erhöheten Straßenpflaster ein alter Steindamm, welcher wahrscheinlich die Auffahrt zum inneren Hofe gewesen ist.

Am Nordende, nach der Kröpliner Straße hin, lagen die vollständigen Fundamente eines eigenen Gebäudes, deren Ziegelmauern 3 1/2 Fuß dick waren. Die Längenrichtung ging von Norden nach Süden; der innere Raum dieses Gebäudes, welcher innerhalb keine Scheidewände gehabt hatte, war 44 Fuß lang und 25 1/2 Fuß breit. Dies ist ohne Zweifel die bischöfliche Kapelle gewesen.

Die östliche Front gegen den Hopfenmarkt setzte sich von diesem Gebäude gegen Süden (bis gegen das jetzige Museum) in gleicher Richtung fort, so daß die Front im Ganzen eine Länge von 160 Fuß hatte. Auch die Fundamente der südlichen Seitenmauer des Hofes waren noch ganz erhalten, die Fundamente der westlichen Hinterwand noch klar zu verfolgen.

Die nicht sehr starken Fundamente des neuen Universitätsgebäudes von 1566 lagen dicht vor diesen alten Fundamenten, so daß sie nur eine Verstärkung der alten Fundamente bildeten.

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Zu dem Gebäude von 1566 waren sehr viele alte Ziegel benutzt, unter denen sich auch mehrere Formsteine von sehr gut gezeichneten und geformten gothischen Festerpfeilern fanden.

Der bedeutendste Fund war ein großer quadratischer Ziegel mit dem glasurten Reliefwappen der Familie von Bülow, also eines von den oben erwähnten Baudenkmälern. Der Ziegel war schon etwas behauen und in einen der beiden Strebepfeiler am Haupteingange mit andern alten Ziegeln mit vermauert.

Dieser Wappenziegel ist nun derselbe Ziegel, welchen der schweriner Bischof Friederich II. von Bülow (1365-1375) als Baudenkmal in die von ihm ausgebaueten Gebäude, den Dom zu Schwerin, die Stiftskirche zu Bützow und die bischöfliche Burg zu Warin, hat einmauern lassen; unter der Regierung dieses Bischofs ist auch die nahe bei Rostock gelegene, herrliche Abteikirche zu Doberan in ihrer jetzigen Gestalt vollendet und von ihm 1368 eingeweihet worden. Es leidet also wohl keinen Zweifel, daß dieser Bischofshof zu Rostock in der Zeit 1365-1375 gebauet worden ist.

Die Frage, wie die Stadt Rostock und die Universität zum Besitz dieses Gebäudes gekommen sei, läßt sich wohl leicht dadurch beantworten, daß der Bischof zu einer so bedeutenden, von ihm beförderten Stiftung, wie die Universität war, seinen Hof derselben geschenkt und vertragsmäßig abgetreten habe.

Luftheizung.

Beim Ausgraben der Fundamente ward aber eine Merkwürdigkeit entdeckt, welche bei näherer Ueberlegung vielleicht noch eine besondere Beachtung verdient. Dicht unter dem Fußboden stand ein vollständig erhaltener, unterirdischer Ofen 1 ), dessen Wände von großen Ziegeln 1 1/2 Fuß dick und in die Erde gesetzt waren. Dieser Ofen, dessen Längenaxe von N. nach S. ging, lag mit seiner rechten Seitenwand an den Fundamenten der Vorderfront und ungefähr in der


1) Der Herr Hofbaurath Willebrand, Dirigent des neuen Baues, hat unter der Leitung des Herrn Bau=Conducteurs Prahst Zeichnungen von diesem Ofen (Grundriß, Längendurchschnitt, Queerdurchschnitt und Vorderansicht) anfertigen lassen und dem Vereine geschenkt. - Der Ofen selbst mußte wegen des Neubaues abgebrochen werden.
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Mitte des ganzen alten Gebäudes, ungefähr unter der Pforte des jetzt abgebrochenen Gebäudes, in der Mitte zwischen der Kapelle und einem südlichen Flügel. Der innere Raum des ganzen Ofens war 7 1/2 Fuß lang und 5 1/2 Fuß breit. Unten war ein Heizraum oder Ofen von 1 Fuß 7 Zoll Höhe, zu welchem eine gut profilirte Ofenthür ungefähr von derselben Höhe führte. Ueber diesen Heizraum waren 4 ganze und an den Wänden 2 halbe, frei stehende, flache Bogen oder Rippen von 12 Zoll Breite gewölbt, welche zwischen sich immer einen leeren Raum von 6 Zoll hatten, so daß die Hälfte der Ueberwölbung durchsichtig war, also einen Rost bildete. Ueber diesem Heizungsraum war wieder ein dicht und flach gewölbter Raum (Reservoir?) voll 3 1/2 Fuß Höhe über dem Scheitel des Rostes, welcher auf den Rippen fast ganz voll Feldsteine oder Granitsteine (Pflastersteine), unter denen sich kein Kalkstein befand, unregelmäßig gepackt war. Die Granitsteine waren mürbe gebrannt und dieselben und der Raum sonst von Rauch geschwärzt. In der Vorderwand war über dem Ofenloch eine 1 3/4 Fuß hohe, verschließbar gewesene viereckige Oeffnung, zum Herausholen und Nachlegen von Feldsteinen. In dem obern Gewölbe waren zwei kleinere Oeffnungen, an jedem Ende eine. Das Rauchrohr hatte seine Ausmündung wohl oben in der Hinterwand des Ofens gehabt, welche jedoch beim Aufbrechen oben etwas zerstört ward. Dieses obere Gewölbe lag noch unter dem Fußboden.

Vor diesem Ofen war ein viereckiger, ausgemauerter Vorraum von 5 Fuß Länge, welcher, ohne Zweifel in jüngern Zeiten, wahrscheinlich beim Bau von 1566, zur Kalkgrube benutzt worden war, da die Wände mit gelöschtem Kalk belegt waren; in dem Ofen, welcher in den letzten Jahrhunderten wohl nicht bekannt geworden und unbenutzt geblieben war, war keine Spur von Kalk zu finden.

Das obere Gewölbe war mit denselben hellgelben Ziegeln (aus Schwaaner Erde?) gewölbt, mit denen die Marienkirche gebauet ist; die durchschnittliche Größe derselben war vollkommen gleich, 11 Zoll hamb. Maaß lang und 3 Zoll dick. Da der Rath und die Kirchen der Stadt Rostock im Jahre 1368 die Freiheit erhielten, in dem Kirchspiel Schwaan, in den Dörfern Goldenitz und Niendorf, Ziegelerde graben zu lassen (vgl. Wöchentl. Rostock. Nachr. 1752, St. 17, S. 65) und an größern Gebäuden diese in Rostock früher scheinbar seltenen Ziegel zuerst in der Marienkirche vorzukommen scheinen, der Bau dieser Kirche aber 1398 begonnen ist,

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so wird auch der Bau dieses Ofens ungefähr in dieselbe, also noch in die bischöfliche Zeit, also zwischen 1370-1419 fallen.

Am hintern, nördlichen Ende des Ofens, in gleicher Tiefe, war ein ganz kleiner, Miniatur=Ofen von wenig Fuß Ausdehnung, mit 3 Bogen oder Rippen, aufgemauert, dessen Zweck wegen der Kleinheit nicht zu errathen ist. Er hatte keinen Vorraum und keine Heizungsvorrichtungen.

Die Hauptfrage ist nun, wozu dieser Ofen gebraucht worden ist. Ich habe im Anfang wohl geglaubt, der Ofen könne ein Kalkofen gewesen sein, da im Mittelalter für große Gebäude der Kalk auf der Baustelle gebrannt zu werden pflegte, wie noch neben dem Dome zu Schwerin der Kalkofen unter dem jüngern Refectorium, jetzigen Gymnasium, steht 1 ). Dazu aber ist der Ofen viel zu klein und enthält keine Spur von Kalk. Andere haben wohl gemeint, der Ofen sei ein Backofen. Hiezu ist aber der Ofen, namentlich aber der Vorraum, ebenfalls zu klein, und man sieht nicht ein, warum man dazu den Ofen unter der Erde sollte angelegt, so ungewöhnlich construirt und mit Feldstein gefüllt haben, welche offenbar seit alter Zeit in der obern, gewölbten Kammer liegen. Ich glaube vielmehr, daß der Ofen eine Luftheizung ist, welche im Mittelalter allerdings schon bekannt war. Eine solche Luftheizung findet sich noch unter dem im 15. Jahrhundert erbaueten schönen Rathhaussaale ("Laube") zu Lüneburg. Volger sagt hierüber 2 ): "Der Saal steht nicht auf ebener Erde, sondern auf Gewölben, die als Heizanstalt dienten, ein seltenes Denkmal uralter Art der Erwärmung großer Räume, wie sie im Mittelalter gewöhnlich war und sich noch jetzt wohl erhalten im Schlosse zu Marienburg befindet. Unter der gewölbten Laube liegen drei backofenförmige Gewölbe, durch welche die Halle erwärmt wurde, und diese ruhen auf einem hohen gewölbten Keller, dessen Decke von einem mächtigen Pfeiler getragen wird. Dieses unterste Gewölbe bildet die Trinkstube des ältesten Rathskellers". Weiter sagt der Dr. Albers: "Vor den Sitzbänken in der Rathhauslaube ist im Fußboden ein Luftheizungs=Canal angebracht, wozu in einem Gewölbe unter dem Saale sich der Heerd befindet. Von dieser Luft=


1) Vgl. Jahrbücher XVI., S. 182.
2) Die Alterthümer der Stadt Lüneburg, herausgegeben vom Alterthumsverein in Lüneburg, Dritte Lieferung, Abtheilung 1, 1856, S. 11.
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Heizungs=Einrichtung des Mittelalters hat sich außerdem nur noch ein einziges ähnliches Denkmal im Schlosse Marienburg in Preußen erhalten; die Merkwürdigkeit der Sache hat den Königlich=Preußischen Herrn Geheimen OberFinanzrath Beuth (nicht von Beust), welcher im Befreiungskriege des Jahres 1813 unter der von Lützowschen Schaar Lüneburg besuchte und das hiesige Rathhaus mit großem Interesse besah, veranlaßt, eine besondere Abhandlung 1 ) über diesen Gegenstand in Druck zu geben".

Für einen solchen Luftheizungs=Ofen halte ich auch den Ofen des ehemaligen Bischofshofes zu Rostock. Die Granitsteine, mit denen der ganze Hauptraum, mit Ausnahme des niedrigen Feuerherdes, ganz und lose gefüllt war, dienten wohl dazu, die Wärme länger und fester anzuhalten.

Ueber die Einrichtung der Oefen zu Lüneburg und Marienburg habe ich bis jetzt noch keine Nachricht gewinnen können.


Es ist mir nach Vollendung der vorstehenden Beschreibung gelungen, die oben erwähnte Schrift über die Luftheizungsanlagen im Schloß zu Marienburg aus der Stadt=Bibliothek zu Lüneburg zu erhalten. Die Schrift enthält "drei Abhandlungen, aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen besonders abgedruckt, auf Kosten des Vereins, 1830", und enthält folgende Abhandlungen: 1) "Ueber die Luftheizungseinrichtungen im Schloß Marienburg in Preußen, geschrieben im Jahre 1822, von Ludwig von Voß, und Resultate der Versuche mit den Steinöfen im Schloß Marienburg während des Winters 1824, von Gersdorf"; 2) "Ueber die Heizungsanlagen im alten Rathhaus zu Lüneburg" (vom Stadtbaumeister Spetzler); 3) "Ueber die Heizung mit erwärmter Luft" von "Rothe", zur Beförderung der damals in Verbreitung kommenden Luftheizungen.

Aus den ersten Abhandlungen ergiebt sich nun mit völliger Sicherheit, daß die Ofenanlage unter dem alten Bischofshause in Rostock eine Luftheizung war, da die Marienburger


1) Ueber die Luftheizungs=Anlage im Schloß Marienburg und dem alten Rathhaus=Saale zu Lüneburg. Mit 4 Kupfertafeln. Berlin, 1830. Gedruckt auf Kosten des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes.
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Heizungen in jeder Hinsicht völlig gleich sind, nur daß der Rost aus viereckigen Oeffnungen im Gewölbe besteht, der Rostocker Rost aber lange Oeffnungen zwischen Rippen hat.

Es wird zur Erläuterung am zweckmäßigsten sein, hier einen kurzen Auszug über die Marienburger Oefen aus den erwähnten Schriften mitzutheilen.

Herr von Voß sagt 1822: "Bis jetzt sind drei der alten im Schloß Marienburg vom Ende des dreizehnten bis zum siebzehnten Jahrhundert in Gebrauch gewesenen Feuerungsanstalten wieder in nutzbaren Zustand versetzt worden. Diese Oefen befinden sich im westlichen Flügel des Mittelschlosses, an dessen Herstellung seit dem letzten Krieg gearbeitet wird. Einer dieser Oefen ist zur Heizung des großen Konventrempters von 96 Fuß Länge, 29 Fuß Höhe, oder ungefähr 124,816 Kubikfuß Inhalt, bestimmt. Vom zweiten Ofen gehen Wärmeröhren nach zwei gewölbten Stuben. Der dritte Ofen führt seine Röhren zum zweiten Rempter des Meisters, welcher 39 Fuß lang, 39 Fuß breit und 22 Fuß hoch ist und daher, mit Beachtung des Gewölbes, ungefähr 30,420 Kubikfuß enthält. Außerdem gehen von diesem dritten Ofen noch Heizröhren in zwei andere gewölbte Stuben von 20 bis 30 Fuß im Quadrat. Die Oefen liegen in den Kellern grade unter den Stuben und Remptern, welche erwärmt werden sollen. Horizontale und andere Ableitungen der Wärmekanäle scheinen dabei absichtlich vermieden worden zu sein. Von diesen drei Oefen wurden zu Hauptversuchen nur die beiden den großen Konvent= und Meisterrempter erwärmenden gebraucht."

"Bei diesen Marienburger Heizungen besteht nun die Abweichung von allen bisherigen Ofeneinrichtungen wesentlich darin, daß auf keine an der Oberfläche ausstrahlende Wärme gerechnet, sondern daß die innern Umfassungswände des Ofens, wie bei Backöfen, nebst dessen Steinausfüllungen erglühen, und solchergestalt ein Wärmebehälter gebildet wird, von welchem, mittelst durchzulassender und dadurch erhitzt werdender atmosphärischer Luft, willkührlich Gebrauch gemacht werden kann. Das Holz kommt in einen backofenartig eingerichteten gewölbten Raum. Das flache Gewölbe (des großen Ofens) ist mit sieben Reihen Löchern versehen, durch welche die Flammen zu einer darüber unregelmäßig liegenden Masse Feldsteine dringt und sie durchglüht. Dieser Ofen würde daher, seiner Construction gemäß, wohl mit dem Namen Steinofen zu belegen sein. Beim Konventrempter gehen nun die 36 Heizlöcher von der

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Decke des Steinbehälters unmittelbar zu den Oeffnungen im Fußboden des Saales. Grade über dem Ofen befinden sich nämlich 36 Löcher von 3 1/2 Zoll im Durchmesser, welche oben über dem Fußboden mit thönernen Stöpseln geschlossen werden können."

Es wurden im März und April 1822 ununterbrochen viele Versuche mit der Heizung der Räume vermittelst dieser Oefen angestellt und zwar alle mit günstigem Erfolge, obgleich man noch keine tiefere Einsicht in die ganze Anlage und dieselbe durch die Zeit viele Mängel erlitten hatte.

Der Herr Gersdorf berichtet weiter: "Die im vorigen Winter mit den alten Heizanstalten im Schloß Marienburg angestellten Versuche wurden auch in diesem Winter 1824 gründlich fortgesetzt". lm Allgemeinen wird zuvörderst über die alten Steinöfen bemerkt, daß über einer auf eingeschlossenem Herde angelegten Feuerung sich ein gewölbter Rost befindet, über welchem ein Raum mit mehr oder weniger Feldsteinen, welche nur lose übereinander geworfen sind, gefüllt ist, aus dem ein Rauchrohr geht, was an irgend einer schicklichen Stelle geschlossen werden kann. Der Zweck dieser Heizungen ist nun folgender: die Feldsteine und Wände des Ofens sollen glühend gemacht und dieser Wärmebehälter dazu benutzt werden, die heiße Luft durch besondere Röhren entweder gradezu in die darüber liegenden Zimmer oder auch in horizontaler Richtung in den massiven Fußböden fort in angrenzende Räume zu führen. Wenn der Ofen genugsam erhitzt ist, können die nach den Zimmern führenden Röhren geöffnet werden".

Die Marienburger Oefen sind nach der Größe der zu erwärmenden Räume natürlich an Größe verschieden. Aber ein Ofen ist dem Rostocker fast völlig gleich. "Der Ofen Nr. 2 ist kleiner, als der Ofen des Konventrempters, denn die eigentliche Feuerung mißt nur 7 1/2 Fuß Länge, 3 1/2 Fuß Breite und 3 1/2 Fuß Höhe. Der größtentheils mit Feldsteinen angefüllte Raum ist 8 Fuß hoch, 7 1/2 Fuß lang und 5 Fuß breit. Im Ganzen ist dieser Ofen eben so eingerichtet, als alle übrigen des Schlosses, die Wärmeleitungsröhren hingegen sind sehr verschieden, indem dadurch ein Zimmer in der zunächst über dem Ofen liegenden Etage und zwei andere eine Etage höher geheitzt werden. Das unmittelbar über dem Ofen liegende Zimmer enthält 6,401 Kubikfuß, der Saal in der darauf folgenden Etage 28,000 Kubikfuß und das dritte noch nicht ganz ausgebauete Zimmer

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9,360 Kubikfuß, Summa 43,761 Kubikfuß. Die beiden ersterwähnten Zimmer heizen sich sehr gut und können mit 1/6 Klafter Kienholz bei einem Thermometerstand von +3 bis -5° auf +14 bis +15° R. erwärmt und in dieser Temperatur 14 bis 15 Stunden erhalten werden. Dieser Ofen liefert in jeder Hinsicht von allen Oefen des Schlosses die besten Resultate".

Die Beschreibung der drei Oefen im Lüneburger Rathhause ist nicht so klar und ausführlich. Denn "es sind nur noch die Mündungen in die Oefen vorhanden, da das Stück der Ringmauer, in welcher dieselben lagen, in neuerer Zeit als baufällig herausgenommen und voll wieder aufgeführt wurde, und die Zuglöcher für die erhitzte Luft, welche in die Kanäle unter dem Saal ausmünden. Unmittelbar vor den Sitzen der Rathsherrn im Saale finden sich die Heizungskanäle. In den Heizungskanälen sind 2 Fuß 9 Zoll von einander entfernt Oeffnungen angebracht, welche willkührlich von den Sitzenden durch metallene Deckel geöffnet und geschlossen werden können. Eigens dazu vorgerichtete Backsteine bilden die Oeffnungen, welche durch die Deckel fest verschlossen sind". Es ist aber bei dieser Lüneburger Beschreibung von Füllung der Wärmekammer durch Feldsteine, einer Hauptsache bei diesen Oefen, mit keiner Sylbe mehr die Rede; die Feldsteine werden also zur Zeit der Beschreibung nicht mehr vorhanden gewesen sein.


Uebrigens ergiebt sich jetzt aus genauern Forschungen in den Alterthümern, daß in Meklenburg noch mehr Spuren von Luftheizungen vorhanden sind.

Der Herr Dr. Crull zu Wismar berichtet Folgendes. "Auch hier in Wismar in der Großen Stadtschule, dem ehemaligen Kreuzgange und Refectorium des Franziskanermönchsoder Grauen=Klosters, hatten sich zwei mächtige Fliesen (nordische Kalksteinplatten) erhalten, welche zur Luftheizung gedient haben; sie lagen vor 20 Jahren in der damaligen Quarta= und in der Secunda=Classe im Fußboden. Eine dieser Platten liegt noch jetzt im Schulgange. Sie ist 8 l/2 Fuß lang und 5 Fuß breit und hat 11 Löcher in 3 Reihen, in der Mitte 3 Löcher, an jeder Seite 4. Die Löcher haben einen Durchmesser von 5 Zoll, das mittelste von 7 1/2 Zoll. Die Löcher sind alle mit einer Rille umgeben. Auch auf S. Nicolai=Kirchhof liegt noch eine Fliese von 2 Fuß auf jeder Seite im Quadrat mit einem Loch."

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Ich zweifle jetzt auch gar nicht daran, daß die von mir selbst im Jahre 1840 aufgedeckten und in Jahrb. V., B., S. 84 flgd. beschriebenen, zu ihrer Zeit in der Unterhaltung viel besprochenen unterirdischen Bauten zu Ihlenfeld bei Neu=Brandenburg zwei Luftheizungs=Oefen der ehemaligen, nach heftiger Fehde im Jahre 1480 zerstörten Ritterburg Ihlenfeld waren, welche ich damals im Irrthum für "Schmelzöfen" hielt da sich auch sogenannte "Schmelztiegel" dabei fanden. Es stand tief in der Erde ein Gewölbe von Ziegelsteinen auf senkrechten Wänden, 4 Fuß lang, 2 Fuß breit, über 2 1/2 Fuß hoch. An einer Seite war eine kleine gewölbte Thür, "einer Ofenthür" ähnlich. Der Boden war mit einer großen Masse fest gedrückter Asche bedeckt. Ueber diesem Ofengewölbe war ein zweites Gewölbe aufgeführt, welches auf den Seitenmauern aus Ziegeln ruhte. Dieser gewölbte obere Raum, der Wärmebehälter, war zu einem Theile mit Feldsteinen gefüllt; das Gewölbe selbst lag ungefähr in der Ebene des Fußbodens des ehemaligen Gebäudes. Die Füllung mit Feldsteinen habe ich a. a. O. irrthümlich ein "Gewölbe von Feldsteinen" genannt. Vor der Ofenthürseite war eine Vertiefung, ein Vorkeller zum Heizen, in welchem sich viele Kohlen von Tannenholz fanden. In dieser Vertiefung, welche nicht gewölbt, sondern wohl nur mit Balken zugedeckt gewesen war, fanden sich nun sehr viele Alterthümer an häuslichen Geräthen, welche ohne Zweifel beim Brande der Burg hineingestürzt waren; unter den Gewölben lagen keine Alterthümer. Zu diesen Alterthümern gehören auch viele viereckig gebogene Ofenkacheln ("Kacheltöpfe"), wie die ältesten Kacheln des Mittelalters geformt sind, welche ich damals irrthümlich für "Schmelztiegel" gehalten, später aber mit Sicherheit als Ofenkacheln erkannt habe. Dies ist ein Beweis, daß man außer den Luftheizungsöfen (für die untern Räume) auch Kachelöfen (für die obern Stuben) hatte, welche beim Brande in die Tiefe stürzten; vielleicht hatte man gar Luftheizung und Kachelöfen nebeneinander in denselben Räumen. Solcher Oefen standen zu Ihlenfeld zwei nahe bei einander und waren einander gleich.

Zum größern Beweise fanden sich auch die Mündungen der Luftkanäle, ungefähr in der Ebene des Fußbodens des ehemaligen Gemaches. Auf dem von mir aufgedeckten Ofen lag eine viereckige Granitplatte von ungefähr 2 Fuß an jeder Seite im Quadrat und 3 Zoll Dicke, welche durch Kunst geebnet ist. In der Mitte hat sie ein sehr regelmäßig gearbeitetes rundes Loch, um welches rings umher eine regel=

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mäßig eingemeißelte, jedoch nicht tiefe Rille liegt. Einige Zoll höher, schräge darüber, lag ein runder Deckel von gegossener Bronze, von 7 Zoll Durchmesser, dessen 1 1/4 Zoll hoher Rand genau in die Rille des Steines paßt, jedoch nicht tief hineingreift, sondern zum größten Theile höher steht, als die Fläche des Steines. Der Deckel ist oben in der Mitte etwas vertieft modellirt und in dieser Vertiefung liegt ein flacher Griff von 4 1/2 Zoll Länge, jedoch so, daß die Griffhöhe nicht mit der Haupt=Oberfläche des ganzen Deckels in gleicher Ebene liegt, sondern so darüber emporragt, daß man nicht ohne Anstoß darüber weggehen kann. - Auch bei dem zweiten Ofen fand sich zum Füftheil ein zerbrochenes Stück von einem Mündungssteine, ein feinkörniger, behauener Sandstein von 2 Fuß im Quadrat, ebenfalls mit einem runden Loch von ungefähr 7 Zoll im Durchmesser, welches auf der Oberfläche auch mit einer Rille umgeben ist. - Beide Steine und der bronzene Deckel werden in den Vereinssammlungen zu Schwerin aufbewahrt. - Es ist wohl kaum zu bezweifeln, daß diese jetzt ebenfalls verschwundenen Ueberreste alter Bauten Luftheizungen waren, und es läßt sich aus der Entdeckung von Ihlenfeld wohl schließen, daß solche Heizungen im Mittelalter sehr verbreitet waren.

Auch aus der glänzenden Abtei Doberan haben wir leise Spuren von Luftheizungen. Im Jahre 1805 ward beim Aufräumen der alten Fundamente der Klostergebäude neben der Kirche, wo auch ein großer Fund von goldenen und silbernen Münzen aus dem Klosterschatze aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gemacht ward (vgl. Jahrb. VI., B., 117 flgd.), außer vielen thönernen und metallenen Alterthümern des Mittelalters auch ein merkwürdiger Ziegel gefunden, dessen Bestimmung ich mir jetzt erst erklären kann; leider ist er nur ungefähr zur Hälfte vorhanden und queer durch zerbrochen. Dieser Stein ist ein sehr schöner, mächtiger, rother Ziegel, welcher ungefähr 1 1/2 Fuß im Quadrat groß gewesen ist und gegen 5 Zoll dick ist. In der Mitte hat er ein cirkelrundes Loch von ungefähr 7 Zoll im Durchmesser, welches mit einer 1 Zoll tiefen, regelmäßigen Rille zur Aufnahme eines Deckels umgeben ist. Auf der Unterseite ist der Rand des Loches gebrännt und etwas poröse ausgedörrt. Ich zweifle nicht daran, daß dieser Ziegel die Mündung eines Luftheizungs=Kanals gewesen ist, wie die Lüneburger.


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III. Zur Kunstgeschichte.


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1.

Medaillon der Herzogin Margarethe Elisabeth,

Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht II. von Güstrow,

von

G. C. F. Lisch .


Im November 1865 ward auf der Schöninsel im Gutower See bei Güstrow, bei dem kleinen Ellernbruch an der Seite dem Dorfe Bölkow gegenüber, von einem Arbeiter des Erbpächters der Insel beim Pflügen in einem Klumpen Lehm nahe unter der Erdoberfläche ein Medaillon mit einem Bilde gefunden. Der Arbeiter hielt den Fund einige Wochen geheim, zeigte ihn aber darauf dem großherzoglichen Amte zu Güstrow mit dem Wunsche, denselben Sr. K. H. dem Großherzoge zu überreichen. Das Amt wies den Finder an mich und ich nahm von demselben den Fund zu treuen Händen an mich, um ihn später Sr. K. H. dem Großherzoge vorzulegen, Allerhöchstwelcher damals gerade von Schwerin abwesend war. Gleich darauf wurden in den Zeitungen die abentheuerlichsten und übertriebensten und dazu ganz falsche Beschreibungen von dem Funde gemacht und Ansprüche von verschiedenen Seiten erhoben; so z. B. hieß es unter andern, der Schmuck sei nicht allein mit Diamanten, sondern auch mit Smaragden und Rubinen besetzt u. s. w.

Das Medaillon ist von reinem Golde und hat eine ovale Gestalt, ungefähr von der Größe des Längendurchschnittes eines Hühnereies oder eines Doppelthalers. Es besteht aus zwei Platten, deren obere einen Deckel bildet, welcher durch Druck geschlossen werden kann, und enthält im Innern ein gut gemaltes weibliches Brustbild. Die untere Fläche ist ganz flach und gravirt und stellt sehr fein und zart gearbeitete, kleine Blumenranken und Vögel dar, welche emaillirt sind, namentlich in grün und roth, woher die falsche Nachricht von

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Smaragden und Rubinen gekommen ist. Die obere Seite ist erhaben gearbeitet, nach einem Modell gegossen und ciselirt und ebenfalls mit vielfachen Farben emaillirt, welche aber zum großen Theile abgesprungen sind. Die Darstellung auf der obern Fläche ist ein geflügeltes Herz, welches von zwei Pfeilen durchbohrt ist, unter einer Krone (nicht ein "gekrönter fliegender Adler" ohne Kopf und Schwanz), also eine Allegorie jüngerer Zeit, von einem emaillirten Palmzweig an der einen und einem Lorbeerzweig an der andern Seite eingefaßt. Auf dem Herzen ist ein Diamant von ziemlicher Größe, aber, wie es scheint, von rissiger Beschaffenheit befestigt; unter dem Herzen ist ein kleiner Diamant und die dreispitzige Krone ist ebenfalls mit ganz kleinen Diamanten verziert. Der Rand ist mit 32 kleinen Diamanten besetzt, von denen 4 in der Mitte der 4 Seiten von dreieckiger, spitzer Form, die übrigen, je 7 in jedem Viertheil des Umfanges, aber ganz kleine, flache Diamanten oder Tafelsteine von geringer Größe sind. Die Diamanten sind, mit Ausnahme des mittlern, nur klein und nicht von großem Werth. Das Ganze wiegt 5 Loth.

Wenn man den Deckel aufklappt, so sieht man das Brustbild einer vornehmen Dame in der Tracht aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, sehr gut und fein auf Kupfer gemalt und sehr gut erhalten. Ich erkannte darin auf den ersten Blick die Herzogin Margarethe Elisabeth, Tochter des Herzogs Christoph vdn Meklenburg und erste Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht II. von Meklenburg=Güstrow, welche mit diesem 1608 † 1616 vermählt war. Auch Se. K. H. der Großherzog erkannte dieselbe mit Sicherheit bei der Ueberreichung auf den ersten Blick. Es ist genau dasselbe Bild, in derselben Kleidung und mit demselben Schmuck, welches in ganzer Figur in Lebensgröße jetzt im Schlosse zu Schwerin in der Kirchengallerie hängt und als ein Bild der genannten Herzogin von dem Maler bezeichnet ist. Es gehört als Gegenstück zu dem gleich großen und ähnlich gemalten Bilde des Herzogs Johann Albrecht II., welches jetzt auch an der bezeichneten Stelle neben dem Bilde der Herzogin hängt. Da beide fürstliche Personen in noch jungen Jahren dargestellt sind und das Medaillonbild noch etwas frischer gehalten ist, als das lebensgroße Bild, so ist es, namentlich in Betracht der Allegorie des durchbohrten Herzens auf dem Deckel, mehr als wahrscheinlich, daß das Medaillon ein Brautgeschenk der Herzogin für ihren Verlobten vom Jahre 1608 ist und daß der Herzog es vielleicht bei der Jagd auf der Schöninsel verloren hat, wo

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es 250 Jahre unversehrt und wohl erhalten gelegen hat. Wahrscheinlich ist es aber erst einige Jahre nach der Schenkung verloren gegangen, da die Emaille an vielen Stellen schon sehr abgescheuert ist. Es leidet aber keinen Zweifel, daß das Medaillon ein Eigenthum des fürstlichen Hauses gewesen und auf fürstlichem Grund und Boden verloren gegangen und gefunden ist.

Se. K. H. der Großherzog erklärte sogleich bei der Ueberreichung, das Medaillon behalten zu wollen. Um den Werth gewissenhaft zu ermitteln, da es in Güstrow theils von Goldarbeitern viel zu niedrig, theils durch das Gerücht viel zu hoch geschätzt war, ward der Schatz nach Berlin gesandt, damit er dort unter fürstlicher Obhut von dem königlichen Hofjuwelier anständig taxirt werde. Hier ward es denn in runder Summe ziemlich hoch im Ganzen zu 500 Thalern geschätzt. Nach den Rechtsbestimmungen über gefundene Schätze hat hiernach der Finder die Hälfte dieser Summe baar ausbezahlt erhalten und das Medaillon ist zu dem Schmuck des großherzoglichen Hausschatzes gelegt.


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2.

Ueber

ein merkwürdiges Büchlein

aus dem 16. Jahrhundert ,

zum Theil Meklenburg angehörend,

von

A. Bube , herzogl. sächs. Archivrath in Gotha.

(Auszug aus dem Anzeiger des Germanischen Museums, 1863, Nr. 6.)


In dem herzoglichen Kunstkabinet zu Gotha wird ein Büchlein aus dem 16. Jahrhundert aufbewahrt, welches in mehrfacher Hinsicht, besonders wegen der kunstreichen, kostbaren Arbeit seines Einbandes, höchst beachtenswerth ist. Dasselbe enthält vierzehn mit Wasserfarben auf Pergament gemalte Miniaturbilder, darstellend: die Erschaffung des Weibes, den

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Sündenfall, die Verkündigung, die Anbetung der Hirten, Jesus im Garten Gethsemane, Judas Verrath, die Geißelung, die Kreuztragnng, die Grablegung, die Auferstehung, die Himmelfahrt, die Ausgießung des heiligen Geistes und die Auferweckung der Todten. Bei jedem dieser Bilder sind die betreffenden Bibelstellen in Luthers Uebersetzung eingezeichnet und dabei die Ueberschriften der Bücher und die Zahlen der Capitel, denen sie entnommen sind, nicht aber die Zahlen der einzelnen Verse, angegeben. Auch sind die letzteren bisweilen mit Auslassung einer ganzen Reihe dazwischen gehöriger Verse zusammengezogen, frühere Verse nachgesetzt, spätere vorangestellt.

- - - - In ähnlicher Weise, wie die aufgezählten vierzehn Bilder, sind auf den innern Seiten des Einbandes ebenfalls auf Pergamentblättchen die Dreifaltigkeit und das jüngste Gericht dargestellt. Unter den ersteren steht das Monogramm des Malers H. Gödig oder Godigen H. G. (verschl.), der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte und sich lange Zeit im Dienst des Kurfürsten August von Sachsen befand. Von diesem Maler sind wohl sämmtliche Miniaturen des Büchleins verfertigt.

Nächstdem ist das Büchlein interessant durch die Handschriften fürstlicher Personen, die sich auf den ersten und letzten Blättern desselben eingezeichnet haben. So schrieben sich ein im Jahre 1579:

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

c. der Herzog Ulrich von Meklenburg, der mit seinem Bruder Johann Albrecht die Reformation in Meklenburg einführte und 1603 starb, mit den Chiffern H. G. V. V. G.;

d. dessen Gemahlin Elisabeth, Tochter Friedrichs I. von Dänemark, jüngeren Sohnes Christians I., mit A. N. G. W.

Vom Jahre 1590 datiren sich die Inschriften des Königs Jacob I. vou England und Schottland, Sohnes der Maria Stuart, und des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig und Lüneburg, des bekannten dramatischen Dichters.

Die Herzogin Louise von Meklenburg=Schwerin, eine Tochter des Prinzen Johann August von Sachsen=Gotha, welche den 1. Jan. l808 starb, schenkte das Büchlein ihrer Enkelin, der Tochter des Herzogs zu Sachsen=Gotha=Altenburg aus seiner ersten Ehe mit der Prinzeß Louise Charlotte von Meklenburg=Schwerin und nachmaligen Gemahlin des Herzogs Ernst II. zu Sachsen=Coburg=Saalfeld. Es verblieb später im Besitze des Herzogs August und wurde aus dessen Nachlaß für das Kunstkabinet in Gotha erstanden.

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Betrachten wir nun den kostbaren Einband des Büchleins. Derselbe ist ganz von Gold, mit Emaille, Diamanten, Rubinen und Smaragden verziert. Auf der Vorderseite ist in der Mitte die Anbetung der Hirten in Hautrelief dargestellt; darüber wölbt sich ein aus Diamanten, Rubinen und Smaragden gebildeter Bogen. In den Ecken sitzen die vier Evangelisten mit ihren Zeichen aus dem Gesichte des Ezechiel: Johannes mit dem Adler, Matthäus mit dem Engel, Lucas mit dem Stier, Marcus mit dem Löwen. Unten zeigt stch ein geflügelter Engelskopf. Die Hinterseite ist auf ähnliche Weise geschmückt.- - - - - - - - -- - - - - - - - - - - - - - - - Höchst kunstreich emaillirte Blumen und Laubwerk bilden die Einfassungen sowohl des Rückens, als beider Außenseiten.

Man nennt Benvenuto Cellini, der 1572, nach Andern schon 1570 starb, als Verfertiger dieses Einbandes. - - -

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Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß der Verfertiger des Einbandes ebenso, wie der Maler H. Gödig, sich am Hofe des Kurfürsten August aufhielt, und daß beide Künstler im Auftrag desselben das Büchlein gemeinschaftlich verfertigten. Diese Annahme wird durch glaubwürdige Personen unterstützt, die von dem Herzog August zu Sachsen=Gotha=Altenburg gehört haben, daß die Herzogin Louise von Meklenburg=Schwerin ihm erzählt, das Büchlein sei von dem Kurfürsten August dem Herzog Ulrich von Meklenburg verehrt und dann und wann gleichsam als Stammbuch im Hause Meklenburg verwendet worden. Die in einigen englischen und deutschen Reisehandbüchern befindliche Angabe, das Büchlein sei das Gebetbuch des Königs Jacob I. von England gewesen, wurde wohl nur durch die von diesem Fürsten hineingeschriebene Sentenz veranlaßt. Wie dem auch sei, jedentheils können wir mit Bestimmtheit aussprechen, daß der Einband von einem der bedeutendsten Meister der Goldschmiede=Emaillierkunst des 16. Jahrhunderts verfertigt ist und das Büchlein höchst werthvoll und beachtungswürdig erscheinen läßt.

 


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IV. Zur Naturkunde.


1 . Diluviale Periode.

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Fossiles Hirschgeweih von Gr. Nieköhr.

Zu Gr. Nieköhr bei Gnoien wurden in einem Kieshügel, neben der großen Wiesenniederung, zwei Bruchstücke von einem ursprünglich zerbrochenen Hirschhorn gefunden, welche in den Besitz des Herrn Literaten L. Fromm gekommen sind. Das eine Bruchstück ist ungefähr 8 Zoll lang und umfaßt zur Hälfte das untere Ende des Horns mit der vollständig erhaltenen Rose und der Augensprosse und einen eben so langen Theil des Schädels. Das andere Bruchstück ist ein noch längeres Stück von der Stange. Das Horn hat zwischen der Rose und der Augensprosse einen Durchmesser von 3 Zoll, also eine bedeutende Dicke. Beide Bruchstücke sind gelblich=weiß von Farbe und versteinert, d. h. sehr stark und fest mit erdigen Theilen (wohl Kalk und Kiesel) durchzogen, so daß sie klingend sind. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß das Horn aus dem Diluvium stammt. Ob es aber dem Riesenhirsch oder dem Edelhirsch angehört, läßt sich aus Mangel an Material zur Vergleichung noch nicht entscheiden.

G. C. F. Lisch.


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Menschlicher Rückenwirbel

aus einer Mergelgrube zu Roggow,

von

G. C. F. Lisch .

Auf dem dem Herrn v. Oertzen gehörenden, bei Neu=Bukow an der Ostsee liegenden Gute Roggow zieht sich eine Hügelkette hin, welche viel Kalk enthält. Bekannt im Lande ist der hohe kalkhaltige Höhenzug von Diedrichshagen bei Doberan, dessen Ausläufer z. B. bei Diedrichshagen und Brothagen den berühmten Mörtelkalk liefern. Ein solcher Ausläufer berührt auch noch Roggow, wo überall Kalk in Form von Muschelkalk, Wiesenkalk und Kalkadern, welche sich in Streifen durch den überall mergelhaltigen Boden hinziehen, lagert. Die oben erwähnte Hügelkette enthält auf der Höhe ein Mergellager, welches ungefähr 40 Fuß über der Meeresfläche und 20 Fuß über der am Südabhange sich ausbreitenden Ebene liegt; der Mergel trat hier zu Tage und war sehr stark kalkhaltig. Der Herr v. Oertzen ließ hier eine Mergelgrube anlegen, dieselbe aber im Jahre 1865 wieder verschütten, weil in einer Tiefe von 18 bis 20 Fuß sich eine Lage des feinsten Sandes zeigte, welche ganz frei von Kies und Geschieben war. In diesem (auch nach meinen eignen Untersuchungen) ganz ungestörten Mergellager fand ein Bruder des Herrn v. Oertzen, k. k. österreichischer Rittmeister, einen anscheinend versteinerten, sehr schweren Knochen, welchen der Herr v. Oertzen auf Roggow aufbewahrt und 1865 dem Vereine geschenkt hat.

Der Knochen ist ein in den Oberflächen wohl erhaltener Lendenwirbel (vertebra lumborum) eines ausgewachsenen Menschen, welcher zwar nicht versteinert, aber überall von einer 2 bis 3 Millim. starken Schicht von Kalktuff (oder Tropfstein) ziemlich gleich= und regelmäßig überzogen ist und den Knochen vor dem Verfallen vollständig geschützt hat. Der Knochen ist, wie sich aus einigen abgebrochenen Ecken ersehen läßt, im Innern weißlich von Farbe, durchaus trocken, völlig porös und ohne Spur von einer organischen Substanz, ein reines Kalkgerüst. Der Knochen wird in einer Art Höhlung oder Druse etwas schräge auf einer Seite gelegen haben, da

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die Seite, welche anscheinend oben gelegen hat, ganz dicht mit aufgetropften, warzenförmigen, grauen, kleinen Erhebungen besetzt, die anscheinend untere Fläche aber mit einer mehr ebenen, gelbweißen Kalkschicht bedeckt ist. Der Knochen wird in einem Mergelnest vereinzelt, und nicht als Theil eines ungestörten Gerippes gelegen haben, da der Kalktuff sonst wohl die nächsten Wirbel mit ihm verbunden haben würde; er erscheint als ein Stück, welches in der Mergelgrube frei gelegen hat.

Man kann sich bei dem Anblick dieses Knochens des Gedankens nicht enthalten, daß er, zumal in Betracht des Lagers, in welchem er gefunden ist, vielleicht aus dem Diluvium stammen könnte. Er ist zwar etwas besser erhalten, als sonst die diluvialen Knochen; dies ließe sich aber wohl durch die frühe Kalkinkrustirung erklären. Zudem will es sich nicht gut erklären lassen, wie dieser Knochen in das Mergellager gekommen sei. Leider sind genauere Nachrichten über die Lage nicht mehr zu gewinnen. - Der Herr Prosessor Rütimeier zu Basel, dem ich den Wirbel zur Ansicht geschickt habe, erklärt jedoch: "Menschlicher Lendenwirbel, mit Kalk tuff überzogen, nicht alten Datums, relativ jung". Wenn dieses Urtheil auch sicher sein wird, so muß ich doch hinzufügen, daß unter zahllosen alterthümlichen Erscheinungen diese ganz allein dasteht und daß sich in Meklenburg wohl nichts ähnliches findet. Jedenfalls muß der Knochen der aufmerksamen Beobachtung der Folgezeit empfohlen werden.

Auch unser verstorbene Freund Dr. v. Hagenow hat im Jahre 1830 zu Gr. Rakow in Neu=Vorpommern einen ganz gleichen Fund gemacht, indem er in einer Mergelgrube ungefähr 6 Fuß tief in einer Art Höhlung (Druse) unter unberührten Diluvialschichten ein menschliches Gerippe entdeckte, welches er einem antediluvianischen Menschen zuschreiben zu müssen glaubte. Vgl. Baltische Studien VII., H. 1, S. 267. Die Knochen mögen sich noch in seinen nachgelassenen Sammlungen vorfinden.

G. C. F. Lisch.


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2. Erste postdiluviale Periode.

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Ueber

die erste postdiluviale Periode

und

das Rennthier in Meklenburg,

von

Dr. Lisch,
Archivar in Schwerin.


Bei den immer klarer sich entwickelnden Anschauungen der großen Umwälzungen durch das Diluvium auf der Erdoberfläche ist es seit langer Zeit mein Streben gewesen, die ältesten Ueberreste lebender Wesen in dem Boden Meklenburgs zu sammeln und zu beobachten, und ich bin deshalb in einen ausgedehnten Verkehr getreten. Ich trat daher auch mit dem Herrn Professor Spring zu Lüttich in Verbindung und theilte ihm einige meiner Beobachtungen mit. Derselbe hat nun einen Brief von mir im Auszuge ins Französische übersetzt und der königlich=belgischen Akademie vorgelegt, welche ihn für werth gehalten hat, in ihre Verhandlungen aufzunehmen: Académie Royale de Belgique, Bulletins, 2 série, T. XXI., No. 2: Sur la période postdiluviale et sur le renne dans le Mecklembourg, par M. le docteur Lisch, archiviste à Schwerin. Extrait d'une lettre adressée à M. Spring. Da nun meine Beobachtungen ohne mein Wissen in die Wissenschaft übergegangen sind, so halte ich es für meine Pflicht, meinen eben erwähnten Brief in einer Rückübersetzung ins Deutsche auch in den Jahrbüchern im Folgenden mitzutheilen, ohne für die

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Uebereinstimmung dieser Uebersetzung mit meinem Originalbriefe bürgen zu können, da mir der rasch geschriebene Brief leicht aus der Feder geflossen ist.


"Die Knochen, welche im Diluvium liegen, haben ein eigenthümliches Ansehen, einen sichtlichen Charakter der Auflösung. (Sie zeigen nur noch das poröse Kalkgerüst, ohne jegliche Spur einer organischen Substanz, und haben eine weiße oder gelblich=weiße Farbe.) Wir haben in Meklenburg keine Höhlen, aber Hügel, gebildet aus Lehm und Mergel, und außer diesen nur sandige Ebenen und Wiesen". Man findet zuweilen in den Mergellagern Ueberreste von antediluvianischen Thieren; so z. B. besitzen wir einen Elephantenzahn und mehrere andere Fossile dieser Art. Vor Kurzem haben wir aus einer Mergelgrube einen menschlichen Lendenwirbel ausgegraben, welcher ganz und fest mit Kalk (Tropfstein oder Kalksinter) überzogen ist. Als man vor ungefähr 50 Jahren alle Ländereien Meklenburgs mit Mergel bestreute, hat man in den Mergelgruben zahlreiche fossile Knochen und Muscheln gefunden, wovon jedoch unglücklicher Weise nichts gerettet ist". Die Knochen aus den Pfahlbauten des Steinalters, welche ohne Zweifel aus den ersten menschlichen Ansiedelungen stammen, sowohl in Meklenburg, als in der Schweiz und Itatien, haben ganz andere Kennzeichen. Sie sind braun und enthalten noch Fettigkeit und organische Bestandtheile; sie sind so gut erhalten, daß man sie glänzend machen kann, wenn man sie mit Wolle oder ähnlichen Stoffen reibt". Man muß also zwei Perioden unterscheiden, zwischen denen eine dritte liegt, welche sehr lange dauerte, während welcher Europa, oder doch ein Theil dieses Continents, wahrscheinlich nicht von Menschen, aber doch von Thieren bewohnt war, welche das Diluvium überlebten. Ich möchte diese Periode die erste postdiluviale Periode nennen".

"Denn man findet bei uns in den Torfmooren und fest gewordenen Sümpfen mehrere Arten sehr alter Knochen, welche weder braun sind, wie die Knochen der Pfahlbauten, noch so sehr poröse, wie die antediluvianischen Knochen, sondern weißlich oder grauweiß, jedoch ohne Fettigkeit und organische Bestandtheile, oft von den Substanzen ihres Lagers durchdrungen oder versteinert, wie man zu sagen pflegt, und

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klingend. Der Charakter dieser Knochen ist stets derselbe, selbst dann, wenn sie in alten Torfmooren liegen, in denen sich die Knochen der Pfahlbau=Periode sicher braun gefärbt haben würden. Sie gehören ohne Zweifel Thieren an, welche ertrunken oder versunken sind, denn es finden sich oft ganze Skelette, was den Gedanken an Küchenabfall ausschließt". Es ist merkwürdig, daß die Anzahl der Arten, welche man beobachtet hat, sehr beschränkt ist, und daß diese immer dieselben in denselben Verhältnissen sind: Der Urstier (bos primigenius) von einer außerordentlichen Größe, das Elen, oft auch sehr groß, und das Rennthier. Wir haben außerdem allerdings auch einige Ueberreste vom Pferde; aber es läßt sich wohl schwer entscheiden, ob sie der antediluvialen oder postdiluvialen Periode angehören". Man hat oft daran gezweifelt, daß es dem Rennthier möglich gewesen sei, auf dem Continent zu leben, wo ihm, wie man glaubte, die äußern Bedingungen dazu fehlten. Ich für meinen Theil hatte lange diese Ansicht bestritten, bis ich endlich so glücklich war, ein Rennthiergeweih zu erhalten, welches von Kalk durchdrungen und aus einem Lager von Wiesenkalk und von Torf, d. h. aus einem frühern See, ausgegraben war. In Folge einer öffentlichen Bekanntmachung, welche ich über diesen Gegenstand erließ, wurden mir in kurzer Zeit über ein Dutzend Rennthiergeweihe zugesandt, welche theils unter gleichen Verhältnissen auf dem Grunde von Torfmooren gefunden waren, theils, bis dahin unrichtig bestimmt, als solche in Privatsammlungen nicht erkannt wurden". Diese Thiere und Geweihe stammen ohne Zweifel aus einer Zeit, welche älter ist, als die Pfahlbauten, und jünger, als die Zeit des Diluviums. Die Arten dieser Zeit sind in Deutschland seit langer Zeit untergegangen. Der riesenmäßige Stier (bos primigenius) ist gezähmt und Hausthier geworden, schon zur Zeit der Pfahlbauten. Das Elen ist seit langer Zeit auf einen kleinen Raum beschränkt, man findet es jedoch noch in den Pfahlbauten, während vom Rennthier in jüngerer Zeit durchaus keine Spur vorkommt, weder in den Pfahlbauten, noch in den Gräbern". Es scheint mir wichtig, die Aufmerksamkeit schärfer, als es bisher geschehen ist, auf diese Zwischenperiode zu lenken, welche sicher einen außerordentlich langen Zeitraum umfaßt".


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Rennthierhorn von Wakendorf.

Der Herr von Oertzen auf Roggow besitzt zu dem Hauptgute Roggow außer andern Pertinenzen auch das Gut Wakendorf bei Neu=Bukow, im Kirchspiel Mulsow, als Pertinenz. Hier ist im Jahre 1792 ein See abgelassen worden; die Fläche heißt noch jetzt der Oberteich und gehört zu den Feldmarken von Wakendorf, Kirch=Mulsow und Wendisch=Mulsow. Dieser sogenannte Oberteich enthält, namentlich an den östlichen und südöstlichen Rändern werthvolle Torfmoore. Die Torfschicht liegt nicht sehr tief, jedoch ungefähr gegen 7 Fuß stark, und besteht meist aus Baumstämmen. Unter diesem Torfmoor, am Rande desselben, liegt eine 7 bis 8 Fuß mächtige weiße Thonschicht, welche auf der Ziegelei, welche der Herr von Oertzen vorherrschend für rothe Steine besitzt, durchaus weiße und sehr harte Ziegel liefert, aus denen z. B. ein großer Theil der neuen Seminar=Gebäude zu Neukloster gebauet ist. Unter dieser Thonschicht, ungefähr 16 Fuß tief unter der jetzigen Moorfläche, über welcher früher noch der See stand, ward im Herbst 1865 ein schönes, großes Rennthierhorn gefunden, jetzt hart und fest, und wie man zu sagen pflegt, halb versteinert, oben von weiß=grauer Farbe; auf der untern Fläche ist es schwärzlich und wird mit derselben auf einem andern Erdlager gelegen haben. Es war beim Auffinden vollständig, aber so weich, daß die Ziegler es mit dem hölzernen Thonspaten mehrere Male durchstachen, ohne es zu merken. Es ward aber, noch jetzt wohl erhalten, die Stange von der Rose an 1 l/2 Fuß lang mit der kurzen, 2 1/2 Zoll langen Augensprosse und dem Eissprießel von 1 1/2 Fuß Länge, gerettet und von dem Herrn v. Oertzen mit den vorstehenden Nachrichten dem Vereine geschenkt. Der Herr v. Oertzen versichert als Jagdkundiger, daß das Horn nicht von einem lebenden Thier "abgeworfen", sondern durch Gewalt von dem Schädel abgebrochen ist. Das Horn gleicht ganz dem von Güstrow, welches unter fast gleichen Verhältnissen eben so tief unter verschiedenen Schichten von Torf, Sand und Wiesenkalk auf einem Lager von Ziegelerde gefunden ward (vgl. Jahrb. XXVI., S. 298).

Das Horn ist ohne Zweifel sehr alt. Aber ich bezweifle, daß es noch dem Diluvium angehört. Das Horn selbst ist noch hart geworden und fest, während die antediluvianischen Knochen, z. B. von Abbeville, völlig poröse und leicht sind. Ich muß es vielmehr der von mir sogenannten "ersten postdiluvialen Periode" zuschreiben (vgl. oben S. 116),

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während welcher die noch nicht ganz fest gewordene Erdrinde noch in der Fortbildung begriffen war. Das Rennthier ist allerdings so früh versunken, daß nach dem Versinken noch mächtige Erdschichten über dasselbe herabgesunken und geschwemmt sind, wie in dem Moor bei Güstrow.

G. C. F. Lisch


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Thiergehörne von Petersdorf.

Zu Petersdorf bei Wismar wurden im Torfmoor 8 Fuß tief mehrere merkwürdige Thiergehörne gefunden und von dem Herrn Sergeanten Büsch zu Wismar erworben und dem Vereine geschenkt:

Zwei Rennthiergeweihe (zwei Paar Hörner); die Hörner sind sehr dünne und klein und stammen wohl von sehr jungen Thieren.

Eine Stirn mit einem Horn, von dem wilden Urstier (bos primigenius), ebenfalls nur klein; das andere Horn ist abgebrochen und verloren gegangen.

Eine Schaufel von einem Elen, welche oben zerbrochen ist.

Alle diese Knochen sind fettlos, sehr ausgelaugt, leicht und weißlich von Farbe.

Die Auffindung dieser drei seltenen Thierarten der Urzeit in einem Moore nahe bei einander ist sehr merkwürdig und bezeichnend.

G. C. F. Lisch.


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Rennthiergeweih von Wismar, Umgegend.

Der Herr Dr. Crull zu Wismar schenkte dem Verein ein altes Rennthierhorn, welches er beim Verkauf der Sachen des ehemaligen Sergeanten Büsch erworben hat und welches wahrscheinlich in der Gegend von Wismar gefunden ist. Das Horn, von aschgrauer Farbe, ist ohne Zweifel in einem Gewässer oder nassen Moor gefunden, da die äußere glatte Rinde aufgeweicht und verwittert und zum größten Theil abgefallen ist.

G. C. F. Lisch.

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