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XXX. 2.
des
Vereins für meklenburgische Geschichte
und
Alterthumskunde.
Schwerin, im Januar 1865.
Die Herausgeber des Meklenburgischen Urkundenbuches haben ihr Wort redlich gelös't. Gerade nach Ablauf eines Jahres nach dem Erscheinen des ersten Bandes dieses großen Werkes hat auch der zweite Band die Presse verlassen, so daß er noch vor Ablauf des Jahres JJ. KK. HH. den allerhöchsten Protectoren unsers Vereins, so wie den Herrn Ministern beider Landestheile und den in Malchin versammleten Ständen des Landes überreicht werden konnte, und mit dem Beginn des neuen Jahres an die Abonnenten versandt worden ist.
Derselbe enthält auf 81 Bogen 991 Urkunden und Regesten aus dem Zeitraume von 1251 - 1280, was schon den großen Reichthum an historischem Material dieser 30 Jahre in Vergleich mit dem in dem ersten Bande behandelten, ältern Zeitraum erkennen läßt. Aber bevor die erste Abtheilung des Werkes mit den dazu gehörigen Registern vollendet ist, werden wenige Besitzer desselben einen richtigen Begriff von dem überaus reichen und vielseitigen Inhalte dieses wahren Archivs für Landeskunde haben, worin nicht bloß der Forscher auf dem Gebiete der allgemeinen vaterländischen Geschichte, sondern auch diejenigen welche sich mit der speciellsten Orts= und Familien=, Kirchen= und Rechts=Geschichte, so wie der Sprachkunde, kurz der Kultur=Geschichte unsers Volkes nach allen Richtungen hin beschäftigen, die zuverlässigsten Quellen und den treuesten Führer finden werden.
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Ganz besonders wichtig dürfte dieser zweite Band, um nur eins hervor zu heben, für die Geschichte des Handels und des Städtewesens in den nunmehr der Entfaltung, deutschen Lebens eroberten und gesicherten ehemaligen slavischen Küstenländern sein. Als neues wichtiges Material für die allgemeine Geschichte in dieser Richtung bringt derselbe namentlich eine Reihe von Schreiben und Willküren der Wendischen Städte, welche mit Hülfe der von dem Redacteur Dr. Wigger in den Noten niedergelegten Erläuterungen und Zeitbestimmungen das allmähliche Entstehen des später so mächtigen Hansabundes in den Jahren 1260 - 1265 klar erkennen lassen. Ueber die rasche Entwickelung des innern Lebens in unsern einheimischen Seestädten Rostock und Wismar verbreiten die zahlreichen Auszüge aus den ältesten Stadtbüchern derselben ein wahrhaft überraschendes Licht. Grade auf diese kurzen, durch den ganzen Band zerstreueten und darum unscheinbaren Notizen, - die mancher wohl lieber in angemessenen Zeitabschnitten zusammengestellt gesehen hätte, - glaube ich als auf einen wahren historischen Schatz, der unser Urkundenbuch vor allen ähnlichen Werken auszeichnet mit besonderer Befriedigung hinweisen zu dürfen.
Die äußere Ausstattung dieses Bandes ist natürlich der des ersten völlig gleich. Die Zahl der dem Texte in klaren und schönen Holzschnitten beigedruckten Siegelabbildungen beträgt im Ganzen 45, worunter 7 geistliche, der schweriner und ratzeburger Bischöfe dieser Zeit und der Klöster Rehna und Sonnenkamp (Neukloster), 11 Siegel der verschiedenen Linien des meklenburgischen Fürstenhauses, 6 der Grafen von Schwerin, 4 der Grafen von Danneberg und 4 von auswärtigen Fürsten, Grafen und Herrn, ferner 8 Städtesiegel und die 5 ältesten Siegel meklenburgischer Adelsgeschlechter.
An dem Drucke des dritten Bandes wird fleißig gearbeitet. Das vorhandene Material für die letzten 20 Jahre des 13. Jahrhunderts ist aber so bedeutend, daß wahrscheinlich noch ein vierter Band für die umfänglichen Register und die inzwischen erworbenen Nachträge nöthig werden wird. Letztere sind größtentheils schon Früchte der voraufgegangenen Arbeit; d. h. sie sind nach dem Erscheinen des ersten Bandes in auswärtigen Archiven aufgefunden, wo sie ohne diese Anregung noch lange unbenutzt geruhet haben würden. - An der Vorbereitung der zweiten Abtheilung des Werkes von 1300 - 1350 wird in der Hoffnung, daß die Mittel zur Fortsetzung des Druckes nicht fehlen werden, unermüdlich weiter gearbeitet. In dem letzten Quartale sind zu der Sammlung von Urkunden dieses Zeitraums wieder 278 Nummern hinzugekommen, so daß dieselbe jetzt bis auf 3618 Nummern angewachsen ist.
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Für die Jahrbücher des Vereins sind folgende Arbeiten eingeliefert:
1) Ueber die Warner, von Herrn Karl Walter, Dr. phil. in Dresden.
2) Ueber die Hausratte (auf Veranlassung eines in dem Pfahlbau bei Wismar gefundenen Ratten=Skeletts), von Herrn Blasius, Prof. zu Braunschweig.
3) Ueber den vierhörnigen Schaafschädel aus dem gedachten Pfahlbau, von dem Herrn Nathusius zu Hundisburg.
4) Antiquitäten der Umgegend von Sternberg, von dem Herrn Canzlei=Director v. Bülow zu Schwerin.
5) Bericht über die neueste Analyse des Goldes aus der Bronzezeit durch Herrn v. Fellenberg auf Rosenbühl, vom Herrn Archivrath Dr. Lisch.
6) Ueber ein bei Schattingsdorf in Ratzeburg gefundenes hölzernes Scheibenrad, vom Herrn Archivrath Dr. Lisch.
Die Bearbeitung des auf der letzten Generalversammlung beschlossenen Gesammtregisters über die ersten 30 Bände der Jahrbücher durch den Herrn Pastor a. D. Ritter zu Friedrichshöhe ist so weit vorgeschritten, daß die Verteilung desselben mit dem im nächsten Herbste erscheinenden 30. Bande zugleich in Aussicht steht. Der Herr Verfasser ersucht alle Mitglieder, welche in den 3 frühern Registern Druckfehler oder sonstige Irrthümer und Mängel bemerkt und angezeichnet haben, solche gefälligst so bald als möglich entweder unter der Adresse des Vereins oder direct an den Herrn Bearbeiter zur Benutzung einsenden zu wollen.
Auf der antiquarischen Schweizerreise des Herrn Archivraths Lisch im vorigen Sommer hatte derselbe Gelegenheit, über die auch in diesen Berichten wiederholt besprochenen wichtigen Entdeckungen des Herrn Boucher de Perthes zu Abbeville in der Picardie nähere Erkundigungen einzuziehen, und einige Stücke der von demselben unter dem Diluvium aufgefundenen Alterthümer in Augenschein zu nehmen Angeregt durch diese Erfahrungen glaubte derselbe nicht länger säumen zu dürfen, mit dem Herrn Boucher in directe Verbindung zu treten. Sein Schreiben fand nicht nur freundliche Aufnahme und Erwiederung, sondern dieser Briefwechsel hatte auch zur Folge, daß der berühmte französische Gelehrte sich entschloß, mit seinen gesammten wissenschaftlichen Druckschriften zugleich eine kleine, aber überaus werthvolle und interessante
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Sammlung der von ihm gefundenen Alterthümer, die in der ganzen Welt so viel Aufsehen erregt haben, für den Verein zu schenken. Herr Archivrath ist mit einem ausführlichen Berichte über diese wichtige Erwerbung beschäftigt, weßhalb ich ihm nicht vorgreifen will, noch kann. Meine Aufgabe ist vielmehr, nur die eingegangenen Geschenke zu registriren, und dem freundlichen Geber öffentlich den besten Dank des Vereines auszusprechen.
Ich habe also dies Mal meinem Verzeichnisse der neuen Erwerbungen für die Vereinssammlungen, und zwar
1) die von dem Herrn Boucher de Perthes zu Abbeville zu der vergleichenden Alterthumssammlung geschenkten Alterthümer aus der Picardie voraufzustellen.
Dieselben zerfallen in 2 Abtheilungen:
a. 12 Feuersteingeräthe aus dem Diluvium, nämlich 5 sorgfältig und geschmackvoll bearbeitete, aber nicht geschliffene Beile (haches), 6 regelmäßig abgesprengte Messer, und 1 Messer=Splitter aus Feuerstein, so wie 5 Diluvial=Knochen ohne nähere Bestimmung, gefunden im Thale der Somme in einem Kieslager, zum Theil 30 Fuß tief unter einem Kalkfelsen.
b. 13 Feuersteingeräthe aus der Steinzeit, nämlich zwei Beile, zwei Keile, wovon einer geschliffen, 3 Lanzenspitzen, 4 Messer und 2 messerförmige Splitter, nebst zwei Beinknochen, gefunden in Mooren und auf dem Acker, theilweise in Gräbern derselben Gegend.
2) An einheimischen Alterthümern wurden erworben:
Zwei Keile, ein Span und zwei Blöcke mit Spaltflächen aus Feuerstein, eine Mühlensteinplatte aus Basalt, eine kleine Kugel as Thonstein, ein Spindelstein aus Thon, ein breiter, kurzer Kamm aus Knochen, ein schmaler, langer Kamm aus Knochen, zwei Falzbeine aus Knochen, eine Harpune aus Hirschhorn, eine angefangene Hacke aus Hirschhorn, zwei angearbeitete Hirschhörner, ein abgehacktes Stück Hirschhornende, ein Rehhorn, ferner ein vierhörniger Schafschädel und das verkohlte Skelet einer Ratte, so wie verkohlte Reste von Leder, Leinwand, Flachs und Früchten, gefunden in dem Pfahlbau bei Wismar, eingeliefert von dem Sergeant Herrn Büsch daselbst.
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Ein Keil aus Feuerstein, ein Mühlstein aus Granit und ein Spindelstein aus Thon, nebst 3 Urnen, gefunden unter der Erde am Wege von Redentin nach Krusenhagen, geschenkt von dem Sergeant Herrn Büsch zu Wismar.
Ein Streitkeil und ein Dolch aus Feuerstein, gefunden zu Bollhagen bei Ribnitz, geschenkt von dem Erbpächter Herrn Meyer daselbst.
Ein sägenförmig eingekerbter Feuersteinspan, gefunden zu Friedrichshöhe, geschenkt von dem Herrn Ritter daselbst.
Eine dreiseitige Pfeilspitze aus Feuerstein, gefunden auf dem Klüschenberge bei Bützow, geschenkt von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow.
Ein volles Scheibenrad, d. h. ohne Speichen und Felgen, aus einer dicken Birkenbohle gearbeitet, 2 1/2-2 3/4 Fuß im Durchmesser, mit einer vorstehenden, anscheinend durch Verkohlung des Holzes aus der Bohle herausgearbeiteten Nabe, dessen Alter vielleicht noch in die Steinzeit hinaufreicht, gefunden zu Schattingsdorf in Ratzeburg 4 Fuß tief im Moore, geschenkt vom Herrn Archivrath Pastor Masch in Demern.
Aus den Nachbarländern wurden vom Vereine ferner geschenkt:
1) Durch den Freiherrn v. Grote=Schauen auf Schauen bei Osterwiek: 12 Bruchstücke von Streitäxten, Keilen und andern Geräthen aus Hornblende, gefunden auf einer reichen Fabrikstätte solcher Geräthe zu Deersheim bei Osterwiek.
2) Durch den Herrn Oeconomen Fust aus Bützow eine Pfeilspitze aus Feuerstein, gefunden auf dem Felde zu Prohn bei Stralsund.
Eine 8 Zoll hohe und weite Urne aus grobkörnigem Thone mit zerbrannten menschlichen Gebeinen und einem kleinen, dünnen Ringe aus Bronze, gefunden unter einem Steinhaufen Kegelgrab) auf der Feldmark Salem bei Neu=Kalen, geschenkt von dem Herrn Bürgermeister Mau zu Neu=Kalen.
Eine Handberge aus Bronze, gefunden neben andern Alterthümern in einem Steinhügel auf der Feldmark Tarnow bei Bützow, geschenkt von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow.
Eine hohlgegossene Lanzenspitze aus Bronze mit dem Reste des hölzernen Schaftes, gefunden in einem Torfmoor bei Lübtheen, geschenkt von dem Herrn Dr. Becker daselbst.
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Eine zinnerne Medaille auf Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland und Meklenburg, von 1631, und eine chinesische Messingmünze. Geschenk des Herrn Oeconomen Fust aus Bützow.
Ein Wismarscher Schilling 155(3), ein Lübischer Schilling 1559, und ein dänischer Groschen 1649. Geschenk des Bürgermeisters Mau zu Neu=Kalen.
Ein meklenburgischer Sechsling 1676. Geschenk des Herrn Militair=Baumeisters Wachenhusen zu Schwerin.
Eine Sammlung von 108 ausländischen Münzen, namentlich 12 russischen Silbermünzen, 30 russischen Kupfermünzen, 21 schwedischen Münzen für Livland, 24 polnischen Silbermünzen und 21 polnischen Kupfermünzen. Geschenk des Herrn Directors Dr. Volger in Lüneburg.
Eine bei Schwerin gefundene spanische Silbermünze (1592). Angekauft.
Ein Siegelstempel aus Zinn, anscheinend aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit einem schräge=rechts getheilten, oben gegitterten, unten leeren Wappenschild, und der schon sehr abgeriebenen Umschrift in gothischen Buchstaben: Gefunden in der Gegend von Eldena. Geschenk des Herrn Lieutenants W. v. Both zu Schwerin.
Die Holzschnittstempel von 4 Siegeln des Ritters Droyseke und seiner Söhne Johann, Heinrich und Jordan v. Kröcher von 1321. Geschenk des Herrn K. Preußischen Geh. Ober=Regierungs=Rathes a. D. v. Kröcher zu Berlin.
Abdrücke von zwei in Wismar gefundenen, runden Siegelstempeln mit Hausmarken und den Umschriften:
1) das S am Ende mit einem Abbreviatur=Zeichen.
Geschenk des Herrn Dr. Crull zu Wismar.
Abbildung der Stadt Ratzeburg aus Meissneri Sciagraphia cosmica. 2. Aufl. 1678. Kupferstich. Geschenk des Herrn Dr. Crull zu Wismar.
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Nr. 2 - 23 (17 Bände und 18 Brochuren). Geschenke des Herrn Boucher de Crèvecoeur de Perthes zu Abbeville. Die übrigen von dem Herrn Verfasser eingesandten Schriften politischen und schönwissenschaftlichen Inhalts sind auf seinen Wunsch Seiner K. H. dem Großherzoge überreicht worden.)
(Nr. 24 - 27 Geschenke von Se. Exc. dem Herrn Geh. Staatsminister von Bülow in Neustrelitz.)
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Der besiegelte "Echt= und Paßbrief" des Rathes der Stadt Großenhain in Sachsen für Gottfried Mende, Sohn des Kunstpfeifers Michael Mende zu Großenhain (Stammvater einer Schweriner Bürgerfamilie), vom 12. Sept. 1645, auf Pergament. Geschenk des Herrn Kaufmanns Kahl in Schwerin.
Seit einigen Jahren fordert der Tod unter unsern Correspondirenden Mitgliedern ungewöhnlich zahlreiche Opfer, und zwar nicht bloß unter den ältern, sondern auch unter denen, die erst seit kurzer Zeit dem Vereine angehörten.
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Zu den erstern gehörte der am 20. Octbr. 1864 verstorbene Conferenz=Rath Prof. Dr. Rafn zu Kopenhagen, Gründer und vieljähriger Secretair der berühmten Königlichen Gesellschaft der Alterthumsforscher, deren Hauptzweck die Herausgabe der damals fast noch unbekannten altnordischen Literatur war, und welche seit 1825 hauptsächlich durch Rafn's Bemühungen ungefähr 60 Bände publicirt hat, während er nebenher unter eigenem Namen nicht viel weniger theils Abdrücke von Handschriften, theils Bearbeitungen derselben erscheinen ließ. Er ward bald nach Gründung unsers Vereins, am 5. Octbr. 1855 zum correspondirenden Mitgliede erwählt.
Einen Monat später starb eines unsrer jüngsten Mitglieder, der Archivar Dr. Kraatz zu Stettin, ein junger, ungemein thätiger Forscher, der eben in Verein mit seinem Collegen Herrn Archivar Dr. Klempin die Fortsetzung der durch den Tod des Prof. Kosegarten ins Stocken gerathenen Pommerschen Urkundensammlung begonnen hatte. Er ward am 4. Januar 1864 zu unserm correspondirenden Mitgliede gewählt, und starb im Novbr. desselben Jahres.
Den mit uns verbundenen Vereinen und Gesellschaften hat sich neuerdings der historische Verein für Ermland zu Braunsberg in Ostpreußen angeschlossen.
In Betreff der ordentlichen Mitglieder des Vereins habe ich zuvörderst mitzutheilen, daß der Herr Rentier v. Cossel hieselbst seinen in dem Juli=Berichte vorigen Jahres angezeigten Anstritt, als auf einem Mißverständniß beruhend, widerrufen hat. Außerdem sind dem Vereine beigetreten: die Herren Baron v. Meerheimb zu Ratzeburg, Lieutenant v. Weltzin zu Schwerin, Dr. jur. Weber zu Rostock, Prof. Dr. v. Stein, Prinzen=Gouverneur zu Schwerin, und Apotheker Lesenberg zu Cröpelin. - Gestorben sind dagegen zwei ordentliche Mitglieder: der Medicinal=Rath Dr. Bartsch zu Warin, beigetreten am 15. April 1835, gest. am 31. Octbr. 1864, und der Pastor Albrand zu Lübow, beigetreten am 27. Febr. 1836, gest. zu Wismar am 3. Novbr. 1864.
W. G. Beyer,
Dr., Archivar,
als zweiter Secretair des Vereins.