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d. Alterthümer anderer europäischer Völker.


Alterthümer

aus

dem Diluvium

und

der Steinperiode der Picardie

vom

Herrn Boucher de Perthes zu Abbeville.

Bericht

von

G. C. F. Lisch.

Allgemein bekannt geworden ist seit einigen Jahren die Entdeckung der merkwürdigen Ueberreste aus den ältesten Zeiten des Lebens auf der Erde: sie hat die allgemeine Aufmerksamkeit und Besprechung aller Gebildeten in allen Welttheilen hervorgerufen und wird ohne Zweifel einen unermeßlichen Einfluß auf die Wissenschaft ausüben. Die hierüber erschienenen Schriften sind schon sehr zahlreich: der Kürze wegen will ich nur auf die berühmten Forschungen des englische Geologen Lyell 1 ) verweisen, welche uns auch in deutscher Uebersetzung zugänglich gemacht und in Deutschland schon viel verbreitet sind; sie enthalten einen wissenschaftlich geordneten Ueberblick über alle wichtigen geologischen und antiquarischen Entdeckungen der neuern Zeit.


1) Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde. Nach dem Englischen des Sir Charles Lyell, von Dr. Louis Büchner. Autorisirte deutsche Uebertragung nach der dritten Auflage des Originals. Leipzig, 1864. 2 1/2 Thlr. (In dieser Auflage sind auch schon die meklenburgischen Pfahlbauten, S. 20 und 461, berücksichtigt).
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Der Entdecker der mit Recht angestaunten Dinge in der Picardie ist Herr Boucher de Perthes zu Abbeville, ein eben so edler und großartig aufopfernder, als gelehrter und thätiger Mann, welcher schon seit dem J. 1839, also ungefähr seit gleicher Zeit mit den nordischen und norddeutschen Forschern in der Alterthumskunde, unermüdlich an der Entdeckung und Feststellung der bisher unerhörten Erscheinungen gearbeitet hat. Er ist nicht ermüdet, bis in den letzten Jahren die berühmtesten Forscher, namentlich Lyell, seine Arbeiten und Ansichten unzweifelhaft sicher gestellt haben. Herr Boucher de Perthes hat nicht allein in den Alterthümern der Steinperiode über der Erde und in den Torfmooren, welche die Franzosen "celtische Alterthümer" nennen, geforscht, sondern ist auch in ungewöhnliche Tiefen hinabgestiegen und hat hier die Zeugnisse eines noch viel ältern Daseins des Menschengeschlechts auf der Erde gefunden. Das Ergebniß ist in Kurzem, daß sich, gewöhnlich in bedeutender Tiefe, ungefähr im Meeresspiegel, in den ungestörten Lagern des unzweifelhaften, alten Diluviums, unter den Knochen ausgestorbener Diluvial=Thiere, des Mammuths und des Rhinoceros, des Höhlenbären und der Höhlenhyäne, des Rennthiers, des Riesenhirsches, des Urstiers und anderer, zahlreiche feuersteinerne Geräthe, Beile, Lanzen, Messer, finden, welche von Menschenhänden, oft sehr gut, gemacht sind, also von dem Dasein des Menschen im Diluvium ein vollgültiges Zeugniß geben 1 ); dieses wird noch mehr dadurch bestärkt, daß in den jüngsten Zeiten auch Menschengebeine in denselben Erdlagern gefunden sind.

Die Fundstellen dieser Alterthümer sind tief reichende Kieslager in dem Thale der Somme in der Picardie in der Umgegend der Städte Abbeville und Amiens, namentlich bei Abbeville die Vorstädte und Orte Menchecourt, Saint Gilles und Moulin Quignon, und bei Amiens die Vorstadt Saint Roch und Saint Acheul. Die Diluvial=Knochen und Alterthümer liegen hier sehr tief, oft bis zu einer Tiefe von 30 Fuß.


1) Ich habe diese Entdeckungen noch im J. 1863 in den Jahrb. XXIX, S. 119, bezweifelt und die Vermutung ausgesprochen, die Funde von Abbeville könnten von Höhlenwohnungen herrühren. Ich nehme diese Ansicht hiemit vollständig zurück. Dagegen muß ich daran fest halten, daß die Alterthümer von Dreveskirchen aus Höhlenwohnungen stammen, da sie den Alterthümern der Steingräber und Pfahlbauten an Gestalt, Bearbeitung und Farbe völlig gleich sind. Es ist nicht daran zu denken, daß sie dem Diluvium angehören sollten.           G. C. F. Lisch.
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Die Diluvial=Knochen lassen sich bekanntlich auf den ersten Blick an ihrer Größe, Stärke, Lockerheit weißen Farbe und völligen Fettlosigkeit ( Mangel an organischem Gefüge) erkennen. Die Knochen der Pfahlbauten, welche von dem jetzigen Menschengeschlechte verarbeitet sind und gewiß ein sehr hohes Alter haben, sind noch schwarz, fest und oft fettglänzend. Sehr nahe kommen den Diluvial=Knochen an Farbe und Gefüge die zahlreichen Gehörne des Rennthiers, Urstiers und Elens, welche in den neuesten Zeiten in den Torfmooren Meklenburgs gefunden sind. Auch der berühmte Menschenschädel von Plau und die dabei gefundenen knöchernen Alterthümer (Jahrb. XXIV, S. 167) haben eine ähnliche Beschaffenheit und Farbe wie die Diluvial=Knochen, und möchten durch Vergleichung mit den neuesten Entdeckungen eine immer größer werdende Bedeutung erlangen.

Auch die feuersteinernen Diluvial=Alterthümer haben eine besondere Beschaffenheit, und lassen sich ebenfalls sofort erkennen, sobald man mit erfahrnem Auge nur einen Ueberblick über eine kleine Sammlung gehabt hat. Sie sind theils Beile, theils spanförmige Messer und Splitter. Die "Beile", von den Franzosen "haches" genannt, haben die Grundform großer Lanzenspitzen von herzförmiger Gestalt, sind aber sehr dick, und an einem Ende immer spitz, am andern Ende abgerundet. Die Messer sind abgeschlagene Späne, oft augenscheinlich viel gebraucht; es giebt auch Blöcke, von denen Späne abgeschlagen sind. Diese feuersteinernen Alterthümer sind nie geschliffen, sondern nur durch Absplitterungen zugehauen, und haben stets eine den umhüllenden Diluvialerdschichten ähnliche Farbe und ein glasartiges oder speckartiges äußeres Ansehen. Die Formen der Hacken weichen gänzlich von denen der nachdiluvialen Steinzeit ab, so daß ihnen die ausgebildete Keilform fehlt.

Herr Boucher de Perthes hat nun auf meine Bitten die außerordentliche Freundlichkeit und Aufopferung gehabt, den Sammlungen zu Schwerin nicht nur eine sehr ansehnliche Sammlung von Alterthümern, nämlich 5 Diluvial=Knochen, 12 Diluvial= Alterthümer aus Feuerstein, 13 "celtische Alterthümer" aus Feuerstein und 2 Thierknochen aus den Torfmooren zum Geschenke zu machen, sondern auch alle seine sehr zahlreichen schriftstellerischen Werke und die ganze Literatur über die hier kurz behandelten Entdeckungen, bestehend aus 40 Bänden und 30 Brochuren beizufügen, mit dem Wunsche, dies Alles zuvor dem allerdurchlauchtigsten Protector unseres Vereins Sr. K. H. Groß=

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herzoge Friedrich Franz vorzulegen, Allerhöchstwelcher auch geruht hat, alle diese Sachen gern und huldvoll aufzunehmen. Diese Sachen sind folgende.

Diluvium.

Thierknochen.

Abbeville.

Vorstadt Menchecourt.

1 Wirbelknochen, gefunden 1860 mit bearbeiteten Feuersteingeräthen ("silex taillés") 8 Metre (24 Fuß rheinländisch) 1 ) tief;
1 Beinknochen, gefunden 1859 mit bearbeiteten Feuersteingeräthen 8 Metre tief;
1 Wirbelknochen, gef. mit Feuersteinbeilen ("haches en silex") 9 Metre tief;
1 Beinknochen, gefunden 1857 mit bearbeiteten Feuersteingeräthen im Diluvium;
1 Beinknochen, gefunden mit bearbeiteten Feuersteingeräthen 9 Metre tief.

Feuerstein-Alterthümer.

Abbeville.

Vorstadt Menchecourt.

1 Beil, bräunlich und gelblich, gefunden 1849 mit diluvialen Knochen 7 Metre tief;
1 Messer, bräunlich, gef. 1847 9 Metre tief;
1 Messer, gelblich weiß, gef. 1844;
1 Messer, weiß, gef. Nov. 1864 unter Elephantenknochen 9 Metre tief.
1 Messer, weiß, gefunden 1860 mit Elephantenknochen.

Vorstadt St. Gilles.

1 Beil, groß, braun, von unbekannter Lagerung, aber sicher antediluvianisch.


1) 1 französisches Metre ist gegen 3 Fuß rheinländisch.
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Moulin Quignon.

1 Beil, grau und bräunlich, gefunden 1863, 4 Metre tief;
1 Messer, gelblich, gefunden 1849;
1 Messer, gelblich, gefunden 1863;
1 Splitter, grau.

Epagnette.

1 Beil, grau, ganz von der Gestalt der antediluvianischen Beile und gut gearbeitet, gefunden auf der Oberfläche, aber wahrscheinlich aus dem Diluvium hervorgeholt.

Amiens.

Vorstadt St. Acheul.

1 Beil, gefunden 1858, 6 Metre tief.

Nachdiluvianische Steinzeit.

Abbeville.

Thierknochen.

Torfmoor an der Somme.

1 Beinknochen;
1 Beinknochen, gefunden 1839, 4 Metre tief.

Feuersteingeräthe.

Torfmoor an der Somme.

2 Messer, gefunden 1839;
1 Splitter.

Gräber der Steinzeit.

1 Beil, gefunden 1840;
1 Beil;
1 Lanze;
1 Messer.

Auf der Erde in der Umgegend.

1 Messer;
1 Splitter;

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1 Lanze, im umgearbeiteten Lande;
1 Lanze, eben so, gefunden 1862.

Hallencourt, an der Somme.

1 Keil, nicht geschliffen;
1 Keil, überall geschliffen.