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Goldener Eidring von Wohlenhagen

und

heidnische Kegelgräber daselbst,

von

G. C. F. Lisch.

In der Mitte vor der in den neuesten Zeiten viel besprochenen "Wohlenberger Wiek" bei Wismar erstreckt sich im Süden derselben an dem Ufer der Ostsee eine ziemlich weite Ebene, ungefähr eine Viertelmeile weit, welche im Süden zu weit ausgedehnten Höhen ansteigt. Am Fuße dieser Höhen liegt das Dorf Wohlenhagen, mit einer schönen Aussicht über die Senkung und die Wiek und das Meer. An einer der schönsten Stellen hat sich der Herr Erbpächter Stein seinen so eben vollendeten Erbpachthof ausgebauet. Dicht hinter diesem Hofe steigt man auf die rasch sich erhebende Höhe hinan, welche grade hier sich am höchsten erhebt. Auf dem höchsten Puncte steht eine hohe kegelförmige Erhöhung, welche, gewiß seit uralter Zeit, mit ihren Umgebungen dicht mit Waldbäumen und Buschholz bewachsen ist und zu dem Garten des neuen Erbpachthofes gezogen werden soll. Die Spitze dieser Erhöhung beherrscht nicht allein das Meer, sondern auch weit umher das Land, und ist daher auch von der Landesvermessungsbehörde zur Errichtung eines Signals benutzt. Diese Erhöhung ist sichtlich von Menschenhänden aufgetragen, vollständig kegelförmig gebildet und unten am Rande durch einen Kreis ziemlich großer Feldsteine bezeichnet, welche mit der Oberfläche nicht viel über die Oberfläche des Bodens hervorragen; die meisten derselben sind in neuern Zeiten ausgebrochen. Die Erhöhung hat an der Grundfläche ungefähr 60 Fuß im Durchmesser. Die Spitze ist schon in alter Zeit abgetragen und geebnet; die Höhe des Berges beträgt jetzt ungefähr 12 Fuß von dem Steinringe an. Der Berg gleicht denen, welche in einiger Entfernung von der Stadt Wismar vor dem Lübischen Thore liegen und weithin

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sichtbar sind. Die Bestimmung dieser künstlichen Erhebung ist jetzt schwer zu ermessen. Man könnte annehmen, sie sei ein "Berchfrit" oder eine Warte, und habe früher einen Wartthurm getragen; dies ist nicht ganz unwahrscheinlich, da sie in der Nähe der früher so wichtigen Straße zwischen Wismar und Lübek das Land und Meer weithin beherrscht; vielleicht ist sie erst im christlichen Mittelalter dazu umgeschaffen, aber nicht ursprünglich dazu aufgeworfen. Ich glaube vielmehr, daß die Erhöhung ursprünglich ein ungewöhnlich großes Kegelgrab der Bronzezeit und im Mittelalter auf der Spitze geebnet ist. Der Steinring umher kann nur zur Bezeichnung, nicht zur Befestigung gedient haben, da er nicht hoch und stark genug dazu ist.

In einiger Entfernung davon auf dem Acker des Herrn Erbpächters Stein hat ein Hünengrab aus der Steinzeit gestanden, welches vor mehrern Jahren völlig abgetragen ist. Nach der umständlichen Beschreibung der zuverlässigen Arbeiter hat das Grab eine große Steinkiste über der Erde gebildet, welche mit zwei großen Steinen zugedeckt war. Gefunden ward nichts in diesem Grabe. Daß diese Angabe richtig ist, beweisen noch einige Knochenstücke und besonders die vielen dünne gespaltenen rothen Platten von jungem Sandstein, welche genau auf der nachgewiesenen Stelle des Grabes noch in dem Acker lagen und sonst weit umher nicht gefunden werden; mit solchen rothen Sandsteinplatten pflegen die Gräber der Steinperiode inwendig regelmäßig ausgesetzt und ausgezwickt zu sein.

In einer Entfernung von 30 Fuß von diesem Steingrabe lag auf der Oberfläche ein großer Granitblock, welcher ungefähr 5 Fuß lang, breit und dick war und kein Grab unter sich deckte. Als dieser vor mehrern Jahren zu Bauten benutzt und weggebracht werden sollte und ein wenig von dem Acker in die Höhe gehoben war, erblickte der Arbeiter unter demselben etwas "Blankes" in der Gestalt eines zusammengebogenen, großen Ringes und nahm es zu sich. Da niemand den Ring annehmen wollte und dessen Werth erkannte, auch dem Arbeiter wiederholt nur wenige Schillinge dafür geboten wurden, so bewahrte er den Ring Jahre lang ohne besondere Vorsicht in seiner Wohnung auf, indem auch er von dem Werthe keine Ahnung hatte. Als er in den neuesten Zeiten, wahrscheinlich in Veranlassung der Entdeckung des Pfahlbaues in dem nahen Dorfe Gägelow hörte, daß "in Schwerin dergleichen Altes angenommen und gesammelt" werde, brachte er Ostern 1864 den Ring zu seinem Geistlichen, dem Herrn Pastor Strecker

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zu Hohenkirchen, nachdem ihm kurz zuvor in Wismar wiederholt hundert Thaler dafür geboten waren. Der Herr Pastor Strecker erkannte ebenfalls sogleich den Werth des Ringes und sandte mir denselben zur Begutachtung. Nachdem sowohl der Herr Gutsbesitzer Diestel auf Leezen, Großenhof und Wohlenhagen, als auch der Herr Erbpächter Stein zu Wohlenhagen ihren etwanigen Ansprüchen zu Gunsten des Finders entsagt hatten, geruheten Sr. Königl. Hoheit der Großherzog dem Finder den vollen Werth auszahlen und den Ring der großherzoglichen Sammlung einverleiben zu lassen.

Der Ring ist von reinem Golde, wie es gewöhnlich die Natur giebt, von Natur ein wenig silberhaltig, ursprünglich von ovaler Gestalt, geöffnet, in der Mitte dicker als an den beiden Enden, welche am Ende mit dünnen, abwechselnd glatten und schraffirten Bändern verziert sind; an den beiden dünne auslaufenden Enden sitzen zwei hohle Halbkugeln, wahrscheinlich zum Festhalten eines heiligen Steins. Der Ring gleicht also ganz den bisher gefundenen goldenen sogenannten Eidringen, namentlich dem goldenen Eidringe von Woosten, welcher in Jahrb. XVI, S. 268 flgd. beschrieben und ausführlich zur Untersuchung gezogen ist. Der Ring von Wohlenhagen ist 8 5/8 Loth schwer, während der Ring von Woosten nur 5 1/4 Loth wog. Als der Ring gefunden ward, war er gewaltsam eng zusammengebogen, so daß die beiden Enden, so weit sie verziert sind, über einander weg ragten. Da keine Spur von einem Begräbnisse vorhanden war, so ist der Ring wohl zu einer Zeit der Gefahr unter dem Steine, als einem Merksteine, verborgen worden.

Die dänischen Forscher stellen diese massiven Goldringe, von denen einer in Worsaae Afbildninger fra det Kongelige Museum i Kjöbenhavn, Zweite Auflage, Taf. 85, Fig. 367, (Erste Aufl. Taf. 72, Fig. 289) abgebildet ist, in das erste Eisenalter. Diese Annahme mag ihre Richtigkeit haben, da diese Ringe nie die eigenthümlichen Verzierungen der Bronzezeit tragen, obgleich dabei zu bedenken ist, daß Gold in der Eisenzeit sehr selten vorkommt.