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Kupfer der Steinzeit.

Kupferner Keil von Kirch=Jesar,

von

G. C. F. Lisch.

Im Herbst des Jahres 1848 ward in der Nähe des Dorfes Kirch=Jesar bei Hagenow bei der Ziehung eines Grabens 4 Fuß tief in festem Moorgrunde (vielleicht einem Pfahlbau) ein metallener Keil gefunden und mit Bericht durch den verstorbenen Kammer=Commissair Wendt zu Hagenow an den hochseligen Großherzog Friedrich Franz I. zu der damals noch in Ludwigslust aufgestellten Sammlung vaterländischer Alterthümer eingesandt; später (1837) ward er im Friderico-Francisceum Tab. XXXIII. Fig. 2 (Erläut. S. 158 und 107), jedoch nicht sehr klar und scharf, abgebildet.

Der Keil hat ganz die Form der Feuersteinkeile, welche ich für Waffen halte und "Streitkeile" genannt habe, fast ganz von der hieneben abgebildeten Größe und Gestalt,

Streitkeil

dünne und in sehr guten Linien (vgl. oben S. 28).

Die Oberfläche der voll gegossenen Waffe ist rauh und uneben, ganz abweichend von dem durchweg reinlichen Guß aller Bronzegeräthe, das Ansehen ist

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von schwärzlicher Farbe, durch welche überall ein Kupferroth durchschimmert, die Schneide ist stumpf. Der Keil ist offenbar in einer Zeit gemacht worden, welche noch in den ersten Anfängen des Metallgusses stand.

Der Keil war mir von Anfang an sehr wichtig, da er nach der Form offenbar in die Steinperiode gehört; deshalb ließ ihn auch im Frid. Franc, abbilden. Das Geräth ist das einzige aus Metall, welches in Meklenburg aus der Steinperiode bekannt geworden ist; in den Gräbern dieser Periode ist nie Metall gefunden. Ich nannte bei der ersten Veröffentlichung das Metall nur allgemein "Erz", um nicht einen Ausspruch in die Welt zu schicken, der sich hinterher nicht bewahrheiten könnte. Im Laufe der Zeit nahm mich dieser Keil häufig, ja fast ununterbrochen in Anspruch, und ich glaubte aus der Farbe und der Zähigkeit des Metalls schließen zu können, daß er von Kupfer sei. Aber alle meine erfahrnen antiquarischen Freunde zweifelten hieran, da sich bisher noch kein reines Kupfer aus der Zeit der Stein= und Bronze=Periode gefunden hat; selbst wenn die Bronze auch sehr roth ausgesehen hat, ist bei der chemischen Analyse doch immer eine Legirung mit Zinn entdeckt worden.

Endlich als in Folge der Entdeckung der Pfahlbauten die wissenschaftlichen Anforderungen sich bedeutend steigerten, entschloß ich mich den Keil anzubohren und die Bohrspäne einer wissenschaftlichen Analyse zu unterwerfen. Für Kupfer schien schon der unebene Guß der Oberfläche zu sprechen; bedeutend unterstützt ward diese Ansicht durch die stark kupferrothe Farbe. Aber als die Bohrung in meiner Gegenwart begann, war ich für meinen Theil nicht mehr zweifelhaft. Ich ließ zur Analyse ein rundes Loch in die schmale Seite einbohren, von 3/4 Zoll (2 Centimetres) Länge und 3/8 Zoll (3/4 Centimetre) Weite. Dies erforderte auf einer guten Drehbank mit einem großen Schwungrade unter den Händen eines erfahrnen Metallarbeiters eine ununterbrochene, mühselige Arbeit von einer halben Stunde. Die Bohrung ging so rasch, daß der ganze Keil bald so heiß ward, daß er wiederholt abgekühlt werden mußte. Aber die Drehspäne waren außerordentlich zähe, sie wollten nicht loslassen, verwickelten sich in der Tiefe des Bohrloches, ja verbanden sich durch die Hitze der Reibung oft wieder mit der gebohrten Lochwand. Auch der Metallarbeiter erklärte schon beim ersten Ansetzen des Bohrers das Metall für reines Kupfer. Zur Gegenprobe ließ ich durch denselben Arbeiter mit demselben Bohrer ein noch längeres Loch durch Messing treiben, welches mit Leichtigkeit in einer halben Minute fertig war.

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Um nun aber ganz sicher zu gehen, sandte ich die Bohrspäne an den Herrn v. Fellenberg zu Rosenbühl bei Bern zur chemischen Analyse, welche derselbe an 2 1/2 Grammen ausführte. Das Metall besteht aus:

Kupfer 99,32 %
Silber 0,22 =
Antimon 0,17 =
Zinn 0,15 =
Eisen 0,14 =
Nickel in unwägbaren Spuren =
---------------------------
100,00 %

"Das Metall des Keils ist also reines Kupfer, und nicht Bronze. Von einer gemachten Legirung kann daher nicht die Rede sein, indem was neben dem Kupfer an fremden Metallen vorhanden ist, eben nur aus dem unreinen Kupfererze stammende Verunreinigungen sind. An eine Legirung ist gar nicht zu denken, indem doch gewiß nicht die Wenigkeit von 15/100 Proc. Zinn zum Kupfer hingesetzt worden wäre, sondern eine Menge, welche etwas genützt hätte."

Wir haben hier also wirklich reines Kupfer, vielleicht zum ersten Male aus so ferner Zeit. Man muß sich sehr hüten, reines Kupfer allein an der rothen Farbe erkennen zu wollen. Ich habe in der Schweiz mehrere Stücke gesehen, welche eine völlig kupferrothe Farbe hatten, muß aber doch daran zweifeln, daß sie aus reinem Kupfer bestanden, da der Guß sehr reinlich und glatt war. Auch v. Sacken (Der Pfahlbau am Garda=See, 1865, S. 16) hat dieselbe Erfahrung gemacht. Da manche Bronzen ein fast kupferfarbiges Ansehen hatten, so ließ er sie analysiren, fand dabei jedoch, daß die dunkelsten Stücke noch Zinn enthielten. "Eine dunklere, fast kupferfarbige Mischung enthielt bei 97 Proc. Kupfer noch 3 Proc. Zinn. Eine Sichel hatte vollständig das Ansehen und die Weiche des reinen Kupfers, erwies sich aber ebenfalls noch als eine Legirung von 99 Procent Kupfer mit 1,23 Procent Zinn." Es dürften daher viele für Kupfer angesehene und ausgegebene Geräthe noch immer Bronzen mit geringem Zinngehalt sein. Zur Entscheidung ist die chemische Analyse unerläßlich.

Ähnlich verhält es sich mit dem Metall eines kupfernen Beils" von Dänemarck, welches ebenfalls von v. Fellenberg in den "Analysen", Heft 1, Nr. 4, analysirt, leider aber nicht genau bezeichnet und beschrieben ist. Diese wie Kupfer aussehende Waffe, enthielt aber außer den geringen Meng=

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theilen begleitender Metalle und ungefähr 96 1/2 Proc. Kupfer doch noch 2 Pocent Zinn. Dieses Geräth verhielt sich im Aeußern wie der mecklenburgische Kupferkeil: "Die sehr rauhe und wie zerfressene Oberfläche war schwärzlich, mit durchschimmernder Kupferfarbe; die Bohrspäne waren rein kupferroth." Fellenberg meldet noch brieflich: "Was die Schwierigkeit des Bohrens dieses Metalls betrifft, so habe ich bei dem kupfernen Beil aus Dänemark dieselbe Erfahrung gemacht, indem ich nur mit der äußersten Mühe die Drehbank im Gange erhalten konnte; die Drehspäne verwickelten sich im Bohrloche und würgten den stählernen Bohrer entzwei, so daß die Spitze im Grunde des Bohrloches stecken blieb."

Diese Forschung über den kupfernen Keil von Kirch=Jesar ist nun für die Alterthumskunde von der allergrößten Wichtigkeit. Es ergiebt sich, daß schon in der Steinperiode, wahrscheinlich am Ende derselben, Metall eingeführt ward und zwar reines Kupfer. Würden sich viele kupferne Geräthe in Europa finden, so könnte man hier auch von einer Kupferperiode sprechen; jetzt aber muß man bei der großen Seltenheit die kupfernen Geräthe der Steinperiode zuschreiben. Wahrscheinlich wird im Laufe der Zeit die Legirung des Kupfers mit Zinn zu Bronze hier im Lande geschaffen sein.

Es erscheint nämlich sehr wahrscheinlich, daß der kupferne Keil von Kirch=Jesar nach einem Feuerstein=Modell im Lande gegossen ist. Denn er hat in der Form alle Eigenthümlichkeiten, welche so große feuersteinerne Keile, die sich im Süden nicht finden, besitzen, namentlich die grade Bahn an dem der Schneide entgegengesetzten Ende. Würde der Keil von Süden her fertig eingeführt sein, so würde er wahrscheinlich eine zugespitzte, kegelförmige Bahn und eine größere Dicke haben.