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Pfahlbau von Gägelow,

von

G. C. F. Lisch.

(Neue verbesserte Auflage aus den Jahrbüchern XXIX, 1864, S. 120 flgd.)
Mit einer Steindrucktafel Taf. IV.

Der Pfahlbau von Gägelow bei Wismar in Meklenburg, nicht weit vom Strande der Ostsee, ist der erste, welcher in Deutschland außerhalb des Alpengebietes entdeckt ist, und daher verdient er einen wohl begründeten Ruf und wiederholte Bearbeitung. Der Pfahlbau von Gägelow ward im Anfange des Jahres 1863 entdeckt; im Frühling des Jahres 1864 folgte die Entdeckung des Pfahlbaues von Wismar, ungefähr eine Meile von dem Gägelowschen entfernt, welcher noch während der Aufgrabung beobachtet werden konnte, reichere Ausbeute lieferte und dem Gägelowschen Pfahlbau fast ganz gleich war.


Auf dem Felde des Dorfes Gägelow, bei der Stadt Wismar, in der Nähe des Kirchdorfes Proseken, wurden in einem Torfmoor zwei Hirschhörner gefunden, welche gespalten und an allen Enden mit rohen Werkzeugen angearbeitet waren, um daraus Material zu kleinen Werkzeugen zu gewinnen (vgl. Jahrb. XXVI. 1861, S. 132). Ich veranlaßte den für den Verein eifrig bemüheten Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar, diese Hörner für die Sammlungen zu Schwerin zu erwerben; der Besitzer, Erbpächter Herr Seidenschnur, welcher die Jahrbücher des Vereins mit großer Theilnahme liest, gab im Jahre 1861 die Hörner dem Vereine gerne zum Geschenke. Darauf ward in demselben Torfmoore eine zur Handhabe für einen Steinkeil bearbeitete kleine Elenschaufel gefunden (vgl. Jahrb. XXVII. 1862, S. 172). Ich vermuthete, daß da, wo

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diese Hörner gefunden seien, sich noch mehr finden müsse, und sprach schon in den Jahrb. XXVII. 1862, S. 172, die Vermuthung aus, daß hier wohl ein Pfahlbau gestanden haben könne. Aber trotz aller Nachforschungen ist bis jetzt in diesem Torfmoore nichts weiter gefunden. Ich ließ jedoch nicht nach, im Jahre 1862 den Herrn Büsch fortwährend zu ermuntern, die Erkundigungen nach Ueberresten von Pfahlbauten in Gägelow fortzusetzen und die Sache dort ununterbrochen anzuregen. Dies hatte die Folge, daß Herr Seidenschnur ihm im Anfange des Jahres 1863 die Mittheilung machte, er habe in einem Wasserloche eichene Pfähle und innerhalb der Pfähle Alterthümer der Steinzeit gefunden, und daß derselbe dem Herrn Büsch die Alterthümer zur Uebersendung an mich auslieferte. Nach der Anschauung dieses Fundes zweifelte ich nicht mehr daran, hier einen Pfahlbau gefunden zu haben, um so mehr, da hier die beiden nothwendigen Factoren, eingetriebene Pfähle und neben denselben Alterthümer, vorhanden waren. Ich trat daher im Mai 1863 mit dem Herrn Büsch bei dem Herrn Seidenschnur in Gägelow zusammen, um die Sache an Ort und Stelle genauer zu untersuchen, und fand meine Vermuthung bestätigt. Das Verdienst der Entdeckung gehört den unverdrossenen Bemühungen des Sergeanten Herrn Büsch unter dem treuen und bereitwilligen Beistande des Erbpächters Herrn Seidenschnur.

Der Pfahlbau von Gägelow liegt auf dem weit gestreckten Acker des Herrn Seidenschnur, eine weite Strecke von dem Dorfe, rechts von der Chaussee von Wismar nach Grevesmühlen, ungefähr zwischen den Landgütern Wendorf und Hoben, gegen eine halbe Stunde von dem wismarschen Meerbusen der Ostsee. Hier ist auf einem niedrigen Landrücken in dem Boden eine ziemlich große, fast runde Einsenkung, welche rings umher von sanft ansteigenden Höhen völlig und ohne Unterbrechung eingeschlossen ist und noch jetzt der "Krambeker Soll" (d. h. kleiner See) genannt wird. Der ebene, obere Grund dieser Einsenkung war feucht, bestand aber aus Sand und Thon. Der Herr Seidenschnur suchte auf seinem Felde nach Moder zur Düngung und Verbesserung seines Ackers, und fand ihn in großer Mächtigkeit in dieser Einsenkung unter dieser obern Sand= und Thonschicht. Es ergab sich bei der Fortsetzung der Arbeit, daß die Einsenkung in den ältesten Zeiten Wasser gewesen war und nach und nach zugewachsen und mit Moder gefüllt ist, und daß nach der Befestigung des Moderbodens im Laufe vieler Jahrhunderte der Sand und

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Thon von den nahe umher liegenden Höhen nach und nach über die Moderfläche so gewehet und geschlemmt ist, daß diese feste Erddecke eine Schicht von beinahe 2 Fuß Dicke über dem Moderlager bildete. Die begrenzenden Höhen sind überhaupt gegen die Einsenkung hin vorgerückt, indem sich die Moderlage noch etwa 7 Fuß weit unter die Ufer der jetzigen Anhöhen fort erstreckt, so daß es viele Arbeit kosten wird, dieses Moderlager ganz von der immer rascher ansteigenden festen Höhe zu befreien.

Der Herr Seidenschnur unternahm seit dem Jahre 1858 die Ausbeutung des Moderlagers. Nach Abräumung der Sand= und Thondecke fand er die ganze Einsenkung mit Moder, größten Theils Pflanzenmoder von Baumblättern und Wasserpflanzen, aber auch Thiermoder, von großer Mächtigkeit gefüllt, welcher in der Tiefe auf festem Boden stand. Er brachte den ganzen Vorrath, so weit er nicht von den hoch aufsteigenden Ufern mit Lehm zu hoch bedeckt war, auf das trockene Land, und nach nicht langer Zeit füllte sich das Loch wieder mit klarem Wasser, so daß wieder ein kleiner See, wie früher, gebildet ist, welcher jetzt ungefähr 110 Fuß lang, und 90 Fuß breit ist, also groß genug, um einige Pfahlwohnungen aufzunehmen. Jedoch erstreckt sich die ehemalige Wasservertiefung noch eine ganze Strecke weiter unter den Ufern fort, so daß der alte See noch viel größer gewesen ist.

Im Anfange ging die Ausgrabung des Pflanzenmoders ziemlich leicht von statten. Später ward aber die Arbeit schwieriger, indem an der einen Seite, nicht mehr weit von dem jetzigen festen Ufer, die Vertiefung mit ziemlich nahe bei einander stehenden Pfählen besetzt war. Die Pfähle standen hier in einem kleinen Halbkreise, da der andere Halbkreis noch von den Ufern bedeckt ist; sie waren aus Eichenholz, noch 7 und 8 bis 10 Fuß lang, 7 bis 8 Zoll im Durchmesser, zum Theil behauen, zum Theil roh und noch mit Rinde bedeckt, unten zugespitzt, oben vermodert, und von unregelmäßiger Gestalt. Es scheinen zwei Pfahlbauten in diesem See gestanden zu haben, an jedem Ende der Längenausdehnung des Sees, im Osten und im Westen, ein Bau. Die Pfähle standen aufrecht in dem Moder und die Köpfe derselben lagen ungefähr in dem jetzt wieder entstandenen Wasserspiegel. An dem einen Ende im Westen, in der Richtung nach dem Dorfe Wendorf hin, standen noch 11 Pfähle aufrecht in einem Halbkreise von 18 bis 22 Fuß Kreisdurchmesser, die einzelnen Pfähle 2 und 3 Fuß auseinander. Neben diesen Pfählen fanden sich auch mehrere

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Balken, welche horizontal auf dem Boden unter dem Moder lagen. Am östlichen Ende, in der Richtung nach dem Dorfe Hoben hin, standen auch Pfähle, welche auch wohl im Kreise gestanden haben; vor denselben standen nach dem Lande hin noch 4 Pfähle, welche wohl eine Brücke getragen haben werden. Die Pfahlwerke haben also ohne Zweifel kreisförmige Fundamente gebildet, von denen Brückenpfähle gegen das feste Land hin gingen. - Hier sind also ohne Zweifel die Ueberreste von menschlichen Wohnungen, welche rund waren und im Wasser auf Pfählen standen, also Pfahlbauten. Es werden sich sicher noch mehr Pfähle finden, wenn die Aufgrabung unter dem festen Ufer noch fortgesetzt werden sollte. Die Pfähle und Balken sind herausgenommen und zum Verbrennen leider zersägt und gespalten; es sind jedoch noch mehrere lange Stücke in die Sammlungen gekommen. Das Eichenholz ist im Innern noch ganz fest und schwarz.

Innerhalb dieser Pfähle war der Raum ganz mit festem Pflanzenmoder gefüllt, welcher zahllose Ueberreste von Pflanzen aller Art und von Holz, vielleicht auch Thiermoder enthielt. Dieser Moder ist auf das feste Land gebracht und lag noch im Sommer 1863 in einer Masse von mehrern hundert Fudern auf einer Stelle beisammen. Er enthielt überall große Klumpen von reinem Pflanzenmoder, unter denen noch die Fasern von Baumstämmen, auch Wurzeln, Rinden und Zweigen erkennbar waren, und dabei Alterthümer mancherlei Art.

Daß diese Stelle ein Pfahlbau der heidnischen Steinzeit war, ward durch zahlreiche Alterthümer bestätigt, welche sich sowohl gleich beim Ausgraben, als auch hinterher in dem ausgeworfenen Moder fanden 1 ), welchen der Herr Büsch bis jetzt 5 Male untersucht hat.

Mahlstein

1) Auf ganz gleiche Weise ward auch der erste schweizerische Pfahlbau zu Meilen beim Ausgraben und Auswerfen des Lettens entdeckt. Vgl. Keller l. Bericht, S. 59.
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Zuerst fand sich, als vorzüglicher Beweis, innerhalb der Pfähle eine auf der vorhergehenden Seite abgebildete granitene Handmühle, d. h. ein halbmuldenförmig auf einer Fläche glatt und tief ausgeriebener Granitblock, eine sogenannte "Hünenhacke", ungefähr 1 1/2 Fuß lang, gegen 1 Fuß breit und 1/2 Fuß hoch, wie solche im Lande sehr häufig gefunden werden (vgl. Jahrb. XXV, S. 212 flgd.). Leider ist dieser Stein in Abwesenheit des Herrn Seidenschnur von den Maurern beim Ausmauern eines neuen Brunnens unten in demselben vermauert worden.

Daneben und in dem ausgeworfenen Moder fanden sich viele runde oder rundliche Reibsteine und dazu bestimmte zerschlagene, noch rohe Steine, von 3 bis 4 Zoll Durchmesser,

Reibstein

auch kleinere, ganz rund geschliffene, aus festem Granit, Gneis oder altem Sandstein. Es sind bis jetzt 12 abgerundete und abgeriebene Reibsteine und 2 offenbar zu Reibsteinen bestimmte, zerschlagene, kubische Steine gesammelt. Einer derselben aus altem Sandstein ist mehr flach oder scheibenförmig und an Gestalt ganz den Schweizerischen gleich. Diese Steine sind ohne Zweifel Reibsteine zum Zermalmen des Getraides und anderer Früchte; vgl. Jahrb. XXIII, S. 276, und oben S. 41. Ein kleiner Reibstein, eine fast regelmäßige Kugel von Feuerstein, 2 Zoll im Durchmesser, völlig glatt, ist wahrscheinlich Geröll vom nicht fernen Meeresstrande. Im Privatbesitze zu Wismar befinden sich aus diesem Pfahlbau noch 2 gute Reibkugeln.

Diese Handmühle mit den Reibsteinen innerhalb eingerammter Pfähle beweiset am sichersten das Vorhandensein eines Pfahlbaues, da man nur annehmen kann, daß sie beim Untergange des Pfahlhauses in die Tiefe des Wassers gefallen sei, und es nicht glaublich ist, daß sie hier durch irgend einen andern Zufall verloren gegangen sein könne.

Außerdem sind bis jetzt an Geräthen folgende Sachen gefunden.

Keile aus Feuerstein: 1 roh zugehauener Keil aus fettlosem, grauem Feuerstein, von der unvollkommenen Art, wie sie sich in dänischen Austerschalenbänken finden.

4 geschliffene, breite, dicke Arbeitskeile, auf der folgenden Seite abgebildet, alle (durch Rauch?) bräunlich von

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Keil

Farbe, und am Bahnende und an der Schneide und sonst vielfach zerschlagen und abgesplittert.

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, welcher ausnahmsweise an beiden Enden scharf und auf der ganzen Oberfläche geschliffen, aber durch vielen Gebrauch überall vielfach zerschlagen ist.

1 dünner, geschliffener Keil, von welchem am Bahnende etwas abgeschlagen ist.

1 Schmalmeißel aus Feuerstein, bräunlich von Farbe, von ungewöhnlicher Größe, 9 1/2 Zoll lang, an allen Seiten roh behauen, nur an der Spitze geschliffen, aber hier zerbrochen.

Ferner sind gefunden: 2 Feuersteinknollen, von denen Späne zu Messern und Pfeilspitzen abgeschlagen sind.

3 Feuersteinmesser oder Späne, zerbrochen und wegen der abgenutzten Schneiden offensichtlich gebraucht.

1 Feuersteinscheibe, ganz gleich der in dem Pfahlbau

Feuersteinscheibe
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von Wismar gefundenen. Die Scheibe von Gägelow unterscheidet sich von der Wismarschen nur dadurch, daß diese rund umher durch den Gebrauch vielfach abgenutzt, die von Gägelow aber noch neu und wenig gebraucht zu sein scheint (vgl. S. 33).

2 Dolche aus grauem Feuerstein, muschelig geschlagen, mit viereckigem Griff, der eine vollständig, der andere an der Spitze abgebrochen. Dolche dürften sich in Pfahlbauten sehr selten finden, da sie überhaupt selten sind.

Die meisten Feuersteingeräthe scheinen durch Rauch gebräunt und durch Gebrauch vielfach beschädigt zu sein.

Durchbohrte Streitäxte, in allen Pfahlbauten sehr selten:

1 durchbohrte und geschliffene Streitaxt aus Diorit oder aus feinem Gneis, von Größe und Gestalt, ungefähr wie Frid. Franc. Tab. XXVIII, Fig. 6, oder die hieneben stehende Abbildung einer andern Streitaxt, welche das Schaftloch mehr in der Mitte hat, jedoch an der Schneide nicht so sehr geschwungen und ausgekehlt.

Streitaxt

1 Bruchstück von einer langen schmalen, geschliffenen Streitaxt aus Gneis; dieses Bruchstück, die Spitze, ist ein Viertheil von einer Streitaxt, 5 1/2 Zoll lang, 1 Zoll hoch und 1/2 bis 3/4 Zoll breit; die Streitaxt ist nicht nur im Schaftloche durchbrochen, da noch ein Theil des ausgeschliffenen Schaftloches vorhanden ist, sondern die lange Spitze ist auch der Länge nach gespalten.

1 kleine Streitaxt aus Diorit völlig zugerichtet, aber noch nicht geschliffen und in der Bohrung des Schaftloches an beiden Seiten mit konischen Vertiefungen angefangen, aber noch nicht durchbohrt.

Alle diese Streitäxte, welche verhältnißmäßig so zahlreich in diesem Pfahlbau gefunden sind, haben nicht mehr den einfachen, gleichmäßigen Charakter, welchen die oben dargestellten Streitäxte der reinen Steinperiode haben, sondern sind unter sich alle verschieden in der Form und haben in den Umrissen ausgebildetere Eigenthümlichkeiten, welche die nordischen Forscher mehr der Bronzezeit zuschreiben. Jedenfalls sind diese Streitäxte nicht sehr alt in der Steinperiode.

Ferner fand sich 1 Granitplatte aus grobkörnigem Granit, ungefähr 2 1/2 Zoll im Quadrat und 1 Zoll dick, auf einer Fläche ganz eben und glatt geschliffen.

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An Steingeräthen fand sich endlich ein Mörser aus grauem Basalt, viereckig, 3 1/2 Zoll hoch und 2 1/2 Zoll in der Basis, in den Außenflächen geschliffen und an den Ecken abgeschliffen, mit einem eingeschliffenen Loche von 2 Zoll Tiefe und 1 1/2 Zoll Weite. Die Auffindung dieses Geräthes in einem Pfahlbau ist sehr merkwürdig. Mörser ganz gleicher Art, bald von viereckiger, bald von achteckiger Form, einige auch mit einer einpassenden Keule, sind wiederholt in Meklenburg=Schwerin, einer auch in Meklenburg=Strelitz gefunden, ohne daß man sie einer bestimmten Zeit hätte zuweisen können; vgl. oben S. 44. Auch Nilsson, welcher sie ebenfalls kennt, weiß sie nicht mit Sicherheit einer gewissen Zeit zuzuschreiben. Ich gebe auf der Steindrucktafel IV, Fig. 1 a eine Abbildung des Mörsers von Gägelow und daneben Fig. 1 b eine Abbildung einer Keule, welche zu einem in Roxin bei Grevesmühlen gefundenen vollständigen Mörser gehört. Bedenken erregen die Form und das Gestein. Wenn auch die Form des Gägelowschen Mörsers ziemlich einfach ist, so haben doch andere ähnliche Stücke eine Form, welche eine mehr mathematische und architektonische Ausbildung vorauszusetzen scheinen, als man von der Steinperiode erwarten darf. Auch das Gestein macht die Zeit des Ursprungs zweifelhaft, da der Basalt bisher nur in diesen Mörsern und in kleinen Mühlsteinplatten, deren Zeit sich ebenfalls schwer bestimmen läßt, beobachtet ist. Merkwürdig ist, daß auch in dem Pfahlbau von Wismar Bruchstücke von drei kleinen Mühlsteinen gefunden sind, welche aus demselben Gestein bestehen und, wie es scheint, nach neuerer Weise bearbeitet sind; vgl. oben S. 44. Bis sich in unberührten Gräbern Beweise finden, müssen also diese Basaltgeräthe wohl außer Betrachtung für die Pfahlbauten bleiben, jedoch darf die Bekanntmachung des Fundes nicht verschwiegen werden.

Während des Drucks dieser Bogen ist in der ausgegrabenen Modde des Gägelower Pfahlbaues eine vollständige mit Rillen bearbeitete Mühlsteinplatte aus demselben grauen Basalt, von 1 Fuß Durchmesser und 2 1/2 Zoll Dicke, gefunden; die Platte hat zu beiden Seiten des runden Loches in der Mitte 2 schwalbenschwanzförmig eingehauene Vertiefungen zum Einlassen einer Zwinge. Der Stein scheint mittelalterliche Arbeit zu sein. Es ist unerklärlich, wie er in diesen Pfahlbau kommt. Vgl. oben S. 45.

Mit großer Sicherheit läßt sich dagegen der auf der Steindrucktafel IV, Fig. 3 abgebildete Spindelstein aus gebranntem Thon, welcher in dem Pfahlbau zu Gägelow

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Pfahlbau von Gägelow - Alterthümer
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gefunden ist, der Steinzeit zuweisen. Er besteht aus gelblich vom Hausbrande gebranntem Thon, hat 1 3/4 Zoll im Durchmesser, ist roh gearbeitet und gleicht ganz den in den schweizerischen Pfahlbauten häufig gefundenen Würteln. Er ist auf der einen (in Abbildung gegebenen untern) Seite aus freier Hand auf dem Finger gedreht, auf der andern Seite glatt und wenig convex gewölbt. Ein in dem Pfahlbau von Wismar gefundener Spindelstein scheint einen jüngern Charakter zu haben (vgl. S. 50).

Bisher einzig in seiner Art in Meklenburg ist der auf der Steindrucktafel IV, Fig. 2 abgebildete durchbohrte Thonkegel, welchen ich entweder für eine "Gewichtkugel", oder einen "Zettelstrecker" zum Weben, oder für einen "Netzsenker" zum Fischen halte. Es ist ein Kegel oder vielmehr eine vierseitige Pyramide, 2 1/2 Zoll groß in der Basis und vielleicht noch ein Mal so hoch, aus leicht gedörrtem, festem Thon, an einer Seite von Rauch geschwärzt, ungefähr in der Mitte durchbohrt. Leider fehlt dem Geräthe der obere Theil, da es durch die Mitte des Loches durchgebrochen ist. Keller (Erster Bericht, S. 94, und Taf. IV, Fig. 15, vgl. Staub, S. 48, Fig. 25) hält sie für Senksteine zum Fischen. Wenn diese Geräthe hiezu auch die passende Form haben, so erscheint mir der Thon, aus dem das Geräth von Gägelow gemacht ist, zu diesem Zwecke zu weich zu sein. Ich glaube vielmehr, daß diese Thonkegel zu "Zettelstreckern" benutzt sind, d. h. zu "Gewichtkugeln", mit denen beim Weben der Leinewand auf einem senkrecht stehenden Webestuhl die Fäden des Aufschlags oder die "einzelnen Gänge" unten beschwert wurden (vgl. Keller, Vierter Bericht, S. 21-22, und Staub, S. 56). Mehrere schweizerische Forscher erkennen ähnliche Thonkugeln für solche Zettelstrecker; andere neigen sich aber auch dahin, auch die Thonkegel dafür zu halten. Daß die Leinweberei zur Zeit des Gägelower Pfahlbaues bekannt war, beweiset die gewebte Leinwand, welche im Pfahlbau von Wismar gefunden ist (vgl. oben S. 60).

Ferner fanden sich zum Beweise überall zahlreiche Scherben von sehr großen, dickwandigen Töpfen, welche nach heidnischer Weise bereitet und im Innern mit grobem Granitgrus durchknetet sind. Die Töpfe müssen zum Theil sehr groß gewesen sein, da die Schwingungen der Scherben sehr weit sind. Einige Scherben haben die Dicke von fast 3/4 Zoll. Einige sind röthlich gebrannt, andere geschwärzt, auch gehenkelt. Diese großen, dickwandigen Töpfe sind ohne Zweifel Kochtöpfe der Steinzeit, wie sich dieselben ganz genau auch in

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den Höhlenwohnungen Meklenburgs und in den Pfahlbauten der Schweiz finden. Andere Seitenstücke und Randstücke, auch mit kleinen Henkeln, sind dünner und scheinen zu Krügen gehört zu haben (vgl. oben S. 47). An einigen Bodenstücken und Seitenstücken sitzen inwendig schwarze, zähe Massen, als wären dies Ueberreste oder Niederschlag von gekochten Speisen. Einige wenige Scherben gehören zu kleinen Krügen von feiner Masse, dünnen Seitenwänden, gleichmäßig dunkelschwarzer Farbe, glänzender Politur; ein Randstück, das einzige mit Verzierung, zeigt feine, eingeritzte, parallele Schrägelinien; diese Stücke gleichen ganz manchen feinen, schwarzen Begräbnißurnen der Bronzeperiode (vgl. oben S. 47).

Bei den Topfscherben fanden sich überall auch viele Thierknochen, welche, wie die Thierknochen in den Höhlenwohnungen von Dreveskirchen alle queer zerhauen sind, um das Fleisch mit den Knochen in die Kochtöpfe bringen zu können. Diese Thierknochen sind für die Beurtheilung des Pfahlbaues von großer Wichtigkeit. Ich sandte deshalb dieselben an den Herrn Professor Rütimeyer zu Basel, welcher sich darüber folgendermaßen brieflich äußert.

"Die bisher gefundenen Thierknochen von Gägelow sind folgende:

Rind: Bos taurus, Kuh, und zwar Hausthier:

Schädelstück, mit dem rechten Horn,
Schädelstück mit dem linken Horn,
3 kleine Hörner,
1 Stück vom rechten Schienbein,
2 Stücke vom linken Oberarm,
1 rechtes Schulterblatt,
1 Fersenbein von einer kleinen Kuh, ohne Zweifel Bos brachyceros, unzweifelhaft benagt, wahrscheinlich von Thieren;

Pferd: Equus caballus:

1 linke Beckenhälfte,
1 Stück vom rechten Oberschenkel,
1 dritter unterer rechter Backenzahn,
1 Eckzahn eines männlichen Pferdes;

Ziege: Capra hircus:

3 Hörner,
1 Vorderarmknochen, linke Speiche.

Ueber das Rind. Die Skeletstücke gehören durchweg kleinen Thieren an, einige auch noch jungen Thieren (die beiden Oberarmknochen), einem sehr kleinen, erwachsenen Thiere das Schulterblatt, einem mittelgroßen Thiere das Schienbein.

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Ueber Race lassen die Knochen, außer dem Schädelstücke nichts vermuthen, unzweifelhaft aber gehören sie zahmen Thieren an. Das Schädelstück, welches den Hörnern des Wismarschen Pfahlbaues völlig gleich ist, stammt von einem größeren Thiere, als alle anderen Knochenstücke, und ebenfalls von einem Hausthiere. Die Race ist jedenfalls durchaus nicht mehr rein, sondern aus mehrern Quellen gemischt. Im Ganzen trägt das Schädelstück den Typus der Primigenius=Race; dies geht hervor aus dem breiten Ansatz des Hornzapfens an die Stirne, der derben Textur des Hornzapfens und den starken Furchen an deren Hinterrand. Allein die reinen Primigenius=Schädel haben eine vollkommen flache Stirn mit gerader Hinterhauptskante, niedrigem Stirn=(Occipital=)Wulst und geringere Diploë des Schädels, dabei weniger abgeplattete Hörner und steilere Emporrichtung ihrer Spitzen. - Alle diese letzteren Eigenthümlichkeiten, namentlich aber die gewaltige Diploë und die Depression der Hornzapfen und die Kantenbildung am hintern Umfange der letztern sind sonst bei der Frontosus=Race zu Hause, so daß ich eine Mischung von Bos Primigenius mit Bos Frontosus in diesem Schädel vermuthe, jedoch offenbar mit Vorwiegen des erstern. Hiergegen spricht nur ein Umstand, der sehr dichte Hornansatz und das offenbar sehr schmale Hinterhaupt; allein beides finde ich, trotzdem daß ein Einfluß von Bos Frontosus das Occiput von Bos Primigenius noch breiter machen sollte, doch bei recenten Schädeln, welche ich ebenfalls einer ähnlichen Mischung von Bos Primigenius und Bos Frontosus zuschreibe. Es stimmt nämlich das Schädelstück von Gägelow vortrefflich zu Schädeln der jetzigen Westerwälder und Vogelsberger Race, die ich beurtheile als eine mit Bos Frontosus gemischte Primigenius-Race. (Ueber Bos Primigenius vgl. Jahrb. XXIX, S. 275 flgd.: Rinderskelet von Malchin.)

Ueber das Pferd. Die vorliegenden Ueberreste gehören einem kleinen Schlage an, welcher kleiner war, als das arabische Pferd; allein sie bieten durchaus nichts dar, was zu einem eingehenden Urtheil berechtigen dürfte.

Ueber die Ziege, von der nur ein Knochen vorhanden ist, läßt sich sagen, daß es ein ziemlich ansehnliches Thier war."

In seiner gedruckten Fauna der Pfahlbauten der Schweiz sagt Rütimeyer über die

"Ziege"

S. 227: "In den ältern Pfahlbauten der Schweiz überwiegt die Ziege das Schaf in Menge in unverkenn=

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barem Grade, nach den neuern hin kehrt sich das Verhältniß um. Es fällt dies insofern auf, als die historischen Nachrichten über unsere Hausthiere das Schaf überall mit dem ältesten Hausthier, der Kuh, erwähnen, während die Ziege erst viel später genannt wird. - Die Reste weisen auf ein Thier, das von der in der Schweiz so allgemein verbreiteten gewöhnlichen Race heutiger Ziegen nicht im geringsten abwich und, wie diese, in Größe nicht sehr viel variirte.

Sollte man nach den wenigen Resten irgend einen Schluß ziehen dürfen, so wäre er, spätere Funde vorbehalten, folgender. Die Sammlung enthält:

1) nur Hausthiere,
2) keine reine Viehrace,
3) dabei Pferd und Ziege.

Wenn nicht noch zu erwartende Funde dieses Resultat ändern, so erscheint, im Vergleich zu den schweizerischen Resultaten, diese Knochenablagerung relativ sehr jung, jedenfalls viel jünger, als das Steinalter in der Schweiz, wo Hausthiere nur spärlich und nur in reinen, den Stammthieren höchst ähnlichen Racen sich finden, auch das Pferd wahrscheinlich als Hausthier fehlt. Auch in anderer Beziehung weicht die kleine Sammlung von Gägelow von den schweizerischen Pfahlbauüberresten ab. In diesen ist keine Spur von Bos Frontosus."

Dennoch, schreibt Rütimeyer weiter, muß ich das Fragment von dem Stierschädel durchaus für alt halten, und von demselben Alter, wie alle andern dort gefundenen Thierknochen. Es hat vollkommen die Farbe, Textur, Schnittspuren und, was nicht ohne Interesse ist, die gleichen Umfangsverhältnisse, wie unsere Torfknochen, und es müßte ein auffallender Zufall sein, wenn neben den andern Knochen ein solches Hornstück, so zerbrochen, so zugeschnitten, so erhalten, aus späterer Zeit hinzugekommen wäre. Daß neuere Knochen auch diese Farbe tragen könnten, bezweifle ich zwar nicht, aber die Schlachter hatten schon damals ihre bestimmten Zerlegemethoden, eben so gut wie die unsrigen, aber verschieden von diesen."

Es fanden sich auch Bruchstücke von bearbeiteten hölzernen Geräthen, welche fast das Ansehen und den Geruch von Braunkohle haben.

Um nun die Aehnlichkeit mit den schweizerischen Pfahlbauten zu vervollständigen, läßt sich noch berichten, daß sich wiederholt Haselnüsse und Schalen von aufgeknackten Haselnüssen in dem Moder fanden.

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Auch Pflanzensamen fanden sich in der Tiefe überall und zahlreich zwischen den Schichten des reinen, dunkelbraunen Pflanzenmoders; jedoch lagen die Körner nur zersprengt und nicht haufenweise neben einander, so daß sie wohl nicht gut verloren gegangene Massen gesammelten Samens sein konnten, wie in der Schweiz. Es waren ziemlich wohl erhaltene, glänzende, gelbliche Kapseln desselben Samens, welche überall in den Moder eingesprengt waren. Es ist nur noch die glänzende Haut vorhanden, der Kern der Körner ist, wahrscheinlich durch Keimen, verschwunden.. Nach der Bestimmung des Herrn Professors Röper zu Rostock gehört der Same sicher der Gattung des Potamogeton an, wahrscheinlich dem Potamogeton natans, einer sehr gewöhnlichen Wasserpflanze, welche aus der Tiefe der Gewässer emporkommt und mit ihren Blättern und Blüthen die kleinen Seen und Teiche bedeckt. Diese Samenkörner hangen also nicht mit dem Pfahlbau zusammen.


Das Resultat der ganzen Untersuchung wird nun dahin ausfallen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört. Daß er überhaupt noch in die Steinperiode fällt, geht daraus unwiderleglich hervor, daß sich, außer den thönernen Geräten mit dem Charakter der Steinperiode, nur steinerne Geräthe finden und Metall ganz fehlt. Dagegen scheinen die Thierknochen zu sprechen, welche alle nur Hausthieren, und darunter dem Rind von gekreuzter Race, angehören. Jedoch sind die Thiere und Racen noch alt, und man muß im Norden vielleicht ein anderes Verhältniß vermuthen, als in der Schweiz, wo in den Pfahlbauten der Steinperiode das uralte Rind von der Frontosus-Race ganz fehlt. Für die Steinperiode spricht vorzüglich der oben beschriebene, später entdeckte Pfahlbau von Wismar und die Höhlenwohnung von Dreveskirchen, welche dieselben Thierknochen enthalten, aber nach allen Geräthen sicher in die Steinperiode fallen. Jedoch wird man einräumen müssen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört, da in demselben schon durchbohrte Streitäxte von einer jüngern und schönern Form, als der einfachen Form der Steinperiode, vorkommen, welche die dänischen Forscher nach mannigfachen Erfahrungen schon der Bronzeperiode zuschreiben.