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Pfahlbau von Wismar,

von

G. C. F. Lisch.


1. Pfahlbauten der Steinperiode.

Seit hundert Jahren sind in Meklenburg aus Gräbern und vereinzelten Funden Alterthümer der heidnischen Stein= und Bronzezeit im wissenschaftlichen Sinne gesammelt und in einer Sammlung vereinigt, welche Forschern reichen Stoff zu Beobachtungen bietet, nachdem sich bestimmte Perioden der Urzeit gewissermaßen von selbst herausgestellt haben und zuerst in dem Friderico-Francisceum oder großherzoglich=meklenburgische Alterthümersammlung, Leipzig, 1837, beschrieben und dargestellt sind. Mit der Stiftung des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde im J. 1835 wuchs die Teilnahme an geschichtlichen Forschungen und der Eifer für das Sammeln von Alterthümern, und es wurden zahlreiche Gräber aufgedeckt und einzelne Funde gemacht, welche oft überraschende Ergebnisse boten. Besondere Aufmerksamkeit erregten von jetzt an die häufigen Funde schöner, seltener und wohlerhaltener Alterthümer, welche in den zahlreichen Torfmooren Meklenburgs gemacht wurden, oft nach den Aussagen der Finder neben viel altem Holz oder "Baumstämmen". Obgleich ein Vierteljahrhundert hindurch alle Anstrengungen gemacht wurden zu erklären, wie die Alterthümer, nicht selten in großer Menge beisammen, in die Moore gekommen seien, so konnte doch keine Erklärung aufgefunden und aufgestellt werden, welche vor dem Richterstuhle ruhiger Forschung hätte bestehen können; alle Erklärungsversuche verschwanden in Vergessenheit, weil sie nicht glaubwürdig erschienen.

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Da machte der Professor Keller zu Zürich im J. 1854 die in der Geschichte der Wissenschaften ewig denkwürdige Entdeckung der Pfahlbauten. Als im Winter des Jahres 1854 die Gewässer der Schweiz durch Dürre und Frost so tief sanken, wie vorher seit Jahrhunderten nicht, und die Anwohner des Zürcher Sees bei Meilen dem trockenen Ufer durch Eindämmung Land abgewinnen wollten, entdeckte Keller 1 ) hier, "daß in frühester Vorzeit Gruppen von Familien am Rande der schweizerischen Seen Hütten bewohnten, die sie nicht auf trockenem Boden, sondern an seichten Uferstellen auf Pfahlwerk errichtet hatten, und daß diese Wasserbauten durch Feuer zerstört wurden." Nachdem diese Entdeckung sogleich veröffentlicht war und in der Schweiz bald Eingang gefunden hatte, kamen die heißen und trockenen Sommer der Jahre 1857 und 1858, welche durch das Sinken der Gewässer die Verfolgung der Forschung ungemein begünstigten. Die Forschung und Theilnahme an den Pfahlbauten, begleitet von andern wichtigen geologischen und osteologischen Entdeckungen, bemächtigte sich bald aller denkenden Geister und drang rasch und tief in viele andere Wissenschaften ein. Mit der Erkenntniß wuchs die Zahl der entdeckten Pfahlbauansiedelungen. An zahlreichen Orten fand man ausgedehnte Pfahlbauten, welche eine unglaubliche Menge von versunkenen Alterthümern aus den ehemaligen Wohnungen lieferten und auch in den Häusern von Privatleuten Sammlungen ersten Ranges entstehen ließen, wie z. B. die des Herrn Obersten Schwab zu Biel, die reichste von allen, des Herrn Obersten Suter zu Zofingen aus dem Pfahlbau von Wauwyl, des Herrn Dr. med. Uhlmann zu Münchenbuchsee u. A., so daß bis jetzt schon 200 Pfahldörfer in der Schweiz entdeckt sind. Die Pfahlbauansiedelungen in der deutschen Schweiz gehören alle vorherrschend der Steinperiode an. In den folgenden Jahren wurden aber in der französischen Schweiz, namentlich durch den Herrn Professor Troyon zu Lausanne, auch zahlreiche Anlagen aus der Bronzeperiode entdeckt, ja zuletzt durch den Herrn Professor Desor zu Neuchatel im Neuenburger See auch ein Pfahlbau aus der Eisenperiode mit ausgezeichnet


1) Die Forschungen von Keller sind seit 1854 in den "Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich," in mehreren Heften niedergelegt, welche im Laufe dieser Darstellung durch Keller l, II, u. s. w. citirt werden sollen. Diese werthvollen Forschungen sind in dieser Abhandlung oft berücksichtigt, ohne in jedem Falle genannt zu sein.
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gearbeiteten und erhaltenen Geräthen, ohne Ausnahme aus Eisen, deren auch der Herr Oberst Schwab viele gefunden hat.

Aber nicht nur an den Ufern der Seen fand man versunkene Pfahlwohnungen, sondern auch tief in den Torfmooren, welche in den ältesten Zeiten der Menschheit Seen gewesen sind. Zu den reichsten Fundgruben im Moor gehören das Torfmoor von Robenhausen 1 ) bei Wetzikon, welches persönlich von dem unermüdlichen Herrn Schulpfleger Messikomer zu Wetzikon, und das Torfmoor von Wauwyl, welches durch den eifrigen Herrn Obersten Suter zu Zofingen ausgebeutet wird.

Alle diese Fundstellen der Schweiz liefern nun nicht nur alle Arten von Alterthümern, welche im Norden aus den Gräbern der verschiedenen Perioden bekannt geworden sind, sondern auch zahlreiche Gegenstände, welche das innerste häusliche Leben der Pfahlbaubewohner kennen lehren und in den Gräbern nicht erhalten oder niedergelegt sind, z. B. Knochen vom Schlachtvieh, Getraide, Baumfrüchte, Sämereien, Gewebe, Geräthe von Knochen, Horn und Holz und vieles Andere mehr. Dagegen fehlen in der Schweiz die Gräber, welche mit den Pfahlbauten der verschiedenen Perioden übereinstimmen müßten, in genügender Zahl oder sind nur in geringen Ueberresten erkennbar. Es fehlte also bisher gewissermaßen der Schlußstein der Forschung.

In den nordischen Ländern, welche so unendlich reich an Gräbern und an Alterthümern aus allen Perioden des Menschengeschlechts sind, fehlte es dagegen bis jetzt an Pfahlbauten, welche bis hierher auf das Alpengebiet beschränkt blieben und außer in der Schweiz nur am südlichsten Rande Deutschlands und am nördlichsten Rande Italiens, also in den Gebieten der Gebirgsseen der Alpenzone, gefunden wurden. Es würde von der allergrößten Wichtigkeit sein, gewisse Gräber nachzuweisen, deren Alterthümer mit den Alterthümern von gewissen Pfahlbauten übereinstimmen. Und diese Aufgabe glaube ich durch die Entdeckungen der Pfahlbauten in Meklenburg lösen zu können.



1) Im Torfmoor oder Riet von Robenhausen habe ich am 9. Sept. 1864 persönlich mit Herrn Messikomer gegraben und mich von allen Umständen genau unterrichtet. Herr Messikomer hatte die Freundlichkeit, mir die von mir gefundenen Gegenstände zum Andenken zu schenken, die ich den Sammlungen des Vereins einverleibt habe.
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Seit der ersten Entdeckung der Pfahlbauten in der Schweiz richtete ich mein Augenmerk noch schärfer auf die zahlreichen Landseen Meklenburgs; aber wie früher, so zeigten sich auch jetzt in diesen Gewässern keine Spuren menschlicher Anlagen, vielleicht Weil die Seen des Niederlandes gewöhnlich nur sehr flache, oder auch zu tiefe Ufer haben. Alle Bemühungen, zur Entdeckung von Pfahlbauten zu gelangen, blieben nach vielen Täuschungen fruchtlos, und ich kam schon auf den Gedanken, daß das Tiefland Deutschlands gar keine Pfahlbauten gehabt habe, weil das Land genug lose Erde besitzt, um auf leichtere Weise durch Einschüttung von Erde ins Wasser gesicherte Wohnsitze zu gewinnen, wie auch das jüngere Volk der Wenden zur Eisenzeit historisch erweislich solche eingeschüttete Wohnplätze gebauet hat. Bei gesteigerter Theilnahme mehrten sich aber in den neuesten Zeiten die kleinern Moorfunde in Meklenburg sehr bedeutend; namentlich wurden in den Torfmooren sehr häufig uralte Thiergehörne aller Art entdeckt, erkannt und eingesandt, von denen viele offenbar von Menschenhänden angearbeitet waren. Diese Thiergehörne schienen mir die sichersten Führer durch das Dunkel zu sein, und ich nahm den Gedanken an das Vorhandensein von Pfahlbauten wieder auf. Im Herbste des J. 1861 machte ich öffentlich darauf aufmerksam, daß Meklenburg wahrscheinlich auch Pfahlbauten habe, und bat dringend um scharfe Beobachtung der Torfmoore (vgl. Quartal=Bericht des Vereins für Meklenburgische Geschichte, 1861, October, die gleichzeitigen Zeitungen, die Jahrbücher des Vereins XXVII, 1862, S. 117). Als in Folge dieser Aufforderung die Auffindung von angearbeiteten Thiergehörnen größere Ausdehnung annahm, ließ ich nicht nach, den um die Auffindung und Einsendung von Alterthümern für den Verein mit Eifer und Erfolg lange bemühet gewesenen Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar aufzufordern, ein scharfes Augenmerk auf die Moore bei Wismar zu richten. Im J. 1861 hatte der Herr Erbpächter Seidenschnur zu Gägelow, eine Stunde westlich von Wismar, in seinem Torfmoor zwei alte Hirschhörner gefunden. Ich ersuchte den Herrn Büsch, mir dieselben zu verschaffen, was auch gelang. Als ich diese alten Hörner sah, war es mir nicht mehr zweifelhaft, daß auf der Fundstelle ein alter menschlicher Wohnsitz gestanden habe; die Hörner waren gespalten und alle Enden waren offenbar mit Steinkeilen abgehackt und absichtlich abgebrochen (vgl. Jahrbücher XXVI, 1861, S. 132). Ich veranlaßte eine weitere Nachforschung in diesem Torfmoor; es ward zwar noch eine zur Handhabe für einen kleinen Steinkeil bearbeitete kleine

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Elenschaufel gefunden (vgl. Jahrbücher XXVII. S. 172), aber nichts weiter, und so war auch dieser Fund wieder eine Täuschung gewesen. Jedoch ward durch solche Funde mein Glaube an Pfahlbauten immer stärker und ich ermunterte den Herrn Büsch immer dringender. Bei Gelegenheit der Nachforschungen in dem Torfmoor 1862 erzählte ihm der Herr Seidenschnur, daß er in einem von dem Torfmoor entfernten großen Moderloche auf seinem Felde beim Ausgraben von Moder viele Pfähle von Eichenholz und auch einige Alterthümer von Stein ausgegraben habe. Als nun der Herr Seidenschnur die Alterthümer an den Verein einsandte, war ich der Pfahlbauten in Meklenburg völlig sicher. Ich begab mich daher sogleich im Mai 1863 mit dem Herrn Büsch nach Gägelow, um die Sache an Ort und Stelle zu untersuchen, und der erste Pfahlbau in Deutschland war entdeckt! Die Stelle war in uralten Zeiten ein kleiner See gewesen, welcher bis auf die neuern Zeiten mit schwarzem Moder fest gefüllt war. An den Rändern dieses Sees hatten im Wasser viele Pfähle gestanden, welche runde Wohnungen zu tragen bestimmt gewesen waren, und innerhalb und neben den Pfahlrundungen hatten viele Alterthümer der Steinzeit gelegen. Aber dieser Pfahlbau stand nicht mehr; der Moder war bis auf den Grund ausgegraben und auf das feste Land gebracht; die Pfähle waren ausgezogen, und auf den Wirthschaftshof geführt und hier getrocknet und zersägt; die hervorragenden Alterthümer waren allerdings von dem Herrn Seidenschnur beim Ausgraben bemerkt und aufbewahrt. Bei der Untersuchung des zum Austrocknen ausgebrachten Moders ergab es sich aber, daß dieser voll Alterthümer aller Art steckte; namentlich fanden sich, außer steinernen Geräthen, sogleich die bezeichnenden zerhackten Thierknochen der Steinperiode, viele Topfscherben, steinerne Reibkugeln und vieles Andere. Dieser Pfahlbau von Gägelow, welcher in den Jahrbüchern XXIX, S. 120 flgd., beschrieben ist, konnte aber, weil er bei der Entdeckung nicht mehr stand, nicht mehr scharf beobachtet werden.

Da nun das Vorhandensein von Pfahlbauten in Meklenburg sicher festgestellt war, so konnte eine scharfe Aufmerksamkeit schon zur Entdeckung neuer Funde führen. Beim Beginn des Torfstiches im Mai 1864 wurden in dem Torfmoore der Stadt Wismar wiederholt feuersteinerne Keile gefunden, welche in die Hände des Herrn Büsch kamen. Dieser, durch die Lagerungsweise bei Gägelow mit ähnlichen Erscheinungen schon vertraut gemacht, sah in diesen Vorboten die Anzeichen von Pfahlbauten, und erkannte solche sogleich nicht nur an sonstigen ausgegrabenen alten Hausgeräthen, sondern auch

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an den noch stehenden und erkennbaren Pfählen. Er setzte daher seine Bemühungen mit dem größten Eifer fort und gelangte dadurch zu der vollständigen Entdeckung. Er überraschte die Quartalversammlung der Vorstandsmitglieder des Vereins in Schwerin am 4. Juli 1864 persönlich mit einer großen Menge von Alterthümern, welche er aus dem wismarschen Pfahlbau gewonnen hatte, in denen ich augenblicklich mit Sicherheit die Ueberreste von Pfahlbauten erkannte. Am 6. Juli untersuchte ich daher mit Herrn Büsch persönlich die Pfahlbaustelle und sah klar die Pfähle einer runden Wohnung in der Tiefe stehen, grade wie ich sie später in der Schweiz in dem Torfmoor von Robenhausen bei Wetzikon gesehen habe, und am 11. Juli konnte in der jährlichen Generalversammlung des Vereins der Vorstand den Mitgliedern die Entdeckung des Pfahlbaues mit Bestimmtheit verkündigen und schon eine reiche Ausbeute von Alterthümern aus demselben vorlegen. Seitdem gab der Torfstich Schritt für Schritt neuen Gewinn, bis im September 1864 für dieses Jahr der Torfstich geschlossen ward und die Auffindung von Alterthümern im Großen damit ein Ende nahm; jedoch wurden noch im November 1864 nachträglich kleine gewinnreiche Ausgrabungen veranstaltet.

Obgleich nun zu erwarten steht, daß das wismarsche Torfmoor noch viele Pfahlbauanlagen birgt und im Laufe der Zeit noch zahlreiche Alterthümer von sich geben wird, so hat der Vorstand des Vereins doch beschlossen, die erste Entdeckung sogleich zu veröffentlichen, wie die schweizerischen Forscher es bei der ersten und jeder neuen Auffindung gethan haben, damit die Wissenschaft rechtzeitig den Gewinn daraus ziehen könne, und in der Ansicht, daß ein vollständiger Abschluß der Forschung vor Ablauf vieler Jahre doch nicht möglich sein werde.

Es folgt hier daher eine genaue Beschreibung und Untersuchung des Pfahlbaues von Wismar und aller darin gefundenen Alterthümer. Da es aber von großer Wichtigkeit ist, die Pfahlbauten wenn auch nur annäherungsweise einer bestimmten Zeit oder Periode zuzuweisen, so werden die in den Pfahlbauten gefundenen Alterthümer mit den in den alten heidnischen Gräbern gefundenen Alterthümern verglichen werden, welche mit jenen muthmaßlich gleichzeitig sind; oder vielmehr, aus der Gleichheit der Alterthümer in bestimmten Arten von Gräbern mit den Alterthümern in bestimmten Pfahlbauten wird sich auf die Gleichzeitigkeit gewisser Gräber und Pfahlbauten schließen lassen. Bei der großen Menge von Gräbern aller Perioden in den nord=

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europäischen Ländern und den reichen wissenschaftlichen Erfahrungen, welche seit länger als einem Vierteljahrhundert aus denselben gewonnen sind, wird also in Norddeutschland die Gräberkunde die Grundlage für die Beurteilung der Pfahlbauten bilden müssen. Daß dabei die sichere Erfahrung von den drei auf einander folgenden Zeitaltern, der Stein=, Bronze= und Eisenzeit 1 ), unerschütterlich zur Richtschnur genommen wird, darf und kann nicht auffallen, da die Erkenntniß von Tausenden von aufgedeckten Gräbern viel sicherer ist, als die Erkenntniß eines Pfahlbaues. Wer daran noch nicht glauben will, der möge nur den Inhalt eines schweizerischen Pfahlbaues und eines norddeutschen Museums mit eigenen Augen vergleichen, und er wird sich ohne Anstrengung überzeugen können, wenn er sich nicht gegen die Wahrheit durchaus verschließen will, vorausgesetzt, daß er selbst viele unberührte Gräber aus allen Perioden im wissenschaftlichen Sinne aufgedeckt hat. Mit den drei Perioden wird übrigens gar kein "System 2 ) gemacht". sondern die Funde


1) Zu den Beobachtern der drei Perioden kommt jetzt noch Professor Weinhold in Kiel für Schleswig, Holstein und Lauenburg in dem so eben ausgegebenen 24. Bericht der Schleswig=Holst.=Lauenb. Gesellschaft, Kiel, 1864, "Die Eintheilung der Heidengräber". In demselben Berichte S. 23 wird durch J. Brinckmann für Lauenburg auch die alte Eisenperiode unwiderleglich festgestellt, welche mit der alten Eisenperiode in Meklenburg auf das genaueste übereinstimmt.
2) Es ist im J. 1864 während des Krieges mit Dänemark von mehreren Seiten, namentlich von v. Ledebur zu Berlin, dem sich später Haßler zu Ulm angeschlossen hat, eine heftige, wie es scheint politische Opposition gegen das angeblich von den Dänen eingeführte sogenannte "System" der Eintheilung der heidnischen Alterthümer nach der Stein=, Bronze= und Eisen=Periode geführt, und auch Lindenschmit zu Mainz hat fast gleichzeitig diese Eintheilung verworfen; ja es ist diese Unterscheidung als ein "von außen her octroyirtes, "mit wahrer Aufdringlichkeit gepredigtes System" bezeichnet, mit dem "Bestreben, ganz Deutschland zu danificiren!" Ich für meinen Theil muß mich gegen diese, wie es mir scheint, aus irriger Auffassung entstandene Behauptung alles Ernstes verwahren, da ich in Deutschland dieses sogenannte System früher aufgestellt habe, als die Dänen, mit deren Forschern und Forschungen ich zur Zeit der Aufstellung des "Systems" völlig unbekannt war, so wie diese wiederum die antiquarischen Zustände in Deutschland noch gar nicht kannten. Thomsen hat mit der ihm eigenthümlichen Bescheidenheit und Vorsicht, aber auch mit Sicherheit, seine Ansicht zuerst vollständig ausgesprochen in dem kleinen Buche: "Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, Kopenhagen, 1837," S. 57 flgd., welches Schuld an der angeblichen Danisirung sein soll; die Vorrede dieser deutschen Uebersetzung, welche Ledebur meint, ist vom November 1837 datirt. Dieselben Ansichten habe ich, nach der schwierigen und langwierigen Entdeckung der damals noch unbekannten Eisenperiode aus der Brandzeit, auf (  ...  )
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aus den verschieden construirten Gräbern reihen sich von selbst nach dem Bau der Gräber zu einem abgerundeten Ganzen. Man braucht die Funde aus gleich gebaueten Gräbern nur zusammen zu legen, und dies zusammenlegen allein wird immer Gleichartiges zusammenführen und ist die Schuld an dem sogenannten "System", welches sich selbst gemacht hat.

Die folgende Untersuchung wird also auch die letzten Ergebnisse der Gräberforschung in sich aufnehmen müssen und diese durch die Pfahlbauten vielleicht schärfer und klarer hinstellen können, als es bisher hat geschehen können. - Außerdem wird sich die folgende Darstellung dem Geschäfte nicht entziehen können, die meklenburgischen Pfahlbauten mit den schweizerischen zu vergleichen, von denen ich die vorzüglichsten selbst untersucht habe, weil hiedurch allein Licht in ein für uns noch ziemlich dunkles Gebiet zu bringen ist. - Alle diese Rücksichtnahmen werden eine dienliche Unterlage für fernere Entdeckungen in Meklenburg bieten können.



(  ...  ) die es bei der Erkenntniß der Perioden vorzüglich ankommt, da sich die beiden andern Perioden von selbst leicht herausstellen, in dem großen Werke: "Friderico-Francisceum, Leipzig, 1837," ausgesprochen; die Vorrede ist nach Vollendung des Drucks (im J. 1836 und früher) vom Januar 1837 datirt. Schon am 27. Januar 1837 veröffentlichte ich diese meine fertigen Ansichten vorläufig und populair in den "Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Alterthümer Meklenburgs" im Schweriner Freimüthigen Abendblatt, 1837, Januar 27, Nr. 943 flgd., im Separat=Abdruck, Schwerin, 1837, und in den Jahrbüchern des Vereins für Meklenb. Geschichte, II, 1837, S. 132 flgd. und bei der Stiftung dieses Vereins im April 1835 habe ich dessen bekannte Sammlungen nach diesem "System" angelegt, wie sie noch heute zu sehen sind. Und zu allen diesen umfassenden Bestrebungen gehörten vorher doch wohl mehrere Jahre Forschungen und Arbeiten. Mir ist also in Deutschland kein dänisches System octroyirt und bin ich daher für Meklenburg, welches bekanntlich in Deutschland liegt, leider genöthigt, die Sünde der Erfindung dieses verhaßten "Systems" auf mich zu nehmen. Freilich erschien die dänische Ausgabe des Leitfadens schon 1836 und die Grundzüge waren schon früher in dänischen Zeitschriften ausgesprochen, aber alle diese dänischen Schriften waren bis zum Erscheinen der deutschen Uebersetzung in Deutschland, sicher mir, völlig unbekannt. Die antiquarischen Studien sind in Meklenburg aber wenigstens eben so alt, als in Dänemark, sicher sind beide gleichzeitig und beide ganz unabhängig von einander. Uebrigens muß ich gestehen, daß ich nicht stark genug bin, in der Wissenschaft eine Unterscheidung nach "von außen" und innen anerkennen zu können; jedoch bekenne ich gerne, daß ich "von außen" her, wenn man es so nennen will, namentlich im J. 1864, viel gelernt habe und daß der Krieg von 1864 nicht von Einfluß auf meine Gesinnung gegen den ehrwürdigen Thomsen gewesen ist, welcher in der Alterthumswissenschaft mehr wenigstens erfahren hat, als alle andern Studiengenossen.
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2. Gräber der Steinperiode.

Die ältesten Gräber des Menschengeschlechts sind ohne Zweifel die aus großen Steinblöcken auf dem natürlichen Erdboden aufgebaueten Grabkammern, deren Steinbau von außen sichtbar ist. Man richtete zwei große Steinblöcke, in den Ebenen immer, in den Gebirgsgegenden auch wohl vorherrschend Findlinge oder erratische Blöcke, in Meklenburg ohne Ausnahme von Granit, einander gegenüber in einer solchen Entfernung von einander auf, als es durch die Länge einer Deckplatte bedingt ward, und so, daß man eine menschliche Leiche hineinsetzen konnte. Dann ward die Leiche sitzend so hineingesetzt, daß das Gesicht gegen Osten gewandt war. Hierauf versicherte man die Leiche durch verschiedene Mittel gegen wilde Thiere, überdeckte sie mit einer großen Steinplatte, welche von den beiden Endpfeilern getragen ward, verschloß die beiden Seiten durch etwas kleinere Steine und verwahrte auch von außen die Fugen und Lücken durch Verpackung mit kleinen Steinen. Die Steine, aus denen ein solches Grab aufgebauet ist, sind gewöhnlich von colossaler Größe, sehr häufig über 5000 Pfd. schwer. Diese einfachen Gräber sind jetzt gewöhnlich an den Seiten geöffnet und ausgeräumt, denn die Habgier hat seit vielen Jahrhunderten nach irdischen Schätzen in ihnen gewühlt. Man sieht sie aber nicht sehr selten geöffnet auf den Feldern und sind allgemein unter den falschen Namen von Opferaltären, Steinkisten, Teufelsbacköfen u. s. w. bekannt. Sehr häufig sind aber mehrere Begräbnisse dieser Art dicht an einander gestellt und mit einander verbunden, am häufigsten vier, welche also oben durch vier Decksteine und an jeder Seite durch vier Tragsteine zu erkennen sind. Die innere Einrichtung dieser Gräber, welche gewöhnlich Hünengräber genannt werden, ist folgende. Die Tragsteine wurden, mit den ebenen Flächen nach innen gekehrt, dicht an einander gerückt. Der Boden ward mehrere Zoll hoch mit einem künstlichen Estrich (einer Art Chaussee) bedeckt, welcher aus Thon, grobem Sand und durch Feuer ausgeglüheten und daher blendend weißen, scharfen Feuersteinsplittern bestand. Diese Mischung ward ohne Zweifel gewählt, um Feldmäuse und Gewürm abzuhalten, da Feuersteinsplitter sehr scharf und schneidend sind; das Ausglühen geschah aber eben so sicher wohl nur zur Zierde, da die weiße Farbe des ausgeglüheten Feuersteins sehr rein ist. Vielleicht war aber die Legung dieses Estrichs auch eine Nachahmung der häuslichen Gewohnheit, indem man durch die Pfahlbauten erfahren hat,

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daß der Boden der Pfahlwohnungen ebenfalls mit einem ähnlichen Estrich belegt war, in welchen freilich keine scharfe Feuersteinsplitter gemengt wurden. Die Fugen zwischen den Tragsteinen wurden sorgfältig mit gespaltenen dünnen Platten von jungem rothen Sandstein ausgezwickt und versperrt; auch die Seitenwände wurden in der Tiefe mit solchen Platten bekleidet und die einzelnen Abtheilungen oder Kammern in großen Gräbern durch gleiche Platten abgegrenzt. Man bezweckte durch die Wahl dieser Gesteine ohne Zweifel die Herstellung eines Farbenschmucks, da die Farben weiß und roth neben dem hellgrauen Granit immer eine schöne Farbenzusammenstellung geben. In eine solche Kammer ward eine Leiche sitzend beigesetzt, und zwar nicht verbrannt. Ich habe nie bemerkt, daß die Leichen ganz liegend beigesetzt gewesen wären; dies wird auch in den seltensten Fällen möglich gewesen sein, da Decksteine von der dann erforderlichen Länge nicht häufig sind, und nach diesen sich die Länge des innern Raumes der Grabkammer richten mußte. Auch habe ich nie bemerkt, daß die Leiche "hockend", wie man vermutet hat, beigesetzt worden sei, da ich die Beinknochen immer ganz ausgestreckt liegend gefunden habe. Man gab der Leiche immer einige, jedoch nicht viele kriegerische oder häusliche Geräthe mit ins Grab, nämlich vorherrschend Streitäxte, Lanzenspitzen, Dolche, Keile, spanförmige Messer u. A. Alle diese Geräthe sind ohne Ausnahme von Stein; ich habe nie bemerkt oder erfahren, daß ein metallenes Geräth 1 ) in der Tiefe eines solchen Steinhauses der Steinzeit neben der L eiche gefunden wäre. Außerdem finden sich neben der Leiche immer einige tönerne Gefäße, Krüge und Schalen; diese enthalten nie zerbrannte Knochen, sondern sind nur mit der sie umgebenden Erde gefüllt; mitunter freilich bemerkt man in denselben einen anders gefärbten oder fettigen


1) Gegen die durch alle Erfahrungen gestützte Eintheilung der Gräber (und auch Pfahlbauten) in drei Clausen: Stein=, Bronze= und Eisengräber, kann nicht die Beobachtung sprechen, da sich in Bronzegräbern auch Steinsachen und in Eisengräbern auch Steinsachen und Bronzesachen finden; die Materialien und Geräthe früherer Zeiten wurden natürlich auch in den folgenden Zeiten gebraucht, selbst bis auf den heutigen Tag. Aber man darf die Folgerung nicht umkehren und verkehren! Es finden sich z. B. in Bronzegräbern Steinsachen aber nie in Steingräbern Bronzesachen u. s. w. - Vollends darf man in der Erforschung der Pfahlbauten von vereinzelten, zufällig verloren gegangenen jüngeren Geräthen keinen Schluß auf die ganze übrige Masse machen. Man soll nie die Ausnahme zur Regel erheben wollen.
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Bodensatz. Diese Gefäße, welche gewöhnlich durch die darüber aufgehäufte Last zertrümmert und daher im unverletzten Zustande sehr selten sind, wurden, ohne Zweifel mit Speise und Trank gefüllt, dem Tobten zur Seite gesetzt. Dann ward die Leiche mit Erde bedeckt und die ganze Grabkammer bis oben hinauf mit kleinen Steinen fest verpackt. Schließlich ward die Kammer mit dem Decksteine geschlossen. Auch von Außen wurden die Fugen zwischen den Tragsteinen mit kleinen Steinen fest verpackt.

Solche freistehende Gräber der Steinzeit, welche ich für die ältesten halte, sind nicht mehr sehr häufig und werden bei der immer mehr steigenden Ausbildung des Feldbaues immer seltener. Es ist mir in den neuesten Zeiten nach Gewinnung reiferer Erfahrungen noch geglückt, zu Alt=Sammit bei Krakow zwei solche große Gräber, jedes mit 4 Decksteinen, welche noch völlig unberührt und vollständig ausgestattet waren, aber zu Bauten abgetragen werden mußten, aufzudecken; die ausführliche Beschreibung findet sich in den Jahrb. XXVI, 1861, S. 115 flgd. Eine ähnliche Steinkiste mit 2 Decksteinen ward zu Moltzow aufgedeckt; vgl. Jahresbericht VI, S. 133. Ueber frühere Aufdeckungen vgl. Frid. Franc. Erl., S. 24.

Es giebt aber auch noch eine andere Classe von "Hünengräbern" der Steinzeit, welche auch wohl "Riesenbetten" genannt werden und welche ich hier Hügelgräber der Steinzeit nennen will. Diese Gräber gleichen in Hinsicht der Steinbauten den so eben behandelten Steinkisten ganz, indem sie auch die beschriebenen Steinkammern, gewöhnlich mit vier Decksteinen haben. Aber es ist um die Steinkammern bis gegen die Höhe der Decksteine ein Erdhügel aufgeworfen, welcher sich, bei nicht großer Breite, in sehr großer Länge erstreckt und am Rande, wahrscheinlich nur zum Schutze, von großen Granitpfeilern begrenzt ist. In diesen Erdhügeln finden sich auch außerhalb der Steinkisten Begräbnisse. Diese Gräber sind sehr mächtige Werke und machen einen überwältigenden Eindruck. Eines der bedeutendsten Gräber dieser Art ist das auf der folgenden Seite in Ansicht und Durchschnitten abgebildete Hünengrab von Naschendorf bei Grevesmühlen. Die Steinkiste mit 4 Decksteinen, jeder von 9 bis 10 Fuß Länge, steht an einem Ende in dem Erdhügel. Der lang gestreckte Erdhügel, ungefähr 5 bis 6 Fuß hoch, ist 150 Fuß lang und 36 Fuß breit. An dem Rande dieses Erdhügels umher stehen 50 Granitpfeiler von 5 Fuß Dicke, welche 9 Fuß lang sind und 6 Fuß über der Erde hervorragen. Vgl. Frid.

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Franc. Tab. XXXVI, Fig. II. und Erläut. S. 164. Gleich große Gräber stehen zu Friedrichsruhe bei Crivitz (vgl. Jahrb. XXIV, S. 259) und sonst in Lande. Diese Hügelgräber sind gewöhnlich besser erhalten, als die Steinkisten, weil sie für Schatzgräbereien zu mächtig sind und Ehrfurcht einflößen, obgleich die großen, schönen Steine zu Pracht= und Wegebauten sehr begehrt sind. An diesen Gräbern wird nie eine Spur von rechtwinklig angesetzten Seitengängen bemerkt, welche sich häufig in Skandinavien, auch halb zerstört in Meklenburg, finden (vgl. Nilsson Skandinaviska Nordens Ur-Invanare, Theil 1). Diese langen "Riesenbetten" bilden also nie Halbkreuzgräber oder Ganggräber, wie Nilsson sie nennt. Diese Seitengänge finden sich wohl nur an den ältesten Gräbern.

Hügelgrab

Diese Hügelgräber enthalten in ihren Steinkisten dieselben Gegenstände, welche in den oben beschriebenen Steinkisten gefunden werden, und gehören ebenfalls der Steinperiode an. Jedoch halte ich sie für etwas jünger, als die Steinkisten; ich kann hiefür freilich keinen andern Grund anführen, als daß diese Grabbauten selbst und die in ihnen gefundenen Geräthe mehr ausgebildet erscheinen und besser erhalten sind.

Der Verein hat das Glück gehabt, mehrere solcher Hünengräber von ungewöhnlicher Größe aus dringender Veranlassung aufzudecken oder deren Aufdeckung zu beobachten:

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1) Grab von Prieschendorf bei Dassow, Jahresbericht II, 1837, S. 25 flgd., sehr regelmäßig aufgedeckt.

2) Grab von Moltzow bei Malchin, Jahresbericht VI. 1841. S. 134 flgd., sehr sorgfältig aufgedeckt.

3) Gräber von Stuer bei Plau, Jahrb. XIII. 1848, S. 357 flgd., und XVIII, S. 234 sorgfältig aufgegraben.

4) Grab von Mestlin bei Dobbertin, Jahrb. XXVII, 1862, S. 165 flgd.

Ueber frühere Aufdeckungen vgl. Frid. Franc. Erl. S. 72 flgd.

Alle diese Gräber, und viele andere schon mehr beschädigte, haben keine Spur von Metall enthalten, sondern nur Geräthe aus Stein und gehören ohne allen Zweifel der Steinperiode an, mag man nun diese lang gestreckten Hügelgräber der Steinperiode für jünger halten, als die frei stehenden Steinkisten, oder für gleichzeitig mit diesen.

Für den Pfahlbau von Wismar werden diese lang gestreckten Hünengräber aber dadurch ungemein wichtig, daß der Pfahlbau von Wismar Geräthe enthalt, welche, wie sich weiter unten ergeben wird, mit den Geräthen dieser Hügelgräber der Steinzeit vollkommen übereinstimmen und daher mit diesen in dieselbe Zeit fallen müssen, in dem sich solche Geräthe sonst nirgends weiter finden. In den Gräbern der Steinperiode werden also dieselben Menschen begraben worden sein, welche die Pfahlbauten bewohnt haben. Daher können sich die Alterthümer der meklenburgischen Pfahlbauten der Vergleichung mit den Alterthümern der meklenburgischen Hünengräber nicht entziehen.


3. Lage des Pfahlbaues von Wismar.

Mit einer Karte, Tafel I.

Von der Stadt Wismar, welche an einem weiten, halbsalzigen Meerbusen der Ostsee liegt, erstreckt sich in gleicher Höhe mit den nächsten Umgebungen der Stadt, umgeben von höher liegendem Ackerlande, von der halbsalzigen Binnensee nur durch einen nicht breiten Streifen Ackerlandes getrennt, gegen Norden hin in das feste Land hinein eine weite Niederung bis zu dem der Wismarschen Stadt=Kämmerei gehörenden Erb=

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pachtgute Müggenburg, links am Wege von Wismar nach Rostock. Der größere Theil dieser Niederung ist jetzt festes Wiesenland und wird zur Viehweide benutzt. Innerhalb dieses Wiesenlandes liegen jedoch mehrere weite Räume ursprünglich festen Landes, welche als Ackerland benutzt werden; die bedeutendsten von diesen trugen nach einer alten Karte 1 ) früher die jetzt verschwundenen Namen Kagenmark, Dorsteen und Swanzenbusch 2 ). Das Ackerstück Dorsteen bildete mit den umgebenden Wiesen in dem ersten Jahrhundert der Stadt Wismar das Feld eines Lehnhofes, welcher damals der Familie von Lewetzow auf dem nicht weit von Wismar liegenden Hauptgute Lewetzow, mit dem Gatter im Schilde, eigenthümlich gehörte. Erst im J. 1277 kaufte die Stadt Wismar von der Familie von Lewetzow den Hof Dorsteen ("curiam dictam Dorsten") mit dem Moor ("cum palude, que vulgo moor nuncupatur," zum Eigenthum und zu Stadtrecht ("wicbeledesrecht") 3 ). Von den Wiesen, welche um das Dorsteen=Feld liegen, und Welche im J. 1277 das "Moor" genannt wurden, hießen nach der alten Karte noch im Anfange des vorigen Jahrhunderts die südliche nach Kagenmark hin das "große Moor", die nördliche nach Müggenburg hin das "Lattmoor". Dieses früher so genannte "Lattmoor" 4 ) zwischen dem Dorsteen, dem Swanzenbusch und Müggenburg ist der Raum in welchem die Pfahlbauten 5 ) entdeckt sind, ungefähr 250 □Ruthen (à 15 Fuß) groß.

Die Pfahlbauten liegen zunächst dem Landgute Müggenburg (Mückenburg) an der Wismarschen "Landwehr", unge=


1) Die alte Karte, welche noch alle alten Namen enthält, stammt spätestens auf dem Anfange des vorigen Jahrhunderts und ist im Besitze des Herrn Dr. Crull zu Wismar. Sie ist zu der hier beigegebenen Karte, namentlich für die Namen, zu Hülfe genommen und hat diese wesentlich aufklären helfen.
2) Andere feste Ackerstücke an der Wiesenfläche sind: südlich das "Haff=Feld", der Hauptstock des ehemaligen Dorfes Vinekendorf, daneben "auf dem Tornei", - nördlich das "Baumfeld" und "Müggenburg", in denen die Dörfer Ricquersdorf und Cismersdorf untergegangen sind, - östlich die "Hufe".
3) Am 19. März 1277 verlieh die Fürstin Anastasia, als Landesregentin, der Stadt Wismar das Eigenthum des Hofes Dorsten, welchen die Stadt von den Brüdern Günther und Heyne von Lewetzow, Rittern, gekauft hatte; vgl. Lisch, Urkunden des Geschl. Maltzan I, S. 46; Schröder, Pap. Mekl. I, S. 1028 (vgl. 1025).
4) Das "Lattmoor" wird jetzt auch noch das "Lappemoor" genannt. Schröder, P. M., S. 1024, hat irrthümlich "Kappemoor".
5) Die Lage und Gestalt der bisher aufgefundenen Pfahlbauten im "Lattmoor" ist auf der Karte durch die Zeichen ● und ■ bezeichnet.
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Pfahlbau von Wismar - Lage
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fähr 1/3 geogr. Meile nördlich von der Stadt Wismar entfernt. Müggenburg ist ein der Stadt Wismar gehörendes Erbpachtgut, welches erst im 18. Jahrhundert aufgebauet sein wird. Der Name für diese "Burg", d. h. den Durchgang durch die Landwehr (Umwallung der Stadtfeldmark), wird erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden sein. Zunächst den Pfahlbauten liegt auf Lehmboden die Müggenburger Ziegelei, deren Abhänge bis zum Moor früher "Rosensaal" und "Lusebusch" (Läusebusch) genannt wurden (auf der beigegebenen Karte oben im Norden). Der Boden von Müggenburg ist eben und liegt gegen das Moor nicht sehr hoch; die Entwässerung des eingeschlossenen "Lattmoores" ist sehr schwierig.

Alle Wiesen der Niederung werden von der Stadt zur Weide benutzt, so weit nicht Torf in ihnen gestochen wird. Für das Erbpachtgut Müggenburg war aber im "Lattmoor" der auf der Karte abgegrenzt bezeichnete Raum zur Torfgewinnung "reservirt", welcher das "Müggenburger Reservat" genannt wird. Dieses wird seit mehreren Jahren zur Torfgewinnung ausgebeutet und dabei sind die Pfahlbauten entdeckt. Möglich und wahrscheinlich ist es, daß in den letztvergangenen Jahren schon viele Pfahlwohnungen aus Unkenntniß zerstört sind.

Die im J. 1864 entdeckten Pfahlbauten liegen in dem Torfmoor nicht sehr weit von dem festen Ackerlande entfernt.

Die in der Niederung liegenden Ackerstücke, welche auf der Oberfläche freilich eben sind, fallen meistens mit ziemlich steil abfallendem Rande in die Niederung ab.

Betrachte ich die jetzige Lage dieser lang gestreckten Niederung, so ist mir die große Aehnlichkeit derselben mit den Wiesen= und Moorniederungen von Münchenbuchsee (bei Hofwyl) und Robenhausen oder Pfäffikon in der deutschen Schweiz mit ihren berühmten Pfahlbauten, welche ich im September 1864 besucht habe, höchst auffallend gewesen. Der einzige Unterschied besteht darin, daß an beiden Orten noch etwas See übrig geblieben ist, während die Gewässer bei Wismar ganz zum festen Wiesenlande geworden sind. Selbst die nächsten landschaftlichen Umgebungen der beiden Schweizer Moore müssen den Meklenburger als bekannte anheimeln.

Zur Zeit der Pfahlbauten wird die ganze Niederung ein völlig verschiedenes Ansehen gehabt haben. Alle Wiesenniederungen bildeten ohne Zweifel einen klaren, großen Süßwasser=See, dessen Spiegel damals bedeutend niedriger war, und aus diesem See ragten die sicher mit Wald be=

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wachsenen Flächen als Inseln hervor, welche jetzt (mit den Namen Kagenmark, Haffeld, Tornei, Swanzenbusch, Dorsteen und Hufe) unter dem Ackerpfluge liegen. Vorzüglich angenehm und schön wird das ehemalige Pfahlbaudorf gleichsam in einem geschützten Hafen (Lattmoor), nahe umgeben von den bewaldeten Inseln (Dorsteen und Swanzenbusch) und dem festen Lande, gelegen haben, mit einer engen Wassereinfahrt zwischen den beiden großen Inseln.

Diese Andeutungen über die äußere Lage werden die Beobachtungen über die Innern Lagerungsverhältnisse bedeutend aufzuhellen im Stande sein.


4. Lagerungsverhältnisse des Pfahlbaues von Wismar.

Mit einer Durchschnittszeichnung, Tafel II.

Die Lagerungsverhältnisse der Wismarschen Pfahlbauten bieten ganz außerordentliche Erscheinungen dar, welche wohl geeignet sind, dem Gange der noch jetzt wirksamen Naturbildungen nachzuspüren. Die ganze Wiesenniederung bildet jetzt ein tiefes, festes Moor, welches im Ganzen ungefähr 16 Fuß tief ist; wenigstens ist das "Lattmoor", in welchem die Pfahlbauten gefunden sind, bis auf die äußerste Tiefe genau beobachtet.

Die oberste Schicht dieses Moores bildet eine starke Lage von ächtem, gewachsenem, braunem Torf (sphagnum), welcher gegenwärtig gegraben wird.

Diese obere Torfschicht ruhet aber auf einer viel stärkern Schicht von torfähnlichem Moder, welcher bei der Torfgrabung gefunden und mit ausgebeutet ward, um die dadurch gewonnene derbere Masse, wenn sie auch kein eigentlicher Torf war, mit dem etwas leichten Torf zu verarbeiten. Dieses untere, schwarze Moderlager hat vor Jahrtausenden ohne Zweifel einen Süßwasser= oder Landsee gebildet, dessen Spiegel viel tiefer lag, als die jetzige Oberfläche des genannten Moores.

Eine genaue Schilderung der Erfahrungen bei der Aufgrabung und der jetzigen Lagerungsverhältnisse wird werth=

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Volle Aufschlüsse über die Umwandlung der Niederung aus einem See in die heutige Moorwiese geben und dereinst vielleicht ungefähre Schlüsse auf das Alter der Pfahlbauten und die Füllung des Seebeckens gestatten.

Es wird am besten sein, nachdem hier vorweg angenommen ist, daß die Niederung früher einen See bildete, mit der Schilderung der Lagerungsverhältnisse von unten anzufangen.

Der ehemalige See, in welchem die Pfahlbauten standen, ist ungefähr 10 Fuß tief gewesen; die Tiefe hat in einiger Entfernung von dem ehemaligen Ufer zwischen 9, 10 und 11 Fuß geschwankt. Der Boden dieses ehemaligen Sees ist ein bläulich=hellgrauer, etwas kalkhaltiger Thon ("Schindel"), welcher in Säuren im Anfange leicht und wenig aufbrauset und im Wasser umgerührt weißlich erscheint. Nahe unter dem Schindel lagert Kiessand. In und auf dem Schindel liegen viele kleine Süßwasser=Muscheln und Schneckenschalen. Die Müggenburger Ufer des festen Landes bestehen aus Thon, wie die Ziegelei beweiset, welche nahe am Moor angelegt werden konnte. In dieser Tiefe stehen die Pfähle, welche, so weit sie in dem Moder stehen, ebenfalls ungefähr 10 Fuß Länge haben, gegen 2 Fuß tief in den Schindelgrund des ehemaligen Sees eingetrieben sind und nur wenig über den ehemaligen Spiegel des Sees hervorragen. Die Pfähle sind oben angebrannt und bis dicht über den ehemaligen Wasserspiegel abgebrannt oder zur Kohle durchbrannt. Man kann genau sehen, wie weit die Pfähle nach oben im Wasser gestanden haben, indem sie nach dem Herausheben gerade so weit zusammengetrocknet und im Durchmesser verkleinert sind, so weit sie aber aus dem Wasser hervorgeragt haben, stark verkohlt sind, und daher nicht haben zusammentrocknen können. Innerhalb dieser Pfahlfundamente und außerhalb neben denselben liegen auf dem ehemaligen Seegrunde die vielen Alterthümer, welche einst den Hausrath der Bewohner der Pfahlhäuser gebildet haben. Dieses alte Seebecken ist nun ganz mit dunklem, schwarzem Moder fest gefüllt. Wenn der Moder getrocknet wird, so spaltet er horizontal in dünne Blättchen; es scheint also in den Hauptbestandtheilen Pflanzenmoder zu sein, welcher aus hinein geweheten Blättern von Waldbäumen und verweseten Wasserpflanzen, aber auch aus verweseten Wasserthieren entstanden ist. Es gehört gewiß eine sehr lange Reihe von Jahrhunderten dazu, ehe diese Füllung möglich und so sehr früh wirklich ward. - Ganz ähnlich lag der Pfahlbau von Gägelow, Welcher früher ebenfalls in einem kleinen Landsee gestanden hatte; auch dieser war fast eben so tief, wie

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der Wismarsche, mit demselben festen, schwarzen Moder gefüllt, nach dessen Befestigung eine feste Erdschicht von Thon und Sand von fast 2 Fuß Dicke darüber geweht und geschwemmt war, welche das Vorhandensein des Sees dem Auge gänzlich entrückt hatte.

Ueber diesem mächtigen Moderlager des Wismarschen Pfahlbaues lag eine ungefähr 1 Fuß dicke Schicht von Dammerde, welche einst die Oberfläche des zugewachsenen Sees gebildet und denselben und die Pfahlbauten auf lange Zeiten mit Vergessenheit bedeckt hatte. In dieser leichten, aber festen Erdschicht, bis zu welcher und in welche die angebrannten Pfahlköpfe reichen, ist nichts weiter gefunden und beobachtet worden.

Aber hiemit hat die Bildung dieses merkwürdigen Seebeckens noch nicht ihre Endschaft erreicht. Die Oberfläche des mit Moder zugewachsenen Sees war in sehr alten Zeiten ohne Zweifel wenn endlich auch fest, doch noch sehr feucht, namentlich da es an Abfluß und durch die Versumpfung an Verdunstung fehlte, und so siedelte sich hier über der Moderschicht die Torfpflanze (sphagnum) an, die in die Höhe wuchs und ein Torflager von ungefähr 5 Fuß Mächtigkeit bildete, welches an der Oberfläche endlich ganz festes Weide= und Wiesenland ward. Vor mehreren Jahrhunderten hat dieses obere Torfmoor eine Holzung von weichen Holzarten, wie Erlen und Weiden, ein "Erlenbruch", getragen; denn es werden starke und noch feste Baumwurzeln von ganz hellbraunem oder dunkelgelbem Ansehen in sehr großer Menge ausgegraben und noch als Brennholz benutzt. Jetzt ist die Oberfläche fest und eben und mit Gras bewachsen, hat früher den Wald getragen und trägt nun das Vieh zur Weide. Diese obere Torfschicht wird im christlichen Mittelalter, ungefähr vor 600 Jahren, noch nicht überall ganz fest gewesen sein, denn es finden sich in derselben oft Thierknochen von heller Farbe und Alterthümer von offenbar jüngerem Ursprunge. So wurden z. B. viele Knochen von einem ohne Zweifel im Mittelalter hier versunkenen Pferde gefunden und daneben 3 eiserne Hufeisen und ein großer, runder eiserner Schwertknopf, wohl aus dem 13. Jahrhundert, vielleicht von den v. Lewetzow auf Dorsteen stammend. Sicher ist es, daß in dieser obern Torfschicht nie Alterthümer aus der heidnischen Vorzeit gefunden werden. Sehr merkwürdig ist es, daß durch das Emporwachsen des Torfes die Fläche der ehemaligen Niederung um 5 bis 6 Fuß erhöhet ist, da sich die angebrannten Pfahlköpfe von den Pfahlbauten immer 5 Fuß tief unter der jetzigen Oberfläche, nämlich

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Pfahlbau von Wismar - Durchschnitt
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dicht über dem Spiegel des ehemaligen Sees finden. - Durch die Zwischenschicht Dammerde, welche schon früh fest geworden sein muß, sind auch keine Alterthümer der neueren Zeiten hindurchgesunken, mit Ausnahme einiger größerer Steine.

Betrachtet man nun die große Mächtigkeit der Füllung der Niederung, so muß man auf ein sehr hohes Alter der Pfahlbauten schließen. Es liegt auf dem ehemaligen festen Seeboden eine Schicht von 16 Fuß Dicke, von welcher unten in der Pfahlbauregion 10 Fuß Moder bilden; dieser wird von einer Schicht Dammerde von 1 Fuß Dicke bedeckt; und hierauf ist eine Torfschicht von 5 Fuß Dicke gewachsen, welche ganz oben mit einer festen Rasendecke belegt ist. Die Tiefe, in welcher sich schwere Alterthümer in Torfmooren finden, oder vielmehr die Dicke der Torfschicht, welche über Alterthümern lagert, kann nie einen Maaßstab für das Alter der Alterthümer abgeben; denn diese sind alle ohne Zweifel hineingefallen, als die Moore noch weich oder flüssig waren, und sind durch ihre Schwere immer bis auf den festen Grund hinabgesunken. Man wird daher Alterthümer in Torfmooren immer nur unten auf dem festen Grunde finden; die Mächtigkeit und Festigkeit der darüber liegenden Torfschicht hängt aber rein von örtlichen und zufälligen Umständen ab. Einen sicherern Maaßstab giebt aber die Moderschicht, welche die heidnischen Alterthümer bedeckt. Freilich ist auch diese einst flüssig gewesen und die Alterthümer sind auch hier bis auf den festen Grund hinabgefallen; aber es gehört eine sehr lange Zeit dazu, bis sich ein tiefes und großes Gewässer mit Moder füllt und dieser so fest wird, daß er wieder ein Torfmoor tragen kann.

Daher kann man nur annehmen, daß viele Jahrhunderte verflossen sind, seitdem der Pfahlbau von Wismar untergegangen ist. Zur nähern Bestimmung der Zeit werden die Lagerungsverhältnisse des Wismarschen Pfahlbaues einmal einen wichtigen Beitrag liefern.

Die meisten Pfahlbauten der Schweiz finden sich in den bekannten großen Seen an Uferstellen, welche für Pfahlbauten nicht zu tief sind. Die Bewegung der großen Wassermassen dieser Seen hat aber in der Regel Moder= und Torfbildungen verhindert, und daher sind hier die Ueberreste der Pfahlbauten gewöhnlich nur mit einer nicht sehr starken Schicht von Uferschlamm bedeckt. Es giebt aber in der Schweiz auch Pfahlbauten in Torfmooren, welche ehemals Seen waren. Namentlich ist in dieser Hinsicht der große Pfahlbau von Robenhausen bemerkenswerth, der in einem weiten Torfmoore steht, welches einst einen flachen Theil des Pfäffikersees gebildet hat.

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Dieser Pfahlbau, den ich persönlich untersucht habe, steht in einem Torfmoor (Riet), welches bis zum festen Untergrunde nur 6 Fuß tief ist; die jetzige Oberfläche des Moores ist daher ungefähr die Oberfläche des ehemaligen Sees. Die Lagerungsverhältnisse sind hier also nicht so bedeutend, wie bei Wismar 1 ). Man findet zu Robenhausen die Pfähle, welche freilich sehr morsch, aber noch weißlich sind, sehr bald unter der Oberfläche, und die Alterthümer sind auch nicht sehr schwer zu erlangen, da auf dem Untergrunde des Moores noch viel klares Wasser steht. Eben so stehen die schweizerischen Pfahlbauten von Wauwyl und von Moosseedorf=See, von denen ich den letztern ebenfalls in Augenschein genommen habe, in Torfmooren, obgleich, wie am Pfäffiker=See, noch Reste von den ehemaligen Seen vorhanden sind. Die Ausdehnung und Gestaltung der schweizerischen Moore und Pfahlbauten ist aber der Bildung bei Wismar außerordentlich ähnlich.


5. Die Pfahlhäuser.

Die Pfahlhäuser stehen, ungefähr 260 Schritte von der Müggenburger Ziegelei entfernt, in der untern schwarzen Moderschicht, ungefähr 30 Schritte von dem nächsten festen Lehmboden entfernt. Es sind bis jetzt fünf Pfahlhäuser beobachtet, wie sie auf der Karte angedeutet sind, von denen jedoch ein Theil noch nicht ganz aufgegraben, ein anderer Theil schon


1) Nach meiner Zusammenkunft mit Herrn Messikomer im Pfahlbau von Robenhausen im Sept. 1864 schreibt mir aber dieser am 7. Nov. 1864: "Ich bin vollkommen überzeugt, daß auf einem Theile der Niederlassung drei Pfahlbauten über einander stehen, was ich durch das Profil unwiderlegbar beweisen kann. Die erste und hauptsächlichste Fundschicht lag hier 10 bis 11 Fuß unter der Oberfläche." Man wird also in dem Moor von Robenhausen in Hinsicht auf die Tiefe der ältesten Pfahlbauten vielleicht zu derselben Erkenntniß gelangen, wie sie die Pfahlbauten von Wismar geliefert haben. - Am 7. Januar 1865 sandte mir Herr Messikomer ein gedrucktes "Profil der Pfahlbaute Robenhausen". Nach demselben liegen unter der bisher bekannt gewesenen, obern Niederlassung noch 2 ältere Niederlassungen über einander. Die Pfähle der obersten Fundschicht stehen in dem Moder der beiden untersten Fundschichten, deren Pfähle im alten Seeboden stehen. Die beiden untersten Schichten mußten also fest geworden sein, bevor in der obersten Schicht ein Pfahlbau errichtet werden konnte. - Dies ist die neueste Entdeckung bis zum Druck dieser Zeilen im Februar 1865.
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vor der Entdeckung zerstört worden ist. Drei von diesen Häusern waren rund 1 ), zwei waren viereckig. Herr Büsch hat dies oft genug beobachtet, und ich selbst habe in einem günstigen Augenblicke mit Herrn Büsch und mehrern Torfarbeitern deutlich gesehen, daß die durch das Torfstechen in der Mitte abgebrochenen Pfähle im Kreise standen.

Die runden Häuser hatten einen Durchmesser von ungefähr 14 bis 18 Fuß. Die Pfähle standen ungefähr immer 2 Fuß weit von einander entfernt. Sie waren ungefähr 1/2 Fuß (6 bis 7 Zoll) dick, standen in dem Schindelgrunde ungefähr 2 Fuß tief eingetrieben, hatten im Seewasser eine Länge von ungefähr 10 Fuß gehabt und waren am Kopfende angebrannt und stark verkohlt. Die dem festen Lande zugekehrten Pfähle waren immer etwas dicker im Holze und dichter gestellt. Die runden Wohnungen lagen ungefähr 6 bis 8 Schritte auseinander. Von einer Wohnung ließ sich ein Weg nach dem festen Lande hin verfolgen, indem hier 7 bis 8 große Granitsteine in grader Linie lagen. Die runden Häuser werden auch unter sich seitwärts in Verbindung gestanden haben; denn zwischen den einzelnen Häusern lagen der Länge nach dünnere Pfähle oder Balken, welche vielleicht auch von einem Roste herrühren können, und Granitsteine. Auch innerhalb der Pfahlrundungen wurden horizontal liegende Balken beobachtet. Es ist außerordentlich viel altes Pfahlholz ans Licht gebracht, so daß man auf weite Anlagen um die Häuser schließen muß.

Es ist in der Schweiz die Beobachtung gemacht, daß die Häuser im Innern mit einem Estrich oder sogenannten "Lehmschlag", welcher aus Sand, Thon und Kies bestand, wie eine Tenne, auf dem Fußboden ausgelegt waren. Dieser Fußboden sank beim Brande der Häuser gewöhnlich in festem Zusammenhange in die Tiefe, wenn die Pfähle seitwärts auswichen; ich selbst habe in dem Pfahlbau von Robenhausen diesen Estrich, welcher viele Reste des gewöhnlichen Lebens enthält, genau beobachten können. Die alten Pfahlbauern werden die noch jetzt herrschende Sitte geübt und der Reinlichkeit wegen den Fußboden mit Sand bestreut und damit manchen kleinen Knochen und manche Fischschuppe mit Sand bedeckt


1) Daß die Häuser der heidnischen Vorzeit rund waren, beweisen die noch in der Bronzezeit nicht selten vorkommenden Nachbildungen des runden Hauses des Verstorbenen zur Aufnahme seiner zerbrannten Gebeine, die sogenannten Hausurnen; vgl. Jahrb. XXI, 1856, S. 243 flgd. - Ja, in Italien ist ein ganzer Pfahlbauhof der Bronzezeit in Nachbildung gefunden; vgl. Lindenschmit Alterthümer der heidnischen Vorzeit, Band I, Heft 10, 1862, Tafel 3, Nr. 3.
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haben. Dies ward auch in meiner Anwesenheit in Wismar beobachtet, indem die Arbeiter die innere Rundung eines Pfahlhauses etwas von Wasser befreieten und den Grund aufrührten, und dabei sagten, daß dieser ganze innere Raum des Hauses mit "Stubensand bestreut" sei.

Ich habe Gelegenheit gehabt, einen kleinen Blick in die innere Wirthschaft eines Pfahlhauses zu thun. Am 11. August 1864 ward mir von Wismar ein so eben gefundenes, am Hornansatze weit geöffnetes Stierhorn gesandt, welches noch ganz mit nassem, schmierigen, schwarzen Moder gefüllt war. Bei genauer Untersuchung auch der kleinsten Theile fand ich in diesem Moder viele kleine Enden von abgebrochenem, dünnem Besenreis, etwa 1/4 bis 1/2 Zoll lang, mit der Rinde noch wohl erhalten, und kleine Stücke Holzrinde von einem Baumaste, anscheinend Buchenrinde, 3/4 Zoll lang und 1/4 Zoll breit, welche noch ganz fest und elastisch waren und in dem Horne nicht gewachsen sein konnten. Dies war also Küchenunrath, welcher nach und nach bei großen Massen, vielleicht beim Thierschlachten, in das Horn hineingeschlämmt war.

Das Holz der Pfähle war durch und durch ganz schwarz und von dem Moder schwer zu unterscheiden, und ist wohl viel mit zu Torf verarbeitet. Es war bei der Aufdeckung immer so weich, wie der Moder, und zerbrach bei der geringsten Berührung. Es ist jedoch gelungen, viel Holz vollständig zu trocknen. Es ist zwar sehr zusammengetrocknet und zum Theil gerissen und gedrehet, aber doch so fest geworden, daß es gespalten, gesägt, gehobelt und sogar schön polirt werden kann.

Da es von Wichtigkeit ist, die Art des Holzes kennen zu lernen, so hatte der kundige Herr Forstmeister Schröder zu Dargun die Güte, die einzelnen Pfähle alle anzuarbeiten und genau zu untersuchen und zu bestimmen, und hat folgendes Urtheil abgegeben.

Das Holz der Pfähle ist mit einzelnen Ausnahmen durchweg Eichenholz. Es ist jetzt, nachdem es getrocknet ist, durch und durch ganz schwarz und sehr hart und fest, und läßt sich sehr gut sägen und hobeln und vortrefflich poliren. Der Herr Forstmeister Schröder welcher 30 Bruchstücke von verschiedenen Pfählen untersucht hat, erklärt, daß von diesen 30 Pfählen 25 der sogenannten Sommereiche (Quercus pedunculata) und 4 der sogenannten Wintereiche (Quercus robur) angehören; nur 1 dicker Stamm ist sehr wahrscheinlich Ulmenholz. Das Kiefernholz, außer dem Eichen= und Ulmenholz, wohl das einzige, welches für Pfahlbauten Dauerhaftigkeit genug hat, wird in der Nähe dieser Pfahlbauten

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nicht gewachsen sein. "Aufgefallen ist dem Herrn Forstmeister Schröder die durchweg enge Lage der Jahresringe und die Drehung des Holzes bei allen größern Stücken, wo es sich erkennen läßt. Dies scheint auf ungünstige Wachsthumsverhältnisse hinzudeuten, welche wohl im Klima gesucht werden müssen". Etwas läßt sich hiebei wohl auf Rechnung der starken Eintrocknung schieben. Bei der Vergleichung ergab sich, daß das Ulmenholz sich eben so fest gehalten hatte, wie das Eichenholz, und daß es weniger gerissen und gedreht war, als dieses, auch eine bräunliche Farbe behalten, sich überhaupt ausgezeichnet schön erhalten hatte.


6. Geräthe aus Stein 1 ).

Keile.

Keile. Das am häufigsten vorkommende Geräth der Steinperiode, sowohl in Gräbern, als auch in einzelnen verlorenen Stücken auf den Feldern, und in großer Menge in den Pfahlbauten, ist der Keil aus Stein. Die Steinkeile werden in den Pfahlbauten der Schweiz in zahllosen Exemplaren gefunden, in noch größerer Anzahl, als in den Ostseeländern auf freiem Felde. Die Keile sind nach meiner Ansicht in der Steinperiode zu den verschiedenartigsten Arbeiten benutzt worden. Man gebrauchte sie zur Bearbeitung des Feldes als Hacke, zum Zerhauen des Holzes und des Fleisches und der Knochen als Beil, zu Arbeiten in Holz und Knochen als Meißel, zum Zerschneiden der Felle und Rinden als Messer, zum Schlachten und Erlegen der Thiere als Axt, zur Kriegführung als Streitaxt und Wurfgeschoß. Zu allen diesen Zwecken ward in der Bronze=Periode auch wohl der Bronzekeil gebraucht, welcher unter verschiedenen Namen: Celt,


1) Bei diesen Beschreibungen ist das werthvolle Buch von Nilsson: Skandinaviska Nordens Ur-Invanare, I. Th., Lund, 1838-1843, die nordische Steinperiode darstellend, häufig berücksichtigt, wenn auch nicht immer genannt. Die nordische Steinperiode ist zur Vergleichung sehr wichtig, da sie mit der norddeutschen ganz übereinstimmt.
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Palstab, Framea, Sreitmeißel, aufgeführt wird und wohl weiter nichts ist, als der ausgebildete Steinkeil. Je nach dem Gebrauche war nun Größe und Befestigung der Keile verschieden. In den Pfahlbauten der Schweiz werden außerordentlich viele Keile von geringerer Größe gefunden, welche in starke, ausgehöhlte Stücke von Hirschhorn eingelassen sind, und viele solche Hafte oder Fassungen aus Hirschhorn, in welchen die Keile gesessen haben; man traf diese Vorkehrung, damit der Schlag beim Meißeln nicht den Stein unmittelbar traf und zersprengte. Andere Keile werden auf andere Weise befestigt worden sein, z. B. die Streitbeile queer in einen gespaltenen Schaft oder in eine Keule, die Wurfgeschosse der Länge nach in einen gespaltenen Schaft, die Ackergeräthe auf ein hackenartig gewachsenes Stück Holz (Krummholz, Krümmel) 1 ). Die Steinart der Keile ist nach den Steinlagern, welche man in verschiedenen Gegenden findet, sehr verschieden. Im Allgemeinen kann man aber annehmen, daß man solche Steinarten wählte, welche fest und zähe sind und sich leicht schärfen lassen. In der Schweiz bestehen alle Keile, mit geringen Ausnahmen, aus sehr zähen dunkelgrünlichen Gesteinen, aus Hornblendegestein, hartem Serpentin, Diorit und ähnlichen. Die schweizerischen Keile haben eine eigenthümliche Gestalt und Oberfläche; sie sind gewöhnlich an dem der Schneide entgegen gesetzten, sogenannten Bahnende spitzig oder rundlich, sind überall geschliffen und an den Kanten abgerundet. Die Keile in den Ostseeländern sind aber vorherrschend aus Feuerstein, der sich hier sehr häufig findet und zu ganz vortrefflichen Geräthen verarbeitet ist. Es finden sich hier auch Keile aus Hornblendegestein 2 ), Diorit oder Grünstein, aus welchen Gesteinen hier fast alle durchbohrten Streitäxte gefertigt sind; aber solche Keile finden sich nur äußerst selten, vielleicht nur im Verhältniß von 1 zu 50. Und alle diese Keile aus Diorit, die in den Ostseeländern gefunden werden, sind, wie die schweizerischen, ganz geschliffen, abgerundet und am Bahnende zugespitzt. Vielleicht stammen sie aus der Fremde, durch Er=


1) Es ist in Mecklenburg erst ein Mal (zu Raduhn) ein Keil mit einer hackenförmigen Fassung von Holz beobachtet; vgl. Jahrb. XXVI, S. 131. Fassungen von Hirschhorn sind in den meklenburgischen Pfahlbauten noch nicht gefunden.
2) Von der Ostsee nach Süden hin treten die Keile aus Hornblendegestein wohl zuerst am nördlichen Fuße des Harzes auf. Vor einigen Jahren hat der Freiherr Grote=Schauen zu Deersheim bei Osterwiek eine Fabrik von Steingeräthen entdeckt, deren Exemplare und zahlreiche Bruchstücke nur aus Hornblendegestein bestehen.
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oberung oder Handel. Dagegen haben alle Feuersteinkeile der Ostseeländer, welche mehr flach und scharfkantig sind, einen viereckigen Abschnitt am Bahnende. In der Schweiz findet man keinen Keil aus Feuerstein, sondern nur kleine Geräthe, wie Messer und sogenannte Sägen, Pfeilspitzen, kleine Abfallsplitter aus diesem Gestein. Der Feuerstein wird in der deutschen Schweiz nicht gefunden, sondern ist aus dem Jura=Gebirge der französischen Schweiz eingeführt. Der Feuerstein des Jura kommt aber nach allen Aussagen nur in kleinen, höchstens faustgroßen Knollen vor, welche zu klein sind, um einen Keil von einiger Größe daraus bilden zu können (vgl. Keller a. a. O. III, S. VII). Dazu arbeitet es sich in Feuerstein schwieriger, als in andern Gesteinen, und der Feuerstein ist auch spröder, obwohl er sich wieder schärfer schleifen läßt. Das Serpentin= oder Hornblendegestein der Schweiz läßt sich aber leicht bearbeiten. Man hat die Findlingsplatten angesägt, wie die zahlreichen Sägeschnitte an unfertigen und auch an schon fertigen Keilen in der Schweiz beweisen, und dann die Platten in diesen Einschnitten, wie Schiefer, auseinandergeschlagen, um die rohen, keilförmigen Blöcke zu gewinnen, welche dann auf nicht sehr hartem Sandstein geschliffen wurden.

Die Verfertigung der Keile aus Feuerstein in den Ostseeländern forderte aber ein langsameres, schwierigeres Verfahren. Der Feuerstein ist hier sehr häufig und die Knollen sind oft von bedeutender Größe. Man findet hier, namentlich in Dänemark, ganz vollkommene Keile aus Feuerstein bis zu 1 Fuß Länge und 4 Pfund Schwere (vgl. Jahrbücher XXVIII, S. 299), so groß wie sie in der Schweiz nicht gefunden werden (vgl. Keller I, S. 71). Die Verfertigung der Keile aus Feuerstein geschah also, daß man rund umher so viele kleine Stücke abschlug 1 ), bis man zu der Gestalt des Keils gelangte. Man setzte dabei ein hartes Geräth aus Stein oder Holz, eine Art Meißel, auf die Stelle die man absprengen wollte, und schlug mit einem hölzernen Hammer auf den Meißel, wodurch das beabsichtigte Stück leicht abge=


1) Die Geräthe im Norden sind alle nur aus Feuerstein oder Diorit und Hornblendegestein. Da beide Steinarten sehr hart sind, so wurden die Formen nur durch Schlagen vorbereitet und die Geräthe dann zum Theil geschliffen. Die Bearbeitungsweisen waren also Schlagen und Schleifen, aber nie Sägen, da der Feuerstein wohl der Säge widerstehen würde. Daher findet man im Norden nie die Sägeschnitte, die in der Schweiz so häufig vorkommen, durch welche die weichern Serpentinblöcke zu Keilen vorbereitet wurden.
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sprengt ward. Man kann bei jedem künstlich abgesprengten Bruchstücke den Ansatz, von wo die Absprengung geschah, sehr klar an einer kleinen muschelförmigen Erhöhung sehen. Zuerst schlug man die großem rundlichen Hervorragungen ab, welche die Feuersteinknollen häufig haben, und gewann dadurch rund umher scharfe, kreisförmige Scheiben, welche zu schneidenden Werkzeugen gebraucht wurden. Solche abgesprengte Feuersteinscheiben sind bisher namentlich auf der Insel Rügen viel gefunden. Dann schlug man die langen Späne ab, welche ungefähr einen Finger lang und breit sind, an einer Seite immer eine breite und an der andern Seite immer drei schmale Flächen und einen trapezförmigen Durchschnitt haben. Sie wurden als Messer gebraucht und finden sich von regelmäßiger Form zuweilen sehr abgenutzt in Gräbern; auf Fabrikstätten werden sie, in vollkommener und unvollkommener Form, oft in unglaublicher Menge neben kleinen Splittern gefunden. In den Pfahlbauten der Schweiz, wo diese Späne auch wohl Sägen genannt werden, bilden sie die größten Feuersteingeräthe und werden oft in wohl erhaltenen, kleinen hölzernen Handhaben, mit Pech eingelassen, gefunden. Wenn nun der Keil die ungefähre Gestalt gewonnen hatte, wurden die beabsichtigten genauen Flächen durch Absplitterung von kleinen, vertieft=muschelförmigen Absprengungen gewonnen. Endlich wurden die Kanten durch Absprengung von ganz kleinen Stückchen gerichtet, wodurch man die Kantenlinien so genau herstellte, daß sämmtliche Flächen und Umrißlinien des Keils vollkommen vorhanden waren. Nachdem so der Keil ganz vollständig hergestellt war, schliff man ihn ganz vollkommen und scharf und glänzend, so daß entweder alle vier Flächen oder auch nur die beiden breiten Flächen geschliffen wurden. Das Bahnende blieb immer ungeschliffen. Die Schleifung geschah immer auf hartem, quarzigem "alten rothen Sandstein" (old red sandstone), welcher sich als Seltenheit in großer Schönheit auf Feldern, in Gräbern und in Pfahlbauten findet.

Nach dem Zweck ihres Gebrauches sind die Keile auch in der Gestalt verschieden. Nach vieljährigen, sorgfältigen Beobachtungen an tausenden von Stücken glaube ich eine Eintheilung der Keile nach ihrer Bestimmung aufstellen zu können, indem ich sie a. Arbeitskeile, b. Streitkeile, c. Meißelkeile nennen will. Diese Arten lassen sich auch nach den Orten ihrer Auffindung ziemlich leicht unterscheiden.

a. In den Ostseeländern werden überall auf den Feldern sehr häufig einzelne Keile aus Feuerstein gefunden; alle Sammlungen sind voll davon und man wird auf dem Lande

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überall einzelne bei Privatleuten finden; in Dänemark giebt es sehr viele Privatleute, welche solche Keile in großer Anzahl besitzen. Alle diese Keile unterscheiden sich gewöhnlich dadurch von den übrigen, daß sie an den Seiten mehr grade, oder viel mehr parallel, und sehr dick sind, wie die beistehende Abbildung

Keil

eines Exemplars von mittlerer Größe in der Vorder= und Seitenansicht zeigt. Es ist zu dieser Abbildung ein Exemplar gewählt, welches bis zum letzten Schleifen vorbereitet ist, um zugleich dadurch die Vorbereitung des Steines bis zur Vollendung der Form zeigen. Diese dicken Keile, welche sich zerstreut einzeln auf den Feldern finden, sind ohne Zweifel zur Ackerwirthschaft und zum Holzfällen und Spalten gebraucht und dabei häufig verloren gegangen. Sie werden auch in den Wohnungen zum Schlachten des Viehes, zum Zerlegen des Fleisches und andern schweren häuslichen Arbeiten angewandt sein und finden sich daher auch zahlreich in den Pfahlbauten. Ich will sie daher Arbeitskeile nennen.

b. Andere Keile, welche oft sorgfältiger im Gestein gewählt und bearbeitet sind, haben eine beilförmige Gestalt; sie werden nach der Schneide hin breiter und sind in der Regel viel dünner als die Arbeitskeile, wie die auf der nächsten Seite stehende Abbildung eines geschliffenen Exemplares von mittlerer Größe in der Vorder= und Seitenansicht zeigt. Sie werden nicht häufig, gewöhnlich aber in den Gräbern der Steinperiode mit langen Hügeln, den Hügelgräbern oder Riesenbetten, gefunden, in denen man seltener dicke Arbeitskeile trifft. Das auf der folgenden Seite abgebildete Exemplar ist in einem Hünengrabe zu Klink bei Waren gefunden (vgl. Jahrb. XIV, S. 309). Aus ihrer Gestalt muß man annehmen, daß sie dazu bestimmt waren,

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um in gespaltenen Schaften befestigt als Waffe verwandt zu werden. Aus ihrem Vorkommen muß man ebenfalls schließen, daß solche Beile Waffen waren, da man wohl nicht umhin kann anzunehmen, daß so riesige Bauten, wie die staunenswerthen Riesenbetten, nur zu Ehren großer Helden und ihrer Familien aufgeführt wurden. Daher habe ich sie Streitkeile genannt. Sie sind aus den Pfahlbauten noch nicht hervorgeholt.

Streitkeil

c. Eine dritte Art sind die kleinen Keile, welche gewöhnlich nur kurz und dünne sind und nicht viel häufiger als die Streitkeile, und zwar gewöhnlich wohl erhalten gefunden werden. Sie werden einzeln auf dem Felde und in Pfahlbauten, auch wohl in kleineren Hügelgräbern der Steinperiode gefunden. Das hier abgebildete

kleiner Keil

Exemplar ist auch in einem Hünengrabe zu Klink bei Waren gefunden (vgl. Jahrb. XIII. S. 361). Diese Keile werden wohl diejenigen sein, welche in den Pfahlbauten der Schweiz in hohle Hirschhornstücke gefaßt erscheinen und wohl als Meißel zu allerlei kleinern häuslichen Geschäften gedient haben. Sie mögen auch wohl von den Weibern geführt sein. Keile von dieser Größe, jedoch etwas dicker, sind oft sehr sorgfältig und regelmäßig hohl geschliffen (Hohlmeißel); diese werden jedoch selten gefunden. Aus allen diesen Gründen will ich sie Meißelkeile nennen.

In dem Pfahlbau von Wismar wurden nun alle Feuersteingeräthe in verhältnißmäßig großer Anzahl gefunden.

Feuersteinknollen, von ziemlich großer Länge, noch fast ganz roh, von denen erst einige Scheiben abgesprengt sind, schon bearbeitete, kleinere Feuersteinblöcke, von denen rund umher Späne abgeschlagen sind, Feuersteinsplitter fanden

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sich an einzelnen Stellen in großer Anzahl, ein Beweis, daß die Feuersteingeräthe von den Pfahlbaubewohnern in ihren Hütten gemacht wurden.

Rohe Feuersteinkeile. Es fanden sich 2 Feuersteinkeile, zwar noch ganz roh und nur durch große muschelige Absprengungen vorbereitet und nirgends geschliffen, aber schon ganz und vollständig in der Keilform zugerichtet. Aus diesen geschlagenen und vorbereiteten Keilen und den Feuersteinknollen sieht man ebenfalls klar, daß die Keile in den Pfahlwohnungen vorbereitet wurden.

Arbeitskeile. Es wurden bis jetzt 14 große und dicke Arbeitskeile aus Feuerstein, ganz vollendet und geschliffen, wie die Abbildung S. 27, gefunden. Sehr bezeichnend ist es, daß von diesen die 9 größten und dicksten alle sehr beschädigt sind, vielfach abgesprungene und abgesprengte Stellen und alle die Schneide verloren haben. Dies ist ein sicherer Beweis, daß die großen und dicken Arbeitskeile zu schweren häuslichen Arbeiten gebraucht .und dadurch vielfach beschädigt wurden. Unter den schweizerischen Keilen von zähem Gestein finden sich lange nicht so viele beschädigte, als in den meklenburgischen Pfahlbauten, da der Feuerstein sehr spröde, wenn auch sehr hart ist. Selbst unter den auf den Feldern in großer Menge gefundenen Feuersteinkeilen finden sich verhältnißmäßig lange nicht so viele beschädigte, als in den Pfahlbauten. Auch in dem Pfahlbau von Gägelow waren fast alle Keile stark beschädigt. Dünne, breite Streitkeile sind in den meklenburgischen Pfahlbauten noch nicht entdeckt. Dagegen sind alle in Meklenburg gefundenen Diorit=Keile völlig unbeschädigt.

Meißelkeile. Von den kleinen dünnen Keilen aus Feuerstein, die ich Meißelkeile genannt habe, wurden 3 Stück gefunden, alle ganz geschliffen, von denen 2 ganz vollständig und unversehrt sind, 1 aber die Schneide verloren hat. Aus dem Zustande dieser Keile läßt sich schließen, daß sie zu freundlicherer Beschäftigung, vielleicht von Weibern und nur zum Schneiden, gebraucht wurden.

Hohlmeißel. Auch ein Hohlmeißel, an einer breiten Seite vortrefflich hohl geschliffen und vollständig erhalten, ward gefunden. Dies ist eine große Seltenheit.

Die meisten feuersteinernen Keile der Pfahlbauten haben eine dunkle, oft eine braune Farbe, welche dem Feuerstein von Natur nicht eigen ist. Es ist möglich, daß diese Farbe von dem schwarzen Moderwasser kommt, in welchem die Keile Jahrtausende gelegen haben; ich glaube jedoch vielmehr,

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daß sie diese Farbe von dem Rauch erhalten haben, welcher die Wohnungen füllte, wie noch jetzt in manchen Bauerhäusern.

Dioritkeile. In dem Pfahlbau von Wismar ward auch ein Keil von Diorit oder Grünstein gefunden, ein sehr seltenes Vorkommen. Der Keil ist von mittlerer Größe, von ganz anderer Form, als die meklenburgischen Feuersteinkeile, an allen Kanten völlig abgerundet, überall geschliffen und ganz vollkommen erhalten. Wahrscheinlich ist dieser Keil aus der Fremde eingeführt. In dem Hünengrabe von Mestlin aus der Steinperiode (vgl. oben S. 13) ward ein ganz ähnlicher Keil aus Diorit gefunden.

Schmalmeißel oder Schmalkeile. Es werden aus der Steinperiode auch schmale Meißel gefunden, von den verschiedenen Längen der Keile, aber nur etwa einen Finger breit, zuweilen auch hohl geschlissen. Sie sind in der Regel sorgsam geschliffen und wohl erhalten. Auch in dem Pfahlbau von Wismar wurden 2 Schmalmeißel aus Feuerstein gefunden, von denen der eine ganz vollständig, der andere aber an beiden Enden abgebrochen ist. Merkwürdig ist es, daß beide ganz weiß sind, eine Erscheinung, die man öfter an den Schmalmeißeln wahrnimmt. Sie wurden ohne Zweifel zu feinern Arbeiten gebraucht und vielleicht viel in der Tasche getragen, wodurch wahrscheinlich das dem Feuerstein eigenthümliche und färbende Fett ausgetrocknet ist.

Schmalmeißel

Rohe Schmalmeißel. Auch 3 Feuersteinblöcke, zu Schmalmeißeln vorbereitet, jedoch noch ganz roh und noch ohne scharfe Formen und muschelige Absprengungen, wurden in dem Pfahlbau gefunden. Man sieht hieraus, daß auch die sorgfältig gearbeiteten Schmalmeißel in den Pfahlwohnungen angefertigt wurden.


Schleifsteine.

Die durch Abschlagen von kleinen muschelförmigen Stücken nach und nach vorbereiteten Feuersteinkeile mußten geschliffen und nach Beschädigungen oft wieder vorgeschliffen werden. Man hat in den Pfahlbauten der Schweiz oft Schleifsteine

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gefunden, welche, da die schweizerischen Keile weicher sind, aus nicht sehr hartem Sandstein bestehen und eine rundliche Rinne von der Breite eines Keiles haben. Solche Schleifsteine kommen im Norden nicht vor; das Material des Feuersteinkeils erforderte hier eine andere Steinart zum Schleifen. In Kopenhagen, hat man die Schleifsteine zum Schleifen des Feuersteins schon früh erkannt (vgl. Historisch=antiquarische Mittheilungen, Kopenhagen, 1835, S. 66, und Abbildungen, Taf. II, Fig. 1-3). Thomsen unterscheidet: flache Schleifsteine und keulenförmige Schleifsteine; die letzteren haben ursprünglich die Form eines mehrseitigen Prismas gehabt, sind aber durch langen Gebrauch auf allen Flächen sehr ausgehöhlt. Schleifsteine jeder Art gehören zu den seltenern Alterthümern. In Meklenburg ward zuerst im J. 1845 ein Schleifstein entdeckt; seitdem sich aber die Erkenntniß sehr verbreitet hat, ist die Sammlung von sehr schönen Exemplaren schon ganz ansehnlich geworden. Thomsen sagt a. a. O., daß "man sie in Grabhügeln mit halb fertig geschliffenen Keilen auf ihnen liegend gefunden habe, so daß über ihre Bestimmung kein Zweifel sein könne." Auch in Meklenburg sind sie in Hünengräbern der Steinperiode zusammen mit Feuersteinkeilen gefunden, so z. B. zu Dabel (vgl. Jahrb. X. S. 269, und Erster Bericht etc. . S. 6), zu Schlutow (vgl. Jahrb. XVIII, S. 228), zu Stuer (vgl. Jahrb. XVIII, S. 234). Diese Schleifsteine bestehen immer aus quarzartigem, sehr hartem "alten rothen Sandstein" (old red sandstone), von ausgezeichneter Schönheit, gewöhnlich von hellrother, oft auch von hellgrauer, sehr selten von bräunlicher Farbe, wohl zu unterscheiden von den sehr mürben, gespaltenen, jungen, rothen Sandsteinplatten, mit denen die Steingräber im Innern ausgesetzt und ausgefugt sind. Die hieneben abgebildeten "keulenförmigen" Schleifsteine,

keulenförmiger Schleifstein

welche aus vielseitigen prismatischen Blöcken entstanden sind, kommen in Meklenburg seltener vor. Die "flachen" Schleifsteine sind häufiger. Diese sind größere, viereckige Platten, von verschiedener Dicke, welche auf den breiten Seiten, gewöhnlich auf beiden, in der ganzen Ausdehnung völlig regelmäßig und spiegelglatt abgeschliffen sind, gewöhnlich in der Mitte im Ganzen etwas vertieft, aber nie mit einer Rille. Die verschiedenen Formen der Schleifsteine sind auch sehr gut abgebildet in Madsen Afbildninger af Danske Oldsager.

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In dem Wismarschen Pfahlbau wurden ungewöhnlich viele und schöne flache Schleifsteine dieser Art, nämlich drei, gefunden:

1) Eine dünne Platte von schmutzig hellrothem "alten Sandstein", 4 Zoll lang, 3 Zoll breit, 2 Zoll dick, nur an einer Seite ausgeschliffen; die Vertiefung der Schleiffläche liegt nicht in der Mitte. Dies ist offenbar ein von einem größern Steine abgebrochenes Stück, da der Bruch mitten durch die obere Schleiffläche geht und die untere rauhe Seite unregelmäßig abgeschlagen ist, so daß man dieses Stück gleich als ein Bruchstück erkennt.

2) Eine dicke Platte von reinem rosenrothen alten Sandstein, 11 Zoll lang, 8 Zoll breit, 6 Zoll dick, auf beiden breiten Seiten ganz ausgeschliffen. An beiden Enden dieses dicken, sehr schönen Steins ist ein, wie es scheint, neuer Bruch, der queer durch die Schleifflächen geht.

3) Eine große Platte von sehr feinkörnigem, festem, rothem Gneis, 22 Zoll lang, 12 Zoll breit, 2 1/2 bis 5 Zoll dick, also von ungewöhnlicher Größe, an beiden Seiten vollständig ausgeschliffen, ein Exemplar von seltener Vollständigkeit. Diese Steinart, welche dem alten, rothen Sandstein sehr ähnlich ist und nahe kommt, wird sonst nicht zu Schleifsteinen gebraucht; man hat ihn aber, wie das Ausschleifen zeigt, auch für brauchbar gefunden, oder ist auch durch Mißgriff zu seiner Bestimmung gekommen. Die Menschen der Steinperiode vergreifen sich sonst in der Wahl der Steinarten sehr selten. Dieser Schleifstein lag innerhalb des runden Pfahlfundamentes dicht neben einem Pfuhle platt auf dem ehemaligen Seegrunde, wird also innerhalb des ehemaligen Hauses oben dicht an der Wand gelegen haben.

Schleifplatte

Außer diesen Schleifsteinen wurden auch einige kleinere prismatische Steine gefunden, welche wohl zu Wetzsteinen benutzt wurden (vgl. Hist. antiq. Mitth. S. 66, c., Fig. 3),

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namentlich ein prismatischer Wetzstein von hartem Thonschiefer, 3 1/2 Zoll lang und 1 1/4 Zoll dick.

Diese Schleifsteine von altem rothen Sandstein, welche neben Feuersteingeräthen sowohl in den lang gestreckten Riesenbetten, als in den Pfahlbauten der Steinperiode gefunden werden, liefern auch einen Beweis, daß beide gleichzeitig sind.

Feuersteinscheiben.

Bei der Zurichtung der Feuersteinknollen zu Keilen, Lanzen und Dolchen wurden zuerst die häufigen rundlichen Auswüchse der Knollen abgeschlagen (vgl. oben S. 26). Hiedurch gewann man ziemlich regelmäßige, kreisförmige Scheiben, welche am Rande sehr scharf waren und sehr gut zu handlichen Schneidewerkzeugen gebraucht werden konnten. Sie werden auf den Fabrikstätten von Feuersteingeräthen sehr häufig gefunden, wenn man darnach forscht, namentlich bis jetzt auf der Insel Rügen, wo sie oft in großer Anzahl neben Splittern aller Art gefunden werden. In dem Pfahlbau von Gägelow ward eine noch nicht abgenutzte, scharfrandige Scheibe dieser Art gefunden, welche offensichtlich noch nicht gebraucht ist. In dem Pfahlbau Wismar ward die hier abgebildete Scheibe gefunden, welche an dem ganzen Rande umher durch vielen

Feuersteinscheibe
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Gebrauch stark abgenutzt ist. Man sieht auf der hier dargestellten abgesprengten, glatten Seite der Scheibe sehr deutlich den muschelförmigen Ansatz von der Absprengung.


Feuersteinspäne.

Nachdem die runden, knollenartigen Auswüchse von den Feuersteinblöcken abgeschlagen waren, splitterte man mit großer Geschicklichkeit der Länge nach lange, schmale, dünne Späne ab, welche gewöhnlich 3 bis 5 Zoll lang und ungefähr 1 Zoll und darüber breit sind; jedoch kommen sie auch in größern Exemplaren vor. Diese Späne haben am häufigsten an der einen Seite, an welcher sie von dem Block abgeschlagen sind, immer eine breite, glatte Fläche und an der andern Seite drei schmale Flächen, so daß die Späne einen trapezförmigen Durchschnitt haben, wie hier durch die Abbildungen dargestellt ist.

Feuersteinspan

Viele, namentlich die kleinern, haben aber auch einen dreiseitigen Durchschnitt. Man gewann sie, indem man von einem Block umher nach und nach so viel absprengte, daß man einen regelmäßigen Block erhielt, der zur Bearbeitung eines Feuersteingeräthes tauglich war. Manche Feuersteinblöcke, namentlich solche, welche keine größeren Geräthe liefern konnten, wurden auch wohl allein dazu gebraucht, um bis zum Ende Späne zum Gebrauche abzusprengen. Schließlich konnte man noch zu Pfeilspitzen und kleinen Meißelkeilen taugliche Stücke gewinnen. Man sieht an der breiten Seite der Späne immer den muschelförmigen Ansatz von der Absprengung, wie

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auf der Abbildung zu sehen ist. Solche Splitter und auch verunglückte Späne werden an Fabrikstätten auf dem festen Lande oft in unglaublicher Menge, gewöhnlich neben verunglückten Geräthen, gefunden.

In dem Pfahlbau von Wismar wurden auch zwei kleine, kurze Feuersteinblöcke gefunden, von denen ringsumher Späne abgesprengt sind, und viele kleine Splitter, welche bei der Absprengung abfielen und welche auch noch zu kleinen schneidenden Geräthen gebraucht werden konnten.

In den Pfahlbauten der Schweiz sind diese Späne und Pfeilspitzen die einzigen Geräthe, welche aus Feuerstein vorkommen und wahrscheinlich an dem Orte der Pfahlbauten aus den vom Jura her eingeführten Knollen verfertigt wurden, wie der viele kleine Abfall beweist, der dabei gefunden wird, namentlich in dem Pfahlbau von Wauwyl.

Diese Späne wurden zu verschiedenen Zwecken verwandt. Die kleinern, dreiseitigen, spitzigen Splitter wurden wohl zu Pfeilspitzen benutzt. Die langen, regelmäßigen Späne, wie oben einer abgebildet ist, dienten wohl zu Messern. Andere ähnliche, welche am Rande zahnförmig abgekröselt erscheinen, sollen nach den Ansichten der Schweizer zu Sägen gedient haben. Es ist jedoch die Frage, ob diese kleinen Absplitterungen nicht von der Abnutzung der Messer herrühren. Jedoch können die scharfen Späne auch immer als Sägen gedient haben, da in der Schweiz in dem weichern Gestein der Keile sehr viele Sägeschnitte vorkommen, welche wohl nur durch Feuerstein gemacht sein können. Jedoch dürften im Norden die halbmondförmigen Feuersteinmesser, welche im folgenden Abschnitte unten zur Sprache kommen werden, zu Sägen gebraucht worden sein. Aber vorherrschend werden die scharfen, langen Späne zu Messern gedient haben, da sie sehr oft krumm sind, also zu Sägen nicht gut taugten, und ganz vortrefflich schneiden, auch oft Exemplare gefunden werden, welche an beiden Seiten stark abgenutzt, also aus freier Hand viel gebraucht sind.

In der Schweiz hat man sehr sichere Entdeckungen über die Handhabung dieser Feuersteine gemacht. Man machte eine schmale Handhabe aus Eibenholz von der Länge der Späne und von der Form eines "Weberschiffchens", gab dieser an der einen Seite einen Einschnitt und befestigte in diesem mit Erdpech den Feuersteinspan. Ich habe ein solches vollständiges Messer, dessen Feuersteinklinge noch fest in dem Pech der hölzernen Handhabe saß, gesehen, welches während meiner Anwesenheit in der Schweiz 1864 in dem Pfahlbau von Robenhausen gefunden ward. Ich möchte glauben, daß die großen,

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regelmäßigen Späne mehr zu Messern, als zu Sägen gebraucht sind. Auch Keller (I, S. 75, und Taf. III) hält die nicht gezahnten Stücke für Messer.

In dem Pfahlbau von Wismar wurden 6 Spanmesser, zu Theil zerbrochen, gefunden. - Auch in den Riesenbetten, werden diese Späne gefunden. In dem Grabe von Prieschendorf (vgl. oben S. 13) fanden sich 6 solche Feuersteinspäne, von denen einer an beiden Schneiden sehr abgenutzt, nicht sägenförmig gekröselt ist, und in der "Riesenhege" zu Rosenberg wurden gar 16 schöne Späne gefunden (vgl. Frid. Franc. Erl., S. 76). Diese Funde können wieder als ein Beweis für die Gleichzeitigkeit der Riesenbetten und der Pfahlbauten gelten.


Feuersteinsägen (oder Sicheln?).

Wahrhaft bewundernswerthe Werke der Steinperiode sind die im Norden nicht seltenen, im Süden außer den Pfeilspitzen nicht vorkommenden, schneidenden Geräthe aus Feuerstein, wie Dolche, Lanzen, Pfeile, welche durch kleine muschelige Absprengungen hergestellt sind und sehr scharfe Schneiden haben.

Feuersteinmesser

Diese dünnen, zweckdienlichen Geräthe sind nicht allein mit außerordentlicher Geschicklichkeit verfertigt, sondern auch oft von sehr schönen Formen. Zu diesen vortrefflichen Geräthen gehören auch die dünnen, sogenannten "halbmondförmigen" Feuersteinmesser, welche durch kleine muschelförmige Absplitterungen an beiden Seiten scharfe Schneiden erhalten haben. Oft ist die eine Langseite, gewöhnlich die dickere, mehr sägenförmig ausgezahnt; ich glaube aber, daß dies mehr in der Art der Bearbeitung, als in der Absicht lag, da beide Seiten gleich scharf schneiden. Diese Werkzeuge konnten eben so gut in der freien Hand, als mit einer hölzernen Handhabe

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geführt werden. Man hat sie wohl für Schabemesser zur Bereitung der Felle angesehen; aber in Dänemark hat man sie schon früh für Sägen erklärt (Hist. ant. Mitth., S. 74), um so mehr da auch die allerdings sehr seltenen bronzenen Sägen der Bronzezeit auch nicht länger sind. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß es auch wirkliche Sägen aus Feuerstein mit regelmäßigen, deutlichen, langen Zähnen giebt. Wenn man nun die Benutzung dieser Klingen zu Sägen auch nicht auszuschließen braucht, so ist es doch auch nicht unwahrscheinlich, daß sie zu Sicheln verwandt wurden, da diesen ihre Form am nächsten kommt. Wohl zu beachten ist, daß sie gewöhnlich gar nicht beschädigt, also wohl nicht zu harter Arbeit gebraucht sind; die in Meklenburg gefundenen Exemplare sind alle ganz wie neu. Sie sind in Meklenburg häufig gefunden, am meisten in Torfmooren, wahrscheinlich in unbeachteten Pfahlbauten, und früher gewöhnlich immer in zwei Exemplaren neben einander. Man hat aus dieser Zahl auf eine Bestimmung oder Bedeutung schließen wollen. Dies wird aber nur Zufall gewesen sein, da seit der Gründung des Vereins für meklenburgische Geschichte nicht nur sehr viele einzelne Exemplare gefunden sind, sondern auch 5 bis 6 Exemplare in Torfmooren nicht weit von einander.

In dem Pfahlbau von Wismar ward das auf der vorhergehenden Seite abgebildete schöne Exemplar gefunden. In den Hünengräbern sind diese Messer noch nicht beobachtet worden.


Streitäxte.

Zu den kunstreichsten Geräthen der frühesten Zeiten gehören die durchbohrten Streitäxte, sowohl durch die im Laufe der Zeiten sich mehr und mehr ausbildende Schönheit der Formen, als durch die vortreffliche Schleifung der Oberfläche und die ausgezeichnete Bohrung des Schaftloches. Das Gestein ist in der Regel ein sehr zähes Hornblendegestein, Diorit, Grünstein und ähnliches Gestein. Wenn einmal ein Mißgriff in der Wahl des Gesteins geschehen ist. so ist gewöhnlich die Axt im Schaftloche durchbrochen. Die durchbohrten Aexte finden sich sowohl auf den Feldern und in Torfmooren als verloren gegangene Stücke, als auch in den Gräbern der Steinperiode.

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Die älteste Form 1 ) der Streitäxte ist die einfache Form von der Grundgestalt des Keils, wie sie hieneben abgebildet ist. Das besondere Kennzeichen dieser Form ist, daß das der Schneide entgegengesetzte Bahnende grade ist. Diese Aexte, gewöhnlich von der hier abgebildeten Größe und Form, welche als eine grundlegliche angenommen werden kann, werden häufig gefunden; alle andern sind selten.

Streitaxt - Bahnende grade

Nur eine alte Form kommt außer dieser als eine ebenfalls herrschende Form, jedoch auch viel seltener, vor. Es giebt nämlich durchbohrte Streitäxte mit zugespitzter Bahn, wie die hier unten stehende Abbildung zeigt, und diese Form wird in den lang gestreckten Riesenbetten mit Erdhügeln gefunden. Eine Streitaxt von derselben Form ist ein einem regelmäßig aufgedeckten Hünengrabe von Stuer (vgl. oben S. 13), wo viele ähnliche Gräber der Steinzeit aufgedeckt wurden, neben feuersteinernen Pfeilspitzen und einem Schleifstein von altem rothen Sandstein gefunden. Dieselben Streitäxte fanden sich in Hünengräbern bei Gnoien (Jahres=

Streitaxt - Bahnende zugespitzt

1) Nilsson a. a. O., S. 43 und 44, Taf. X, Fig. 129 und 130, hält diese Form der Aexte für Werkzeuge zum täglichen Gebrauche und nur nach der Anwendung von den ausgebildetern Formen für verschieden. Ich glaube jedoch, daß sie auch der Zeit nach verschieden sind, und daß die ausbebildetern Formen einer jüngern Zeit angehören. Die letzten Formen finden sich in Skandinavien häufiger, als die einfachen Formen.
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bericht VIII, S. 33) und Dobbin (Jahrb. XI. S. 346). Auch zu Tatschow bei Schwaan ward in einem um das J. 1833 abgetragenen großen Hünengrabe eine solche Streitaxt neben 3 Urnen, 2 Keilen, 2 Hohlmeißeln, 3 Schmalmeißeln und 3 Messern aus Feuerstein gefunden (vgl. Erster Bericht über die Vermehrungen des Großherzogl. Antiquarii, S. 5). Diese Form ist also einer bestimmten Zeit eigenthümlich, wenn auch die alte Form nebenher gehen mag und wird, und ist außer derselben nicht beobachtet.

Außer diesen beiden Formen giebt es noch Streitäxte von sehr schönen Formen, welche alle unter sich sehr verschieden und sehr frei gebildet sind. Von diesen Formen mögen viele der Bronzeperiode angehören, da nach den Beobachtungen der nordischen Forscher die steinernen Streitäxte, und zwar von schönen Formen, noch weit in die Bronzeperiode hineingehen.

In dem Pfahlbau von Wismar ward die zuletzt hier abgebildete Streitaxt aus Diorit mit Schaftloch und zugespitzter Bahn gefunden, und liefert auch dieses Stück den Beweis, daß dieser Pfahlbau mit den lang gestreckten Riesenbetten gleichzeitig ist.

In der Schweiz, auch in den Pfahlbauten daselbst, werden durchbohrte Steinäxte sehr selten gefunden, so daß dort eine vergleichende Beobachtung über dieselben sehr selten möglich und sehr schwer ist.

In dem Pfahlbau von Wismar ward auch eine Steinaxt gefunden, welche kein Schaftloch hat, sondern einen Griff oder einen Zapfen zur Befestigung in einem gespaltenen Schafte; es scheint als wenn man diese Befestigungsweise an einigen abgescheuerten Stellen an dem Zapfen erkennen kann. Solche Aexte, welche früher auch wohl "Handäxte" genannt sind, sind sehr selten. Sie sind gewöhnlich sehr groß (Frid. Franc., Taf. XXIX, Fig. 3) und schwer, in der Regel größer, als alle durchbohrten Aexte, und oft sehr gut gearbeitet und geschliffen. Es läßt sich daher die frühere Ansicht wohl nicht festhalten, daß sie der ältesten Bildungszeit der Menschheit angehören.

Streitaxt - ohne Schaftloch
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Auch ein von Natur sehr regelmäßig als Keil gebildeter Stein, ohne Loch und Zapfen, von der Größe der mittleren Keile, scheint im Pfahlbau von Wismar als Axt benutzt worden zu sein.


Mahlsteine.

In Norddeutschland werden sehr häufig Granitblöcke von 1 bis 2 Fuß Kubikinhalt gefunden, welche der Länge nach tief und regelmäßig ausgehöhlt und an einem Ende immer geöffnet, also halbmuldenförmig gestaltet sind. Sie sind in Meklenburg so sehr verbreitet, daß man auf einzelnen Landgütern noch jetzt oft mehrere findet; ja man findet sie hin und wieder in Städten zu Abflußrinnen vor dem Ausfluß der Dachrinnen verwendet, und in den Kirchen aus der katholischen Zeit oft zu Weihkesseln benutzt. In Pommern werden sie von den Landleuten "Hünenhacken" genannt, d. h. Fersenspuren der Riesen, ein mythologischer Ausdruck, der sehr bezeichnend für die Uranfänge der Menschheit ist. In Dänemark, wo sie auch gefunden werden, hat man sie für Schleifsteine zum Schleifen der Steingeräthe gehalten. Es ist möglich, daß man die nur flach ausgeschliffenen Steine dieser Art, die sich auch finden, zum ersten Ebnen der rauh vorbereiteten Steingeräthe benutzte; zum Schleifen derselben können sie aber nicht gedient haben, da der Granit dieser Steine viel zu grobkörnig und derbe, die Höhlung auch viel zu tief und enge ist, um so vollkommenen Werkzeugen, wie oft die Keile und Streitäxte sind, darin Schliff und Politur geben zu können. Zum Schleifen der Keile dienten jene glatt geschliffenen "alten rothen Sandsteine", welche oben S. 31 beschrieben sind. Ich habe diese Steine daher immer für Handmühlen der ältesten Zeit gehalten, in denen man mit rundlichen Steinen mit der Hand das Getraide quetschte und zerrieb (vgl. Jahrb. XXIV, S. 275, XXV, S. 211 flgd.). Diese Steine haben ohne Zweifel schon zur Steinzeit zu Mühlen gedient; sie sind aber auch in den Kegelgräbern der Bronzezeit wiederholt gefunden. Vor kurzem soll nach Zeitungsnachrichten zu Neu=Gaarz bei Waren ein solcher Mahlstein zusammen mit einer Reibkugel gefunden sein. Der beste Beweis für den Gebrauch dieser Steine zu Getraidequetschen ist der, daß sie noch heute in der Wallachei und in Amerika bei den Kreolen in Venezuela in Gebrauch sind. Ein directer Beweis, daß diese Mühlsteine in Meklenburg in

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Gräbern der Steinperiode gefunden sind, ist mir noch nicht vorgekommen. Es war jedoch eine überraschende Bestätigung, daß in dem Pfahlbau von Gägelow ein Mühlstein von der hieneben abgebildeten Gestalt gefunden ward, welcher jedoch durch ein unglückliches Ungefähr bald nach der Auffindung in der Tiefe eines neu aufgeführten Brunnens vermauert ist.

Mahlstein

Zu diesen Mühlsteinen gehören die Reibsteine, welche in dem folgenden Abschnitt behandelt werden sollen.

Reibsteine.

Es finden sich im Lande sehr häufig rundliche Steine, immer ungefähr von Faustgröße, beinahe von der Größe und Gestalt einer etwas gedrückten Pommeranze, zwischen 3 bis 5 Zoll im Durchmesser, deren Flächen und Kanten rauh abgerieben sind und zwar oft so sehr, daß diese Steine nicht selten die Gestalt einer vollkommenen Kugel bilden. Sie sind in der Regel aus weißlichem, harten Uebergangssandstein, seltener aus sehr feinkörnigem, hellen Granit oder Gneis. Man hat dazu schon von der Erdbildung her passend geformte Steine gewählt, oder häufiger handrechte Stücke zurecht geschlagen. Gewöhnlich sind an diesen Steinen, namentlich wenn sie von Sandstein sind, noch mehrere Schichtungsflächen unberührt und noch klar zu erkennen, wie die hieneben stehende Abbildung oben und an der linken Seite sehen läßt, während die übrigen Flächen

Reibstein
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rundlich abgerieben sind. Diese Abreibung ist aber klar zu erkennen.

Diese runden, künstlich zu ihrer Form gebrachten Steine sind verschieden gedeutet worden. In frühen Zeiten hielt man sie wohl für steinerne Geschützkugeln, welche es im Mittelalter allerdings gegeben hat. Die nordischen Forscher haben darnach wohl geglaubt, diese Steine seien Klopf= oder "Knacksteine", mit denen die Menschen der Steinperiode die steinernen Werkzeuge zugerichtet hätten; jedoch alles spricht dafür, daß damit gerieben, aber nicht geschlagen ist. Ich habe immer geglaubt, daß sie zu Reibsteinen gedient haben, um Lebensmittel damit zu zerquetschen (vgl. Jahrb. XXIIII, S. 276, und XXVII, S. 168), wenn ich mich auch einmal habe verleiten lassen, sie für Rollsteine zur Fortbewegung der großen Steinblöcke für die Gräber der Steinzeit zu halten (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276).

Nach allen Anzeichen sind diese Steine aber als Reibsteine gebraucht, um das Getraide, welches schon zur Steinzeit gebauet ward, in den im vorigen Abschnitte dargestellten Quetschmühlen zu zerreiben. Dem aufmerksamen Beobachter kann es nicht entgehen, daß sie oft in großer Anzahl an solchen Stellen gefunden werden, wo sich Spuren von ehemaligen menschlichen Wohnungen zeigen. In Nordholland bei Hilversum lagen sie in den den Steingräbern ähnlichen Felsenhäusern in großer Anzahl neben den ehemaligen Feuerherden mit Steingeräthen aller Art und Thierknochen, Kohlen und Asche. In den Höhlenwohnungen Meklenburgs haben sie sich ebenfalls mit andern steingeräthen gefunden. In den Pfahlbauten der Schweiz sind sie sehr häufig 1 ), jedoch von anderer, weicherer, dunklerer Steinart und mehr platt oder scheibenförmig, wie denn die meisten schweizerischen Steingeräthe aus schieferartigen Platten verfertigt sind, während im Norden die Steine blockartig oder knollenförmig sind. Aus dem häufigen Vorkommen kann man fast sicher schließen, daß da, wo diese Reibsteine gefunden werden, in uralten Zeiten "Menschen wirthschafteten", oder daß diese Reibsteine die sichersten Zeichen von Pfahlbauten sind. Der Herr Ritter fand z. B. im J. 1857 auf seinem Gute Friedrichshöhe bei Rostock in einem weiten Moderlager, welches ganz ausgegraben ward, in einer Tiefe von 7 Fuß neben vielen dicken Topfscherben nicht weniger als 16 Reibsteine und 1 Schleifstein aus altem,


1) In dem Pfahlbau von Robenhausen am Pfäffiker=See fand ich im September 1864 bei der persönlichen Nachgrabung gleich beim ersten Angriff einen solchen Reibstein, welchen mir der Herr Messikomer zum Andenken schenkte.
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weißem Sandstein; ich werde stets überzeugt sein, daß hier ein Pfahlbau gestanden hat, der zur Zeit seiner Ausgrabung noch nicht erkannt ward (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276, und XXIV, S. 265). So wurden auch in dem Sühring=Torfmoor bei Bützow, welches alle Anzeichen von Pfahlbauten trägt, diese Reibsteine wiederholt entdeckt.

Diese Wahrnehmung haben auch die neu entdeckten Pfahlbauten in Meklenburg bestätigt. In beiden Pfahlbauten wurden diese Reibsteine in zahlreichen Exemplaren gefunden.

In dem Pfahlbau von Gägelow fanden sich solcher Reibsteine: 4 von größtem Umfange, 4 von mittlerer Größe, 4 kleine, 2 viereckig zu Reibkugeln zugehauene Steine und 1 auf der Oberfläche stark verwitterte Kugel.

In dem Pfahlbau von Wismar wurden 7 Reibsteine gefunden, nämlich 1 großer und 5 von mittlerer, gewöhnlicher Größe, wie einer hier abgebildet ist, und 1 auf der Oberfläche verwitterte Kugel.

Diese Reibkugeln sind die besten Leiter zur Entdeckung von Pfahlbauten.

Es ward auch eine ganz kleine Kugel aus festem Thonstein gefunden, ungefähr 1 bis 1 1/4 Zoll im Durchmesser haltend. Solche kleine Kugeln, immer von derselben Größe, sind öfter gefunden, aber bisher unerklärt geblieben.


Glättsteine.

In dem Pfahlbau von Wismar ist ein Stein gefunden, welcher den Reibkugeln ähnlich ist, sich aber wesentlich von diesen unterscheidet. Dieses Werkzeug hat eine regelmäßige länglich=linsenförmige Gestalt mit ziemlich scharfem Rande, ist 4 Zoll lang, 3 Zoll breit, 2 Zoll dick und auf der ganzen Oberfläche regelmäßig abgeschliffen und geglättet. Das Gestein ist ein dunkelgrauer, fester Thonschiefer. Sowohl wegen des Gesteins, als auch wegen seiner durchaus glatten Oberfläche, auch wegen seiner geringen Höhe hat dieses Werkzeug wohl nicht zum Zermalmen des Getraides gedient, sondern ist wohl zum Glätten weiblicher Arbeiten, z. B. der Gewebe, Geflechte, Näthe u. s. w. benutzt. Entfernt gleicht dieses Geräth den schweizerischen Reibsteinen, welche alle etwas dünner und flacher sind, als die nordischen.


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Mühlsteinplatten.

In dem Pfahlbau von Wismar sind auch mehrere Bruchstücke von Mühlsteinplatten gefunden, welche an dieser Stelle allerdings sehr merkwürdig erscheinen. Sie haben völlig flache, zirkelrunde Scheiben mit einem Loche in der Mitte gebildet und sind auf der untern Seite eben und rauh, auf der obern Seite durch eingehauene feine Rillen, welche vom Mittelpuncte nach dem Rande laufen, körnig gemacht. Sie bestehen immer aus grauem, porösem, hartem Basalt, welcher sich als Geschiebe im Lande findet, aber auch eingeführt wird.

1) Eine Platte ist 3 Zoll breit vom Loche bis zum Rande, gegen 1 1/2 Zoll dick und bildet ungefähr ein Drittheil einer Scheibe; auf der Oberfläche sind ganz feine, grade Linien vom Mittelpuncte bis zum Rande eingehauen.

2) Eine andere Platte, welche tief auf dem Grunde gefunden ward, ist 3 1/2 Zoll breit vom Loche bis zum Rande und gegen 1 1/2 Zoll dick und bildet ungefähr ein Viertheil einer Scheibe; auf der Oberfläche sind tiefere, grade Linien vom Mittelpuncte bis zum Rande eingehauen. Der Rand ist völlig glatt abgeschliffen und auf der untern Fläche findet sich ein glatt eingeriebenes Zapfenloch. Dieses Bruchstück gehört sicher nicht zu dem ersten Bruchstücke.

3) Eine dritte Platte ist ein Bruchstück von einem größern Steine und zwar von dem Rande dessselben, 9 Zoll lang, 6 Zoll breit und 2 1/2 Zoll dick; auf der Oberfläche dieses Stückes sind 10 tiefere, geschwungene Linien eingehauen.

Diese Steine sind offenbar Bruchstücke von Handmühlen, in denen zwei ähnliche Steine auf einander gingen, und unterscheiden sich wesentlich von den alten, rohen, granitenen Mahlsteinen, in deren Höhlung das Getraide mit einer steinernen Kugel zermalmt ward. Diese Steine tragen offenbar den Charakter einer viel jüngern Zeit, als die Steinperiode ist, und könnten weit bis in das Mittelalter hineinreichen.

Von Wichtigkeit für diese Untersuchung ist aber, daß in dem Pfahlbau von Gägelow ein Mörser gefunden ist, welcher aus demselben Gestein besteht (vgl. die Abbildung auf der beigegebenen Steindruck=Tafel IV, Fig. 1 a und b). Solche Basaltmörser und Mörserkeulen sind schon öfter in Lande und sonst in Deutschland und in Skandinavien gefunden, in Meklenburg z. B. zu Niendorf bei Grevesmühlen (Jahresbericht VI, S. 33), offenbar alt, zu Sternberg (Jahrb. X, S. 270) und zu Roxin bei Grevesmühlen (Jahrb. XIX, S. 294). Da einige derselben aber schon ausgebildete architektonische Formen

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haben und bisher kein einziger in einem Grabe gefunden ist, so habe ich sie bisher immer für Geräthe zweifelhaften Ursprungs gehalten. Auch Nilsson (Skandin. Drinvånare), welcher sie für Quetschwerkzeuge zum Getraide hält, "beharrt nicht auf dieser Erklärung", da sie nicht mit Sicherheit aus Hünengräbern stammen. Und obgleich ein Stück dieser Art in dem Pfahlbau von Gägelow gefunden ist, welcher sonst nur Geräthe der Steinperiode enthält, so kann ich mich doch noch nicht entschließen, diese basaltischen Geräthe ohne Zweifel der Steinperiode zuzuschreiben.

Am wenigsten dürften die oben beschriebenen Mühlsteinbruchstücke von Wismar in die Steinperiode fallen. Es möchte sich aber wohl eine Erklärung dafür finden lassen, wie diese Steine in das Moor gekommen sind. Es ist leicht möglich, daß diese Bruchstücke von zerbrochenen Mühlsteinen in jüngern Zeiten, als das Torfmoor noch ein Sumpf oder See war, von Fischern zu Ankersteinen oder Senksteinen benutzt wurden und hier verloren gingen. Würden diese Steine aus den Pfahlbauten stammen, so würden ohne Zweifel ganze Mühlsteine, und nicht Bruchstücke, gefunden sein.

Anm. Während der Correctur dieses Bogens wird eine vollständige Platte dieser Art eingesandt, welche in dem ausgegrabenen Moder des Pfahlbaues von Gägelow gefunden ist. Diese Platte ist der vollständige untere Stein einer Handmühle, rund, 1 Fuß im Durchmesser und 2 1/2 Zoll dick. Die untere Fläche ist eben, aber nicht bearbeitet; die obere Fläche hat feine eingehauene Rillen, welche von dem runden Loche in der Mitte gegen den äußern Rand hinlaufen. Zur Seite des Mittelloches sind zwei schwalbenschwanzförmige Vertiefungen eingehauen, um eine Zwinge darin zu befestigen. Allem Ansehen nach stammt dieser Mühlstein aus dem Mittelalter und ist das Vorkommen in diesem, jetzt von menschlichen Wohnungen weit entfernten Pfahlbau unerklärlich. Die Bruchstücke aus dem Wismarschen Pfahlbau sind dieser vollständigen Platte völlig gleich.


7. Geräthe aus Thon.

Töpfe.

In den Pfahlbauten werden zahllose Scherben von thönernen Gefäßen, zuweilen, jedoch natürlich selten, auch ganze

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Gefäße gefunden. Alle thönernen Gefäße der heidnischen Zeit Nord= und Mittel Europas sind in der Bereitungsweise gleich:

sie sind aus freier Hand aus Thon geformt, welcher stark mit Zerstampftem Granit oder grobem Sand durchknetet ist, nach der Vollendung der Form durch Ueberschmierung mit geschlämmtem Thon geebnet und am offenen Feuer gedörrt. Diese Bereitungsweise, namentlich die Vermengung des Thons mit Gestein, war nothwendig, um die Gefäße beim Dörren in ihrer Gestalt zu erhalten und sie dauerhaft und feuerbeständig zu machen, und ist bei allen wilden Völkern der Erde, auch noch jetzt, gebräuchlich (vgl. Jahrb. X, S. 238); alle sind vor der Erfindung des Brennofens auf dieselbe Erfindung gerathen. Die Griechen und Römer kannten schon die Herstellung feinen Thongeschirres durch den Töpferofen. Aber bevor die griechisch=römische Bildung die kunstmäßige Bereitung des Thongeschirrs übte, bereiteten auch die Völker Italiens ihre Thongefäße genau in derselben Weise, wie die Völker Mittel= und Nord=Europas, wie die aus der Steinzeit stammenden Pfahlbauten und die Urnen der alten Gräber Italiens beweisen, z. B. die Ausbeute aus dem Pfahlbau in dem See von Varese bei Mailand, welcher sicher und ganz aus der Steinzeit stammt und den mittel= und nordeuropäischen völlig gleich ist, wie ich den Fund in Zürich selbst 1864 zu untersuchen willkommene Gelegenheit hatte. Diese thönernen Geschirre der Heidenzeit finden sich gleichmäßig in den Gräbern, Pfahlbauten und Höhlenwohnungen der Steinperiode und der darauf folgenden Perioden.

Die thönernen Geschirre der Heidenzeit lassen sich in zwei Classen scheiden, die ich Töpfe und Krüge nennen will. Die Töpfe sind immer sehr roh gearbeitet, größtentheils gradwandig, sehr dick in den Wandungen, ohne Linienschmuck auf der Außenfläche und gewöhnlich groß. Es giebt große Töpfe aus der Heidenzeit, deren Wandungen 1/2 bis 1 Zoll dick sind. Die Töpfe wurden theils zum Kochen und zur Bereitung der Speisen, theils zur Aufbewahrung der Lebensmittel, theils zu Wassergefäßen und ähnlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen benutzt. Die Scherben von solchen schmucklosen Töpfen sind nun überall sehr häufig da, wo menschliche Wohnungen gewesen sind, zur Steinzeit in den Pfahlbauten und Höhlenwohnungen. Oft sind die Scherben von Ruß geschwärzt, mitunter auch hell und gelblich und röthlich durch Hausbrand gebrannt. Es giebt, freilich sehr selten, sehr große, dickwandige Töpfe (von uns früher "Riesenurnen" genannt), welche ohne Zweifel aus der heidnischen Zeit stammen. Sie

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sind ungefähr 2 Fuß hoch und 2 Fuß weit im Durchmesser und 5/8 Zoll dick in den Wandungen und sind wahrscheinlich zur Aufbewahrung großer Vorräthe von Feldfrüchten und Fleisch benutzt. Bei Wittenburg ward ein solcher Topf mehrere Fuß tief unter der Erdoberfläche gefunden; in denselben lagen einige Knochen (vgl. Jahresber. V, S. 64); wahrscheinlich gehörte derselbe zu einer Höhlenwohnung. Ein gleicher Topf ward unter gleichen Verhältnissen zu Gr.=Medewege bei Schwerin (vgl. Jahrb. XIII, S. 378) und ein Bruchstück zu Satow bei Kröpelin (vgl. Jahrb. XVIII, S. 261) gefunden. In den Höhlenwohnungen ist der Boden der Kochgefäße gewönlich ganz erhalten, weil die Gefäße auf fester und grader Unterlage standen, als die Wohnungen zerstört wurden; die Seitenwände sind aber immer zertrümmert. In den Pfahlbauten finden sich dagegen die verschiedenartigsten Scherben von zerbrochenen Gefäßen, welche entweder weggeworfen oder beim Einsturz der Wohnungen zertrümmert sind.

In dem Pfahlbau von Wismar fanden sich nun sehr verschiedenartige Scherben von Töpfen, welche jedoch alle so klein und unbedeutend sind, daß sie kein neues Ergebniß liefern.


Krüge.

Eine zweite Classe von Thongefäßen sind diejenigen, welche ich Krüge genannt habe. In den Pfahlbauten der Schweiz werden, wie es sich auch nicht anders annehmen läßt, vielerlei thönerne Geschirre, wie Krüge, Näpfe, Schüsseln, auch Spinnwürtel, Webegewichte, Netzsenker, Ringe zum Geradestellen von Gefäßen mit spitzem Boden u. a. m. gefunden. Die Näpfe, Krüge und Schüsseln wurden ohne Zweifel beim Trinken und Essen gebraucht. Diese Krüge sind freilich auf dieselbe Weise bereitet wie die Töpfe, aber sie weichen von diesen in vielfacher Hinsicht ab. Die Krüge der Steinperiode sind klein, in den Wandungen dünne geformt, sorgfältig und sauber gearbeitet, gewöhnlich mit eingeritzten Linien verziert, welche jener Zeitperiode eigenthümlich sind, und von einer schönen braunen Farbe; sie haben im Bauche gewöhnlich eine kugelige Form (vgl. Jahrb. X, S. 253) und einen sehr hohen, bald graden, bald ausgebogenen Rand. Diese Gefäße sind in Nord=Europa bisher nur aus den Gräbern einer gewissen Zeit der Steinperiode bekannt gewesen. Sie werden mit Speise und Trank gefüllt neben den unverbrannten Leichen

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in die Gräber gesetzt. Man kann daher annehmen, daß dieselben Geschirre im Leben in den Wohnungen gebraucht wurden, aber auch daß man dem geliebten Todten das Beste, was man besaß, auf die Reise in die Ewigkeit mitgab, also großen Herrschern und Helden in großen Gräbern das Beste, was die Zeit hervorbrachte.

Wir haben das große Glück gehabt, in dem Pfahlbau von Wismar einen solchen Krug zu finden, der hieneben abgebildet ist;

Krug

er lag im Pfahlbau ganz, zerbrach aber beim Herausholen, ward jedoch glücklicher Weise in einer ganzen Hälfte der Ansicht gerettet, wie er hier dargestellt ist.

Dieser Krug, welcher die oben beschriebene Gestalt hat und mit senkrechten Linien verziert ist, hat nun ganz dieselbe Form, wie die Urnen, welche sich in den Steingräbern mit den langgestreckten Hügeln aus der Steinzeit finden. Ich nehme hier zum Vergleich das große Hünengrab von Molzow, welches 1840 bis 41 durch den Freiherrn Albrecht Maltzan wissenschaftlich aufgedeckt ward (vgl. Jahresber. VI. S. 134). Das Grab hatte einen Hügel, welcher 90 Fuß lang, 20 Fuß breit und 2 bis 3 Fuß hoch war und 4 große Steinkisten in sich faßte. Dieses Grab lieferte nun die vortrefflichsten Urnen der Steinzeit, welche die Schweriner Sammlungen je gewonnen haben. Die zuerst hier abgebildete Urne läßt auf den ersten Blick erkennen, daß sie in der Form mit dem

Urne
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mit dem Kruge aus dem Pfahlbau von Wismar völlig gleich ist. Aber auch die Verzierungen sind gleich, denn eine zweite hieneben abgebildete, in demselben Grabe gefundene Urne hat auf dem Bauche dieselben Linienverzierungen, wie der Wismarsche Krug. Es stimmen also nicht nur die Formen dieser Gefäße, sondern auch die Verzierungslinien und deren Führung ganz genau mit denen des Kruges aus dem Pfahlbau von Wismar überein. Auf dem Wismarschen Kruge stehen jedoch die Verzierungslinien gruppenweise. Auch dies findet sich in den Gräbern jener Zeit. In einem großen Hünengrabe von derselben Bauart aus der Steinzeit zu Helm bei Wittenburg (vgl. Jahresbericht V, S. 22 flgd.), welches 52 Fuß lang war, fand sich die hieneben abgebildete,

Urne

freilich anders geformte Urne, auf welcher die senkrechten Verzierungslinien ebenfalls gruppenweise angeordnet sind. Selbst die Führung der Verfertigungsweise der Linien ist gleich, indem sie alle am Bauchrande mit einem größern, vertieften

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Stich anfangen und nach unten hin in sanfterer Führung verlaufen.

Diese Form und Verzierungsweise der Urnen ist aber durchaus jener Zeit eigenthümlich, welcher die großen Steingräber mit den lang gestreckten Hügeln angehören. - Ganz gleiche Krüge finden sich in den dänischen Gräbern der Steinzeit; vgl. Madsen Afbildninger af Danske Oldsager.

Man kann also aus dieser Darstellung mit großer Sicherheit folgern, daß der Pfahlbau von Wismar auch dieser Zeit angehört, oder daß die Menschen, welche den Pfahlbau von Wismar bewohnten, in den lang gestreckten Hügelgräbern der Steinzeit beigesetzt wurden. Dieser Krug giebt neben der Gestalt der Streitaxt den genügenden Beweis für die hier ausgesprochene Ansicht.


Spindelsteine.

Spindelsteine aus Thon sind in den schweizerischen Pfahlbauten nicht selten. Auch in dem meklenburgischen Pfahlbau von Gägelow ward ein Spindelstein aus Thon gefunden, welcher ganz das Gepräge eines hohen Alterthums hat: er ist scheibenförmig und platt und sichtbar auf dem Finger gedreht (vgl. Abbildung Taf. IV, Fig. 3). Er gleicht ganz den schweizerischen Würteln (vgl. Keller, Erster Bericht, Taf. III. Fig. 14). In dem Pfahlbau von Wismar ist ebenfalls ein Spindelstein aus feinem Thon, von Moder geschwärzt, gefunden, und zwar in der Nähe von Flachs und Geweben; dieser ist dick und auf beiden Seiten kegelförmig auslaufend, hat also einen jüngeren Charakter. Wäre dieser Würtel nicht auf dem Seegrunde neben Flachs und Leinwand gefunden, so würde man ihn auf den ersten Anblick für jüngern Ursprunges halten können.


8. Geräthe aus Knochen und Horn.

In den schweizerischen Pfahlbauten werden kleine Geräte aller Art aus Knochen und Horn, wie Keilfassungen, Hämmer, Meißel, Pfriemen, Nadeln, Hecheln u. a. m., häufig in großer

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Menge gefunden, und aus den Mooren Dänemarks kommen grade nicht sehr selten knöcherne und hörnerne Geräthe zum Vorschein.

In den meklenburgischen Gräbern der Steinperiode war aber nie ein knöchernes Geräth bemerkt, und auch aus den Torfmooren waren nie andere Geräthe ans Licht gekommen, als vereinzelte Streitäxte aus Hirschhorn von unzweifelhaft sehr hohem Alter, jedoch in sehr geringer Zahl.

Auch in dem Pfahlbau von Wismar wurden lange Zeit äußerst wenige Geräthe aus Horn oder Knochen entdeckt und in dem Pfahlbau von Gägelow war kein einziges Stück gefunden. Die in der Schweiz zahlreichen Fassungen der Keile aus Hirschhorn fehlen in Meklenburg noch ganz; sie scheinen hier aus Holz gewesen zu sein (vgl. Jahrb. XXVI. S. 131). In den Pfahlbauten von Wismar wurden in den ersten Zeiten folgende Gegenstände gefunden, welche die Bearbeitung von Horn und Knochen zur Zeit des Pfahlbaues beweisen:

1 Hirschhorn, dessen Enden roh abgekeilt sind und dessen Stange angespalten ist;

1 Hirschhornstange mit der Rose zu einer Axt vorbereitet und zugeschärft, jedoch noch nicht durchbohrt;

5 abgehackte Hirschhornenden, welche zu Geräthen theils bestimmt, theils benutzt sind;

1 nur aus einer Spitze ohne alle Enden und Verbreiterungen bestehendes, langes, ganz grades Rehhorn, welches von Natur so gewachsen und am spitzen Ende so vollkommen abgeglättet ist, daß es ohne Zweifel zum häuslichen Gebrauche viel benutzt worden ist.

1 Haue aus Pferdeknochen. Der Knochen ist gespalten, der ganzen Länge nach an beiden schmalen Seiten künstlich zugespitzt und am obern breiten Ende zu einem großen runden Loche von 1 1/4 Zoll Durchmesser künstlich und regelmäßig durchbohrt, in der Mitte des Loches jedoch leider durchgebrochen. Das hieneben abgebildete Geräth ist jetzt 9 Zoll lang und oben 2 Zoll breit.

Haue

Nach der Bestimmung des Herrn Professors Rütimeyer ist es von dem linken Schienbein eines Pferdes (Equus Caballus, tibia sinistra).

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Als man aber im Nov. 1864 bis auf den Grund des ehemaligen Sees und der Moderschicht kam, wurden an einer Stelle zu wiederholten Malen neben Flachs, Leinwand, Leder und Baumfrüchten auch viele interessante Geräthe aus Knochen von sehr geschickter Arbeit in der Tiefe gefunden:

1 Kamm aus Knochen, sehr breit und dick; die Zähne, welche alle abgebrochen sind, sind wahrscheinlich sehr kurz gewesen,

Kamm

und sind oben am Griffe alle von sehr verschiedener Breite. Der Kamm ist 7 1/2 Zoll breit und jetzt 2 3/4 Zoll hoch; die Dicke des Knochens geht von 1/4 Zoll bis 3/8 Zoll. Der Knochen muß also von bedeutender Größe gewesen sein, da keine Markhöhle sichtbar ist. Der Kamm ist durch und durch ausgebrannt und alle unzähligen kleinen Gänge sind leer gebrannt, so daß nur noch das leichte, aber ziemlich feste, schwarz gebrannte Kalkgerüst vorhanden ist, Rütimeyer urtheilt über diesen Kamm, freilich nur nach einer Zeichnung und nach den mitgetheilten Maßen, brieflich also: "Ich kann mir nur ein einziges Knochenstück denken, welches zu einem Geräth von der Größe und Beschaffenheit, und zwar im hohen Grade paßlich war, so daß ich kaum zweifle, das Richtige zu treffen: es wird dieser große Kamm aus dem Unterkiefer eines Pferdes gearbeitet sein."

1 Kamm aus Knochen, 7 1/2 Zoll breit und 2 1/2 Zoll hoch (18 und 6 Centimetres). Dieser Kamm ist noch ziemlich vollständig gewesen. Er ist aber auf der untern Seite durchgebrannt, jedoch oben fast ganz erhalten, freilich äußerst zerbrechlich. Einige Zähne sitzen noch an dem Griffe, jedoch die meisten sind abgebrochen, aber alle noch zum größten Theile vorhanden. Die Zähne sind 1 1/2 Zoll (3 1/2 Cent.) lang und äußerst regelmäßig gearbeitet, für den Fall der Bearbeitung

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mit Feuersteingeräthen bewundernswerth; der Kamm hat 2 breite Endzähne und dazwischen 25 schmale Zähne. Der Griff

Kamm

ist mit eingegrabenen Schräge= und Kreuzlinien verziert, so daß die Verzierungen 5 1/2 Rauten bilden, in deren jeder ein Kreuz steht. Diese Verzierung ist geschickt und sicher gravirt und zeugt, wie die Verzierung der Thonkrüge, dafür, daß die ehemaligen Besitzer richtigen Sinn auch für Schmuck hatten. Rütimeyer glaubt, daß auch dieser Kamm aus einem Unterkiefer, vielleicht eines Rindes, geschnitzt sei, indem er zweifelt, daß ein solcher Kamm aus Hirschhorn verfertigt werden konnte.

1 Kamm aus Knochen ebenfalls breit und kurz. Von diesem ist nur ungefähr die Hälfte des Griffes, 4 Zoll breit und 1 1/2 Zoll hoch, vorhanden.

Kamm

Das Stück ist abgespalten oder abgebrochen, so daß von den Zähnen keine Spur mehr vorhanden ist. Das fehlende Ende ist durchgebrannt und abgebrochen, wie das eine äußerste Ende des Bruchstücks beweiset. Der vorhandene Rest ist nur ausgetrocknet, also während des Brandes in's Wasser gefallen. Der Knochen ist viel zarter, als der des großen Kammes, und nur 1/4 Zoll dick. Beide Seiten des Griffes sind mit unregelmäßigen, tief eingegrabenen Kreuzlinien verziert, wie die Abbildung zeigt. Diese Verzierungen sind offenbar eine rohe Nachbildung der Verzierungen des nächst voraufgehenden Kammgriffes.

1 Kamm aus Knochen oder Horn, von derselben Gestalt, ist ganz in viele, äußerst kleine Bruchstücke zerfallen, von

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denen nur sehr wenige übrig sind. Er ist am Rande des Griffes mit einer Doppelreihe von eingegrabenen kleinen Puncten verziert gewesen.

1 Kamm aus Knochen, lang und schmal. Er ist 7 1/2 Zoll lang, 1 5/8 Zoll breit und 1/4 Zoll dick und hat nur 3 lange und dicke Zähne von 3 3/4 Zoll Länge, von denen der mittlere abgebrochen und verloren gegangen ist. Der Griff hat in der Mitte ein durchbohrtes rundes Loch. Der ganze, hieneben abgebildete Kamm

Kamm

ist ganz durch= und ausgebrannt und von sehr leichtem Gewicht, und gleicht an Masse, Farbe und Ansehen ganz dem oben zuerst beschrieben großen, breiten und dicken Kamme ohne Verzierungen.

1 Kamm aus Hirschhorn, dick, schmal und lang, dem so eben beschriebenen ähnlich. Er ist am Griffende durchbrannt und zerbrochen, so daß nur ein Stück vom Griffe und ein dicker Seitenzahn vorhanden ist. Die Seitenflächen sind außerordentlich regelmäßig und glatt geschnitten und geschliffen.

1 Falzbein (Netzstricknadel?) aus Horn, zerbrochen, in Gestalt eines flachen, dünnen, zugespitzten Werkzeuges, welches oben 3/4 Zoll breit ist und im Ganzen wohl zwischen 7 und 8 Zoll lang gewesen sein mag. Am obern Ende ist ein rundes Loch durchgebohrt. Das hieneben

Kamm

links abgebildete Werkzeug ist ebenfalls ganz durchbrannt und noch in 2 Bruchstücken vorhanden, welche zusammen 6 Zoll lang sind.

1 Falzbein aus Knochen, von gleicher Beschaffenheit, oben durchbohrt, 5 Zoll lang, an der untern Seite mit den Markhöhlen durchbrannt.

3 Falzbeine aus Knochen, von gleicher Beschaffenheit, 3 bis 4 Zoll lang und 1/2 bis 1 Zoll breit, alle durchbrannt und zerbrochen; allen fehlt das Griffende.

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1 Falzbein aus Horn, von gleicher Beschaffenheit, 3 Zoll lang, angebrannt und zerbrochen.

1 Harpune aus Hirschhorn, jetzt nach 6 1/2 Zoll lang, 1/2 Zoll breit, am Ende zugespitzt; beide Enden fehlen.

Harpune

Sie ist unten platt und oben hoch gewölbt und überall sehr regelmäßig und sauber gearbeitet. An einer Seite sind jetzt noch 3 Widerhaken sehr sauber ausgeschnitten, deren Tiefe durch eine regelmäßig und fein eingegrabene Linie auf der gewölbten Seite bezeichnet ist. Wahrscheinlich ist unten noch ein Widerhaken vorhanden gewesen. Die Spitze ist dreieckig scharf zugespitzt und geschliffen; leider ist die äußerste Spitze abgebrochen. Das Werkzeug ist ebenfalls durchbrannt, jedoch noch ziemlich gut erhalten, aber spröde. Ganz gleiche Harpune finden sich auch in Skandinavien; vgl. Nilsson a. a. O., Taf. XIII, Fig. 157.

1 Taschenbügel (?) aus Hirschhorn (?). Dieses Geräth ist eine grade, sehr wenig geschweifte Hirschhornplatte, jetzt 7 1/2 Zoll lang und 1 1/4 Zoll breit (18 und 3 Centimetres). Die beiden Enden fehlen, so daß das Geräth noch viel länger gewesen sein kann; jedoch ist es noch ziemlich erhalten, da es nur angebrannt ist. Auf der obern, glatten, etwas gewölbten Fläche ist es mit eingegrabenen runden Linien verziert, so daß die Oberfläche schuppig erscheint. Die Bestimmung der Anwendung dieses Geräthes ist sehr schwierig, da sich keine Anwendung errathen zu lassen scheint. Ich glaube, daß es ein Taschenbügel sein soll, ähnlich dem, welcher im Meerbusen von Wismar gefunden und unten beschrieben ist. Dergleichen sollen in Dänemark in Gräbern der Steinperiode gefunden und bei den Lappen noch jetzt in Gebrauch sein.

Taschenbügel

1 gespaltener Knochen zur Verfertigung eines Geräthes, an einem Ende sehr regelmäßig und glatt abgeschnitten oder abgesägt.


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9. Leder.

Mit Steindrucktafel III.

Keller äußert sich (Vierter Bericht S. 22-23) über Leder in den schweizerischen Pfahlbauten folgendermaßen: "Leider besitzen wir über diesen Theil der Ausrüstung der Pfahlbaubewohner nur äußerst spärliche Andeutungen, da das Leder durch die Hitze durchaus verändert und im Wasser aufgelöset wird 1 ). Dennoch haben sich unter der Verlassenschaft der Urbewohner, welche im Seeschlamme eingebettet liegt, eine Anzahl Lederstücke vorgefunden, deren Bestimmung zwar nicht zu ermitteln ist, die uns aber eine neue Thatsache liefern, nämlich, daß den Ansiedlern eine gewisse Art der Zubereitung des Leders, wodurch die Thierhaut biegsam und dauerhaft gemacht wurde, nicht unbekannt war, daß mithin die ersten Elemente des Gerbens schon auf den Pfahlbauten Anwendung fanden."

Auch in dem Pfahlbau von Wismar hat sich ein großes Stück Leder gefunden, welches verkohlt und daher sehr spröde und in viele Stücke zerbrochen ist. Alle Bruchstücke sind äußerlich durch Rauch geschwärzt, welcher noch leicht und stark abfärbt, vielleicht von verbranntem Fett. Das Leder ist sehr fein, rein und regelmäßig und auf einer Seite mit eingedrückten, feinen, schön geschwungenen Linien verziert, welche in der Abbildung eines Bruchstückes auf der Steindrucktafel III, Fig. 3, ganz getreu wiedergegeben sind. Der Herr Professor Heer in Zürich erklärt es ebenfalls für verkohltes Leder. Die Verwendung dieses Leders läßt sich nicht mehr ermitteln, da die Stücke, zu denen gewiß noch viele fehlen, zu klein sind.


10. Pflanzenreste.

Mit Steindrucktafel III.

In vielen Pfahlbauten der Schweiz werden große Massen von Ueberresten aus dem Pflanzenreiche gefunden. Vorzüglich häufig sind Getraidesorten, Waizen und Gerste, in


1) Bei Mainz sind bekanntlich römische Sandalen aus Leder in großer Zahl gefunden.
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großen Vorräthen, gedroschen und in vollständigen Aehren, immer durch Brand verkohlt, ferner Aepfel, wilde und "Cultur=Aepfel" (oder besser: kleine und größere), in großer Menge, ebenfalls immer verkohlt, auch Birnen, diese jedoch selten. Eben so sind verkohlte Niederlagen von Flachs und mancherlei Gewebe sehr verschiedener Art aus Flachs entdeckt. Von wildwachsenden Pflanzen sind Haselnüsse und Wassernüsse (Trapa natans) sehr häufig. Außerdem finden sich oft auch Ueberreste von andern Pflanzen, namentlich Sämereien mancher Art. Man kann aber annehmen, daß sich Haselnüsse in allen Pfahlbauten, wenigstens der Steinperiode, finden.


Haselnüsse.

In den meklenburgischen Pfahlbauten finden sich ebenfalls immer Haselnüsse, welche auch zu den ziemlich sichern Leitern zu Pfahlbauten gehören. Freilich sind die Haselnüsse nicht immer ganz zuverlässige Anzeichen eines Pfahlbaues; denn es finden sich an den Rändern der Gewässer und Moore oft große Massen von Haselnüssen, die von den Sträuchen, welche ehemals an den Ufern standen, in's Wasser gefallen und gewehet sind. Aber wenn sich in Mooren in einiger Entfernung vom Ufer, wo früher im Wasser keine Haselsträuche gestanden haben können, alte Pfähle und neben diesen in der Tiefe Haselnüsse und geknackte Haselnußschalen finden, welche nur von gesammelten Vorräthen stammen können, so kann man schon mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß hier menschliche Wohnungen gestanden haben. Die Haselnüsse finden sich dann immer tief im Grunde neben andern Alterthümern und sind durch andere, schwerere Gegenstände hinuntergedrückt; sonst würden sie im Wasser oben geschwommen haben. Die Haselnüsse der Pfahlbauzeit liegen immer in der sogenannten "Culturschicht", wie die Schweizer sagen, d. h. bei den übrigen Ueberresten der Pfahlbauten.

In den Pfahlbauten von Wismar, welche nicht nahe am Ufer liegen, wurden auch ununterbrochen viele Haselnüsse gefunden, die meisten nicht aufgeknackt. Derselbe Fund ward auch in dem Pfahlbau von Gägelow gemacht, und auch in dem Sühring=Moor bei Bützow wurden Haselnüsse bei steinernen Alterthümern gefunden.


Andere Ueberreste aus dem Pflanzenreiche wurden in den meklenburgischen Pfahlbauten lange Zeit nicht gefunden, da sie

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wegen der Tiefe, Nässe und Schwärze des Moders nicht erkannt wurden. Auch in dem Pfahlbau von Meilen am Zürcher See wurden bis jetzt keine andern Pflanzenreste als Haselnüsse gefunden: "Der einzige hier entdeckte Gegenstand aus dem Pflanzenreiche, der als Kost benutzt wurde, sind Haselnüsse, die in sehr großer Menge zum Vorschein kamen. Sie waren nicht etwa zugeschwemmt, da sie in der eigentlichen Culturschicht gefunden wurden;" vgl. Keller a. a. O. I. S. 80. In den neuesten Zeiten hat man jedoch bei größerer Erfahrung, Aufmerksamkeit, Ruhe und Unverdrossenheit an vielen Orten der Schweiz sehr belohnende Entdeckungen gemacht. Verkohlte Aepfel werden hier sehr zahlreich gefunden; so fand ich selbst in dem Pfahlbau von Robenhausen auf einer kleinen Stelle in der Zeit von kaum einer Stunde über ein Dutzend Aepfel.

Auch in dem Pfahlbau von Wismar sollte sich endlich die Ausdauer belohnen. Nachdem ein halbes Jahr lang geforscht war, fanden sich in der Tiefe auf dem Seeboden die Dinge, welche in der Schweiz zu den vorzüglichsten Merkmalen der Steinperiode gehören. Es mag ein Frauenzimmerwinkel in dem Pfahlhause gewesen, der beim Brande des Hauses ungestört in die Tiefe gesunken ist; denn es fanden sich hier Kämme, Netznadeln, Glättbeine, Flachs, Leinewand, feines Leder, Obst und anderes neben einander.


Flachsgeflechte.

Der Bau und die Benutzung des Flachses reicht bis in die frühesten Zeiten der menschlichen Bildung zurück und wird in der Schweiz in den Pfahlbauten, welche noch der Steinperiode, angehören, oft gefunden, sowohl unverarbeitet in Bündeln, als auch zu mancherlei Geflechten und Geweben verarbeitet. Keller hat die Beobachtungen über den Flachs in der Schweiz im Vierten Bericht etc. ., 1861, S. 18 flgd., zusammengefaßt und berichtet darüber: "Der gefundene Flachs gehört nach dem Urtheil aller Sachverständigen zu derjenigen Sorte, die unter dem Namen des kurzen Flachses ziemlich häufig im nordwestlichen Theile der Schweiz gebauet wird. Diese kleinere Art erreicht auch im besten Boden nicht die Höhe des großen; ihre Vorzüge bestehen aber darin, daß sie feinere Fasern liefert, sich besser mit dem Klima verträgt und vom Winde nicht umgeworfen wird." Nach den Beobachtungen des Arztes Herrn Dr. Stitzenberger zu Constanz ist der Flachs

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"nicht der Flachs unserer heutigen Landwirthe, sondern der sogenannte ausdauernde Lein (Linum perenne L.), welcher in Süddeutschland auf sonnigen Hügeln, sandigen Feldern, so wie in Wäldern heute noch wild wächst. Aus ihm bereitete unser Urvolk seinen Faden, seine Netze, seine Kleider." (Constanzer Zeitung, 1864, Sept. 14, Nr. 209). - Der Flachs ward schon zur Steinzeit sorgfältig gehechelt und geschwungen; man hat sehr gute Hecheln aus vorzüglich schön zugespitzten und polirten Thierrippen gefunden.

Die einfachste Art des Gewebes, welches eigentlich nur ein Geflecht bildet, ist in mehrern schweizerischen Pfahlbauten gefunden. Es sind glatte, nicht gedrehte oder gezwirnte Stränge von gehecheltem Flachs, ungefähr 1/4 Zoll oder 1/2 Centimetre dick, senkrecht parallel dicht neben einander gelegt; queer durch sind in gewissen gleichmäßigen Entfernungen gleiche Stränge wagrecht geschürzt, welche die senkrechten Stränge zusammenhalten. Diese Geflechte konnten als Decken, Röcke und Umhänge benutzt werden. Solche Geflechte sind in den der Steinzeit angehörenden schweizerischen Pfahlbauten von Wangen und Robenhausen gefunden und von Keller im Zweiten Bericht Taf. I. Fig. 23 und S. 146, Dritten Bericht Taf. VI. Fig. 18 und 19 und S. 106 und 116, und Vierten Bericht Taf. IV, Fig. 5 und S. 19, auch von Staub Taf. V, Fig. 2 abgebildet. Bei den schweizerischen Geflechten dieser Art liegen die verknüpfenden Queerstränge ungefähr 3/8 Zoll (1 Centimetre) auseinander.

Auch in dem Pfahlbau von Wismar sind tief auf dem Grunde ganz gleiche Geflechte von sehr feinem Flachs gefunden, nach dem Urtheil der Herren Professoren Keller und Heer in Zürich, und hiezu auf Steindrucktafel III. Fig. l, abgebildet. Die Queerstränge liegen aber weiter auseinander, nämlich gegen 2 Zoll (ungefähr 4 1/2 Centim.). Gleich weit geflochtene Arbeiten sind aber auch in dem der Steinzeit angehörenden Pfahlbau von Wangen gefunden und für die Sammlungen zu Schwerin erworben. Diese einfache Flechtarbeit möchte am meisten für die Gleichzeitigkeit der nördlichen und südlichen Pfahlbauten und für die weite Verbreitung der einfachsten und eigenthümlichen Bearbeitungsweise Zeugniß geben.

Im Wismarschen Pfuhlbau ist ein Stück von ungefähr 12 Langsträngen Breite und zwischen 2 Queersträngen Höbe gefunden worden. An den Enden der Langstränge sind noch deutlich die Schürzungen der Queerstränge zu erkennen.


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Leinewand.

Das Urvolk der Steinzeit verstand aber nicht allein, die Fasern des Flachses zu gewinnen und zu flechten und zu drehen; es verstand auch Flachs zu spinnen und Leinwand zu weben. Das häufige Vorkommen der thönernen Spindelsteine beweiset die Kenntniß des Spinnens, und die Auffindung von Leinewand zeugt für den Gebrauch des Webestuhls, dessen Erfindung in die Urzeit zurückreicht. Keller hat im Vierten Bericht S. 19 flgd. über das Vorkommen in der Schweiz umständlich Bericht erstattet und auch einen einfachen Webstuhl dargestellt. Es ist in der Schweiz sehr häufig Leinewand, und zwar in verschiedenen Mustern, in den Pfahlbauten gefunden.

Auch in dem Pfahlbau von Wismar sind mehrere ziemlich große Stücke von Leinewand von dicken gesponnenen Fäden gefunden, abgebildet auf der Steindrucktafel III. Fig. 2, welche zwar grob und einfach (mit rechtwinklig sich durchschneidenden Fäden), aber fest und ziemlich regelmäßig ist;

die Fäden sind offenbar gedreht, also gesponnen, wie sich aus einzelnen Stücken klar erkennen läßt, obgleich dies in der Abbildung nicht angegeben ist.


Obst.

Bekanntlich werden in den Pfahlbauten der Schweiz verkohlte Aepfel sehr häufig gefunden, Birnen selten. In dem Pfahlbau von Wismar wurden neben dem Flachs, der Leinwand und den knöchernen Kämmen auch ungefähr 12 Rinden gefunden, welche einer Frucht angehören müssen. Sie sind geöffnet, wahrscheinlich der Länge nach durchschnitten, ungefähr 1 1/2 Zoll (3 Centim.) lang und in der Mitte über 1 Zoll breit oder dick, auf der Oberfläche glatt und glänzend, hin und wieder in kleinen runden Stellen ein wenig eingedrückt und auf der Innenseite rauh und faserig. Ich kann in diesen Ueberresten nur Birnen erkennen. Sie laufen nach unten in eine Spitze aus, welche über den Stengel gefaßt hat, und sind hier scharf abgeschnitten; man kann dies an einigen Exemplaren noch deutlich sehen. Der Herr Professor Heer in Zürich, welcher ein Stück in noch frischem Zustande untersucht hat, erklärt es für "die Rinde oder Haut einer Pflanze, welche mit Pilzen behaftet war," entscheidet sich aber nicht weiter.


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Pfahlbau von Wismar - Alterthümer
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11. Thierknochen.

In dem Pfahlbau von Wismar finden sich zahlreiche Thierknochen, fast alle von jetzt noch bekannten Hausthieren oder jetzt noch lebenden wilden Jagdthieren. Die meisten der größern Knochen sind zerschlagen, um die Fleischstücke in die Kochtöpfe bringen und vielleicht auch gelegentlich das Mark herausholen zu können; es sind aber auch Knochen zerschlagen, welche keine Markhöhlen haben, z. B. die Beckenknochen. Manche Knochen sind auch von Thieren (Hunden) angenagt. Alle Knochen, mit einigen Ausnahmen, sind dunkelbraun oder schwärzlich gefärbt und sind im äußern Ansehen vollkommen den Knochen in den schweizerischen Pfahlbauten gleich. Alle Knochen haben, freilich nach den Thiergattungen verschieden, noch Fettgehalt und lassen sich blank reiben, am wenigsten die Hirschknochen. (Dagegen zeigen fossile Knochen und Hörner, welche muthmaßlich älter sind, als die Pfahlbauten, keinen Fettgehalt mehr, sondern erscheinen weiß an Farbe. Die Knochen, welche viel jünger sind als die Pfahlbauknochen der Steinperiode, erscheinen dagegen nur dunkelgelb.) Von hellerer Farbe sind in dem Pfahlbau von Wismar nur die Pferdeknochen und Hundeschädel, also grade diejenigen, welche eine spätere Beimischung sein können und vielleicht nicht mehr zu den alten Pfahlwohnungen gehören.

Der Herr Professor Dr. Rütimeyer zu Basel, unser correspondirendes Mitglied, hat sämmtliche Knochen im Hause gehabt und die große Mühe der Bestimmung übernommen. Einzelne Urteile sind auf Wunsch des Herrn Rütimeyer von dem Herrn v. Nathusius zu Hundisburg und dem Herrn Professor Dr. Blasius zu Braunschweig eingeholt.

Sämmtliche bisher aufgefundene Knochen des Pfahlbaues sind folgende.


Säugethiere.

Rind (Bos taurus).

In dem Pfahlbau von Wismar sind bisher an Ueberresten vom Rinde gefunden:

5 einzelne Hörner, alle gleich, alle von der Stirn abgeschlagen, theilweise mit einem Stück vom Schädel, eines da=

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von etwas heller an Farbe (ein ganz gleiches Horn ward auch in dem nahen, gleichzeitigen Pfahlbau von Gägelow gefunden; vgl. Jahrb. XXIX, S. 125-126);

7 Zähne;
4 Rippen, zerschlagen;
2 Schulterbeine, klein, zerschlagen;
16 Beinknochen, mit einzelnen Ausnahmen alle zerschlagen;
1 Unterkiefer, von einem Kalbe, zerschlagen.

Ueber das Rind im Pfahlbau von Wismar äußert sich Rütimeyer brieflich, wie folgt: "Alle 5 Hornzapfen, so wie die Fußknochen gehören zu derselben Form von Rindvieh, wie die früher untersuchten Ueberreste aus dem Pfahlbau von Gägelow (Jahrb. XXIX, S. 126). Sie gehören sämmtlich einem Hausthiere an, das vorwiegend mit den noch heute längs der ganzen Küste der Nord= und Ost=See verbreiteten Schlägen der Primigenius=Race übereinstimmt, aber auch Spuren von Einfluß unserer heutzutage hauptsächlich in der Schweiz rein vertretenen Frontosus=Form an sich trägt. Unter heutigen, mir bekannten Schlägen möchte ich zunächst diejenigen vom Westerwald und Vogelsberg als diejenigen bezeichnen, denen das Rind von Wismar an nächsten stand."

Schaf (Ovis aries).

Vom Schafe fanden sich bis jetzt 4 Beinknochen und 1 Schulterbein.

Außerdem fand sich ein Bruchstück eines rechten Stirnbeins mit zwei Hörnern, also von einem vierhörnigen Schafe.

Ich sandte das beachtungswerthe Bruchstück an den Herrn Professor Dr. Rütimeyer zu Basel, welcher es auch genau bestimmte. Dieser äußerte aber dabei den Wunsch, daß ich diese Seltenheit dem Herrn Hermann v. Nathusius zu Hundisburg, dem besten Kenner der Schafracen, vorlegen möchte, um zu einer klaren Ansicht über diesen Gegenstand zu gelangen. Rütimeyer bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß sich auch in den irischen Crannogs Ueberreste von vierhörnigen Schafen finden.

Ich bin mit Freuden dem Rathe Rütimeyer's gefolgt und Herr v. Nathusius hat die Güte gehabt, eine sehr ausführliche Beurtheilung einzusenden, aus welcher ich folgenden Auszug mittheile, indem ich dabei bemerke, daß auch nach dieser Beurtheilung der Pfahlbau von Wismar in eine verhältnißmäßig junge Zeit der Steinperiode fällt.

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"Der in den Pfahlbauten von Wismar gefundene Knochen ist ein Bruchstück des rechten Stirnbeins von einem Hausschaf; es stehen auf demselben zwei sogenannte Hornfortsätze, das Thier war also, unter Voraussetzung symmetrischer Bildung des Kopfes, vierhörnig.

Das Knochenstück ist, abgesehen von den näher zu beschreibenden Hornknochen, 64 M. M. in seiner größten Ausdehnung lang und 51 M. M. breit. - Der dem linken Stirnbein zugekehrte Rand ist so gut erhalten, daß die Zähne der Stirnnath deutlich zu erkennen sind; in Folge dieser Erhaltung der Stirnnath wird klar, daß die Stirn hoch gewölbt ist, d. h. daß die Hörner auf einem hoch aufgetriebenen Stirnhöcker stehen. - - - Es ist ein kleiner Theil der Augenhöhle erhalten, ein unregelmäßiges Oval von 17 M. M. Längen= und 13 M. M. Queerdurchmesser bildend; der Augenhöhlenrand ist verletzt. - - -

Die beiden Hornzapfen stehen, im Gegensatz zu der Bildung bei vierhörnigen Ziegen, so neben einander, daß die gemeinschaftliche Axe ihrer Basis annähernd rechtwinklig zur Längenaxe des Kopfes verläuft.

Der der Stirnnath zunächst stehende Hornzapfen ist ohne Hinzurechnung der ein wenig verletzten Spitze in seiner Höhenaxe 153 M. M. hoch. - - -

Der größte Durchmesser des Hornzapfens an der Basis mißt 49 M. M., nämlich derjenige, welcher annähernd rechtwinklig zur Stirnnath steht. - Der untere Rand der Basis nähert sich bis auf ungefähr 8 M. M. der Stirnnath, so daß, wenn wir ein entsprechendes Horn des linken Stirnbeins voraussetzen, die beiden mittleren Hörner an ihrer Basis so nahe gestanden haben, daß sich die Hornscheiden beinahe berühren mußten. Die Spitze des Hornzapfens würde, wenn man eine Construction des Schädels nach dem vorliegenden Fragment versucht, ungefähr 110 M. M. von dem Perpendikel der Stirnnath nach außen abgestanden haben; es ergiebt sich hieraus eine vergleichsweise sehr steile Stellung des Hornes in diesem Sinne.

Dieser Hornzapfen ist der Art in seinem Körper gewunden, daß er in seiner ganzen Länge nicht voll den vierten Theil einer Schraubenwindung beschreibt. Wenn man die von Blasius eingeführte Terminologie annimmt, ist das rechte Horn im Raume rechts gewunden.

Nach den jetzt den Zoologen geläufigen Annahmen, welche sich auf die Untersuchungen von Blasius stützen, begründet die eben erwähnte Richtung der Hornwindung eine typische

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Differenz der verschiedenen Formen der wilden Schafe. Bei den mehrhörnigen Hausschafen treten Schwankungen der Form auf, welche den Beweis liefern, daß unter Umständen die Richtung der Hornwindung variabel ist; ich habe den Schädel eines vierhörnigen Schafes aus Afghanistan vor mir, an welchem die correspondirenden Hörner der entgegengesetzten Seiten nicht in demselben Sinne gewunden sind. Es ist wahrscheinlich, daß solche Differenzen nur dann auftreten, wenn durch die Theilung der Hornzapfen mehrere Hörner entstehen; diese sind alsdann fast immer asymmetrisch und in mehrfachem Sinne verschieden. Hiernach scheint es geboten, auf die oben beschriebene Richtung der Hornwindung des vorliegenden Schafes aus den Pfahlbauten, welche auf den ersten Blick eine auffallende Differenz im Vergleich zu der normalen Hornform der meisten Hausschafe darbietet, nicht zu großes Gewicht zu legen.

Der zweite Hornzapfen steht, wie schon erwähnt in der Art neben dem ersten, daß die Linie, welche durch die Mitte der Basis beider gedacht wird, die Längenaxe des Kopfes fast rechtwinklig schneidet. Das zweite Horn steht so dicht an dem ersten, daß sich dieselben an der Basis beinahe berühren. Das Nebenhorn ist an seiner Basis im Queerschnitt unregelmäßig vierseitig. - - Die Basis mißt im größten Durchmesser 29 M. M., im kleinsten 25 M. M.; die Höhe dieses zweiten Hornzapfens, im Perpendikel von der Spitze zur Basis gemessen, beträgt 98 M. M. Der Zapfen bildet einen schwachen Bogen, er steht vom Kopfe ab, zuerst aufsteigend, dann mit der Spitze nach unten und etwas nach hinten gerichtet.

An diesem Nebenhorn ist nur in schwacher Andeutung eine Windung in der Ebene bemerkbar, es verläuft diese aber in einer der Windung des Haupthorns entgegengesetzten Richtung; die Spitze des Horns ist nach unten und vorn gerichtet. Es ist zu beachten, daß dies nicht im Widerspruch steht mit der Angabe, daß der Hornzapfen im Ganzen nach hinten gerichtet ist.

Es ist noch zu erwähnen, daß beide Hornzapfen an ihrer Basis deutlich von dem Stirnbein durch einen aufgetriebenen und rauhen Knochenrand abgesetzt sind, wie es bei starken Hörnern vieler Formen des Hausschafes gewöhnlich ist. Auch hat das ganze Knochenstück jenes dichte Gefüge und die bedeutende specifische Schwere, wie man beides bei dem Schaf, im Gegensatz zur Ziege, stets findet.

Was ergiebt sich nun aus dem Vergleich dieses Knochenstücks mit den bekannten jetzt lebenden Schafracen?

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Es sei zuerst erwähnt, daß das Schaf, von welchem dieser Knochen übrig blieb, ein altes, männliches Thier war, jedenfalls nicht ein Hammel, wie sie jetzt bei verschiedenen Völkern den größten Theil der Schafbestände zu bilden pflegen. Es ergiebt sich dies unzweifelhaft aus der robusten Bildung der Hornzapfen. - - -

Wir kennen mehrere Schafracen in denen mehr oder weniger regelmäßig und häufig vier Hörner vorkommen.

Das nordische, kurzschwänzige Schaf ist zuweilen vierhörnig; eben so eine über einen großen Theil von Mitteleuropa verbreitete lang= und wollschwänzige Form des gehörnten Schafes. Es sind Formen der Zackelgruppe mit mehreren Hörnern bekannt, und sehr häufig kommen solche bei dem Hunia=Schafe Tibets vor, welches dem nordischen kurzschwänzigen Schafe sehr nahe verwandt ist. Es kommen ferner Formen des fettschwänzigen Schafes mit vier Hörnern vor, wie z. B. eine solche von Youat (Sheep 141) aus Cypern abgebildet ist. Besonders häufig ist Vielhörnigkeit bei dem fettsteißigen Schafe, welches weit verbreitet unter den asiatischen Steppenvölkern lebt, und mit welchem wir durch Pallas genau bekannt geworden sind. Ferner kommt eine, wenn auch nicht vollkommene, Theilung der Hörner nicht selten bei der Merinogruppe vor, welche in unserer Zeit eine weite Verbreitung über die ganze Erde gefunden hat und in ihrem nähern Ursprung auf die westasiatischen und nordostafrikanischen Steppenländer zu deuten scheint.

Demnach giebt der Umstand, daß mehr als zwei Hörner vorhanden sind, an und für sich keinen Nachweis über die Zugehörigkeit der Race.

Von allen vorhandenen Abbildungen gleicht die in Gardens and Menagerie of the zoological Society, London, 1831, p. 263, gegebene eines vierhörnigen Schafes der Form am meisten, welche wir aus dem Wismarschen Knochenstück construiren können, es war jedoch die Spitze des rechten obern Hornes nach hinten oder innen gebogen, nicht wie jene Abbildung zeigt nach vorn und außen. Bennet giebt die Heimath jenes Schafes nicht an, doch ist es wohl unzweifelhaft nordeuropäischen Ursprungs. Es liegt mir aber unter andern der Schädel eines vierhörnigen tatarischen Schafes vor, welcher dem aus den Pfahlbauten ähnlich ist.

Zu einer Feststellung der Identität des vierhörnigen Pfahlbautenschafes mit irgend einer andern bekannten Form genügt aber das Knochenstück nicht, es müßten dazu mehr charakteristische Theile des Schädels vorhanden sein.

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So weit unsere Kenntniß von den Hausschafen bis jetzt reicht, finden wir nirgends in den verschiedenen Racen, unter welchen vierhörnige Schafe vorkommen, bestimmte oder constante Formen der Hornbildung, es ist auch bis jetzt keine Race bekannt, in welcher regelmäßig oder immer mehr als zwei Hörner auftreten; es erscheint überall die Theilung der Hörner als eine abnorme Wucherung, welche, wie man wohl sagen darf, physiologisch Beziehung zu der auf gesteigerte Haar= und Hornbildung gerichteten Eigenthümlichkeit des Hausschafes hat. Es spricht sich das Anormale der Theilung der Hörner besonders deutlich in dem Umstand aus, daß selten die Hörner beider Kopfseiten symmetrisch angeordnet oder gleich groß sind, und daß die verschiedenen Individuen derselben Heerde verschieden gestellte und gerichtete Hörner haben.

Dieses Verhalten führt uns zu einer Ansicht, welche vielleicht von einiger Bedeutung für die Pfahlbaufrage ist.

Man findet oft die Auffassung, daß wir mit dem Bekanntwerden der Pfahlbauten einen großen Schritt gethan haben zur Annäherung an die Kenntniß sogenannter Urzustände der Menschen; mag nun aber die Zeit zwischen den in bestimmten Jahreszahlen ausdrückbaren Geschichtsperioden und dem Zeitalter der Pfahlbauten noch so groß sein, so liegt dieses letztere doch immer noch unmeßbar weit ab von Anfängen der Menschengeschichte. Ohne das Gebiet zu verlassen, auf welches uns das vierhörnige Schaf der Pfahlbauten führt, möchte ich in dieser Beziehung nur ein Bedenken vorlegen.

Alle wilden Thiere, welche der Ordnung der hohlhörnigen Wiederkäuer angehören, haben, wenn sie nicht hornlos sind, zwei symmetrisch gestellte und gebildete Hörner; vierhörnige sind nicht bekannt. Es ist demnach die Vermehrung der Hörner bei dem Hausschafe (und der Ziege) das Produkt der menschlichen Cultur. Ist nun das Hausschaf aus einem wilden Schaf entstanden, dann gehörte eine lange Zeit dazu, das Thier so auszubilden, daß die Hornwucherung auftreten konnte. Wir dürfen dies daraus schließen, daß bisher noch bei keinem in der Gefangenschaft gehaltenen und gezüchteten Thier eine ähnliche Gestaltung vorgekommen ist. Demnach ist die Anschauung nicht gerechtfertigt, nach welcher die Menschen das Schaf erst neuerdings domesticirt hatten, als sie in den Pfahlbauten lebten.

Es bleibt mir schließlich noch übrig auf einen Umstand aufmerksam zu machen. An dem Knochenstück zeigen zwei Stellen Spuren von einer alten Bearbeitung mit einem

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schneidenden Instrument oder einem Reib= oder Schleifstein. An dem Uebergang des Nebenhorns in das Scheitelbein ist eine wahrscheinlich scharf gewesene Kante abgeflacht, ebenso sind Bruchstellen des Knochens hinter der Augenhöhle künstlich geebnet. Das ganze Knochenstück bildet einen Haken, welcher wohl zu manchen Zwecken als Handgeräth gebraucht sein kann; an manchen Rudern für kleine Kähne und Fußschiffe ist z. B. jetzt ein Haken zum Heranziehen des Fahrzeugs an das Ufer angebracht, welcher die Form dieses doppelten Schafhorns hat. Diese Form und jene Spuren einer rohen Bearbeitung lassen die Möglichkeit denken, daß das in den Pfahlbauten von Wismar gefundene Bruchstück als Geräth gebraucht sei. Es ist auch daran zu erinnern, daß dieser Schädeltheil nicht in vorliegender Art zu Nahrungszwecken geöffnet ist, weil in den offen gelegten Stirnhöhlen Knochenmark nicht zu suchen war, welchem die Pfahlbaubewohner bekanntlich überall nachstellten. Ist jenes der Fall, so müßte man auch darauf Bedacht nehmen, daß das Knochenstück möglicherweise von weit hergebracht sein kann und deshalb vielleicht nicht auf die Haltung vierhörniger Schafe in den Pfahlbauten selbst hinweist, wie man glaubt, von den Nephritkeilen auf eine Einwanderung oder auf Verkehr mit entfernten Gegenden schließen zu können. Es muß wenigstens so lange an diese Möglichkeit gedacht werden, bis etwa durch zahlreiche ähnliche Funde nachgewiesen wird, daß dieses Stück nicht von isolirtem Vorkommen ist."

Ziege (Capra hircus).

1 Horn der Hausziege, von der heutigen nicht verschieden.
2 Beinknochen und
1 Rippe von der Hausziege.

Schwein.
Torfschwein (Sus Scrofa palustris).

Rechter oberer Eckzahn eines sehr alten Thieres. Auf ein sehr hohes Alter deutet die Wurzel, welche sich bei Eckzähnen äußerst spät bildet. Die schwache Krümmung, die geringe Größe, die starke Compression entfernen ihn vom Wildschweinszahn und nötigen, ihn dem Torfschwein zuzusprechen, obgleich noch vollständigere Belege für die Anwesen=

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heit dieses Tieres im Pfahlbau von Wismar wünschenswerth wären.

Wir dürfen sicher annehmen, daß schon im Steinalter zahme Schweine früher getödtet wurden, als bis sie das hohe Alter erreichten, worauf dieser einzelne Eckzahn hinweiset.

Wildschwein (Sus Scrofa ferus).

1 Rechter Unterkiefer eines sehr großen und alten weiblichen Thieres, mit dem in Rütimeyer's Fauna der Pfahlbauten, Taf. VI. Fig. 1, abgebildeten Unterkiefer aus dem Pfahlbau vom Robenhausen völlig gleich;
1 rechter Oberkiefer eines sehr großen weiblichen Wildschweins, wahrscheinlich zu dem obigen gehörend;
1 unterer linker Eckzahn eines weiblichen Thieres, wahrscheinlich zu den obigen gehörend;
1 rechter Unter= und Oberkiefer, drei Bruchstücke, zusammen gehörend und auf einander passend;
1 letzter unterer Backenzahn rechts;
1 vorderster oberer Schneidezahn;
3 Backenzähne von einem großen Thier;
1 kleiner Backenzahn;
1 Backenzahn von einem großen Thiere;
3 Backenzähne von einem kleinen Thiere; die 4 letzten etwas heller;
2 Beinknochen.

Hausschwein (Sus Scrofa domesticus).

1 Beckenknochen;
2 Beinknochen, davon einer zerschlagen;
2 Backenzähne von einem erwachsenen Thier;
4 Zähne von einem Ferkel;
1 Hauerzahn.

Hirsch (Cervus elaphus).

3 einzelne Hirschhörner, vollständig, ohne Anarbeitung;
3 Hirschhörner mit abgekeilten Enden (vgl. oben Geräthe aus Knochen, S. 51); alle nur von mittlerer Größe.
5 Beinknochen, davon 3 zerschlagen, 1 am Ende geöffnet, 1 ganz. Die Hirschknochen haben wenig Fettgehalt.

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Reh (Cervus capreolus).

11 einzelne Rehhörner;
1 Rehhorn, zum Bohrgeräth benutzt, vgl. oben Geräthe aus Knochen, S. 51;
1 Beinknochen.

Pferd (Equus caballus).

1 Oberkiefer mit Schneidezähnen;
1 oberer linker Backzahn;
1 unterer linker Eckzahn;
1 oberer rechter Eckzahn.

Diese gehören wahrscheinlich einem und demselben Thiere an, und zwar einem männlichen Thiere von mittlerer Größe, von unserm Hauspferde nicht verschieden.

1 Unterkiefer;
1 Heiligenbein (Sacrum);
1 Beckenknochen (Pelvis);
1 Schenkelknochen (Femur);
2 Beinknochen, ganz,
1 Beinknochen, zerschlagen, diese letztern heller;
6 Backenzähne, von denen 1 hell und 1 dunkel an Farbe;
9 Schneidezähne.

Die meisten dieser Knochen gehören wohl einem und demselben Thiere an. Alle Knochen des Pferdes sind heller an Farbe, als die übrigen Knochen, und ärmer an Fettgehalt und weniger glatt. Vielleicht stammen sie aus jüngern Zeiten.

Zu den Pferdeknochen gehört aber auch eine künstlich gearbeitete Haue aus einem gespaltenen Pferdebein zum Beweise, daß die Pferdeknochen auch zum häuslichen Gebrauche benutzt wurden (vgl. oben S. 51, Geräthe aus Knochen). Dieses Geräth gehört ohne Zweifel zum alten Pfahlbau; es ist auch dunkler an Farbe, als die übrigen Pferdeknochen, aber mehr schwärzlich, als braun, und fettarm. Auch große Kämme scheinen aus Pferdeknochen geschnitzt zu sein (vgl. oben S. 52).

Daß das Pferd zur Zeit der Steinperiode im Dienste des Menschen war, wird durch die in die Zeit des Wismarschen Pfahlbaues fallenden Steingräber von Prieschendorf (Jahrb. II, R, S. 25) und Lübow bei Wismar (Jahrb. III, B, S. 36) bewiesen, in denen auch ein Pferdekopf von einem

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kleinen Thiere beigesetzt war. (Vgl. über diese Gräber auch Jahrb. III, S. 253). Sonst sind in meklenburgischen Gräbern der Steinperiode keine Thierknochen bemerkt worden.

Esel (Equus asinus).

3 Backenzähne.

Hund (Canis familiaris).

Die Ueberreste des Haushundes in dem Pfahlbau von Wismar sind auch sehr merkwürdig. Es sind bis jetzt 5 Stück gefunden, also verhältnißmäßig reichlich viele. Ueber den Hund in den Pfahlbauten ist Rütimeyer (vgl. auch dessen Fauna, S. 117-119) zu folgendem Ergebniß gekommen. In sämmtlichen Pfahlbauten der Schweiz, welche dem Steinalter angehören oder doch bis in das Steinalter hinaufreichen, ist nur eine "einzige und bis auf die kleinsten Details constante Race von Haushund vorhanden. Unter unsern heutigen Hunderacen finden wir alle Charaktere des alten Pfahlbauhundes am treuesten wieder beim Jagdhund und beim "Wachtelhund", und es ist auch gewiß, daß auch die Größe nicht nur des Schädels, sondern auch der Extremitäten=Knochen, so wie der allgemeine Typus den Haushund des Steinalters mit unserm Wachtelhunde zusammenstellen. In Bezug auf die äußern Umrisse stehen die Schädel aus den Pfahlbauten auf der Seite des Jagdhundes."

Der Wismarsche Pfahlbau zeigt nun mehrere Abweichungen von dem Vorkommen in der Schweiz.

Ein linker Unterkiefer, klein, dunkel gefärbt, wie die übrigen alten Knochen dieses Pfahlbaues, stimmt ganz zu dem Hunde der schweizerischen Pfahlbauten des Steinalters.

Zwei Schädel, vollständig, merklich heller gefärbt, als die meisten andern Knochen des Pfahlbaues, beide in Form und Größe gleich. Rütimeyer urtheilt hierüber brieflich: "Beide Schädel gehören unbedingt zu der Form des Pfahlhundes des schweizerischen Steinalters und sind von demselben Typus; jedoch sind sie größer und stärker und übertreffen die Mittelgröße des Schweizerhundes um 1/6. Es sind Wachtelhunde von ziemlicher Stärke. Im Steinalter der Schweiz habe ich nie Hundeschädel von dieser Größe und Kräftigkeit gefunden, wohl aber im Bronzealter." - Völlig gleich mit diesen beiden Schädeln ist ein im Sühring=

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Moor bei Bützow gefundener Schädel, welcher jedoch noch etwas heller ist. Diese starke Race wird also zu einer gewissen Zeit im Lande verbreitet gewesen sein.

Ein dritter Schädel, auch etwas heller an Farbe, ist von gleicher Race, jedoch etwas kürzer und im Nasenbein ein wenig mehr nach unten gesenkt.

Ein vierter Schädel, welcher im Vordertheile schwarz, am Hinterkopfe etwas heller gefärbt ist, dem aber das Nasenbein fehlt, und vielleicht 1/6 länger gewesen sein mag, ist von den übrigen abweichend. Rütimeyer berichtet darüber Folgen= des: "Dieser Schädel unterscheidet sich von den übrigen sehr auffällig durch die kürzere, höhere, gewölbtere Hirnkapsel, schwächere Muskelkanten, schwächern Jochbogen, fehlenden Hinterhauptkamm, alles evidente Merkmale einer schon weit vorgeschrittenen Cultur. Indessen vermag ich, namentlich da der Gesichtsschädel fehlt, nicht zu sagen, welcher heutigen Form des Haushundes diese Schädelform am meisten entspricht; nur so viel darf ich sagen, daß das Aeußere dieser Bildung sich beim Pudel findet.

Immer liegt also hier ein unzweifelhafter Fall von Anwesenheit zweier Hunderacen in einem und demselben Pfahlbau vor, was mir in der Schweiz in ächten Pfahlbauten noch nicht vorgekommen ist, und es scheint mir alles dafür zu sprechen, daß diese zweite Form lediglich als eine Culturform, aus der ersten hervorgegangen, zu betrachten ist, was wir in der Schweiz grade nicht haben. Spaltung des Haushundes in verschiedenen Racen, das liegt hier in Wismar vor."

Biber (Castor fiber).

1 Schädel mit beiden Unterkiefern; der Schädel ist an beiden Enden aufgeschlagen;
1 linker Unterkiefer, an beiden Enden abgeschlagen, jedoch noch so weit erhalten, daß alle Zähne vollständig vorhanden sind und die Höhlung des Schneidezahns noch zum Theil sichtbar ist.

Hausratte (Mus rattus).

In dem Pfahlbau von Wismar ist ein sehr wichtiger zoologischer Fund gemacht, indem Beinknochen von einer Hausratte gefunden sind:

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3 Schenkelknochen (femur und tibia), verkohlt, glänzend schwarz von Farbe und spröde, also durch den Brand der Pfahlwohnung untergegangen, da die Pfahlbauten von Wismar durch Feuer zerstört sind, wie die Verkohlung der Pfahlköpfe, die Anbrennung der knöchernen und hörnernen Geräthe und Anderes beweisen.

Ich sandte diese Knochen dem Herrn Professor Dr. Rütimeyer zu Basel, welcher darüber Folgendes schreibt: "Bei uns, wo alle Pfahlbauten durch Feuer untergegangen sind, würde die offenbare Anbrennung dieser Knöchelchen unbedingt als Beleg für das Dasein des Thieres bei der Zerstörung der Pfahlbauten gelten müssen. Interessant ist es aber, hier zum ersten Male die Ratte in Pfahlbauten vertreten zu sehen, und zwar nicht die Wanderratte, sondern die schwarze Hausratte, welche nach allem, was wir wissen, aus Asien nach Europa eingedrungen sein soll, und in Deutschland nicht vor dem 13. Jahrhundert (von Albertus Magnus) erwähnt wird." Im Vierten Bericht von Keller, 1861, S. 30, sagt Rütimeyer: "Die kleinen und unbequemen Haussäugethiere, wie Ratten und Mäuse, scheinen die Bewohner der Seedörfer nicht geplagt zu haben; um so eher konnten sie auch die Katze entbehren, die ebenfalls bis jetzt gänzlich vermißt wurde."

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes wollte aber Rütimeyer sich selbst allein nicht genügen, sondern sprach den Wunsch aus, daß die Knochen auch dem Herrn Professor Dr. Blasius zu Braunschweig vorgelegt werden möchten. Dies ist denn auch geschehen, und Blasius hat die Güte gehabt, eine genaue Forschung anzustellen und einen ausführlichen Bericht einzusenden. Er hat darin alle denkbaren und möglichen Fälle gewissenhaft zur Untersuchung gezogen und ist mit Rütimeyer zu demselben Ziele gelangt. Ich theile aus dem Bericht hier diejenigen Stellen mit, welche für die Feststellung des Fundes von Entscheidung sind.

"Die kleinen Knochen aus dem Pfahlbau von Wismar haben das größte zoologische Interesse. Zwei dieser Bruchstücke fügen sich zu einem vollständigen linken Oberschenkel (femur), die andern bis auf einen rudimentairen Gelenkkopf bilden ein entsprechendes Unterschenkelbein (tibia). -- Die beiden Pfahlbauknochen charakterisiren sich durch ihre gesammte Ausbildung, durch die Schärfe und Bestimmtheit aller Kanten, Flügel und Muskelansätze unzweifelhaft als Knochen eines erwachsenen, alten Thiers. - - - Es kann kein Zweifel bestehen, daß beide Knochen nach Gestalt und Größe einer Ratte angehören. - - - Die Knochen des

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Wismarschen Pfahlbaues stimmen am genauesten mit denen der Hausratte (Mus Rattus L.) überein. Die Knochen der Wanderratte sind länger, breiter und im ganzen plumper, als die beiden vorliegenden. Auch an eine junge Wanderratte von der diesen Knochen entsprechenden Größe kann man nicht denken, da die bestimmte Gliederung der beiden Pfahlbauknochen nur auf ein erwachsenes Thier hindeutet. Mit den entsprechenden Knochen der Hausratte stimmen die beiden Pfahlbauknochen so vollkommen überein, daß die photographischen Bilder beider nicht die geringste Abweichung der Form zeigen würden. Ich muß demnach aus zoologischen Gesichtspuncten die beiden Knochen für den linken Oberschenkel und den Unterschenkel der Hausratte erklären.

Dieses Resultat ist nun zoologisch für diese Tierart von dem größten zoologischen Interesse. Es ist bekannt, daß in den Schriften des Alterthums nur eine einzige Stelle vorkommt, die man auf eine Ratte deuten kann. Die Mures Caspii bei Aelianus Hist. anim., XVII, cap. 17 sind wohl nur auf die Wanderratte zu beziehen. Weder Aristoteles, noch Plinius, noch irgend ein Schriftsteller des Alterthums kennt eine Ratte in Europa. Deshalb ist der Ursprung, die ursprüngliche Heimath der Ratten, von denen augenblicklich drei Arten nicht allein durch Europa, sondern durch alle Erdtheile verbreitet sind, von besonderm zoologischen Interesse. - - -

Die Wanderratte (Mus decumanus. Pall.) ist am 13. und 14. Oct. 1727, wenige Tage vor einem Erdbeben, in großen Schaaren bei Astrachan über die Wolga schwimmend in Europa eingewandert. Mit diesem Ursprunge stimmt die Angabe Aelians sehr wohl überein. In England, wahrscheinlich durch Schiffahrt eingeführt, wurde sie zuerst im J. 1730 beobachtet. Es würde sehr auffallend gewesen sein, wenn man Knochen derselben in meklenburgischen Pfahlbauten der Steinperiode gefunden hätte.

Die Hausratte wird mit Bestimmtheit gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts von Albertus Magnus aus Deutschland unter dem Namen Mus rattus (Alb. Magn. de anim. lib. XXII. fol. 182) erwähnt. Da die Schriftsteller des Alterthums ein Thier, das sich dem Menschen in so hohem Maße aufdrängt, nicht kannten, so konnte man mit Bestimmtheit annehmen, daß es sich auch in den griechischen und römischen Naturhistorikern bekannten Gegenden Europas nicht vorgefunden hat. Es blieb aber unsicher, ob es damals in den übrigen Theilen Europas vorhanden

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war, oder erst später einwanderte. Nach Analogie mit der ägyptischen und der Wanderratte mußte man die Einwanderung nicht unwahrscheinlich finden. Das Vorkommen in den meklenburgischen Pfahlbauten liefert nun den Beweis, daß die Hausratte in uralter Zeit, in der Steinperiode, in Deutschland schon einheimisch war. Damit ist nun eine alte Heimath der Hausratte nachgewiesen und die Idee einer spätern Einwanderung beseitigt. - - -

Die Hausratte aber, als die schwächlichere, weichlichere Art, wird zurück gedrängt, auf einzelne beschränkte Winkel ihrer rechtmäßigen Heimath beschränkt und endlich fast allgemein vernichtet, wie weggeweht vom Erdboden, wo sich die stärkere Wanderratte blicken läßt. - - - Bald kann die Zeit kommen, wo das einst so mächtige Geschlecht in seiner eigenen Heimath ganz der Vergangenheit angehört."

Es ist also nach allen diesen gründlichen Forschungen keinem Zweifel unterworfen, daß in den Pfahlbauten von Wismar eine Ratte gefunden ist, welche zur Zeit der Vernichtung der Pfahlbauten durch Feuer unterging.

Ich kann diesen Forschungen nichts von großer Bedeutung hinzu fügen, jedoch kann ich die Resultate der deutschen Sprachforschung nicht unerwähnt lassen. Es wird, und zwar mit Recht, Gewicht darauf gelegt, daß das Thier in Deutschland erst im 13. Jahrhundert (von Albertus Magnus) erwähnt wird. Aber der Name der Ratte kommt schon viel früher in Glossaren vor, in einer Sanct Galler Handschrift aus dem 9. Jahrhundert und in andern Handschriften aus dem 12. Jahrhundert, eben so in der angelsächsischen und altnordischen Sprache. Ich verweise der Kürze wegen auf Graff's Althochdeutschen Sprachschatz II, S. 470. Man dürfte also wohl annehmen können, daß wenn der Name, auch das Thier bekannt war. Es ist möglich, daß in alter Zeit das Thier im südlichen Europa und auch in der Schweiz nicht lebte; daß es aber in den nördlichen Ländern vorhanden war, scheint unzweifelhaft zu sein.

Ergebnisse aus den Säugethierknochen.

"Aus allem diesem geht hervor, daß der Pfahlbau von Wismar das Bild einer weiter vorgeschrittenen Cultur vor Augen legt, als es die Pfahlbauten des Steinalters in der Schweiz zeigen. Wilde Thiere sind "spärlich" und in den Jagdthieren, im Wildschwein, Hirsch und Reh vertreten,

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welche noch heute demselben Boden zahlreich angehören. Das Reh erscheint jedoch häufiger, der Hirsch seltener, als in den schweizerischen Pfahlbauten, wo das Hirschhorn zu Werkzeugen benutzt sehr häufig vorkommt. Außer diesen ist zu Wismar nur der Biber vorhanden, welcher in den meisten Pfahlbauten der Steinzeit in der Schweiz auftritt. Reißende wilde Thiere, wie Bär, Wolf, Fuchs u. s. w. sind bei Wismar. noch gar nicht bemerkt. Neben diesen wilden Thieren erscheinen nur die bekannten Hausthiere in ausgebildeten Culturformen: Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Pferd, Esel, Hund: das Rind in einer Mischform, und zwar am zahlreichsten vertreten, das Schaf in einer Culturform (mit vier Hörnern), welche sonst noch nicht beobachtet ist. Das Schwein erscheint im Wildschwein in sehr großen Thieren; das Hausschwein ist gewöhnlich, jedoch zeigt sich noch eine Spur vom Torfschwein. Die Ziege tritt im Pfahlbau von Wismar, wie in Gägelow, als Schlachtvieh auf. Daneben kommen Pferd und Esel vor. Zu bemerken ist jedoch, daß die Pferdeknochen, welche alle einem Thiere zu gehören scheinen, viel heller sind, und ärmer an Fett, als die übrigen Knochen; es wäre daher möglich, daß diese Pferdeknochen eine jüngere Beimischung sind. Am auffallendsten in diesem Pfahlbau ist der Hund. Es ist freilich von dem alten Pfahlbau=Hunde eine Spur (ein Unterkiefer) gefunden; aber außerdem kommt "der Hund in zwei Racen vor, von denen die eine in der Schweiz gänzlich fehlt, die andere den alten, in der Schweiz einheimischen Haushund an Größe bei weitem übertrifft." Es ist hiebei jedoch wohl zu bemerken, daß diese vier Hundeschädel eine viel hellere Färbung haben, als die übrigen Knochen, und eben so gut eine jüngere Beimischung sein können, wie die bronzene Framea (Celt), welche ebenfalls in diesem Pfahlbau gefunden ward. Ein an Farbe und Größe gleicher Hundeschädel ward auch in dem Torfmoore auf der Sühring bei Bützow (in einem muthmaßlichen Pfahlbau) gefunden, aus welchem viele steinerne Geräthe, daneben aber auch eine bronzene Nadel ans Licht kam.

Rütimeyer schreibt: "Ich würde also meinerseits aus zoologischen Gründen die Knochen von Wismar der schweizerischen Fauna des Bronzealters vergleichen, da wir in unserm Steinalter viel mehr wilde Thiere besitzen, ferner nur einen kleinern Hund, dem heutigen Wachtelhunde vergleichbar, und das Pferd nur in sehr seltenen Exemplaren."

Der Pfahlbau von Wismar gehört aber aus antiquarischen Gründen sicher dem Steinalter an, und dazu stimmt auch die Färbung der Knochen der Schlachtthiere. Jedoch wird man

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am sichersten gehen, wenn man sich begegnet und den Pfahlbau von Wismar in die letzte Zeit des Steinalters setzt.


Vögel.

Wilde Ente (Anas boschas ferus).

5 Oberarmstücke der wilden Ente, alle zerbrochen.


Fische

Hecht (Esox lucius).

1 Unterkiefer von einem kleinen Thiere, schwarz gefärbt. Der Hecht ist noch heute sehr gemein in Meklenburg.


Seethiere.

Seehund (Phoca vitulina).

Rütimeyer schreibt hierüber: "Neu ist für Pfahlbauten das Nagelglied einer Robbe, sehr wahrscheinlich von Phoca vitulina. Wenn nun auch in der Nachbarschaft der Ostsee dies nicht eine sehr auffallende Erscheinung ist, so macht die Beschaffenheit dieses Stückes eine spätere Einschleppung fast unzweifelhaft, indem nicht nur der Knochen noch bluthaltig ist, sondern auch Reste von Sehnen davon erhalten sind. Hornige Theile, z. B. Vogelkrallen, habe ich nun in unsern Pfahlbauten zwar auch schon gesehen; aber eigentliche Weichtheile, wie Sehnen, deuten, wie mir scheint, doch ganz auf spätere Zufügung. Liegt der Pfahlbau von Wismar etwa so, daß er gelegentlich von Robben besucht werden konnte? Mir scheint dies eine fremde Zuthat."

Es erscheint, trotz dieser Bedenken, aber doch nicht unmöglich, daß dieses Robben=Nagelglied dem alten Pfahlbau angehört. Das Glied wird nicht in der Tiefe des Wassers abgefault, sondern oben im Hause abgeschlagen und getrocknet sein, und in diesem Zustande erhalten sich tierische Theile, namentlich Nagelglieder und Krallen, außerordentlich lange. Der Robbennagel ist in allen Theilen außerordentlich hart, fast wie Horn. Die letzte Frage Rütimeyer's läßt sich dahin beantworten, daß es wohl möglich gewesen ist (nach der beige=

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gebenen Karte), daß Robben die Pfahlbaustelle besuchen konnten, d. h. aber nur zu einer Zeit als das ganze Moor bis zu der hart am Meerbusen liegenden Stadt Wismar noch ein tiefer Landsee war; das ist aber sehr lange her. Jedoch läßt sich auch nicht leugnen, daß dieses Nagelglied in jüngeren Zeiten in das Pfahlbaumoor, als es noch sumpfig war, gekommen ist.


12. Menschenknochen.

Auch Menschenknochen haben sich im Pfahlbau von Wismar gefunden, nämlich ein Schlüsselbein (clavicula), ein Oberarmbein (humerus) und ein Wadenbein (fibula). Im Allgemeinen äußert Rütimeyer sich darüber also: "Die menschlichen Knochen gehören Individuen von etwas über mittelgroßer Statur an. Jedenfalls sind es Knochen erwachsener Personen, namentlich der Oberarm, welcher einem sehr großen Individuum angehörte."

Das Schlüsselbein hat das Ansehen von Pfahlbauknochen. Es ist glänzend, auf der einen Seite schwärzlich, auf der andern dunkelgrau. Auch Rütimeyer sagt: "Das Schlüsselbein sieht wie Pfahlbauknochen aus."

Ueber die beiden andern Knochen fährt Rütimeyer fort: "Nicht aber die beiden andern Knochen, welche das Ansehen haben, vielleicht zufällige Beimengung zu sein, indem sie die Beschaffenheit der Knochen haben, welche etwa im Schlamm gelegen, kurz einer wiederholten Aussetzung an Wasser und Licht unterworfen waren." Namentlich sieht der sehr ausgedörrte Oberarm, dessen beide Enden abgebrochen sind, so aus; Ansehen und Farbe ähneln aber auch den Gebeinen, welche in alten heidnischen Gräbern gelegen haben. Sehr alt sind aber alle Knochen augenscheinlich.


13. Bronzegeräthe.

In dem Moder der Pfahlbauregion von Wismar wurden auch zwei Stücke von Bronze gefunden, nämlich die auf der nächsten Seite abgebildete Framea (Celt) mit Schaftloch und Oehr und ein durchbrochner halber Armring, welcher

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Framea (Celt)

massiv, dünne, rund und ganz glatt ist. Es ist die Frage, wie diese Sachen in diesen Pfahlbau hineinkommen. Die Gegner der Lehre von der Aufeinanderfolge der drei Zeitalter werden in dieser Erscheinung einen Beweis gegen die Richtigkeit der Lehre finden. Ich glaube aber die Sache ganz einfach erklären und für die Erklärung Gründe vorbringen zu können. Der Pfahlbau von Wismar enthält im Allgemeinen nur Dinge, welche der Steinperiode eigenthümlich sind, und Anzeichen, daß er in die jüngere Zeit der Steinperiode fällt. Es wäre nun möglich, daß dieser Pfahlbau in die Anfänge der Bronzeperiode hinüberreichte und die bronzene Framea daher stammte. Ich habe aber gerechte Bedenken gegen eine solche Ansicht. Die Framea ist hohl gegossen; ich habe nun die durch zahlreiche Gräberfunde erworbene Ansicht, daß der Hohlguß der Bronze, welcher von einer sehr vorgeschrittenen Bildung zeugt, in die jüngere Zeit der Bronzeperiode fällt. Es würde also die hier gefundene Framea nicht unmittelbar auf die steinernen Geräthe folgen oder mit ihnen zusammenfallen können; ein Bronzegeräth aus dem Ende der Steinperiode würde eine ganz andere, viel einfachere Form gehabt haben, als diese Framea. Ich erkläre den Fund der Framea einfach dadurch, daß er lange nach der Vernichtung der Pfahlhäuser durch Brand zu einer Zeit, als das Moor noch ein See war, durch Zufall, etwa auf der Jagd, ins Wasser gefallen und verloren gegangen ist. Es wird sich sehr selten ein Pfahlbau finden, in welchem neben zusammengehörenden alten Geräthen nicht auch einzelne Geräthe aus jüngerer Zeit vorkommen sollten; ja es können ganz junge Sachen gefunden werden, da in jedem Gewässer, welches benutzt wird, zu allen Zeiten sehr häufig Geräthe verloren gehen. Man darf nicht die Ausnahme zur Regel machen, und das eine oder andere fremdartige Stück kann nie ein Beweis gegen

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die Zusammengehörigkeit von Hunderten gleichartiger Sachen sein. Freilich giebt es Pfahlbauten, in denen sich Alterthümer aller Art finden; diese werden aber zu allen Zeiten der heidnischen Vorzeit bewohnt gewesen sein. Daß die Framea in jüngern Zeiten durch Zufall verloren gegangen ist, scheint auch durch die großen Hundeschädel bewiesen zu werden (vgl. oben S. 70), welche sowohl an Farbe, als auch an Bildung jünger erscheinen, als alle andern Knochen des Pfahlbaues, vielleicht noch mit Ausnahme der Pferdeknochen, welche auch etwas heller erscheinen, jedoch lange nicht so hell, als die in der obern Torfschicht gefundenen Pferdeknochen aus dem Mittelalter. Ich kann daher nur annehmen, daß die bronzene Framea eine jüngere, zufällige Beimischung ist. Auch in dem Torfmoore auf der Sühring bei Bützow, in welchem höchst wahrscheinlich ein Pfahlbau gestanden hat, ward neben steinernen Alterthümern auch eine bronzene Nadel gefunden.


14. Schlußbetrachtungen.

Aus allen diesen Beschreibungen und Untersuchungen geht nun mit Sicherheit Folgendes hervor.

I. Die Ansiedelungen in dem Moore bei Wismar sind Pfahlbauten, welche vor mehreren Jahrtausenden in einem See standen, von Menschen bewohnt waren und durch Brand untergingen.

II. Die Pfahlbauten von Wismar gehören der Steinzeit des Menschengeschlechts an; die wenigen Bronzegeräthe sind ohne Zweifel zufällige Beimischungen einer jüngern Zeit (vgl. oben S. 78), eben so wahrscheinlich auch die Hundeschädel von einer ausgebildetern Race (vgl. oben S. 70).

III. Die Pfahlbauten von Wismar sind im Allgemeinen den Pfahlbauten der Steinperiode in der Schweiz und in Ober=Italien gleich, beweisen also die gleichzeitige Verbreitung des Menschengeschlechts bis zum Strande der Ostsee und einen gleichmäßigen Bildungsstand.

IV. Die Pfahlbauten in Mecklenburg enthalten dieselben Geräthe und Gegenstände, welche aus den schweizerischen Pfahlbauten der Steinzeit ans Licht gezogen sind; jedoch sind alle Gegenstände nach den in den Gegenden der Pfahlbauten vor=

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kommenden Materialien verschieden und stimmen mit den übrigen Werkzeugen der Steinzeit des Landes vollkommen überein; es sind z. B. die Keile in Meklenburg aus Feuerstein gefertigt (vgl. oben S. 24), wie sie in der Schweiz nicht vorkommen, und die Schleifsteine zur Polirung der Keile sind daher von einer andern Steinart, als in der Schweiz (vgl. oben S. 31).

V. Die Pfahlbauten von Wismar sind aus einer etwas jüngern Zeit als die meisten Pfahlbauten der Steinperiode in der Schweiz, da die Knochen der Hausthiere, wie das Rind (vgl. S. 62), das Schaf (vgl. S. 66) und vielleicht auch der Hund (vgl. S. 70) schon eine mehr vorgeschrittene Mischform verrathen und außer dem Biber keine andere wilden Thiere vorkommen, als die noch heute in Meklenburg lebenden Jagdthiere, auch die Urracen der Hausthiere, z. B. der Urstier, ganz fehlen (vgl. oben S. 75). Auch deutet das Vorkommen von feinem Leder (vgl. oben S. 56) auf eine schon bedeutend vorgeschrittene Bildung. Dagegen zeugen die Flachsgeflechte (vgl. oben S. 59), daß sich die Moden der ältesten Zeit sehr lange hielten und weit verbreitet waren.

VI. Die Pfahlbauten von Wismar stimmen in den gefundenen Geräthen mit einer gewissen Form von Gräbern der Steinperiode, welche wahrscheinlich die jüngste Form der Steinzeit sein wird, vollkommen überein, namentlich mit den Gräbern, welche in einen langen, schmalen, niedrigen, von großen Steinpfeilern umgebenen Erdhügel um die Steinkisten ausgebauet sind (die sogenannten Riesenbetten). Hiefür geben den vollgültigsten Beweis:

1) die feinen Thongefäße, Krüge oder Urnen, welche in beiden gleiche Gestalt, Bearbeitungsweise und Verzierung haben und sonst nie und nirgends vorkommen (vgl. oben S. 48);

2) die durchbohrten Streitäxte aus Grünstein, deren bestimmte Gestalt ebenfalls nur in dieser beschränkten Zeit beobachtet ist (vgl. oben S. 38);

3) Feuersteinkeile und die Schleifsteine aus altem rothen Sandstein, um die Keile darauf zu poliren, welche ebenfalls in Gräbern dieser Art gefunden werden (vgl. oben S. 24);

4) endlich die Thierknochen.

Das kurze Ergebniß aller Forschungen ist, daß die Pfahlbauten von Wismar aus der jüngern Zeit der Steinperiode stammen.


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Wie alt die Pfahlbauten der Steinperiode sind , ist eine Frage, welche sich noch - nicht beantworten läßt. Man kann sich wohl bei sich allerlei Gedanken bilden, die sich - nicht beweisen lassen, darf sie aber im wissenschaftlichen Geiste nicht so dreist der Welt verkünden, wie viele Zeitungsschreiber, welche - nichts von der Sache verstehen. Es wird aber wohl einmal möglich werden, über das Alter dieser merkwürdigen Ansiedelungen unserer ältesten Vorfahren annähernd Vermuthungen aufzustellen. Der einzig richtige Weg zu diesem Ziele scheint mir der zu sein, daß wir vorsichtig rückwärts gehen, und daß wir dabei die wohl begründete allgemeine Erfahrung von der Eintheilung in die drei Zeitalter, die Stein=, Bronze= und Eisenzeit, festhalten. Wir sind gegenwärtig im Begriffe, über das Alter der heidnischen Eisenzeit begründete Ansichten aufzustellen. Wenn dieses festgestellt sein wird, dann wird es hoffentlich auch gelingen, die Ausdehnung der Bronzezeit zu begrenzen; es liegen dazu schon wichtige Beweismittel vor und es werden im Laufe der Zeit deren hoffentlich noch mehr entdeckt werden. Ist dies erst gelungen, so wird man mit Ueberzeugung sagen können, daß die Steinzeit - der nach der Zeit bestimmten Bronzezeit unmittelbar voraufging und damit werden wir uns fürs erste begnügen können. Die Jahrhunderte mag jeder sich nach seinem Gefallen zurecht legen. - Bedeutsamer ist freilich die Frage nach dem ungefähren Alter der berühmten Alterthümer von Abbeville und Amiens.

Zur Bestimmung des ungefähren Alters der Pfahlbauten mögen aber die Pfahlbauten von Wismar vielleicht einen kleinen Beitrag liefern. Die Pfahlbauten sind mit einer 5 Fuß dicken Schicht aufgewachsenen Torfes bedeckt. Es ist allerdings sehr mißlich, aus der Dicke einer Torfschicht deren Alter zu bestimmen. Aber unter dieser Torfschicht stehen die Pfahlbauten in einem 10 Fuß mächtigen Moderlager, welches einen ehemaligen Landsee gefüllt hat. Diese Moderschicht, welche nicht wie der Torf durch Pflanzen wächst, könnte schon eher einen Maßstab für das Alter abgeben. Es gehört gewiß eine sehr lange Zeit dazu, ehe ein ziemlich tiefer Landsee fester Moder wird. Ich kenne kleine Seen in der Nähe von Waldungen, welche erst in diesem Jahrhundert zur Moderfüllung gelangen, aber bis dahin Seen gewesen sind. Wenn die weiche Füllung erst ziemlich vollendet ist, dann geht die vollständige, feste Füllung verhältnißmäßig rasch von statten, und man kann fast jedes Jahrzehend die Verringerung des Wassers bemerken. Aber die erste Versumpfung muß sehr

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langsam vor sich gehen, da so manche kleine, ruhige Gewässer erst jetzt in der Versumpfung auf der Oberfläche begriffen sind.

Wir können daher von den Pfahlbauten der Steinzeit bis jetzt nur sagen, daß sie sehr alt sind.

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