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1. Höhlenwohnung von Dreveskirchen.

Meklenburg hat bis jetzt keine schweizerische Pfahlbauten, keine dänische Kjöckenmödding, keine französische vorsündfluthliche Steinalterthümerlager, u. s. w., aber es hat sicher bescheidene Höhlenwohnungen aus der heidnischen Steinzeit. Es leidet keinen Zweifel, daß hier Menschen der Steinzeit ihre Wohnungen, Küchen, Keller etc. . in der Erde auch in ausgegrabenen Höhlen hatten. Diese sind im Laufe der Jahrtausende verschüttet und können nur durch Zufall bei tiefen Ausgrabungen entdeckt werden, wozu die neue Erfindung des Drainirens des Ackers mitunter, wiewohl selten, Gelegenheit giebt.

Der Herr Koch auf Dreveskirchen bei Neu=Bukow entdeckte vor zehn Jahren beim Drainiren tief in der Erde Alterthümer aller Art aus der Steinperiode, in welchen ich zuerst die Ueberreste von Höhlenwohnungen zu erkennen glaubte. Die Alterthümer lagen immer ungefähr 5 Fuß tief

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in der Erde am Abhange einer kleinen Hügelkette, und zwar gewöhnlich dort, wo Sandschollen im Lehmboden standen. Hiedurch aufmerksam gemacht, setzte Herr Koch in den nächsten Jahren seine Beobachtungen beim Drainiren fort und fand an der ganzen Hügelkette und weiter hinaus Spuren von mehr als 50 Höhlenwohnungen. Man vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 289, XX, S. 276, und XXI, S. 228.

Im Jahre 1858 wurden auch zu Bresen bei Rehna Höhlenwohnungen entdeckt, welche denen von Dreveskirchen völlig gleich waren; vgl. Jahrb. XXVI, S. 127.

Die Beschaffenheit der Höhlenwohnungen ist immer dieselbe. In einer Tiefe von etwa 5 Fuß findet sich ein Fußboden oder ein Herd von Feldsteinen, der gewöhnlich eine runde Form vermuthen läßt. Auf diesem Fußboden liegen nun viele Scherben von sehr dickwandigen Kochtöpfen, Holzkohlen, zerhauene Thierknochen und steinerne Alterthümer.

Der Herr Koch setzte seine Beobachtungen unverdrossen fort und hatte in den jüngsten Zeiten das Glück, beim Ausgraben einer Mergelgrube, welches mehr Gelegenheit und Ruhe zur Beobachtung bot, als das Drainiren, eine ziemlich vollständige Höhlenwohnung zu entdecken. Diese lag in demselben Höhenzuge an dem Bache, welcher die Häuser der unmittelbar an einander grenzenden Dörfer Dreveskirchen und Blowatz von einander scheidet, am Bache abwärts hinter dem Hofe Dreveskirchen, und ist die östlichste der dort bisher entdeckten Höhlenwohnungen, an der Furth durch den Bach, dessen Ufer zu den Seiten an 10 Fuß Höhe haben, also zunächst unmittelbar an einer natürlichen, alten Verkehrsstraße. Ungefähr 5 Fuß lief lagen in gleicher Ebene neben einander Feldsteine, von dem Fußboden oder dem Feuerherde, und auf und neben den Steinen viele Alterthümer beisammen auf einem kleinen Raume.

Zunächst fand sich eine große Menge Scherben von Gefäßen zum häuslichen Gebrauche, alle sehr dickwandig, mit grobem Granitgrus durchknetet, ohne Verzierungen, also sehr verschieden von den Graburnen, welche immer dünnwandig, fein und verziert sind. Es lassen sich Ueberreste von wenigstens vier dickwandigen (Koch=)Töpfen unterscheiden, indem der Boden von allen noch vorhanden ist, da sie auf dem Feldsteinpflaster standen; die Bodenstücke sind 3/4 bis 1 Zoll dick. Daneben fanden sich die Scherben von wenigstens acht kleineren Krügen mit dünnern Wänden. Auch Ueberreste von zwei sehr großen, dickwandigen Gefäßen, Vorraths=

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töpfen (?), fanden sich, deren ziemlich große Scherben fast gar keine runde Schwingung zeigen, also auf ungewöhnlich große Gefäße deuten.

Auch fand sich ein Stück von einer röthlich gebrannten Lehmwand mit ausgebrannten Stroheindrücken.

Daneben lagen viele Thierknochen. Diese sind alle zerhauen. Ich habe grade nicht so feine Ansichten, daß ich glaube, die Alten hätten die Knochen vorzüglich "deshalb" zerhauen, "um" die Leckerbissen des Markes herauszuholen, sondern ich glaube, daß sie dies gewöhnlich ganz einfach deshalb gethan haben, um die Fleischstücke in die Kochtöpfe bringen zu können, welche nicht allzu groß waren, wie dies ja auch noch heute geschieht; das Mark mögen sie sich gelegentlich dabei auch herausgeholt haben, wie heute. Es sind aber auch Knochen zerhauen, welche keine Markhöhlen haben.

Um nun den Kochherd vollständig erkennen zu lassen, fand man neben den Topfscherben noch viele ziemlich große Kohlen 1 ) von Tannenholz.

Auch die Küchengeräthe, Hausgeräte und Waffen aus Feuerstein fanden sich: eine Lanzen= oder Dolchklinge (wie Frid. Franc, Tab. XXX, Fig. 4), eine halbmondförmige Säge (wie Frid. Franc. Tab. XXVII, Fig. 4), beide schon sehr gut muschelig behauen und ausgearbeitet, ein keilartiger Feuerstein als Hammer brauchbar, drei Feuersteinspäne von verschiedenen Formen als Küchenmesser verwendbar. Alle Küchengeräthe sind offensichtlich viel gebraucht und abgenutzt.

Mehrere (scheinbar metallische) Schlacken, unter denen ein sehr großes Stück, lassen sich schwer erklären und sind wohl Producte des Kochherdes, oder später in die Erde hineingekommen.

Wir haben hier also eine vollständige Küche der Steinzeit vor uns und glauben wiederholt dargethan zu haben, daß zu einer Zeit der Steinperiode die Höhlenwohnungen in den norddeutschen Hügelländern wohl ziemlich allgemein verbreitet waren.

Diese Höhlenwohnungen haben ganz denselben Inhalt, welcher in den holländischen Steinhäusern bei Hilversum entdeckt ist (vgl. Jahrb. XXVII, S. 168).

Diese Verhältnisse sind so klar, daß man sie wohl zur Richtschnur für andere Vorkommenheiten nehmen könnte. Ich


1) In dem Mergel der Grube fand sich auch ein ziemlich großes Stück schwarzer Steinkohle als Geröll.
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kann und will mich nicht auf weit reichende Untersuchungen und Streitigkeiten einlassen, aber ich fühle mich veranlaßt, bei dieser Gelegenheit die Vermuthung auszusprechen, daß die viel besprochenen Steinalterthümer von Abbeville in Frankreich, welche unter sündfluthlichen Thierüberresten liegen oder liegen sollen, vielleicht auch Überreste von Höhlenwohnungen sein könnten, welche nach und nach von den höher liegenden steilen Wänden aus derselben Erde zugeschüttet sind. Eben so gut, als die Alterthümer von Abbeville vorsündfluthlich sein sollen, können auch die Alterthümer von Dreveskirchen dafür ausgegeben werden, da sich Mergelerde und Steinkohlengerölle über denselben gefunden hat.

Geschrieben im März 1863.

Von Wichtigkeit sind die Thierknochen. Der Herr Professor Steenstrup zu Kopenhagen hat die Güte gehabt die gefundenen Knochen zu bestimmen. Die Knochen, welche sämmtlich zu den "gewöhnlichen Haustierarten Nord= und Mittel=Europas" gehören, sind folgende:

1) vom zahmen Rind (Bos Taurus): Unterwand der Augenhöhle von einem ziemlich starken Thiere, Bruchstücke von Rückenwirbeln (durch Hundezähne angenagt), vom Becken, vom Unterarm (radius), vom metatarsus, vom humerus und zwei Phalangen;

2) vom zahmen Schwein (Sus scrofa domesticus):

zwei Backenzahne;

3) vom Schaf (Ovis Aries domest.): linker Unterkiefer;

4) vom Pferd (Equus Caballus), ziemlich mittlerer Größe: ein Backenzahn von der rechten Seite des Oberkiefers;

5) von der Gans (Anser domesticus?), ob wild oder zahm, ist nicht genau zu sagen: eine tibia (durch Raubthiere (Hunde) angenagt).

Dieses Resultat stimmt mit dem Resultate der Knochenuntersuchungen aus dem Pfahlbau von Gägelow überein, indem in diesem auch nur zahme Hausthiere vorkommen. Dennoch gehört die Höhlenwohnung noch der Steinperiode an, jedoch der Steinperiode jüngerer Zeit, da die Feuersteingeräthe schon sehr sauber und kunstvoll geschlagen sind. Es mag nicht unwahrscheinlich sein, daß je weiter nach dem Norden hinauf die Thiere in jüngern Zeiten desto mehr schon als Hausthiere in den Racen gekreuzt einwanderten.