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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Höhlenwohnungen und Pfahlbauten in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.

Seitdem die merkwürdigen und viel besprochenen Pfahlbauten in der Schweiz entdeckt sind, habe ich ununterbrochen ein scharfes Augenmerk darauf gerichtet, auch in Meklenburg Pfahlbauten aus der ältesten Zeit des Menschengeschlechts zu beobachten und zu entdecken. Freilich war ich von vorne herein gegen das Vorhandensein eingenommen, da in Norddeutschland lose Erde im Ueberflusse vorhanden ist, welche mit leichterer Mühe in Gewässer und Moore geschüttet werden kann, um einen gesicherten Wohnsitz zu gewinnen, und da sich die Entdeckungen von Höhlenwohnungen im festen Boden aus der ältesten Zeit immer mehr wiederholten. Aber die Anzeichen von Pfahlbauten mehrten sich ununterbrochen, indem in Mooren immer häufiger Alterthümer, oft in großer Menge, gefunden wurden, welche nicht zufällig verloren gegangen sein konnten, sondern von einem menschlichen Wohnsitze ins Wasser gefallen sein mußten. Auch trat bei mir nach und nach die Ansicht, daß künstlich eingeschüttete Inseln zum Schutze ausreichend sein könnten, immer mehr in den Hintergrund, da nur

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steil emporsteigende und an den Rändern überragende Pfahlfundamente im Wasser genügende Sicherheit gegen wilde Thiere gewähren können, gegen welche die Pfahlbauten vorzüglich errichtet gewesen zu sein scheinen. Ich erließ daher im Quartalberichte XXVII, 1, Oktober, 1861, S. 9 flgd., eine dringende Aufforderung zur Beobachtung von Pfahlbauüberresten und ließ dieselbe in den öffentlichen Zeitungen wiederholen, freilich bis jetzt ohne allen andern Erfolg, als daß schon manche Menschen an das Vorhandensein von Pfahlbauten in Meklenburg sich gewöhnen und glauben. Denn die Entdeckung derselben ist wegen des außerordentlich hohen Alters und der dadurch bewirkten Verwesung so schwierig und mühevoll, daß sie sich nur durch lange fortgesetzte Aufmerksamkeit und Ausdauer machen läßt. Dennoch ist endlich sicher zu Gägelow ein Pfahlbau in Meklenburg entdeckt worden, d.h. die Ueberreste einer menschlichen Wohnung aus der heidnischen Steinzeit auf Pfählen im Wasser, wie sie unten beschrieben sind.

Ganz gleichen Charakter mit den Pfahlbauten haben die Höhlenwohnungen in Meklenburg. Alle in beiden gefundenen Alterthümer sind völlig gleich. Jedoch ist es nicht zu erkennen, ob Höhlenwohnungen und Pfahlbauten in der Zeit neben einander standen oder auf einander folgten.

Ich lasse hier die Beschreibung der neuesten Entdeckungen hinter einander folgen.


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1. Höhlenwohnung von Dreveskirchen.

Meklenburg hat bis jetzt keine schweizerische Pfahlbauten, keine dänische Kjöckenmödding, keine französische vorsündfluthliche Steinalterthümerlager, u. s. w., aber es hat sicher bescheidene Höhlenwohnungen aus der heidnischen Steinzeit. Es leidet keinen Zweifel, daß hier Menschen der Steinzeit ihre Wohnungen, Küchen, Keller etc. . in der Erde auch in ausgegrabenen Höhlen hatten. Diese sind im Laufe der Jahrtausende verschüttet und können nur durch Zufall bei tiefen Ausgrabungen entdeckt werden, wozu die neue Erfindung des Drainirens des Ackers mitunter, wiewohl selten, Gelegenheit giebt.

Der Herr Koch auf Dreveskirchen bei Neu=Bukow entdeckte vor zehn Jahren beim Drainiren tief in der Erde Alterthümer aller Art aus der Steinperiode, in welchen ich zuerst die Ueberreste von Höhlenwohnungen zu erkennen glaubte. Die Alterthümer lagen immer ungefähr 5 Fuß tief

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in der Erde am Abhange einer kleinen Hügelkette, und zwar gewöhnlich dort, wo Sandschollen im Lehmboden standen. Hiedurch aufmerksam gemacht, setzte Herr Koch in den nächsten Jahren seine Beobachtungen beim Drainiren fort und fand an der ganzen Hügelkette und weiter hinaus Spuren von mehr als 50 Höhlenwohnungen. Man vgl. Jahrb. XIX, 1854, S. 289, XX, S. 276, und XXI, S. 228.

Im Jahre 1858 wurden auch zu Bresen bei Rehna Höhlenwohnungen entdeckt, welche denen von Dreveskirchen völlig gleich waren; vgl. Jahrb. XXVI, S. 127.

Die Beschaffenheit der Höhlenwohnungen ist immer dieselbe. In einer Tiefe von etwa 5 Fuß findet sich ein Fußboden oder ein Herd von Feldsteinen, der gewöhnlich eine runde Form vermuthen läßt. Auf diesem Fußboden liegen nun viele Scherben von sehr dickwandigen Kochtöpfen, Holzkohlen, zerhauene Thierknochen und steinerne Alterthümer.

Der Herr Koch setzte seine Beobachtungen unverdrossen fort und hatte in den jüngsten Zeiten das Glück, beim Ausgraben einer Mergelgrube, welches mehr Gelegenheit und Ruhe zur Beobachtung bot, als das Drainiren, eine ziemlich vollständige Höhlenwohnung zu entdecken. Diese lag in demselben Höhenzuge an dem Bache, welcher die Häuser der unmittelbar an einander grenzenden Dörfer Dreveskirchen und Blowatz von einander scheidet, am Bache abwärts hinter dem Hofe Dreveskirchen, und ist die östlichste der dort bisher entdeckten Höhlenwohnungen, an der Furth durch den Bach, dessen Ufer zu den Seiten an 10 Fuß Höhe haben, also zunächst unmittelbar an einer natürlichen, alten Verkehrsstraße. Ungefähr 5 Fuß lief lagen in gleicher Ebene neben einander Feldsteine, von dem Fußboden oder dem Feuerherde, und auf und neben den Steinen viele Alterthümer beisammen auf einem kleinen Raume.

Zunächst fand sich eine große Menge Scherben von Gefäßen zum häuslichen Gebrauche, alle sehr dickwandig, mit grobem Granitgrus durchknetet, ohne Verzierungen, also sehr verschieden von den Graburnen, welche immer dünnwandig, fein und verziert sind. Es lassen sich Ueberreste von wenigstens vier dickwandigen (Koch=)Töpfen unterscheiden, indem der Boden von allen noch vorhanden ist, da sie auf dem Feldsteinpflaster standen; die Bodenstücke sind 3/4 bis 1 Zoll dick. Daneben fanden sich die Scherben von wenigstens acht kleineren Krügen mit dünnern Wänden. Auch Ueberreste von zwei sehr großen, dickwandigen Gefäßen, Vorraths=

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töpfen (?), fanden sich, deren ziemlich große Scherben fast gar keine runde Schwingung zeigen, also auf ungewöhnlich große Gefäße deuten.

Auch fand sich ein Stück von einer röthlich gebrannten Lehmwand mit ausgebrannten Stroheindrücken.

Daneben lagen viele Thierknochen. Diese sind alle zerhauen. Ich habe grade nicht so feine Ansichten, daß ich glaube, die Alten hätten die Knochen vorzüglich "deshalb" zerhauen, "um" die Leckerbissen des Markes herauszuholen, sondern ich glaube, daß sie dies gewöhnlich ganz einfach deshalb gethan haben, um die Fleischstücke in die Kochtöpfe bringen zu können, welche nicht allzu groß waren, wie dies ja auch noch heute geschieht; das Mark mögen sie sich gelegentlich dabei auch herausgeholt haben, wie heute. Es sind aber auch Knochen zerhauen, welche keine Markhöhlen haben.

Um nun den Kochherd vollständig erkennen zu lassen, fand man neben den Topfscherben noch viele ziemlich große Kohlen 1 ) von Tannenholz.

Auch die Küchengeräthe, Hausgeräte und Waffen aus Feuerstein fanden sich: eine Lanzen= oder Dolchklinge (wie Frid. Franc, Tab. XXX, Fig. 4), eine halbmondförmige Säge (wie Frid. Franc. Tab. XXVII, Fig. 4), beide schon sehr gut muschelig behauen und ausgearbeitet, ein keilartiger Feuerstein als Hammer brauchbar, drei Feuersteinspäne von verschiedenen Formen als Küchenmesser verwendbar. Alle Küchengeräthe sind offensichtlich viel gebraucht und abgenutzt.

Mehrere (scheinbar metallische) Schlacken, unter denen ein sehr großes Stück, lassen sich schwer erklären und sind wohl Producte des Kochherdes, oder später in die Erde hineingekommen.

Wir haben hier also eine vollständige Küche der Steinzeit vor uns und glauben wiederholt dargethan zu haben, daß zu einer Zeit der Steinperiode die Höhlenwohnungen in den norddeutschen Hügelländern wohl ziemlich allgemein verbreitet waren.

Diese Höhlenwohnungen haben ganz denselben Inhalt, welcher in den holländischen Steinhäusern bei Hilversum entdeckt ist (vgl. Jahrb. XXVII, S. 168).

Diese Verhältnisse sind so klar, daß man sie wohl zur Richtschnur für andere Vorkommenheiten nehmen könnte. Ich


1) In dem Mergel der Grube fand sich auch ein ziemlich großes Stück schwarzer Steinkohle als Geröll.
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kann und will mich nicht auf weit reichende Untersuchungen und Streitigkeiten einlassen, aber ich fühle mich veranlaßt, bei dieser Gelegenheit die Vermuthung auszusprechen, daß die viel besprochenen Steinalterthümer von Abbeville in Frankreich, welche unter sündfluthlichen Thierüberresten liegen oder liegen sollen, vielleicht auch Überreste von Höhlenwohnungen sein könnten, welche nach und nach von den höher liegenden steilen Wänden aus derselben Erde zugeschüttet sind. Eben so gut, als die Alterthümer von Abbeville vorsündfluthlich sein sollen, können auch die Alterthümer von Dreveskirchen dafür ausgegeben werden, da sich Mergelerde und Steinkohlengerölle über denselben gefunden hat.

Geschrieben im März 1863.

Von Wichtigkeit sind die Thierknochen. Der Herr Professor Steenstrup zu Kopenhagen hat die Güte gehabt die gefundenen Knochen zu bestimmen. Die Knochen, welche sämmtlich zu den "gewöhnlichen Haustierarten Nord= und Mittel=Europas" gehören, sind folgende:

1) vom zahmen Rind (Bos Taurus): Unterwand der Augenhöhle von einem ziemlich starken Thiere, Bruchstücke von Rückenwirbeln (durch Hundezähne angenagt), vom Becken, vom Unterarm (radius), vom metatarsus, vom humerus und zwei Phalangen;

2) vom zahmen Schwein (Sus scrofa domesticus):

zwei Backenzahne;

3) vom Schaf (Ovis Aries domest.): linker Unterkiefer;

4) vom Pferd (Equus Caballus), ziemlich mittlerer Größe: ein Backenzahn von der rechten Seite des Oberkiefers;

5) von der Gans (Anser domesticus?), ob wild oder zahm, ist nicht genau zu sagen: eine tibia (durch Raubthiere (Hunde) angenagt).

Dieses Resultat stimmt mit dem Resultate der Knochenuntersuchungen aus dem Pfahlbau von Gägelow überein, indem in diesem auch nur zahme Hausthiere vorkommen. Dennoch gehört die Höhlenwohnung noch der Steinperiode an, jedoch der Steinperiode jüngerer Zeit, da die Feuersteingeräthe schon sehr sauber und kunstvoll geschlagen sind. Es mag nicht unwahrscheinlich sein, daß je weiter nach dem Norden hinauf die Thiere in jüngern Zeiten desto mehr schon als Hausthiere in den Racen gekreuzt einwanderten.


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2. Pfahlbau von Gägelow.

Es ist jetzt mit Sicherheit ein Pfahlbau aus der heidnischen Steinzeit in Meklenburg entdeckt worden. Da ein Pfahlbau aber keinen hervorragenden sichtbaren Bau bildet, sondern meistentheils nur als Moder in der Tiefe eines Moores mit großer Schwierigkeit zu erkennen ist, so ist eine ausführliche und genaue Beschreibung der Entdeckung die Hauptsache für den Nachweis des Vorhandenseins.

In dem Dorfe Gägelow bei der Stadt Wismar, in der Nähe des Kirchdorfes Proseken, wurden in einem Torfmoor zwei Hirschhörner gefunden, welche gespalten und an allen Enden mit rohen Werkzeugen angearbeitet waren, um daraus Material zu kleinen Werkzeugen zu gewinnen (dgl. Jahrb. XXVI, S. 132). Ich veranlaßte den für den Verein eifrig bemüheten Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar, diese Hörner für die Sammlungen zu erwerben; der Besitzer Erbpächter Herr Seidenschnur, welcher die Jahrbücher des Vereins mit großer Theilnahme liest, gab im Jahre 1861 die Hörner dem Vereine gerne zum Geschenke. Darauf ward in demselben Torfmoore eine zur Handhabe für einen Steinkeil bearbeitete kleine Elenschaufel gefunden (dgl. Jahrb. XXVII, S. 172). Ich vermuthete, daß da, wo diese Hörner gefunden seien, sich noch mehr finden müsse, und sprach schon in den Jahrb. XXVII, 1862, S. 172, die Vermuthung aus, daß hier wohl ein Pfahlbau gestanden haben könne. Aber trotz aller Nachforschungen ist bis jetzt in diesem Torfmoore nichts weiter gefunden. Ich ließ jedoch nicht nach, im Jahre 1862 den Herrn Büsch fortwährend zu ermuntern, die Erkundigungen nach Ueberresten von Pfahlbauten in Gägelow fortzusetzen und die Sache dort ununterbrochen anzuregen. Dies hatte die Folge, daß Herr Seidenschnur ihm im Anfange des Jahres 1863 die Mittheilung machte, er habe in einem Wasserloche eichene Pfähle und innerhalb der Pfähle Alterthümer der Steinzeit gefunden, und daß derselbe dem Herrn Büsch die Alterthümer zur Uebersendung an mich auslieferte. Nach der Anschauung dieses Fundes zweifelte ich nicht mehr daran, hier einen Pfahlbau gefunden zu haben, um so mehr, da hier die beiden nothwendigen Faktoren, eingerammte Pfähle und neben denselben Alterthümer der Steinzeit, vorhanden waren. Ich trat daher im Mai 1863 mit dem Herrn Büsch bei dem Herrn Seidenschnur in Gägelow zusammen, um die Sache an Ort und Stelle genauer zu untersuchen, und fand meine Vermuthung bestätigt. Das Verdienst der Entdeckung gehört den unverdrossenen

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Bemühungen des Sergeanten Herrn Büsch unter dem treuen und bereitwilligen Beistande des Erbpächters Herrn Seidenschnur.

Der Pfahlbau von Gägelow liegt auf dem weit gestreckten Acker des Herrn Seidenschnur, eine weite Strecke von dem Dorfe, rechts von der Chaussee von Wismar nach Grevismühlen, ungefähr zwischen den Landgütern Wendorf und Hoben, gegen eine halbe Stunde von dem wismarschen Meerbusen der Ostsee. Hier ist auf einem niedrigen Landrücken in dem Boden eine ziemlich große, fast runde Einsenkung, welche rings umher von sanft ansteigenden Höhen völlig und ohne Unterbrechung eingeschlossen ist und noch jetzt der "Krambeker Soll" genannt wird. Der ebene Grund dieser Einsenkung war feucht, bestand aber aus Sand und Thon. Der Herr Seidenschnur suchte auf seinem Felde nach Moder zur Düngung und Verbesserung seines Ackers, und fand ihn in großer Mächtigkeit in dieser Einsenkung unter dieser Sand= und Thonschicht. Es ergab sich bei der Fortsetzung der Arbeit, daß die Einsenkung in den ältesten Zeiten Wasser gewesen war und nach und nach zugewachsen und mit Moder gefüllt ist und daß nach der Befestigung des Moderbodens im Laufe vieler Jahrhunderte der Sand und Thon von den nahe umher liegenden Höhen nach und nach über die Moderfläche so gewehet und geschlemmt ist, daß diese feste Erddecke eine Schicht von beinahe 2 Fuß Dicke über dem Moderlager bildete. Die begrenzenden Höhen sind überhaupt gegen die Einsenkung hin vorgerückt, indem sich die Moderlage noch etwa 7 Fuß weit unter die Anhöhen fort erstreckt, so daß es viele Arbeit kosten wird, dieses Moderlager ganz von der immer rascher ansteigenden festen Höhe zu befreien.

Der Herr Seidenschnur unternahm seit dem Jahre 1858 die Ausbeutung des Moderlagers. Nach Abräumung der Sand= und Thondecke fand er die ganze Einsenkung mit Moder, größten Theils Pflanzenmoder von Baumblättern und Wasserpflanzen, aber auch Thiermoder, von großer Mächtigkeit gefüllt, welcher in der Tiefe auf festem Boden stand. Er brachte den ganzen Vorrath, so weit er nicht von den hoch aufsteigenden Ufern mit Lehm zu hoch bedeckt war, auf das trockene Land, und nach nicht langer Zeit füllte sich das Loch wieder mit klarem Wasser so daß wieder ein kleiner See, wie früher, gebildet ist, welcher jetzt ungefähr 110 Fuß lang und 90 Fuß breit ist, also groß genug, um einige Pfahlwohnungen aufzunehmen. Jedoch erstreckt sich die ehemalige Wasservertiefung noch eine ganze Strecke weiter unter den

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Ufern fort, so daß der alte See noch viel größer gewesen ist.

Im Anfange ging die Ausgrabung des Pflanzenmoders ziemlich leicht von statten. Später ward aber die Arbeit schwieriger, indem an der einen Seite, nicht sehr weit von dem jetzigen festen Ufer, die Vertiefung mit ziemlich nahe bei einander stehenden Pfählen besetzt war. Die Pfähle standen hier in einem kleinen Halbkreise; sie waren aus Eichenholz, noch 7 und 8 bis 10 Fuß lang, 7 bis 8 Zoll im Durchmesser, zum Theil behauen, zum Theil roh und noch mit Rinde bedeckt, unten zugespitzt, oben vermodert, und von unregelmäßiger Gestalt. Es scheinen zwei Pfahlbauten in diesem See gestanden zu haben, an jedem Ende der Längenausdehnung des Sees, im Osten und im Westen, ein Bau. Die Pfähle standen aufrecht in dem Moder und die Köpfe derselben lagen ungefähr in dem jetzt wieder entstandenen Wasserspiegel. An dem einen Ende im Westen, in der Richtung nach dem Dorfe Wendorf hin, standen noch 11 Pfähle aufrecht in einem Halbkreise den 18 bis 22 Fuß Kreisdurchmesser, die einzelnen Pfähle 2 und 3 Fuß auseinander. Neben diesen Pfählen fanden sich auch mehrere Balken, welche horizontal auf dem Boden unter dem Moder lagen. Am östlichen Ende, in der Richtung nach dem Dorfe Hoben hin, standen auch Pfähle, welche auch wohl im Kreise gestanden haben; vor denselben standen nach dem Lande hin noch 4 Pfähle, welche wohl eine Brücke getragen haben werden. Die Pfahlwerke haben also ohne Zweifel kreisförmige Fundamente gebildet, von denen Brückenpfähle gegen das feste Land hin gingen. - Hier sind also ohne Zweifel die Ueberreste von menschlichen Wohnungen, welche rund waren und im Wasser auf Pfählen standen, also Pfahlbauten. Es werden sich sicher noch mehr Pfähle finden, wenn die Aufgrabung unter dem festen Ufer noch fortgesetzt werden sollte. Die Pfähle und Balken sind herausgenommen und zum Verbrennen leider zersägt und gespalten; es sind jedoch noch mehrere lange Stücke in die Sammlungen gekommen. Das Eichenholz ist im Innern noch ganz fest und schwarz.

Innerhalb dieser Pfähle war der Raum ganz mit festem Pflanzenmoder gefüllt, welcher zahllose Ueberreste von Pflanzen aller Art und von Holz, vielleicht auch Thiermoder enthielt. Dieser Moder ist auf das feste Land gebracht und lag noch im Sommer 1863 in einer Masse von mehrern hundert Fudern auf einer Stelle beisammen. Er enthielt überall große Klumpen von reinem Pflanzenmoder, unter denen

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noch die Fasern von Baumstämmen, auch Wurzeln, Rinden und Zweigen erkennbar waren, und dabei Alterthümer mancherlei Art.

Daß diese Stelle ein Pfahlbau der heidnischen Steinzeit war, ward durch zahlreiche Alterthümer bestätigt, welche sich sowohl gleich beim Ausgraben, als auch hinterher in dem ausgeworfenen Moder fanden.

Zuerst fand sich, als vorzüglicher Beweis, innerhalb der Pfähle eine granitne Handmühle, d. h. ein halbmuldenförmig auf einer Fläche glatt und tief ausgeriebener Granitblock, ungefähr 1 1/2 Fuß lang, gegen 1 Fuß breit und 1/2 Fuß hoch, wie solche im Lande sehr häufig gefunden werden (vgl. Jahrb. XXV, S. 212 flgd.). Leider ist dieser Stein in Abwesenheit des Herrn Seidenschnur von den Maurern beim Ausmauern eines neuen Brunnens unten in demselben vermauert worden.

Daneben und in dem ausgeworfenen Moder fanden sich viele runde oder rundliche Reibsteine und dazu bestimmte zerschlagene, noch rohe Steine, von 3 bis 4 Zoll Durchmesser, auch kleinere, ganz rund geschliffene, aus festem Granit oder altem Sandstein. Es sind bis jetzt 8 abgerundete und abgeriebene Reibsteine und 2 offenbar zu Reibsteinen bestimmte zerschlagene kubische Steine gesammelt. Diese Steine sind ohne Zweifel Reibsteine zum Zermalmen des Getraides und anderer Früchte; vgl. Jahrb. XXIII, S. 276.

Diese Handmühle mit den Reibsteinen innerhalb eingerammter Pfähle beweiset am sichersten das Vorhandensein eines Pfahlbaues, da man nur annehmen kann, daß sie beim Untergange des Pfahlhauses in die Tiefe des Wassers gefallen sei, und es nicht glaublich ist, daß sie hier durch irgend einen andern Zufall verloren gegangen sein könne.

Ferner fanden sich zum Beweise überall zahlreiche Scherben von sehr großen, dickwandigen Töpfen, welche nach heidnischer Weise bereitet und im Innern mit grobem Granitgrus durchknetet sind. Die Töpfe müssen zum Theil sehr groß gewesen sein, da die Schwingungen der Scherben sehr weit sind. Einige Scherben haben die Dicke von fast 3/4 Zoll. Einige sind röthlich gebrannt, andere geschwärzt, auch gehenkelt. Diese großen, dickwandigen Töpfe sind ohne Zweifel Kochtöpfe der Steinzeit, wie sich dieselben ganz genau auch in den Höhlenwohnungen Meklenburgs und in den Pfahlbauten der Schweiz finden.

Bei diesen Scherben fanden sich auch viele Thierknochen, welche, wie die Thierknochen der Höhlenwohnungen,

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alle queer zerhauen sind, um das Fleisch mit den Knochen in die Kochtöpfe bringen zu können.

Außerdem sind bis jetzt an Geräthen gefunden:

ein roh zugehauener Keil aus fettlosem, grauem Feuerstein, von der unvollkommenen Art, wie sie sich in den dänischen Austerschalenbänken finden;

ein dünner, geschliffener Keil aus Feuerstein, von welchem am obern Bahnende etwas abgeschlagen ist;

ein Feuersteinblock, von welchem Späne zu Messern abgeschlagen sind;

eine durchbohrte und geschliffene Streitaxt aus Diorit oder aus feinem Gneis, von Größe und Gestalt, wie Frid. Franc. Tab. XXVIII, Fig. 6;

ein Spindelstein aus gelblich gebranntem Thon, 1 3/4 Zoll im Durchmesser, roh gearbeitet, ganz ähnlich den Spindelsteinen der schweizerischen Pfahlbauten;

ein Mörser aus grauem Basalt, viereckig, 3 1/2 Zoll hoch und 2 1/2 Zoll in der Basis, in den Außenflächen geschliffen und an den Ecken abgeschliffen, mit einem eingeschliffenen Loche von 2 Zoll Tiefe und 1 1/2 Zoll Weite. Mörser ganz gleicher Art, bald von viereckiger, bald von achteckiger Form, einige auch mit einem einpassenden Stöpsel, sind wiederholt in Meklenburg=Schwerin gefunden, ohne daß man sie einer bestimmten Zeit hätte zuweisen können; auch in der Sammlung zu Neu=Strelitz befindet sich ein gleicher achteckiger Mörser.

Endlich fand sich

ein ganz regelmäßig geformtes, kubisches Stück gedörrten Thon, 2 1/2 Zoll groß, die Hälfte eines durchschlagenen Geräthes, welches in der Mitte ein eingebohrtes Loch gehabt hat, vielleicht ein Leuchter, an einer Seite von Rauch geschwärzt.

Um nun die Aehnlichkeit mit den schweizerischen Pfahlbauten zu vervollständigen, läßt sich noch berichten, daß sich wiederholt Schalen von aufgeknackten Haselnüssen in dem Moder fanden.

Auch Pflanzensamen fanden sich in der Tiefe überall und zahlreich zwischen den Schichten des reinen dunkelbraunen Pflanzenmoders, jedoch lagen die Körner nur zersprengt und nicht haufenweise neben einander, so daß sie wohl nicht gut verloren gegangene Massen gesammelten Samens sein konnten, wie in der Schweiz. Es waren ziemlich wohl erhaltene, glänzende, gebliche Kapseln desselben Samens, welcher überall in den Moder eingesprengt war. Es ist nur noch die glänzende Haut des Samens vorhanden; der Kern der Körner ist, wahrscheinlich durch Keimen, verschwunden. Nach der Bestimmung

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des Herrn Professors Röper zu Rostock gehört der Same sicher der Gattung des Potamogeton an, wahrscheinlich dem Potamogeton natans, einer sehr gewöhnlichen Wasserpflanze, welche aus der Tiefe der Gewässer emporkommt und mit ihren Blättern und Blüthen die kleinen Seen und Teiche bedeckt. Diese Samenkörner hangen also nicht mit dem Pfahlbau zusammen.

Es wird aus dem Vorgetragenen sich unzweifelhaft ergeben, daß wir hier einen vollständigen Pfahlbau mit allen Kennzeichen und Eigenthümlichkeiten gehabt haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich im Winter bei der Abfuhr des Moders auf den Acker noch zahlreiche Alterthümer in demselben finden werden. Für die fernere Untersuchung bemerke ich jedoch, daß sich, außer dem ausgeworfenen Moder, an Ort und Stelle nichts weiter mehr findet, als ein kleiner See, und daß in diesem nichts mehr zu sehen und zu untersuchen ist.

Ich bin jetzt fest überzeugt, daß an vielen Stellen im Lande, wo sich im Moor oder Moder steinerne Alterthümer, namentlich Reibsteine, und Holzüberreste finden, Pfahlbauten gestanden haben. So z. B. ist es mir höchst wahrscheinlich, daß in dem dem gägelower sehr ähnlichen Moderlager zu Friedrichshöhe bei Rostock, in welchem auch an 16 Reibsteine und andere Alterthümer gefunden wurden, ein Pfahlbau gestanden hat (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276, und XXIV, S. 265), und daß die Funde aus dem Sühring=Moor bei Bützow, welche in dem Anhange zu dieser Abhandlung wieder zusammengestellt sind, ebenfalls von einem Pfahlbau herstammen.

Geschrieben im Mai 1863.

Von großer Wichtigkeit sind die bisher in diesem Pfahlbau gefundenen Thierknochen. Ich sandte deshalb dieselben an den Herrn Professor Rütimeyer zu Basel, welcher sich darüber folgendermaßen brieflich äußert.

"Die bisher gefundenen Thierknochen von Gägelow sind folgende:

Rind: Bos Taurus, Kuh, und zwar Hausthier:

1 Stück vom rechten Schienbein,
2 Stücke vom linken Oberarm,
1 rechtes Schulterblatt,
1 Fersenbein von einer kleinen Kuh, ohne Zweifel Bos Brachyceros, unzweifelhaft benagt, wahrscheinlich von Thieren;

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Pferd: Equus Caballus:

linke Beckenhälfte,
1 Stück vom rechten Oberschenkel,
dritter unterer rechter Backenzahn,
Eckzahn eines männlichen Pferdes;

Ziege: Capra Hircus:

Vorderarmknochen, linke Speiche.

Ueber das Rind, Die Skeletstücke gehören durchweg kleinen Thieren an, einige auch noch jungen Thieren (die beiden Oberarmknochen), einem sehr kleinen erwachsenen Thiere das Schulterblatt, einem mittelgroßen Thiere das Schienbein. Ueber Race lassen die Knochen, außer dem Schädelstücke nichts vermuthen, unzweifelhaft aber gehören sie zahmen Thieren an. Das Schädelstück stammt von einem größeren Thiere, als alle anderen Knochenstücke, und ebenfalls von einem Hausthiere. Die Race ist jedenfalls durchaus nicht mehr rein, sondern aus mehrern Quellen gemischt. Im Ganzen trägt das Schädelstück den Typus der Primigenius=Race; dies geht hervor aus dem breiten Ansatz des Hornzapfens an die Stirne, der derben Textur des Hornzapfens und den starken Furchen an deren Hinterrand. Allein die reinen Primigenius=Schädel haben eine vollkommen flache Stirn mit gerader Hinterhauptskante, niedrigerem Stirn= (Occipital=)Wulst und geringere Diploë des Schädels, dabei weniger abgeplattete Hörner und steilere Emporrichtung ihrer Spitzen. - Alle diese letzteren Eigenthümlichkeiten, namentlich aber die gewaltige Diploë und die Depression der Hornzapfen und die Kantenbildung am hintern Umfange der letztern sind sonst bei der Frontosus-Race zu Hause, so daß ich eine Mischung von Bos Primigenius mit Bos Frontosus in diesem Schädel vermuthe, jedoch offenbar mit Vorwiegen des erstern. Hiergegen spricht nur ein Umstand, der sehr dichte Hornansatz und das offenbar sehr schmale Hinterhaupt; allein beides finde ich, trotzdem daß ein Einfluß von Bos Frontosus das Occiput den Bos Primigenius noch breiter machen sollte, doch bei recenten Schädeln, welche ich ebenfalls einer ähnlichen Mischung von Bos Primigenius und Bos Frontosus zuschreibe. Es stimmt nämlich das Schädelstück von Gägelow vortrefflich zu Schädeln der jetzigen Westerwälder und Vogelsberger Race, die ich beurtheile als eine mit Bos Frontosus gemischte Primigenius-Race. (Ueber Bos Primigenius vgl. unten: Zur Naturkunde, Rinderskelet von Malchin.)

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Ueber das Pferd. Die vorliegenden Ueberreste gehören einem kleinen Schlage an, welcher kleiner war, als das arabische Pferd; allein sie bieten durchaus nichts dar, was zu einem eingehenden Urteil berechtigen dürfte.

Ueber die Ziege, von der nur ein Knochen vorhanden ist, läßt sich sagen, daß es ein ziemlich ansehnliches Thier war."

In seiner gedruckten Fauna der Pfahlbauten der Schweiz sagt Rütimeyer über die

"Ziege"

S. 127: "In den ältern Pfahlbauten der Schweiz überwiegt die Ziege das Schaf in Menge in unverkennbarem Grade, nach den neuern hin kehrt sich das Verhältniß um. Es fällt dies insofern auf, als die historischen Nachrichten über unsere Hausthiere das Schaf überall mit dem ältesten Hausthier, der Kuh, erwähnen, wahrend die Ziege erst viel später genannt wird. - Die Reste weisen auf ein Thier, das von der in der Schweiz so allgemein verbreiteten gewöhnlichen Race heutiger Ziegen nicht im geringsten abwich und, wie diese, in Größe nicht sehr viel variirte."

"Sollte man nach den wenigen Resten irgend einen Schluß ziehen dürfen, so wäre er, spätere Funde vorbehalten, folgender. Die Sammlung enthält:

1) nur Hausthiere,
2) keine reine Viehrace,
3) dabei Pferd und Ziege.

Wenn nicht noch zu erwartende Funde dieses Resultat ändern, so erscheint, im Vergleich zu den schweizerischen Resultaten, diese Knochenablagerung relativ sehr jung, jedenfalls viel jünger, als das Steinalter in der Schweiz, wo Hausthiere nur spärlich und nur in reinen, den Stammthieren höchst ähnlichen Racen sich finden, auch das Pferd wahrscheinlich als Hausthier fehlt. Auch in anderer Beziehung weicht die kleine Sammlung von Gägelow von den schweizerischen Pfahlbauüberresten ab. In diesen ist keine Spur von Bos Frontosus.

Dennoch, schreibt Rütimeyer weiter, muß ich das Fragment von dem Stierschädel durchaus für alt halten, und von demselben Alter, wie alle andern dort gefundenen Thierknochen. Es hat vollkommen die Farbe, Textur, Schnittspuren und, was nicht ohne Interesse ist, die gleichen Umfangsverhältnisse, wie unsere Torfknochen, und es müßte ein auffallender Zufall sein, wenn neben den andern Knochen ein solches Hornstück, so zerbrochen, so zugeschnitten, so er=

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halten, aus späterer Zeit hinzugekommen wäre. Daß neuere Knochen auch diese Farbe tragen könnten, bezweifle ich zwar nicht, aber die Schlachter hatten schon damals ihre bestimmten Zerlegemethoden, eben so gut wie die unsrigen, aber verschieden von diesen."


Das Resultat der ganzen Untersuchung wird nun dahin ausfallen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört. Daß er überhaupt noch in die Steinperiode fällt, geht daraus unwiderleglich hervor, daß sich, außer den thönernen Geräthen mit dem Charakter der Steinperiode, nur steinerne Geräthe finden und Metall ganz fehlt. Dagegen scheinen die Thierknochen zu sprechen, welche alle nur Hausthieren, und darunter dem Rind von gekreuzter Race, angehören. Jedoch sind die Thiere und Racen noch alt, und man muß im Norden vielleicht ein anderes Verhältniß vermuthen, als in der Schweiz, wo in den Pfahlbauten der Steinperiode das uralte Rind von der Frontosus-Race ganz fehlt. Für die Steinperiode spricht vorzüglich die oben beschriebene Höhlenwohnung von Dreveskirchen, welche dieselben Thierknochen enthält, aber nach allen Geräthen sicher in die Steinperiode fällt. Das Vorkommen der Ziege als Schlachtvieh in Gägelow spricht jedenfalls für eine alte Zeit und weist die Vermuthung zurück, als könnten die Knochen durch Zufall in den Sumpf gerathen sein. Jedoch wird man einräumen müssen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört, da in demselben schon eine durchbohrte Streitaxt von einer jüngern und schönern Form, als der einfachen Form der Steinperiode, vorkommt, welche die dänischen Forscher nach mannigfachen Erfahrungen schon der Bronzeperiode zuschreiben.


Im Herbst des Jahres 1863 ließ Herr Büsch im Auftrage des Vereins unter seiner Aufsicht einen großen Theil des ausgeworfenen Moders, der sich sehr hart gelagert hatte, umstechen und fand dabei noch viele Alterthümer, welche die ausgesprochene Ansicht vollkommen bestätigen. Diese sind:

1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an allen vier Seiten sehr regelmäßig und gut geschliffen, jedoch am obern Ende verstümmelt und vielfach zerschlagen;

1 breiter Keil aus bräunlichem Feuerstein, an beiden breiten Seiten geschliffen, am obern Ende ebenfalls verstümmelt und an einer Seite vielfach zerschlagen.

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Ueberhaupt scheinen die meisten steinernen Geräthe durch häufigen Gebrauch vielfach gelitten zu haben und durch Rauch gebräunt zu sein.

Ferner fand sich:

1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff, vollständig;

1 Dolch aus geschlagenem grauen Feuerstein, mit viereckigem Griff; die Hälfte der Klinge fehlt;

1 Stück von einer langen, schmalen, geschliffenen Streitaxt aus Gneis; dieses Bruchstück, die Spitze, ist ein Viertheil einer Streitaxt, 5 1/2 Zoll lang, 1 Zoll hoch und 1/2 bis 3/4 Zoll breit; die Streitaxt ist nicht nur im Schaftloche durchbrochen, da noch ein Theil des ausgeschliffenen Bohrloches vorhanden ist, sondern die lange Spitze ist auch der Länge nach gespalten;

3 Bruchstücke von Feuerstein=Spänen oder Messern; auch diese sind zerbrochen und nach den stumpfen Schneiden offensichtlich gebraucht;

1 scheibenförmiges, abgeschlagenes Stück Feuerstein von 2 Zoll Durchmesser, wie sich dergleichen auf Feuersteingeräthfabrikstätten auf Rügen häufig finden.

Ferner fanden sich Bruchstücke von bearbeiteten hölzernen Geräthen, welche fast das Ansehen und den Geruch von Braunkohle haben.

Endlich fanden sich noch ungewöhnlich viele Topfscherben, alle sehr stark und mit grobem Granitgrus durchknetet; einige haben eine braune Farbe, andere sind röthlich gebrannt. Viele Bodenstücke und Seitenstücke sind sehr dick, so daß sie sichtlich von sehr großen und starken Kochtöpfen stammen. Andere Seitenstücke und Randstücke, auch mit kleinen Henkeln, sind dünner und scheinen zu Krügen gehört zu haben. An einigen Bodenstücken und Seitenstücken sitzen inwendig schwarze, zähe Massen, als wären dies Ueberreste oder Niederschlag von gekochten Speisen. Einige wenige Scherben gehören zu kleinen Krügen von feiner Masse, dünnen Seitenwänden, gleichmäßig dunkelschwarzer Farbe, glänzender Politur; ein Randstück, das einzige mit Verzierung, zeigt feine, eingeritzte, parallele Schräglinien; diese Stücke gleichen ganz manchen feinen schwarzen Begräbnißurnen der Bronzeperiode.

Aus diesen vervollständigenden Funden läßt sich mit noch größerer Sicherheit schließen, daß der Pfahlbau von Gägelow der jüngsten Zeit der Steinperiode angehört.

Geschrieben im November 1863.


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Am 14. December 1863 nahm der Herr Büsch wieder eine Nachsuchung in der ausgeworfenen Modde vor und fand wieder:

1 Reibstein aus feinkörnigem Granit, fast regelmäßig rund abgerieben, 4 Zoll im Durchmesser;

1 Reibstein, eine fast regelmäßige Kugel von Feuerstein, 2 Zoll im Durchmesser, völlig glatt, wahrscheinlich Geröll vom Meeresstrande;

1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, auf den beiden breiten Seiten ganz, auf den beiden schmalen Seiten gar nicht geschliffen, an der Schneide überall abgesplittert;

1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, welcher ausnahmsweise an beiden Enden scharf und auf der ganzen Oberfläche geschliffen, aber durch vielen Gebrauch überall vielfach zerschlagen ist;

1 kleine Streitaxt aus Diorit, völlig zugerichtet, aber noch nicht geschliffen und in der Bohrung des Loches an beiden Seiten mit konischen Vertiefungen angefangen, jedoch noch nicht durchbohrt;

1 roh zugehauener kleiner Feuersteinblock, von welchem rund umher Späne zu Messern und Pfeilspitzen abgehauen sind.


Im März 1864 beim Aufthauen der Modde suchte Herr Büsch wieder in der ausgeworfenen Modde und fand wieder:

1 Reibstein aus feinkörnigem Granit,

1 Keil aus Feuerstein, ebenfalls bräunlich von Farbe, am obern Ende vielfach zerschlagen, am untern schräge und scharf geschliffen, und

1 Granitplatte aus grobkörnigem Granit, ungefähr 2 1/2 Zoll im Quadrat und 1 Zoll dick, auf einer Fläche ganz glatt geschliffen.


So weit waren die Untersuchungen an Ort und Stelle gediehen, als der Druck der vorstehenden Forschung, welche wegen ihrer Wichtigkeit nicht länger zurückgehalten werden durfte, beginnen mußte. Es läßt sich vermuthen, daß sich im nächsten Frühling und Sommer in dem noch lagernden Reste der Modde noch Alterthümer finden werden. Aber der bisherige Fund ist mehr als hinreichend, um den Pfahlbau über alle Zweifel zu erheben.


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Andere Pfahlbauten in Meklenburg.

Wenn man alle Umstände und Erscheinungen bei der Entdeckung des Pfahlbaues von Gägelow sorgfältig betrachtet, so wird man zu der Ansicht gelangen, daß viele Alterthümer, welche in größerer Zahl nach und nach an denselben Stellen in Torfmooren gefunden und zu verschiedenen Zeiten in die Vereinssammlungen gekommen sind, ebenfalls von Pfahlbauten stammen, welche nur nicht als solche erkannt und gehörig beobachtet sind. Wenn man diese nach und nach an einem Orte gefundenen Alterthümer auf Eine Stelle zusammenbringt und an Ort und Stelle darüber genauere Nachforschungen anstellt, so wird man zu der überraschenden Erkenntniß kommen, daß Ueberreste eines Pfahlbaues vorliegen. Zu einem solchen Pfahlbau gehören z. B. gewiß die Alterthümer aus dem Sühring=Moor bei Bützow.


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Pfahlbau von Bützow.

Vor dem Rostocker Thore der Stadt Bützow liegt in einer Viehweide im sogenannten Sandfeldsbruch, an dem Ackerschlage Freiensteinsberg, nicht weit von Parkow, ein Torfmoor, welches "die Sühring" genannt wird, eine im Lande oft vorkommende Benennung. In neuern Zeiten wurden beim Torfstechen nicht weit vom festen Boden im Moor an Einer Stelle zu verschiedenen Zeiten immer viele Alterthümer gefunden, welche sich hinterher als Reste eines Pfahlbaues deuten lassen. Es ist dies erst nach völliger Erschöpfung der Alterthümer auf dieser Stelle zum Bewußtsein gekommen und daher während des Grabens nicht so genau darauf geachtet, als zur sicheren Erkenntniß nothwendig gewesen wäre. Die Erfahrung steht aber fest, daß die Alterthümer von der Sühring alle auf Einer Stelle nicht weit vom Rande des Moores in der Tiefe desselben lagen und daß die Auffindung ganz aufhörte, als die Torfstecher mehr nach der Mitte des Moores vordrangen. Die mehr künstlich bearbeiteten Alterthümer sind durch die Fürsorge des Herrn Friedr. Seidel alle in die Sammlungen zu Schwerin gekommen.

Zuerst fanden sich oft an einer Stelle Pfähle und behauenes Holz, sehr viele Thierknochen und ganze Haselnüsse. Dies alles ist untergegangen, jedoch sind noch Haselnüsse erhalten.

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Darauf wurden an derselben Stelle bei den Pfählen, ungefähr seit dem Jahre 1860, in den Jahren 1860-62 nach und nach folgende Alterthümer gefunden und an die schweriner Sammlungen abgegeben:

zwei kugelförmige Reibsteine aus feinkörnigem Granit, von gewöhnlicher Größe (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein kugelförmiger Reibstein eben so (Quartalbericht, Oktober 1861, XXVII, 1, S. 3);

ein halbmondförmiges Messer (Säge) aus geschlagenem Feuerstein (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein halbmondförmiges Messer (Säge) aus geschlagenem Feuerstein (Quartalbericht, October 1861, XXVII, 1, S. 3);

ein Ende von einem starken Hirschgeweih, welches offenbar durch Feuersteinkeile abgekeilt und bearbeitet ist (Jahrb. XXVI, S. 133);

ein Ende von einem dünnen Rennthiergeweih, ebenfalls mit Spuren von Bearbeitung (Jahrb. XXVI, S. 301);

ein Hundsschädel (Jahrb. XXVII, S. 290);

eine starke Nadel aus Bronze, 3 1/2 Zoll lang (Quartalbericht, Januar 1861, XXVI, 2, S. 4).

Dies alles, welches sicher auf Einer Stelle im Moor gefunden ist, scheint mit großer Sicherheit auf einen Pfahlbau schließen zu lassen.

G. C. F. Lisch.


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Pfahlbauten von Wismar.

Mehrere glaubwürdige Nachrichten lassen darauf schließen, daß auch an den Ufern des wismarschen Meerbusens in den ältesten Zeiten Pfahlbauten gestanden haben.

Der Herr Rentier Mann zu Wismar gab nach vielfacher öffentlicher Besprechung der bekannten schweizerischen Pfahlbauten darüber im Jahre 1863 zuerst folgende Nachrichten. Bei der seit zehn Jahren (seit 1854) betriebenen Reinigung und Verbreiterung des Fahrwassers durch einen Bagger sind in dem Meerbusen von Wismar nicht weit von dem Ufer in den ungeheuren Massen des ausgebaggerten Moders oft sehr zahlreiche Alterthümer beobachtet worden, namentlich zahllose Thierknochen, feuersteinerne Keile und Dolche oder Messer, Hirschgeweihe u. s. w. Alles dies ist aber zum größten Theile mit dem Moder an tiefen Stellen des Meerbusens wieder versenkt, zum kleinsten Theile von den Arbeitern gesammelt, aber bald wieder zerschlagen oder sonst zerstreut, so daß gegenwärtig wohl nichts mehr davon aufzufinden sein dürfte. Solche alterthumsreiche Stellen fanden sich namentlich

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von Wismar aus an dem rechten Ufer des Meerbusens hinter dem sogenannten Baumhause. Es sollen dort auch oft alte Pfähle gefunden sein. Der Herr Mann hat von den dort gefundenen Alterthümern nichts weiter mehr auftreiben können, als einen verzierten Taschenbügel aus Rennthierhorn, welcher jedoch auch in jüngern Zeiten hier verloren gegangen sein kann.

Der Herr Sergeant Büsch zu Wismar übernahm es darauf im Jahre 1864, in Grundlage dieser allgemeinen Nachrichten genauere Nachforschungen bei einzelnen Arbeitern in Wismar, welche bei der Ausbaggerung des Fahrwassers beschäftigt gewesen sind, anzustellen. Das Ergebniß ist folgendes. Mehrfache Aussagen von Arbeitern geben an, daß an mehrern Stellen des wismarschen Meerbusens, namentlich in der nächsten Nähe des Landungsplatzes für die Schiffe bei Wismar (also hinter dem Baumhause), ferner in der Gegend zwischen Redentin und der Insel Wallfisch, auch in der Nähe des Kirchsees auf der Insel Poel, sobald sie in dem Moder eine Tiefe von 8 Fuß erreicht gehabt hätten, in der Regel viele Knochen und "Steine von sonderbarer Form", namentlich von Feuerstein, ans Tageslicht gekommen seien. Besonders sind viele Keile und Schmalmeißel aus Feuerstein gefunden. In der Regel haben die Arbeiter, wenn sie solche gefunden, die dünne geschliffenen Spitzen abgeschlagen, um sie zum Feueranschlagen für sich zu verwenden, und die dickern Enden wieder ins Wasser geworfen. Herr Büsch hat noch ein Mittelstück von einem großen Schmalmeißel aus Feuerstein, 4 Zoll lang, 1 1/8 Zoll breit und 3/4 Zoll dick, in Wismar aufgetrieben. Dies ist aber der einzige Ueberrest; alle andern Alterthümer sind spurlos verschwunden. Zwei Feuersteinmesser, "sehr zerhackt", das eine aus gelbem, das andere aus weißem Feuerstein, sind beim Auffinden von den Arbeitern an einen englischen Steuermann verkauft. Ein Hirschgeweih mit abgesägten Spitzen und eingebohrten Löchern ist an einen Kaufmann in Wismar verkauft. Eine "trichterförmig ausgehöhlte Schale von Stein" (Mühlstein?) ist in der Nähe von Wismar wieder ins Wasser versenkt. Bronzesachen sollen viele gefunden, aber an den Kupferschmied Vosseck in Wismar verkauft und von diesem eingeschmolzen sein.

Dies ist Alles, was sich noch hat ermitteln lassen, und auf mehr ist nicht zu hoffen. Diese wenigen Nachrichten scheinen aber auch sicher Pfahlbauten anzudeuten.

G. C. F. Lisch.


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Feuersteingeräthe von Vitense.

In dem ,,Wispel=Moor" der Forst von Vitense bei Rehna wurden folgende interessante Alterthümer von Feuerstein gefunden und durch den Herrn Oberforstmeister von Lehsten zu Rehna zur großherzoglichen Alterthümersammlung überreicht:

1 Keil, beilförmig mit breit ausladender Schneide, wie in Worsaae Nordiske Oldsaager, 1859, S. 9, Nr. 4, abgebildet und dergleichen in Meklenburg noch nicht beobachtet sind, überall noch behauen und nur an der Beilschneide wenig geschliffen, 6 Zoll lang; diese Keile wurden, um so mehr, da sie nur dünne sind, wohl zum Einklemmen in einen gespaltenen Schaft und als Streitbeile benutzt;

1 Keil, ganz eben so, 5 1/2 Zoll lang;

1 kleiner Keil, überall, mit Ausnahme des Bahnendes, sehr sorgfältig geschliffen, 4 Zoll lang;

1 ganz kleiner Keil von weißem Feuerstein, überall, auch sogar am Bahnende sorgfältig geschliffen und an der Schneide hohl geschliffen, 2 3/4 Zoll lang;

1 Schmalmeißel, 4 1/2 Zoll lang.

Die sich so oft wiederholende Versenkung im Moor scheint auf Pfahlbauten zu deuten. Die Stücke dieses Fundes dürften den kostbarem Besitz von Feuersteingeräthen eines Hauses oder einer Person ausmachen, da sich in jedem größern Grabe ungefähr dieselben und ungefähr eben so viel Feuersteingeräthe finden.

G. C. F. Lisch.


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Handaxt oder Steinkeule von Zarrentin.

Zu Zarrentin ward eine große Steinkeule oder Handaxt, wie wir sie früher genannt haben und Frid. Franc. Tab. XXIX, Fig. 3 abgebildet haben, gefunden. Das Geräth ist aus Hornblende oder Grünstein (Diorit) und gleicht einem großen Keile oder einer Streitaxt, ist aber nicht durchbohrt, sondern hat am Bahnende einen etwas dünnern, rundlichen Griff; ähnliche Geräthe, welche sehr selten sind und sehr alt zu sein scheinen, sind schon früher zu Steinhagen und Cramonshagen gefunden: vgl. Jahrb. XIV, S. 310, und XVI, S. 256. Das gegenwärtige Exemplar, ein Stück erster Größe, ist 6 Pfund schwer und überall geschliffen. Es zeichnet sich vor den bekannten dadurch aus, daß auf dem Rücken des Griffes und noch ein wenig auf das Beil hinaus eine breite Vertiefung sehr sorgsam eingeschliffen ist, woraus hervor=

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zugehen scheint, daß das Geräth zum Einbinden in eine Handhabe bestimmt gewesen ist. Das gegenwärtige Exemplar ist ein Geschenk des Herrn Amts=Registrators Röhlcke zu Zarrentin.

G. C. F. Lisch.


Ein Dolch

aus grauem Feuerstein, 8 Zoll lang, ward von dem Herrn Ober=Appellations=Gerichts=Canzellisten Rogge in Rostock zu Althof bei Doberan gefunden und dem Vereine geschenkt.


Ein Dolch

aus grauem Feuerstein, 6 Zoll lang, ward von dem Herrn Ober=Appellations=Gerichts=Canzellisten Rogge in Rostock vor dem S. Georgen=Hospitale vor Rostock gefunden und dem Vereine geschenkt.


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Alterthümer von Parchim

Bei der Anlage der Gasbereitungsanstalt auf dem alten Burgwalle wurden in der größten Tiefe

1 Stück Hirschhorn mit abgehackten Enden, ungewöhnlich stark verwittert, und

1 Schleifstein aus festem Thonschiefer gefunden.

Beide Stücke, welche der Herr Senator Beyer zu Parchim geschenkt hat, gehören gewiß den allerältesten Zeiten an. In geringerer Tiefe wurden auch Hirschhörner neben eisernen Alterthümern gefunden; vgl. unten Mittelalter.

G. C. F. Lisch.


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Schleifstein von Neu=Wendorf.

Bei dem wendischen Begräbnißplatze zu Neu=Wendorf bei Tessin (vgl. Jahrb. XXVII, S. 181) fand der daselbst weilende Herr Oekonom Carl Sibeth im Jahre 1863 einen werthvollen Schleifstein zum Schleifen der Feuersteinkeile aus der Steinzeit und schenkte denselben dem Vereine. Dieser Schleifstein ist wohl eines der schönsten und sehenswerthesten Exemplare von allen, welche bekannt geworden sind. Er ist, wie immer, aus sehr festem "alten rothen Sandstein", 16 Zoll lang, 4 bis 6 Zoll hoch und 3 bis 4 Zoll breit, mit zwei schmalen und zwei breiten Schleifflächen, überall sehr sorgsam, regelmäßig und glatt ausgeschliffen.

G. C. F. Lisch.


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Schleifstein von Zarrentin.

Auf dem Felde von Zarrentin ward ein viereckiger Schleifstein, aus "altem rothen Sandstein", gegen 11 Pfund schwer, gefunden. Der Stein ist an beiden breiten Seiten regelmäßig und glatt ausgeschliffen und in der Steinzeit zum Schleifen der Feuersteinkeile gebraucht. Die großherzoglichen Sammlungen erwarben dieses seltene Prachtstück durch die Bemühungen des Herrn Archivraths Masch zu Demern.


Ein zur Streitaxt vorbereitetes Stück von einem Hirschgeweih,

von der Rose bis über das zweite Ende hinaus, mit abgehackten Enden, von sehr altem Ansehen, 10 Zoll lang, vor mehreren Jahren gefunden auf der Besitzung "Weinberg" am Gutower See bei Güstrow, tief im Moor, ward dem Vereine geschenkt von dem Herrn Oekonomen Carl Sibeth aus Güstrow zu Neu=Wendorf.

Ein ganz gleiches Stück

von gleicher Grüße und sehr schönem Bau und Ansehen, mit vielen Spuren der Vorbereitung zur Streitaxt ward beim Bau der meklenburgischen Staatsbahn in einem Moor gefunden und den der Baudirection zu Malchin im Julii 1862 durch die Fürsorge des Herrn Baumeisters Wachenhusen daselbst an die großherzoglichen Sammlungen eingesandt.


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Hörnerner Taschenbügel von Wismar.

Beim Ausbaggern des halbsalzigen Meerbusens von Wismar, nicht weit von der Stadt und dem Ufer, hinter dem Baumhause, ward vor mehreren Jahren ein merkwürdiges, bearbeitetes hörnernes Geräth gefunden. Dasselbe besteht aus einem gespaltenen, halben Horne, welches fast regelmäßig weit kreissegmentförmig gebogen und in grader Linie 10 1/2 Zoll lang, überall 1 1/4 Zoll breit und in der Mitte ungefähr 2/8 bis 3/8 Zoll dick ist. Die untere Fläche ist in der Mitte porös, grade und geglättet. Die obere, glatt bearbeitete Fläche ist gewölbt, mit einem klar ausgedrückten Mittelrücken, der ganzen Länge nach in der Mitte mit Vierecken, an beiden Seiten mit eingreifenden Dreiecken verziert, welche alle von eingegrabenen Linien gebildet und mit eingegrabenen dichten, etwas unregel=

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mäßigen Linien gefüllt sind. Die beiden Enden sind in zwei kleinen Halbkreisen ausgekehlt und jede der nach innen gebogenen Ecken ebenfalls ein Mal. An jedem Ende ist ein großes Loch durchgebohrt; an der innern Biegung sind zehn kleinere Löcher durchgebohrt. Die nach außen gebogene Rundung hat keine Löcher. Das Geräth ist nach der innern Structur und der großen Dichtigkeit und Festigkeit der äußern Schale aus Horn gearbeitet, - nach der Krümmung aus Rennthierhorn, auch nach der sehr flachen Rose, von welcher an einem Ende noch etwas erhalten ist. Auch der Herr Professor Rütimeyer zu Basel schreibt darüber: "Der Gegenstand von "halbmondförmiger Biegung ist aus Hirschgeweih verfertigt: von welcher Hirschart, ist schwer zu sagen; jedoch paßt die Krümmung in ebener Fläche viel besser in das Rennthiergeweih, als in das Geweih irgend einer andern europäischen "Hirschart." Es ist die Frage, wozu dieses Geräth gedient hat und woher es stammt. Es sieht beinahe so aus, wie das obere oder untere Stück einer geschweiften Lehne eines modernen Rohrstuhls. Material und Arbeit sind jedenfalls alt, da sie zwar fest und tüchtig, aber unvollkommen sind. Der Herr Conferenz=Rath Thomsen zu Kopenhagen giebt über die Bestimmung willkommenen und genügenden Aufschluß: "Der gefundene hörnerne Bügel ist die Hälfte von der Oberkante oder dem Schluß einer Tasche, wie solche früher in "Lappland, besonders von den Frauen, gebraucht wurden, um allerlei Nähsachen und Proviant zu transportiren. Der an den Bügeln durch die Löcher befestigte Beutel war von Rennthierfell. In der ethnographischen Sammlung zu Kopenhagen befindet sich eine solche Tasche mit gleichen Bügeln und mit Beutel und" (in der antiquarischen Sammlung sind) zwei solche lose Bügel, welche in Gräbern gefunden sind 'ohne Beutel)." Das im wismarschen Meerbusen gefundene Geräth kann aus der alten heidnischen Zeit stammen, vielleicht ist es aber jüngern nordischen Ursprunges und von Schiffern verloren, jedoch gewiß immer noch alt. Es ward in der Nähe eines muthmaßlichen alten Pfahlbaues mit vielen Hirschhörnern und Steingeräthen, welche aber alle verloren gegangen sind, gefunden (vgl. oben S. 132). Der Herr Rentier Mann zu Wismar hat die Güte gehabt, dieses Geräth dem Vereine zu schenken.

G. C. F. Lisch.


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b. Bronzezeit.

Kegelgrab von Schulenberg.

Der Herr Pächter Belitz zu Schulenberg bei Marlow fand auf dem dortigen Felde:

1) den Griff und zwei Stücke von der Klinge eines bronzenen Schwertes und

2) eine bronzene Framea mit Schaftrinne, von welcher ein Ende abgebrochen ist.

Auf die Nachricht von diesem Funde gruben einige Wochen später der Herr Dr. med. Hüen aus Marlow und der Herr Pächter Belitz an der Fundstelle weiter nach und fanden hier sämmtliche Bruchstücke des Schwertes, so daß dieses jetzt ganz vollständig vorhanden und mit der Framea durch den Herrn Dr. Hüen für den Verein erworben ist.

Die Alterthümer lagen auf der Höhe eines Hügels unter Feldsteinen von der Größe einer starken Faust verpackt. Die Klinge des Schwertes war, nach den alten Bruchenden zu schließen, vor der Beilegung in wenigstens 6 Stücke zerbrochen. Wir haben hier also ohne Zweifel ein Grab aus der Bronzeperiode oder ein sogenanntes Kegelgrab.

Die beiden in dem Grabe gefundenen Waffenstücke sind sehr werthvoll, wenn sie auch zerbrochen sind. Beide sind offenbar sehr alt, sehr tief vom Rost durchdrungen und mit edlem Rost bedeckt; beide sind kräftig gearbeitet und verziert und gehören der ältern Zeit der Bronzeperiode an.

Das Schwert ist verhältnißmäßig lang, im Ganzen gut 30 Zoll hamburg. Maaß, in der Klinge 25 1/2 Zoll lang. Die Klinge, welche sich in der Mitte des ganzen Schwertes verbreitert, hat einen sauber gearbeiteten, stark gewölbten Mittelrücken, welcher an jeder Seite von zwei durch Furchen gebildete Linien begrenzt ist. Der Griff, welcher eine Länge den nur 2 1/2 Zoll hat, ist ganz von Bronze, nicht durchbrochen gearbeitet, und mit erhabenen Parallelreifen verziert. Im Innern des (durchgebrochenen) hohlen Griffes steckt noch der feste und harte Gußkern, wie es scheint von thonhaltigem

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Sande. Der Griff faßt mit halbmondförmigen Lappen von schönen Formen über die Klinge und ist scheinbar mit 2 großen und 2 kleineren buckelförmigen Nieten, welche mit verzierten Kreisen umgeben sind, befestigt; es hat aber das Ansehen, als wenn diese Vernietung nur scheinbar und das ganze Schwert aus einem Stücke gegossen ist. Der ovale Knopf des Schwertes hat oben eine flache Scheibe, in deren Mitte eine buckelförmige Erhöhung steht. Um diesen kleinen Buckel ist die Scheibe mit sehr reichen und charakteristischen Verzierungen bedeckt, welche wahrscheinlich modellirt und mit gegossen sind. In 5 Ellipsen stehen 5 doppelte Spiralwindungen, welche ganz die Gestalt der bronzenen sogenannten Handbergen, an denen besonders Meklenburg reich ist, haben, so daß sogar die Windungen nach innen hin immer dünner werden. Diese Darstellung ist für eine bestimmte Zeit der Bronzeperiode sehr charakteristisch.

Die voll gegossene Framea, wie Frid. Franc. Taf. XIII, Fig. 4, in deren Schaftrinne noch geringe Ueberreste von Holz sitzen, ist in der Mitte auf den Seiten ebenfalls verziert, indem an jeder Seite zwei Male 3 Zickzackbänder, jedes zwischen 3 Linien, in leiser Erhöhung angebracht sind.

Beide Alterthümer füllen sehr passend eine Lücke in der Verzierungsweise unserer Bronze=Alterthümer.

G. C. F. Lisch.


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Kegelgrab von Bandow.

Im November 1862 wurden dem Herrn Amtsverwalter Balck zu Schwaan von dem Hauswirthe Wulf in dem Dorfe Bandow, Amts Schwan, folgende Bronze=Alterthümer überliefert, welche dieser auf seiner Hufe beim Steinbrechen gefunden hatte:

1) ein kurzes, breites Messer, in Gestalt eines Schermessers, aber wohl zum Zerschneiden von Gewandstoffen gebraucht, wie Worsaae Nordiske Oldsager, 2. Aufl., Taf. 36, Nr. 174, ohne Verzierungen, ungefähr wie Frid. Franc. Taf. XIX, Fig. 12;

2) eine Pincette (zum Zusammenhalten zweier Zeugenden zur Bildung einer Nath), ungefähr wie Frid. Franc. a. a. O., nur kleiner, an den Rändern mit einer eingegrabenen Linie und daneben mit eingeschlagenen kleinen Dreiecken verziert, welche auch auf dem bronzenen Horne von Wismar aus der ausgebildeten Bronze=Periode, Lithographie zu Jahrb. III,

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und an andern gleichzeitigen Bronze=Alterthümern als Verzierungen vorkommen;

3) ein Pfriemen;

4) eine Schmucknadel, welche in der Nadel viereckig, oben aber rund und gebogen ist und einen an den Seiten mit vier erhabenen Knöpfen verzierten Knopf hat, 3 1/2 Zoll lang, ganz wie Worsaae a. a. O. Taf. 53, Nr. 238, nur etwas kleiner.

Diese Alterthümer, welche mit einem leichten, nicht edlen Rost bedeckt sind, bilden offenbar das Arbeitsgeräth (1, 2, 3) und den Schmuck (4) einer weiblichen Person.

Der Herr Amtsverwalter Balck begab sich sofort an die Fundstelle und gewann folgendes Ergebniß.

Auf der sehr hügeligem Hufe lag, an der Grenze des Hausgutes Tatschow, eine kleine, kahle Anhöhe (ein "Kegelgrab") von ungefähr 8 Fuß Axenhöhe. Sie bestand aus Sand und Lehm und war im Innern von schwarzen Aschenstreifen durchzogen und mit Kohlen von Tannenholz vermischt. Ungefähr 3 Fuß unter der Oberfläche stieß man auf eine Steinkiste, aus großen, platten Grund=, Seiten= und Decksteinen aufgeführt, nach Westen hin offen, etwa 3 Fuß hoch, breit und tief. Auf dem Boden der Kiste standen mit Sand bedeckt im Dreieck

5) drei Urnen, jede von ungefähr 3/4 Fuß Höhe, fast eben so großer Weite in der Bauchung und etwa 4 Zoll Durchmesser in der Oeffnung, unten abgerundet, von der Gestalt, wie Jahrb. XI, S. 359. Sie waren stark mit Kieselstücken und Grand versetzt, bräunlichschwarz von Farbe, mit einem breiten Henkel und ohne alle Verzierungen, also ganz wie gewöhnlich die Urnen aus dieser Zeit gefertigt und gestaltet. Durch das Steinbrechen hatten sie aber alle gelitten, waren geborsten und zerfielen beim Wegräumen des Sandes. Von den beiden an der hintern Wand stehenden Urnen war die eine mit gröbern, die andere mit feinern zerbrannten Knochen gefüllt. Die dritte an der Oeffnung der Kiste stehende Urne enthielt nur Sand und Asche. Auf der Oeffnung dieser letztern gefüllten Urne sollen die oben beschriebenen Bronze=Alterthümer gelegen haben. Mehr hat sich nach Aussage der Dorfbewohner in dem Grabe und in der Nähe desselben nicht gefunden.

Wir verdanken diese sorgfältige Aufdeckung und Beschreibung dem Herrn Amtsverwalter Balck.

Ungefähr um dieselbe Zeit deckte der Herr Archiv=Rath, Pastor Masch aus Demern ein ganz gleiches Kegelgrab zu Lockwisch bei Schönberg auf. Das Kegelgrab hatte eine

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ganz gleiche Einrichtung, eine Steinkiste, in welcher eine gefüllte Urne stand, auf welcher ein Messer, eine Pincette und eine Nadel aus Bronze lagen. Diese Nadel war jedoch oben zu einer einfachen Spirale gebogen, wie Worsaae a. a. O. Taf. 53, Nr. 236. Vgl. über dieses Grab unten.

G. C. F. Lisch.


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Kegelgrab.

In Jahrb. XXVIII, S. 300, ist eine polirte, kleine elliptische Tafel aus feinkörnigem, bräunlichem Sandstein beschrieben, welche in einem Kegelgrabe der Bronzeperiode in Meklenburg gefunden ist und besondere Beachtung verdient, da in dieser Periode ähnliche Steine noch nicht bekannt geworden, oder doch noch nicht besprochen sind. Zugleich ist angeführt, daß der Herr Dr. v. Hagenow zu Greifswald den ähnlichen Inhalt eines Bronzegrabes besitzt. Derselbe hat nun die Freundlichkeit gehabt, unserm Vereine die merkwürdigsten Stücke dieses Fundes in bemalten Gypsabgüssen und andern Nachbildungen zum Geschenke zu machen. In einer wohl erhaltenen Urne, welche auf der Stelle gefunden ward, wo vor einigen Jahren das neue Detentionshaus bei Naugard erbauet ist, wurden neben mehrern Arm= und Fingerringen und einer Pfeilspitze aus Bronze, so wie zwei gleichen, nur in der Länge ein wenig verschiedenen Doppelknöpfen aus Bronze mit langer, aufstehender Spitze, wie sie in Jahrb. XI, S. 378, abgebildet sind, folgende merkwürdige Gegenstände gefunden:

ein fester, grünlicher Stein (Kalkstein) von elliptischer Gestalt, jedoch nur in der Größe einer halben Ellipse, so daß die Ellipse queer durchschnitten ist. Der Stein ist 2 Zoll hoch und 2 Zoll breit, so daß derselbe in seiner ganzen Größe ungefähr die Gestalt und Größe des in Meklenburg gefundenen Steines gehabt haben würde. Der Stein von Naugard ist jedoch dicker, ungefähr 1 Zoll dick; alle Kanten sind abgeschrägt und jede Fläche ist sorgfältig polirt; von einem mechanischen Gebrauche ist keine Spur vorhanden.

Was aber diesen Stein noch merkwürdiger macht, ist, daß ein zweiter, ganz gleich geformter Stein (Kalkstein) dabei lag, welcher jedoch nur 1 3/4 Zoll lang und breit und dabei 1 1/2 Zoll hoch, also viel kürzer und höher und dabei sehr stark abgeschrägt ist, so daß die elliptischen eigentlichen Oberflächen nur 3/4 Zoll Länge haben, indem alle Kanten sehr stark abgeschrägt sind. Auch an diesem Steine sind

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sämmtliche Flächen sauber polirt und ohne alle Spur von einem Gebrauche.

Ferner ward dabei noch

ein scheibenförmiger, an beiden Seiten ausgehöhlter Stein gefunden.

Das Seltenste dieses Fundes ist, daß bei allen diesen Alterthümern noch ein zugespitzter Griffel aus Knochen, 4 1/4 Zoll lang und 1/4 Zoll dick, gefunden ward.

Diese steinernen Alterthümer, in Verbindung mit dem Griffel sind nun im höchsten Grade selten und merkwürdig und wohl schwer zu deuten. Ich wenigstens weiß nichts zur Deutung beizubringen, möchte aber fast glauben, daß sie eine gottesdienstliche, symbolische Bestimmung gehabt haben.

G. C. F. Lisch.


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Ueber Bronze=Kronen

und

die Krone von Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.

In Meklenburg waren bisher drei alte Zackenkronen aus der Bronzezeit gefunden, welche in den Sammlungen zu Schwerin aufbewahrt werden. Alle drei sind im Wesentlichen gleich, indem sie einen hohen Reif bilden, der oben in Zacken ausgearbeitet und zu einem Viertheil ausgeschnitten ist, welches sich in einem Charnier um einen mit einem Schmuck versehenen Stift dreht und mit einem Zapfen in ein entsprechendes Loch fällt, also geöffnet, um eine Kappe gelegt und wieder geschlossen werden kann. Diese drei meklenburgischen Kronen, welche die hier abgebildete Gestalt haben und zu Trechow, Admans=

Gestalt der Krone
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hagen (beide 5 1/2 Zoll hamburger Maaß im innern Durchmesser) und Lübtheen (7 Zoll weit) gefunden sind, sind in Jahrb. XIV, S. 315 flgd. vergleichend beschrieben. In Kopenhagen wird auch eine gleich gestaltete Krone 1 aufbewahrt, welche zu Töndering, im Amte Viborg, gefunden ist, und in der jetzt an die königlichen Sammlungen zu Hannover verkauften Sammlung des Herrn Baumeisters Wellenkamp zu Lüneburg befindet sich eine den meklenburgischen gleiche Krone von Emmendorf bei Uelzen (vgl. Jahrb. XXVI, S. 159).

Diese Kronen sind vielfach besprochen, seitdem ich dieselben in der Versammlung zu Hildesheim im Jahre 1856 vorgezeigt habe (vgl. Corresp.=Blatt, Jahrg. V, Nr. 3 und 6, und Jahrg. VI, Nr. 2, 4, 7 und 11), und in lebhaftem Streite sogar für "Hundehalsbänder" erklärt worden. Ich habe den Streit weder aufgenommen, noch denke ich ihn weiter zu führen, indem ich die Lösung dem Laufe der Zeit und glücklichen Entdeckungen in demselben überlassen habe, da ich diesen zu vertrauen in einer langen Wirksamkeit vielfach gelernt habe. Und dieses Vertrauen hat sich denn auch in der neuesten Zeit zu meiner Freude gerechtfertigt.

Am 18. October 1862 meldete mir nämlich der Herr Pridatdocent Dr. Handelmann zu Kiel, daß die Sammlung zu Kiel einen "höchst eigenthümlichen Ring von Bronze" geschenkt erhalten habe, welcher für die vaterländische Alterthumskunde nicht ganz unwichtig sein dürfe. Nach einer zuerst mitgetheilten leichten Zeichnung und demnächst nach einer Photographie erkannte ich sogleich in diesem "Ringe" eine Krone, von derselben Einrichtung, wie die meklenburgischen, jedoch von anderer Form. Der Herr Dr. Handelmann berichtete über diesen Fund sogleich in holsteinschen öffentlichen Blättern und darauf, mit Abbildung, im Correspondenzblatt, Jahrg. XI, Nr. 5, 1863, Mai, und im Dreiundzwanzigsten Bericht der Königlichen S. H. L. Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer zu Kiel, 1863, Julii, S. 65. Seitdem ist diese Krone von Söhren 2 in Mainz durch


1) In Dänemark sind in den neuesten Zeiten, nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen, noch zwei Kronen, wie die meklenburger gefunden: die eine ist im Jahre 1863 gefunden und wird in der Alterthümersammlung zu Aarhus aufbewahrt, die andere war in der Privatsammlung des hochseligen Königs Frederik VII. und ging in dem Schloßbrande von Frederiksborg 1859 unter.
2) Nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen sollen sich in der Sammlung zu Kopenhagen 6 oder 7 solcher "Ringe befinden, wie der von Söhren", welche ebenfalls alle zum Oeffnen (  ...  )
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den Herrn Professor und Conservator Dr. Lindenschmit abgeformt und in einem bemalten Abgusse auch der schweriner Sammlung geschenkt worden. Nach allen diesen ausreichenden Hülfsmitteln gebe ich hier einen Bericht über diese Krone und eine Abbildung derselben, zu welcher der Herr Dr. Handelmann unserm Vereine den Holzschnitt geliehen hat.

Krone

"Bei einer Wegearbeit zur Verbreiterung eines Verbindungsweges zwischen den Dörfern Söhren und Benz bei Eutin ward" (nach den brieflichen Mittheilungen Handelmann's) "durch einen Spatenstich ein schwarzes thönernes Gefäß zerbrochen, dessen Inhalt aus weißer Knochenasche und calcinirten Knochenfragmenten (von der Mittelhand und den Fingern) bestand. Oben auf den Knochen lag der Ring. Der Standort der Urne war ungefähr 2 Fuß tief unter der nie bearbeiteten Erdoberfläche; der Boden ist gelblicher Sand und es ist keine Spur vorhanden, daß derselbe früher bewaldet gewesen sei. Die Gegend ist arm an heidnischen Gräbern. Die Urne bestand aus schwarzem grobsandigen Thon und war, so weit einige noch vorhandene Bruchstücke erkennen lassen, ohne alle Verzierung." Der Ring ward im


(  ...  ) eingerichtet sind, jedoch giebt derselbe nicht besonders an, ob diese Ringe auch den charakteristischen, hohen, verzierten Charnierstift haben und überhaupt kronenartig gebildet sind. Abbildungen von diesen Ringen würden sehr willkommen sein; Worsaae giebt sie bisher nicht!
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Oktober 1862 von dem Herrn Bauernvogt Schwien zu Söhren dem Museum vaterländischer Alterthümer zu Kiel geschenkt.

Der Ring besteht aus guter, alter Bronze, nach der Analyse des Herrn Professors Karsten aus 90 pCt. Kupfer und 10 pCt. Zinn, und ist mit tiefem, hellgrünen edlen Rost bedeckt; der Ringkörper ist hohl gegossen und hat im Innern noch den Gußkern, wie an zwei schadhaften Stellen deutlich zu erkennen ist. Der Ring ist 778 1/2 Grammen schwer und hat, nach dem Abgusse, einen Durchmesser im Innern von 5 1/4 Zoll, im Aeußern von 7 Zoll hamburger Maaß (nach welchem die schweriner Kronen gemessen sind); der Ringkörper hat 7/8 bis 1 Zoll hamb. Maaß im Durchmesser. Die Einrichtung dieser Krone ist ganz derjenigen der schweriner Kronen gleich. Der ausgeschnittene Theil, welcher sich bis zu einem Winkel von etwa 70 Grad um den Stift bewegt, macht beinahe ein Drittheil des Ganzen aus; er paßt mit einem Zapfen in das gegenüber stehende Loch und durch eine Umdrehung des Stiftes werden beide Theile fest zusammengepreßt, ohne daß man den Mechanismus genau erkennen kann. Der Stift ragt 1 3/8 Zoll hamb. Maaß über den Ringkörper hervor; er gleicht freilich unten den Stiften der meklenburgischen Kronen, verjüngt sich aber von da an zierlich in viereckiger Form, ist höher und endigt oben mit einem geschmackvoll dreieckig ausgeschweiften Knopfe; die Stifte der meklenburgischen Kronen endigen in eine ziemlich formlose Spitze, auf welche jedenfalls ein kostbarerer Zierrath aufgesteckt gewesen ist.

So weit gleicht der Ring von Söhren vollkommen den meklenburgischen Kronen, namentlich der Krone von Lübtheen an Umfang und Hohlguß. Der Ring von Söhren unterscheidet sich aber von allen bisher bekannten Kronen dadurch, daß der Ringkörper oben nicht kronenartig ausgezackt ist, sondern einen runden Wulst bildet, der auf der obern und äußern, beim Tragen sichtbaren Hälfte mit vertieften Linienornamenten aus Queerbändern und Dreiecken verziert ist, wie sie auf dem Armringen der Bronzezeit vorkommen und oben unter dem Ringe abgebildet sind.

Man wird es jetzt, nach der Beschaffenheit des Ringes von Söhren, namentlich nach den Verzierungen und der Beschaffenheit des Stiftes, wohl nicht mehr bestreiten können, daß die meklenburgischen Kronen wirklich Kronen sind; auch hat sich die allgemeine Ansicht, nachdem sich die Hitze des Streites abgekühlt hat, schon längst dafür entschieden. Auch Herr Dr. Handelmann möchte den Ring von Söhren "allerdings in die Kategorie der sogenannten Kronen rechnen. Es

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überwiegt jetzt die Ansicht, daß alle diese Reife als eine Art Haupt= oder Haarschmuck gedient haben, mag man nun annehmen, daß sie oben um eine Kappe oder einen Helm, oder daß sie um ein kunstvoll aufgebauetes Haargeflecht gelegt wurden. Für beide Zwecke war es bequemer, wenn gleich keinesweges notwendig, daß die Reife sich öffnen ließen. So genügte auch der geringe Durchmesser, der für einen wirklichen Kopfring unzureichend wäre".

Von Wichtigkeit zur endgültigen Entscheidung der Frage scheint die Nachricht zu sein, auf welche der Herr Dr. Chr. Jessen in Kiel hingewiesen hat. In Jahn's Jahrbüchern für classische Philologie, Bd. 85, S. 574, wo über die goldenen westgothischen Kronen, gefunden zu Guarrazar bei Toledo, berichtet wird, heißt es: "Mehrere der Kronen von mittlerer Größe sind mit Scharnieren zum Auf= und Zumachen versehen". Wenn nun solche Kronen noch zur Westgothenzeit als Kopfschmuck wirklich gedient haben sollten, so wird man dasselbe mit um so größerer Sicherheit für die germanische Vorzeit annehmen dürfen, und unsere Bronzekronen werden nicht mehr anzuzweifeln sein.

Nach dem Hohlguß, dem hellen, wenn auch festen Rost und der Leichtigkeit der Verzierungen wird die Krone von Söhren in die jüngere Hälfte der Bronzezeit fallen; der Rost der beiden voll gegossenen meklenburgischen Kronen von Admanshagen und Trechow ist viel tiefer und dunkler. Die Zackenkronen werden also viel älter sein, als die Söhrensche Krone, um so mehr da die beiden eben genannten noch voll gegossen sind und die von Admanshagen noch aus Kupfer (mit nur 1 1/2 pCt. Zinn) besteht.

Die Zeit hat jedoch noch mehr gebracht als die Krone den Söhren. Kaum hatte Herr Dr. Handelmann die neue Entdeckung im Mai 1863 durch das Correspondenzblatt bekannt gemacht, als ich eine neue Form dieser Kronen in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin entdeckte. Hier lag ein Bruchstück eines Geräthes, welches aus zwei flachen, dünnen Bronzestangen bestand, welche um ein Charnier beweglich waren; ich hatte dieses Bruchstück, welches eher einem Nußknacker als einem Kronenreife gleicht, 30 Jahre lang häufig mit Befremden und Bedenken angesehen und schon mitunter den Vorsatz gefaßt, es bei Seite zu legen. Als ich im Junii 1863 mehrere seit langer Zeit in der Sammlung zurückgelegte Bruchstücke von bronzenen Kopfringen durchmusterte und es durch Zusammenlegen versuchte, ob sich noch irgend etwas Ganzes daraus zusammenstellen lasse, fielen mir zwei Bruch=

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stücke auf, welche oben eben so wellenförmig verziert waren, wie das zur Schau abgelegte Bruchstück mit dem Charnier. Und als ich die drei Bruchstücke zusammenpaßte, war die Krone oder der Kronenreif vollständig, welchen ich hier in Abbildung

Kronenreif

wiedergebe. Woher die Krone stammt, ist nicht bekannt; sie gehört zu der alten fürstlichen Sammlung und mag schon über hundert Jahre in derselben gewesen sein. Wir wollen sie daher nach der Sammlung die Krone von Schwerin [ 1 ) nennen. Diese Krone hat nun genau dieselbe Größe und Einrichtung, wie die alten Kronen von Trechow und Admanshagen. Es ist ungefähr ein Drittheil des Ringes ausgeschnitten, welches sich um ein Charnier bewegt und mit einem Zapfen in ein gegenüberstehendes Loch greift. Aber die Gestalt ist eine andere, als die der andern bisher bekannt gewordenen Kronen. Diese schweriner Krone besteht nämlich nur aus einer dünnen Bronzestange, von der Dicke der sehr häufig vorkommenden, gewöhnlichen, gewundenen Kopfringe, ist aber flach und oben mit 20 erhaben modellirten, niedrigen Wulsten oder Zacken verziert, welche durch 21 schmale Queerwulste getrennt sind. Diese größern Wulste sind Andeutungen und Ersatz für die hohen, spitzen Zacken an den Zackenkronen. Die Wulstverzierungen finden sich nur oben und sind daher auch von der äußern Seite sichtbar; unten ist der Ring flach und glatt und hinten stark abgescheuert, wie es scheint. Im Verhältniß zu dem Reifen ist auch das Charnier und der Stift mit seiner Verzierung sehr gedrückt und niedrig gehalten. Es


1) Nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen befindet sich in der Sammlung zu Kopenhagen unter den 6 oder 7 Ringen, wie der Söhrensche, auch einer, welcher ganz niedrige Zacken hat.
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leuchtet aber auf den ersten Blick ein, daß auch dieser Kronenreif zu der Classe der oben beschriebenen Kronen gehört. Der Rost ist dunkel, aber nicht tief, und der Ring scheint lange unter Händen gewesen und abgegriffen zu sein. Die Zeit dieses Ringes mag zwischen die Zackenkronen und die Krone von Söhren fallen.

So wären denn drei Formen von Kronenringen gefunden, welche sich gegenseitig erläutern und ergänzen und selbst dafür reden, daß sie als Kopfschmuck gebraucht seien.


Von großer Wichtigkeit zur Vergleichung sind die oben erwähnten westgothischen goldenen Kronen von Guarrazar, und erlaube ich mir deshalb einige Nachträge nach den Originalwerken (von der königlichen Bibliothek zu Berlin). Im J. 1859 wurden in Spanien 8 goldene Kronen und mehrere goldene Kreuze durch einen französischen Artillerieoffizier aufgekauft und von demselben durch die französische Regierung erworben und dem Museum im Hôtel de Cluny zu Paris zur Aufbewahrung übergeben. Vorher waren an demselben Fundorte 14 gleiche Kronen gefunden, an die Münze zu Madrid verkauft und eingeschmolzen. Der Fundort war nach genauen Nachforschungen La Fuente de Guarrazar in der Nähe von Toledo. Man stellte an der Fundstelle Nachgrabungen an und fand hier die Fundamente einer altchristlichen Kapelle, innerhalb welcher die Schätze in zwei ausgemauerten Kisten verborgen gewesen waren. Ein dort gefundenes Grabdenkmal auf einen Priester Crispinus ist vom J. 693 und das Bethaus muß spätestens nach der Mitte des 7 Jahrhunderts erbauet worden sein. Im J. 1860 ward noch eine Krone gefunden und ebenfalls für Paris erworben, wo sich jetzt also 9 Kronen befinden. Im J. 1861 ward wiederum eine Krone gefunden und der Königin von Spanien zum Geschenke dargebracht.

Dieser höchst merkwürdige Schatz ward im J. 1860 durch den Grafen v. Lasteyrie bekannt gemacht in Description du trésor de Guarrazar par Ferdinand de Lasteyrie, Paris, Gide. 1860, von schönen, colorirten Abbildungen in natürlicher Größe begleitet, und von E. Hübner, welcher selbst in Spanien und Frankreich war, mit den übrigen darüber erschienenen Schriften in Jahn's Jahrbüchern für classische Philologie, Band 85, 1862, S. 568 flgd. mit kritischen geschichtlichen und sprachlichen Untersuchungen und mit Fundberichten angezeigt. Die rein antiquarische Seite hat aber noch keine eingehende Untersuchung und Vergleichung gefunden.

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Von den zuerst gefundenen 8 goldenen Kronen sind 5 von massivem Goldblech, die andern 3 von durchbrochener Arbeit; diese letztern kommen hier nicht besonders zur Berücksichtigung. Alle Kronen sind von reinem Golde und zum Theil mit schönen Edelsteinen und Perlen, auch geschnittenen Steinen, Glaspasten und Perlemutter reich besetzt. Die massiven Kronen sind ganz gerade Reifen von Goldblech, ohne Verzierungen von Zacken, Wulsten oder Hauptschmuck am obern Rande. Alle sind an dem obern Rande mit Ketten und mit einem Haken zum Aufhängen und am untern Rande mit hangenden Ketten mit Bommeln zum Schmuck versehen, so daß jede aufgehängte, vollständige Krone einem Kronleuchter nicht unähnlich ist. Innerhalb hängt von dem Anhängehaken an einer Kette ein goldenes, mit Edelsteinen besetztes Kreuz bis unter die Bommeln herab. An der größten Krone in Paris und an der Krone in Madrid sitzen auf den Bommeln ausgeschnittene Buchstaben, auf jeder Bommel ein Buchstabe, welche einen Namen bilden; auf der pariser Krone steht: RECCESVINTHVS REX OFFERET (statt offert), auf der madrider der Name Svinthila. Der westgothische König Svinthila regierte 621 - 631, der König Reccesvinth 649 - 672. Der Schatz läßt sich also dem 7. Jahrhundert und den westgothischen Königen zuweisen. Offenbar sind diese Kronen Weihgeschenke, sowohl nach der ausdrücklichen Angabe der Inschriften, als nach dem später hinzugefügten Kettenwerk zum Aufhängen; diese Sitte, Kronen als Weihgeschenke aufzuhängen, läßt sich lange Zeiten hindurch verfolgen.

Es ist die Frage behandelt, ob diese Kronen je getragen worden sind. Von der größern hat man es zugestanden, da der Reif um einen starken Manneskopf paßt und sich noch Reste von Futterung an derselben gefunden haben. Man muß also annehmen, daß die Könige die Kronen für den Fall ihres Ablebens dem Gotteshause vermachten.

Von den übrigen, etwa mit Ausnahme von noch einer, hat man es aber in Abrede genommen, daß sie getragen worden, da sie zum Umlegen um einen Kopf zu klein seien. Nun haben aber, nach den vorliegenden Abbildungen in natürlicher Größe, die 3 kleinern goldenen Kronenreifen, welche eine Höhe von 1 7/8, 1 5/8 und 1 3/8 Zoll haben, einen Durchmesser von 5 1/8, 4 5/8 und 4 5/8 Zoll hamburger Maaß, sind also ungefähr gerade so groß wie alle bisher gefundenen Bronze=Kronen der Bronzezeit. Es muß also alle Zeiten hindurch Sitte gewesen sein, die Kronen nur von dieser Größe zu machen, und man darf nicht vergessen, daß es vorherrschend

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Sitte gewesen ist, die Kronen auf einer Kopfbedeckung zu befestigen und nicht den Reif um die Stirne zu schlagen. Es giebt manche neuere Zeiten, in denen die Kronen, welche wirklich getragen und nicht bloß zu der Ceremonie der Krönung gebraucht wurden, ebenfalls sehr klein waren. Das sehr schöne Bronze=Diadem von Kreien Jahrb. XIV, S. 318, hat auch nur einen innern Durchmesser von 6" hamburger Maaß.

Das Merkwürdigste ist aber, daß nicht allein die große Krone, sondern auch die drei kleinern Reifen mit einem Charnier versehen sind, so daß sie sich beim Umlegen öffnen und schließen lassen. Dies zeugt dafür, daß sie wirklich getragen sind; für eine Nachbildung zum bloßen Aufhängen wäre dies unnöthig und unzweckmäßig gewesen. Und auch hierin gleichen diese goldenen Kronen ganz den Bronze=Kronen, welche sich alle um ein Charnier öffnen und schließen lassen. Diese Sitte des Oeffnens setzt sich noch bis in die ältere Eisenperiode fort, indem das hieneben abgebildete merkwürdige Diadem von Roga (Jahresber. VII., S. 37, und Jahrb. XIV., S. 330), welches auch einen biegsamen graden Blechstreifen von 1 5/8" Höhe und 7" Durchmesser bildet, ebenfalls

Diadem von Roga

geöffnet und geschlossen werden kann und also den goldenen Kronen ganz gleich ist, wie es denselben auch ungefähr gleichalterig sein mag. So lange man noch in starre Bronze goß, mußte man zur Oeffnung ein Stück ausschneiden, welches sich um einen Stift bewegte; als man aber mehr in Blech zu arbeiten gewohnt ward, wurden die Reifen biegsam, nur einmal geöffnet und an beiden Enden mit einem Stift zusammengehalten.

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Die 3 durchbrochenen Kronen von Guarrazar mögen Frauenkronen gewesen sein.

Aus dem Vorgetragenen geht nun zweifellos hervor, daß die goldenen westgothischen Kronen der Mehrzahl nach in der Größe und Einrichtung den bronzenen Kronen der vorchristlichen Bronzezeit völlig gleich sind, und daß man wohl zu dem Schlusse berechtigt ist, daß die Größe und Einrichtung der Kronen von der allerältesten Zeit bis gegen die Zeit des Anfanges der neuern europäischen Staatsgeschichte immer dieselbe war und daß die westgothischen Könige ihre Kronen nur uralten Formen nachbildeten.


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Bronze=Alterthümer mit Commandostab von Pustohl,

von

G. C. F. Lisch.

Im J. 1861 wurden zu Pustohl, ritterschaftlichen Amts Neu=Bukow, Pfarre Berenshagen, am Rande des Hofteiches vor dem Wohnhause im Moder 1 bis 2 Fuß tief zwei Bronzealterthümer gefunden, welche in Vergleichung zu andern wichtigen Alterthümern sehr merkwürdig sind, nämlich:

1) ein bronzener Commandostab (oder Götterzeichen), wie ein Exemplar in Jahrb. XXVI. S. 140, abgebildet ist. Es ist nur der obere Theil mit der Dolchklinge vorhanden, der Stab fehlt. Dieser Commandostab ist den früher in Meklenburg zu Blengow, Glasin und Hansdorf (nach Jahrb. a. a. O. S. 142) gefundenen völlig gleich. Die Umrisse sind ganz gleich, die Dolchklinge ist mit dem Ganzen zusammen gegossen und das Metall besteht, nach der Analyse des Hr. Dr. Techen zu Wismar, auch aus Kupfer und Zinn und ein wenig Silber; auch die ganze Arbeit und Verzierung ist völlig gleich. Es ist nicht anders möglich, als daß die früher gefundenen aus derselben Werkstätte stammen, und dies wird auch dadurch wahrscheinlich, daß Glasin etwa 1 Meile, Hansdorf 1 1/2 Meilen und Blengow 2 Meilen von Pustohl entfernt sind. Die bisher gefundenen, gleichen Exemplare sind alle innerhalb eines Kreises von ungefähr 2 Meilen im Halbmesser in der Mitte von Meklenburg gefunden.

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Das Exemplar von Pustohl ist in den Formen den früher gefundenen ganz gleich; die Verzierungen sind aber an allen Exemplaren von einander abweichend und beweisen, daß sie aus freier Hand geformt sind.

Nach der Versicherung des Herrn Gutsbesitzers Bobsien auf Pustohl war der obere Aufsatz mit dem Dolche auch mit einem Holzpflocke, welcher jedoch verloren gegangen ist, auf den Stab gesteckt und steckte beim Auffinden noch in der Höhlung.

Das zu Pustohl gefundene Exemplar gehört also zu den früher gefundenen Nachbildungen und ist daher von dem Urstück von Stubbendorf bei Dargun (vgl. Jahrb. XXVI, S. 138 flgd.) verschieden, welches mit breiten Blech=Armringen und Dolchen zusammengefunden ward.

Der Stubbendorfer Fund ist aber wieder dem Funde von Neu=Bauhof bei Stavenhagen ähnlich, da dieser dieselben Dolche und Blecharmringe enthält (vgl. Jahrb. XXVI, S. 144).

Es ist nun merkwürdig, daß sich zu Pustohl neben dem Commandostab auch

2) ein breiter Blecharmring von 2 1/2 Zoll Höhe fand, welcher wieder den Ringen von Stubbendorf und Neu= Bauhof gleich ist. Diese Art Ringe haben sich in Meklenburg bisher nur neben Dolchen und "Commandostäben" gefunden. Der Ring von Pustohl ist einem Ringe von Neu=Bauhof und einem von Stubbendorf ganz gleich; es ist jedoch zu bemerken, daß die Zahl der erhabenen Parallelreifen auf allen Ringen verschieden ist (12, 13 und 14), daß also auch auf diesen Ringen die Verzierungen aus freier Hand modellirt sind.

Der Fund von Pustohl giebt also ein merkwürdiges Mittelglied zu einer gewissen, wichtigen Art von Alterthümern, welche an und für sich eigenthümlich sind und immer aus denselben seltenen Gegenständen bestehen.

Der Herr Gutsbesitzer Bobsien auf Pustohl hat die Güte gehabt, diese wichtigen Alterthümer dem Vereine zu schenken.


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Bronze=Schwert von Kritzower=Burg.

Zu Kritzower=Burg bei Wismar ward im Moor eine wohl erhaltene bronzene Klinge mit schmaler Griffzunge, ohne Rost, gefunden und im J. 1862 von dem Herrn Alwardt zu Kritzower=Burg dem Vereine geschenkt. Die zweischneidige Klinge ist schmal, mit erhabenem Mittelrücken, aber dünne

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und flach, gegen die Spitze hin etwas verbreitert und bis zur Ueberfassung des Griffes nur 13 1/2" lang; die Griffzunge von hier ist 5 1/4" lang; das Ganze ist 18 3/4" lang. Die Griffzunge ist stark, nur 3/8" breit und am Ende zugeschärft, wie ein Meißel, zum Eintreiben in einen Schaft. Die Waffe ist wahrscheinlich ein sehr kurzes Schwert, weil das Griffende bis zu 2" Breite ausgedehnt ist und die gewöhnliche Breite der halbmondförmigen Ueberfassungen der Griffe hat. Die schmale Griffzunge zum Eintreiben in einen Schaft spricht dagegen für eine Lanzenspitze oder einen Dolch; es giebt Lanzenspitzen und Dolche gerade von dieser Gestaltung. Für einen Dolch ist die Klinge aber wieder zu lang. Wahrscheinlich ist also die Waffe ein Schwert, um so mehr da in der Bronzezeit die Schwerter sicher mehr wie Dolche, also mehr zum Stechen Mann gegen Mann, als zum Hauen gebraucht sind.

G. C. F. Lisch.


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Bronzeschwert von Roggow.

Zu Roggow bei Neu=Bukow ward im Frühling 1862 beim Drainiren ungefähr 3 Fuß tief unter der Erdoberfläche in einer Mergelschicht eine ganz wohl erhaltene Schwertklinge mit Griffzunge von gewöhnlicher Form und Beschaffenheit gefunden; das Ganze ist aus hellgelber Bronze und 30" lang, davon die Griffzunge mit der halbmondförmigen Ueberfassung 4 1/2" lang, und mit grünem edlen Rost bedeckt. Das Schwert ist im Besitze des Herrn v. Oertzen auf Roggow.


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Framea von Neu=Kalen.

In dem städtischen Torfmoor von Neu=Kalen ward im Sommer 1861 durch die Torfstechmaschine eine voll gegossene bronzene Framea mit Schaftrinne, ohne Rost, zu Tage gefördert und durch den Herrn Burgemeister Mau zu Neu=Kalen dem Vereine geschenkt. Diese Framea, mit breiter, abgerundeter Schneide, ist sehr zierlich und klein, nur 3 1/2 Zoll lang, also eine der kleinsten, welche bisher beobachtet sind, und könnte wohl als Geräth zum häuslichen Gebrauche gedient haben.


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Diadem von Kröpelin.

Der Herr Dr. Crull zu Wismar schenkte dem Vereine ein rostfreies bronzenes Diadem, welches in der Gegend der Stadt Kröpelin gefunden und von hier durch den Kupferschmied Herrn Kalderach zu Wismar erworben ist. Das gewundene Diadem, mit tiefen Furchen, ist aus 4 Flügeln um einen Drath, abwechselnd vorwärts und rückwärts gewunden und gleicht dem seltenen, in Jahrb. XIV. S. 318 abgebildeten Diadem von Kreien, ist jedoch sehr viel dünner, ungefähr nur so dick, wie das Diadem von Kreien in der Abbildung a. a. O. Leider ist das Ganze verbogen und ein Ende abgebrochen, jedoch wird der Schmuck in seiner ursprünglichen Gestalt ungefähr 6 Zoll im Durchmesser gehabt haben.


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Bronzenadel von Eldenburg.

Der Herr Wasserbaumeister Garthe zu Parchim schenkte eine Bronzenadel, welche beim Baggern in dem Verbindungswasser zwischen der Warenschen Müritz und dem Eldenburger Wasser grade über der sogenannten Kählers=Lust gefunden ist, wo in alter Zeit ein Brückenübergang gewesen sein muß, da man immer auf altes Pfahlwerk stößt, welches jetzt nur noch am Ufer sichtbar wird. Diese Nadel ist für Meklenburg sehr selten. Die aus Bronze gegossene Nadel ist im Ganzen 6" lang, der Stift 3 1/2 lang. Auf dem Stifte steht eine große, kreisrunde, durchbrochene Scheibe von 2 1/2" Durchmesser, die ein vierspeichiges Rad vorstellt, welches innerhalb breiter Felgen 4 dünne Speichen um eine dünne Nabe hat. Man hat diese durchbrochene Verzierung auch wohl ein Kreuz in einem Kreise genannt. Oben auf der kreisförmigen Einfassung sitzen 3 angegossene Oesen oder Henkelchen. Diese Nadel gleicht daher den in "Lindenschmit's Alterthümern der heidnischen Vorzeit", Heft IV, Taf. 4, Nr. 1-5 abgebildeten Nadeln, namentlich der im Hannoverschen gefundenen Nadel Nr. 2, wenn auch unsere Nadel in großem Zwischenräumen durchbrochen ist und das Rad deutlicher zeigt. Diese Nadeln sind in den ostelbischen Ländern sehr selten, werden aber von den hannoverschen Landen bis in die Rheinlande immer häufiger. Ich halte die Verzierung der Scheibe für ein vierspeichiges Rad; jedoch tragen manche Nadeln nur ein Kreuz mit gleich großen Balken ohne Andeutung der Nabe, andere sind mit mehr Balken nach verschiedenen Zeichnungen verziert;

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es ist aber möglich, daß diese Zeichnungen nur ornamentale Ausbildungen des Rades sind. Diese Nadeln, welche wohl in der Regel nur einen kurzen Stift haben, werden wohl Schmucknadeln, wahrscheinlich Brustnadeln, gewesen sein; Lindenschmit a. a. O. hält sie für Haarnadeln. Wenn aber Lindenschmit sie der Eisenperiode zutheilt, so kann ich mich damit nicht einverstanden erklären, da diese Nadeln immer aus antiker Bronze gefertigt sind, den ornamentalen Charakter der Bronzezeit zeigen und in Kegelgräbern der Bronzezeit gefunden sind; vgl. Schaum Alterthümer= Sammlung zu Braunfels, 1819, S. 44, Nr. 98, mit Abbildung Taf. IV, Nr. 98, und S. 45 die übersichtliche Darstellung.

G. C. F. Lisch.


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Rohe Bronze.

Bei Sternberg, ungewiß an welcher Stelle und unter welchen Verhältnissen, ward ein rohes Stück alter Bronze, 1 3/4" lang, 1" breit, 1/2" dick und 5 Loth Schwer gefunden und an den Herrn Professor Dr. Schulze zu Rostock eingeliefert, welcher es wieder dem Vereine Schenkte. Das Stück ist offenbar aus einem Schmelztiegel, rundlich gebogen, rauh und von einem größern Stücke abgeschlagen und abgehackt, auf einigen Stellen mit edlem Rost bedeckt. Wahrscheinlich stammt dieses Stück aus der Bronzeperiode und ist ein Rest aus einem Schmelztiegel, zum Umschmelzen bestimmt. Das Stück würde großen Werth haben, wenn es sich durch Nebenumstände genauer bestimmen ließe.

G. C. F. Lisch.


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L. R. v. Fellenberg.

Analysen antiker Bronzen.

(Sechste Fortsetzung. Nummern 133 bis 140.)

Mit einer Tafel.

(Berner Mittheilungen, Beilagen zu Nr. 535 und 536. 1863.)


Infolge des zunehmenden Interesses an der Erforschung der Ueberbleibsel vorhistorischer Zeiten konnte auch eine genauere Kenntnißnahme der chemischen Bestandtheile antiker Metalle nicht ausbleiben und veranlaßte daher vielfache Untersuchungen, welche manchmal überraschende Uebereinstimmung in der Zusammensetzung von Legirungen darboten, deren Fundstätten Hunderte von Meilen von einander entfernt sind, sowie umgekehrt manche aus benachbarten Lokalitäten stammende die auffallendsten Verschiedenheiten in deren Bestandtheilen aufweisen, sei es, daß sie andern Zeiten oder Volksstämmen angehörten.

Der Zusammenhang, welcher zwischen der Komposition der verarbeiteten Metalle und der Natur der Erze besteht, von welchen man annimmt, daß jene daraus dargestellt worden seien, ist schon von verschiedenen Forschern nachgewiesen worden und veranlaßt immer wieder die Frage: woher nahmen diese und jene Völker die von ihnen verarbeiteten Metalle; fanden sie dieselben in ihrer Nähe oder mußten sie solche von Weitem her beziehen?

Bei den in vorliegender Arbeit untersuchten Bronzen,


G. C. F. Lisch.

Archäologische Erlauterungen

zu

L. R. v. Fellenbergs Analysen antiker Bronzen

aus meklenburgischen Gräbern.


Der Herr Dr. L. R. von Fellenberg zu Rosenbühl bei Bern hat sich seit mehreren Jahren eifrig und aufopfernd damit beschäftigt, die Metalle der Geräthe der europäischen Vorzeit der chemischen Analyse zu unterwerfen und hat seit

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welche mir von Herrn Dr. G. C. F. Lisch, großherzoglich meklenburgischem Archivar zu Schwerin, aus dem dortigen archäologischen Museum durch Herrn A. v. Morlot übersendet worden sind, muß ebenfalls die Frage sich aufdrängen: woher mag wohl das Kupfer dieser Bronzen kommen?

Die Nummer 135, ein in einem Kegelgrabe der Bronzezeit gefundenes Golddrähtchen, scheint ein wenig den Schleier zu lüften: Herr Senator H. L. von Santen, Apotheker zu Kröpelin in Meklenburg, hat in einer im Jahre 1844 veröffentlichten Schrift, betitelt: Chemische Analyse antiker Metalle aus heidnischen Gräbern Mecklenburg's, auch Analysen von Gegenständen aus Gold mitgetheilt, deren ziemlich konstant zwischen circa 10 % und 18 % variirender Silbergehalt eine auffallende Uebereinstimmung zeigte mit den von G. Rose analysirten Proben Goldes aus dem Ural, und aus welchen v. S. den Schluß zog, daß die von ihm untersuchten Goldgegenstände wohl aus Ural'schem Golde möchten gemacht sein, das Gold also vom Ural nach dem Mecklenburg'schen gebracht worden sein könnte. Nun stimmt die Analyse meiner Nummer 135 mit obigem Silbergehalte ebenfalls überein, aber fügt ein neues Argument zum Ural'schen Ursprunge des Goldes bei, nämlich einen, wenn auch nur unbedeutenden Gehalt an Platin, welcher außer beim gediegenen Golde vom Ural, wohl nur selten vorkommen möchte, und also kaum eine andere Deutung zuläßt, als daß die Völker, welche in der Bronzezeit das heutige Meklenburg bewohnten, mit dem Ural in einigem Verkehr gestanden haben müssen, welcher ihnen nicht nur das Gold, sondern wahrscheinlich auch das weit wichtigere und in weit grösserm Maaße benöthigte Kupfer aus diesem Gebirgslande gebracht hat. Hiermit stehen


dem Jahre 1860 die Analysen in den "Berner Mittheilungen" bis jetzt in 7 verschiedenen Abhandlungen veröffentlicht. Die ersten 5 Abhandlungen behandeln zum größten Theil die Metalle von Alterthümern, welche in der Schweiz gefunden sind; die 6 und 7 Abhandlung bringen auch Analysen von Flensburger Alterthümern; die 7. Abhandlung oder "Sechste Fortsetzung" behandelt, mit 2 Ausnahmen, Metalle von Alterthümern, welche in meklenburgischen Gräbern gefunden sind. Wir verdanken die Erwerbung dieses großen wissenschaftlichen Gewinnes der Vermittelung des Herrn Professors A. Morlot zu Lausanne, welcher lange Zeit die Sammlungen zu Schwerin studirt hat.

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wiederum die Analysen der meisten meklenburgischen Bronzen der Bronzezeit in Uebereinstimmung, welche als deren Grundlage ein äußerst reines, fast immer silber=, meistens auch bleifreies Kupfer voraussetzen, wie es eben nur aus oxydischen Kupfererzen (Malachit, Kupferlasur, Kupferschwärze u. s. w.) erzeugt werden konnte, welche im Ural in so reichlicher Menge vorhanden sind, daß sie noch heute das reinste Kupfer des Handels liefern.

Die Bronzen aus den Kegelgräbern der Bronzezeit zeigen eine eigenthümliche Abweichung in dem Zustande ihrer Erhaltung von denjenigen, welche auf dem Grunde von Seen und Flüssen unserer schweizerischen Pfahlbauten gefunden worden sind. Während diese nur von Kalksinter oder einem meist nur dünnen Ueberzuge von Grünspan bedeckt sind, im Uebrigen aber deren Form und Umrisse, selbst Verzierungen deutlich erkennen lassen, sind jene in einem eigenthümlichen Zustande von Aufgeblähtheit mit meist rissiger, geborstener Oberfläche und weit größerm Querschnitt als der ursprüngliche war, welche die frühern Formen ganz verwischt; dabei ist die Masse bis tief in's Innere oxydirt und das Kupfer zum großen Theile in Oxydul verwandelt. Werden solche Gegenstände durch abwechselnde Behandlung mit verdünnter Salpetersäure und Ammoniak blank gemacht, so findet sich die Legirung in einem kristallinischen so mürben, sandsteinähnlichen Zustande, daß sich Körner davon zwischen den Fingern abreiben lassen. Da die keltischen Kegelgräber Meklenburg's nach Dr. Lisch's Beobachtung reichliche Spuren von Leichenverbrennung aufweisen, so möchte wohl auch die beschriebene Veränderung der Einwirkung lange andauernder, sich jedoch nicht bis zur Schmelzhitze der Bronze steigernder Gluth zuzuschreiben sein; da wo


Für uns ist diese Arbeit gewissermaßen eine Fortsetzung der "Chemischen Analysen antiker Metalle aus heidnischen "Gräbern Meklenburgs, von H. L. von Santen" in unsern Jahrb. IX, 1844, S. 317 flgd., welche durch die Fellenbergschen Arbeiten theils bestätigt, theils ergänzt und fortgeführt werden.

Mit Erlaubniß des Herrn Dr. v. Fellenberg theile ich dessen Arbeit auch hier in unsern Jahrbüchern mit, erlaube es mir aber, die einzelnen Analysen in einer andern, mehr chronologischen Reihenfolge vorzuführen und, wie in Jahrb. IX a. a. O., mit Erläuterungen über die Umstände der Auffindung der Altertümer und die Beschaffenheit der alten Gräber, in denen sie gefunden wurden, zu begleiten. Die

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das Feuer die Gegenstände zum Theile geschmolzen hat, findet sich dieser Zustand von Aufgeblähtheit nicht vor, und das Metall ist noch etwas dehnbar, während es dort unter dem Hammer manchmal bis zu Pulver zerfährt.

Die beiden ersten (hier nicht wieder aufgenommenen) Nummern der heutigen Arbeit gehören noch den in voriger Abhandlung vorgeführten Bronzen der Flensburger Sendung an, und bilden deren Schluß. Die 18 folgenden Gegenstände von Nr. 123 bis Nr. 140 stammen aus dem Museum von Schwerin. Bis Nr. 135 incl. gehören sie nach Dr. Lisch's Angabe dem Bronzealter, Nr. 136 der Uebergangszeit zwischen dem vorigen und dem nachfolgenden, und die vier letzten Nummern dem Eisenalter an. Diese letztern sind zum Theil schon durch das Auftreten eines Zinkgehaltes charakterisirt.

Die Analyse des Golddrahtes Nr. 135 wurde folgendermaaßen ausgeführt. Das dünn ausgewalzte Gold wurde wiederholt mit Kalibisulfat geschmolzen, die Salzmasse in Wasser gelöst und das Silber durch Kochsalzzusatz ausgefällt. Das rückständige Gold wurde in Königswasser gelöst, wobei eine kleine Menge Chlorsilber zurückblieb, welche dem andern zugefügt wurde. Die concentrirte Goldlösung wurde mit Chlorkalium und Alkohol versetzt, wobei sich Kaliumplatinchlorid abschied, welches abfiltrirt und gewogen und aus demselben der Platingehalt berechnet wurde. Die Goldlösung wurde durch frisch bereitete Eisenvitriollösung gefällt, das Gold mit Salzsäure ausgekocht, filtrirt und nach dem Glühen gewogen. In der vom Chlorsilber abfiltrirten Lösung war noch eine geringe Spur an Kupfer enthalten, welche jedoch nicht bestimmt wurde.

Folgendes sind nun die in gegenwärtiger Arbeit untersuchten Gegenstände:


Fellenbergschen Nummern der einzelnen Analysen habe ich in (   ) beigefügt.

Der Analyse der Bronze des Kessels von dem berühmten Kesselwagen von Peccatel, welche v. Fellenberg schon in der Vierten Fortsetzung Nr. (81) mitgetheilt hat, (vgl. Jahrb. XXVI, S. 151), räume ich der Vollständigkeit wegen hier wieder einen Platz ein.

Die Resultate dieser neuen Forschungen ergeben sich aus der Abhandlung von selbst, nämlich daß die Bronze der alten, reinen Bronze=Periode nur aus Kupfer und Zinn besteht und daß die Mischung der Metalle aus ungefähr derselben Zeit immer fast dieselben Verhältnisse zeigt.

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1. (Nr. 133.) Kupferne Krone von Admanshagen. Vereins=Katalog Nr. 2027. Was ich zur Analyse erhielt waren Bohrspäne von kupferrother Farbe. 2,0 Gr. verwendet, ergaben:

Kupfer 95,66 %
Zinn 1,63 =
Blei 0,14 =
Eisen 2,33 =
Nickel 0,24 =

2. (Nr. 126.) Verrostetes Bronzeschwert aus dem Kegelgrabe von Dabel Nr. 1. Ver. Kat. Nr. 3236. Die Bronze war so total oxydirt, daß es unmöglich war, unverändertes Metall zur Analyse zu isoliren. Die ganze Masse verwandelte sich durch Pulverisiren in einen dunkelrothen Staub. Von demselben wurden zwei Gramm zur Analyse verwendet und alle metallischen Bestandteile direkt bestimmt. Danach besteht das rothe Pulver aus:


I. Kupfer der Bronzezeit.

1. (133.) Krone von Admanshagen. Diese Krone ward in einem niedrigen, schon unter den Pflug gebrachten Kegelgrabe gefunden; vgl. Jahrb. X, S. 272 flgd. mit Abbildung. Sie ist voll gegossen, tief gerostet, jedoch nicht aufgeblähet und gespalten, und zerbrochen. Nach der rothen Farbe zu schließen, hielt man das Metall für reines Kupfer und eine vorläufige Analyse ergab nur Kupfer mit einer geringen Beimischung von Eisen. Merkwürdig ist, daß der Stift, um welchen sich der Ausschnitt dreht, eine goldgelbe Bronzefarbe zeigt; wahrscheinlich ist er in jüngerer Zeit durch einen neuen ersetzt worden. Altes Kupfer hat sich in Meklenburg bisher nur 3 Male in gegossenen und nicht polirten Keilen von den Formen der Steinzeit und auch in einer Framea gefunden, deren Analyse auch 98,64 Kupfer, 1,190 Zinn und 0,746 Silber gab; vgl. Jahrb. IX, S. 327. Die vorstehende neue und gründliche Analyse der Krone von Admanshagen scheint zu bestätigen, daß es allerdings Alterthümer giebt, welche den Anfängen der Bronzezeit oder dem Uebergange aus der Steinzeit angehören und nur aus Kupfer im natürlichen Zustande bestehen.

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Kupfer 1,423 Gr.
Zinn 0,183 =
Blei 0,0085 =
Eisen 0,0052 =
Nickel 0,0071 =
Kohlensäure, Sauerst. 0,3732 =

und die Bronze in 100 Theilen aus:

Kupfer 87,47 %
Zinn 11,24 =
Blei 0,52 =
Eisen 0,32 =
Nickel 0,45 =

3. (Nr. 127.) Handring aus dem Kegelgrabe von Dabel Nr. 2. Ver. Kat. Nr. 3287. Die Ringbruchstücke waren so sehr aufgebläht und geborsten, daß deren Form nicht mehr erkannt werden konnte. Durch Behandlung mit Säure konnte ein Kern von Metall so weit gereinigt werden, daß er zur Analyse zu gebrauchen war, aber auch dieser metallische Theil war ganz körnig, kristallinisch und äußerst spröde. 1,373 Gr. ergaben bei der Analyse folgende Bestandtheile:

Kupfer 87,56 %
Zinn 11,91 =
Eisen 0,25 =
Nickel 0,28 =

II. Bronze der Bronzezeit.

2. 3. 4. (126. 127. 128.) Bronzen aus den Kegelgräbern von Dabel Nr. 1 und 2. Die beiden großen Kegelgräber der Bronzezeit von Dabel, deren wissenschaftliche Aufdeckung in den Jahrb. XXII, S. 279 und XXIII, S. 279 flgd. beschrieben ist, gehören zu den Kegelgräbern erster Classe in Meklenburg; sie hatten eine Axenhöhe von 9 bis 12 Fuß und standen nahe bei einander. Diese Gräber gehören sicher zu den ältesten Gräbern der Bronzezeit im Lande. Alle Bronzen sind sehr tief oxydirt, aufgeblähet und gespalten, mitunter von tiefblauem Oxyd bedeckt; die Formen der Geräte sind noch etwas derbe und unentwickelt; in beiden Gräbern lagen noch Pfeilspitzen aus Feuerstein, welche sonst in keinem Bronzegrabe Meklenburgs beobachtet sind; die Heldenleiche mit dem Bronzeschwerte war nicht verbrannt; andere Leichen in diesen Familiengräbern waren verbrannt. Jedoch fand sich in

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4. (Nr. 128.) Gewundener Kopfring aus dem Kegelgrabe von Dabel Nr. 2 (mit 2 steinernen Pfeilspitzen). Ver. Kat. Nr. 3290. Die Ringfragmente waren ganz geborsten und tief oxydirt, so daß der größte Theil weggelöst werden mußte, um reines Metall zu erhalten. 2,242 Gr. fanden sich zusammengesetzt aus:

Kupfer 91,35 %
Zinn 8,52 =
Eisen 0,06 =
Nickel 0,07 =

5. (Nr. 130.) Handberge aus dem Kegelgrabe von Pisede. Ver. Kat. Nr. 3187. Bruchstück eines Ringes von 16 Millim. Breite und etwa 4 Millim. Dicke. Die eine Seite zeigt unter einem dünnen graugrünen Ueberzuge eingegrabene Linien und Striche; die andere Seite ist mit einer dicken


dem einen Grabe schon ein goldener Fingerring. Wir haben hier also ohne Zweifel Gräber der ältesten, aber schon vollständigen Bronzezeit. In der Beschaffenheit der Bronzen kann ich aber mit v. Fellenberg im Allgemeinen keine "eigenthümliche Abweichung von den in Seen und Flüssen gefundenen Bronzen der schweizerische Pfahlbauten" erkennen. Die "Aufgeblähtheit" der Dabelschen und anderer Bronzen liegt nicht darin, daß sie tief in Kegelgräbern gefunden sind, sondern darin, daß diese Bronzen so sehr alt sind. Es giebt viele Tausende von Bronzen mit edlem Roste aus Kegelgräbern, welche vollkommen wohl erhalten und durchaus nicht aufgebläht und rissig sind, sondern alle Verzierungen noch in der größten Vollkommenheit und Reinheit zeigen. Aber es scheint eine weit rückwärts liegende Zeit zu geben, für welche auch selbst der edle Rost die Bronzen nicht vor dem gänzlichen Zerfallen schützt.

Nr. 2 (126.) Das Schwert, mit Bronzegriff, ist tief gerostet und gespalten, und gleicht ganz den Schwertern aus gleich großen und mutmaßlich gleich alten Kegelgräbern; es ist dem Leichenbrande nicht ausgesetzt gewesen.

Nr. 3 (127.) Der Handring ist voll gegossen, sehr dick und schwer und mit Gruppen von Queerlinien verziert, zersprengt, grade gebogen und aufgeblähet und gespalten; ist im Leichenbrande gewesen.

Nr. 4 (128.) Der Kopfring ist gewunden, nicht dick, tief gerostet und in Stücke zerbrochen und zersprengt, vielleicht durch Leichenbrand.

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buckeligen Decke von Grünspan überdeckt, welche keine Verzierungen wahrnehmen läßt. Das Metall ist dehnbar und biegsam. Ein abgesägtes Stück, welches nach der Reinigung 1,889 Gr. wog, bestand aus folgenden Elementen:

Kupfer 88,71 %
Zinn 10,62 =
Eisen 0,11 =
Nickel 0,56 =

6. (Nr. 134.) Getriebenes Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Ruchow (mit zwei Frauenskeletten). Die Fragmente waren so gänzlich oxydirt, daß kein reines Metall hergestellt werden konnte. Die Analyse von 2,0 Gr. Bruchstücken ergab:

Kupfer 1,365 Gr.
Zinn 0,245 =
Eisen 0,008 =
Kohlensäure, Sauerst. 0,382 =

und die Bronze besteht in Procenten aus:

Kupfer 84,36 %
Zinn 15,14 =
Eisen 0,50 =

5. (130.) Handberge aus dem Kegelgrabe von Pisede. Dieses Familiengrab stand auf einem kleinen Begräbnißplatze, in dessen Ring auch ein Grab der Steinperiode hineingezogen war; vgl. Jahrb. XXI, S. 234 flgd. Die Bronzen dieses Begräbnisses haben einen sehr tiefen, dunklen, edlen Rost, der an einigen Stücken in's Bläuliche spielt. Die Handberge ist durch Leichenbrand in viele Stücke zersprengt. Andere Bronzen dieses Begräbnisses sind nicht vom Leichenbrande ergriffen gewesen. Alle Bronzen dieses Begräbnisses sind jedenfalls sehr alt.

6. (134.) Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Ruchow. Dieses Grab von Ruchow ist wohl das größte Kegelgrab, welches bisher in Norddeutschland aufgegraben ist, (vgl. Jahresber. V, S. 30 flgd.) und hat eine sehr große Menge von Alterthümern geliefert. Es war ein Familiengrab. In der Mitte lag eine unverbrannte Heldenleiche mit dem Schwerte. Zur Linken derselben lagen zwei verbrannte Leichen nach den Alterthümern zu schließen, weibliche; die Geräthe, welche bei diesen gefunden wurden, sind nicht dem Leichen=

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7. (81.) Wagenbecken von Peccatel. Ver. Kat. Nr. 1146. Im Jahre 1843 wurde in Peccatel, eine Meile südlich von Schwerin, bei Abtragung eines Kegelgrabes ein merkwürdiges Geräthe gefunden, welches einen kleinen bronzenen, vierrädrigen, eine bronzene Vase tragenden Wagen vorstellt und in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte IX, S. 372 beschrieben und seither nach gehöriger Zusammenfügung der durch Bruch getrennten Theile restaurirt und abgebildet worden ist. Die zur Analyse verwendete Probe stammt von der Vase her. Es waren dünn getriebene Bleche, auf beiden Seiten mit einer rauhen Kruste von Grünspan bedeckt. Durch Reinigen mit Säure und Blankputzen kam eine sehr schöne goldähnliche Farbe zum Vorschein. Zur Analyse wurden verwendet 1,997 Gr.; sie ergab:

Kupfer 87,20 %
Zinn 12,75 =
Eisen 0,05 =

Von andern metallischen Bestandtheilen konnte nichts aufgefunden werden.

8. (Nr. 123.) Kopfring aus dem Kegelgrabe von Peccatel Nr. 1 (mit dem Kesselwagen). Ver. Kat. Nr. 1162. Kommt aus dem gleichen Grabe, in welchem sich Nr. 81 befand. Stäbchen von rundlichem Querschnitt von 5 bis 6 Millim. Durchmesser und etwa 1 Zoll Länge, mit einer dicken Kruste von Grünspan bedeckt. Ein Abschnitt von 2,38 Gr. ergab bei der Analyse:


brande ausgesetzt gewesen. Bei den verschiedenen Leichen dieses Familiengrabes wurden 5 goldene Fingerringe gefunden. Bei der einen verbrannten weiblichen Leiche lag das hier analysirte, aus Bronze dünne gehämmerte Gefäß, welches schon sehr zerbrochen ist. Alle Bronzen sind sehr alt und tief gerostet, das Schwert ist schon aufgeblähet und verwittert. Das Bronzegefäß zeigt keinen Nickelgehalt, merkwürdiger Weise eben so das folgende gehämmerte Gefäß von Peccatel.

7. 8. 9. 10. (81. 123. 124. 125.) Bronzen aus den Kegelgräbern von Peccatel Nr. 1 und 2. Diese beiden Kegelgräber mittlerer Größe lagen dicht neben einander und gehören zu den merkwürdigsten, welche je aufgegraben sind. In beiden fanden sich viele Alterthümer der ausgebildeten, mittlern Zeit der Bronzeperiode, in dem Grabe Nr. 1 auch ein gewundener massiver Armring von Gold.

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Kupfer 86,47 %
Zinn 12,78 =
Blei 0,20 =
Eisen 0,12 =
Nickel 0,43 =

9. (Nr. 124.) Gewundener Halsring aus dem Kegelgrabe von Peccatel Nr. 2 (mit dem Opferaltar). Ver. Kat. Nr. 2249. Der Ring von 9 Millim. Durchmesser ist mit einem vierfachen, links gewundenen Gewinde von 10 Millim. Steigung verziert. Nach Entfernung der ziemlich dicken Grünspankruste zeigte sich die Oberfläche des Metalles körnig krystallinisch und das Gewinde bröckelte leicht aus. 1,349 Gr. ergab folgende Zusammensetzung:

Kupfer 87,47 %
Zinn 11,89 =
Eisen 0,15 =
Nickel 0,49 =

10. (Nr. 125.) Handberge aus dem Kegelgrabe von Peccatel Nr. 2 (mit dem Opferaltar). Ver. Kat. Nr. 2242. Bruchstück eines in großen Spiralen gewundenen


Das Grab Nr. 1, welches in Jahrb. IX, S. 369 flgd. beschrieben ist, enthielt sehr viele Bronzealterthümer, von denen die merkwürdigsten auf der lithographischen Tafel zu den Jahrb. abgebildet sind. Das allermerkwürdigste Alterthum war

7. (81.) Das Wagenbecken oder der Kesselwagen von Bronze, d. h. ein kleiner, fahrbarer Wagen, auf welchem eine große Bronzevase oder ein Kessel befestigt ist. Dieser Kesselwagen ist seitdem häufig behandelt, zuletzt und ausführlich in Jahrb. XXV, S. 215 flgd. mit einer vollständigen Abbildung dieses merkwürdigen Geräthes. Die vorstehende Analyse behandelt ein Bruchstück der auf dem Wagen stehenden Vase, welche merkwürdiger Weise ebenfalls keinen Nickelgehalt zeigt, wie die voraufgehende gehämmerte Schale aus dem vielleicht gleichzeitigen Grabe von Ruchow von ähnlicher Beschaffenheit.

8. (123.) Der Kopfring aus dem Grabe Nr. 1 ist voll gegossen, gewunden, stark gerostet, in Stücke zersprengt und von gewöhnlicher mittlerer Dicke.

Das Grab Nr. 2, welches durch seinen innern Bau sehr merkwürdig ist, stand ganz nahe bei dem Grabe Nr. 1 und ist in Jahrb. XI, S. 366 flgd. beschrieben und abgebildet. Es

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Ringes von ovalem Querschnitte von 5 und 6 Millim. Durchmesser. Die eine Hälfte der Oberfläche ist glatt, die andere gereift, mit einem dünnen Ueberzuge von Grünspan bedeckt; ein Ende ist im ursprünglichen, das andere in dem oben erwähnten, stark aufgeblähten Zustande mit geborstener Oberfläche und bis tief hinein oxydirt. Ein vom gesunden Ende abgesägtes, blank gebeiztes Stück von 2,442 Gr. zeigte folgende Zusammensetzung:

Kupfer 88,37 %
Zinn 11,15 =
Eisen 0,11 =
Nickel 0,37 =

11. (Nr. 129.) Armring aus dem Kegelgrabe von Lehsen. Ver. Kat. Nr. 857 b. Ein Endstück eines offenen Ringes von ovalem Querschnitt von 6 bis 8 Millim. Durchmesser. Die innere Wölbung glatt und glänzend, die äußere mit verschiedenen Linien und Kerbungen verziert, die Grünspanschicht glänzend grün. 2,227 Gr. blank geätzter Bronze enthielten:

Kupfer 87,71 %
Zinn 11,89 =
Eisen 0,14 =
Nickel 0,26 =

enthielt einen Opferaltar, einen großen thönernen Kessel, eine thönerne Wanne mit einer geopferten Leiche und viele Bronzealterthümer, auch viele Bernsteinknöpfe. Die Bronzen dieses Grabes waren durch Leichenbrand zersprengt und tief gerostet.

9. (124.) Der Halsring aus diesem Grabe ist voll gegossen, gewunden und tief gerostet, und dem Kopfringe Nr. 8 (123) aus dem Grabe Nr. 1 gleich.

10). (125.) Die Handberge aus demselben Grabe ist von der gewöhnlichen, oft vorkommenden Beschaffenheit, ganz zerbrochen und gesprengt und tief gerostet.


Die bisher aufgeführten analysirten Bronzen stammen aus den ältesten, größten und merkwürdigsten Kegelgräbern der Bronzezeit in Meklenburg und stimmen in der Zusammensetzung der Metalle auf eine merkwürdige Weise überein.


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12. (Nr. 131.) Schmuckkästchen mit Deckel aus dem Kegelgrabe von Sandkrug. Ver. Kat. Nr. 3035. Ein dünn gegossenes Stück einer Dose von etwa 1 1/2 Millim. Dicke, ziemlich stark oxydirt, zum Theil aufgeborsten. 2,014 Gr. ergaben bei der Analyse:

Kupfer 86,52 %
Zinn 12,96 =
Eisen 0,17 =
Nickel 0,35 =

13. (Nr. 132.) Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Weisin. Ver. .Kat. Nr. 2204. Fragmente sehr dünn getriebenen Bleches, sehr stark von Grünspan zerfressen. Beim Blankätzen wurden papierdünne Blätter von röthlicher Bronze erhalten, welche 1,649 Gr. wogen und zusammengesetzt waren aus:

Kupfer 87,79 %
Zinn 10,15 =
Blei 1,57 =
Eisen 0,21 =
Nickel 0,28 =

11. (129.) Armring aus dem Kegelgrabe von Lehsen. Das Grab war ein Kegelgrab mittlerer Größe und enthielt nur Bronzeringe von geschmackvollen Formen in großer Zahl. Vgl. Jahrb. VII, S. 23. Alle Arm= und Handringe sind voll gegossen, mit ovalem Durchschnitt, im Erze vom Rost noch gar nicht angegriffen, sondern durchaus fest, auf der Außenfläche reich mit vertieften Linien verziert, mit leichtem, schönem, hellem, apfelgrünem edlen Rost ganz bedeckt, so daß der Rost selbst die Verzierungen noch nicht angegriffen hat. Das Grab gehört also der ausgebildeten, mittlern Bronzezeit an, nicht mehr der ältesten, aber auch noch nicht der jüngsten Zeit. Daher stimmt die Legirung der Bronze auch noch zu der der ältesten Bronzen.

12. (131.) Schmuckdose aus dem Kegelgrabe von Sandkrug Nr. 5. Die Kegelgräber von Sandkrug, welche in Jahrb. XIX, S. 310 beschrieben sind, waren nur gewöhnliche, kleine Gräber, welche ohne Zweifel zu den jüngeren gehören. Die Bronzen sind schon dünner und ängstlicher gearbeitet, der Rost matt. In dem Grabe Nr. 5 ward eine kleine, zierliche und sauber gearbeitete Schmuckdose und ein

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14. (Nr. 136.) Armring von heller Bronze aus dem Begräbnisse von Ludwigslust. Ver. Kat. Nr. 304. Bruchstücke eines gegossenen Ringes von etwa 2/3 Millim. Dicke, 17 Millim. Breite und 30 Länge, mit einem sehr dünnen grünlichen Anfluge von Grünspan bedeckt, der der Wirkung der Säure schnell wich und das Metall blank erschienen ließ. Die convexe Wölbung war polirt, die concave gußroh; Farbe gelblich=roth, das Metall brüchig, unter dem Hammer zerspringend. 1,291 Gr. ergaben bei der Analyse:

Kupfer 84,79 %
Zinn 10,72 =
Blei 3,60 =
Eisen 0,16 =
Nickel 0,67 =
Silber 0,06 =

15. (Nr. 138.) Bronzeheftelbügel aus dem Eisengrabe von Wotenitz. Großhzgl. Kat. Nr. 93. Halbgeschmolzene Bestandtheile einer Heftel mit einem grau=grünen


Armring gefunden. Die Bronzen, obgleich sie der Oberfläche des Grabes nahe lagen, sind sehr leicht und an einigen Stellen noch gar nicht gerostet. Jedoch ist die Erzmischung noch die alte, wenn auch der Zinngehalt groß ist.

13. (132.) Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Weisin. Das Kegelgrab Nr. 4 von Weisin, welches in Jahrb. XI, S. 383 beschrieben ist, gehört sicher zu den jüngsten Gräbern der Bronzezeit oder in den Uebergang zur Eisenzeit; Kegelgräber dieser Art sind sehr selten in Meklenburg beobachtet, da die Urnen der Eisenzeit immer in den natürlichen, flachen Erdboden vergraben sind und keinen Hügel über sich haben. Das Grab enthielt zwei kleine Bronzegefäße von der Größe und Form von Tassen. Diese Gefäße sind äußerst dünne und blechartig gehämmert und beschnitten, in den Formen steif und unschön, und sehr leicht gerostet; die Bronze ist hell. Neben denselben soll eine eiserne Sichel gefunden sein, welche sehr festen, hellen Rost hat, im Gegensatze jüngerer eiserner Geräthe, denen der Rost gewöhnlich sehr leicht aufzuliegen pflegt. Zu dem sehr jungen Alter wird denn auch die Erzmischung stimmen, welche auch Blei zeigt, welches in den jungen, hellen Bronzen von Ludwigslust (vgl. unten Nr. 14) viel gefunden wird.

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Ueberzüge von Grünspan bedeckt; nach dem Wegätzen dieses letztern zeigte das Metall schöne Bronzefarbe und eine löcherig poröse Oberfläche; unter dem Hammer wurde es bald rissig und zerbarst. 2,224 Gr. zeigten folgende Zusammensetzung:

Kupfer 85,10 %
Zinn 14,32 =
Blei 0,09 =
Eisen 0,16 =
Nickel 0,32 =
Silber 0,01 =

III. Bronze der Eisenzeit.

Mit dem häufigen Erscheinen des Eisens wird die Legirung der Metalle plötzlich eine andere; zugleich verschwinden die auf den natürlichen Erdboden aufgeworfenen Grabhügel und die Todtenurnen erscheinen in die flache Erde (1 bis 2 Fuß tief) eingegraben.

14. (136.) Armring von Ludwigslust. In den allernächsten Umgebungen von Ludwigslust sind in dem dort weit verbreiteten losen Sande oft viele Urnen mit Alterthümern ausgegraben, welche dem Anfange der Eisenzeit angehören; bronzene Geräthe sind noch vorherrschend, aber die Bronze ist von matter Farbe und der Rost nur leicht und oft gar nicht vorhanden; daneben kommt schon häufig Eisen vor. Vgl. Frid. Franc. Erl. S. 63 flgd. Merkwürdig ist der im Jahresber. II, S. 44 flgd. beschriebene Fund, welcher eine Menge den Handringen und Beschlagringen enthielt. Alle bestehen aus einer hellen, weißlichen Bronze und sind nur wenig und leicht oder auch gar nicht oxydirt. Die Handringe sind dünne und hohl gegossen und nach innen offen. Viele Handringe sind zerbrochen; aber die zusammen passenden Bruchstücke haben an den Bruchenden gegenüberstehende Bohrlöcher, um die Bruchstücke zusammenzubinden, eine ärmliche Erscheinung, welche nur einige Male bei Geräthen derselben Art wahrgenommen ist. Schon v. Santen hat in Jahrb. IX, S. 341 zwei von diesen Ringen analysirt und in einem Beschlagringe eine Mischung von 83,6 Kupfer, 10,8 Zinn und 5,6 Blei und in einem Armringe 89,44 Kupfer, 6,32 Zinn und 4,24 Blei gefunden. Auch v. Fellenberg hat ähnlichen Kupfer= und Zinngehalt, aber auch viel Blei und wenig Silber gefunden. Es tritt hier schon silberhaltiges Blei auf.

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16. (Nr. 140.) Spiralheftelfeder aus dem Eisengrabe von Camin. Ver. Kat. Nr. 145. Nach Weglösen der Kruste von Grünspan war das Metall schön gelb, von körniger kristallinischer Oberfläche. Als versucht wurde, die Spirale aufzurollen, zerbrach sie in kleine Stücke und hatte also total ihre Geschmeidigkeit verloren. 1,272 Gr. ergaben bei der Analyse folgende Resultate:

Kupfer 80,30 %
Zinn 2,85 =
Blei 0,16 =
Eisen 0,38 =
Zink 16,31 =

15. (138.) Heftel von Wotenitz. Der in Jahrb. XXV, S. 252 flgd. beschriebene Begräbnißplatz von Wotenitz gehört sicher den Begräbnißplätzen der Eisenzeit oder den "Wendenkirchhöfen" an. Die Eisenzeit scheint sich im nordöstlichen Deutschland in zwei Perioden zu spalten. Wenn die Alterthümer dem Ansehen nach ein höheres Alter haben, so sind die thönernen Urnen, welche gewöhnlich von Rauch tief geschwärzt und glänzend geglättet sind, mit mäander= oder "hammerförmigen" Verzierungen geschmückt, deren Linien aus kleinen Vierecken bestehen und durch ein laufendes gezahntes Rad gebildet sind (vgl. Abbildungen Jahrb. XXV, S. 253 und XXVI. S. 161 flgd). Ich halte die Begräbnißstellen mit diesen Urnen für Gräber der ersten Eisenzeit in Norddeutschland (vgl. Jahrb. XXVI, S. 161 flgd). In einer so verzierten Urne des Begräbnißplatzes von Wotenitz, welcher schon sehr reich an Eisen war, und schon weißes und hellblaues Glas zeigte, fanden sich nicht allein viele silberne Nadeln von offenbar fremder Arbeit, sondern auch eine sehr fein und kunstreich gearbeitete goldene Kette mit Bommel (vgl. Jahrb. a. a. O.), welche wohl dem 2. oder 3. Jahrh. n. Chr. und Italien zuzuschreiben ist. Analysirt ward aus dieser Begräbnißstätte ein Bügel von einer Heftel, wie sie in Jahrb. XXV, S. 254 abgebildet ist. Die Analyse ergab neben dem Kupfer viel Zinn und schon ein Weniges von Blei und Silber.

16. (140.) Heftel von Camin. Der große und reiche Begräbnißplatz von Camin, der erste, welcher in Meklenburg wissenschaftlich aufgedeckt und im Jahresber. II, S. 53 beschrieben ist zeigte in großer Zahl dieselben, mit den mäanderförmigen Punctlinien verzierten Urnen, viel Eisen, noch zahl=

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17. (Nr. 137.) Bronzene Hefteln aus einem Eisenbegräbniß von Hagenow. Großhzgl. Kat. L. II. A. 2. b. Nr. 34. Sieben verschiedene Bruchstücke von Hefteln, theils Spiralfedern, theils Bügel; einer der letztern halb geschmolzen; mit einer graulich grünen Haut von Grünspan überzogen, aber ohne eiserne Bestandtheile. 2,215 Gr. gereinigten Metalles fand sich zusammengesetzt aus:

Kupfer 88,37 %
Zinn 1,46 =
Blei 0,31 =
Eisen 0,19 =
Zink 9,60 =
Silber 0,07 =

18. (Nr. 139.) Hefteln aus dem Eisengrabe von Pritzier. Ver. Kat. Nr. 1010. Halb geschmolzene und zusammen geflossene Theile von Hefteln, mit einer grün=schwarzen Oxydkruste bedeckt. Nach wiederholtem Behandeln mit Salpetersäure und Ammoniak konnte das Metall blank erhalten werden; es zeigte eine krystallinische Oberfläche, körnigen Bruch und zerbrach sehr leicht. Zur Analyse wurden 1,272 Gr. verwendet und ergaben:


reiche Bronzen und schon etwas Silber. Der Begräbnißplatz wird auch der ersten Eisenzeit zuzuschreiben sein. Die Analyse ergab sehr wenig Zinn, dagegen einen großen Zinkgehalt: es ist also der römische Einfluß wohl unverkennbar. v. Santen fand in einer Heftel von Camin 88,15 Kupfer und 11,85 Zinn.

Die Legirung der Metalle in der Eisenzeit ist viel schwankender, als in der Bronzezeit.

17. (137.) Hefteln von Hagenow. Im Amte Hagenow, unbestimmt bei welchem Dorfe, wurden 9 zerbrochene, bronzene Hefteln von der beschriebenen Art gefunden (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 97), welche ohne Zweifel der Eisenzeit angehören. Die Analyse ergab wieder wenig Zinn und viel Zink. Bei Hagenow sind die vielen und schönen römischen Alterthümer gefunden, welche in Jahresber. VIII, S. 38 flgd. beschrieben sind.

18. (139.) Hefteln von Pritzier. Der große Begräbnißplatz von Pritzier, welcher in Jahrb. VIII, S. 58 flgd.

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Kupfer 93,54 %
Zinn 5,56 =
Blei 0,56 =
Eisen 0,22 =
Nickel 0,12 =

19. (Nr. 135.) Gold aus der Bronzezeit von Röknitz. Großhzgl. Kat. L. II. T. 4 Nr. 1 b/c. Es war ein Dräthchen, 20 Millim. lang, 1 Millim. dick, von hellgelber Farbe. Behufs der Analyse wurde es dünn ausgewalzt und in Totalität verbraucht. Es wog 0,2865 Gr. und war zusammengesetzt aus:


beschrieben ist, wird der jüngern oder zweiten Bronzezeit angehören. Er enthält vorherrschend Eisen, aber auch noch viel Bronzen, jedoch von modernen Formen, daneben Silber und sehr viel dunkelfarbiges und mosaikartig zusammengesetztes Glas; den Urnen fehlen die schönen Formen und die mäanderförmigen Verzierungen aus Punctlinien. Die Bronzen sind hell und enthalten wenig Zinn, jedoch kein Silber und Zink. Auch v. Santen hat eine solche Heftel (Jahrb. IX, S. 343) analysirt und nur 97,32 Kupfer, 1,96 Zinn und 0,72 Blei darin gefunden.

IV. Gold der Bronzezeit.

19. (135.) Goldene Ringe von Röknitz. Zu Röknitz bei Dargun wurden unter einem großen Steine, zwei große spiralförmige Ringe aus Golddrath gefunden, welche 3 1/2 Zoll lang und 1 1/4 Zoll weit sind und wahrscheinlich zum weiblichen Haarschmuck gedient haben, um Haarflechten durchzuziehen (vgl. Jahrb. XV, S. 269). Nach der Form gehören diese Ringe ohne Zweifel der Bronzezeit an. Die Mischung des Ringes, welches v. Fellenberg analysirt hat, stimmt ziemlich zu den Mischungen der Goldringe aus Kegelgräbern, von welchen v. Santen Jahrb. IX, S. 335 flgd. Analysen giebt. Das Gold enthält viel Silber. Jedoch hat v. Fellenberg auch Platin in dem Golde gefunden, welches v. Santen in den von ihm analysirten Ringen noch nicht fand. Santen sagt in Jahrb. IX, S. 336, daß er von einem Spiralfingerring von doppeltem Golddrath aus dem Kegelgrabe von Ruchow (vgl. oben Nr. 6) "die concentrirte Goldlösung auf "Platin, so wie auf die Gegenwart eines andern Metalles

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Gold 0,2420 Gr. 84,56 %
Silber 0,0406 = 14,17 =
Platin 0,0026 = 0,92 =


0,2852 Gr. 99,65 %

nebst Spuren von Kupfer, die jedenfalls weniger als 1/2 % betragen haben.


geprüft, aber von allen keine Spur entdeckt" habe. Herr v. Fellenberg äußert nun brieflich, "daß die Anregung des Herrn d. Santen ihn bewogen habe, im Golddräthchen auf Platin zu fahnden, und er ohne jene Anregung eher alle andern Metalle als Platin gesucht und dieses nicht gefunden haben würde".

V. Glas der Bronzezeit.

20. Glasperlen aus dem Kegelgrabe von Lehsen. Im J. 1838 ward zu Lehsen bei Wittenburg ein großes Kegelgrab der Bronzeperiode geöffnet, welches 9 Fuß Höhe und 88 Fuß Durchmesser hatte. In dem Erdhügel standen neben einander zwei Steinhaufen, jeder über 30 Fuß lang, 16 Fuß breit und 7 Fuß hoch (vgl. Jahresber. IV, S. 27). Vor den Steinhaufen fanden sich in dem Erdhügel Kohlen, Asche und Urnenscherben. Unter den Steinhaufen lag in kleine Steine und Sand verpackt neben Spuren von verwitterten Knochen und vermodertem Holz unter jedem Steinhaufen ein Spiralfingerring von doppeltem Golddrath, wie die Abbildung in Jahrb. IX, S. 336 zeigt und die goldenen Fingerringe in den Kegelgräbern der Bronzeperiode gewöhnlich und häufig sind; der eine Fingerring war weit und an beiden Enden geschlossen, der andere war eng und an einem Ende aufgeschnitten. Ohne Zweifel waren hier Mann und Frau neben einander ohne Leichenbrand beigesetzt, und die Fingerringe sind "Trauringe"; der Mann starb wohl früher als die Frau, welche ihren Ring zum Zeichen der Auflösung der Ehe an dem einen Ende öffnete: aufgeschnittene Doppelspiralfingerringe kommen öfter vor.

Neben dem engen Fingerringe (der Frau) wurden Glasperlen gefunden; es wurden 9 vollständige und Bruchstücke von mehreren gesammelt. Diese Glasperlen sind ganz klein, rund, durchbohrt, glänzend und durchscheinend und von grünlich hellblauer oder meerblauer (caeruleus) Farbe.

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Im J. 1844 ward zu Peccatel bei Penzlin ein ähnliches, aber größeres Kegelgrab, von 25 Fuß Höhe und 120 Fuß Durchmesser, geöffnet, welches gleiche Erscheinungen zeigte. (Jahrb. X, S. 274 flgd.) Auch hier fanden sich meerblaue Glasperlen und Fingerringe von Golddrath. Aber die Leichen waren verbrannt und daher die Golddräthe und die Glasperlen zerschmolzen und zusammengeschmolzen, und nur in geringern Bruchstücken vorhanden. Dagegen fanden sich in diesem Grabe viele Bronzen, welche freilich auch durch den Leichenbrand angegriffen waren, aber den Beweis gaben, daß sie der mittlern Bronzezeit angehörten.

Daher wird sich auch das Kegelgrab von Lehsen der mittlern Bronzezeit zuschreiben lassen.

Dieses meerblaue Glas, welches unter sicher verbürgten archäologischen Verhältnissen gefunden ist, ist nun von der allergrößten Wichtigkeit für die Erkenntniß der Vorzeit. Es ist ohne Zweifel das älteste Artefact im Norden, von dem man wohl mit Sicherheit sagen kann, daß es nicht im Norden angefertigt, sondern aus der Fremde eingeführt ist. Es mußte daher von Wichtigkeit sein, zu wissen, mit welchem Metall diese Glasperlen gefärbt seien, um beurteilen zu können, ob diese Färbung auch mit den übrigen Umständen der Forschung übereinstimme. Man kommt leicht zu der Ansicht, daß diese Glasperlen aus Phönizien stammen. Es ward bald nach der Auffindung mit einem Perlenbruchstück ein Versuch mit dem Lötrohre gemacht; das Glas gerieth vor dem Lötrohre in Fluß und eine zweimalige Schmelzung griff die Farbe durchaus nicht an. - Dieses Glas von dieser hellblauen Farbe ist in Meklenburg bisher nur in Kegelgräbern der Bronzeperiode beobachtet und kommt später gar nicht wieder. In den Gräbern der Eisenperiode kommen viele blaue Glasperlen vor, welche aber stets eine stark dunkelblaue Farbe haben. (In der großherzoglichen Sammlung zu Neu=Strelitz sind auch einige Glasperlen von derselben meerblauen Farbe, welche zu Glave in einem "Kegelgrabe" gefunden und nach Neu=Strelitz geschenkt sind. Sonst ist dieses Glas nicht weiter beobachtet).

Bei der Wichtigkeit der Sache übermittle ich daher dem Herrn d. Fellenberg die Hälfte einer zerbrochenen hellblauen Glasperle aus dem oben beschriebenen Kegelgrabe von Lehsen zur chemischen Analyse; mehr wegzugeben konnte ich mich bei der großen Seltenheit nicht entschließen. Der Herr v. Fellenberg hat nun auch dieses Bruchstück nachträglich analysirt und theilt Folgendes brieflich mit:

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"die kleine hellblaue Glasperle aus dem Kegelgrabe von Lehsen ist durch Kupferoxyd gefärbt

(und nicht durch Kobalt). Das Kupfer konnte unzweifelhaft durch Reduction mit Zinn nachgewiesen werden. Zu einer Analyse der Bestandtheile des Glases ist aber der Gegenstand viel zu klein, um brauchbare Resultate zu liefern".


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Uebersicht der Zusammensetzung verschiedener antiker Bronzen.
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c. Eisenzeit.

Begräbnißplatz von Bartelsdorf bei Rostock,

von

G. C. F. Lisch.


Erste Fortsetzung von Jahrb. XXVIII, S. 301.

Auf dem zur rostocker Kiesgrube benutzten merkwürdigen Begräbnißplatze von Bartelsdorf bei Rostock ist seit Septbr. 1862 weiter gearbeitet. Im Mai 1863 besuchte ich die Grube wieder, um die weitere Ausdehnung des Begräbnißplatzes zu beobachten und die dort noch gefundenen Altertümer zu retten. Die fernern Aufgrabungen bestätigen die in den Jahrb. XXVIII. S. 301 flgd. ausgesprochenen Ansichten 1 ). Nach den Berichten der beiden angestellten vorsorglichen Tagelöhner aus Riekdahl setzt sich der Begräbnißplatz für unverbrannte Leichen gegen Osten hin fort. Es wurden zu den früher aufgegrabenen 80 Leichen von Sept. 1862 bis Mai 1863 noch 54 Leichen aufgedeckt, so daß die Arbeiter bis Mitte Mai 1863 schon 134 unverbrannte Leichen beobachtet haben. Schädel ließen sich nach der Aussage der Arbeiter nicht retten.

Jedoch sind durch die Aufmerksamkeit der Arbeiter und die besondere Theilnahme des Herrn Kämmereibürgers Ladendorf die bei den unverbrannten Leichen gefundenen Alter=


1) Auf dem benachbarten Felde von Dierkow (dem alten Goderak), auf dem Dierkower Berge, hat man, nach dem Bericht des Herrn Pastors Flörke zu Toitenwinkel, beim Abgraben von Erde neben Urnen und Aschenschichten auch unverbrannte menschliche Gerippe gefunden.
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thümer gerettet und in die Sammlungen des Vereins gekommen. Unter diesen ist besonders ein Topf merkwürdig, welcher neben einer Leiche stand. Dieser vollständig erhaltene Topf ist aus röthlich gelbem Thon, mit Kies durchknetet, aus freier Hand geformt, etwas rauh auf der Oberfläche, unten auf dem Boden mit einer (schwer erkennbaren) erhabenen, kreuzförmigen Verzierung bezeichnet, von cylindrischer Form, am Rande mit vertieften Parallellinien verziert, nur 4 Zoll hoch und ungefähr eben so weit, ganz ähnlich dem hieneben und früher in Jahrb. XII, S. 437 abgebildeten Gefäße von Bobzin, welcher jedoch leichte Wellenverzierungen statt der Parallellinien am Rande hat. Dies ist unzweifelhaft ein Topf oder Krug zum häuslichen Gebrauche, welcher dem Todten statt eines andern Geräthes mitgegeben ist. Er ist an einer Seite leicht von Ruß geschwärzt. Dieser Topf, sicher keine Begräbnißurne, da eine solche immer größer und sorgfältiger gearbeitet ist, stammt ohne Zweifel aus der Zeit des Unterganges des Heidenthumes in Meklenburg, da auf allen zur Zeit Niklots zerstörten heidnischen Burgwällen Scherben von diesen kleinen, dünnen Krügen mit Parallellinien am Rande, neben denen mit wellenförmigen Verzierungen, in zahllosen Stücken gefunden worden. Der Topf wird sicher aus der Zeit 1160 - 1170 stammen; er stand am Rande des Begräbnißplatzes in einer der ersten Reihen der unverbrannten Leichen.

Es wurden ferner neben den Leichen noch gefunden:

5 eiserne Messer, von denen eines noch mit Resten des hölzernen Griffes und eines mit einer krumm gebogenen Oese am Griffende zum Anhängen;

1 eisernes Messer, welches ungewöhnlich reich gearbeitet ist. Der Griff ist mit rundem Knochen bekleidet, am Griffende sitzt ein Knopf von weißem Stein. Die Scheide der sehr dünnen Klinge ist von Leder, wovon noch ein Bruchstück vorhanden ist; die Enden der Scheide sind mit Bronzestreifen beschlagen gewesen, von denen der obere am Rande mit feinen Zickzacklinien gravirt ist.

Ferner ward gefunden:

1 eiserne große Gürtelspange, am breiten Ende mit großen Bronzenieten geheftet, am schmalen Ende zum Haken umgebogen, 2" breit am breiten Ende und 6" lang, mit vertieften Linien verziert, und

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1 eiserne kleine (Gürtel=)Spange, etwa 2 bis 3" lang, ganz wie die Spange in der Urne mit den zerbrannten Gebeinen (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 302).


Zweite Fortsetzung.

Da die fortgesetzten Arbeiten in der Kiesgrube dem Vernehmen nach noch immerfort Ausbeute an Alterthümern gaben, so besuchte ich am 13. Julii 1863 den Begräbnißplatz wieder und forschte sonst in Rostock, wodurch ich manche wertvolle Erfahrung gewann. Die Arbeiter waren hinter den von mir methodisch aufgedeckten Räumen ununterbrochen auf Leichen gestoßen, hatten aber aus Mangel an Einsicht und Zeit die Bestattungen nicht genau verfolgt, jedoch bei auffallenden Begräbnissen Beobachtungen angestellt und die Funde aufbewahrt.

Der Begräbnißraum mit den verbrannten heidnischen Leichen lag gegen Westen nach der Stadt Rostock hin und war in seiner größern mittlern Ausdehnung bei der Eröffnung der Kiesgrube zerstört. Ich fand aber an dem einen Ende des Begräbnißplatzes nach der Chaussee (Norden) hin noch 2 Urnen mit verbrannten Knochen (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 302). In der Nähe dieser letzten Urnen fand ich selbst am 13. Julii 1863 zwischen den ersten Reihen der unverbrannten Leichen noch eine verbrannte Leiche, welche ohne Urne nur in einer kleinen Grube im Sande gegen 2 Fuß tief vergraben und mit einem großen Steine unterhalb der Erdoberfläche bedeckt war.

Im Sommer 1863 fanden die Arbeiter am entgegengesetzten südlichen Seitenende des Brandkirchhofes nach dem Hofe Bartelsdorf hin noch Alterthümer aus der Brandzeit, welche sie aufbewahrten und mir überlieferten, nämlich:

eine große, grobkörnige, hellbraune Urne, etwas rauh im Aeußern, mit sehr vielen goldfarbigen Glimmerfünkchen durchsprengt, ohne Verzierungen, 12" hoch und weit, zum Theil zerbrochen, jedoch noch in einer Vorderansicht erhalten, mit den Gebeinen eines erwachsenen Menschen. In der Urne lag eine große, breite Gürtelspange aus Eisen mit eisernen Nieten.

Nicht weit davon fand sich noch

eine große, feinkörnige, dunkelbraune und schwärzliche Urne, ebenfalls etwas rauh im Aeußern, in der obern Hälfte zerbrochen, mit den Gebeinen eines erwachsenen Menschen, und in derselben

ein Messer aus Eisen.

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Auf dem Raume mit den unverbrannt begrabenen Leichen wurden andere beachtenswerthe Entdeckungen gemacht.

Die Arbeiter fanden immerfort unverbrannte Leichen und sammelten bei denselben noch

5 Sargnägel aus Eisen, welche alle sehr verbogen sind, so daß man auf eine große Unvollkommenheit der Geräthe, namentlich auf Unbekanntschaft mit Bohrwerkzeugen, und auf große Härte des Holzes schließen muß.

Bei einer unverbrannten Leiche fanden die Arbeiter

eine Perle aus weißem, weichem Stein.

Von Wichtigkeit war der Fund, welchen der Herr Dr. Ernst Kühl zu Rostock auf dem Begräbnißplatze machte und dem Verein überlieferte. Dieser fand

über den unverbrannten Gebeinen eines erwachsenen Menschen, welcher

ein Messer aus Eisen in lederner Scheide bei sich hatte,

die unverbrannten Gebeine eines jungen im Zahnwechseln stehenden Menschen, wahrscheinlich Mädchens, welches 2 gleiche bronzene Armringe bei sich hatte, von der Art wie schon früher dergleichen auf diesem Begräbnißplatze gefunden sind. Diese Armringe, ungefähr 2 3/4" im innern Durchmesser, sind von Bronzeblech und hohl, an den Enden offen und an einem Ende durch die Enden stumpf geschlossen, am andern Ende auf die Außenseite in einer doppelten Windung zurückgebogen, so daß die Enden nicht zum Ineinanderhaken gedient haben können. Dies sind also die charakteristischen Ringe aus dem Ende der Heidenzeit in den südbaltischen Ländern. Die Ringe von Bartelsdorf sind mit vertieft eingetriebenen Zickzacklinien und dazwischen stehenden durchgeschlagenen Puncten verziert. Der eine Ring ist dicker, als der andere, aber beide sind ähnlich verziert. Auf beiden sind Stücke von ziemlich feiner Leinewand angerostet. Wahrscheinlich dienten diese Ringe zum Schmuck des Oberarmes, da sie für den Unterarm eines ganz jungen Mädchens wohl zu weit sind und da ein Schlüsselbein und das Gaumenbein grünlich gefärbt sind, die Ringe also beim Zusammenfallen der verwesenden Leiche wohl nach dem Kopfende hin gesunken sind.


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Dritte Fortsetzung.

Als ich am 25. August 1863 in Rostock war, besuchte ich wieder den Begräbnißplatz zu Bartelsdorf, um den Fortschritt der Arbeit zu beobachten und die Erfahrungen der Arbeiter zu vernehmen.

Verbrannte Leichen in Urnen waren nicht mehr gefunden. Dagegen zeigten sich noch immerfort unverbrannte Leichen unter den früher beobachteten Verhältnissen; jedoch fanden sich Alterthümer immer seltener. Die Arbeiter, welche der Entdeckung der Leichen mit Theilnahme folgen und sich die Zahl merken, geben an, daß sie bis zum 25. Aug. 1863 schon 148 unverbrannte Leichen gefunden hätten.

Vom 13. Julii bis 25. Aug. 1863 hatten sie von den aufgegrabenen unverbrannten Leichen

3 Schädel gerettet, welche in die schweriner Sammlungen gekommen sind.

Von diesen 3 Schädeln haben 2 die Bildung der übrigen hier gefundenen, welche in die öffentlichen Sammlungen zu Schwerin und in Privatsammlungen in Rostock gekommen sind. Alle sind Langschädel von gewöhnlichen Formen, unter sich ähnlich und fast gleich, ohne auffallende hervorragende Theile, mit schmaler, nicht sehr hoher, etwas spitz nach oben auslaufender Stirn. Nur einer von den zuletzt gefundenen 3 Schädeln nähert sich mehr der runden Form; er ist kurz und in allen Theilen mehr aufgetrieben, namentlich ist der obere Theil der Stirn stark nach vorne gedrängt. Diese Form wird aber ohne Zweifel mehr in irgend einer Verbildung oder Krankheit, als in der Race liegen, um so mehr da die Stirnnath vom Scheitel bis zur Nasenwurzel nicht verwachsen ist, sondern oben eine vollständig ausgebildete Nath zeigt, obgleich der Mensch, dem der Schädel angehörte, vollständig ausgewachsen gewesen ist. Der Herr Medicinal=Rath, Leibarzt Dr. Mettenheimer zu Schwerin hat den Schädel untersucht und äußert sich über denselben also: "Den Schädel mit der offen gebliebenen Stirnnath habe ich angesehen. Die Nath ist nur auf der äußern Fläche des Schädels zu bemerken, auf der Innern nicht, wie überhaupt grade an diesem Schädel die Andeutungen der Näthe auf der innern Schädelfläche viel schwächer sind, als gewöhnlich. Der fragliche Schädel scheint, so viel sich nach dem Augenmaaß urtheilen läßt, sehr voluminös zu sein; die Knochen sind sehr dünne. Alle diese "Umstände, im Verein mit der starken Convexität des obern Theiles des Stirnbeins, sprechen dafür, daß das Gehirn im

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Allgemeinen sehr groß war und sehr stark entwickelte Stirnlappen hatte, oder aber dafür, daß in der Jugend ein mäßiger Grad von Hydrocephalus" (Wasserkopf) bestand, "welche die frühzeitige Schließung der Stirnnath auf= "hielt, einer regelmäßigen Weiterbildung der Schädelknochen "jedoch später nicht entgegentrat".

Bei dem einen Gerippe fand sich

ein eisernes Messer mit Holzgriff und bei einem andern

ein eisernes Messer, Bruchstück.

Bei einem Gerippe, von welchem keine Gebeine gerettet sind, fanden sich

zwei Perlen aus weißem, weichem Stein,

wie schon früher (vgl. S. 180) deren eine gefunden ist.


Vierte Fortsetzung.

Im Spätherbste 1863 wurden noch mehrere Gerippe bloß gelegt und einige Alterthümer gewonnen:

ein großer Schädel von einem bejahrten Menschen, mit stark abgeschliffenen Zähnen;

ein kleinerer Schädel eines jungen Menschen, mit vollständigen, zarten Zähnen und Unterarmknochen, welche von Bronzerost grün gefärbt sind;

eine eiserne Gürtelspange von ungewöhnlicher Größe und guter Arbeit, leider zerbrochen; sie ist wenigstens 9" lang und oben 3" breit gewesen. Auf der untern Seite sind viele Alterthümer fest angerostet: zwei kleine eiserne Ringe von beinahe 1" Durchmesser, wahrscheinlich zum Einhaken der Spange oder zum Anhängen an den Gürtel, kleine bronzene Spiralringe, ein eisernes Messer u. s. w.

Im Winter 18 63 / 64 bis zum Druck dieser Blätter haben die Erdarbeiten geruhet.


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Begräbnißplatz von Parchim.

Auf dem Stadtfelde von Parchim ward auf der ehemaligen Feldmark des untergegangenen Dorfes Bicher, nicht sehr weit von der "Dorfstätte", ein Begräbnißplatz entdeckt, welcher der Eisenzeit angehört. Die Urnen mit zerbrannten Menschengebeinen waren in den flachen Erdboden ohne Hügel eingegraben. Der Verein verdankt die Erhaltung und Einsendung dem Herrn Senator Beyer zu Parchim.

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Es wurden folgende Urnen entweder unversehrt, oder doch in solchem Zustande, daß sie wieder zusammengesetzt werden konnten, gerettet:

1) eine große hellbraune Urne, mit 2 kleinen Henkeln, mit einfachen graden Linien verziert, 8" hoch, 12" weit im Bauche und 9" im Rande; in dieser Urne fanden sich unter den übrig gebliebenen, noch nicht verschütteten zerbrannten menschlichen Gebeinen:

zwei Pferdezähne , Backenzähne, nach der Bestimmung des großherzogl. Ober=Roßarztes Viereck zu Schwerin, welcher zugleich erklärte, daß diese Zähne einem zwar schon ausgewachsenen, aber ungewöhnlich kleinen Pferde angehört haben müssen; diese Zähne sind wohl die ersten Ueberreste von Pferden, welche in Urnen der Eisenzeit aufgefunden sind;

2) eine große, hellbraune Urne, mit einfachen graden Linien verziert, 11" hoch, 10 1/2" weit im Bauche und 8" im Rande.

In dieser Urne fand sich unter den zerbrannten menschlichen Gebeinen ein Bruchstück von einem knöchernen Kamme.

In dieser größern Urne stand

3) eine kleine hellbraune Urne, am Bauchrande mit horizontalen Parallellinien und unter diesen mit herunterhangenden Bogen verziert, 4 1/2" hoch, 7" weit im Bauche und 6" weit im Rande.

Ohne Zweifel war diese Urne eine Kinderurne, und wir haben also hier auch in der Eisenperiode ein Beispiel von der Bestattung einer Mutter mit ihrem Kinde; vgl. unten S. 188.

4) eine große hellbraune Urne reich mit parallelen graden und Zickzack=Linien verziert, 6 1/2 hoch, 11" weit im Bauche und 9 1/2" weit im Rande; diese Urne ist der zum Jahresber. II. Lithogr. Taf. I, Fig. 1 abgebildeten, bei Malchin gefundenen Urne sehr ähnlich;

5) eine große. schwarze Urne, von derselben Form und Größe, wie die vorhergehende Nr. 4, mit einem großen Henkel, mit einfachen Linien verziert;

6) eine kleinere, hellbraune Urne, mit einfachen Linien verziert, 5" hoch, 8" weit im Bauche und 7" im Rande.

In den auf diesem Begräbnißplatze gefundenen Urnen, theils in den vorstehend beschriebenen, theils in den zerbrochenen, wurden folgende Alterthümer gefunden, von denen sich jedoch nicht sagen läßt, in welcher Urne sie gelegen haben:

7) eine Heftel aus Bronze und

8) eine Heftel aus Bronze, beide vollständig erhalten;

9) eine Heftel aus Bronze, zerbrochen;

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10) eine Heftel aus Bronze, Bruchstück;

11) eine Heftel aus Bronze, Bruchstück;

diese Hefteln sind alle sehr klein und fein gearbeitet;

12) eine Heftel aus Eisen, Bruchstück;

13) eine Heftel aus Eisen, Bruchstück;

14) eine Schnalle aus Eisen;

15) eine Gürtelspange aus Bronze;

16) ein Doppelknopf aus Bronze;

17) eine Nähnadel aus Bronze;

18) ein dünner cylindrischer Beschlag aus Bronze, 1 3/4" lang;

19) ein Messer aus Eisen, in der Klinge 4" lang, wohl erhalten;

20) ein Messer aus Eisen, in der Klinge 3" lang;

21) ein Messer aus Eisen, rückwärts gebogen, in der Klinge 3" lang;

22) ein Messer aus Eisen, Bruchstück;

23) ein sehr kleines Messer aus Eisen, vollständig erhalten, in der Klinge nur 1 1/4" lang; an der kleinen Griffzunge sind noch Reste des hölzernen Griffes zu erkennen; dieses ist wohl das kleinste Messer der heidnischen Zeit, welches bisher beobachtet ist;

24) eine Sichel aus Eisen, Bruchstück;

25) ein eiserner Messergriff (?), am Ende mit Bronze beschlagen;

26) Bruchstücke von mehrern eisernen Messern;

27) eine eiserne Stange mit einem gebogenen Ringe am Ende;

28) ein Kamm aus Knochen, Bruchstück, welches in der Urne Nr. 2 lag;

29) ein Schleifstein (?) aus grauem Thonstein, 3" lang, 1" breit, 5/8" dick, auf allen Flächen und auch auf den abgekanteten Ecken glatt geschliffen; es ist die Frage, ob dieser Stein zum Schleifen von Werkzeugen bestimmt gewesen ist, da sich nirgends eine Spur von einer Vertiefung findet.


Nach diesen Alterthümern zu urteilen, wird dieser Begräbnißplatz der jüngern heidnischen Periode angehören, also wirklich ein "Wendenkirchhof" 1 ) gewesen sein. Die Alter=


1)

Wenn Prof. Petersen in den neuesten Zeiten (Schlesw. Holst. Bericht XXIII, S. 9) sagt, daß "man wohl ein flaches Feld mit Urnen in größerer Zahl einen Wendenkirchhof genannt habe, diese Benennung aber einen Irrthum fortpflanze, dem entschieden

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thümer sind den bei Malchin gefundenen, im Jahresbericht II, 1837, S. 69 flgd. beschriebenen und dazu auf Lithogr. Taf. I abgebildeten völlig gleich und fallen mit diesen ohne Zweifel in dieselbe Zeit. Namentlich sind die Urnen, besonders Nr. 4, an Form, Verzierung und Farbe, der Kamm, die kleinen Hefteln den Malchinern fast ganz gleich. Eben so sind die zahlreichen Urnen aus dem Wendenkirchhofe von Pritzier (Jahrb. VIII, B, S. 58 flgd.) den Parchimschen Urnen gleich.


Wahrscheinlich waren in der Nähe des Begräbnißplatzes Wohnungen, denn es fanden sich daselbst

30) zwei Thürsteine, ungefähr kopfgroße Granitstücke, in denen an einer Seite auf der abgeglätteten Fläche ein rundes, nicht durchgehendes Loch eingeschliffen ist, in welchem sich der stehende Thürpfosten oder die Angel drehte.


Einige Ruthen von dem Begräbnißplatze mit den verbrannten Leichen entfernt ward

31) das Gerippe eines jungen Menschen gefunden, von welchem der Schädel, mit gesunden Zähnen, und die Beinknochen noch ziemlich erhalten sind. Wahrscheinlich wiederholt sich auch hier die zu Bartelsdorf bei Rostock beobachtete Sitte, in der ersten Zeit des Christenthums die Leichen neben dem Brandkirchhofe zu begraben; vgl. Jahrb. XXVIII. S. 301, und oben S. 177 flgd.


Sehr merkwürdig ist, daß sich auf dem Begräbnißplatze mit den Urnen, noch

32) ein breiter, voll gegossener, gravirter Armring aus Bronze, und


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widersprochen werden müsse, da sich solche Plätze in norddeutschen Gegenden finden, in denen nie Wenden gewohnt haben", so beruht dieser sein Widerspruch auch wohl nur auf einem Irrthume, da dieser noch im Munde des Volkes lebende Ausdruck von Forschern nur auf die ostelbischen Gegenden angewandt ist, in denen in der jüngern heidnischen Zeit bekanntlich nur Wenden gewohnt haben. Andere mögen dergleichen Plätze in andern Gegenden anders benennen. Allerdings sind nicht alle flachen Todtenfelder in Deutschland "Wendenkirchhöfe; aber in den ehemaligen Wendenländern sind solche Begräbnißplätze in der Nähe der Dörfer mit wendischen Namen, wann sie die Zeichen einer jüngern Zeit tragen, ohne Zweifel wendische Begräbnißplätze.

G. C. F. Lisch.

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33) ein runder, dünner Armring aus Bronze, beide zerbrochen und nicht mehr vollständig, mit edlem Roste bedeckt, fanden,

welche ohne allen Zweifel der Bronze=Periode angehören und daher den Beweis geben, daß hier schon lange vor der Eisenperiode ein Begräbniß war. Wir haben auf diesem Platze also Begräbnisse aus den verschiedensten Zeiten.


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Zweiter Wendenkirchhof von Neu=Wendorf,

von

G. C. F. Lisch.

In den Jahrbüchern XXVII, S. 181 ist ein Begräbnißplatz aus der Eisenzeit beschrieben, welcher auf dem Gute Neu=Wendorf bei Tessin entdeckt ist und an der Grenze des Gutes Dammerstorf liegt. Nach dieser Entdeckung ist auf diesem Gute ein anderer großer Begräbnißplatz aus der Eisenzeit entdeckt, welcher weit entfernt und fast entgegengesetzt von dem ersten an der Grenze des Gutes Reppelin liegt. Hier stehen in einer Sandscholle die Begräbnißurnen in großer Anzahl unter dem flachen Erdboden eingegraben, ohne äußere Merkmale, in kurzen Entfernungen neben einander. Der zu Neu=Wendorf weilende Oekonom Herr Carl Sibeth hat mit großer Sorgfalt und Ausdauer diesen Begräbnißplatz im J. 1861 aufgedeckt und beobachtet. Die zahlreichen Urnen stehen nicht tief unter der Erdoberfläche, bald im Sande, bald durch umhergestellte Steine geschützt; häufig sind sie mit einem großen Steine zugedeckt, oft liegt auf der Urne ein Stein, welcher kleiner ist als die Oeffnung der Urne; mitunter fehlen Steine ganz. Einige Male wurden auch zwei Urnen übereinander stehend gefunden. Die Urnen sind mit zerbrannten Knochen, Asche und Sand gefüllt. Alterthümer sind in keiner Urne gefunden. Sehr viele Urnen waren zerbrochen oder durch Pflanzenwurzeln zersprengt; andere zerfielen beim Ausgraben. Jedoch ist es dem Herrn Sibeth gelungen, noch 9 Urnen größtentheils unversehrt zu Tage zu fördern. Die Urnen sind theils schwärzlich, theils braun, und haben ganz den Charakter der Urnen der Eisenzeit; die meisten sind groß, schalenförmig, mit scharfem Bauchrande und weit geöffnet; die meisten sind ohne Verzierungen, nur einige haben leicht eingeritzte oder eingeschabte Verzierungen. Zwei kleinere Urnen haben einen kugeligen Bauch und einen hohen engen Hals

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und gleichen ganz den häuslichen Gefäßen, wie in Jahrb. XII, S. 348 eines abgebildet ist. Die alten Bewohner dieser Gegend scheinen sehr arm gewesen zu sein, weil sie zu der Beisetzung häusliche Töpfe statt der Begräbnißurnen genommen haben, welche letztern sich durch Gestalt, Verzierung und sorgfältigere Bereitung deutlich von jenen unterscheiden. Merkwürdiger Weise lag um eine hellbraune Urne mit zwei kleinen Henkeln ein vollständiges, unverbranntes, sehr mürbes menschliches Gerippe und in der Urne unverbrannte Menschengebeine, welche nach genauerer Besichtigung aus Stücken vom Beckenknochen und Schenkelhalse und aus Rückenwirbeln bestehen. Diese Erscheinung läßt sich wohl nicht anders erklären, als daß die Leiche in den letzten heidnischen Zeiten unverbrannt auf dem Begräbnißplatze und durch Zufall über einer Urne eingegraben ist und daß die Knochen bei der Verwesung der Leiche theils neben, theils in die Urne gefallen sind.

Im Laufe der Zeit hat der Herr Sibeth die Alterthümer dieses Begräbnißplatzes weiter verfolgt und im J. 1863 auf demselben noch drei eiserne Hefteln und einen kleinen eisernen Ring gefunden.

Der Gutsbesitzer Herr A. Schmidt auf Neu=Wendorf hat die Güte gehabt, sämmtliche Urnen und Alterthümer dem Vereine zu schenken.

G. C. F. Lisch.


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Begräbnißplatz von Kl. Schwiesow.

Nachtrag zu Jahrb. XIII, S. 380.

Bei Gelegenheit von Erdarbeiten an der Eisenbahn von Bützow nach Güstrow wurden im J. 1862 auf der Feldmark Kl. Schwiesow bei Bützow in der Böschung unmittelbar an der Bahn, an der Stelle, wo der Nebelfluß in geringer Entfernung fließt, nicht lief in der Erde zwei Urnen gefunden, deren jede mit einem Steine zugedeckt war. Der Herr Eisenbahn=Baumeister Ruge zu Schwerin hat die Güte gehabt, alle erhaltenen Ueberreste des Fundes dem Vereine zu überreichen.

Die eine Urne, von hellbraunem Thon, ist sehr groß, 10" hoch und eben so weit in der Bauchweite und annähernd cylindrisch gestaltet, sehr dickwandig, ohne Verzierungen. Die untere Hälfte der Außenseite ist noch rauh und nicht mit geschlämmtem Thon geebnet und nicht geglättet. Die Urne war ganz und fest mit zerbrannten, nicht sehr starken Knochen gefüllt, welche einer erwachsenen Person angehörten. In dieser

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großen Urne stand eine kleinere Urne von ähnlicher Beschaffenheit, jedoch ganz mit geschlämmtem Thon überzogen, ungefähr 7" hoch. In dieser Urne lagen die zerbrannten Knochen eines neu gebornen Kindes; die zarten Schädelbruchstücke, welche so stark sind wie dickes Papier, und zwei erhaltene kleine Rückenwirbel geben den sichern Beweis. Es ist hier also eine im Wochenbette mit ihrem Kinde gestorbene Mutter beigesetzt; es ist schon früher die Beobachtung gemacht, daß in solchen Fällen die Urne des Kindes in der Urne der Mutter steht: vgl. Jahrb. XXIV, S. 295, und oben S. 183. Die beiden Urnen, von denen sich die größere fast ganz hat wieder zusammensetzen lassen, sind zerbrochen und in den Rändern lückenhaft; wahrscheinlich hat sie in ihren obern Theilen der Ackerpflug oft gefaßt und zerbrochen und in den obern Theilen zerstört. Die Kinderurne lag in Bruchstücken mit den Kinderknochen in der Mitte der großen Urne und enthielt viel mehr losen Sand, als diese. Alterthümer wurden nicht gefunden, obgleich die Urne unangerührt mit allen Knochen nach Schwerin gebracht und hier ausgeräumt ist; es sind entweder keine Alterthümer vorhanden gewesen, oder sie sind, da sie obenauf gelegen haben werden, durch den Pflug beim Zerbrechen zerstreut.

Es ward nahe bei dieser Urne eine zweite Urne gefunden, welche jedoch völlig zerbrochen war und nicht gerettet werden konnte.

Diese Urnen gehören ohne Zweifel noch zu dem großen "Wendenkirchhofe von Schwiesow", welcher im J. 1847 bei der Anlage der Eisenbahn bei der schwiesowschen Ziegelei gefunden und durchschnitten ward; vgl. Jahrb. XIII, S. 380. Die Bestattungsweise und die Beschaffenheit der Urnen ward eben so beobachtet, wie sie jetzt gefunden ist. Im J. 1847 wurden hier 20 bis 30 Urnen in Scherben ausgegraben und ebenfalls keine Alterthümer gefunden, obgleich der Herr Seidel zu Bützow den Platz sorgfältig durchsuchte.

G. C. F. Lisch.


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Begräbnißplatz auf der Mooster bei Marnitz.

Auf der jetzt sogenannten "Mooster" bei Marnitz, der Feldmark eines untergegangenen Dorfes Damoster (vgl. Jahrb. XXV, S. 266) sind in einer Sandscholle in einem Haidemoor, welche den Begräbnißplatz dieses Dorfes bildete, schon früh und nach und nach im Laufe der Zeit viele Alterthümer aller

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Art aus der Eisenzeit gefunden; vgl. Frid. Franc. Erl. S. 97 fld. Der Herr Waterstradt, jetziger Förster zu Marnitz, welcher sich schon früher als Forstadministrator zu Gostorf durch die Rettung des wichtigen Fundes von Wotenitz Verdienste erworben hat, hat auch in Marnitz seine Aufmerksamkeit der Mooster zugewendet und mehrere Alterthümer aus der Eisenzeit eingesandt, welche auf der Mooster in einer Sandgrube gefunden sind, nämlich:

2 Hefteln aus Bronze, von der Form der Hefteln der Eisenzeit und dünnen schlanken Verhältnissen, und

mehrere kleine Klumpen und einzelne Stücke Perlen aus mittelblauem und dunkelgrünem, mit roth eingelegtem und anderm Glase.

Ein kleiner bronzener Degen mit Parierstange und Bügel wird ohne Zweifel ein Pfeifenräumer aus jüngern Zeiten sein.

In dem Torfmoor auf der Mooster ward eine hohl gegossene Framea gefunden.

G. C. F. Lisch.


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Begräbnißplatz von Kröpelin.

"Kröpelin, 21. Januar 1863. In diesem Winter ist bei der Niedrigerlegung der Hofstelle eines hiesigen Baumanns ein heidnischer Begräbnißplatz aufgefunden. Als die Arbeiter ungefähr 2 Fuß tief gegraben hatten, stießen sie auf eine Partie Scherben. Nachdem darauf aufmerksam gemacht war, daß sich vielleicht ganz erhaltene Urnen finden möchten, wurde auf Geheiß des Besitzers behutsam weiter gegraben, wobei wirklich 3 Urnen aufgefunden und unversehrt zu Tage gefördert wurden. Da dieselben feucht waren und einen üblen Geruch verbreiteten, so stellte man sie zum Trocknen im Freien auf, wo sie leider von Knaben muthwilliger Weise zertrümmert sind". - (Nach der Rostocker Zeitung in der Mecklenburg. Zeitung, 1863, Jan. 23, Nr. 19).

Ohne Zweifel ist dies der Begräbnißplatz des ehemaligen wendischen Dorfes Kröpelin.

G. C. F. Lisch.

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Die Eldenburg bei Waren,

ein uralter Uebergangspunct über die Elde, zwischen zahlreichen und ausgedehnten Gewässern, hat schon oft Alterthümer aus allen Zeiten geliefert; vgl. Jahresber. VI, S. 80, eben so das

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nahe gelegene Gut Klink an der Müritz. Der Herr Literat Fromm in Schwerin fand hier im Sommer links an der Ausmündung der Elde in den Kölpin=See wieder viele Topfscherben aus der letzten heidnischen Zeit, auch mit Wellenlinien verziert, mehrere vom Flusse stark abgeschliffen, einige vielleicht auch aus älterer Zeit, viele Feuersteinspäne zu Messern und Pfeilspitzen, wie sie auch auf wendischen Wohnstellen mitunter noch vorkommen, daneben aber auch mittelalterliche blaugraue Topfscherben aus dem 14. bis 15. Jahrhundert, eine aus derselben Zeit stammende eiserne Pfeilspitze und andere eiserne Geräthe, Knochen, u. s. w. Außerdem ward die Hälfte eines großen Keils aus Diorit gefunden. Der Herr Fromm schenkte dies Alles dem Vereine.

G. C. F. Lisch.


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Ueber die bronzenen Hängeurnen und Buckel.

Wir haben in Jahrb. XXVI, S. 172 flgd. die von Sr. Majestät dem heiligen Könige von Dänemark gegebene Erklärung der viel besprochenen bronzenen Hängeurnen und Buckel nach dem mündlichen Vortrage Sr. Majestät und dem kurzen Berichte über die Jahressitzung der königl. Gesellschaft für nordische Alterthumskunde mitgetheilt und ausführlich besprochen.

Nachdem jetzt die Mémoires de la société royale des antiquaires du Nord, 1850-1860, Copenhague. 1861. erschienen und ausgegeben sind, theilen wir den hierin gegebenen amtlichen Bericht hierüber in folgenden Zeilen in deutscher Uebersetzung mit.


Königliche Gesellschaft der nordischen Alterthumsforscher.
Jahressitzung vom 14. Mai 1859.
Vorsitz Sr. Majestät des Königs Friedrich VII. von Dänemark

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Se. Majestät der König zeigte mehrere sehr ausgezeichnete Alterthümer vor, theils aus Feuerstein, theils aus Bronze, welche in dessen Privat=Cabinet aufbewahrt werden.

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Unter den Gegenständen von Bronze heben wir vorzüglich eine Vase zum Aufhängen hervor, welche durch ihre schönen Verzierungen ausgezeichnet ist.

Diese Vase ward im J. 1858 beim Torfstechen auf dem Felde von Smidstrup gefunden, ungefähr eine halbe Meile von dem Fischerdorfe Gilleleie, im nördlichen Theile von Seeland, und ungefähr 75 Metres von dem Hügel Ullehöi, wo zwei Grabkammern stehen, deren Wände und Decken von Stein sind. Sie hatte ganz grade in der Torfmasse gestanden in einer Tiefe von ungefähr 1 Metre (2 Ellen). In der Vase stand der darüber abgebildete Buckel von der Art, von welcher man früher mehrere von ganz ähnlicher Gestalt gefunden und welche man für Verzierungen von Helmen (hjalmar) oder Schilden gehalten hat, welche aber wahrscheinlich dieselbe Bestimmung gehabt haben, wie der, welchen man hier gefunden hat, der vielleicht als Deckel zu der Vase gehört, an welchen diese vermittelst eines Riemens befestigt war.

Wir geben hier eine Abbildung 1 ) dieser Vase in Viertelgröße.

Vase

1) Da uns die Holzschnitte der dänischen Geräthe nicht zu Gebote stehen, so geben wir hier statt derselben zur Erläuterung die ganz ähnlichen: Hängeurne von Roga 1/4 Größe und Buckel von Lübberstorf 1/2 Größe.
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In demselben Torfmoor entdeckte man 30 Fuß weit von der Stelle, wo die Vase gefunden war, zwei aus Bronze gegossene Blasehörner von ausgezeichneter Arbeit, jedes ungefähr 6 Fuß lang; sie waren in 3 Stücke zerbrochen, welche nachher zusammengesetzt sind. Der obere Theil, welcher abgenommen werden kann, ist mit gradirten und erhabenen Spiralen verziert, und ganz nahe an dem Mundloche sind 5 ebenfalls bronzene Zierrathen zum Aufhängen; ein sechster ist verloren gegangen. Um das Schalloch ist eine breite Scheibe, auf welcher 6 erhabene Buckel und mehrere Henkelchen angebracht sind.


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Ueber die Runen der Urne von Köbelich,

von

G. C. F. Lisch.

Nachtrag zu Jahrb. XXIV, S. 16 - 23.

In den Jahrb. a. a. O. sind zwei Aufsätze von Wocel und Hanus über eine zu Köbelich in Meklenburg=Strelitz gefundene thönerne Urne wieder abgedruckt, welche am Rande eine dort auch abgebildete Runeninschrift tragen soll. Die Entdeckung dieser Runen, welche noch nicht mit Sicherheit entziffert sind, machte allerdings Aufsehen in der gelehrten Welt; es erhoben sich aber, auch in mir, Zweifel, ob diese eingeritzten Züge auch wirklich Schriftzüge, oder ob sie durch Zufall entstandene, bedeutungslose Eindrücke seien. Im Julii 1863 hatte ich Gelegenheit, in Neu=Strelitz diese nach heidnischer Weise bereitete und der Form nach der Eisenzeit angehörende Urne selbst zu sehen und zu untersuchen. Wenn nun auch manche Züge undeutlich sein mögen und ich auch nicht im Stande bin, die Inschrift zu entziffern, so sehe ich mich doch zu der Erklärung veranlaßt, daß diese in den Rand der Urne eingeritzten Züge wirklich mit Absicht und Vorbedacht von Menschenhand gemachte Charaktere, und nicht zufällige Eindrücke sind, daß wir hier also mit Sicherheit ächte Runen vermuthen dürfen.


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Bernsteinperle von Dierkow (Goderak).

Auf dem wendischen Burgwalle der Stadt Goderak auf der jetzigen Feldmark von Dierkow, der Stadt Rostock gegen=

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über, (vgl. Jahrb. XXI, S. 54), ward eine Bernsteinperle gefunden, welche der Herr Ober=Appell. Ger. Canzellist Rogge zu Rostock dem Vereine schenkte.


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Filetnadeln von Dierkow.

Auf dem Felde von Dierkow bei Rostock, wahrscheinlich dem Felde der alten wendischen Stadt Goderak (vgl. Jahrb. XXI, S. 54), wo sehr oft Alterthümer der Eisenzeit gefunden werden, wurden unter einem großen Steine viele bronzene Nadeln gefunden, welche ganz den noch heute gebräuchlichen sogenannten Filetnadeln (zum Netzstricken) gleich sind. Die Nadeln bestehen aus ganz dünnem Bronzedrath, sind 41/2 Zoll lang und an beiden Enden gespalten und hier wie zu einem Nadelöhr zusammengebogen. Der Rost geht ziemlich tief und es ist nicht unmöglich, daß sie noch der wendischen Eisenperiode angehören; jedoch können sie auch jünger sein. Der Herr Ober=Appell. Ger. Canzellist Rogge zu Rostock schenkte dem Vereine 23 Stück von diesen Nadeln.


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Mühlsteine? oder Anker? von Warnemünde.

In der Bucht der Ostsee, links von der Mündung der Warnow, zwischen Warnemünde und der Landspitze bei dem Dorfe Diedrichshagen, die Stolteraa genannt, wurden vor mehrern Jahren Reste eines alten Schiffswracks und in diesem mehrere hundert mühlsteinartig bearbeitete Steine von hartem, dunklem Gneis entdeckt, welche die warnemünder Fischer nach und nach herausgeholt haben, um sie als Ballast oder sonst zu gebrauchen. Die meisten sind nach und nach durch Verbrauch und Verkauf zerstreut; jedoch finden sich hin und wieder noch einzelne in den Höfen, Gärten und Böten von Warnemünde. Der Herr Justiz=Canzlei=Director von Bülow aus Schwerin hat im Sommer 1863 zwei solche Steine in Warnemünde gekauft und dem Vereine geschenkt.

Die Steine sind rund, 17" und 19" im Durchmesser, 4" bis 5" dick, an der einen Seite convex gewölbt, an der andern Seite horizontal und glatt, regelmäßig bearbeitet und noch neu. Der kleinere Stein hat in der Mitte ein durchgehendes Loch von 1", der größere ein Loch von 3" Durchmesser.

Gleiche Steine, jedoch schon etwas verbraucht und zerstoßen, finden sich sehr häufig im Lande, sowohl von Gneis,

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als auch von Granit, theils häufig in Mooren an Wasserufern, theils auf dem Felde, und sind in den Jahrbüchern oft besprochen. Man hält sie theils für Mühlsteine, theils für Anker. Die granitenen Steine werden, nach ihrer Ausschleifung, zu Mühlsteinen gedient haben. Die häufig am oder im Wasser sich findenden Steine aus Glimmerschiefer oder Gneis mögen als Anker gebraucht worden sein, da sie vorherrschend im Wasser gefunden werden und das weiche Gestein sich wenig zum Mahlen zu eignen scheint. Jedoch sind die Warnemünder Steine ziemlich regelmäßig bearbeitet. Ihr Gebrauch scheint in die Heidenzeit zurückzugehen. Ganz klar ist die Sache noch nicht.

G. C. F. Lisch.


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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters und der neuern Zeit.

Alterthümer von der Burg Wolken.

Nachtrag zu Jahrb. XIII, S. 389.

Unmittelbar hinter dem Bahnhofe Bützow, auf der Bahnstrecke von Bützow nach Schwaan, überschreitet die Eisenbahn den Nebel=Fluß, welchem hier zum Bau der Brücke ein neues, grades Bett gegraben ist, indem der Fluß früher hier eine große Krümmung bildete. Hindurch ist jetzt links an der Bahn vor dem Flusse vor der Brücke eine Halbinsel entstanden, welche den Dienstgarten des Herrn Bahnmeisters Winkenwerder bildet. Das Nebelthal besteht vom mittlern Laufe an aus weiten Wiesen. Die jetzige Halbinsel, oder vielmehr Insel, welche durch das Abschneiden der Flußkrümmung entstanden ist, liegt ganz nahe dem jetzigen Hofe Wolken, von welchem man früher durch die Wiese auf die alte Burg Wolken ging, welche in der jetzt abgeschnittenen Krümmung der Nebel, früher am rechten Ufer derselben, (jetzt zwischen der Brücke und dem Bahnhofe) lag. Diese alte Burg Wolken, welche nicht sehr weit vom festen Lande und doch fest genug lag, war im 13. und 14. Jahrh. eine Burg der rittermäßigen Familien v. Babbe und v. Trechow, welche Vasallen der gewöhnlich zu Bützow residirenden Bischöfe von Schwerin und Burgmänner der bischöflichen Burg zu Bützow waren. Vor dem Bau der Eisenbahn hieß dieser Burgplatz bei Wolken der fürstliche Berg und diente zur Lagerung von Holz aus landesherrlichen Forsten, welches von hier zu Wasser transportirt ward. Schon beim Bau der Eisenbahnbrücke im J. 1847 ward ein kreisförmiges Fundament von einem Thurme gefunden, aus welchem Ziegel, Kohlen, Topfscherben und eiserne Lanzen= und Pfeilspitzen ausgegraben wurden.

Eine gleiche Erscheinung ward im Jahre 1862 beobachtet, als die Eisenbahnbrücke reparirt ward. Der Herr Winkenwerder, dessen Garten beim hohen Wasserstande mitunter zum Theil überfluthet ward, ließ nicht weit von dem neuen Bette

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der Nebel einen großen, tiefen Graben ziehen, um die hieraus gewonnene Erde zur Erhöhung des Gartens zu benutzen und den Schutt von der Brückenreparatur in die Tiefe des Grabens zu werfen. Ich beaugenscheinigte, aufmerksam gemacht durch den Herrn Eisenbahn= Baumeister Langfeld zu Rostock, mit dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow die Arbeit am 17. Sept. 1862, als sie grade im vollen Gange war. Es standen in dem Graben, der wohl gegen 10 Fuß tief war, eingerammte, starke Pfähle aufrecht, jedoch nicht sehr zahlreich und nicht nahe bei einander. Aber neben denselben lagen mächtige Schichten von horizontal gestreckten, dünnen Baumstämmen ("Ellernschleten"), welche zum Theil zu starken Lagen Holzerde vergangen, zum Theil aber noch nicht vermodert waren. Diese Art, auf sumpfigem Boden auf "Ellernschleten", statt Steinfundamenten, zu bauen war im Mittelalter nicht selten; für den Bau eines Theils der Stadtmauern und Thorthürme von Stralsund ist diese Bauart (1446) verbürgt und am Schlosse zu Schwerin ward dieselbe Erfahrung gemacht (vgl. Jahrb. XV, S. 161). Genauere Beobachtungen über die Größe und Richtung dieser Fundamente konnten nicht gemacht werden, da der Graben, wenn auch sehr breit, doch nicht breit genug und in der Tiefe mit Wasser gefüllt war.

Ich fand außer dem Holze viele Scherben von blaugrauen Töpfen, Ziegel, Thierknochen in der ausgeworfenen Erde liegen, auch ein zusammengeschmolzenes Glasgefäß, welches auf den Brand der Burg zu deuten scheint.

Der Herr Baumeister Langfeld, welcher die Aufgrabung zuerst beobachtet hatte, erwarb als Geschenk für den Verein folgende Alterthümer, welche der Herr Bahnmeister Wickenwerder auch freundlichst abtrat:

1) den Rand von einem großen, ovalen Gefäße aus festem, blaugrauem Thon, 11" und 8" weit in der Mündung; daß das Gefäß durch Brand und Druck die ovale Form sollte erhalten haben, ist wohl nicht denkbar, da der Thon zu fest und spröde ist;

2) einen Topf von blaugrauem Thon, 5" hoch, an einer Seite zerbrochen;

3) eine mit Reifen gedrechselte hölzerne Schale, zerbrochen;

4) einen dünnen, keilförmigen Schleifstein aus Gneis, 11" lang;

5) einen flachen, runden Schnallenring von Messing, 2" im Durchmesser, auf einer Hälfte der Oberfläche mit einer

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eingegossenen erhabenen Inschrift, welche noch nicht hat entziffert werden können. Fast sicher zu lesen zu sein scheinen die Buchstaben:

Inschrift

Die in () eingeklammerten Buchstaben sind wohl deutlich, aber nicht ganz rein. Das Ganze scheint:

Inschrift

zu lauten. Ich bin aber durchaus nicht im Stande, diese Buchstaben zu deuten. Die Schriftzüge gehören der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts oder dem Anfange des 14. Jahrh. an.

6) Knochen von Hausthieren aller Art.


Die Burg Wolken muß in alter Zeit große Festigkeit gehabt und den Bischöfen von Schwerin oft als Zufluchtsort gedient haben. So z. B. ist aus dem oben mitgetheilten wismarschen Kämmerei=Register ersichtlich, daß in der bewegten Zeit der Vormundschaft der Söhne Heinrichs des Löwen die Burgemeister und Rathmänner der Stadt Wismar, wo die Vormundschaft ihren Sitz hatte, häufig zu Unterhandlungen nach Wolken reiseten, z.B. 1330 (nach Mai 1): Bis versus Wolken V m. - Dominica prima Aduentus domini versus Wolken III m.- 1333 (nach Mai 1): Reysa versus Wolken per dominum Wysen II m. - Versus Wolken dominus Wyse XXVI s. - Versus Wolken per dominum Wysen XXIX s. (vgl. oben S. 95 und 101).

G. C. F. Lisch.


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Gemalte Fenster von Wismar.

Der Herr Sergeant Büsch schenkte folgende 3 auf Glas gemalte Wappen, aus einem Privathause in Wismar:

1) im Schilde ein Taubenhaus auf einer Straße, auf dem Helme ein Hirschgeweih; Unterschrift:

D . HINRICVS . SCHABBEL[T]

(1660, Sept. 12, + 1677, Jun. 23 Burgemeister zu Wismar);

2) im gespaltenen Schilde: rechts ein halber Stern, links ein unbelaubter Eichenzweig mit drei Eicheln, auf dem Helme ein belaubter Eichenzweig mit drei Eicheln; Unterschrift:

CHRISTOPH . GRÖNING . 1675.

(1709, Jan. 3. + 1733, Jan. 8 Burgemeister zu Wismar, vorher Tribunals =Fiscal);

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3) im gespaltenen Schilde: rechts ein Baum, links ein wachsender Hirsch, auf dem Helme ein wachsender Hirsch; Unterschrift:

ERICH . HERZBERG . 1677.
(1693, Jul. 25, + 1693, Aug. 28 Burgemeister zu Wismar).

G. C. F. Lisch.


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Künstliche, messingene Menschenhände von Rostock.

Bei der im J. 1863 ausgeführten Restauration der Petri=Kirche zu Rostock wurden auch die in dem Fußboden der Kirche befindlichen Begräbnisse zugefüllt. In einem derselben wurden neben einem Schädel mit langem weiblichen Haarzopf zwei künstliche messingene Hände gefunden, welche von dem Kirchenvorstande dem Vereine übergeben wurden. Die Hände sind nur klein und kleinen weiblichen Händen nachgebildet, und bestehen aus dünnem, jedoch nicht leicht biegsamen Messingblech. Die Finger sind hohl, jedoch wohl für ein bequemes Hineingreifen zu enge. Die Daumen sind oben an der Wurzel inwendig durch eine runde Platte ganz geschlossen. Es ist also keine Möglichkeit vorhanden, daß diese Hände als Handschuhe über eine natürliche Hand haben gezogen werden können. Daß sie zu einem wirklichen oder einem Parade=Harnisch gehört haben können, ist auch nicht denkbar, da sie zu klein sind, keine Spur von Annietung oder Saum tragen und mit sehr feinem Handschuhleder fein übernähet sind. Man sieht also zwei behandschuhete, feine Frauenhände. Diese Erscheinung ist fast unerklärlich. Nach der augenblicklichen Lage der Sache kann man nur annehmen, daß es zwei künstliche Hände für eine weibliche Person gewesen sind, welcher beide Hände gefehlt haben.

G. C. F. Lisch.


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II. Zur Baukunde


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Der Burgwall von Alt=Bukow.

Bei dem Dorfe Alt=Bukow liegt im Wiesengrunde eine Anhöhe, welche der "Litenberg" genannt wird. Das Wort "Lite" kommt häufig vor und bezeichnet einen Bergabhang oder auch eine Horst in sumpfiger Bruchgegend; so heißt z. B. der Bergabhang von der Stadt Tessin nach Zarnewanz, aus dem Reknitz=Thale auf das Geestland hinauf, die "hohe Lite". Diese Anhöhe bis A. Bukow fand der Herr Koch auf Dreveskirchen mit zahlreichen Gefäßscherben bedeckt, von denen er mit wissenschaftlicher Einsicht eine große Menge sammelte und dem Verein überlieferte. Ein großer Theil dieser Scherben ist nach heidnischer Weise bereitet, d. h. mit Kiessand durchknetet und am offenen Feuer gedörrt, und gehört nur zu Gefäßen zum häuslichen Gebrauche. Viele Scherben von großer Dicke stammen von Kochgefäßen; andere, welche dünner und sauberer gearbeitet sind, stammen von Krügen. Diese sind häufig mit den bekannten Parallelreifen und den wellenförmigen Linien verziert, welche die häuslichen Gefäße auf den Burgwällen aus der letzten Zeit des wendischen Heidentums charakterisiren und auf allen wendischen Burgwällen in großer Zahl gefunden werden. Der Burgwall stammt also aus der Wendenzeit.

Der Burgwall von Alt=Bukow ward aber noch später bewohnt. Denn es finden sich nicht nur auch Scherben von großen gehenkelten Gefäßen, welche schon nach christlich=mittelalterlicher Weise geformt, aber noch mit wenig Kiessand gemengt sind, sondern auch zahlreiche Scherben von den be=

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kannten blaugrauen oder schwärzlichen Töpfen des christlichen Mittelalters, welche sehr fest und hell klingend gebrannt sind und auf allen Burgwällen der christlichen Ritterzeit gefunden werden.

Es geht hieraus also unbezweifelt hervor, daß dieser Litenberg ein wendischer Burgwall ist, welcher noch weit in die christliche Zeit hinein bewohnt war. Bukow ist ein sehr alter Ort. Ich glaube jetzt aber, daß wenn in alten Zeiten von Bukow die Rede ist, hiemit dieser Burgwall den Alt=Bukow gemeint, und daß der große Burgwall von Neu=Bukow (Jahrb. XXI, S. 273) ein Werk christlicher Zeit ist, um so mehr da ich hier keine heidnische Scherben habe entdecken können. Freilich hat die Kirche zn Alt=Bukow (Jahrb. XXI, S. 268) nichts Altes mehr, als ein uraltes Würfelkapitäl aus Kalkstein von einem alten, großen Bau. Die Kirche zu Neu=Bukow gehört dem späten Uebergangsstyle an und ist nach der Kirche zu Neukloster, vielleicht um 1240, erbauet, und viel früher wird auch die Stadt nicht angelegt sein; bis dahin wird also der Burgwall von Alt=Bukow bewohnt gewesen sein.

Auf diesem Burgwalle von Alt=Bukow fand Herr Koch früher auch drei unverbrannte Leichen und neben denselben die eisernen und bronzenen Alterthümer aus der Heidenzeit, welche in Jahrb. XXVII, S. 182 beschrieben sind, namentlich eine Messerscheide mit Bronzebeschlag. Auch bei den neuern Untersuchungen fand derselbe einen menschlichen Schädel und mehrere Bruchstücke von eisernen Alterthümern, z. B. von einem Messer, einer Spange und einem Nagel. Diese Begräbnisse und Alterthümer gleichen ganz den in den neuesten Zeiten zu Bartelsdorf bei Rostock entdeckten Begräbnissen aus der Zeit des Ueberganges von der heidnischen in die christliche Zeit (vgl. Jahrb. XXVIII, S. 301 flgd., und oben S. 177 flgd).

G. C. F. Lisch.


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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.

Die S. Petri=Kirche zu Rostock

ist im J. 1863 im Aeußern von allen entstellenden Anbauten befreiet und im Innern restaurirt worden. Erst nach der vollständigen Ausräumung der Kirche (mit Ausnahme des Altars und der Orgel) zeigte sich der regelmäßige Bau (vom Ausgange des 14. Jahrh.?) ganz in seiner Reinheit. Es soll hier nur die alte Decoration, welche bei der Restauration stellenweise zum Vorschein kam, besprochen werden. Die Kirche ist eine dreischiffige Kirche, mit erhöhetem Mittelschiffe, ohne Kreuzschiff. Die Gewölbe werden von achteckigen Pfeilern mit gut gegliederten Basen getragen. Die achteckigen Pfeiler sind überputzt. Die Flächen der Pfeiler, welche mit den Ringwänden parallel laufen, waren mit schrägen Wellenbändern bemalt, genau so wie der eine der hohen Pfeiler in dem Kreuzschiffe der Kirche zu Doberan. Die vier andern, abgeschrägten Seiten der Pfeiler waren wie Ziegelsteine gemalt, die Ziegel mit einem schönen, milden Roth, die Kalkfugen mit bläulich=weißen Streifen. Eben so waren mit Ziegeln alle nicht vertieften Seitenwände der Kirche bemalt. Die Decoration ist also ganz mit der Decoration der doberaner Kirche (1368) übereinstimmend. Daß diese Decoration die erste und ursprüngliche war, bewiesen zwei Seiten des südwestlichsten Pfeilers, welche von einem alten, hohen Stuhle bedeckt und nie mit Kalk übertüncht gewesen waren. Ueberhaupt ist die Kirche erst in neuern Zeiten (vielleicht erst im Anfange dieses Jahrhunderts) mit Kalk getüncht worden.

Die Seitenwände des Schiffes haben spitzbogige Nischen oder Arkaden, ähnlich den Oeffnungen der Pforten. Diese waren weiß geputzt und auf dem weißlichen Kalkgrunde mit großen figürlichen Scenen bemalt, welche aber größtentheils vernichtet waren. In der mittlern südlichen Nische war noch eine große, knieende männliche Figur erhalten.

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Die Gewölbe sind auch mit figürlichen Darstellungen bemalt gewesen, welche man noch durch die dünne Kalktünche durchschimmern sehen konnte.

G. C. F. Lisch.


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Gewölbmalereien in der Kirche zu Zurow.

Vgl. Jahrb. XVI, S. 300.

Als im Sommer 1862 die Kirche zu Zurow "renovirt" ward, kamen am Gewölbe Malereien zum Vorschein, von denen Herr Pastor Köpke daselbst dankenswerthe Anzeige machte. Eine demzufolge angestellte und, so weit noch möglich, ausgedehnte Untersuchung ergab Folgendes. Die aus dem 14. Jahrh. stammende gothische Kirche war ursprünglich nicht getüncht, sondern zeigte in den Wänden, Gurten und Rippen die schone tiefrothe Farbe der Ziegel. Die Gewölbekragsteine hatten allem Anscheine nach eine hellgrane Farbe. Der Putzgrund der Kappen war gegen die Schildbogen mit einem 3 Zoll breiten Streifen abgesetzt und zwar so, daß der Streifen neben dem einen Schenkel schwarz, neben dem andern grün war und daß von jedem Kragsteine zwei gleichgefärbte Streifen abgingen. Die Näthe der Kappen waren durch eine schwarze Linie hervorgehoben, die in den Gewölben des Chores über dem Scheitel der Schildbogen in ein Kreuz mit verkürztem unteren Balken endigte. In einem Abstande von 1 1/2 Zoll von den ebengedachten Streifen und den Rippen und Gurten lief ein mit den gewöhnlichen Blättchen besetzter 1 1/2 breiter grauer Streifen hin, der neben dem Scheitel der Gurte jederseits in einer Lilie abschloß; gegen die Schlußsteine der Gewölbe hin ist die graue Farbe vielleicht in ein blasses Roth übergegangen. Die drei inneren Kappen des Chorschlußgewölbes nun enthielten die oben gedachten figurlichen Darstellungen 1 ).

Auf der mittleren Kappe war eine aus einem orangefarbenen, einem schwarzen, einem weißen und einem grünen Streifen zusammengesetzte, nach unten parabolisch gespitzte Ellipse (Mandorla) gemalt, in welcher der Salvator auf einem aus Grün, Weiß und Orange und aus Schwarz zusammengesetzten Regenbogen thronte, die beiden Hände erhoben, und angethan mit einem grünen Gewande und schwarzgrauen Mantel, um


1) Der Herr Maler Canow zu Wismar, welcher diese Malereien restaurirt hat, hat dem Vereine saubere Zeichnungen von denselben geschenkt.
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das Haupt einen Nimbus, Von der rechten Seite seines Mundes ging ein grüner Lilienstengel aus, von der linken ein Schwert. An die Mandorla schlossen sich in gleicher Farbe Bogen, welche die geflügelten Symbole der Evangelisten enthielten.

Auf den beiden seitlichen Kappen waren je zwei auf grünen Brinken knieende, anbetende Figuren dargestellt, auf jeder Hälfte eine. Auf der inneren Hälfte der nördlichen Kappe sah man eine weibliche Figur, mit einem Nimbus um das Haupt, in röthlichem Gewande, mit einem weißgrauen, grün gefutterten Mantel, auf der äußern Hälfte einen Kriegsmann, Kopf und Hals mit einer Kappe bedeckt, bekleidet mit einem schwärzlichen engen Rock mit weiten Aermeln, einen Gürtel um die Hüften; unter dem Rocke sah das Panzerhemd hervor und die Beine waren mit Schienen bekleidet. Vor ihm stand ein dreieckiger Schild, dessen vordere Hälfte ein rothes Rad mit 3 2/2 Speichen und dessen hintere Hälfte drei Strale oder Pfeile enthielt, und über demselben ein Helm mit schwarzgrauer Decke und geziert mit einem Pfeile, der auf seiner Spitze ein Federbüschel trug. Ueber dieser Darstellung zog sich ein Spruchband hin, auf welchem man las:

leue moder gades bidet

Die Schrift war aber verkehrt, von der Rechten zur Linken laufend, also wohl mit einer Schablone aufgetragen, was auch bei dem eben beschriebenen Wappen der Fall gewesen zu sein scheint, da die v. Stralendorf sonst die Pfeile vorne und das Rad hinten führen. Allerdings sind aber auch noch zwei andere Beispiele von dieser ungewöhnlichen Anordnung bekannt 1 ), beide jedoch aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, und es wäre auch möglich, daß der Maler sich geirrt hätte, indem er einen Siegelstempel in Gedanken hatte. Unterhalb dieses Bildes war in Grün ein o mit einer grünen Krone darüber gemalt.

Auf der südlichen Kappe war dem Heilande zunächst ein Bischof mit einem Nimbus und das Haupt in schwarzgrauem Mantel und weißem Unterkleide dargestellt. Mit Schwarzgrau war auch seine Mütze verziert; vor ihm steckte sein Bischofsftab im Boden. Auf der äußeren Hälfte der Kappe sah man eine weibliche Figur in einer Haube, mit einem grünlichen Mantel bekleidet, die den v. Bülowschen


1) Vgl. Lisch M. U. II, 227. Lisch G. v. Oertzen II, Taf. 2.
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Schild vor sich und über sich ein Spruchband hatte mit den - recht geschriebenen - Worten:

leue here bidet vor m[p]

Die mittlere Darstellung kommt oft genug vor und ist hinreichend klar, so daß sie keiner näheren Erörterung bedarf, die dagegen bei den übrigen Bildern um so nöthiger ist. Daß die Malereien unmittelbar nach Vollendung des Baues der Kirche, wenn nicht auf dem naßen, so doch auf dem frischen Putze ausgeführt sind, lehrt der Augenschein, und daß die beiden äußeren Figuren niemand anders darstellen als die Urheber des Baues, scheint nach der Sitte des Mittelalters unzweifelhaft. Ferner kann die Malerei nur erst nach 1350 datirt werden, da vorher Gothische Minuskel monumental nicht angewendet ward, aber auch nicht nach 1400, da der Styl der Kirche, der Malerei überhaupt und die Formen von Helm und Schild bestimmt dem vierzehnten Jahrhundert angehören. Zurow war sicher schon 1336 im Besitze der Söhne des Ritters Heino v. Stralendorf des jüngeren, mit Namen Heino, Heinrich und Nicolaus, und der mittlere von diesen ist es, den ich in dem Dargestellten vermuthe. Derselbe wird etwa 1328 volljährig, Ritter ungefähr 1350 geworden und um 1371 gestorben sein. Das ist freilich bis jetzt nicht zu erweisen, daß er eine v. Bülow zur Ehe hatte, aber Grund dies anzunehmen liegt darin, daß zwei seiner Söhne, der Ritter Henning und Hans, Namen führten, die bis dahin nicht bei den v. Stralendorf, wohl aber bei den v. Bülow üblich waren. Vielleicht ist es sogar erlaubt auf Johann V. v. Bülow als Großvater von der Mutter wegen zu rathen, da dieser, gleich wie sein Enkel der Ritter Henning, die Vogtei Krivitz hatte 1 ). Uebrigens war zu gleicher Zeit der Ritter Vicke v. Stralendorf, der Bruder Marquards, mit Gertrud v. Bülow verheirathet 2 ); doch ist an diese hier nicht zu denken, da nähere Beziehungen ihrerseits zu Zurow durchaus nicht bekannt oder wahrscheinlich sind. Dagegen bewährten grade die Söhne des Ritters Heinrich wiederum der Kirche daselbst ein besonderes Interesse, indem der Ritter Henning auf Begehren seines seligen Bruders Vicke zu Ehren der h. Jungfrau und zum Besten aller ihm theuren Seelen und (besonders) seiner Aeltern 1393, September 4, dort eine Vicarei stiftete, welche er mit Einkünften aus Varen dotirte. Wenn dies alles zusammengenommen dafür spricht, daß der Ritter Heinrich


1) Vgl. v. Bülow, G. v. Bülow, S. 45.
2) Vgl. Schröder's P. M. S. 1440, 1460, 1485, 1488, 1503.
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mit seiner Hausfrau die Erbauer der Kirche und die Dargestellten sind, so kann man den Bau und die Malerei zwischen 1350 und 1370 setzen.

Die beiden Heiligen für die persönlichen Patronen der Donatoren anzusehen, liegt nahe; da aber nicht allein die Mutter Gottes und ein h. Bischof auf der 1462 gegossenen Glocke sich ebenfalls finden, sondern auch das alte Siegel der Kirche über dem v. Stralendorfschen Schilde das Bild der h. Jungfrau zeigt, so ist wohl nicht zu zweifeln, daß wir die Patrone der Kirche hier vor uns haben. Es fragt sich aber, welcher Bischof gemeint ist, da derselbe so wenig auf der Glocke, wie hier ein Attribut hat. Die meiste Wahrscheinlichkeit dürfte der h. Nicolaus für sich haben, da dieser ein in unseren Gegenden besonders beliebter Heiliger war und sehr häufig ohne Attribut vorkommt.

Die bräunlichen Conturen der Malereien waren vollständig erhalten, die Farben aber zum Theil mehr oder minder verblichen, namentlich auf der gesprungenen und ausgebesserten südlichen Kappe, was durch das öftere Uebertünchen ohne Zweifel bewirkt war. Da die Bilder in diesem Zustande aber nicht zu retten waren, so entschloß sich der Herr Landrath v. Stralendorf auf Gamehl in Anbetracht des kunsthistorischen Werthes und der Bedeutung dieser Darstellung für seine Familie dieselben restauriren zu lassen, was nach erhaltener Einwilligung des Patronats von dem Herrn Carl Canow in Wismar mit größter Gewissenhaftigkeit und Treue ausgeführt ist. Neuerungen sind nur darin getroffen, daß die Fleischtheile, welche ursprünglich grau gefärbt und mit Braunroth schattirt waren, ihre natürliche Farbe erhalten haben, da Herr Canow fürchtete bei der jetzigen Decoration der Kirche den ihm gestellten Bedingungen sonst nicht genügen zu können, daß dem o auf der nördlichen Kappe entsprechend ein a auf der südlichen Kappe ergänzt ist, und daß auf die Spruchbänder bei den Evangelistensymbolen die betreffenden Namen geschrieben sind.

Die Glocke von 1462, von welcher oben die Rede war, ist sehr bemerkenswerth. Die Krone derselben ist band= oder tauartig modellirt. Oben um den Hals liest man in einer Zeile:

Inschrift
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Darunter stehen die in Meklenburg sonst auf Glocke wohl noch nicht beobachteten Namen der "Wetterherren" 1 ):

Inschrift

Der Kranz der Glocke ist mit einer altertümlich modellirten schönen Weinranke verziert. Auf dem Mantel der Glocke sind, erzeugt durch Einritzen in den Mantel aus freier Hand, zwei Bilder 2 ) angebracht, die einem Meister im Zeichnen ihren Ursprung verdanken. Auf der einen Seite sieht man die Mutter Gottes mit dem Christkinde auf dem Arme und vor ihr einen Fuchs, der eine Gans im Maule trägt, auf der anderen Seite einen heiligen Bischof mit erhobener Rechten und vor ihm ein aus Hammer und Zange gebildetes Doppelkreuz, um welches sich eine gekrönte Schlange windet. Diesen beiden Darstellungen wird ohne Zweifel eine parallele und allegorische Bedeutung unterzulegen sein und namentlich dem Handwerkszeuge nicht etwa die eines Attributes, welches den h. Eligius kennzeichnen würde. Da aber dieser hier zu Lande schwerlich sonst vorkommt, das Attribut auch in der Malerei fehlt, so wird an diesen nicht zu denken sein. Das Hauptgewicht wird vielmehr auf der Schlange ruhen, die, wenn anders unsere auf den h. Nicolaus gewendete Vermuthung richtig ist, um so mehr hier an der Stelle war, als dieser Bischof auch sonst, wenn nicht mit einer Schlange, so doch mit einem Drachen (Arianismus?) gefunden worden ist 3 ). - Die Glocke ist nach dem darauf angebrachten Mark von demselben Gießer, der eine zu Thürkow befindliche Glocke vom Jahre 1452 gegossen hat.

Mit Bezug auf die oben angeführte frühere Beschreibung der Kirche sei hier noch bemerkt, daß, nach gefälliger Mittheilung des Herrn Pastor Köpke aus den Kirchenpapieren, der Thurm der Kirche, wie dort richtig vermuthet ist, früher eine Spitze (Helm oder Dachreiter?) gehabt hat, die durch einen Blitzstrahl 1639 entzündet worden ist. Die dort ferner notirten oberen Anker, sind jetzt beseitigt, die inneren Anker sind bei Gelegenheit der durch den eben bemerkten Brand veranlaßten Restauration angebracht. Endlich ist bei der jetzigen "Renovirung" der schöne Eisenbeschlag, namentlich ein künstlich gearbeiteter, geflochtener Thürring aus Eisen, von den Thüren, die zum Theil durch moderne, gestemmte ersetzt sind, entfernt und später in's Antiquarium nach Schwerin versetzt.


1) Vgl. Otte Glockenkunde, S. 81.
2) Der Herr Maler Canow hat dem Vereine Durchreibungen von diesen Glockenbildern geschenkt.
3) Vgl. Hack, Christl. Bilderkreis, S. 366.
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Unter den Altargeräthen ist ein geschmackvoll gearbeiteter silberner Krankenkelch aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, welcher auf den 6 Knöpfen des Griffes die Buchstaben

ihecvs

trägt, bemerkenswerth.


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Der Altar zu Neu=Kalen,

welcher restaurirt werden mußte und selbst in seiner verfallenen Gewalt sich als ein sehr beachtenswerthes Werk zeigte, ist eine ungewöhnlich große und reiche Kunstarbeit vom J. 1610, also aus der sinkenden Kunstperiode der Renaissance. Die Kirche ist ein einfaches Oblongum im gothischen Baustyle aus dem Anfange des 15. Jahrh. und ist auf Wölbung angelegt, welche aber nicht zur Ausführung gekommen, sondern durch eine Balkendecke ersetzt ist; die ausgeweißte Kirche hat also außer den Fenstern nicht viel von gothischer Baueigenthümlichkeit und daher war der im Holzwerk noch fest erhaltene Altar füglich zu erhalten. (Vgl. Jahrb. XXVI, S. 214). Der Altar ist ein ungewöhnlich großes Werk, welches fast die Höhe und Breite der Kirche erreicht, und außerordentlich reich an architektonischen Ornamenten, Vergoldungen und glänzenden Farben. Das Ganze bildet einen reichen Säulen= und Nischenbau, in dem Bildhauerwerke aus Eichenholz stehen, welches aus den verschiedensten Zeiten stammt.

Das Mittelstück hat zwei Abtheilungen. Unten ist die Kreuzigung Christi. Das Crucifix ist klein und alt; Maria und Johannes sind große Figuren mit etwas manierirten Gewändern aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Unter dieser Darstellung stehen auf einer Tafel aus der Zeit der Erbauung des Altars folgende Sprüche in hochdeutscher Sprache: "Und "wie Moyses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat" u. s. w. und "Also hat Gott die Welt geliebet" u. s. w. -. Oben im Mittelstücke ist die Auferstehung Christi mit den Wächtern am Grabe, ein Bildhauerwerk aus der Zeit der Erbauung des Altars. Die Inschriften auf der Tafel darunter waren bis auf den letzten Buchstaben abgefallen. Es sind bei der Restauration folgende Sprüche darunter gesetzt: "Wir wissen, daß "Christus von den Todten erweckt, hinfort nicht stirbt" u. s. w. (Röm. 6, 9) und "Ich war todt und siehe, ich bin lebendig" (Offenb. 1, 18).

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Neben der untern Tafel mit der Kreuzigung stehen Adam und Eva in neuern Figuren von 1610. Darunter fanden nur die Namen Raum.

Daneben stehen zwei Gruppen mit den 4 "Evangelisten" in mittelalterlichen Bildwerken, je zwei und zwei neben einander sitzend. Es werden aber wohl ursprünglich die 4 großen Propheten gewesen sein.

Umher stehen in Renaissance=Nischen die Apostel. Diese sind alte, gute Figuren, von einem alten Flügelaltar aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts, noch ziemlich genau mit den alten Farben bemalt. Unter diesen Figuren sind Tafeln, auf welche nach altkirchlicher Ueberlieferung die Sprüche das apostolischen Glaubensbekenntnisses in niederdeutscher Sprache (nach einem alten Katechismus) in folgender Weise verteilt sind:

  1. S. Petrus: Ich gelowe an God den Vader, Almechtigen Schepfer Hemmels vnde der Erden.
  2. S. Andreas: Ich gelowe an Jesum Christum, synen einigen Sone, unsern Heren,
  3. S. Jacob der Groteste: De empfangen ihs von dem hilligen Geiste, Gebaren uth Maria der Jungfrawe,
  4. S. Johannes: Geleden vnder Pontio Pilato, gekreuziget, gestorven vnd begraven,
  5. S. Thomas: Nedder gestege thor hellē, am drudden dage wedder vpgestā vā dē dodē,
  6. S. Jacob der klene: He is upgefarē tho hemmel, steet thor rechtē gades des allmechtigēe vaders,
  7. S. Philippus: Von dar he kamē wert to richten de levendigen vnde de doden.
  8. S. Bartholomäus: Ich gelowean den hilligen Geist,
  9. S. Matthäus: Ich gelowe eine hillige Christlike kerke, de gemene der hilligen,
  10. S. Simon: Ich gelowe vergeunge der sunden,
  11. S. Judas Th: Vpstandīge des Fleisches,
  12. S. Mathias: Vnde ein ewig leuēt.

In den architectonischen Seitenverzierungen ist 4 Male das fünfschildige meklenburgische Wappen mit der Jahreszahl 1610 und einer Widmung gemalt, an jeder Seite 2 Male neben einander. Von den Unterschriften war nur noch eme mit Mühe, aber sicher zu lesen:

Dem Durchleuchtigen Hochgebohrnen Fursten vnde Hern Hern Adolf Friedrich Hertzogen zu Meklenburgk,

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Fursten zu Wenden, Graffen zu Schwerin, der Lande Rostock vnd Stargardt Herren 1610.

Auf der Tafel daneben waren noch von dem Namen die Buchstaben:

— — — hannes Alb — — — — —

zu erkennen.

Diese beiden Wappen stehen heraldisch links und gehören offenbar den beiden jungen herzoglichen Brüdern Adolf Friedrich und Johann Albrecht, welche im J. 1608 selbstständig geworden waren. Die beiden Wappen auf der rechten Seite haben daher wohl sicher dem Herzoge Carl, unter welchem ohne Zweifel der Altarbau begonnen ward, und der Herzogin Sophie, der Mutter der jungen Herzoge gehört, da diese die einzigen älteren fürstlichen Personen waren, welche damals im Lande noch lebten. Herzog Carl starb 22. Jul. 1610.

Auf die Predelle war in der Mitte das Abendmahl, heraldisch rechts davon die Anbetung der Hirten, links die Anbetung der Weisen gemalt. Das mittlere Gemälde war schlecht; die beiden kleineren Gemälde zu den Seiten auf Kreidegrund waren ziemlich gut, aber fast ganz abgefallen.

G. C. F. Lisch.


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Die Kirche zu Tarnow.

Nachtrag zu Jahrb. XXI, S. 277, und XXVll, S. 212.

Bei der in den letzten Jahren ausgeführten Restauration der Kirche zu Tarnow wurden auch sämmtliche Kirchenstühle erneuert. Von diesen kamen ins Antiquarium 3 abgesägte Kopfstücke von eichenen Seitenlehnen, welche mit flach geschnitzten Brustbildern der Besitzer in Renaissance=Medaillons verziert waren.

Unter dem einen sind die Buchstaben H. V. B. eingeschnitten. Dies ist also das Bild des Hans von Bülow auf Karcheetz, welcher nach vielen Feindseligkeiten sich so weit hinreißen ließ, im J. 1565 seinen Bruder Jürgen v. Bülow auf Prützen zu erschießen. Er floh nach Ungarn und soll dort von einem Bauer ermordet sein. Dieses Bild ist ziemlich gut und mag Portraitähnlichkeit haben.

Unter einem zweiten Bilde stehen die Buchstaben L. M. Dies ist also das Bild der Lucia Maltzan von Grubenhagen und Rahden, der Gemahlin des Hans v. Bülow. Dieses Bild ist ganz schlecht und nur Carricatur.

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Ein drittes Bild hat keine Unterschrift. Es ist aber in ganz gleicher Manier und von demselben Arbeiter und zu derselben Zeit, wie das Bild des Hans von Bülow gearbeitet. Dieses Bild wird Elisabeth von Bredow von Reinsberg, die Gemahlin des ermordeten Jürgen von Bülow auf Prützen, darstellen Es ist auch ziemlich gut gearbeitet.

Die Arbeiten mögen ungefähr aus dem J. 1560 stammen. Zu dem in Jahrb. XXVII, S. 214 beschriebenen alten Altar ist noch zu bemerken, daß sich beim Beginn der Restauration desselben im J. 1861 zeigte, daß die Attribute der Heiligen auf die Rückseite in Roth und auf den Kreidegrund in Schwarz gemalt waren. Hiernach ist die obere weibliche Figur im linken Flügel, welcher das Attribut fehlte, zu berichtigen, da diese nicht die H. Margarethe sein kann. Es ist nämlich eine Zange hintergemalt. Diese kann nun die H. Christine oder die H. Agathe bezeichnen. Vielleicht soll sie aber auch die H. Apollonia bedeuten, welche auch auf dem Altare und dem Tauffaß der nahen Kirche zu Bützow steht; vgl. Jahrb. XXIV, S. 322, Nr. 2, S. 324, Nr. 11, und S. 332, Nr. 12. Freilich fehlt in der Zeichnung auf dem tarnowschen Altar der Zahn in der Zange, welcher bei der H. Apollonia nicht zu fehlen pflegt.

G. C. F. Lisch.


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III. Zur Kunstgeschichte.


Die alten Chorstühle

des

Domes zu Ratzeburg,

von

G. C. F. Lisch.

Der Dom zu Ratzeburg besitzt noch Ueberreste von alten, aus Eichenholz geschnitzten Chorstühlen, welche die höchste Beachtung verdienen, wenn auch die Stuhle nicht mehr vollständig erhalten sind.

1. Die romanischen Chorstühle.

Der Dom besitzt noch zahlreiche Ueberreste von Chorstühlen romanischen Styls von ungewöhnlicher Schönheit, welche zu den größten Seltenheiten des christlichen Europas gehören. Es sind von den Stühlen nur noch die geschnitzten Seitenstücke vorhanden, die Sitzklappen und Rückwände aber längst verschwunden. Jedes Seitenstück ist unterhalb der Sitzklappe vorne mit zwei kleinen romanischen Säulen, welche alle verschieden sind, verziert; das Ende oberhalb der Sitzklappen, welches nicht höher ist, als das untere Ende, ist ausgeschweift, oben mit einem Wulst bedeckt und mit geschnitzten romanischen Rosetten und Blumen verziert. Diese Chorstühle stammen sicher aus der Zeit der

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Erbauung des Domes, des ältesten Bauwerkes in Meklenburg, also aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Wenn die jetzt noch stehende Domkirche auch sicher nicht aus der Zeit der Stiftung des Bisthums (1154) stammt, sondern der letzten romanischen Bauperiode angehört, so möchte ich die Vollendung der Kirche doch noch in das Ende des 12. Jahrhunderts setzen, da sie noch ganz im romanischen Baustyl durchgeführt ist, abgesehen von den Hauptgewölben, welche sicher viel jünger sind. Jedenfalls gehört die Kirche noch ganz der romanischen Bauperiode an, und eben so alt sind sicher und wenigstens die romanischen Chorstühle, welche auf den ersten Blick sowohl nach dem Styl, als nach ihrem ganzen Ansehen ein sehr hohes Alter verrathen. Sollte man dem Domgebäude mit zwingenden Gründen ein etwas jüngeres Alter aufdringen können, so möchte ich diese Chorstühle grade nicht für jünger halten. Es wäre doch möglich, daß sie nach Vollendung des jetzt stehenden Doms aus der S. Georgenkirche von Ratzeburg, wo im Anfange des Bisthums der Bischofsitz war, in den Dom versetzt wären.

Wenn ich nun gesagt habe, daß diese Chorstühle noch vorhanden sind, so meine ich nicht, daß sie noch als vollständige Chorstühle existiren, wie sie in Lenoir Architecture monaslique, Paris, 1856, und in Gailbabaud und zuletzt von Ch. Riggenbach: († 1863) "Die Chorstühle des Mittelalters" in den Mittheilungen der k. k. Central=Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, Wien, 1863, August, S. 218, ziemlich gut abgebildet sind: sie sind nur noch in Bruchstücken vorhanden. Man hat diesen seltenen Kunstwerken sehr übel mitgespielt, wahrscheinlich im J. 1648, indem man die Stühle auseinanderriß und nur die verzierten Seitenstücke erhielt. Diese Seitenstücke wurden aber in der Mitte auseinander gesägt und die Stücke zu Füßen für Sitzbänke untergeordneten Ranges benutzt. Am Westende des Mittelschiffes stehen 3 offene Bänke für arme Leute mit diesen alten Füßen; die übrigen finden sich unter mehreren Bänken im nördlichen Seitenschiffe befestigt. Im Ganzen waren im October 1859 noch 10 untere Hälften und 12 obere Hälften von den alten Seitenstücken als Bankfüße im Dome vorhanden. Es ist allerdings ein dringendes Bedürfniß für die Culturgeschichte, daß diese merkwürdigen Reste des Alterthums wieder zusammengebracht und anständiger und sicherer aufbewahrt werden, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß man die Erhaltung dieser Reliquien sicher nur der untergeordneten Verwendung beim Abbruch der Stühle verdankt.

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2. Der altgothische Chorstuhl.

An der Südwand des hohen Chores steht ein alter Stuhl mit drei Sitzen, in welchem ebenfalls noch alte Ueberreste verborgen sind. Dieser Chorstuhl ist, ebenfalls um das Jahr 1648, aus verschiedenen Bruchstücken zusammengebracht. Die Sitze und die Rückwand sind jung. Der ungleich dreifach getheilte Baldachin stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Die Seitenstücke sind aber alt. Diese bestehen aus zwei verschiedenen Theilen. Die beiden viereckigen, oblongen Seitenplanken sind alt und gehören sicher zusammen; die darauf genagelten Giebel sind freilich auch alt, gehören aber nicht zu den viereckigen Seitenplanken, sondern sind von andern Seitenstücken abgesägt und auf diese Seitenplanken genagelt. Von diesen Ueberresten sind die beiden zusammengehörenden Seitenplanken allein von Wichtigkeit. Unten ist von denselben auch schon ein Ende, vielleicht so lang als die Sitzhöhe, abgesägt, der obere verzierte Theil ist aber noch vollständig erhalten. Diese viereckigen Seitenstücke sind jetzt noch gegen 6 Fuß hoch und gegen 2 Fuß breit und an den Außenseiten mit Schnitzwerk bedeckt. Die eine Seitenwand stellt die Wurzel Jesse in Weinlaub, die andere einen Bischof unter den Wurzeln eines Eichbaums dar, das Ganze also die Entwickelung des Christenthums und der Kirche in sehr sinniger Anordnung.

Die eine Seitenwand stellt die Wurzel Jesse dar (nach Jes. 11, 1, Matth. 1, 6 u. s. w.) und ist bereits in dem französischen Werke: "Le moyen age monumental et ..archéologique" abgebildet. Auf einem Bette liegt Jsai, auf dessen Brust ein Weinstock wurzelt, dessn zwei Hauptreben sich zu drei elliptischen Medaillons verschlingen, in denen übereinander die drei Hauptpersonen des Stammbaums stehen: unten David mit Krone, Reichsapfel und Lilienscepter, in der Mitte Maria mit den beiden Händen über die Brust gekreuzt, oben Christus, die rechte Hand zum Segnen erhoben, mit der linken Hand das geöffnete Buch haltend; in den Ranken des Weinstocks stehen 6 Propheten mit Spruchbändern (ohne Schrift) in den Händen.

Die andere Seitenwand hat in der obern Hälfte einen Eichbaum, dessen Wurzeln auf der untern Hälfte an beiden Seiten lang herunter hangen. Zwischen den Wurzeln steht eine gothische Nische in altem Spitzbogen, jedoch noch mit rundbogigen Oeffnungen in den Seitenpfeilern; in der Nische steht ein Bischof, mit niedriger Bischofsmütze, die rechte

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Hand zum Segnen erhoben, in der linken Hand einen einfachen Bischofsstab haltend.

Diese beiden zusammengehörenden Seitenstücke sind nun ohne Zweifel auch sehr alt; wenn sie auch nicht mehr dem romanischen Style des 12. Jahrhunderts angehören, so muß man sie doch noch in das 13. Jahrhundert verweisen. Die Arbeit ist zwar vortrefflich; aber sie ist naturalistisch und ängstlich und liegt offenbar in den allerersten Zeiten der gothischen Kunst, als man das natürliche Blattwerk einführte, ehe man es künstlerisch=architektonisch zu behandeln verstand. Die ganze Arbeit ist flach gehalten und mehr gezeichnet und ausgeschnitzt, als modellirt; die Oberfläche liegt fast ganz in einer ebenen Fläche. Die Figuren sind groß und schlank, wenn auch flach. Das Blattwerk ist gut gezeichnet, aber oft klein und naturalistisch behandelt, so daß noch überall die Zeichnung durchschimmert; die Blätter sind nach ihrer Lage je nach der Oberfläche mit vertieften und nach der Unterfläche mit erhabenen Rippen unterschieden und die Rippen der Natur ängstlich nachgeahmt. Die Zweige, welche nach dem natürlichen Wuchs nicht Platz finden konnten, sind als abgehauen dargestellt. Die Kronen sind große, alte Lilienkronen. Das kurze Scepter Davids ist oben mit einer sehr großen, breiten Lilie geschmückt, wie solche auf den großen Brakteaten und andern Werken der romanischen Zeit erscheinen. Die Bischofsmütze ist sehr niedrig und schmucklos; der sehr einfache Bischofsstab hat nur ein einfaches Weinblatt in dem Haken und nur einen kleinen Knopf unter dem Haken. Ueberall zeigt sich, z. B. in der Umrahmung, noch der Rundstab, nirgends ist eine Hohlkehle sichtbar. Die Nachahmung der Natur tritt überall hervor, während die romanische Kunst eine ausgebildete Architektur=Ornamentik hatte, welche mit großer Gewandtheit und Freiheit behandelt ward, wie schon die romanischen Chorstühle zeigen. Die einzige architektonische Stylandeutung, die sich findet, ist der Spitzbogen, unter welcher der Bischof steht; aber dieser gothische Bogen ist sehr einfach, alt und strenge und liegt jedenfalls in den ersten Anfängen der Gothik.

Ich trage daher kein Bedenken, diese Seitenstücke in die Mitte der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ungefähr zwischen 1260-1280 zu setzen, in die Zeit, in welcher der nördliche Theil des Kreuzganges gebauet ward. Daher ist dieses Kunstwerk auch noch sehr alt und sowohl durch Seltenheit, als durch Geist und Zartheit ein sehr ausgezeichnetes Stück.

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3. Der junggothische Chorstuhl.

An der Nordseite des hohen Chors steht ein großer Chorstuhl mit drei Sitzen, welcher in den Seitenwänden und in der Bedachung noch unversehrt ist; es fehlen nur die alten drei Sitze. Er hat einen dreifach getheilten Baldachin und hohe Giebel und Fialen; die ganze Arbeit stammt aus der jüngern Zeit der Gothik und läßt sich ziemlich genau nach der Zeit bestimmen. Die Seitenwände sind nur mit der gewöhnlichen gothischen Architektur geschmückt. Unter den Giebeln stehen jedoch zwei große geschnitzte Wappen, rechts das Wappen des Bisthums Ratzeburg, (eine halbe Burg und ein Bischofsstab), links das Wappen des Bischofs Johann Proel, welcher 1440-1454 den Bischofsstuhl einnahm und in der Kapelle hinter diesem Stuhle begraben ward. Dieser Stuhl, welcher ziemlich gut gearbeitet ist, erhält durch diese Zeitbestimmung eine gewisse Wichtigkeit.

Noch wichtiger aber wird dieser Stuhl durch die gottesdienstliche Bestimmung, welche er hatte. Es ist dies einer jener seltenen Stühle, welche zum Meßdienft gehörten, also ein kirchliches Geräth bildeten, ein sogenannter "Levitenstuhl". Während an der Nordseite (Evangelienseite) des alten Altars das Tabernakel stand, stand an der Südseite (Epistelseite) ein hoher, oft architektonisch reich geschmückter Chorstuhl mit drei Sitzen, in welchen sich der Meßpriester, der Diakon und der Subdiakon anbetend zurückzogen, während das Gloria in excelsis und das Credo gesungen ward. Ich habe diese Stühle in den Jahrb. XXII. S. 218 flgd., berührt und sie in Doberan, Amelungsborn, Maulbronn, Wimpfen und sonst nachgewiesen. Dieser Stuhl in Ratzeburg gehört nach seiner ganzen Einrichtung ohne Zweifel zu den Stühlen für den Meßdienst und stand früher gewiß an der Südseite, von wo er aber vor einem ungeheuren modernen Epitaphium weichen mußte. An seiner Stelle flickte man wohl im 17. Jahrhundert den oben erwähnten altgothischen Stuhl zusammen, welcher viel schmaler und niedriger ist und dem Epitaphium nicht im Wege steht. Leider sind die beiden Chorstühle im J. 1648 schwarz angestrichen, wie überhaupt die todte schwarze Stuhlfarbe in dem weiß getünchten Dome vorherrschend ist.

G. C. F. Lisch.


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Ueber das bronzene Tauffaß von 1290

in der Marien=Kirche zu Rostock,

von

G. C. F. Lisch.

Unter den alten Kunstwerken aus Metall in Meklenburg und vielleicht in Norddeutschland und weiterem Kreise nimmt ein bisher noch nicht besprochenes bronzenes Tauffaß in der Marienkirche zu Rostock durch sein hohes Alter, seine Größe und seine Schönheit unstreitig den ersten Rang ein; ja man könnte demselben wohl eine hervorragende Stelle unter allen Gußwerken des frühern Mittelalters 1 ) zuerkennen.

Das Ganze besteht aus einem runden Tauffaß, welches von vier Figuren getragen und von einem kegelförmigen Deckel zugedeckt wird, auf dessen Spitze ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln steht.

Das Ganze ist über 10 Fuß hamburger Maaß hoch. Das Tauffaß ist 2 1/2 Fuß, die 4 tragenden Figuren sind bis zur Höhe der tragenden Schultern über 1 1/2 Fuß, der Deckel bis zur Spitze des Adlers über 6 Fuß hoch. Das Werk macht also einen sehr großartigen Eindruck und ist in seiner Einrichtung ungewöhnlich, da alte Taufkessel mit Deckeln sehr selten sind. Der Deckel hat in alten Zeiten in Ketten über dem Tauffaß geschwebt, so daß er beim Gebrauche nur zur Seite geschoben zu werden brauchte; hiezu dienten 4 große Bronzeringe, welche von 4 Löwenköpfen am untersten, weitesten Rande des Deckels im Maule gehalten werden.

Das Ganze (Träger, Faß und Deckel) ist von Bronze im Jahre 1290 in Rostock gegossen. Dies sagt deutlich folgende Inschrift, welche in den untern Raud des Deckels eingegossen ist:


1) Ein ähnlicher großes Tauffaß, auch mit einem kegelförmigen Deckel, schöner, jedoch kleiner, vielleicht noch aus dem 12. Jahrh. stammend, findet sich im Dome zu Hildesheim (auch in einem schönen Gypsabgusse im Museum zu Berlin). Ganz alte große Tauffässer (Fünten) im schwierigen Metallguß sind sehr selten. Im 14. und 15. Jahrhundert werden sie, aus verschiedenen Metallen, häufiger. Der hildesheimer Taufkessel ist auch abgebildet im kölner Organ für christliche Kunst, 1862, Nr. 23, 1 Dec., vgl. S. 268, Note. Nach den Angaben bei dieser Abbildung hat der hildeshenner Kessel 6' Höhe und 10 1/3' Umfang.
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Inschrift

d. i. Anno domini M CC nonagesimo in festo Pasche praeparatum fuit baptismum in Roztok.
(Im Jahre des Herrn 1290 am Osterfeste ist fertig geworden die Taufe in Rostock).

Im Original steht wirklich durch Versehen novogesimo statt nonagesimo und pace statt pasce, d. i. paschae. Das Tauffaß ward also in Rostock am 2. April 1290 fertig. Zu dieser Zeit stimmt auch der ganze Styl und der Charakter der Buchstaben der Inschriften, so daß das Alter des Werkes keinem Zweifel unterworfen sein kann.

Das Metall des Ganzen ist eine helle Bronze. Leider sind in jüngern Zeiten die Flächen vergoldet und die Figuren weiß übermalt. Die Zeichnung ist tief gefühlt und für die Zeit correct, der Guß ist überall gelungen, wenn auch rauh und etwas roh. Eine klare Zeichnung würde jedoch sehr schöne Ansichten bieten.

Der größte Schmuck des Werkes besteht in den zahlreichen erhabenen figürlichen Darstellungen, mit denen das Ganze bedeckt ist. Das Tauffaß hat 2 Reihen figürlicher Darstellungen, welche von 3 Bändern mit vertieften Inschriften eingefaßt und getrennt werden. Der Deckel hat ebenfalls 3 Inschriftbänder, aber 3 Reihen figürlicher Darstellungen, indem über dem oberen Inschriftrande an der Spitze unter dem Adler noch eine Reihe von Figuren steht.

Alle Figuren sind im Charakter des 13. Jahrhunderts groß und schlank und kommen den Figuren in dem schönen Altare der Kirche zu Doberan am nächsten. Dieses Tauffaß gehört daher zu den wenigen kleinen alten Kunstwerken, welche noch in Norddeutschland erhalten sind.

Das Tauffaß stammt daher noch aus der alten Marienkirche, von welcher auch nicht die geringste Spur mehr übrig ist, indem die ganze Kirche im 14. und 15. Jahrhundert zu einem ganz gotischen Gebäude umgestaltet ist.

Die Darstellungen auf der Oberfläche bestehen also aus Inschriftbändern und figürlichen Darstellungen. Es kommen zunächst die Inschriftbänder zur Untersuchung. Das Tauffaß hat 3 Inschriftbänder (an den Räudern und in der Mitte), der Deckel hat ebenfalls 3 Inschriftbänder. Die Inschriften, welche nicht ganz leicht zu entziffern 1 ) waren, sind vertieft


1) Im Etwas von gelehrten Rostockschen Sachen, Jahr. V, 1741, Woche 43, S. 685, sind einige Worte und lückenhafte Abschnitte (  ...  )
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in großen gothischen Majuskeln mit. dem Ganzen gegossen. Nach Vollendung der Entzifferung der einzelnen Buchstaben ergab es sich, daß die Inschriften 2 bekannte Gebete der katholischen Kirche: Ave Maria (den Engelsgruß) und Salve regina (Gegrüßt seist du Königin) enthalten. Die Inschriften auf dem Tauffaß gehen von oben nach unten, die Inschriften auf dem Deckel von unten nach oben. Auf dem Tauffaß steht am obern Rande das Gebet Ave Maria in einer Reihe. Mit der mittlern Reihe nach unten beginnt das Salve regina, welches sich nach unten auf den unteren Rand des Tauffasses fortsetzt und auf dem Deckel von unten nach oben in 3 Reihen ausläuft. Auf dem untern Rande des Deckels ist die Inschrift auf die Vollendung des Werkes zwischengeschoben.

Die Inschriften sind folgende, wörtlich nach dem Breviarium Romanum, wie sie noch heute im Gebrauche sind:

Inschriften.

Tauffaß.

Oberer Rand.

Inschrift

d. i. Ave. Maria, gracia plena, dominus tecum, benedicta tu m mulieribus et benedictus fructus ventris tui. Amen.

(Es steht im Originale wirklich t VJ (statt tu), e D (statt et), FR e S VS (statt fruges oder fructus).

Mittlerer Rand.

Inschrift

d. i. Salve, regina, [mater] misericordie; vita, dulcedo et spes nostra, salve. Ad te clamamus exules filii Eve; ad te


(  ...  ) dieser Inschrift mitgeteilt, aber regellos durch einander geworfen und an vielen Stellen ganz falsch wiedergegeben z. B. festo primo tum fuit, statt: In feste pace preparatum fuit u. s. w.
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(Es steht im Originale wirklich c L A M A VS (statt clamamus) und beide Male A D t e (statt ad te); das Wort [mater] fehlt im Originale).

Unterer Rand.

Inschrift

d. i. suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eya ergo, advocata nostra, illos tuos mis [ericordes].

(Es steht im Originale wirklich SVSPIRIMVS (statt suspiramus) und A t VO A t (statt advocata).

Deckel.

Unterer Rand.

Inschrift

d. i. oculos ad nos converte et Jhesum │ Anno domini M c c nonagesimo in feste Pa[ s ]ce preparatum fuit baptismum in Roztoc. │

(Es steht im Originale wirklich NOVO S e SIMO (statt nonagesimo) und P A c e (statt pasce, d. i. paschae).

Mittlerer Rand.

Inschrift

d. i. benedictum fructum ventris tui nobis post hoc ex[ ilium ].

Oberer Rand.

Inschrift

d. i. ostende. O clemens, [ o pia, o dulcis virgo Maria ].

(Es steht im Originale wirklich OS t e N e (statt ostende).

Dieses Antiphon Salve Regina soll schon im 6. Jahrhundert bekannt gewesen sein. Die Schlußworte: O Clemens, o pia, o dulcis virgo Maria soll der heilige Bernhard bei einer

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großen kirchlichen Feier im Dome zu Speier um die Mitte des 12. Jahrhunderts hinzugefügt haben.

Die bildlichen Darstellungen, welche sehr reich sind, stellen in der Hauptsache das Leben Jesu nach den biblischen Berichten dar. Sie beginnen unten am Tauffaß und schreiten nach oben fort, (während die Inschriften auf dem Tauffaß eine umgekehrte Richtung haben), und endigen auf dem Deckel mit kirchlichen Darstellungen.

Das Tauffaß hat zwei Reihen figürlicher Darstellungen, welche von drei Reihen Inschriftbänder begrenzt und getrennt werden. Jede dieser beiden Reihen ist in 16 Felder oder Nischen mit altgothischen Baldachinen getheilt, unter welchen die Figuren stehen. Die untere Reihe der Figuren auf dem Tauffaß beginnt unter den Worten Salve regina, die obere Reihe unter den Worten Ave Maria.

Bildliche Darstellungen.

Tauffaß.

Bildliche Darstellungen - Tauffaß
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Bildliche Darstellungen - Tauffaß
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Bildliche Darstellungen - Tauffaß - Deckel
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Bildliche Darstellungen - Deckel
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Die Träger, welche das Tauffaß tragen, statt Füße, sind 4 große, männliche, bärtige Figuren in langen Gewändern, wie Hemden, barfuß, auf einem Fuße knieend, welche eine umgekehrte große Flasche halten, an welcher etwas wie Wellen herausfließt, wie an dem großen Taufbecken im Dome zu Hildesheim. Diese Figuren stellen eigentlich die vier Ströme des Paradieses vor. Auf dem rostocker Tauffaß bedeuten sie aber die vier Elemente. Auf die 4 Flaschen, welche die 4 Figuren halten, sind die 4 Wörter wenig vertieft eingegossen:

Inschrift

(Das erste Wort ist im Originale wirklich I S NS gezeichnet, statt I S NIS). Möglich ist es, daß die 4 Elemente in höhern Sinne für Ströme des Paradieses oder der Weltschöpfung genommen sind.

Nach diesen Mittheilungen wird es nicht auffallend sein können, wenn wir diese Taufe an Kunst, Technik und Geist für ein sehr ausgezeichnetes Werk des frühern Mittelalters Norddeutschlands halten.

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IV. Zur Münzkunde.


Der Münzfund von Schwiesow.

Von dem

Archivrath Pastor Masch

in Demern.

Am 2. November 1861 wurden auf dem Hofe zu Schwiesow bei Bützow in Meklenburg= Schwerin der dem alten Schafstalle beim Dungabräumen einige Zoll unter der Erdoberfläche gegen 1700 kleinere Silbermünzen 1 ) gefunden und von der Obersten Verwaltungsbehörde des großherzoglichen Hausgutes eingefordert, den Findern vergütet und auf Befehl Sr. K. H. des Großherzogs der großherzoglichen Münzsammlung überwiesen. Die Münzen, ungefähr 3 Pfund an Gewicht, hatten in einem schwärzlichen oder blaugrauen Kruge gelegen, der leider zertrümmert ist, von welchem jedoch noch große Ueberreste eingeliefert sind. Die Münzen selbst waren mit Grünspan bedeckt, zum Theil auch an einander gerostet, - die gewöhnlichen Erscheinungen bei solchen Funden.

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden und ist auch bereits so vielfach ausgeführt und dargelegt worden, daß man sich hier der weiteren Begründung überheben darf, wie seit der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts die marca denariorum Slavicensium, auch als moneta usualis bezeichnet, von der marca denar. Lubicensium unterschieden ward, und daß die erstere Währung halb so viel werth gerechnet ward, als die letztere, und ist dabei auf die bekannten Untersuchungen von Evers und Grautoff zu verweisen. Beide Marken waren aber nur Rechnungsmünze, in welche sich die ausgeprägten Münzstücke einzufügen hatten.

Bereits sind mehrere Münzfunde, welche die Lübische Mark repräsentiren, zur Untersuchung gekommen, so der von


1) Dieser Aufsatz ist auch schon in Köhne's Blättern für Münzkunde u. s. w., Berlin, 1863, gedruckt. In diesem Abdruck ist aber bei der unten folgenden Beschreibung der Münzen in den Umschriften häufig irrthümlich c statt e gesetzt, obgleich der Abdruck sonst correct ist.
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Hagenow (Meklenb. Jahrb. IV, S. 50) und der von Rüst (Jahrb. XV, 335), und es sind bei ihnen die geschichtlichen Verhältnisse dargelegt worden; aber ein Münzfund, welcher die Münzen der Slavischen (wendischen) Mark in ihrem Umlaufsverhältnisse und in ihren Formen zur Anschauung brachte, war noch nicht gemacht, und das ist das hohe numismatische Interesse das der vorliegende Münzfund in seiner Totalität hat, daß wir hier die slavische Mark der späteren Zeit vor Augen haben, von welcher bisher allerdings einzelne Gepräge bekannt wurden, ohne daß man sie so recht eigentlich von dem anderen Münzfuße geschieden hätte.

Die erste Frage ist nun natürlich nach dem Alter dieses Fundes, und um dasselbe festzustellen, dienen die einzelnen Stücke des lübischen Fußes, die sich darunter gefunden, haben. Es wurden ja bekanntlich in den Münzrecessen der hansischen Städte bestimmte Kennzeichen des Gepräges festgestellt, die mit den Jahren geändert wurden, also bestimmte Anhaltspunkte geben, und sind diese Zeichen bei dem Münzfunde von Rüst nachgewiesen. Hier finden sich nun Wittenpfenninge von Hamburg und Wismar vor 1379 und den Rostock vor 1381, aber auch von Lübeck, Hamburg und Lüneburg Münzen, welche in die Zeit von 1403-1410 fallen, und von Lübeck und Hamburg Münzen, die entschieden später sind als 1410. Wir haben demnach die Mitte des 15. Jahrhunderts als die Zeit, wo diese Münzen im Umlauf waren, und stimmen damit die Münzen des Königs Erich von Schweden, der von 1397 bis 1459 regierte. Wollte man es als bestimmt annehmen, daß die pommerschen Münzen von Erich II. ausgegangen sind (vgl. Köhne Beiträge S. 18), so würde man etwas später kommen, da dieser von 1457-1474 regierte; jedoch haben neuere Forschungen, welche bei den pommerschen Münzen speciell angegeben sind, diese Annahme nicht bestätigt.

Führen wir uns nun den Fund in seinem Umfange vor Augen, so ergiebt sich, daß unter diesen 1650 Stücken die in Rostock geprägten die größere Zahl ausmachen, daß also diese Stadt ihr Münzrecht am stärksten ausgeübt hat, während auch in den beiden andern Meklenburgischen Städten, die unter dem Einflusse der slavischen Mark standen, in Güstrow und Gnoien, fleißig geprägt wurde. Ob diese beiden Städte in dieser Zeit, eben so wie die pommerschen Städte, die hier repräsentirt sind, auf landesherrliche Rechnung prägten, oder auf eigene, wofür die Inschrift der Münzen spricht, ist noch immer unentschieden, und trägt auch dieser Fund zur Entscheidung dieser nicht unwichtigen Frage nichts bei, die am Ende doch nur aus dem

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Archive beantwortet werden kann, das aber nach Evers nichts darüber enthält.

Hinsichtlich der Gepräge schließt sich diese Periode der norddeutschen Münzverfassung der früheren hanseatischen, der Wittenpfennige, in der Form so entschieden an, daß das Streben, einen Zusammenhang mit diesen zu erhalten, unleugbar ist. Es ist ferner das Streben sichtbar, daß die verschiedenen Münzstätten ihre Producte unter einander conform gestalten wollten, wie das Zusammenhalten der Pommerschen und Rostocker Münzen es an den Tag legt; daß man letztere als Grundform ansehen muß, ist wohl gewiß, da Rostock den größten Verkehr bei sich hatte. - Die Erscheinung, daß von demselben Typus immer Stempelverschiedenheiten vorkommen, rührt von der Technik her, die es nöthig machte, jeden abgenutzten Stempel durch einen neu geschnittenen zu ersetzen, wo denn die Münzmeister und Eisenschneider es zweckmäßig fanden, beim allgemeinen Festhalten der Form Unterscheidungszeichen anzubringen. Daß darunter verschiedene Schmelzungen bezeichnet werden sollen, ist angenommen, für spätere Zeiten auch gewiß; jedoch um das auch hier bestimmt zu erweisen, müßten Schmelzproben vorgenommen werden, welches den Untergang der Stücke zur Folge hätte, also unthunlich wäre. Auch ist die Entscheidung dieser Frage nicht eben sehr wichtig und kann man sie auf sich beruhen lassen.

Indem man den Urtypus, das Kreuz, festhielt, unterließ man jedoch nicht, das specielle Zeichen des Prägortes möglichst zur Geltung zu bringen, obgleich es meistens nur als ein Beizeichen auftreten konnte, wo es dann allmählig verschwindet. Man kann wohl mit Recht diejenigen Münzen, auf denen es erscheint, als die älteren annehmen. Einzelne Städte haben ihre Zeichen immer festgehalten, so Rostock den Greifen, Stralsund und Anklam den Strahl, Demmin die Lilie, u. s. w.

Im Ganzen haben die Münzeisenschneider besser gearbeitet, als die Präger. Die Stempel sind reinlich geschnitten (es haben sich nur einzelne wenige Stücke gefunden, wo die Buchstaben versetzt waren), die Buchstaben stehen gut in den Kreisen und sind auch gut gebildet; das M kommt seltner vor, die Unciale M ist allgemein, aber das A , das e und N weisen noch auf die frühere Form hin. Die Bilder selbst sind gut und die Greife, die hier so vielfältig vorkommen, heraldich richtig gebildet. Dagegen sind aber die Präge=Maschinen ungemein schwach gewesen, oder vielleicht die Stücke mit dem Hammer geschlagen, nur wenige von ihnen zeigen vollständig den Stempel; die Schrötlinge sind nicht völlig rund geschnitten,

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auch nicht genau der Größe des Stempels angepaßt oder dem Stempel genau untergelegt worden. Beischläge, welche den Stempel theilweise doppelt zeigen, sind auch vorgekommen. Mit einem Worte, die ganze Darstellung der Münzen ist eine im hohen Grade ungenügende und steht der Münzprägung der früheren Wittenpennige bedeutend nach.

Den Hauptbestand dieses Fundes, denn der Hohlpfennige wie der doppelten Stücke (Großpfennige) finden sich unverhältnißmäßig wenige, bilden die den Wittenpfennigen zu 4 Pfennig der früheren Zeit analogen Stücke, welche man gewöhnlich, weil sie den späteren Schillingen an Größe und Werth ähnlich sind, mit diesem Namen zu bezeichnen pflegt, obgleich er ihnen zu der Zeit, als sie eigentlich in Umlauf waren, nicht zukam. Sie wurden zu 1/16 Loth ausgeschrotet und es finden sich auch einzelne wohl erhaltene Stücke, die dies Gewicht haben, jedoch die Mehrzahl ist jetzt leichter und wiegt nur 1/32 Loth mit einem Ueberschuß von 3-5 Aß, hat also ungefähr 1/64 Loth verloren. Ob dieser Verlust nur eine Folge der Abführung im Umlauf oder der mangelhaften Stückelung, oder der Reinigung vom Roste durch Säuren ist, mag dahin gestellt bleiben. Wären sie vollwichtig, so würden 256 Stück auf die rauhe Mark gegangen sein; von den Rostocker Münzen gleichen Gepräges waren so viel vorhanden, daß eine solche Mark ausgewogen werden konnte, und so gab, um mit dem alten Ausdruck zu reden, "de Koopmanns Büdel" 293 Stück, es waren also 37 Stück erforderlich, um den Abgang zu decken. Es war somit diese Münze leichter, als die der Hansestädte, denn von den Wittenpfennigen von 1410 sollten 200 auf die Mark gehen, und sind auch die hier vorkommenden einzelnen Stücke dieser Bestimmung gemäß im Gewichte gefunden; und ebenso ist es auch annähernd ganz richtig, wenn 1411 die Rostocker, Stralsunder, Greifswalder und Anclamer Münze um 1/4 geringer (also zu 3 Pfenning) gegen die Lübische, Hamburgische und Lüneburger Währung gesetzt ward (Grautoff III, S. 205).

Um den Feingehalt dieser Münzen, wenn auch nur annähernd zu bestimmen, wurden 3 7/16 Loth Bruchstücke und abgeschliffene Münzen dem Wardein der Stadt Lübeck zum Einschmelzen gegeben. Die Masse verlor 3/16 Loth und die gewonnene Zaine ist nach der Strichprobe über 11= und unter 12löthig. - Demnach ist also der Werth des einzelnen Stückes in Courant des 14Thalerfußes = 1 Schilling 7 1/3 Pfenning.

Die Münzstätten und das Zahlenverhältniß weis't die folgende Tabelle nach.

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Münzstätten und das Zahlenverhältniß

Das Gewicht dieser Stücke (mit Einschluß der geschmolzenen Zaine ist 2 Pfund 30 1/2 Loth.

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Beschreibung der Münzen.
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Münzfund von Dümmer,

von

G. C. F. Lisch und G. M. C. Masch.

Beim Abbruche eines sehr alten Bauerhauses zu Dümmer bei Wittenburg wurden neben demselben in einem verschütteten Graben im Sommer 1862 viele Münzen gefunden, von denen die meisten, zuerst 2 goldene und 50 silberne, in späterer Zeit noch 41 silberne als der angebliche Rest für die großherzoglichen Münzsammlungen erworben werden konnten, mehrere aber wohl an dem Fundorte von den Findern zerstreut worden sind.

Dieser Münzfund aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts (nach 1513) ist wegen mehrerer bisher nicht bekannter Formen meklenburgischer Münzen der Herzoge Magnus und Balthasar nicht ohne Interesse. Die Münzen sind folgende.

A. Goldmünzen. - Die beiden Goldmünzen sind Goldgulden.

I. Trier, Erzbisthum.

Hs. Schrift.

Auf einem durchgehenden Kreuze ein quadrirter Schild, welcher im 1. u. 4. Felde das Kreuz von Trier, im 2. u. 3. den Raben des Familienwappens zeigt.

Rs. Schrift.

Die Schilde von Mainz, Cöln mit dem Mörsschen Mittelschilde und Pfalz=Baiern in Dreieck gestellt, in der Mitte ein Stern.

Die Münzen des Erzbischofs Rabanus von Trier, aus dem Geschlechte der von Helmstädt, welcher 1431 nicht ohne Widerspruch zur Regierung gelangte, 1438 resignirte und im Privatstande 1439 starb, gehören zu den seltener vorkommenden. Appel Repert. II, 1. S. 309, giebt einen seltenen Groschen desselben an; Köhler im Ducaten=Cabinet hat keinen Goldgulden desselben gekannt; in der Reichelschen Münzsammlung, Th. IV (1842), S. 489, wird ein Goldgulden desselben aufgeführt, der in den Bildern mit dem vorliegenden übereinstimmt, jedoch auf der Rückseite nur die Jahreszahl 1438 zeigt (anno dni MCCCCXXXVIII), er ist wie der unsrige in Coblenz geprägt. Letzterer ist von gutem Gehalte und 1/4 Loth weniger 5 Aß schwer.

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II. Utrecht, Bisthum.

Hs. Schrift.

Der Heilige in bischöflichem Ornate, mit Stab und segnender Rechte.

Rs. Schrift.

In einer dreifach gebogenen und gespitzten Einfassung ein Schild mit dem Kreuze von Utrecht, belegt mit dem Familienwappen (Löwe und Adler, aber sehr undeutlich) im Mittelschilde.

Dieser Goldgulden des BischofsRudolph von Utrecht, Grafen von Diepholz, (erwählt 1433 † 1455), von sehr schlechtem Gehalt und 3/16 Loth schwer, ist bekannt; vgl. Köhler Duc. Cab., S. 517.

B. Silbermünzen.

I. Meklenburg, von den Herzogen Magnus († 1503) und Balthasar († 1507), meistens in den bei Evers M. V. II beschriebenen Formen.

1) Halbreichsort (1 Stück), wie Evers S. 42, 1 Münze).

2) Doppelschillinge (11 Stück), o. J.

a) Hs. Schrift.

Ein quadrirter Schild, mit folgenden Wappen in folgender Stellung,

1. Meklenburg. 2. Schwerin.
3. Stargard. 4. Rostock.

und zwar in folgenden Formen: 1) für Mekleuburg ein vorwärts gekehrter Stierkopf mit aufgerissenem Maule, 2) für Schwerin der queer getheilte Schild, 3) für Stargard ein heraldisch links gekehrter Arm mit einem Ringe in der Hand, 4) für Rostock ein heraldisch links gekehrter, sehr dünnleibiger Greif. Ein Herzschild und der werlesche Stierkopf fehlen sicher. Diese Münze, welche in der Literatur bisher unbekannt gewesen ist, ist die einzige, welche ein vierschildiges Wappen zeigt. Da die Münze schon den stargardischen Arm hat, so muß sie schon den Herzogen Magnus und Balthasar angehören und nach dem J. 1480 oder 1483 geschlagen sein (vgl. Jahrb. XXV, S. 94). - Ueber dem Schilde ein Kleeblatt zwischen 2 Puncten.

     Rs. Schrift.

In einem Vierpaß Blumenvignette auf einem durchgehenden Kreuze der meklenburgische Stierkopf mit Halsfell.

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Die Münze fällt sicher in die Zeit des Ueberganges von dem dreischildigen zum fünfschildigen Wappen, und zeigt, wie man zuerst den stargardischen Arm, und darauf wohl erst den wendischen Stierkopf aufnahm.

Die großherzogliche Sammlung meklenburgischer Münzen im Archive besitzt aus des Archivraths Evers d. j. Zeit ganz dieselbe Münze.

Neben derselben besitzt sie aus derselben Zeit einen zweiten Doppelschilling von Magnus und Balthasar, auch zu Güstrow geprägt, welcher auf der Hs. ebenfalls ein vierschildiges Wappen hat, jedoch in folgender Stellung der Schilde:

1. Meklenburg. 2. Schwerin.
3. Rostock. 4. Stargard.

also 3 und 4 umgekehrt und der Dümmerschen Münze entgegengesetzt. Die Rs. hat den Stierkopf ebenfalls in einem Vierpaß.

b) Hs. Schrift.

Mit einem Vierblatt über dem fünfschildigen Wappen.

     Rs. Schrift.

Auf einem durchgehenden Kreuze ein Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe.

c) Hs. Schrift.

     Rs. Schrift.

mit gleichen, bekannten Wappen.

d) Eben so mit Schrift.

e) Eben so:

     Hs. Schrift.

     Rs. Schrift.

f) Hs. (Kleeblatt) Schrift.

In dem fünfschildigen Wappen ist unten links 4 der werlesche Stierkopf allerdings durch den Herzschild und den abgerundeten allgemeinen Schildrand schon etwas gedreht, so daß der Stierkopf schon etwas schräge gelehnt erscheint, wenigstens ist die linke Hälfte des Maules nicht zu sehen, das Maul etwas aufgebogen und die Krone mit den Hörnern etwas schräge gestellt. Dies wird die Münze sein, auf welcher Taddel nach Evers S. 44 einen schräge gelehnten Stierkopf sah, den Evers noch nicht beobachtet hatte.

     Rs. Schrift.

g) Hs. Schrift.

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Mit einem Kreuze über dem fünfschildigen Wappen.

     Rs. Schrift.

Die übrigen 4 Doppelschillinge sind von den in Evers beschriebenen Formen.

3) Schillinge (10 Stück) o. J.

a) Ein Schilling, ist bisher unbekannt gewesen:

     Hs. (Wiederkreuz) Schrift.

Im Anfange der Umschrift ein Wiederkreuz, d. h. ein Kreuz, an welchem jeder Balken am Ende wieder zum Kreuze gestaltet ist. Ueber dem Schilde mit dem Stierkopfe ein Stern.

     Rs. Schrift.

Die Formen der Wappen und Buchstaben sind alt, strenge und schön und das Gepräge ist scharf: die Münze ist gewiß alt.

b. Ein anderer Schilling

     Hs. Schrift.

     Rs. Schrift.

bietet auch eine neue Form, indem der Slierkopf auf der Hs. nicht auf einem Schilde, sondern in dem runden Felde steht.

4) Sechsling (2 Stück) o. J., von der bekannten Form.

II. Rostock.

Schillinge (15 Stück) o. J. in der bekannten Form, mit Greif auf der Hauptseite und einem r auf durchgehendem Kreuze auf der Rückseite (Eders S. 391); die Beizeichen im rechten Unterwinkel waren Stern, Dreiblatt, Dreiblatt und Pyramide, Hund.

Sechsling (1 Stück) o. J. mit Stern als Beizeichen.

III. Pommern, von dem Herzoge Bugislav X. Schillinge (48 Stück) in den bekannten Formen mit dem Greifen auf der Hauptseite und dem rügenschen Schilde auf der Rückseite. Es waren folgende Jahre: von Stettin 1499, 1500, 1501, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 11, 15, von Damm 1492, 93, 94, 96, 97, 99, 1500 und o. J., von Garz 1480, 1481 und 1511, und auch Schillinge ohne Jahreszahl von diesen Prägeorten, vorhanden. Nach der großen Anzahl in diesem Funde, wie in andern ähnlichen Funden, haben diese Münzen in dieser Zeit am zahlreichsten coursirt.

IV. Stralsund.

Schillinge (2 Stück) von 1511.

Sechsling (1 Stück) von 1513.


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Die Münzen
des Herzogs Christoph zu Meklenburg,

Administrators des Bisthums Ratzeburg.

Vom
Archivrath Pastor Masch in Demern.


Die Münzgeschichte des Bisthums Ratzeburg wird schwerlich klar dargestellt werden, denn die Quellen für dieselbe sind als verloren anzusehen. Es waren zwei Actenbunde über diese Angelegenheit im Ratzeburger Archive; aber die sind 1740 nach Neustrelitz eingefordert worden und weder zurück gesandt, noch jetzt dort vorhanden. Von den wenigen zurück gebliebenen Stücken gehört nur eins der früheren Zeit an.

Auch jetzt noch muß ich meine, vor Jahren in der Geschichte des Bisthums Ratzeburg S. 519 ausgesprochene Ansicht, daß Herzog Christoph (reg. 1554 - 1592) der erste war, welcher bischöflich Ratzeburgische Münzen schlagen ließ, aufrecht halten. Es ist mir nirgends eine Münze eines frühern Bischofs vorgekommen, auch unter den Hohlmünzen des 14. und 15. Jahrhunderts ist keine, deren Bild man auf Ratzeburg deuten könnte. - Leitzmann Geschichte der gesammten Münzkunde (1828) S. 98 sagt wörtlich: "Bistum Ratzeburg. Von ihm sind nur unter seinen beiden letzten Bischöfen Münzen bekannt, außer einigen Groschen zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Im Jahr 1648 wurde es in ein Fürstenthum verwandelt und dem Herzoge von Meklenburg übergeben, wovon ein Theil Dänemark erhielt. Von Seiten Meklenburgs sind Münzen für dies Land vorhanden, aber nicht von Seiten Dänemarks". So wie hier in den historischen Angaben Wahres und Falsches gemischt ist, so wird es auch wohl mit den numismatischen der Fall sein, und wahrscheinlich hat Leitzmann das 16. und 17. Jahrhundert verwechselt und die Doppelschillinge des Bischofs August von 1611-1620 in der Erinnerung gehabt, welche in drei Hauptformen: mit drei Helmen über dem Wappenschilde, mit diesem allein (alle diese mit dem neu angenommenen Bilde im Mittelschilde) und mit dem alten bischöflichen Wappen allein, vorkommen. Die letztere Form, in vielfacher Hinsicht die interessanteste von allen, hat Lisch, Jahrbuch XIX, S. 418, zuerst zur Kenntniß gebracht.

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Die "Numismatische Zeitung" Weißensee 1863, Nr. 6, S. 43 giebt an, daß den einem erhaltenen Münzrecht sich keine Nachricht vorgefunden, und die bekannt gewordenen Münzen in das sechzehnte Jahrhundert gehören.

Die älteste Spur, daß dem Bisthum von Kaiser und Reich das Recht Münzen zu schlagen zugestanden ward, ist ein Erlaß des Königs Ferdinand, d. d. Regensburg, 15. März 1557, worin der auf dem Reichstage daselbst gefaßte Beschluß, daß nur nach der Ordnung des Reiches von denen, die das Münzrecht haben, gemünzt werden solle, bekannt gemacht wird. Da dieses Mandat (nicht in Hirsch Münz=Archiv enthalten), durch Unterschrift und Siegel originalisirt, dem Bisthum mitgetheilt ward, wie es jetzt noch im Ratzeburger Archiv sich befindet, so ist der Schluß wohl gerechtfertigt, daß man dem Bischof das Münzrecht zugestand, wohl als eine Folge der unmittelbaren Reichsstandschaft des Bisthums, welche schon seit längerer Zeit durch Theilnahme an den Reichstagen u. s. w. ausgeübt wurde. (S. Gesch. d. Bisth. Ratzeb. S. 490.)

Herzog Christoph als Administrator hat nun von dem Rechte Münzen zu schlagen Gebrauch gemacht, und gab ihnen auch durch Aufprägung des kaiserlichen Adlers und Titels die vorgeschriebene Form. Es ist bereits durch Evers Meklenb. Münzverfassung II, S. 33 aus den Niedersächsischen Kreisacten von 1585 mitgetheilt, daß der Herzog durch einen Lübeckischen Goldschmied Hans Wechsel einige wenige ganze, halbe und Ortsthaler in Schönberg habe prägen lassen. Wenn Evers hinzusetzt "wovon noch keine bekannt geworden sind" so ist er, was die Thaler betrifft, durch die Annahme, daß sie eben vor oder im Jahre 1585 geprägt seien, getäuscht worden, denn die ganzen Thaler waren ihm bekannt.

Die älteste Münze des Herzogs Christoph ist nun aber der halbe Thaler, der bisher gänzlich unbekannt war und zu den seltensten Münzen gerechnet werden muß.

Abbildung der Münze.
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Die Hauptseite zeigt das meklenburgische Wappen in der damaligen vollständigen Form den 4 Feldern mit dem Mittelschilde. Auf dem Schilde in deutscher geschweifter Form ruht eine Bischofsmütze, und 2 Bischofsstäbe sind hinter denselben gestellt, zu den Seiten steht die Jahreszahl 15-76. Die Umschrift in punktirten Kreisen:

Umschrift.

Die Rückseite zeigt den Reichsadler mit Scheinen um die Köpfe, mit dem Reichsapfel auf der Brust, worin die Zahl 16, die Krone geht in die Umschrift:

Umschrift.

Der Stempel ist rein und gut geschnitten, das Gepräge jedoch auf der einem Stelle der Umschrift schwach (jedoch erkennbar) ausgefallen. Das in meiner Sammlung befindliche Exemplar wiegt 1 Loth weniger 3 Aß, ist also ganz der Reichsordnung gemäß ausgeschrotet.

Einige Jahre später 1581 ward der ganze Thaler geprägt, der bekannt ist, aber immer noch zu den seltenen Münzen gehört.

Abbildung der Münze.

Er hat auf der Hauptseite das Bild des halben Thalers beibehalten, und steht an den Seiten des Schildes die Jahreszahl 15-81; es finden sich von ihm mehrere Stempelverschiedenheiten in der Umschrift angegeben:

Umschrift. 1

1) Evers II, S. 32, 1. - v. Madai I, Nr. 1348 - v. Schultheß=Rechberg Thaler=Cabinet II, Nr. 4706. - de Zetter (Arend) Münzbuch, S. 152. - Köhne Zeitschrift II, S. 166 aus Hupel Nord. Miscellen III, IV, 134. - In der großherzogl. Münzsammlung im Archive zu Schwerin.
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Umschrift. 2
Umschrift. 3

Die Rückseite ist in der Form des Adlers und Reichsapfels dem halben Thaler gleich, doch ist die Zahl 32 im Reichsapfel. Es werden zwei verschiedene Umschriften angegeben:

Umschrift. 4
Umschrift. 5

Das Gewicht des vorliegenden, nicht stark ausgeprägten Thalers meiner Sammlung ist 2 Loth weniger 4 Aß; er ist vollgültig ausgeschrotet und auch so anerkannt.

Die späteste Münze, welche Herzog Christoph schlagen ließ, ist, so viel man weiß, der Schilling von 1588.

Abbildung der Münze.

Auf der Hauptseite ist im geriefelten Rande der meklenburgische gekrönte Stierkopf mit Halsfell und Nasenring, zur Seite steht 8 - 8 und über demselben in der Umschrift:

Umschrift.

eine Bischofsmütze zwischen zwei Stäben.

Die Rückseite hat die durch ein durchgehendes Lilienkreuz geteilte Umschrift im geriefelten Rande

Umschrift.

und in den Winkeln des Kreuzes

D D E F

Es ist bereits früher (Jahrb. XII, S. 490) von mir darauf hingewiesen, wie es unerklärlich ist, daß der Herzog auf diese kleine Münze den Titel des Bischofs setzen ließ, den er so wenig auf seinen großen Münzen, wie in seinen Urkunden gebrauchte, wo er sich immer Administrator nennt.


2) v. Schultheß=Rechberg a. a. O. Note. In der königl. Münzsammlung in Berlin. Aus meiner Sammlung vorstehend abgebildet.
3) Evers a. a. O. 2, aus Manzel, Bützow. Ruhestunden, Th. 15, S. 77, Nr. 20 angeführt.
4) An allen unter 1 - 3 angeführten Stellen.
5) Evers a. a. O. 3, aus einem Auctions=Catalog, Hamb. 14. Nov. 1746, S. 99, Nr. 710 angeführt. Ob die Angaben hier und oben unter 3 genau sind, kann ich nicht entscheiden.
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Die Rückseite dieses Schillings, der 1/16 Loth wiegt, und außer in der meinigen, auch in der Rostocker Münzsammlung sich befindet, ist offenbar den Schillingen der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich nachgebildet, welche auch in den Winkeln des Kreuzes die Anfangsbuchstaben ihres Wahlspruchs haben; der wird also auch hier anzunehmen sein. Aus Schlüsselburgs Leichenpredigt kennen wir seinen Wahlspruch: Jch traw auff Gott und erwarte der Zeit, oder: Expecto in deum et spero Silendo; der trifft hier nicht zn, und die früher gegebene Deutung: De deo est fortiudo, läßt sich nicht urkundlich begründen.

Der erwähnte Ortsthaler ist bis jetzt noch nicht aufgefunden worden und würde ich mit größtem Dank es erkennen, wenn Jemand, der die Bitte erfüllen kann, mir Nachweis davon geben wollte.


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Medaille und Wachsmedaillon des Herzogs Heinrich des Friedfertigen von Meklenburg,

vom
Archivrath Dr. Lisch in Schwerin.

Nachfolgende Zeilen haben den Zweck, einen Blick in die unübertreffliche alte Medaillenarbeit zu eröffnen; nicht ohne Werth ist für diese Darstellung die kleine Geschichte der Entdeckung des Verfahrens in einem einzelnen Falle.

Im Jahre 1828 erschien zu Wien: "Bildnisse der regierenden Fürsten und berühmter Männer in einer Folgereihe von Schaumünzen, zusammengestellt von C. G. Heräus". In diesem Werke ist auf Tafel 46, Nr. 1, auch eine silberne Medaille auf den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg (geb. 1479, reg. 1503 † 1552) abgebildet. Von dieser nicht sehr ausgeführten, aber doch charakteristischen Abbildung schenkte der verstorbene tüchtige F. W. Kretschmer, Gehülfe am königl. Münz=Cabinet zu Berlin, in einer großen Sammlung von ihm meisterhaft gezeichneter unedirter meklenburgischer Münzen dem Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde im J. 1838 eine Abzeichnung und führte dadurch diese Medaille in die meklenburgische Numismatik ein. Nach allen Anzeichen war diese Medaille die älteste meklenburgische Medaille und wahrscheinlich von guter Arbeit, obgleich sie nur durch wiederholte Copie bekannt geworden war.

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Während des großen Schloßbaues zu Schwerin ward zu der mir Allerhöchst übertragenen Herstellung der fürstlichen Ahnengallerie das Bedürfniß guter Vorbilder des Herzogs Heinrich, welche in Meklenburg ganz fehlten, fühlbar; ich fand ein solches endlich zu Gotha, und später ein anderes zu Gripsholm. Diese Bilder waren zwar ganz gut, schienen aber etwas materiell aufgefaßt zu sein. Ich bemühete mich daher nach dem Originale der von Heräus bekannt gemachten Medaille und fand auch dasselbe, wahrscheinlich das einzige Exemplar, im kaiserlichen Münz=Cabinet zu Wien. Ich erhielt auf meine Bitten bereitwilligst einen guten Gypsabguß und überzeugte mich bei dessen Anblick, daß das Portrait dieser Medaille ein äußerst geistreich und kunstreich ausgeführtes Kunstwerk sei, welches einem Maler zu einem Bilde des Herzogs wohl dienen konnte. Freilich war die Medaille, welche ohne Zweifel modellirt und gegossen war, nicht ganz scharf ausgeprägt und hin und wieder, wie gewöhnlich, etwas gedrückt und abgescheuert. Der Gypsabguß that aber seine guten Dienste und ward dann vorläufig in der Münzsammlung niedergelegt.

Im Julii 1861 zeigte mir zu Nürnberg im Germanischen Museum der Freiherr von Aufseß ein Kästchen mit sieben äußerst zarten und meisterhaft ausgeführten Wachsmedaillons, welche das Museum kurz vorher erworben hatte, und unter denen sich auch das Bildniß des Herzogs Heinrich des Friedfertigen befand. Mit andern Arbeiten vollauf beschäftigt, konnte ich augenblicklich die Sache nicht weiter verfolgen; aber nachdem ich heimgekehrt war, tauchte in mir die Erinnerung an diese kleinen Meisterwerke wieder auf, und ich bat das Germanische Museum um Photographien von dem Wachsmedaillon des Herzogs Heinrich, welche mir auch bereitwilligst gesandt wurden. Zu gleicher Zeit machte das Germanische Museum den Fund der sieben Medaillons in dem "Anzeiger "des German. Museums" 1862, Nr. 8, Angust, S. 276, mit dem Holzschnitt eines der Medaillons, des Kurfürsten und Cardinals Albrecht von Brandenburg, bekannt.

Als ich den Gypsabguß der Wiener Medaille und die Photographie des Nürnberger Medaillons neben einander vor mir liegen hatte, überzeugte ich mich sogleich, daß die Medaille und das Medaillon dieselbe Arbeit seien oder vielmehr, daß die silberne Medaille ein Abguß von dem wächsernen Medaillon sei, welches sich wunderbarer Weise über 300) Jahre unversehrt erhalten hat.

Ich lasse zunächst die Betreibung nach den Mitheilungen des Germanischen Museums im Anzeiger folgen. "Mit

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einer eigenthümlichen, aber sehr wirkungsvollen Technik ist ein schwarzes, rundes Schieferplättchen als Unterlage für das eigentliche Bildwerk gebraucht, das ganz aus weißem Wachs in schwachem Relief an den Umrissen der Figuren ausgeschnitten ist. Die Umschriften, ganz wie auf Münzen und Medaillen angebracht, bestehen ebenfalls aus ausgeschnittenen Buchstaben aus weißem Wachs. Die Ausführung dieser Arbeiten zeugt von großer Wissenschaft. Das Relief ist sehr schwach, die Masse so dünn aufgetragen, daß an manchen Stellen der dunkle Grund durchscheint, und indem diese mit Absicht meistens auf den Hintergrund, oder die mehr zurückweichenden Flächen der Figuren vertheilt sind, ist mit der Plastik eine sehr wirkungsreiche Malerei verbunden".

Es sind sieben Medaillons, welche kürzlich in den Besitz des Germanischen Museums gekommen sind". Nach brieflichen Mittheilungen hat das Germanische Museum diese Medaillons aus dem Nachlasse des "kürzlich zu Erlangen verstorbenen Hofraths Böttiger erworben, welcher sie lange besessen hat; es läßt sich aber nicht mehr nachweisen, woher dieser sie erhalten hat". In dem "Anzeiger" berichtet das Germanische Museum weiter: "Sechs dieser Medaillons, deren Durchmesser sich von 1" 2'" bis 1" 9'" erstreckt, enthalten Bildnisse bekannter und unbekannter Personen, eins eine allegorische Darstellung. Die dargestellten bekannten Personen sind: Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg (1479 - 1552), Cardinal Albrecht von Brandenburg. Kurfürst von Mainz (1490-1545)". dessen Medaillon im Anzeiger abgebildet ist, "und Kurfürst August von Sachsen (1526-1586)". Die übrigen Medaillons sind bis jetzt noch nicht erkannt.

Ich will hier nur die Medaille auf den Herzog Heinrich den Friedfertigen von Meklenburg behandeln, weil diese bis jetzt allein eine klare Einsicht gewährt. Ich theile hier auf der folgenden Seite einen auf Kosten Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich Franz II. von Meklenburg=Schwerin ausgeführten Holzschnitt von der Vorderseite und von der Rückseite der silbernen Medaille mit, die Vorderseite nach dem Original=Wachsmedaillon in Nürnberg, die Rückseite nach dem Gypsabguß den der silbernen Medaille in Wien 1 ).


1) Der Holzschnitt ist, soweit die Arbeit Gesichtsähnlichkeit und Haltung behandelt, leider nicht ganz nach Wunsch gelungen, da der nürnberger Künstler, welcher auch das Medaillon des Cardinals Albrecht geschnitten hat, während der Arbeit starb und diese von einem andern Künstler vollendet werden mußte.
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Abbildung der Medaille.

Ich bemerke hier vor allen Dingen, daß das Wachsmedaillon und die Vorderseite der silbernen Medaille durchaus in jeder Hinsicht identisch sind, mit Ausnahme daß die silberne Medaille ein wenig stumpfer ist, daß es daher einer Abbildung der Vorderseite der silbernen Medaille nicht bedarf; dagegen fehlt in Nürnberg ein Medaillon für die Rückseite der Medaille. Das Wachsportrait des Herzogs Heinrich ist äußerst charakteristisch und sehr klar und scharf ausgeführt; es ist ein Portrait im höhern Sinne des Wortes, unzweifelhaft eine Gesammtauffassung des Mannes. Das Wachsrelief ist nicht höher, als ein flaches Medaillonrelief und als das Relief auf der silbernen Medaille.

Es ist die Frage, zu welchem Zwecke das Medaillon angefertigt ist. Ich glaube, daß es ein Original=Portrait ist, um davon Formen zu nehmen, aus welchen beliebig viele Medaillen in Metall abgegossen werden konnten. Die Fürsten haben ohne Zweifel Auftrag zu Medaillen, welche auch zu "Gnadenpfennigen" benutzt wurden, gegeben und dem Künstler, welcher ohne gezeichnete Hülfsmittel die Portraits gleich in Wachs modellirte, persönlich dazu gesessen. Man sieht es der silbernen Medaille an, daß sie ein etwas stumpferer Abguß von dem Medaillon ist. Das germanische Museum wirft die Ansicht auf, daß es "bei der Feinheit und "Schärfe der Arbeit kaum glaublich scheinen könne, daß diese aus freier Hand auf den Grund aufgetragen sei, und daß man versucht sei zu glauben, daß das Bild zuerst vertieft in Metall ausgeführt" und hieraus in Wachs ausgedrückt worden sei. Jedoch fügt das germanische Museum hinzu, "bemerkt man in den Schieferplatten an einigen Stellen, wo das Wachs weggesprungen, leicht eingerissene Vorzeichnungen, so daß es. doch wahrscheinlich wird, daß die Bilder aus freier Hand

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"modellirt wurden". Ich glaube aber von vorne herein annehmen zu müssen, daß das Wachsmedaillon die erste, ursprüngliche Arbeit sei; denn theils lag es durchaus in der Arbeitsweise jener Zeit, die Medaillen zu modelliren oder in Stein oder Holz zu schneiden, um eine Form zu gewinnen, und dann zu gießen, theils würde sich eine so große Weichheit und künstlerische Vollendung durch Graviren in Metall gar nicht erreichen lassen. Die Schönheit der alten Medaillen beruht wesentlich grade darin, daß sie als Portraits von bedeutenden Künstlern modellirt und dann gegossen wurden. Eine technische Schwierigkeit bestand allein darin, von dem zarten Wachsmedaillon eine Form zum Abgießen zu nehmen; aber diese werden die gewandten Techniker jener Zeit auch wohl zu überwinden gewußt haben. Sonst bliebe noch immer die Annahme übrig, daß das Wachsmedaillon nur als Vorbild für gleiche Medaillons in Holz, Speckstein u. dgl. gedient habe, um von diesen Formen zu nehmen. Das nürnberger Wachsmedaillon ist ohne Zweifel das Original und das einzige Exemplar dieser Art, welches existirt hat. Es wurden bei dem Künstler metallene Medaillen in gewisser Anzahl bestellt und zur Anfertigung dieser behielt er das Originalmodell zurück; dadurch erklärt es sich auch, daß so viele Wachs=Medaillons, welche in der Zeit gewiß weit aus einander liegen, so lange Zeit beisammen blieben. Ich kann daher mit dem German. Museum nicht glauben, daß diese Wachsmedaillons als "Portraits" vervielfältigt und zum "Kaufe" aufgeboten wurden.

Ob die Rückseite der silbernen Medaille mit dem meklenburgischen Wappen von demselben Künstler modellirt sei, läßt sich nicht bestimmen; es ist aber sicher, daß die Rückseite mit Rücksicht auf das Wachsmedaillon ausgeführt ist, da auf derselben die Umschrift in gleicher Weise fortgeführt ist. Wahrscheinlich ist es, daß die Rückseite ein anderer, mehr untergeordneter Künstler modellirte.

Daß aber die Vorderseite der silbernen Medaille von dem Wachsmedaillon abgeformt ist, geht, außer der völligen Portraitgleichheit, aus allen Eigenthümlichkeiten der Umschrift, z. B. DV: ftatt DVX:, aus der Stellung der Buchstaben, der Interpunction und allen andern Umständen unbezweifelt hervor.

Von Wichtigkeit ist die Beantwortung der Frage nach der Zeit der Verfertigung dieser Medaille auf den Herzog Heinrich. Vorausgesetzt, daß alle Wachsmedaillons von einem und demselben Künstler herrühren, so ist das Medaillon des Kurfürsten August von Sachsen das jüngste, da dieser als

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Kurfürst (elector) bezeichnet wird, zu der Würde aber erst 1553 gelangte; doch muß nach Tracht und Gesichtszügen das Bild bald nach dieser Zeit aufgeführt sein. "Die andern "Portraits sind wahrscheinlich älter." Das Portrait des Herzogs Heinrich giebt aber vielleicht einen Anhalt für den frühesten Zeitpunkt der Anfertigung. Der Herzog erscheint auf dem Medaillon in seinen besten Mannesjahren, eher jung, als alt. Ich möchte annehmen, daß er höchstens 50 Jahre alt gewesen sei, als das Bild modellirt ward. Dann würde dieses im J. 1530 ausgeführt sein. In diesem Jahre war aber der Herzog auf dem Reichstage zu Regensburg (vgl. Jahrbücher des Vereins für meklenburg. Geschichte XXVI, S. 17), und es ist sehr wahrscheinlich, daß er sich während dieses Reichstages oder während eines andern in der Zeit nahe liegenden hat portraitiren lassen. Ganz gleich mit diesem an Größe und Technik ist das Medaillon des Cardinals Albrecht, welches jedenfalls mehrere Jahre vor 1545 gemacht sein muß. Man ist also genöthigt, die Ausführung dieser beiden Medaillons in die Zeit um das Jahr 1530 oder spätestens zwischen 1530 und 1540 zu setzen. Daß die Medaillons in Süddeutschland gemacht sind, beweiset sowohl der Styl in jeder Hinsicht, als auch die Gegend der Wiederauffindung; denn wahrscheinlich sind sie immer in dem jetzigen Baiern geblieben. Jedenfalls aber besitzen wir in diesen Medaillons Kunstwerke aus der besten Zeit der nürnberger Kunst.

Die Medaille ist aber dadurch von besonderm Werthe, daß sie ohne Zweifel die älteste und beste Medaille einer meklenburgischen Person ist, und einen seltenen und noch klaren Blick in das Kunstverfahren und die Meisterschaft der besten Zeit der deutschen Kunst eröffnet.


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V. Zur Geschlechter= und Wappenkunde.


Die stammverwandten Familien

von Holstein und Kruse,

von

G. C. F. Lisch.

Es kann nach den Forschungen der neuesten Zeit wohl nicht mehr bezweifelt werden, daß in der Regel alte adelige Familien, welche gleiches Wappen und nahe liegende Wohnsitze haben, von einem und demselben Stammvater herkommen, auch wenn sie verschiedene Namen führen. Es reden in der alten Zeit viele Anzeichen dafür: solche Familien pflegen häufig denselben Besitz zu haben oder nahe bei einander zu wohnen, gegenseitig für sich zu bürgen und zu zeugen und sonst viel gemeinschaftlich zu handeln und sich beizustehen. Urkundenbeweise für die Stammverwandtschaft gleich beschildeter und behelmter Familien sind aber äußerst selten; in Meklenburg ist es bis jetzt nur gelungen, die Stammverwandtschaft der Familie Hahn und v. Dechow, welche dasselbe Wappen führen, urkundlich zu beweisen: vgl. Lisch Geschichte des Geschl. Hahn, I, S. 41 flgd.

Zu den Familien, deren Stammverwandtschaft jetzt auch urkundlich nachgewiesen werden kann, gehören die Holstein und Kruse, von denen die Familie Holstein noch blühet, die Familie Kruse aber im J. 1848 ausgestorben ist.

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Die Familie v. Holstein war im Mittelalter sehr mächtig und bewohnte mehrere Jahrhunderte lang die außerordentlich große und feste Burg Ankershagen bei Penzlin, von welcher noch ungewöhnlich ausgedehnte Ruinen zeugen (vgl. Jahrb. VIII, S. 124, und XXVI, S. 213).

Die Familie Kruse war ebenfalls sehr angesehen und saß auf der nicht weit von Ankershagen belegenen Burg Varchow.

Beide Familien führten in alten Zeiten einen längs getheilten Schild, in dessen rechter Hälfte ein Flügel, in der linken Hälfte eine ganze und eine halbe Rose stehen. Der Helm trägt, gewiß als uraltes Gnadenzeichen der meklenburgischen Fürsten, einen Stierkopf, zwischen dessen Hörnern der Flügel aus dem Schilde steht. In neuern Zeiten ist die Stellung umgekehrt geworden, indem die Rosen in der rechten Hälfte, der Flügel in der linken Hälfte steht. Beide Familien scheinen sich dadurch zu unterscheiden, daß die v. Holstein einen silbernen, die Kruse einen schwarzen Flügel haben; sonst sind die Färbungen gleich. Ob diese Verschiedenheit sehr alt ist, läßt sich noch nicht beweisen; es kommt jedoch öfter vor, daß selbst verschiedene Linien einer und derselben Familie gleiches Namens sich durch verschiedene Färbung irgend eines Wappenstückes unterscheiden.

Die Familie v. Holstein hat wohl ohne Zweifel den Namen davon, daß sie aus dem Lande Holstein stammte; daher führen die Glieder derselben in alter Zeit immer den Namen Holste, oder lateinisch Holtsatus. d. h. nach alter Redeweise: der Holsteiner. Es gab in Meklenburg mehrere, theils adelige, theils Patricier=Familien mit dem Namen Holstein (vgl. z. B. Jahrbücher XI, S. 176); hier sind aber nur die Holstein auf Ankershagen gemeint, welche mit den Kruse immer und unveränderlich dasselbe, oben beschriebene Wappen führen.

Der Stammvater dieser Familie ist mehr als wahrscheinlich Heinrich Holstein ("Hinricus Holtsatus"), welcher im Gefolge des Fürsten Borwin I. von Meklenburg schon am 24. Junii 1218 bei der Bewidmung der Stadt Rostock und am 7. Junii 1222 bei der Stiftung des Klosters Tempzin vorkommt.

Schon im Anfange des 14. Jahrhunderts erscheinen die Familien Holstein und Kruse, wie sehr viele alte Familien, im östlichen Meklenburg mit dem alten, festen Güterbesitze, welchen sie in der Folge lange Zeiten hindurch behaupteten.

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Die Familie Kruse erscheint schon am 13. Juli 1326 im Besitze von Varchow, als "Eckhard, Reiner und Dietrich "Krusen zu Varchow" die Kapelle zu Lehsten gründeten, und darauf am 22. März 1342 nach einer Urkunde des Klosters Broda ("Reynekinus et Thydericus fratres dicti Krusen, filii domini Reynekini Crusen, quondam militis pie memorie, commorantes inmvilla Verchowe").

Die Familie v. Holstein besaß in demselben Jahre 1342 das Gut Zierzow bei Neu=Brandenburg ("Joachim et Vicke fratres dicti Holzste, famuli filii domini Arnoldi Holzste, quondam militus felicis recordacionis, commorantes in villa Cyrizsowe"). Die Familie wird seit der deutschen Gründung im Besitze des Gutes gewesen sein, denn am 2. Febr. 1352 verkauften die Brüder Joachim und Vicke Holstein das Gut, wie es seit der ersten Gründung gelegen und von ihren Vorältern besessen war ("sicut bona a primeua sui plantacione sunt sita et radicata et quemadmodum nos nostrique parentes ac progenitores bona eadem hactenus possedimus"). Ein hervorragendes Glied dieser Familie war der Ritter Heine Holstein (1317 † 1342), welcher in der Zeit 1328-1337 als Vogt zu Penzlin vorkommt und wahrscheinlich auch im Pfandbesitze der Vogtei war.

Damals waren die v. Holstein wahrscheinlich noch nicht im Besitze von Ankershagen. Das Dorf Ankershagen ist wohl sicher von der Familie von Anker gegründet und aus Wald (Hagen) urbar gemacht. Diese Familie v. Anker hat Namen und Ursprung mehr als wahrscheinlich von dem Dorfe Anker in Sachsen=Lauenburg, ungefähr eine Meile westlich von Ratzeburg. Am 1. Mai 1266 ward die Kirche zu Ankershagen geweihet, welche als Filial von Freidorf von dem Ritter Eckhard v. Ankershagen gebauet und bewidmet war (vgl. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1080). Dieser Ritter Eckhard v. Ankershagen (oder besser v. Anker) ist wohl der Gründer des Gutes Ankershagen und der Stammvater der Familie v. Anker in Meklenburg. Man hat wohl geglaubt, die Holstein seien die Gründer von Ankershagen und die v. Anker ein Zweig der Familie v. Holstein. Aber dies kann nicht der Fall sein. Die Familie v. Anker war eine eigene Familie, kommt aber in Meklenburg sehr selten vor. Im J. 1328 erscheint in einer Brodaer und im J. 1342 in einer Wanzkaer Urkunde ein Knappe Eckhard von Anker, welcher einen Schild mit einem stehenden Schiffsanker im Siegel führt, welches die Umschrift hat:

Umschrift.
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Nicht lange hernach wird die Familie von Anker in Meklenburg ausgestorben und das Gut Ankershagen in den Besitz der v. Holstein übergegangen sein, um so mehr, da im J. 1342 die Holstein und Kruse 32 Hufen und ihren Hof in Zierzow, also wohl das ganze Gut, verkauften. Uebrigens wird in alter Zeit nur das Dorf mit dem Namen Ankershagen belegt; der Hof oder die Burg, welche eine ganze Strecke von dem Dorfe entfernt ist, führte seit dem 16. Jahrh. gewöhnlich den Namen Wickenwerder (Vickenwerder?).

Der bisherige Stammbaum der Familien v. Holstein und Kruse ist noch sehr mangelhaft und unrichtig. Ich gebe hier nach sicheren Originalquellen eine Tafel, welche die Verwandtschaft während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also der Entwickelungszeit dieser Familien, darstellt und für diese Zeit auf Richtigkeit, jedoch nicht auf Vollständigkeit Anspruch macht.

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Stammtafel.
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Die Stammderwandtschaft der beiden Familien v. Holstein und v. Kruse wird nun nicht allein durch die Gleichheit ihrer Siegel, sondern auch durch ausdrückliche Urkundenzeugnisse bestätigt.

Als der Ritter Heine Holstein, auf dem Schlosse zu Penzlin wohnhaft, eine neu gestiftete Vikarei in der Klosterkirche zu Broda am 26. Jan. 1337 mehrte und ordnete, bezeugten und besiegelten zu Penzlin die darüber ausgestellte Original=Urkunde "seine Vettern Joachim Holstein und "Reineke und Thideke Krusen, Brüder" ("To tughe hebbe ick Heyne Holste, ridder, wanachtich vppe deme slote to Pentzelyn, vnde myne vedderen Jachim Holste, Reyneke vnde Tideke brodere gneheten Krusen, knapen, vnse ynghezeghele heten henghen vor dessen bref"). Hier werden Joachim Holstein und Rehneke und Thideke Krusen ausdrücklich Vettern des Ritters Heine Holstein, also auch Vettern unter sich, genannt. Die Sache kann nicht zweifelhaft sein, da in der Originalurkunde ganz klar der Plural "myne vedderen" ( Schrift. ) steht. Auch würden die Kruse keine Veranlassung gehabt haben, die Urkunde mit zu besiegeln, wenn sie nicht Lehnsvettern der Holstein gewesen wären.

Am 2. Febr. 1342 verkauften, vielleicht zum Ankaufe von Ankershagen, die Brüder Joachim und Vicke Holstein 23 Hufen, von denen sie 6 unter eigenem Pfluge hatten, und ihren befestigten Wohnhof in Zierzow, wie sie und ihre Vorfahren das Gut seit der ersten Gründung besessen, an den Bürger Siegfried von Bresen in Alt=Treptow, und in einer andern spätern Urkunde leisteten Reineke und Dietrich Kruse, Brüder, Eckhard Holstein, Sohn des Ritters Heine, ferner Conrad v. Lankow zu Bresen, Heine Voß zu Calübbe und Berthold Düring zu Zierzow mit den Brüdern Joachim und Vicke Holstein dem Käufer Gewähr; die Kruse waren hiernach also ohne Zweifel Lehnsvettern der Holstein; die drei übrigen Bürgen: Lankow, Voß und Düring waren wohl Seitenverwandte, da z. B. 1350 Berthold Düring zu Zierzow Oheim der Brüder Holstein genannt wird. Am 22. März 1342 ließen Joachim und Vicke Holstein, Brüder, der Ritter Heine Holstein zu Penzlin, Reineke und Dietrich Krusen, Brüder, und Eckhard Kruse, Hennings Sohn, mit gesammter Hand ("coniuncta manu et in solidum") das Gut vor dem Koster Broda, als der Lehnsherrschaft, dem Käufer auf und das Kloster belehnte diesen; die früher als Mitbürgen aufgeführten Lehnleute werden in dieser Urkunde nur als Zeugen

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aufgeführt. Am 23. Febr. 1345 pachteten die Brüder Joachim und Vicke Holstein von Siegfried von Bresen wieder einen Hof mit 3 Hufen in Zierzow auf 3 Jahre.

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß die Holstein und Kruse stammverwandt waren, und dies wird auch durch die Siegel bestätigt, welche seit uralter Zeit gleich waren. Ich gebe hier die Abbildung 1 ) der ältesten und zugleich schönsten Siegel beider Geschlechter, so weit sie bekannt geworden sind, nach den Originalurkunden des Klosters Broda, und zwar

Siegel des Ritters Siegel des Knappen
Heine Holstein Reineke Kruse
zu Penzlin. zu Varchow.
1320, Juli 26. 1337, Jan. 26.
Siegel. Siegel.

Wir sehen, daß Geschlechter stammverwandt waren, wenn sie gleiche Wappen führten, obgleich die Namen verschieden waren. Im Gegentheil zeugt die Gleichheit des Namens allein nie für den gleichen Ursprung der Geschlechter. Dies wird ein Beispiel deutlich machen. In dem bekannten Stralsunder Bundesbrief des rügenschen Adels vom 5. Jan. 1316, dessen zahlreiche Siegel der Freiherr v. Bohlen in seiner Geschichte des Geschlechts v. Krassow, 1853, in Abbildungen gegeben hat, wird als Theilnehmer auch ein Knappe "Hinrik Holzste" aufgeführt, dessen Familie bis in's 16. Jahrhundert auf der Insel Rügen zu Garlepow und Teschvitz gesessen war; vgl.


1) Die Kosten für die Zeichnung und den Holzschnitt sowohl dieser beiden Siegel, als des weiter unten folgenden Siegels des Knappen Henneke von Wotenick hat der Herr Ministerial=Rath von Holstein zu Schwerin dem Verein, vorzüglich für das Meklenburg. Urkundenbuch, freigebig geschenkt.
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v. Bohlen a. a. O. Urk. S. 8, Not. 67. Nun führt aber dieser Heinrich Holste ein bei v. Bohlen a. a. O. Tab. III, Nr. 10 d abgebildetes Siegel, welches nicht allein sicher ein völlig abweichendes, freilich auch undeutlich gezeichnetes und nicht zu deutendes Schildzeichen, sondern auch die Umschrift:

Umschrift.

hat. Bohlen vermuthet freilich, Frisus (Friese oderb Frese) könne eine Uebersetzung von Holstein sein; dieser Mißverstand könnte allerdings möglich sein; aber dieses Geschlecht ist sicher nicht mit den Holstein in Meklenburg verwandt, da ohne Zweifel der rügensche Heinrich Holzste denselben Schild führen würde, welchen der genau zu derselben Zeit lebende Ritter Heinrich oder Heine Holstein zu Penzlin führte. Klempin in seinen Matrikeln der pommerschen Ritterschaft, Berlin, 1863, S. 61, Not. 37, macht in seinem Streben, die Gleichheit der Wappen als nicht nothwendig für den Nachweis der Stammverwandtschaft darzustellen, diesen rügenschen Heinrich Holzste als unbestritten zu einem "Urenkel" des im J. 1218 zuerst in Meklenburg auftretenden "Ritters" Heinrich Holstein, also zu einem Mitgliede des meklenburgischen Adelsgeschlechts. Ich glaube aber, daß der hier besprochene rügensche Knappe gar nicht zu dem meklenburgischen Geschlechte gehört, da es diele Familien mit dem Namen Holstein gab.

Dagegen führte die Familie von Wotenick im Festland Rügen, ohne Zweifel nach dem Dorfe Wotenick bei Demmin so genannt, mit den v. Holstein und Kruse ganz gleiches Wappen. An dem Stralsunder Bundesbriefe den 1316 führt der Knappe Hermann Tzwechowitz oder Schweikwitz das bei v. Bohlen a. a. O. Tab. VI, Nr. 26 c abgebildete Siegel, welches im gespaltenen Schilde rechts einen "Flügel mit einem Kopfe, links anderthalb Rosenkränze" zeigt. Das Siegel ist so abgebildet, daß links anderthalb Linienrauten Linienraute. stehen, auf deren Ecken kleine Rosen liegen. Dies ist aber ein ganz anderes Zeichen, als die Holsteinsche Rose. Auch kommt in den Holsteinschen Siegeln kein "Kopf" an dem Flügel vor. Ueberhaupt sind Köpfe an Flügeln auf alten meklenburgischen Siegeln ganz unbekannt. sondern die Knäufe an den Enden der Flügel sind nur mittelalterlich ausgebildete, reine Ornamente. Bohlen a a. O. S. 8, Not. 87, sagt, daß die "Familie Wotenik sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. des im J. 1316 von Hermann Tzwechowitz geführten "Wappens bedient" habe. Ihm stimmt Klempin a. a. O. S. 67, Not. 49, bei, indem er sagt, daß "vielleicht der Knappe

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Hermann zu Schweckewitz, da eine Familie dieses Namens sonst nicht vorkommt, zu den Woteniks, die mit ihm dasselbe Wappen führten, gehört" habe, und legt bei dieser Gelegenheit einen seiner genealogischen Grundsätze dar: "daß auf die Wappengleichheit nur ein sehr geringes Gewicht gelegt werden könne, da oft die fremdartigsten Familien durch Nachbarschaft, namentlich durch Verschwägerung und Theilhaberschaft an demselben Lehn zum Austausch ihrer Wappen bewogen wurden". Obwohl ich ganz entgegengesetzter Ansicht bin, will ich doch die Stammverwandtschaft der Wotenik mit den Holstein nicht behaupten, kann aber auch die Verwandtschaft mit dem Hermann von Tzwechowitz nicht zugeben, da dieser andere Schildzeichen führt, als die Wotenik, - oder die Zeichnung des Tzwechowitzschen Siegels bei v. Bohlen ist nicht richtig. Schon am 1. März 1335 führte der Knappe "Henneke Woteneke" an einer Quittung für das Kloster Doberan im Archive zu Schwerin das wohl erhaltene, völlig deutliche Siegel, welches hieneben in zuverlässiger Treue abgebildet ist. Dieses hat im gespaltenen Schilde rechts einen Flügel (ohne Kopf) und links anderthalb Rosen, also ganz das Wappen der Holstein und Kruse. Möglich ist es freilich, daß die Gleichheit des Wappens reiner Zufall ist; die Möglichkeit der Stammverwandtschaft dieser Geschlechter läßt sich aber auch recht gut denken 1 ). - Bei dieser Gelegenheit können nicht genug die sorgfältigsten Siegelstudien empfohlen werden, da die bloße Abzeichnung des scheinbar Erkennbaren durch einen unkundigen Zeichner allein bei weitem nicht ausreicht.

Wappen.

Im Gegensatze zu den bisher behandelten Erscheinungen läßt es sich auch ausführen, daß die Gleichheit des Namens Holstein kein Beweis für die Stammverwandtschaft mit der meklenburgischen adeligen Familie Holstein auf Ankershagen ist.


1) Es ist wohl die Vermuthung ausgesprochen, daß die im J. 1527 ausgestorbene Familie Stalbom mit der Familie Holstein stammverwandt gewesen sei, vermuthlich weil sie auch Antheile in Ankershagen besaß. Aber die Stalbom, welche Gädebehn besaßen und 1398 Chemnitz von den Krusen kauften, führten im Schilde ein halbes laufendes Thier mit hinterwärts gestreckten Hörnern (Hirsch) oder Ohren, also ungefähr ein Wappen, wie die von Lowzow und von Oldenburg.
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Um die Mitte des 13. Jahrhunderts kommt wiederholt (bis 1264) ein Ritter "Eckhardus Holtsate" vor, welcher wohl mitunter irrthümlich für den Stammvater der meklenburgischen Familie Holstein gehalten ist, in welcher im Laufe der Zeit der Vorname Eckhard einige Male wieder erscheint. Aber im J. 1240 versprechen "Eckhard Holtsate (d. i. Holsteiner), "Thetlev, Marquard und Heinrich Brüder genannt von Parkentin den Lübekern Schutz auf den durch ihr Gut Parkentin führenden Landstraßen" ("Eckchardus Holtsate, Thetleuus, Marcquardus et Heinricus fratres dicti de Parkentin"); vgl. Lübek. Urk. B. I, S. 91, Nr. 89. Dieser Eckhard Holstein ist also ohne Zweifel ein Glied der bekannten, im vorigen Jahrhundert ausgestorbenen adeligen Familie v. Parkentin oder Berkentin, nach dem Gute Parkentin, jetzt Barkentin, im Lauenburgischen bei Lübek benannt. Er erhielt den Beinamen Holtsate (= der Holsteiner) gewiß davon, weil er nach dem benachbarten Holstein ausgewandert war, während die meklenburgischen Holfstein wohl davon ihren Namen trugen, daß sie aus Holstein stammten. Noch am 21. Sept. 1319 tritt wieder ein "Detleuus Parkentin Holtste dictus, miles", auf (vgl. Lübek. Urk. B. II, S. 327, Nr. 378), welcher freilich nur ein Helmsiegel führt, welches jedoch die Umschrift hat:

Umschrift.

(vgl. Milde Siegel des Mittelalters, Heft V, Lübeck, 1862, S. 88, Nr. 1). An der oben erwähnten Urkunde vom J. 1240 hängt nun noch, als ein sehr seltener Fall, das Siegel des Ritters Eckhard (von Parkentin) Holtsate, welches Milde a. a. O. Heft V, Taf. 9, Nr. 134, vgl. S. 87, in Abbildung gegeben hat; dieses Siegel ist queer getheilt, oben leer, unten mit vier linken Schrägebalken, und hat die Umschrift:

Umschrift.

Eckhard's Bruder Thetlev, welcher im J. 1264 von dem Bischofe Ulrich v. Ratzeburg den halben Zehnten aus dem Dorfe Parkentin zu Lehn nahm, hat ebenfalls im Siegel einen queer getheilten Schild, welcher aber oben einen mit drei Kleeblättern besteckten, rechten Schrägebalken, unten vier linke Schrägebalken hat (vgl. Schlesw.=Holst.=Lauenb. Urk.=Buch I, S. 87, Urkunde mit Siegelbeschreibung). Die Familie v. Parkentin führte aber späterhin einen queer getheilten Schild unten mit rechter Schrägetheilung, oder auch mit einer rechten Spitze. Wenn nun auch dieses feststehende jüngere v. Parkentinsche Wappen

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mit den alten Siegeln nicht ganz genau übereinstimmt, so scheinen die letztern doch die Elemente des Parkentinschen Wappens zu enthalten. So viel ist aber sicher, daß dieser Eckhard Holstein zu der Familie v. Parkentin gehört und mit der meklenburgischen Familie v. Holstein, welche ein ganz anderes Wappen hat, in keiner Verbindung steht.


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Das Wappen der von Stralendorf.

In den Jahrb. XXVII. S. 251, ist Bericht gegeben, daß sich als Helmschmuck des Stralendorfschen Wappens seit dem J. 1460 nur ein aufgerichteter Pfeil nachweisen lasse und der jetzt gebräuchliche Federschmuck neben diesem Pfeile neuern Ursprunges sein dürfte. Bei der Restauration der Kirche zu Zurow sind aber an den Chorgewölben im J. 1862 unter der Kalktünche Malereien, ungefähr vom J. 1360, entdeckt und wieder hergestellt, in denen auch ein Stralendorf, vermuthlich Heinrich v. Stralendorf, mit Schild und Helm dargestellt ist (vgl. oben S. 203). Hier trägt der ungekrönte Helm einen aufgerichteten Pfeil, auf dessen Spitze ein Pfauenwedel steckt. Diese Helmzier ist also schon sehr alt und in der Zurowschen Darstellung natürlich und geschmackvoll. Dagegen läßt sich die neuere Art der Aufschmückung des Pfeils mit Straußfedern, wie sie im Meklenb. Wappenbuche dargestellt ist, nicht loben und die Zeit der Entstehung derselben noch nicht nachweisen.

G. C. F. Lisch.


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Ueber die Bürgerfamilie Lammeshoved.

Der Herr Geschichtsmaler Milde zu Lübek schenkte dem Vereine einen Abdruck von einer vergoldet gewesenen gravirten Kupferplatte, welche an der Außenwand der Petri=Kirche zu Lübek angebracht war und das Andenken der Familie Lammeshoved bewahrte. Die Platte enthält: in der Mitte Christum am Kreuze ud zu den Seiten Maria und Johannes und zu den Füßen die beiden Donatoren in kleinerm Maaßstabe mit ihren Wappen; an jeder Seite der Kreuzigung: 4 weibliche Heilige. Am obern Rande steht folgende Inschrift:

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Inschrift.

Im J. 1407 erheirathete Lüdeke Lammeshoved mit Margarethe von Kamen zwei Häuser auf dem Kohlmarkt, jetzt die beiden Häuser 272 und 273 in der obern Holstenstraße (Petri=Kirchspiel), welcher Theil im Volksmunde noch jetzt der Kohlmarkt genannt wird. Im J. 1425 übernahm Heinrich Wittenburg die beiden Häuser von Lüdeke Lammeshoved, der keine Kinder hatte; wahrscheinlich war um diese Zeit Lammeshovd's Frau gestorben. Der Name Lammeshoved verschwindet mit diesem Lüdeke in Lübek.

Die Platte muß also aus der Zeit zwischen 1407-1425 stammen.

Am 15. Junii 1399 ward bei Selow in der Nähe der Stadt Bützow ein Bürger Hermann Lammeshoved, welcher ohne Zweifel zu der lübeker Familie gehörte, erschlagen. Der Denkstein (steinernes Kreuz) steht noch auf dem Felde von Selow; vgl. Jahrb. X, S. 371. Auf diesem Denkmale hat Hermann Lammeshoved einen Schild mit drei Lammsköpfen. Auf dem lübeker Denkmale hat der Mann einen Schild mit einer Hausmarke neben sich.

In einer Urkunde der Stadt Gadebusch vom 1. Oct. 1411 wird ein lübeker Bürger Hermann Lammeshoved, vielleicht ein Sohn des Erschlagenen, als Testamentsvollstrecker eines andern lübeker Bürgers aufgeführt.

Der Name Lammeshoved kommt auch in Wismar vor. Im J. 1333 miethete ein Lammeshoved eine von den Rathsbuden in Wismar: "Lammeshouet pro sua XL s". Wismarsches Kämmerei=Register oben in Jahrb. XXIX S. 100.

G. C. F. Lisch.


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Siegelstempel des Bürgers Henneke Forth.

Der Herr Rentier Mann zu Wismar fand zufällig auf einem Schutthaufen in Wismar einen mittelalterlichen Original=Siegelstempel, von runder Gestalt, mit einer Hausmarke im Siegelfelde und der Umschrift:

Umschrift.

Die Wittwe eines Gerd Vord kommt 1343 in Wismar vor.


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VI. Zur Naturkunde.


Rindsskelet von Malchin.

(Zahme Primigenius=Race).

Beim Auslaufe des neuen Kanals bei der Stadt Malchin in den alten Kanal, vor dem Bahnhofe, ward im J. 1863 in einer Tiefe von 15 Fuß im Moor das unversehrte Gerippe eines versunkenen uralten Rindes gefunden und durch die Fürsorge der Herren Baumeister Wachenhusen und Luckow zum großen Theile gerettet und an die Sammlungen zu Schwerin abgegeben. Das Gerippe ist wahrscheinlich vollständig vorhanden gewesen; es haben aber nur folgende Theile herausgebracht werden können: der vollständige Schädel mit Unterkiefern, die Hals= und Rückenwirbel, das Steißbein, die Mehrzahl der Rippen und die Schulterbeine.

Der Schädel ist dem Herrn Professor Rütimeyer zu Basel, auch auf dessen dringenden Wunsch, noch im J. 1863 zur Untersuchung zugesandt. Dieser äußert sich darüber brieflich folgendermaßen: "Der große Schädel von Malchin gehört ohne allen Zweifel einem Bos primigenius, jedoch "einem zahmen Thiere, stellt also eine Primigenius=Race dar, welche aber mit der Stammform überraschend viel Eigenthümliches hat, außer der Richtung der Hörner, welche bei der Stammform vertical aufstehen, hier horizontal liegen. Nichts desto weniger ist kein Zweifel, daß wir hier einen Primigenius=Schädel vor uns haben. Der Schädel hat mir auch wertvollen Anfschluß über einen Schädel gegeben, der mich viel beschäftigt hat und der aus einem englischen Park (Legh Park) von einer noch wilden Heerde stammt. Dieser Schädel stimmt mit dem Schädel von Malchin in der vollkommen horizontalen Richtung der Hörner,

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auch in andern Eigenthümlichkeiten durchaus überein". - In dem Schädel aus dem Pfahlbau von Gägelow (vgl. oben S. 126) erscheint bereits im Steinalter die Frontosus-Race mit Primigenius gekreuzt."

Ueber das Wesen der uralten Rindviehracen spricht der Herr Professor Rütimeyer in seiner gedruckten Fauna der Pfahlbauten der Schweiz also:

Wilde Thiere.
Der Ur. Bos primigenius.

S. 71. "Das Vorkommen und die Gesellschaft des Bos primigenius im Diluvium sind bekannt genug; in der letztern namentlich treten Thierformen auf, die gewiß den Bewohnern der Pfahlbauten vollkommen unbekannt waren; aus der Gesellschaft aller der großen Pachydermen, die heute auf das tropische Afrika und Asien beschränkt sind, sehen wir den Urochs ohne alle Brücke und ohne Sprung in eine durchaus nicht kulturlose menschliche Gesellschaft treten, die auf ihn Jagd macht, allein gleichzeitig directe oder Mischlingsabkömmlinge dieses Zeitgenossen des Nashorns und Flußpferdes im Stalle pflegt und melkt. - Der Ur erscheint "also als ein in der Periode des Steinalters über die "ganze Schweiz verbreitetes und häufiges Wild."

Hausthiere.
Steinalter.
Das Rind.

S. 130. "Das Thier, welches seit dem höchsten Altertum, soviel wir wissen, vom Anfang menschlicher Geschichte an mehr als irgend eine andere Species dazu beigetragen hat, das Loos seines Herrn zu erleichtern und zu verbessern, nicht zwar durch active Annäherung an denselben, wie Hund und Pferd, allein dadurch, daß es ihm mehr als jedes andere Thier im eigentlichsten Sinne des Wortes alles zur Verfügung stellte, was es besaß, ist das Rind."

Primigenius=Race.

S. 140. "Während die Trochoceros=Race, deren Stammform nach den spärlichen bisherigen Quellen auf Italien zurückführt, auf die westliche Schweiz beschränkt erscheint, findet sich eine andere zahme Race von ebenfalls großen Schwankungen in der Körpergröße über alle Pfahlbauten des Steinalters in der Schweiz verbreitet, eine Race welche

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in der Schädel= und Hornbildung mit dem an derselben Stelle so ergiebig in wildem Zustande aufgefundenen Bos "primigenius übereinstimmt."

S. 141. "Der ganze Verlauf des Horns entspricht demjenigen von Bos primigenius und wird noch heute als der schönste Typus beim Rindvieh geschätzt."

S. 142. "Die Größe der Primigenius=Race des Steinalters schwankt innerhalb nicht sehr weiter Schranken. Ihr Mittel entspricht der Größe der mittelgroßen Viehrace von Schwyz. Doch sind auch weit größere Individuen im Steinalter gar nicht selten."

Brachyceros=Race.

S. 143 "ist eine sehr kleine Ochsenart, welche in neuerpliocenen Terrains von England ziemlich häufig mit Elephant und Rhinoceros, in den Torfmooren Irlands mit Megaceros hibernicus, in noch neuern Bildungen mit Edelhirsch und römischen Antiquitäten zusammen gefunden wurden. Owen vermuthet in ihr die Stammart der kleinen kurzhörnigen bis hornlosen Viehracen, welche unter den Namen der Kyloes und Runts in den Hochlanden von Schottland und Wales gehalten werden und nach Owen's Vermuthung die zahmen Viehheerden der Einwohner Britanniens vor der römischen Invasion bildeten."

"Nach Nilsson findet sich dieselbe Species in Skandinavien gleichzeitig mit Bos primigenius, Rennthier und einer ferneren Ochsenart, Bos frontosus, in Menge fossil; Nilsson glaubt, daß sie im wilden Zustand vor der historischen Periode ausgerottet wurde, und führt das kleinhörnige Vieh Finnlands auf sie zurück."

S. 145. "Alle Angaben stimmen durchaus überein mit den Merkmalen, welche die als Torfkuh bezeichnete kleine und kleinhörnige Viehrace des schweizerischen Steinalters charakterisiren, eine Race, welche in den vermutlich ältesten Pfahlbauten dieser Periode fast ausschließlich vorkommt."

S. 145. "Die drei Racen, Trochoceros=, Primigenius= und Brachyceros=Race, sind die einzigen, welche im Steinalter in der Schweiz bisher aufgefunden wurden. Eine vierte Race von eben so guter zoologischer Abgrenzung, welche in der Schweiz heutzutage stark vertreten ist, und weiter unten unter dem Namen der

Frontosus=Race

zur Besprechung kommen wird, hat im Steinalter keine Spuren hinterlassen."

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Gegenwart.
Primigenius=Race.

S. 201. "Die Schädel von Bujadning (Oldenburg), Friesland und Holland entsprechen in jeder Beziehung den "Schädelstücken aus den Pfahlbauten der Schweiz, welche ich unter dem Namen der Primigenius=Race vereinige. Auch an Größe bleibt der friesische Schädel nicht hinter dem riesigen Stammthier zurück."

Brachyceros=Race.

S. 205. "Die Schädel der ungefleckten, in den Abstufungen von Hellgrau bis Schwarzbraun immer einfarbenen und mehr oder weniger thierfarbenen Race von Schwyz, Uri, Wallis, Oberhasle, Graubünden und in vollem Maaß auch der Schädel aus Algier zeichnen sich durch ein gemeinsames Gepräge aus, welches dieselben sowhl von der eben beschriebenen, als von der nachfolgenden Race sofort unterscheidet." (Vgl. unten Rindsschädel von Penzin.)

Frontosus=Race.

S. 207. "In Torfmooren des südlichen Skandinaviens finden sich gleichzeitig mit solchen von Bos primigenius und Bison europaeus Schädel einer Ochsenart, welche, kleiner als der Urochs, doch den Bos brachyceros an Größe bedeutend übertrifft, allein von der in Skandinavien gegenwärtig lebenden Viehrace in vielen Stücken vollständig abweicht. Sie hat durch Nilsson den Namen Bos frontosus erhalten."

S. 208. "Außer Skandinavien hat auch England Schädel dieses fossilen Ochsen geliefert, der nach Nilsson's Ansicht zu der ältesten postpliocenen Fauna dieser Länder gehört und mit Bos brachyceros, mit dem Rennthier, Wildschwein und andern Thieren aus Deutschland nach Skandinavien einwanderte zur Zeit, als diese beiden Gebiete noch vereinigt waren."

"Die Heimath des Bos frontosus sucht Nilsson in Deutschland."

"Unter den Resten vom Rind in den schweizerischen Torfmooren suchte ich bisher ganz vergeblich nach Spuren des Bos frontosus; es war dies um so auffälliger, als ja grade seine Genossen in Schweden, der Urochs und der Wisent, so reichlich auch hier sich vorfanden, und als ich seit

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"langem wußte, daß der von Nilsson in Deutschland ursprünglich einheimisch vermuthete Bos frontosus in der Schweiz durch eine der wichtigsten und berühmtesten heutigen Rindviehracen reichlich vertreten ist; seine ostceologischen Details finden sich bis in alle Einzelheiten wieder bei der großen, meistens roth mit weiß gefleckten Viehrace, welche, in reinster Form in den hintersten Thälern des bernischen Saanenthales zu Haus, sich von da durch das Simmenthal fast über alle ebenen Theile der Schweiz ausgedehnt und daher verschiedene Namen erhalten hat, allein doch im Ganzen wesentlich Simmenthal=Saanen=Race genannt wird. Dieselbe Race findet sich mit schwarzer Farbe oder schwarz und weiß gefleckt im Kanton Freiburg."

"Der Umstand, daß dieselbe Species, in früherer Periode in Schweden fossil, heute in der Schweiz reichlich vertreten, in den Pfahlbauten daselbst gänzlich fehlt, ist also ein evidenter Beleg für die Einwanderung in die Schweiz."

S. 221. "Das allgemeine Resultat dieser freilich noch sehr unvollständigen Uebersicht eines Theils der heutigen Rindviehracen von Mittel=Europa geht dahin, daß dieselben von drei schon theilweise seit längerer Zeit bekannten diluvialen Species: Bos primigenius, Bos brachyceros und Bos frontosus abstammen, von welchen die erste im Diluvium von ganz Europa, die zwei letztern bisher nur in Schweden und England fossil nachgewiesen sind. Fernere Forschungen müssen lehren, ob dieselben nicht auch anderwärts als autochthon zu betrachten sind; für Bos brachyceros wird dies durch sein allgemeines Auftreten in den ältesten Perioden des Pfahlbaues höchst wahrscheinlich; bei Bos frontosus spricht, wenigstens in Bezug auf die Schweiz, sein eben so constantes Fehlen durch alle Perioden der Pfahlbauten eben so entschieden gegen eine solche Annahme.

G. C. F. Lisch.


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Rindsskelet von Rügkamp.

(Zahme Primigenius=Race.)

Im J. 1863 ward zu Rügkamp bei Neukloster ein zweites Exemplar eines Rindes von der zahmen Primigenius=Race 3 Fuß tief im Moor gefunden und von dem Herrn Pächter Schütt zu Rügkamp gerettet und durch Ver=

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mittelung des Herrn Försters Albrecht zu Neukloster für die Sammlungen zu Schwerin gewonnen. Dieses Exemplar ist dem bei Malchin (vgl. S. 276) gefundenen an Bildung gleich, jedoch kleiner; der Schädel ist nur 19 1/2 Zoll hamburger Maaß lang. Vorhanden sind noch der Schädel, eine Kinnlade, zwei Schulterknochen, vier Beinknochen und das Steißbein.

G. C. F. Lisch.


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Rindsschädel von Penzin.

(Brachyceros=Race.)

Zu Penzin bei Blankenberg ward beim Drainiren in der Nähe des Hofes 4 Fuß tief in schwarzer Erde (Moder) der Schädel eines jungen Rindes gefunden und von dem Herrn Kammer=Ingenieur Beyer dem Vereine geschenkt. Der Schädel war zunächst dadurch auffallend, daß das obere, eingebogen gebildete Stirnbein und die kleinen halbmondförmigen Hornzapfen wie leicht vergoldet erscheinen, aber wahrscheinlich mit einem kupferhaltigen Niederschlage bedeckt sind, welcher sich zuweilen in den Moorgründen bildet. Der Herr Professor Rütimeyer zu Basel, welchem dieser Schädel zur Ansicht zugesandt ist, äußert sich darüber folgendermaßen: "Der kleine Schädel, dessen Metallniederschlag in der That von Torfwasser herrührt, ist vollkommen identisch mit den kleinen Brachyceros=Schädeln, die ich in Anzahl aus dem Bieler=See habe und von noch lebenden Heerden aus Algier." (Vgl. oben S. 279.)

G. C. F. Lisch.


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Hirschgeweih von Allershagen.

Zu Allershagen bei Doberan ward 1855 im Torfmoor 8 Fuß tief ein altes, starkes, großes Hirschgeweih, ein Zwölfender, neben Knochenstücken und zugleich mit zwei Pfeilspitzen aus Feuerstein gefunden und Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge überreicht, Allerhöchstwelcher im Jahre 1864 die Gnade hatte, dasselbe den Alterthümersammlungen zur Aufbewahrung übergeben zu lassen.

G. C. F. Lisch.


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Bearbeitetetes Hirschgeweih von Höltingsdorf.

Zu Höltingsdorf bei Bukow ward in einem Torfmoore die vielzackige Krone eines Hirschgeweihes gefunden, welche offensichtlich mit unvollkommenen Geräthen zur weitern Bearbeitung abgekeilt und dann abgebrochen ist. Der Herr Forsteleve Bouchholtz zu Schwerin machte dieses Stück dem Vereine zum Geschenke, mit der Nachricht, daß neben diesem Hirschgeweih auch ein Feuersteindolch gefunden sei, welchen er aber von dem Besitzer nicht habe erlangen können.

G. C. F. Lisch.


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Elengeweihe von Neu=Kalen.

Bei dem Bau des Kanals den Neu=Kalen in den Cummerower See im Jahre 1863 fand sich, ungefähr in der Mitte der Kanalstrecke, eine feste Erdscholle von 45 Ruthen Länge aus Kiesboden, obgleich die übrige Strecke nur aus Torf besteht, welche mit der Stechmaschine leicht ausgehoben werden kann. In diesem Kiesboden fanden sich einige Stücke Bernstein 1 ), jedoch nicht von besonderem Werthe, und zwei kleine Elenschaufeln von zwei verschiedenen Thieren. Beide Schaufeln sind zerbrochen; jedoch ist wohl nicht zu ermitteln, ob die dabei gefundenen Zinken ursprünglich oder beim Aufgraben abgebrochen sind. Die eine Schaufel ist unbearbeitet. Die andere ist jedoch an der Rose bearbeitet, nämlich am Ende grade und eben gekeilt und mit einem eingebohrten Loche in die Stange hinein versehen. An einer Seite ist auch ein alter Bruch. Solche angebohrte kleine Elenschaufeln sind schon wiederholt im Lande gefunden. Bei den Elenschaufeln lag eine kleine, ganz glatt geschliffene Steinkugel, welche jedoch nur 1 1/2 Durchmesser hat und Naturbildung ist, aber zur menschlichen Thätigkeit benutzt sein mag.

Das Vorkommen einer bearbeiteten Elenschaufel auf festem Boden im Moor scheint auf einen alten Pfahlbau zu deuten, welcher freilich nicht weiter verfolgt werden konnte.


1) Der schöne, gebirgsartige "Hartwald" zwischen Malchin, Teterow und Neu=Kalen scheint viel Bernstein zu bergen. Bei dem Bau der Eisenbahn von Malchin nach Teterow 1862 -1863 ist oft Bernstein, zuweilen hellgelb und in großen Stücken, gefunden. Auch zu Lelkendorf, und wenn ich nicht irre zu Mistort, sind schon große Stücke Bernstein vorgekommen.
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Der Herr Bürgermeister Mau zu Neukalen hat die gefundenen Sachen dem Vereine geschenkt.

G. C. F. Lisch.


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Ein Pferdeschädel,

dem der untere Theil fehlt, mit einem Bruchstück einer Kinnlade, ward zu Malchin beim Aufgraben der Fundamentgräben zu dem Empfanghause 4 Fuß tief im Moder gefunden und von der Eisenbahnbau=Direction an die Sammlung zu Schwerin abgeliefert.

G. C. F. Lisch.


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Rennthiergeweih von Grabow.

Der Herr Schuldirector Gerdeß zu Schwerin schenkte dem Vereine im Jahre 1863 ein Bruchstück von einem Rennthierhorn, welches ihm als Rector zu Ludwigslust vor vielen Jahren von einem Schüler mit dem Berichte geschenkt ist, daß es in der Gegend den Grabow gefunden sei. Das Horn ist eine starke, glatte, graue Stange, von welcher in der Biegung die obere Schaufel abgebrochen ist, und von der glatten Rose bis zu der Biegung 18 Zoll lang, also länger als das große Rennthiergeweih von Güstrow (Jahrb. XXVI., S. 298 flgd.). Die schaufelförmige Augensprosse unmittelbar über der Rose ist fast ganz erhalten. Der Eissprießel dicht darüber ist abgebrochen. Das Horn ist sehr stark und ungeweöhnlich hart, anscheinend in der Versteinerung begriffen, da es sich wie Sandstein schabt und beim Ankratzen klingt.

G. C. F. Lisch.


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Rennthiergeweih von Vietschow.

Um das Jahr 1836 ward zu Vietschow bei Lage bei Aufräumung und Vertiefung eines tiefen Wiesengrabens ein Rennthierhorn gefunden, welches zwar alle Enden verloren hat, aber in der Stange ungewöhnlich dick und kräftig ist. Der Herr Pauly auf Vietschow hatte die Güte, dieses seltene Stück dem Vereine zum Gesehenke überreichen zu lassen. - Vgl. Jahrb. XXVI, S. 298 flgd.

G. C. F. Lisch.


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Drei Rennthiergeweihe von Boddin bei Gnoien.

Bereits vor einigen Jahren wurden mir zwei nicht zusammengehörende Fragmente von Geweihen, als zu Boddin beim Reinigen von Gräben gefunden, gebracht, die ein Sachkundiger für Rennthiergeweihe erklärte.

In diesem Herbste ward zu Boddin ein Teich zur Gewinnung von Modde und Kalkmergel ausgekarrt. Der Untergrund ist grauer Sand. Darauf lagert eine Schicht Kalkmergel mit stark vorherrschendem Kalk, mehrere Fuß stark. Diese Schicht senkt sich von Westen nach Osten. Sie steht im Westen selbst unter dem angrenzenden Acker mit 1 1/2 - 2 Fuß Ackererde bedeckt. Nach Ablassung des Wassers zeigte sich im Westen eine Schicht Modde von kaum 1 Fuß Stärke. Im Osten der Grube steht die Modde schon fast 14 Fuß über dem Kalkmergel.

An einer Stelle, wo die Modde etwa 6 Fuß über dem Kalkmergel stand, fanden die Arbeiter die eine Stange eines schönen Rennthiergeweihes. Die Augensprosse des Geweihes ist 9 Zoll Rheinländisch lang und bildet eine lange, dünne, spitze, runde Seitenstange, welche noch keine Schaufel hat; die höher sitzende Sprosse 15 Zoll mit zwei Abzweigungen an der Spitze. Die gerade, erst nach hinten, dann wieder nach vorne gebogene Stange ist etwas über 3 Fuß lang und hat oben 3 nur kurze Seitenenden. Das Geweih ist hart, nur das obere Ende etwas mürbe. Das Bruchloch enthält viele Stücke von Holz, was dort gestanden; diese sind im Innern meist hellgelb, nach dem Rande rotbraun, und ist die Masse eine durchaus weiche.

Diese verschiedenen Funde aus derselben Feldmark dürften es bestätigen, daß in Meklenburg Rennthiere 1 ) gelebt haben.

In dem angrenzenden Gute Dölitz ist ebenfalls beim Ausmodden ein schönes Elengeweih gefunden, das jetzt im Besitz des Gutsbesitzers, des Herrn Grafen von Behr auf Semlow, sich befindet.

Boddin bei Gnoien 1863.

L. v. Lützow.



1)

Se. Excellenz der Herr Staatsminister a. D. v. Lützow hat die große Güte gehabt, diese drei Rennthiergeweihe dem Vereine zu schenken. Es sind also jetzt sicher wenigstens 20 alte Rennthiergeweihe in Meklenburg bekannt, welche fast alle sicher sehr tief in Wiesenkalk, Moder oder Torf gefunden sind.

G. C. F. Lisch.

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Eckzahn eines Höhlenbären.

In dem Urboden unter dem Burgberge von Parchim ward bei Grabung eines Brunnens ein großer Eckzahn eines Bären, höchst wahrscheinlich eines Höhlenbären (Ursus spelaeus), gefunden, abgebildet in Bronn Lethäa, T. 45, F. 1, g vgl. Fraas Würtemberg. Jahreshefte, Bd. XVII., S. 169 (nach E. Boll), geschenkt von dem Herrn Senator Beyer zu Parchim. Der Verein besitzt schon einen diesem gleichen Zahn, welcher zu Knese gefunden ist.


Ein Stück Bernstein,

6 1/2 Loth schwer, ganz rein, auf den Außenflächen mit Abdrücken von Rinden und Früchten, wie es scheint, ward 1862 beim Landarbeitshause zu Güstrow beim Ausgraben der Ziegelerde gefunden und für die großherzoglichen Sammlungen erworben.


Ein Stück Bernstein,

4 Loth schwer, ganz rein, jedoch ohne Abdrücke auf der Oberfläche, ward 1863 in demselben Erdlager gefunden und ebendaher erworben.


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Nachträge.


Die Landkarte von Meklenburg

von B. C. v. Hoinckhusen.

Nachtrag zu S. 30 flgd.

Die General=Karte von Meklenburg von dem Vice=Präsidenten Bertram Christian v. Hoinckhusen hat sich nach dem Drucke des Aufsatzes oben S. 30 flgd. gefunden. Vor mehreren Jahren übernahm ich von der Regierungs=Registratur einige zurückgelegte alte Special=Karten ins Archiv. Bei Gelegenheit anderer Forschungen fielen mir auch diese Karten wieder in die Hände, unter denen sich auch eine groe Genral=Karte von Meklenburg fand. Hoinckhusen hat sich zwar nicht darauf genannt, wie sein Name auch auf allen andern Karten nicht steht; aber nicht allein das Jahr der Abfassung (1721), der Styl und die Handschrift, sondern besonders eine genaue Vergleichung aller Einzelnheiten der General=Karte mit den Special=Karten der Aemter, namentlich an den Grenzen, giebt den sichern Beweis, daß die gefundene Karte die Hoinckhusensche ist. Sie hat die oben S. 32 angegebene Größe und den Titel:

Novissima et accuratissima delineatio geographica ducatus Meklenburgici MCCXXI.

Sie ist auf Papier gezeichnet, auf Leinewand gezogen und viel gebraucht. Zwar ist diese Karte nicht das "auf Pergament" gezeichnete, eigentliche Original, aber doch eine gleichzeitige Ausfertigung. Sie ist wahrscheinlich sehr lange zum Gebrauche im Regierungs=Collegium gewesen und daher sehr abgenutzt.

Auch die kleine General=Karte von Hoinckhusen, "in ordinairer Landkartengröße", hat sich zu gleicher Zeit unter den im Archive aufbewahrten alten gedruckten Karten von Meklenburg gefunden, freilich nicht in einer gleichzeitigen Ausfertigung, sondern nur in einer Copie von C. L. U. Born, unter dem Titel:

Novissima et accuratissima Mappa Mecklenburgica.

Eine Vergleichung mit der großen General=Karte giebt den Beweis, daß auch diese kleine Karte eine Hoinckhusensche ist, wenn der Zeichner auch seine Quelle nicht angiebt.

Beide Karten werden jetzt im Archive als die Karten von Hoinckhusen aufbewahrt.


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Nachtrag zu S. 120.
Sendschreiben (Auszug)
an den Herrn Professor Dr. Rütimeyer zu Basel.

(Vgl. Nordd. Corresp. 1864, Nr. 161, und Meckl. Zeitung Nr. 163).

Die ersten deutschen Pfahlbauten in Meklenburg

haben durch sichere und umfassende Entdeckungen in der neuesten Zeit vollkommene Bestätigung gefunden.

In den zahlreichen Landseen Meklenburgs, welche größtentheils flache Ufer haben, hatten sich während dreißigjähriger scharfer Beobachtungen nie Spuren von alten menschlichen Anlagen gezeigt. Dagegen waren aus den noch zahlreichern Torfmooren und Moderlagern des Landes sehr häufig viele Geräthe aus Stein und Bronze, oft neben viel Holz, zu Tage gefördert. Diese fast in jedem Monat der wärmeren Jahreszeit alljährlich sich wiederholende Erscheinung hatte wohl die Aufmerksamkeit erregt, war aber, trotz vielfacher Besprechungen, unerklärt geblieben. Da wurden seit dem Jahre 1857 und früher in der Schweiz die Pfahlbauten entdeckt. Aber alle Bemühungen, in Meklenburg zur Erkenntniß ähnlicher Anlagen zu kommen, blieben fruchtlos, und ich kam schon auf den Gedanken, daß Meklenburg gar keine Pfahlbauten gehabt habe, weil das Land genug lose Erde und Wasser besitzt, um auch in den ältesten Zeiten feste und sichere Wohnsitze durch Einschüttung von Erde ins Wasser zu bilden, wie die jüngern Wenden sie gebauet haben. Als aber bei gesteigerter Theilnahme die Moorfunde im Lande sich mehrten und bei größerer Aufmerksamkeit in neuerer Zeit die Funde von uralten Thiergehörnen, von denen viele von Menschenhänden angearbeitet waren, häufiger wurden, nahm ich den Gedanken an Pfahlbauten wieder auf. Im Herbst des Jahres 1861 machte ich öffentlich darauf aufmerksam, daß Meklenburg wahrscheinlich auch Pfahlbauten habe, und bat dringend um scharfe Beobachtung der Torfmoore (vgl. Quartal=Bericht des Vereins f. meklenb. Geschichte, 1861, October, die gleichzeitigen Zeitungen und Jahrbücher des Vereins etc. . XXVII, S. 171). Als hierauf im Jahre 1862 die Auffindung von angearbeiteten Thiergehörnen größere Ausdehnung annahm, ließ ich nicht nach, den um die Auffindung von Alterthümern für den Verein schon lange mit Eifer und Erfolg bemühten Sergeanten Herrn Büsch zu Wismar aufzufordern, ein scharfes Augenmerk auf

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die Moore bei Wismar zu richten. Und schon im Anfange des Jahres 1863 hatte dieser den ersten Pfahlbau zu Gägelow bei Wismar entdeckt, welcher oben in den Jahrbüchern des Vereins etc. ., S. 120, beschrieben ist. —  —

Das fortschreitende Glück vergrößerte den Reiz, und schon im Mai 1864 entdeckte Herr Büsch eine große Pfahlbau=Anlage in einem großen Torfmoore bei Wismar in der Nähe des Stadtgutes Müggenburg, welche am 6. Juli 1864 bei einer gemeinschaftlichen Untersuchung sicher erkannt ward. Hier liegt noch der ganze Pfahlbau der Steinperiode mit allen dazu gehörenden Alterthümern in sehr großer Anzahl. Aber sowohl die Erkenntniß, als auch die Gewinnung der Ueberreste ist außerordentlich schwierig und erfordert viel Umsicht und Mühe. Die folgende Schilderung der Lagerungs=Verhältnisse wird beweisen, daß ein alter Pfahlbau nur unter sehr günstigen Umständen entdeckt und nicht so leicht an einzelnen Pfählen im klaren Seewasser erkannt werden kann. Das ausgedehnte Moor bei Wismar ist ungefähr 16 Fuß tief. In der Tiefe liegt auf Thon eine 10 Fuß dicke Schicht von wasserhaltigem, jedoch festem, torfartigem, schwarzem Moder. Bis zur Höhe dieser untersten Schicht, welche in uralten Zeiten den Spiegel eines Sees gebildet haben wird, reichen die Pfähle der Pfahlbauten, und innerhalb der Pfahlringe und neben denselben liegt auf dem Grunde der gesammte Hausrath der ehemaligen Bewohner. Diese unterste Moder= oder Pfahlbautenschicht wird von einer ehemaligen Rasenschicht von etwa 1 Fuß Dicke bedeckt, welche nichts enthält. Auf dieser Mittelschicht, welche schon in grauer Vorzeit die im tiefen Grunde stehenden Pfahlbauten mit Vergessenheit verhüllt hat, ist eine reine Torfschicht von etwa 5 Fuß Dicke gewachsen. Diese oberste Schicht hat einst ein großes Erlenbruch getragen, von welchem noch außerordentlich viel wohl erhaltenes Wurzelholz in dem Torfe steht. Diese Schicht bietet oft viele wohl erhaltene vollständige Knochen von versunkenen Thieren, z. B. die Knochen eines Pferdes mit eisernen Hufeisen, also Alterthümer des christlichen Mittelalters. Beide Hauptschichten begegnen sich in der dünnen Mittelschicht, eben so auch die Pfähle von den Wohnungen der Steinzeit von unten herauf und die Pfahlwurzeln des Erlenbruches von oben hinab. Aber auch dieses Erlenbruch ist längst spurlos verschwunden und die Oberfläche des Moores bildet jetzt ein ebenes festes Weideland, welches gegenwärtig zur Torfgewinnung bis auf den Thongrund ausgestochen wird.

Um nun hier zur Erkenntniß eines Pfahlbaues zu kommen, muß die ganze Moder= und Torfmasse bis zur Tiefe

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von 16 Fuß bis auf den Grund ausgegraben werden, was bei dem stark andrängenden Grundwasser und den langen heftigen Regengüssen in der ersten Hälfte des Monats Juli große Schwierigkeiten hatte. Am 6. Juli und in den folgenden Tagen lag aber das Pfahlwerk eines runden Hauses von ungefähr 14 bis 16 Fuß Durchmesser klar frei. Die Pfähle von Eichenholz sind jetzt etwa 10 Fuß hoch und ungefähr 6 bis 7 Zoll dick und stehen gegen 2 Fuß weit von einander entfernt. Das Holz ist schwarz und von dem Moder schwer zu unterscheiden; es ist beim Aufdecken weich, wie Moder, und zerbricht oft bei der geringsten Berührung, jedoch erhärtet es wieder an der Luft. Auf den jetzigen oberen Rasendecken des Moores liegt außerordentlich viel Holz von diesen schwarzen Pfählen, welche hier in sehr großer Anzahl gestanden haben. In und bei dem oben erwähnten runden Pfahlfundamente sind in kurzer Zeit bis jetzt schon außerordentlich viele Alterthümer der Steinzeit gefunden, nämlich diele Pfähle von Eichenholz, einige auch an der Oberfläche verkohlt, 14 Keile aus Feuerstein, 2 Schmalmeißel aus Feuerstein, 1 Säge aus Feuerstein, 4 angearbeitete Feuersteinblöcke zu Geräten, 10 Feuersteinspäne zu Messern, viele Splitter und Stücke von Feuerstein, eine Streitaxt aus Diorit, 2 ausgeschliffene schöne Schleifsteine aus Altem Rothem Sandstein, 2 kugelförmige Reibsteine aus feinkörnigem Granit und altem Sandstein, 1 linsenförmiger Glättstein aus Thonschiefer, 1 runde Mühlsteinplatte aus Lava, viele Gefäßscherben, Holzkohlen, viele vollständige Haselnüsse, vollständige und angearbeitete Hirschgeweihe, abgehackte Hirschhornenden zu Geräthen, außerordentlich viele zerhackte und gespaltene Thierknochen, Rehgeweihe, Stierhörner, Schafhörner, viele Thierzähne der verschiedensten Art, ganze Schädel von kleinern Thieren, z. B. ein Hundeschädel und ein Biberschädel, und Anderes. Beim Fortschritt der Torfarbeit im jetzigen und in den künftigen Jahren werden die Alterthümer sich ohne Zweifel sehr mehren, da es scheint, als wenn die Graoung erst bis gegen die Mitte der runden Pfahlfundamente vorgeschritten ist.

Die Pfahlbauten von Wismar sind also zweifellos festgestellt. Es werden jetzt bei scharfer Beobachtung unter ähnlichen Verhältnissen wie zu Gägelow und zu Wismar mit der Zeit noch mehr Pfahlbauten in Mecklenburg entdeckt werden.  — — — — — — — — — — —

Schwerin, den 11. Julii 1864.

G. C. F. Lisch.

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