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Messing=Grabplatte zu Emden.

Die Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden hat unserm Vereine einen sehr geschickt gearbeiteten, von dem Originale genommenen Ab druck von einer in dem Chor der reformirten Großen Kirche zu Emden befindlichen messingenen Grabplatte auf den Pfarrer Hermann Wessel zu Emden, Magister der Universität Rostock, † 1507, also ein Facsimile des Originals, geschenkt.

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Diese Platte, wie der Abdruck, ist 8 1/4 Fuß hamb. Maaß lang und 4 1/2 Fuß breit; die Platte ist aus 8 Stücken zusammengesetzt, 1/6 Zoll dick und wiegt 195 Pfund. Sie ist in dem Bildwerk in Messingstich, in der Inschrift in Messingschnitt gearbeitet. Die Emdener Gesellschaft ist wegen der Erklärung der Inschrift auch mit unserm Vereine in Verbindung getreten, und aus den vereinten Bemühungen der Emdenschen Gelehrten und anderer Vereine und Gelehrten ist folgende Lesung und Erklärung als sicher ermittelt; namentlich haben der Herr Gymnasial=Director Schreckendieck zu Emden und der Herr Dr. med. Lange daselbst, zeitiger Director des Vereins, die Forschungen lebhaft betrieben und zusammengefaßt.

Unter einem reichen Baldachin steht die 4 Fuß große Figur des Erlösers, die rechte Hand zum Segen erhebend, in der linken Hand die Weltkugel haltend. In den Pfeilern, welche den Baldachin tragen, stehen an jeder Seite zwei kleine Figuren, gegen 1 1/2 Fuß hoch: zur rechten: oben die Jungfrau Maria, unten Hermann Wessel, zur linken: die Heiligen Cosmas und Damianus, die Schutzpatrone der Stadt und der Kirche, unter einander. Oben in dem Baldachine stehen neben einander die vier Kirchenväter: Gregorius, Hieronymus, Ambrosius und Augustinus. Im Giebel des Baldachins steht ein Wappenschild mit einer Lilie zwischen drei Sternen 1 3 2 und mit zwei Rosen im Schildesfuße.

Die Inschrift in 12 lateinischen Hexametern lautet, ohne Unterbrechung in gothischer Minuskelschrift am Rande umher:

  1. Hoc sub sarcofago pressit mors nupera ferox
  2. Hermannum Wessel, Rostock genitrice magistrum,
  3. Huius et ecclesie pastorem. Poscite, posco,
  4. Spiritus ad dominum redeat post tristia fata.
  5. Hic de pane poli missam per secula cuncta
  6. Omnibus in quintis statuit feriis celebrandam,
  7. Ardeat ut lampas semper coram sacramento,
  8. Condidit in quintis stacio cum Corpore Christi
  9. Seruetur feriis, prouisores super istis
  10. Ipse grauans, iuuenum ritu ne cepla relinquant.
  11. Quodsi, Christe, tibi laus ast honor is retrahatur,
  12. Casliges animas, quibus hec commissa feruntur.

und auf einem Spruchbande in der Hand der Figur des Hermann Wessel:

  1. Soluendum solui, quod soluere cuncta reliqui,
  2. O tu summe Deus, suscipe pla[s]ma tuum.
  3. Anno Christi millesimo quingentesimo 7°.
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Zur Erläuterung möge Folgendes dienen:

2. Hermannum Wessel. Hermann Wessel war wahrscheinlich ein geborner Friese, da der Name Wessel bei diesem Volke sehr gebräuchlich ist, vielleicht ein geborner Emdener, da er in Emden Häuser besaß. Sein Wappen mag mit der Zeit mehr aufklären. Aus jenen Gegenden stammte auch der bekannte Vorläufer der Reformation und Bruder vom gemeinsamen Leben, Johann Wessel, dessen Vater Hermann Wessel 1419 zu Gröningen geboren war. Diese Familie führt aber eine Gans im Wappen. Der stralsunder Burgemeister Franz Wessel, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts für die Reformation wirkte, war 1487 in Stralsund von dort ansässigen Aeltern geboren,† 1570.

2. Rostock genitrice magistrum (rostocker Magister von Geburt) soll sicher heißen, nicht daß er leiblich zu Rostock geboren, sondern daß er von der Universität Rostock zum Magister erhoben sei. Studiert hat Hermann Wessel wahrscheinlich zu Rostock nicht; sein Name findet sich in der Universitäts=Matrikel seit dem J. 1450 nicht. Dagegen steht in dem Album der philosophischen Facultät zu Rostock seine Erhebung; er ward im J. 1474 zu Rostock Baccalaureus, denn es heißt im Album philosophorum:

Hermann Wessel

und im J. 1476 Magister:

Hermann Wessel

Ich verdanke diese Nachrichten dem Herrn Consistorialrath Professor Dr. K rabbe zu Rostock. Nicht allein die Universität, sondern auch das Fraterhaus der Brüder vom gemeinsamen Leben (seit 1462) zog viele Niederländer nach Rostock.

5. de pane poli. Dies erklären Schreckendieck und Andere durch: Himmelsbrot, da polus im mittelalterlichen Latein oft für coelum steht. Diese Worte sind mit celebrandam zu verbinden: er bestimmte, daß mit dem Himmelsbrot eine Messe zu feiern sei.

6 und 8. in quintis feriis, d. i. "an jedem Donnerstag", da feria Wochentag bedeutet.

8. stacio ist: Station, Bittgang, Umgang, Procession.

12. commissa. Es ist hier sicher so zu lesen, da im Originale missa steht.

a. Die erste Zeile auf dem Spruchbande: Soluendum solui, quod soluere cuncta reliqui, bedeutet: "Ich habe mein Gelübde gelöset und um es zu lösen, d. i. zur Lösung des selben, alles hinterlassen"; d. h. ich habe meine ganze Hinter=

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lassenschaft dazu bestimmt, daß die genannten Stiftungen ausgeführt werden.

b. plasma tuum. In der zweiten Zeile des Spruchbandes steht im Originale sicher plama Ich lese hier plasma (Gebilde, Geschöpf) und nehme an, daß das s von dem Graveur vergessen sei. Am Ende steht im Originale, nach Schreckendieck, sicher tuum . Es heißt also suscipe plasma tuum: nimm dein Geschöpf auf.

c. Die Zahl 7° am Schlusse ergiebt die Jahreszahl 1507.

G. C. F. Lisch.