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Ueber Grabplatten in Messingschnitt.

In den Jahrb. XII, S. 479 flgd. und XVI, S. 303 flgd., und im Deutschen Kunstblatt, Berlin, 1851, Nr. 3, habe ich das Wesen der schönen, alten messingenen Grabplatten näher festzustellen gesucht und besonders nachgewiesen, daß sie vorherrschend aus Messing (nicht aus Bronze) bestehen, Ausnahmen natürlich ausgenommen. Ich habe zum Beweise im Kunstblatt a. a. O. S. 370 eine Stelle aus dem Testamente des lübeker Burgemeisters Hermann Gallin († 1365) beigebracht, nach welcher seine Testamentsvollstrecker einen "flämischen, messingenen, mit Figuren geschmückten Leichenstein" (plattdeutsch: "Messingsstein") auf sein Grab legen lassen sollten:

"Flamingicum, auricalcium, figurationibus bene factum lapidem funeralem (Leichenstein).

Diese Platte ist nicht mehr vorhanden.

Ich habe seitdem noch eine Stelle gefunden, in welcher solche Grabplatten geradezu "messingene Steine" genannt

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worden. In Caspar Weinrich's Danziger Chronik, herausgegeben von Hirsch und Voßberg, Berlin, 1855, S 32, heißt es:

"Item anno 1483 auf praesentationis mariae starb her johan angermunde borgemeister, begraben in der pfarkirch vor s. georgens bank onder dem messinges steine''.

Diese Platte ist nach den durch den Herrn Voßberg eingezogenen Erkundigungen ebenfalls nicht mehr vorhanden. Dagegen giebt es in den danziger Kirchen noch eine bedeutende Anzahl von Grabsteinen mit eingelassenen messingenen Wappen und Verzierungen.

Auch Slagghert nennt in seiner plattdeutschen Chronik des Klosters Ribnitz die auf dem Grabe der Herzogin Sophie von Meklenburg († 1504) in der Dominikaner=Kirche zu Wismar liegende Messingplatte mit einer aus Messing gegossenen Statue der Herzogin einen gegossenen Messing=Stein: "ein gaten Missinges Sten mit einem groten, schonen Bilde na er gebildet". Nach dem oben angezogenen lübeker Testamente ward diese Art von Arbeit "flämische" (Flamingicum) genannt. Ich habe daher den Ursprung dieser Arbeiten in Flandern suchen zu müssen geglaubt. Ich habe damit, wie der Sprachgebrauch ist, nur im Allgemeinen den Ursprung, d. h. die Erfindung und Verbreitung, auch wohl Anfertigung einzelner Platten für andere Länder, bezeichnen wollen, keinesweges aber annehmen können, daß alle Grabplatten dieser Art auch in Flandern verfertigt worden seien, wie Otte in der Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst von v. Quast und Otte, I, 1, S. 34, mir zuschreiben will. Mit der Zeit sind in kunstreichen Städten Deutschlands gewiß viele, vielleicht die meisten messingenen Grabplatten gearbeitet.

Ich habe früher die messingenen Grabplatten in zwei verschiedene Arten geschieden: in Platten in Messingschnitt, auf welchen der Grund ausgegraben ist und die Figuren stehen geblieben sind, und in Platten in Messingstich, auf welchen der ganze Grund stehen geblieben ist und die Figuren durch eingegrabene Linien bezeichnet sind. Häufig sind beide Methoden neben einander angewandt, namentlich in jüngeren Zeiten. Ich habe den reinen Messingschnitt vorzüglich dem 14. Jahrhundert zugewiesen, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich unter flämischer Arbeit (opus Flamingicum) grade diesen Messingschnitt verstehe. Der Messingschnitt herrschte vorzüglich im 14. Jahrhundert in der Zeit der höchsten Ausbildung des gothischen Baustyls; im 15. Jahrhundert kam mehr der Messingstich in Anwendung, der gegen das Ende

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des 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts eine sehr hohe Ausbildung erreichte, z. B. in der vortrefflichen Platte der Familie v. Lüneburg in der Katharinenkirche zu Lübeck, in einer wunderschönen Platte im Dome zu Meißen u. a.

Aber nicht allein die jüngern Platten sind in Messingstichmanier gearbeitet, sondern auch die ältesten, welche freilich äußerst selten sind, z. B. die älteste Platte von 1231 in der Audreaskirche zu Verden, bekannt gemacht von v. Quast im Corresp. Blatt des Gesammtvereins, Jahrgang I, Nr 3, und die Platte auf dem Grabe des Bischofs Otto von Hildesheim im Mittelschiffe des Domes daselbst vor dem Pfarraltar vom Jahre 1279, bekannt gemacht von Dr. Kratz zu Hildesheim im Corresp. Blatt, Jahrgang V, Nr. 4, S. 43, und in der Beilage dazu von Dr. Kratz, S. 5. Diese hildesheimer Platte ist nach meiner eigenen Untersuchung aus Bronze (nicht aus Messing) und in Messingstichmanier, oder wie Kratz a. a. O. sagt, "in Gravirarbeit, jedoch nur conturirt".

Man kann daher wohl Folgendes annehmen:

1) die ältesten, deutschen Platten (aus dem 13. Jahrhundert) waren aus Bronze in Stichmanier;

2) die mittleren Platten (aus dem 14. Jahrhundert) waren aus Messing in Messingschnitt, und grade diese wurden nach meiner Ansicht flämische Arbeiten genannt;

3) die jüngsten Platten (aus dem 1 5. Jahrhundert) waren auch aus Messing, mitunter aber auch aus Kupfer und Bronze, und wurden nach und nach immer häufiger in Messingstichmanier, nicht selten aber in gemischter Manier gearbeitet.

G. C. F. Lisch.