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Ueber Quetschmühlen.

Antiquarisches. - In den Verhandlungen der Smithsonian=Institution, welche mir kürzlich für den Verein der Freunde der Naturgeschichte zugegangen sind, habe ich wieder einen interessanten Beweis dafür gefunden, wie die Bewohner des Erdballs, wenn sie auch durch Zeit und Raum weit von einander getrennt sind, durch das gleiche Bedürfniß oft zu ganz gleichen Erfindungen veranlaßt werden, und wie also das Studium der Gebräuche und Geräthschaften eines noch leben den Volkes mitunter Licht über Dinge geben könne, die in den Museen als antiquarische Merkwürdigkeiten eines anderen, weit entfernten und längst verschollenen Volkes aufbewahrt werden.

"In Meklenburg" (sagt Lisch in den schweriner Jahrbüchern XXIV, S. 275) "werden ungemein häufig Mühlen 1 ) gefunden, welche aus Granit bestehen und in Form ein er queer durchschnittenen Mulde ausgehöhlt sind, so daß das eine Ende offen ist. Wir haben diese Steine, welche in den ältesten Kirchen oft zu Weihkesseln benutzt sind , Anfangs für Weihkessel gehalten, sind aber früh zu der Ansicht gekommen, daß sie Handmühlen sind und der Bronzeperiode angehören, da sie öfter in Kegelgräbern dieser Periode gefunden werden." - In dem voraufgehenden Bande der Jahrbücher, S. 276, beschreibt Lisch ferner einige bei Friedrichshöhe gefundene, durch Abschleifung gerundete Steine von 3 bis 5 " Durchmesser, und spricht dabei die Vermuthung aus, daß diese Steine zum Zerreiben des Brotkorns in den halbmuldenförmig ausgehöhlten Mühlsteinen gebraucht worden wären.


1) Vgl. auch Jahrb. XII, S. 418, XVIII, S. 250, XXV, S. 211.
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Diese beiden Vermuthungen erfahren eine glänzende Bestätigung dadurch, daß ganz gleiche Handmühlen noch heute diesen Tag 1 ) bei den Creolen in Venezuela in Gebrauch sind. In dem Report der Smithsonian=Institution für das Jahr 1857 findet sich nämlich S. 212 flgd. ein sehr interessanter Brief des Botanikers Fendler (d. d. 11. Juni 1857) aus der Colonie Tovar, und darin heißt es:

"Eine Korn= und Maisquetsche ist unter den Creolen in Venezuela allgemein in Gebrauch, welche, in Anbetracht ihrer sehr rohen und einfachen Construction, nicht von europäischer Erfindung zu sein scheint. Sie besteht lediglich aus einem flachen Steine, 1 1/2" lang, 14 " breit und 3 " dick, etwas convex auf der unteren und concav auf der oberen Seite; die Höhlung ist flach und 7 " weit. Das Instrument (the runner), mit welchem das Korn gequetscht wird , ist ein Stein, etwa 5 " lang, 3 " breit und von ovaler Gestalt, so daß er sich der Höhlung gut anschließt." - Ein beigefügter Holzschnitt, auf welchem die Steinmulde und der Reibstein die größte Aehnlichkeit mit den unsrigen zeigen, erläutert die Art und Weise, wie die Mulde zum Gebrauche aufgestellt wird , nämlich auf zwei Paar kreuzweise (X X) in den Boden geschlagene Pfähle, von denen das eine Paar etwas höher ist, wie das andere. In die nach oben gekehrten Gabeln dieser Pfähle wird die Mulde so hineingesetzt, daß die geschlossene Seite derselben eine etwas höhere Stellung erhält. "Die Person" (fährt Fendler nun fort), "welche das Getreide quetscht, steht an dem oberen, höheren Ende der Mulde und hält den Reibstein mit beiden Händen , und quetscht nun das vorher etwas gestampfte und eingeweichte Getreide in der Weise , daß sie mit der ganzen Last ihres Oberkörpers auf den Reibstein drückt. Die zerquetschte Masse wird aus dem unteren offenen Muldenende in ein darunter stehendes Gefäß hinabgeschoben. Ist die Masse noch nicht fein genug , so wird derselbe Prozeß noch einmal mit ihr vorgenommen. Dieser Stoff wird darauf gewaschen, um die Häute des Korns aus ihm zu entfernen und dann in heißen Oefen gebacken und bildet so das Brod aller der Creolen, welche nicht in den Städten leben."

Neubrandenburg,
den 29. November 1861.

E. Boll.     


1) Auch noch jetzt in der Wallachei; vgl. Jahrb. XV, S 270.     G. C. F. Lisch.