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A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Marquard Behr,

letzter Prior

der Karthause Marienehe

bei Rostock,

und

der Untergang der Karthause,

von

G. C. F. Lisch.


A uf dem linken Ufer des breiten, schiffbaren Warnowstromes zwischen Rostock und Warnemünde steht in friedlicher Stille ein fürstlicher Pachthof Marnê, jetzt auch

wieder Marienehe genannt; im Mittelalter stand hier, eine halbe Meile von der mächtigen Hansestadt Rostock, im Angesichte derselben, und nicht weit entfernt von der benachbarten gefeierten Cistercienser Mönchsabtei Doberan, das würdige Karthäuser=Mönchskloster

Marienehe, von welchem aber schon seit drei Jahrhunderten nicht die geringste Spur mehr vorhanden ist: kaum bemerkt man, wenn man die Warnow hinabfährt, den stillen Landhof an der Stelle, von wo einst die Kirche mit einem weiten Kloster die Gegend beherrschte.

Der Karthäuser=Orden war im J. 1086 von dem später heilig gesprochenen Chorherrn Bruno von Rheims, aus Cöln stammend, gestiftet, indem er sich, bei der wachsenden Sittenverderbniß der Welt, mit sechs Gefährten in die wilde Gebirgswüste La Chartreuse bei Grenoble zurückzog, um hier ein enthaltsames, arbeitsames und andächtiges Einsiedlerleben

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in klosterähnlicher Form zuführen. Dies ist der Ursprung des strengen Karthäuser=Ordens, welcher von dem Stammsitze La Chartreuse den Namen erhielt und sich langsam, aber weit und sicher über ganz Europa verbreitete. Jedes Kloster stand unter einem Prior; alle Klöster aber, welche in (17) Provinzen getheilt waren, standen unter dem Prior der Mutterkarthause La Chartreuse, welcher General des Ordens war.

Der Orden zeichnete sich vor allen andern durch große Strenge, Enthaltsamkeit, Tüchtigkeit und Bildung aus. Außer den herkömmlichen Mönchsgelübden hatten die Mönche die Pflicht eines ewigen Stillschweigens, einer zurückgezogenen Einsamkeit, einer unverbrüchlichen Mäßigkeit, einer unverdrossenen Arbeitsamkeit und einer ungeschminkten Frömmigkeit; sie mußten, mit Ausnahme weniger, gewisser kurzer Zeiten, beständig schweigen, und wenn sie redeten, möglichst kurz und nur das Nothwendigste sprechen, vorherrschend allein in der einfachen Zelle weilen, das Kloster ohne besondere Erlaubniß nicht verlassen, unablässig arbeiten und sich aller Fleischspeisen gänzlich enthalten. Sie beschäftigten sich mit Hand= und Feldarbeit, vorzüglich mit der Wissenschaft und mit Bücherabschreiben 1 ), außer mit dem vorgeschriebenen Gottesdienste. Was aber dem Orden einen so hohen Ruhm verlieh, war, daß er mit stets gleicher Gewissenhaftigkeit unverbrüchlich seine Ordensregel bewahrte, während die andern Orden im Laufe der Zeiten ihre stiftungsmäßigen Vorschriften immer mehr und mehr vernachlässigten und ein Loch nach dem andern in ihre Satzungen machten. Daneben aber war das Leben der Karthäuser, nach dem sich nach und nach ihre Einsiedeleien zugeschlossenen Klöstern ausgebildet hatten, wieder angenehm und gemüthlich, indem ihnen, bei aller Strenge und Enthaltsamkeit, doch manche Bequemlichkeit, Annehmlichkeit und Freiheit in Wohnung, Umgebung und Beschäftigung gestattet ward.. Alle zeichneten sich durch eine gewisse Milde und Ruhe, durch geistige Bildung und ächt christliche Frömmigkeit aus, und daher war ihr Ansehen und ihr Ruf größer und reiner, als anderer Orden. Aber die Festigkeit und Reinheit ihrer Regel war unverbrüchlich und die Strenge gegen Abtrünnige, Entlaufene und Und gehorsame hart und unerbittlich. Frauenklöster gab es wenig; im Laufe der Zeit wurden sie ganz verboten. Der Umgang


1) Die Statuten sagen: "Quot libros scribimus, tot nobis veritatis precones facere videmur, sperantes a domino mercedem, omnibus, qui per eos vel ab errore correcti fuerint, vel in catholica veritate profecerint etc.": So viel Bücher wir schreiben, so viel Zeugen der Wahrheit schaffen wir.
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mit Weibern war ganz untersagt; selbst Beichte durften sie Weibern nicht abnehmen 1 ). Die Karthäuser waren dem Umgange mit der Welt für immer entzogen und kamen nie wieder aus ihrem engbeschränkten Gebiete. Im August 1404 bestimmten die visitirenden Prioren von Grünau und Nördlingen die Grenzen 2 ) für die Brüder des Klosters Marienehe: die Brüder konnten mit Erlaubniß des Priors in die Breite von einer Pforte hinter dem Chore der Kirche bis an die nahe Warnow und in die Länge von dem Dorfe Marienehe bis an die Grenze des rostocker Gebietes gehen; diese beiden Grenzen waren durch Gräben bezeichnet und schienen angemessen und genügend; jedoch ward dabei festgesetzt, daß sich dort keine Weiber sehen lassen sollten. Der Prior erhielt die Erlaubniß, acht Meilen weit umher von Marienehe reifen zu können. Die Tracht der Karthäuser war ganz weiß mit einem schwarzen Mantel. Noch im 18. Jahrhundert gab es viele Karthäuserklöster; jetzt sind sie fast ganz untergegangen.

Es war in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als überall im gebildeten Europa und nicht minder in den mäch tigen und blühenden Hansestädten der Eifer für große und dauernde Denkmäler alle Gemüther begeisterte; noch heute zeugen die zahllosen Dome gothischen Baustyls für die Größe dieser glanzvollen Zeit. In dieser Zeit, im Jahre 1396, stiftete 3 ) der rostocker Burgemeifter Winold Baggel das Karthäuser=Mönchskloster Marienehen, zu gleicher Zeit, als die jetzt auch verschwundene St. Gertruden=Kirche vor Rostock erbauet ward.

Winold Baggel stammte aus einem alten, vornehmen Patriciergeschlechte der Stadt Rostock, welches sich durch Reichthum, Ansehen und Einfluß auszeichnete, und starb bald nach


1) Diese Hauptgrundsätze sind einer Sammlung der Statuta ordinis Cartusiensis entnommen, welche im Jahre 1510 durch Johannes Amorbach in Basel auf Kosten der Karthause bei Freiburg gedruckt sind, nach einem Exemplare, welches früher der Karthause Marienehe gehörte und jetzt im Raths=Archive zu Rostock aufbewahrt wird.
2) Für die Karthause bei Stettin dehnten am 19. Junii 1458 die Prioren Timotheus von Marienehe und Gregorius von Arensbök ("Templum Marie prope Lubek") bei der Bisitation des Klosters die Grenzen des Gebietes, in welchem sich die Mönche ergehen durften, auch auf den Klostergarten aus (Mittheilung des Herrn Archivars Dr. Klempin zu Stettin).
3) Die Stiftung des Klosters Marienehe hat der Professor Schröter Rostock nach Urkunden in den Beilagen zu den wöchentlichen Rostockschen Nachrichten und Anzeigen, 1826, Stück 19-24, S. 73 - 95, dargestellt.
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dem Jahre 1402; die Familie 1 ), welche einen längs getheilten Schild, rechts mit einem Hirschhorn, links mit drei Rosen als Wappen führte, starb 2 ) am Ende des 16. Jahrhunderts aus. Winold Baggel war schon im Jahre 1378 Rathsherr zu Rostock und erscheint im Jahre 1393 als Burgemeister der Stadt. In seinen Aemtern entfaltete er in der schweren Zeit der Gefangenhaltung des Königs Albrecht von Schweden und in allen Hanseangelegenheiten eine große geschäftliche und kriegerische Thätigkeit und lieh auch zur Befreiung des Königs 500 Mark 3 ). Die ganze Bewegung muß ihm, da Rostock in jenen Tagen eine sehr bedeutende Rolle spielte, sehr zu Herzen gegangen sein, da er unmittelbar nach der Befreiung des Königs (26. Sept. 1395) das Kloster Marienehe stiftete. Sicher ist diese Stiftung ein großes, ehrenhaftes Denkmal des Dankes für die Befreiung des Vaterlandes. Winold Baggel that, im Hinblick auf die Reinheit des Karthäuser=Ordens, das Edelste, was er thun konnte. Winold Baggel unternahm diese Stiftung in Gemeinschaft mit seinem Schwiegervater, dem patricischen Bürger Mathiasvon Borken zu Rostock; denn Winold Baggel war mit Maria von Borken verheirathet,mitwelcher er sogleich nach der Stiftung den Bau des Klosters begann 4 ).

Am Tage Marien Reinigung, 2. Februar, 1396 stiftete Winold Baggel die Karthause Marienehe, indem, nach den Worten der Urkunde, er, "der Burgemeister Winold Baggel und der Bürger Mathias von Borken zu Rostock, mit freier und williger Zustimmung ihrer Verwandten und Erben,


1) Vgl. Lisch, Forschungen über einige rostocker Patricierfamilien in Jahrb. XI., Seite 187 und Lithogr. Tafel III.
2) In der großherzoglichen Bildergallerie zu Schwerin befindet sich ein gutes altes Bild auf Holz, welches ich vor vielen Jahren in einer dunkeln Kammer des alten Schlosses entdeckte, welches zu den wenigen alten Privatgemälden im Lande gehört und wahrscheinlich den letzten Baggel darstellt. Es stellt das Brustbild eines Mannes in schwarzem Pelzrock und Schaube dar und ist ungefähr in der Mitte des 16. Jahrhunderts gemalt. Links oben steht: AETATIS SVAE 59. Rechts oben steht das Wappen: ein längs getheilter Schild: rechts grünes Feld (oder blau) mit einem naturfarbenen Hirschhorn, links weißes Feld, jedoch so sehr abgewaschen, daß kein Wappenzeichen mehr darauf zuerkennen ist.
3) Vgl.. Lisch a. a. O. S. 323.
4) In den dem Kloster Marienehe gehörenden Statuten des Karthäuser Ordens steht mit alter Schrift geschrieben:

Anno domini 1396 hoc elaustrum inceptum est per dominum Winoldum Baggele proconsulem Rostochii et Mariam Burken uxorem eius.

Vgl. Rostocker Etwas, 1739, S. 529, und Schröder P. M. I., S. 1618.
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um auf dem Eckstein, den Jesus Christus gelegt, fortzubauen,

dem allerhöchsten Gott und Könige, zu Ehren der Jungfrau Maria und aller Heiligen, ihren Hof Mergene mit allen Zubehörungen darbrachten, unter der Bedingung, daß auf diesem Hofe ein Kloster des Ordens der Karthäuser=Brüder gebauet und in demselben für sie, als die ersten Stifter und Gründer des Klosters , gebetet werde 1 )". Nach der kurzen Chronik des Klosters war es neben Winold Baggel zunächst dessen Frau Maria von Borken, welche die Stiftung beförderte und wahrscheinlich ihr Eingebrachtes dazu hergab. Die Stiftung geschah vor den beiden andern Burgemeistern und vier Rathsherren der Stadt, so wie dem Stadtprotonotar Conrad Römer, Vikar an der Marienkirche und Domscholasticus zu Schwerin, weIcher die Stiftung beförderte, und anderen Zeugen.

Am 27. Februar 1396 gab Albrecht, König von Schweden und Herzog von Meklenburg, seine "königliche Einwilligung" 2 ) ("consensum regium") zu dieser Stiftung eines Karthäuserklosters zu "Merghenew", voll Lobes der Karthäuserbrüder, als der tapfersten Streiter aus Israel, und in dem Glauben, daß Gott, der ihn für seine Sünden in die Gewalt und Gefangenschaft seiner Feinde habe fallen lassen, ihn für die Beförderung der ankommenden Brüder nach seiner Heim kehr durch die Gebete derselben erquicken und stärken werde.

Die Stiftung und Bestätigung des Klosters im Monat Februar 1396 geschah sicher nicht ohne Berücksichtigung der zweiten Vermählung des Königs Albrecht mit der Prinzessin Agnes von Braunschweig, welche in demselben Monate gefeiert ward: die Stiftung war ein würdiges Hochzeitsgeschenk und ein glänzendes Zeugniß für die Treue der rostocker Rathsgeschlechter gegen ihren Fürsten .

In den Stiftungsurkunden wird der Hof, auf welchem das Kloster gegründet ward, Mergene und Merghenew genannt: und dies war der alte Name des Dorfes. Der Professor Schröter 3 ) hat in dem rostocker Archive 10 Urkunden über dieses Dorf vor der Zeit der Stiftung des Klosters er forscht, in denen es von 1333 bis 1395 immer Mergenewe und Mergnew genannt wird. Der Name ist sicher wendisch und mag mit dem wendischen Personennamen Miregnew, welcher in meklenburgischen Urkunden z. B. in der Darguner


1) Die Stiftungsurkunde ist gedruckt von Schröter a. a. O. S. 86, Nr. 1.
2) Gedruckt bei Schröter a. a. O. S. 88, Nr. II.
3) Vgl. Schröter a. a. O. S. 83 flgd.
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Urkunde von 1173, nach einem andern slavischen Dialekte Mirograv 1 ) geschrieben wird, gleich sein und dann: "Sanftgroll" bedeuten (vgl. Rosegarten Codex Pomer. I., S. 31 u. 88); die wendischen Personennamen kommen auch als Ortsnamen vor. Der Ort Mergnew war 1333 ein Lehn der adligen Familie von Barnekow , welche es damals an rostocker Patricier zu veräußern anfing. Im Jahre 1393 verkaufte der rostocker Bürger Wanzeberg die eine Hälfte und im Jahre 1395 der Ritter Mathias von Arekow die andere Hälfte des Dorfes und Hofes Mergnewe an den Burgemeister Winold Baggel, und im Jahre 1395 verkaufte dieser wieder diese Hälfte an den rostocker Bürger Mathias von Borken. Von diesen beiden ging daher der Besitz an das neu gestiftete Kloster über.

Am 8. September 1396 bestätigte der zuständige Bischof Rudolf von Schwerin die junge Pflanzung 2 ), verlieh ihr einen Ablaß und hob dieselbe mit besonderer Feierlichkeit hervor. Der Bischof Rudolf war ein Herzog von Meklenburg, ein Sohn des Herzogs Johann I. von Meklenburg=Stargard, welcher lebhaft für die Befreiung des Königs Albrecht gerungen hatte, also war Rudolf ein Vaterbrudersohn des Königs A1brecht. Die Stiftung ward besonders durch die mit dem Könige Albrecht in Schweden gefangenen Fürsten begünstigt. Rudolf sagt in der Bestätigungsurkunde selbst, daß der König Albrecht und dessen Sohn Erich, der Graf Günther von Lindow, sein Oheim, der Graf Albert von Holstein und er selbst in die harte Gefangenschaft der Königin Margarethe gefallen seien, und hiemit stimmt auch Detmar's Lübische Chronik 3 ) wörtlich überein. Rudolf war früher durch die Beförderung des Königs Bischof von Skara 4 ) in Schweden geworden, verlor aber das Bisthum 1389 durch seine Gefangenschaft, ward jedoch 1390 zu dem eröffneten Bisthum Schwerinbefördert. Der Bischof Rudolf bekennt in der Bestätigungsurkunde, daß ihn vorzüglich der Graf Günther von Lindow, sein Oheim, mit andern hohen Personen angelegen habe, den Karthäusern, welche von verschiedenen Fürsten begünstigt würden den, Eingang in das Land zu verschaffen, und der Graf Günther war persönlich bei der Bestätigung in Rostock gegenwärtig.


1) So geht z. B. auch der alte Stadtname Gnevesmo1en schon früh oft in Grevesmühlen über.
2) Vgl Schröter a. a. O. S. 90, Nr. III.
3) Vgl. Detmar's lübische Chronik, von Grautoff, S. 344 und 369.
4) Vgl. Schröder P. M. I., S. 1592, und Rudloff M. G. II., S. 526 und 518.
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Weil nun auch, wie der Bischof sagt, "der Orden der Karthäuser=Brüder unter allen Orden wie ein Stern im Morgennebel strahle und wie das anbrechende Morgenroth erglänze", so bestätigte er die Schenkung des Gutes Merghene und eines Hauses in der Stadt Rostock, welches das neue Hospital heiße, an den Karthäuser=Orden, damit dem ganzen Vaterlande, dem Lande Meklenburg und den angrenzenden Ländern Heil aus der Stiftung erwachse, die Segnung des Friedens aufblühe und die Tugend sich mehre, und befreiete das künftige Kloster von der bischöflichen Gerichtsbarkeit und Oberaufsicht 1 ), überließ also dadurch die obere Leitung dem General des Ordens. Der Bischof legte in der Bestätigungsurkunde dem Kloster zwar den Namen Himmelszinnen ("Celi moenia" ) bei, gab aber in der Urkunde selbst weitläuftig eine so gewandte etymologische Deutung des wendischen Namens Mergene, daß der Name Himmelszinnen nie in Gebrauch kam; er sagt nämlich: "Mergene lautet auf deutsch " Marien - ee, das ist auf lateinisch Mariae lex; das lateinnische Wort moenia (Mauer) komme von munio (befestigen) her; weil nun Marien Gesetz eine wahre Himmelsmauer (celicus murus) ist, so hat der Name Celi moenia (Himmelszinnen) gleiche Bedeutung mit Lex Mariae (Marienehe). Er schließt in dieser langen Etymologie, welche in einer Urkunde gewiß sehr selten ist, so: Mergene ist so viel als Marienehe, Marienehe aber ist eine wahre Himmelszinne, also ist Mergene auch eine Himmelszinne. Die Erklärung von Mer-gnewe oder Mer-genewe oder Mer - genê durch Mergen-êwe oder Mergen-ê ist eigentlich keine Etymologie, sondern nur ein Wortspiel. Der Name Maria ward im Niederdeutschen oft Mergen- ausgesprochen, und althochdeutsch êwa, mittelhochdeutsch êwe oder ê, neuhoch deutsch êhe, bedeutet: Satzung, Gesetz, Religion, Orden. Daher konnte man leicht dazu kommen, das wendische Wort Mergen-ê durch Marien=Gesetz oder Marien=Orden zu deuten; die wörtliche lateinische Uebersetzung hievon ist aber Lex Mariae - Dieser Name Marienehe fand so viel Beifall, um so mehr, da er dem alten wendischen Namen ziemlich ähnlich war, daß der Name Himmelszinnen gar nicht aufkam, sondern seit dem Jahre 1404 auch in Urkunden und Siegeln 2 )


1) "Quod ab omni nostri pontificalis iuris cohercione est exemptum", nach der Bestätigungsurkunde bei Schröter a. a. O.
2) Auf dem Umschlage der Rostockischen Chronik von 1310 - 1314, oder Beiträge zur Meklenburg. Geschichts=Kunde , Heft 1 Rostock 1826, hat Schröter das alte Siegel des Klosters Marienehe in Holzschnitt [fnpage] abdrucken lassen; es ist ein rundes Siegel mit dem stehenden Bilde der Jungfrau Maria mit dem Christkinde und der Umschrift: S. L e X. M A RI e . hVMILI T A S (Sit (?) lex Mariae humilitas: Mariene=Ordnung sei Demuth).
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nur der Name Marienehe gebraucht 1 ) ward. Der Hauptgrund für die Beibehaltung dieses Namens lag aber sicher in der Aehnlichkeit mit dem alten wendischen Namen Mergenê, und wir sehen, daß noch in jungen Zeiten die Geistlichkeit alte Namen dazu benutzte, um kirchliche Begriffe hineinzutragen, wie es bei der Einführung des Christenthums geschah. - Noch heute hört man im Volke den Namen des Gutes Marnê aussprechen.

Der Bau des Klosters ward wahrscheinlich gleich in Angriff genommen. Zur Aufnahme der ersten Mönche diente ohne Zweifel das Neue Hospital in der Stadt Rostock. Am 3. März 1399 schenkte der rostocker Stadtprotonotar Conrad Römer , Dom=Scholasticus zu Schwerin, welcher die Gründung des Klosters eifrig befördert und allen Stiftungshandlungen beigewohnt hatte, mit seinen Brüdern Heinrich, Vikar an der St. Georgenkirche, und Matthäus, Nicolaus und Albert, Rathsherren zu Parchim, dem Rector des neuen Klosters Himmelszinnen ("Celi menia") Johann Schelp, ohne Zweifel dem ersten Prior, zur Ausführung des Unternehnmens ("novi monasterii - - ad constituendum incepti") der auf dem Landgute "Mariene" zwischen Warnemünde und Rostock wohnenden Karthäuserbrüder 11 Mark rostocker Pfenninge jährlicher Hebungen aus dem Dorfe Evershagen 2 ) bei Marienehe. In den Jahren 1404 und 1405 ward das Kloster dem Orden wirklich einverleibt 3 ); damals wird also der Bau schon vollendet gewesen sein.

In der Schrift hat das Kloster immer den Namen Marienehe geführt. An dem Orte selbst wird aber der Name noch heute nur "Margnê" ausgesprochen und der deutlich ausgesprochene Name "Marien=Ehe" ist schon in den nächsten Dörfern unbekannt und unverständlich. Noch vor etwa 40 Jahren lautete auch in Rostock der Name nur "Marnê" und die Aufnahme der in Rostock jetzt deutlich ausgeprägten Form "Marien=Ehe" ist nur eine Folge moderner wissenschaftlicher und polizeilicher Bestrebungen.

Der jetzige Wirthschaftshof hat nur junge, leicht aufgeführte Gebäude. -Von dem Kloster ist keine Spur mehr vor-


1) Vgl. Schröter a. a. O. S. 86.
2) Vgl. Schröter a. a. O. S. 94, Nr. IV.
3) Vgl. Schröter a. a. O. S. 86.
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handen. Dicht hinter und neben dem Hofe, nach der Warnow hin, liegt eine ausgedehnte wüste, erhöhete Grasebene, auf welcher einige Obstbäume stehen. Diese Stelle heißt jetzt die "Wi1dniß " und kann noch nicht beackert werden, weil der Boden voll Schutt und Fundamentsteinen liegt. Hier hat das Kloster gestanden. Es liegen noch einzelne Mauerziegel und Bruchstücke von Mönchsdachziegeln aus weiß gebranntem Thon umher, welche aber aus jüngern Zeiten stammen können. Von sicher alten Üeberresten fand sich im Jahre 1861 nichts weiter, als ein halber modellirter Ziegel von roth gebranntem Thon von einem Kirchenpfeiler. Unterhalb und unmittelbar neben dieser Ebene liegt ein kleiner Teich, welcher durch einen kleinen Bach gespeiset wird; an diesem Teiche, welcher noch jetzt der "Mühlenteich" genannt wird , lag in alten Zeiten die Klostermühle 1 ), und der Teich hat seinen Abfluß in die Warnow durch den Mühlbach. Unten tief an der Warnow liegt eine Wiese, in welcher eine kleine, feste Erhöhung bemerkbar ist. Hier mag in alten Zeiten, als Margnê noch Lehngut war, ein Rittersitz gestanden haben. Von dem Hofe hat man eine prächtige Aussicht über die Warnow hinauf nach der stolzen Stadt Rostock, welche vor den Blicken ganz ausgebreitet liegt, so wie von Rostock aus die Aussicht über die, Warnow hinab durch den Hof im Hintergrunde geschlossen wird.

Im Jahre 1447 verschrieb das Kloster Marienehe einem Sohne des Stifters Burgemeisters Winold Baggel, welcher ebenfalls Winold Baggel hieß, eine ewige Präbende und die Wohnung und steinerne Zelle bei dem Klosterthore am Eingange auf dem Hofe mit Feuerung zur Benutzung auf Lebenszeit für seine Person, um darin "göttlich, ehrlich, friedlich, demüthig und rein" sich aufzuhalten.

So hatte die Stadt Rostock im Anfange des 15. Jahrhunderts eine Sehr große Geistlichkeit, wie eine große Stadt sie zu haben pflegte, vier Pfarren, St. Petri, St. Nicolai, St. Marien und St. Jacobi, mit zahlreichen Geistlichen, ein St. Georgen=Hospital' ein H. Geist=Hospital, eine St. Gertruden=Kirche, ein Franziskaner=Mönchskloster zu St. Katharinen, ein Dominikaner=Mönchskloster zu St. Johannis, ein Cistercienser=Nonnenkloster zum H. Kreuz, in nicht großer Ferne das Cistercienser=Mönchskloster Doberan mit einem großen Hofe


1) Schon in einer Urkunde vom Jahre 1376 bei Schröter a. a. O., S.83 flgd. und wiederholt wird: "Merghenewe vnde de hof, de dar to licht,-myd den molen,beyde watermolen vnde windmolen", genannt.
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in der Stadt Rostock und in unmittelbarer Nähe das Karthäuser=Mönchskloster Marienehe mit einem Hause in Rostock.

Die Karthause Marienehe war das einzige Karthäuser=Kloster in den meklenburgischen Landen. Die Karthäuser=Klöster, deren im Anfange des 16. Jahrhunderts 191 waren, waren in Norddeutschland überhaupt selten, da es hier deren nur acht gab, in folgender Reihenfolge: Gottes=Gnade bei Stettin, Marien=Paradies bei Danzig, Marien=Kloster bei

Hildesheim, Gottes=Barmherzigkeit bei Frankfurt a. O., Marien=Tempel zu Arensbök, Marien=Ehe bei Rostock, Marien=Kron in Pommern, Gotesfriede bei Schievelbein in der Neu =Mark (und Marien=Friede in Schweden) 1 ). Die der Karthause Marienehe zunächst gelegenen Karthausen in den Nachbarländern waren die Klöster zu Stettin 2 ) in Pommern, welches als das älteste in der Provinz Sachsen aufgeführt wird, und Arensbök in Holstein. Woher die ersten Mönche nach Marienehe kamen, läßt sich urkundlich nicht ermitteln. In Prag soll ein altes Karthäuser=Kloster gewesen sein, von welchem erst 1380 die Karthause Marien=Paradies bei Danzig und um 1396 die Karthause bei Frankfurt a. O. gestiftet sein soll. Die Karthause Gottes=Gnade bei Stettin ward am 21. Januar 1360 durch den Herzog Barnim III. gestiftet und am 8. Februar 1360 zu Prag durch den Kaiser Carl IV. bestätigt 3 ). Erst um das Jahr 1441 ward die Karthause bei


1) Ein Anhang der gedruckten Statuta ordinis Cartusiensis, Basel 1510, zählt alle Karthäuserklöster auf und unter diesen auch:
Nomina prouinciarum et domorum ordinis Cartusiensis:
   Prouincia Gebenensis.
Domus Cartusie.
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   Prouincia Alemanie inferioris
1. Domus Noue Celle in Grunau in Franconia.
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7.          Horti Christi prope Nordlingen.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
   Prouincia Saxonie.
1. Domus Gratie Dei prope Stetin.
2.           Paradisi Marie in Pruscia (Danzig).
3.           Claustri Marie prope Hildesheim.
4.           Misericordie Dei prope Franckenford
5           Templi Marie prope Lubeck (Arensbök).
6.           Legis Marie prope Rostock.
7.          Crone Marie in Pomerania.
8.           Pacis Dei prope Schievelben in Noua Marchia.
9.           Pacis Marie in Regno Schwecie.
2) Vgl. Schröder P. M. II., S. 1711.
3) Nach den gütigen Mitth. des Herrn Archivars Klempin zu Stettin.
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Schievelbein 1 ) in der Neumark gegründet. Die Mönche zu Marienehe waren aber wahrscheinlich aus Mitteldeutschland gekommen, da die Prioren von Neuen=Zelle zu Grün an in Franken und von Christi=Garten bei Nördlingen im August 1404 in Marienehe waren, um die Grenzen festzustellen. Wahrscheinlich wird die Karthause bei Hildesheim das Mutterkloster von Marienehe gewesen sein, da die letzten Handlungen der letzten Brüder von Marienehe in den Jahren 1565 und 1576 in der Karthause bei Hildesheim geschahen. Die Erkenntniß würde bedeutend gefördert werden, wenn man wüßte, wer der Bischof von Laodicaea ("episcopus Laodicensis") war, welcher bei der bischöflichen Bestätigung des Klosters Marienehe am 8. September 1396 in Rostock gegenwärtig war und kirchlichen Antheil an der Stiftung gehabt zu haben scheint.

Wenn aber Schröter 2 ) meint, daß die ersten Mönche von Marienehe aus der Karthause Arensbök in Holstein, nicht weit von Lübek, gekommen seien, so läßt sich dies, nachdem die Urkunden 3 ) des Klosters Arensbök in den neuesten Zeiten bekannt geworden sind, nicht unbedingt annehmen und das Verhältniß aufklären. Zwar ist es nicht zu leugnen, daß die Karthausen zu Marienehe und Arensbök in innigem Zusammenhange standen und enge Verbindungen schlossen;aber es ist gewiß, daß die Karthause zu Arensbök in der Stiftung etwas jünger ist. Am 1. Februar 1386 wollte der Graf Adolf von Holstein mit Jacob Krumbek , Domherrn zu Schwerin, Lübek und Hamburg und Archidiakonus zu Triebsees, an der Pfarrkirche zu Arensbök ein Jungfrauenkloster stiften, welches nach dem Testamente Krumbek's vom 14. December 1387 ein Prämonstratenser=Nonnen=Kloster sein sollte. Aber am 20. Mai 1397 bewilligte der Herzog Gerhard von Holstein, nach dem Tode Adolf's, unter Zustimmung der Testaments=Vollstrecker des Jacob Krumbek, daß, weil die Stiftungsschenkung zu einem Prämonstratenser=Nonnen=Kloster nicht ausreichend zu sein scheine, dafür ein Karthäuserkloster gestiftet werde, und am 2. November 1399 legte der Bischof Johann von Lübek die Pfarrkirche zu Arensbök zu dem Karthäuserkloster "Marientempel ("Templum Mariae"). Es ist also unzweifelhaft, daß das Kloster Arensbök urkundlich später gestiftet ist, als Marienehe; freilich ist jenes nur ein Jahr jünger, als dieses. Es scheint vielmehr, daß das Kloster Arensbök in Ver=


1) Vgl. Baltische Studien, IX., H. 2, S. 63 und 71.
2) Vgl. Schröter a. a. O. S. 86.
3) Vgl. Schleswig=Holst.=Lauenb. Urkunden=Sammlung, Bd. III., Abth. 1, Diplomatarium des Klosters Arensbök, Kiel, 1852.
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anlassung der Stiftung von Marienehe gegründet ist, da ein schweriner Domherr die Güter zur Stiftung hergegeben hatte und der Graf Albert von Holstein, ein Bruder des Grafen Gerhard und ein naher Verwandter des meklenburgischen Fürstenhauses, unter den schwedischen Gefangen fürstlichen Ranges war, für deren Befreiung die Karthause Marienehe gestiftet ward. So erscheint die Stiftung der beiden Karthausen zu Marienehe und Arensbök, welche während ihres Bestehens eng an einander hielten, als eine politische Handlung in Folge ungewöhnlich großer Begebenheiten. Dennoch wird die Karthause Arensbök, welche schon eine Kirche fertig fand, früher fertig geworden und eingeweihet sein, da in den Fasten 1400 die vorhandenen Mönche von Marienehe den Wirthschaftshof zu Marienehe mit 3 1/2 Hufen an Claus Brandes zu "Bauerrecht und zu Pacht" mit Bewilligung des anwesenden "Priors" Johann von Arensbök verkauften, während der im Werden begriffenen Karthause Marienehe nur noch ein "Rector" vorstand. Daher hat Arensbök auch immer den Vorrang unmittelbar vor Marienehe.

Dieses innige Verhältniß zwischen Marienehe und Arensbök wird auch durch die besondere Theilnahme erhellt, welche das meklenburgische Fürstenhaus dem Karthäuserkloster Arensbök schenkte; nach allen Anzeichen waren die Fürsten auch der Stiftung dieses Klosters behülflich und blieben mit demselben in engem Verkehr. Im J. 1477 bat der Karthäuser Vicke Dessin, wahrscheinlich ein Meklenburger von Geburt, welcher 1481 Prior zu Marienehe ward, den Herzog Magnus von Meklenburg um die Erfüllung des Versprechens, der Kirche zu Arensbök die gelobten gemalten Fenster und Hülfe zu den

Gewölben mit Gewölbeschildern, alle mit den Wappen der Herzoge von Meklenburg 1 ), Gedächtniß seines (am 9. März 1477 gestorbenen) Vaters, des Herzogs Heinrich IV., zu schenken, wie solche "der König und die Königin" geschenkt hätten, welche der Herzog Magnus selbst gesehen habe. Unter dem "Könige und der Königin" sind wahrscheinlich der König Albrecht 2 ) von Schweden,Herzog von Meklenburg, und dessen Gemahlin Agnes von Braunschweig zu verstehen,


1) Vgl. Jahrb. des Vereins für meklenburg. Geschichte u. Alterth. XVI., S. 6.
2) Der König Albrecht und dessen Gemahlin Agnes, im Anfange des 15 Jahrhunderts , scheinen den Kirchen oft gemalte Fenster, in der guten Zeit der Glasmalerei, geschenkt zu haben; leider ist davon nichts übrig geblieben. Nach einer jüngst aufgefundenen Nachricht hatten sie auch dem Claren=Kloster zu Ribnitz gemalte Fenster mit ihren Bildnissen und Wappen geschenkt.
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und nicht der König von Dänemark. Zu gleicher Zeit nahm das Kloster Arensbök den Herzog Magnus und dessen Mutter, die verwittwete Herzogin Dorothea, in die Fraternität des Klosters auf, worüber Vicke Dessin die Urkunde mitschickte. Im Jahre 1493 gab auch das Generalcapitel der Karthäuser dem Herzoge Magnus und dessen Bruder Herzog Balthasar einen Fraternitätsbrief, ohne Zweifel zur Belohnung ihres Eifers für die Karthause Marienehe.

Nach der Vollendung des Klosters wirkten die Karthäuser zu Marienehe unerschütterlich und thätig in stiller und verehrungswürdiger Betriebsamkeit fort, ohne daß große und laute Begebenheiten ihren Gang verkündigten.

Für den eigenen Fleiß und den Beifall der Welt zeugen die reichen Besitzungen, welche die Karthause Marienehe im Laufe eines Jahrhunderts erwarb. Nach Verzeichnissen aus der Zeit des Unterganges des Klosters besaß das Kloster folgende Dörfer: in Meklenburg: Marienehe, Schutow, Sievershagen, Evershagen, Elmenhorst, Stove, Mönchhagen, Pastow, Gr. Reez, Kl. Reez, alle bei Rostock, gelegen; im Fürstenthume Rügen: Devin, ganz, Muucks, Cordshagen, zum größern Theile, Schmedeshagen, Hohendorf, Teschenhagen, Lüssow, Brandeshagen, Arendsee, Lüdershagen, zum Antheile, alle bei Stralsund gelegen; auf der Insel Rügen: Götemitz, ganz , und außerdem in Meklenburg viele kleinere Hebungen. Für den großen Reichthum des Klosters zeugt schon der Umstand, daß der Professor Schröter über 400 Urkunden 1 ) des Klosters, welches nur 150 Jahre bestand, gesammelt hat.

Das Kloster ward in den 150 Jahren seines Bestehens von 15 Prioren regiert, welche der Professor Schröter aus den Urkunden des Klosters namhaft 2 ) gemacht hat. Bei dem hohen Range, den das Kloster einnahm, gehörten die Prioren zu den Prälaten 3 ) der Landstände.

Kaum war das Kloster im Bau vollendet und eingerichtet, als für dasselbe und für die Stadt Rostock ein Ereigniß von der größten Wichtigkeit eintrat: am 12. November 1419 ward die Univ ersität zu Rostock 4 ) gegründet. Bei dem wissenschaftlichen, gebildeten und vorurtheilsfreien Streben der Kar=


1) Vgl. Schröter Beiträge, S. IX
2) Vgl. Schröter Beiträge, S. IX.
3) Vgl. Krabbe Geschichte der Universität Rostock, I., 1854, S. 108, Not. 1.
4) Das Original der Stiftungsurkunde vom 12. November 1419 ist in neuern Zeiten in Stockholm aufgefunden und im Anzeiger des German. Museums zu Nürnberg, 1860, December, Nr. 12, S. 446, gedruckt
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thäusermönche konnte diese Stiftung nur belebend auf das Kloster einwirken,wie umgekehrt der Glanz des Karthäuserklosters wohlthuende Wirkungen auf die Universität hervorbringen mußte. Dies zeigte sich auch sehr bald, indem in den Zusatzartikeln zu den Universtäts=Statuten bestimmt ward, daß für den Fall eintretender Streitigkeiten zwischen dem Concil der Universität und dem Rath der Stadt Schiedsmänner von beiden Theilen zusammentreten sollten, und wenn diese nicht einig werden könnten, der Prior des Karthäuserklosters Marienehe 1 ) oder der Abt von Doberan der Obmann sein solle, bei dessen Entscheidung es unter allen Umständen verbleiben müsse. Dadurch war auch der Prior von Marienehe veranlaßt, ingenauem Zusammenhange mit der Universität zu bleiben.

Diesem wichtigen Ereignisse folgte um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein anderes' welches für die Bildung in Rostock und Marienehe von der größten Bedeutung war. Um das Jahr 1462 siedelten sich in Rostock die Brüder vom gemeinsamen Leben 2 ) an und baueten sich hier ein Kloster des Grünen Hofes zu St. Michael. Diese Brüder, wenn auch freier in ihrer Regel, standen den Karthäusern sehr nahe, indem auch sie auf werkthätige Tugend, Demuth und Arbeitsamkeit angewiesen waren und sich einer klaren Bildung und Gottesfurcht befleißigten. Sie waren auch zum Unterricht der Jugend verpflichtet und errichteten m Jahre 1475 die erste Buchdruckerei in Meklenburg, aus welcher namentlich viele Ausgaben von Kirchenvätern, erbauliche Schriften und Bücher zum Kirchendienste hervorgingen. Diese Brüder vom gemeinsamen Leben , welche mit den Karthäusern so sehr übereinstimmten, waren diesen sicher in vieler Hinsicht dienstbar und nützlich, und daher erklärt sich auch der verhältnißmäßig große Reichthum der Bibliothek 3 ) der Karthäuser zu Marienehe, welche, noch ziemlich erhalten, durch die Marien=Bibliothek in neuern Zeiten in die Universitäts=Bibliothek zu Rostock übergegangen ist.

Der Geist des Karthäuser=Ordens und der Brüder vom gemeinsamen Leben offenbart sich überall als ein klarer, frommer,


1) Vgl. Krabbe a. a. O. S. 108. Nach den ältesten Statuten der Universität: "Isset dat sie dat vneindrechliken affseggen, so schall ein prior tho den Carthusern tho Marien Ehe, vnde oft men en nicht vermochte, ein abbet van Dobberan ouerman wesen, vnd - - dar schall idt by bliuen."
2) Vgl. Lisch Geschichte der Buchdruckerkunst in Meklenburg, in Jahrb. IV, S.1 flgd.
3) Vgl. Lisch a. a. O. S. VIII., flgd. und S. 150.
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werkthätiger, fester Geist. Als die Weltgeistlichkeit und die übrigen Mönchsorden gegen das Ende des 15. Jahrhunderts immer tiefer sanken und das Drängen nach einer " Reformation" der Ordensregeln im Anfange des 16. Jahrhunderts schon vor der lutherischen Reformation durchbrach, standen fast nur die Karthäuser und die Brüder vom gemeinsamen Leben fest auf ihrem Standpuncte. Hievon giebt ein merkwürdiger Vorgang ein auffallendes Beispiel und zugleich einen klaren Blick in das Leben und die Gesinnung der Karthäuser. Im Jahre 1477 lebte in der Karthause Arensbök ein Mönch Vicke Dessin, ohne Zweifel ein meklenburgischer Edelmann, aus der alten adeligen Familie von Dessin, welcher in seinen jungen Jahren an dem meklenburgischen Fürstenhofe gedient hatte; er selbst sagt zu dem Herzoge Magnus von Meklenburg, daß er "der Herzoge eigen Mann geboren und von ihnen allen von seinen jungen Jahren an in ihrem Lande erhalten ("vödet" = ernährt) und in ihrem Dienst gewesen" sei. Als er im Jahre 1477 den Herzog um die gelobten gemalten Fenster und Gewölbe für die Kirche zu Arensbök mahnte und demselben einen Fraternitätsbrief seines Klosters übersandte, nahm er die Gelegenheit wahr, dem Herzoge ins Gewissen zu reden. Des Herzogs Magnus Bruder Johann war mit der pommerschen Princessin Sophie verlobt gewesen. Nachdem der Herzog Johann auf einer Reise nach Rom und Jerusalem, die er mit seinem Bruder Magnus unternommen hatte, gestorben war, that die Braut das voreilige Gelübde einer immerwährenden Jungfrauschaft. In der Folge begehrte der Herzog Magnus die Princessin zur Gemahlin, fand aber Hindernisse in ihrem Gelübde. Er fragte viele Rechts=und Kirchenlehrer um Rath und beauftragte auch den Vicke Dessin, mit den Prälaten und Doctoren in Lübek über den Fall zu reden. Dies that auch Dessin, rieth aber von der Verlobung ab, vorzüglich weil sie gegen die öffentliche Ehrbarkeit sei 1 ). Dabei schärft er dem Herzoge ungefähr Folgendes ein: "Eure fürstliche Gnade betrachte doch die Kürze, Fährlichkeit und Betrüglichkeit dieser Welt. Gott sieht nicht die Person an, sondern nur den, der Gutes thut und seine Gebote hält. Darum muß auch Eure fürstliche Gnade die Gebote Gottes halten und Rechtfertigkeit im Gericht üben ohne Liebe, Freundschaft, Gabe und Furcht, denn Ihr seid über Land und Leute gesetzt, daß Ihr Gott Rechenschaft davon gebt. Was hilft kurze Fröhlichkeit, großes Gut, gesunder Leib und Schönheit, was hilft große Herr=


1) Vgl. Jahrb. XVI., S. 3 flgd.
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schaft, ohne ewige Fröhlichkeit, Gesundheit und das was ewig ist? Was hilft es, zu Rom gewesen zu sein und zu Jerusalem und Gelübde gethan zu haben , ohne gebessert zu sein und das Gute in Werken vollbracht zu haben? Von der heiligen Schrift und der Wahrheit, die Gott selbst ist, darf Niemand weichen, der selig werden will; ohne Arbeit, Rechtschaffenheit, Demuth und Befolgung der Gebote Gottes kann Niemand selig werden, und dies ist nur durch Arbeit zu erwerben. Wer hier das Kreuz nicht mit guten Thaten trägt und es nicht liebt, dem wird es nach diesem Leben allzuschwer. Eure fürstliche Gnade kann dadurch noch mehr Frucht schaffen, wenn Ihr die geistige Freiheit in Eurem Lande befördert und die Klöster in Euren Landen zu recht setzet und reformiren helft; denn die lassen sich dünken, sie leben in der Wahrheit und sind doch in großer Fährlichkeit. Durch rechte Befolgung der Regeln kann man mehr verdienen, als durch (sogenannte) kirchliche gute Werke, Beten, Fasten und Opfer."

Diese eindringliche Ermahnung ist zugleich ein klarer Ausdruck der Gesinnung und des Strebens der Karthäuser. Sie forderten die Erfüllung der Gebote Gottes durch Rechtschaffenheit, Arbeit und Demuth, durch gute Thaten, verachteten aber die sogenannten guten Werke, welche nur in der Uebung gottesdienstlicher Vorschriften und Gebräuche bestehen, in Beten, Fasten, Opfern. Dadurch standen die Karthäuser, welche ein apostolisches Leben zu führen trachteten, in feindlichem Gegensatze mit der ganzen übrigen Geistlichkeit, welche nur die Aeußerlichkeit der sogenannten guten Werke forderte und beförderte und die Gebote Gottes nicht erfüllte. Deshalb drang Vicke Dessin auf Reformation der übrigen Klöster, um mehr frommes Leben zu erwecken.

Nur eine geistliche Gesellschaft nahm Vicke Dessin in Schutz, die Brüder vom gemeinsamen Leben in Rostock. Er sagt weiter: "Eure fürstliche Gnade helfe um Gottes willen den armen Brüdern zu Rostock , welche die gemeinen Brüder heißen, die ein gutes, seliges Leben führen und leben nach der Apo stel Leben; darum haben ihnen die bösen Geistlichen den Spottnamen "Lollbrüder" gegeben; diese empfehle ich Eurer Gnaden in ihrer Noth, denn viele böse Geistliche sind ihnen nicht gut." Diese Gesinnungen zeigen klar den Zustand in der Geistlichkeit und in den Klöstern Rostocks, und man wird sich die Verhältnisse noch klarer vorstellen können, wenn man erfährt, daß eben dieser Vicke Dessin bald darauf zum Prior der Karthause Marienehe (1481-

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1485) 1 ) berufen ward, und um dieselbe Zeit die Brüder vom gemeinsamen Leben anfingen, durch ihre Buchdruckerei und durch Unterricht eine große Thätigkeit zu entfalten.

Jedoch folgte der Herzog Magnus nicht ganz den Rathschlägen Dessin's, sondern setzte mit der Geistlichkeit unter heftigen Kämpfen im Jahre 1487 die Errichtung eines Domcapitels an der Jacobi=Kirche zu Rostock durch. Diese Vermehrung der Geistlichkeit durch hohe Würdenträger war den Rostockern doch zu viel, und es ist urkundlich beglaubigt, daß die Brüder vom gemeinsamen Leben die Errichtung nicht billigten und den Rostockern gegen die Herzoge anhingen 2 ). Auch ward in Marienehe über die Errichtung des Domcapitels verhandelt.

Nach Vicke Dessin regierten noch drei Prioren die Karthause Marienehe, bis der gewaltige Sturm der lutherischen Reformation losbrach.

Die lutherische Reformation in Meklenburg ging von Rostock aus, wo sie sich theils durch den entschiedenen Willen der Bürgerschaft, theils durch den dort gepflegten Geist der Wissenschaft früh und sicher Bahn brach. Nachdem der Capellan Joachim Slüter an der Petri=Kirche schon im Jahre 1523 angefangen hatte, das Evangelium muthig und laut zu predigen, und im Jahre 1528 die Ehe eingegangen war, konnte der Fortschritt nicht mehr gehemmt werden, namentlich nach dem Slüter am Pfingsttage 1532 den Märtyrertod durch Gift gestorben war. Einer so starken Bewegung konnte der Rath, der in sich noch nicht einig war, nicht widerstehen. Nachdem schon seit 1529 auf Andrängen der Bürgerschaft an allen Pfarrkirchen evangelische Prädicanten zugelassen waren, ward am Tage vor Palmsonntag, den 1. April 1531, bei der gesammten Geistlichkeit der papistische Gottesdienst obrigkeitlich abgeschafft 3 ) und im Jahre 1534 wurden das Dominikaner=Kloster und das Franziskaner=Kloster aufgehoben und eingezogen. Das Domcapitel zu St. Jacobi hielt sich freilich noch einige Zeit in seinen Gliedern der Form nach, aber in die Jacobi=Kirche ward sogleich der protestantische Gottesdienst eingeführt. Die letzten Domherren suchten ihre alte Rolle fortzuspielen, namentlich der giftigste aller Papisten in Rostock, der Magister Dethlev Dancquardi 4 ), Vice=Dechant des Domstifts, Official des Archidiakonats Rostock, Pfarrer zu Kessin


1) Vgl. Schröter Beiträge S. IX.
2) Vgl. Jahrb. IV., S. 23.
3) Vgl. Jahrb. XVI., S. 19 flgd.
4) Vgl. Jahrb. III., S. 88, XVI., S. 22-24, und XIX., S. 67.
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und sonst rund mit Pfründen behängt, welcher mit seltener Uebermüthigkeit, Halsstarrigkeit und Unverschämtheit jeden anders Denkenden bis zu seinem Tode am Ende des Monats April 1556 1 ) verfolgte und einer der letzten, namhaften Papisten im Lande war; aber man hatte doch Mittel, solche Leute, deren ganzes Benehmen nicht zu achten war, wenigstens unschädlich zu machen.

Mehr achtungswerthe Festigkeit zeigten das Nonnenkloster zum Heil. Kreuz, das Bruderhaus vom Gemeinsamen Leben, die Cistercienser=Mönche von Doberan in ihrem Hause "Doberaner Hof" genannt in Rostock und die Karthäuser von Marienehe, welche ebenfalls ein Haus in der Stadt hatten, alle im Jacobi=Kirchspiel angesessen, wo auch die Universität ihren Sitz hatte.

Die Nonnen zum Heil. Kreuz widerstanden im Jahre 1532 allen Drohungen und Bitten, und ein aufgedrungener Prediger mußte 1533 vor der zügellosen Heftigkeit der Nonnen seine Stelle verlassen. Die Domina Margarethe Beselin war noch im Jahre 1562 eine getreue Anhängerin der römischen Kirche 2 ) Bekanntlich hat sich das Kloster neben den drei noch bestehenden Jungfrauenklöstern 3 ) bis auf den heutigen Tag gehalten.

Würdiger steht das Kloster der Brüder vom gemeinsamen Leben da. Freilich mußten auch die Brüder im Jahre 1531 die Mönchstracht ablegen und 1533 sich unter die Aufsicht des Rathes stellen; aber sie wurden bei der rücksichtslosen Einführung der Reformation nicht allein geschont, sondern auch sogar geehrt. Als im Jahre 1534 die Klöster und geistlichen Brüderschaften aufgehoben wurden, ließ man die Brüder vom gemeinsamen Leben ruhig in ihren Besitzungen und verpflichtete sie zur ferneren Haltung ihrer deutschen Schule 4 ), wie sie seit alter Zeit bestanden hatte, jedoch ohne Verleitung zum römischen Gottesdienst; ja der Rath übergab ihnen die Anordnung und Einrichtung neuer öffentlicher deutscher Volksschulen. Mehr konnten die Brüder nicht erreichen, um so weniger da der vorletzte Rector Martin Hillemann, 1509-1551, gegen so heftige Stürme nicht fast genug gerüstet gewesen zu sein scheint. Hillemann starb noch vor dem letzten Sturme, welcher im Jahre 1552 unter dem Herzoge Johann Albrecht I. die römisch=katholische Kirche in Meklenburg ganz


1) Vgl. Jahrb. XVI., S. 24.
2) Vgl. Wiggers Meklenb. Kirchengeschichte, S. 105.
3) Vgl. Jahrb. XXlI., S. 101.
4) Vgl. Jahrb. IV., S. 23 flgd.
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vernichtete. Ihm folgte als letzter Rektor der würdige Bruder Magister Heinrich Arsenius, welcher zugleich Magister und Professor der rostocker Universität war. Als im Jahre 1552 die meisten großen Feldklöster in Meklenburg und auch die Karthause Marienehe aufgehoben wurden, blieben die Brüder vom gemeinsamen Leben unangetastet. Als sie aber einsahen, daß auch ihre Brüderschaft endlich werde untergehen müssen, schenkten die vier letzten Brüder im Jahre 1559 das gesammte Eigenthum des Klosters der Stadt Rostock, durch deren Mildthätigkeit sie es erworben hatten, und beanspruchten nur den Genuß der Aufkünfte für die Zeit ihres Lebens. Darauf ward im Jahre 1560 in dem Bruderhause ein Pädagogium eingerichtet und im Jahre 1571 hielt Heinrich Arsenius wieder Vorlesungen über griechische Schriftsteller an der Universität, welche damals in einem glänzenden Lichte stand. "Heinrich "Arsenius 1 ) war ein ausgezeichneter Mann; ausdauernd und "eifrig , friedlich und würdig, rein im Wandel und fest im Glauben, gelehrt und bis zum Ende seines Lebens voll Liebe zu den Wissenschaften, wie zur Natur, erwarb und erhielt er sich die hohe Achtung der großen Schaar ausgezeichneter Männer, welche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ,die glänzende Universität Rostock zierten, und als er in der eifrig protestantischen Stadt noch lange als die letzte Ruine eines alten, großen Baues dastand, wagte Niemand den würdigen Mann mit der tiefen, stillen Trauer anzutasten und zu verletzten. Eine solche Würde erhielt nicht geringere Anerkennung, als überhaupt der Geist und Wandel der ganzen Brüderschaft, und so unterlag die Stiftung nicht einem gewaltsamen Sturme, sondern ging mit edler Ergebung, selbstbewußt, ruhig und geachtet der Auflösung entgegen."


Eine hohe Würde und Festigkeit im Kampfe und im Untergange zeigten die Brüder des Karthäuserklosters Marienehe 2 ), welche nicht allein mit Ausdauer bis zum gewaltsamen Ende jeder Anfechtung widerstanden, sondern auch die ganze Reinheit und Strenge ihres Ordens bis zum letzten Augenblick aufrecht erhielten, und hierin ihren vertrauten Geistesverwandten, den Brüdern vom gemeinsamen Leben, inner=


1) Vgl. Jahrb. IV., S. 28.
2) Die Urkunden=Abschriften und Beschreibungen aus dem Stadt=Archive zu Rostock sind durch den Herrn Ober=Appellations=Gerichts=Canzellisten Rogge zu Rostock geliefert, mit Ausnahme mehrerer, welche den hinterlassenen Abschriften des Professors Schröter entnommen sind.
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halb der Stadt Rostock, gleich kamen. Eben so fest und ehrwürdig, wie der letzte Rector des Bruderhauses, Heinrich Arsenius, erscheint der letzte Karthäuser=Prior Marquard Behr, welcher sein Kloster während der ganzen Reformationszeit 1525-1553 mit einer seltenen Bildung, Kraft und Würde regierte.

Nachdem der würdige und aufgeklärte Karthäuser Vicke Dessin von Arensbök (vgl. oben S. 17) 1481-1485 die Karthause Marienehe regiert hatte, folgten die Prioren Heinrich IV. 1485-1489, Timotheus II. 1490-1502 und Heinrich V. Eleri 1502-1523 1 ), von denen die Geschichte nichts Besonderes berichtet. Bei dem Ausbruche der Reformation in Rostock ward 1525 Marquard Behr zum Prior erwählt, welcher den Untergang seines Klosters erleben mußte.

Zur rechten Würdigung aller Begebenheiten während des Lebens dieses Priors ist die Beantwortung der Frage: "Wer war Marquard Behr?" von wesentlicher Bedeutung. Die Frage läßt sich jetzt mit Bestimmtheit also beantworten: Marquard Behr war ein Edelmann aus der bekannten alten adeligen Familie Behr in Festland Rügen oder Neuvorpommern, von der jetzt sogenannten Linie Nustow oder Semlow, aus dem Hause Neuhof. Die angesehene und reiche rügensche Familie Behr war während des Mittelalters in die drei großen Linien Behrenwalde, Hugoldsdorf und Katzenow (oder Werder) getheilt. Die Linie Hugoldsdorf, welche allein bis jetzt geblühet hat, theilte sich schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts in die Linien Löbnitz und Hugoldsdorf. Die Linie Löbnitz aber spaltete sich in zwei Häuser: Neuhof und Nustrow, von den en das letztere auf den Hauptgütern Nustrow in Meklenburg und Semlow in Festland Rügen die Familie bisher erhalten hat, das Haus Neuhof aber im Jahre 1561 in männlicher Linie ausstarb.

Das behrsche Haus Neuhof ging in allen seinen Gliedern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts seinem Untergange entgegen. In dieser Zeit regt sich in diesem Hause der Geist einer wirksamen kirchlichen Gesinnung, während sonst die Familie vorherrschend im Staats= und Kriegsleben wirkend erscheint. Am Ende des 15. und im Anfange des 16. Jahrhunderts lebte Hermann Behr auf Neuhof, welcher sich in vielen Urkunden von 1478 bis 1507 um so mehr genau und bestimmt verfolgen läßt, als zu seiner Zeit kein anderer dieses Namens in der Familie lebte; ohne Zweifel war er ein


1) Vgl. Schröter Beiträge, S. IX.
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Sohn des Marquard Behr auf Neuhof, welcher 1432 bis 1462 genannt wird. Dieser Hermann Behr tritt in einer eigenthümlich hervorragenden Weise auf. Der Herzog Erich von Pommern hatte am 19. Junii 1473 einen Orden der Ed1en zur Verktündigung der Jungfrau Maria gestiftet ("fraternitas annunciationis beatae Mariae, confraternitas illustrium et nobilium"), welchen er an das Kloster Bukow band. Die Ritter trugen eine goldene oder silberne Halskette, welche aus den Bildern der zwölf Propheten bestand, welche Spruchbänder über die Menschwerdung Christi in den Händen hielten; an der Kette hing vor der Brust die Darstellung der Verkündigung der Jungfrau Maria, nämlich die Bilder der Jungfrau Maria und des verkündigenden Engels, beide mit Spruchbändern in den Händen, darüber das Brustbild des segnenden Gottes und zwischen Gott und Maria der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, zum Zeichen, daß die Ritter durch Gold, Gerechtigkeit und Macht die Hauptritterpflicht zu erfüllen verpflichtet seien, nämlich die Armen, die Waisen und die Wittwen zu beschützen, sich wie die Taube nüchtern und keusch zu bewahren, mit gutem Beispiel voranzuleuchten und sich einer reinen und vollkommenen Liebe zu befleißigen. Als nun der Herzog Bugislav X. am 25. Januar 1491 diesen Orden bestätigte, erneuerte und bereicherte und in die Collegiatkirche des H. Otto zu Stettin verlegte, war Hermann Behr unter den Zeugen dieser Stiftung, also wohl ohne Zweifel ein Mitglied dieses Ordens. Der nächste Lehnsverwandte dieses Hermann Behr auf Neuhof war urkundlich der nachmalige Karthäuser=Prior Marquard Behr.

Diese Verwandtschaft gewinnt noch mehr an Bedeutung, wenn man annimmt, daß Anna Behr, Aebtissin=Vikaria des an der pommerschen Grenze nicht weit von Neuhof gelegenen Claren=Klosters Ribnitz, eine Schwester des Priors Marquard Behr war. Der gleichzeitige Kloster=Lesemeister Lambert Slaghert sagt in einem Verzeichniß der bedeutendsten Einnahmen des Klosters, daß dieses von Anna Behr 146 1/2 Mark empfangen und "Hermann Behr von ihretwegen 30 Mark gegeben" habe; diese Gelder sind ohne Zweifel Rentenstiftungen zur bessern Unterhaltung und größeren Wirksamkeit der Anna Behr, und es läßt sich deshalb sicher auf eine sehr nahe Verwandtschaft zu Hermann Behr schließen. Schon im Jahre 1510 ließ Anna Behr 1 ) als Nonne in dem Siechenhause des Klosters die Wände


1) Nach Lambert Slagghert handschriftlicher Chronik des Klosters Ribnitz, auch in Auszügen gedruckt in Jahrb. III., S. 117 flg.
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mit Holz bekleiden, die Fenster neu machen und neue Bettstellen bauen. Zu der Zeit war die Princessin Dorothea von Meklenburg ( 1538), Tochter des Herzogs Magnus II., Aebtissin des Klosters Ribnitz. Im Jahre 1512 ward Anna Behr zur Vikaria des Klosters erwählt. Im Jahre 1524 ward die Princessin Ursula von Meklenburg, Tochter des Herzogs Heinrich des Friedfertigen, 14 Jahre alt, in das Kloster aufgenommen und der Aufsicht der Vikaria Anna Behr anvertrauet. Die Zeit war sehr schwer; denn gerade in Ribnitz benutzten ungebildete Eindringlinge die Reformation zu den größten Ausschweifungen, so daß sich das Kloster nur mit Mühe halten konnte. Daher entsagte Anna Behr im Jahre 1528 ihrem Amte und erhielt zur Belohnung ihrer Verdienste den Sitz nächst der Altschwester. Zu ihrer Nachfolgerin ward die Princessin Ursula erwählt, welche im Jahre 1539 ihrer Vatersschwester Dorothea als Aebtissin folgte und bis zu ihrem Tode 1586 mit so fester Entschiedenheit der römischen Kirche und ihrem Orden anhing, daß sie auf ihrem Denkmale in der Klosterkirche, welches doch in einer völlig protestantischen Zeit gebauet ward, gewiß nach ihrer Verordnung noch in der Tracht der Clarissennonnen dargestellt ist. Wenn auch die Bildung der jungen Princessin Ursula durch Anna Behr's Umsicht und Bildung gewiß bedeutend gewann so scheint es doch, als wenn Anna Behr im Gegensatze zu der strengeren Richtung der Princessin bald eine freiere Ansicht gewann; denn im Jahre 1530 ereignete sich die unerhörte Begebenheit, daß Anna Behr und zwei andere Nonnen zum Begräbnisse des Joachim von der Lühe nach Kölzow über Land fuhren und das Kloster verließen gegen den heiligen Gehorsam und des Ordens Regel. Der Lesemeister Slagghert sieht sehr trübe in diese Uebertretung des Gesetzes und seufzt spöttelnd: "Seht, wie unsere Schwestern sind spazieren ("spassêren") gefahren ohne Nothsache! Gott vergebe es ihnen. Amen." Anna Behr war mit den von der Lühe nahe verwandt, da in den von der Lühe'schen Stammbäumen Anna Behr als Gemahlin des Vicke von der Lühe auf Kölzow und Knesse, Pfandinhabers von Sülz und Marlow, 1458 aufgeführt wird; auch diese "Frauwe Anna, Vicke von der Luhe Husfrow, gaf C Marck" dem Kloster Ribnitz, nach Slagghert's Bericht. Auch eine "Frowe Kunne Beren gaff deseme Kloster LX Marck" nach Slagghert. Gewiß waren alle diese Frauen aus dem Hause Neuhof. Sonst hatte kein Mitglied der Familie Behr dem Kloster Ribnitz etwas gegeben. - Wann die Vikaria Anna Behr gestorben, ist nicht bekannt.

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Möglich ist es, daß auch Christine Behr, welche im Jahre 1508 Unterpriorin des Cistercienser=Nonnenklosters Verchen bei Demmin, unter der Priorin Elisabeth, Herzogin von Pommern , war, aus der rügenschen Familie Behr und dem Hause Neuhof stammte, jedoch läßt sich hierüber in Ermangelung aller andern Nachrichten nichts Bestimmtes sagen.

Dies sind die Ergebnisse der Forschungen über die Verwandtschaft des Priors Marquard Behr, welche im Folgenden noch mehr aufgehellt werden sollen.

Ueber die Jugend Marquard's Behr wissen wir nichts. Wahrscheinlich widmete er sich schon früh den Wissenschaften und trat in den geistlichen Stand, vielleicht im Auslande; denn als nach dem Aussterben der behrenwalder Linie alle rügenschen Behr im Jahre 1491 mit allen Gütern zur gesammten Hand neu belehnt wurden, wurden alle Glieder dieser behrschen Familie, welche damals lebten, genannt, nur der nachmalige Prior Marquard Behr nicht. Zuerst erscheint er am 6. März 1515, als er einer Vikarei in der Pfarrkirche zu Tribsees 6 Mark Pacht aus dem Dorfe Koitenhagen für ein aufgeliehenes Capital von 100 Mark verpfändete.

Im Jahre 1517 trat Marquard Behr, nachdem Hermann Behr zwischen 1507 und 1517 gestorben war, in den strengen Karthäuser=Orden und entsagte seinen Ansprüchen an die Welt, indem er in das Kloster Marienehe ging. In Folge dieses ernsten Schrittes hat er zu Marienehe am 18. Septbr. 1517 seinen Landesherrn, Herzog Bugislav von Pommern, "den Hans von Schwerin zum Vormunde des unmündigen Sohnes seligen Hermann's Behr, seines nächsten Lehnerben der Güter, welche dem Unmündigen nach seinem Klostergelübde rechtlich zukommen mußten, nach Inhalt des von den Verwandten darüber abgeschlossenen Vertrages , zu bestätigen (" Swerine in enen vormunder confirmeren deme vnmundigen sone zelige Hermen Beren, mineme negesten lenehruen der ghuder, de deme vnmundigen na miner profession rechtliken thokamen")." Aus dieser Urkunde geht unzweifelhaft hervor, daß Marquard Behr ein Sohn oder Neffe Hermann's Behr auf Neuhof war.

Der Stammbaum des Priors Marquard Behr gestaltet sich also vielleicht folgendermaßen:

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Stammbaum

Es ist aber auffallend, daß Marquard seinen verstorbenen Verwandten nicht seinen Bruder nennt, und Hermann ist für seine muthmaßlichen Geschwister etwas zu alt, um so mehr, da er einen unmündigen Sohn hinterließ.

Es dürfte daher nicht unwahrscheinlich sein, daß der Prior Marquard ein Neffe Hermann's von einem bisher unbekannt gebliebenen, jung gestorbenen Vater war, und der Stammbaum sich also gestaltete:

Stammbaum

Bei dieser Bildung des Stammbaumes würde aber die Vikaria Anna nicht ganz bestimmt untergebracht sein.

Endlich könnte man auch annehmen, daß in dem Hermann zwei Personen stecken und den Stammbaum folgendermaßen bilden;

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Stammbaum

Genaue Bestimmungen lassen sich nicht mehr ermitteln; das aber steht unumstößlich fest , daß die hier genannten Personen die nächsten Verwandten des Priors Marquard Behr waren und dieser der adeligen Familie und Linie Behr auf Neuhof angehörte.

Dieses wird noch mehr dadurch bestärkt , daß der Prior Marquard am 15. December 1552 neben Sivert von Dechow, Gevert von Moltke und Jürgen und Christoph von der Lühe die "Brüder Gerd und Joachim Behr seine besippte Freundschaft", d. h. seine Verwandten, nennt; Gerd und Joachim gehörten zu dem Hause Nustrow, also zu derselben Hauptlinie, zu welcher Marquard gehörte. Von dem Hause Neuhof waren aber damals nur Marquard und Franz, mit welchem das Haus 1561 ausstarb , übrig. Daß Marquard adeliger Herkunft war, wird auch dadurch bewiesen, daß Christoph von Bülow auf Rensow am 1.Mai 1550 ihn, "Herrn Marquard Behr, Prior zu der Karthause, seinen freundlichen lieben Oheim" nennt.

Marquard Behr muß ein sehr fester, gebildeter und gelehrter Mann gewesen sein 1 ). Denn schon im Jahre 1525


1) Um die Zeit seines Eintritts in den Orden ließ der Magister Johannes Kruse einen Holzschnitt mit einem Crucifix und den beiden Heiligen des Ordens (H. Bruno und H. Hugo) für das Kloster Marienehe bei Ludwig Dietz in Rostock anfertigen. Vgl. Jahrb. IV., S. 150. Johannes Kruse, Magister der Philosophie und Baccalaureus der Theologie, war Docent an der Universität Rostock und lange Zeit erklärter Anhänger der katholischen Kirche (vgl. Krabbe Geschichte der Universität Rostock, I., S. 327 und 359 flgd.) und Freund der Karthause Marienehe.
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wählte ihn der Convent der Karthause Marienehe zum Prior 1 ). Es wird am 15. December 1552 ausdrücklich gesagt, daß "er vor mehr als (baven) 27 Jahren zum Prior der Karthause Marienehe erwählt" worden sei. Mit dieser Aeußerung stimmt auch überein, daß sein Vorgänger Heinrich Eleri im Jahre 1523 zuletzt genannt wird. Am 5. Mai 1528 wird er in einer Urkunde zuerst Prior des Klosters Marienehe genannt. Kurz vorher, im Jahre 1524, war Anna Behr zur Erzieherin der Princessin Ursula im Kloster Ribnitz erwählt worden.

Die Regierung des Priors Marquard Behr fiel in die schwerste Zeit des Bestehens des Klosters, indem die Wogen der Reformation, welche besonders in Rostock hoch gingen, nach und nach alle alten Stiftungen wegspülten. Als Marquard Prior ward, predigte Joachim Slüter schon öffentlich und laut die evangelische Lehre in Rostock, und schon in den nächsten Jahren wurden alle katholischen Stiftungen aufgehoben oder doch so bedrängt, daß sie sich von der öffentlichen Wirksamkeit zurückzogen. Nur die Karthäuser zu Marienehe, in dem sicheren Bewußtsein eines redlichen Strebens und evangelischen Lebens, blieben ihrer Ordensregel unverrückt getreu, ohne im geringsten zu wanken oder nachzugeben, ähnlich den Brüdern vom gemeinsamen Leben in der Stadt, welche freilich ihre Gesinnung bewahrten, aber doch allmählig ihre Stiftungen nach dem neuen Geiste reformirten. Es wird ausdrücklich berichtet, daß im Jahre 1529 das Kloster Marienehe in katholischer Verfassung war. Am 14. September 1530 nahm der Kaiser Carl V. auf dem entscheidenden Reichstage zu Augsburg die Karthäuser zu Marienehe wegen ihres löblichen Lebens, ihrer Treue gegen ihre Regel und ihrer besonderen Ergebenheit gegen Kaiser und Reich in Schirm und Geleit und bestätigte ihnen alle Rechte und Besitzungen. Am 1. April 1531 ward der papistische Gottesdienst in Rostock obrigkeitlich abgeschafft.

In diese Zeit fällt der erste heftige Kampf der Karthäuser mit dem Rath der Stadt Rostock. Die Karthäuser zu Marienehe standen zwar ganz frei und waren bei der Stiftung sogar von der bischöflichen Obrigkeit entbunden. Aber sie hatten ihren ganzen Verkehr für ihre Lebensbedürfnisse und daher zwei Häuser in der Stadt Rostock: nach dem Berichte vom 1. Februar 1552 besaßen sie ein Haus an der Breitenstraße, nach


1) Das Privatsiegel, welches Marquard Behr während der Zeit seines Priorats führte, enthält nichts als ein großes gothisches m und ist zur Urkunde vom 14. Julii 1534 in einem Holzschnitt abgedruckt.
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einem andern Berichte vom Jahre 1529 im Jacobi=Kirchspiel, und nach dem Schreiben vom 8. September 1539 hatten sie auch ein Haus ("waning") an der Burgwallstraße. Der Rath betrachtete sich daher für diese Häuser, welche gewiß zu Stadtrecht lagen , als Obrigkeit der Karthäuser. Außerdem aber nahm der Rath gegen seine Nachbaren wenig Rücksichten, und die Reformationshandlungen waren allerdings nicht frei von Gewaltthätigkeiten und Uebergriffen, welche mitunter einen mittelalterlichen Beigeschmack hatten. Diese Bestrebungen offenbarten sich bald in einem heftigen Streite gerade zu der Zeit, als der Rath den katholischen Gottesdienst in der Stadt aufhob.

Der Karthäuser=Orden forderte eine unbedingte und unbedingte und unverbrüchliche Treue gegen die Ordensregel bis in den Tod, und theilweise läßt sich schon hieraus der Widerstand der Brüder gegen jede Veränderung erklären. Eben so fest wie die Treue der Brüder, war aber auch die unerbittliche Strenge des Ordens gegen Abtrünnige und Ungehorsame. Jede Karthause hatte ein ausreichendes Gefängniß, um die verbrecherischen Mönche einzusperren. Kein Mönch durfte ohne Erlaubniß die Zelle oder das Kloster verlassen; auch die Laienbrüder mußten schwören, das Kloster nie zu verlassen und sich für den Fall der Flucht zur Rückkehr zwingen zu lassen. Entflohene Brüder konnten durch jeden Prior gefangen genommen und dazu der weltliche Arm 1 ) angerufen werden. Zu den Todsünden gehörte auch die Apostasie und die Auflehnung und der Ungehorsam gegen die Oberen. Alle Verbrecher gegen die Klosterordung mußten ihre Unenthaltsamkeit mit ewigem Gefängnis, ohne Hoffnung auf Befreiung 2 ), büßen, und zwar in einem andern Kloster. Nun lebte in der Karthause Marienehe ein Conversbruder Hans Prange, aus Rostock, welcher durch Ungehorsam und schlechtes Leben die Ordensregel vielfach gebrochen hatte. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich der Convent des Klosters genöthigt gesehen, diesen damals wahrscheinlich noch jungen Bruder wegen "merklicher Uebertretung der Ordensregel etliche Jahre lang in das Klostergefängniß zu sperren." Prange hatte aber, wahrscheinlich durch seine Verwandten in Rostock, Wege gefunden, die Herzoge um Fürbitte für ihn zu


1) "Fugitiui reperti absque licentia prioris Cartusie vel priorum suorum per quoscunque priores ordinis possunt capi, auxilio si necesse fuerit nihilominus inuocato brachii secularis", nach den Statuten.
2) "Quicunque de quacunque indicibili incontinentia conuicti fuerint vel publice confessi, perpetuo carceri mancipentur, sine omni spe liberationis," nach den Statuten.
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bewegen, damit er aus dem Gefängniß erlöset werde und unter die übrigen Conversen zur Besserung seines Lebens kommen könne. Da grade zu derselben Zeit die gewaltthätigen Unruhen in Rostock sich ihrem Ende näherten und die Herzoge zur endlichen Beruhigung in der Stadt waren, so hielten die Herzoge Magnus und Balthasar mit ihren Räthen die Sache des Hans Prange für wichtig genug, um sie persönlich in Marienehe beizulegen. Am 21. April, am Sonntage Jubilate 1 ), 1491 ward Hans Prange auf Fürbitte der Herzoge des Gefängnisses entledigt und schwur in deren Gegenwart einen Eid, daß er bekenne, "wegen merklicher Uebertretung nach Verdienst mit Recht gefangen gehalten zu sein, und die Gnade nur zur Besserung seines Lebens um Gottes willen verdiene"; er versprach, sich zur Besserung seines Lebens in die Karthause zu Stettin bringen zu lassen und dort so lange zu bleiben, bis er wieder nach Marienehe gerufen werde, und schwur Urfehde, in kommenden Zeiten gegen das Kloster und dessen Güter und Leute, und gegen den Orden nie etwas zu unternehmen und unternehmen zu lassen. Damit waren aber die Karthäuser zu Marienehe noch nicht zufrieden, sondern die Herzoge mit ihren Räthen, dem güstrowschen Domdechanten Johann Thun, nachmaligen Bischofe von Schwerin, dem Ritter Heinrich von der Lühe und den Brüdern Dietrich und Friedrich Vieregge, mußten für Hans Prange in Bürgschaft treten und dessen Urfehde mit besiegeln 2 ). So wichtig und ernst ward in einem Karthäuser=Kloster die Leichtfertigkeit eines untergeordneten Laienbruders genommen.

Die Schlechtigkeit des Bruders Hans Prange muß aber unverbesserlich gewesen sein. Denn kaum hatte der rostocker Rath, 40 Jahre nach dieser Begebenheit, im Jahre 1531 den papistischen Gottesdienst in der Stadt Rostock abgeschafft, als der Bruder Hans Prange, wahrscheinlich schon gegen das Ende des Jahres 1531, aus dem Kloster nach Rostock entlief, um sich dort der allgemeinen Freiheit noch in seinen alten Tagen zu erfreuen. Die Karthäuser waren aber nicht gesinnet, in das rostocker Lied einzustimmen, sondern blieben ihrem innern Wesen getreu und forderten, trotz der revolutionsartigen Bewegungen in Rostock, den "verlaufenen Bruder" zurück. Der Rath war schwach und wollte dies der aufgeregten Volksmenge gegenüber


1) Am Freitage nach Jubilate 1491 hatte der Herzog Magnus mit den Abgeordneten der wendischen Städte eine Zusammenkunft zu Niendorf zur Beilegung der rostocker Unruhen. Vgl. Wöchentliche Rostocksche Nachrichten, 1762, Stück 45, S. 177.
2) Vgl. Urkunde vom 9. Mai 1532.
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nicht wagen. Da der Rath in Marienehe nichts zu sagen hatte, so erwirkte er von den Herzogen ein Commissorium für einige Rathsmitglieder, um mit dem Kloster über diesen Fall zu ver

handeln. Der Rath sandte also den berühmten und gelehrten, klugen und schlauen Rathssyndicus Dr. Johann Oldendorp und den Rathmann Johann von Herverden als herzogliche Commissarien mit dem Notar Lambert Takel nach Marienehe zur Verhandlung, oder zum "freundlichen Verhör", wie sich die Commissarien selbst ausdrücken. Wie aber der Rath und die Bürgerschaft damals überall gewaltthätig übergriffen 1 ), so auch hier. Am 2. April 1532 traten die Commissarien in das Gasthaus des Klosters 2 ), aber nicht allein von dem Notar begleitet, sondern auch von ungefähr 40 rostocker Bürgern sammt deren Dienern und Mitgeladenen, welche in hellem Haufen den Hans Prange gewaltsam und schützend einführten. So berichten der Prior Marquard Behr und sein Convent; in dem Notariats=Protocolle steht nur, daß von den Commissarien Hans Prange "mit etlichen aus dem Rath und andern zum Handel gebetenen Bürgern und geladenen Herren und Freunden" eingeführt sei. Als nun die Commissarien erklärten, daß sie geneigt seien, zuerst das Anbringen des Hans Prange anzuhören, ihn also gewissermaßen als Kläger betrachteten, und dieser sich dazu anschickte, stand der Prior Marquard Behr mit dem Vikarius und dem Schaffner, welche von dem versammelten Convent gekommen waren, entrüstet auf, erklärte, daß er mit "keinem Verräther und Feinde des Kreuzes Christi" zu handeln gesonnen sei, und verließ mit seinen Begleitern den Saal. Die Rostocker nahmen sich diese Worte im Allgemeinen zu Herzen, d. h. zogen sich dieselben zu, und Dr. Oldendorp protestirte vor dem Notar gegen die Weigerung des Priors in die Verhandlung und gegen die Verachtung der fürstlichen Commissarien. Marquard Behr wandte sich beschwerend an den Rath der Stadt und klagte über gewaltthätige und unziemliche Behandlung. Aber der Rath wies diese Klage und Rechtfertigung zurück und verbot den Brüdern die Stadt, damit Aufruhr, Widerwille und Gefahr, welche sie selbst angerichtet, vermieden bleibe, und machte sie für jedes Unheil verantwortlich; der Rath suchte dabei den Hergang von seiner Seite mit leeren Ausflüchten zu entschuldigen: es seien nicht


1) Vgl. z. B. Krabbe Geschichte der Universität Rostock, I., S. 401 flgd.
2) "Gasthaus" eines Klosters ist ein Klostergebäude, gewöhnlich dicht vor dem Kloster, mit Säälen, um Fremde und Reisende unentgeltlich aufzunehmen und zu verpflegen.
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große Haufen Leute, sondern nur zehn Bürger und "zugebetene Freunde" (!) erschienen und der Prior habe im Allgemeinen, ohne Hans Prange ausdrücklich zu nennen, Verräther und Feinde Christi genannt und dadurch die Commissarien höchlich beschimpft und gekränkt. Am 14. April berichteten die Commissarien unter Einsendung des Protocolls an den Herzog Heinrich, nachdem sie in dieser Sache schon persönlich in Schwerin gewesen waren, und klagten, daß sie, als herzogliche Commissarien, hoch verunglimpft, verspottet und verachtet seien, und gaben dem Herzoge unter den Fuß, als müsse er die Behauptung der Karthäuser annehmen, er habe "Verräther und Feinde Christi" als Gesandte geschickt; was aber ihre eigenen Personen betreffe, so wären sie lieber eines solches Schimpfes verschont geblieben, und hätten nicht geringen Anstoß daran genommen, daß, obgleich sie in Schwerin ihre Billigkeit in dieser Sache versichert hätten, der Herzog in einem Schreiben an den Rath, dessen Verlesung sie mit angehört, doch eine entgegen gesetzte Ansicht ("Gegenspiel") über ihr Verfahren ausgesprochen habe. Der Herzog war aber nicht der Mann, der sich blauen Dunst vormachen ließ, sondern antwortete ihnen am 18. April, daß er ihr Schreiben nicht eher beantworten könne, als bis er auch die Karthäuser, denen er ihr Schreiben zusenden werde, gehört habe; was aber ihre persönliche Beschwerde anlange, so hätte sie geziemend unterbleiben sollen, da er, der Herzog, "bis anher, Gott Lob und ohne Ruhm zu reden, alle Zeit in allen Sachen alle Wege so gehandelt habe und, so Gott wolle, bis in seine Grube zu handeln geneigt sei, daß ihm weder von ihnen, noch von irgend einem Andern mit Billigkeit und Wahrheit solle nachgesagt werden, daß er eine Antwort gegeben und hinterher das Gegentheil gethan oder vorgenommen" habe. Die Karthäuser rechtfertigten sich am 9. Mai bei dem Herzoge und beschwerten sich darüber, daß der Dr. Oldendorp die auf den "Apostaten Hans Prange" bezüglichen Worte auf sich gedeutet, obgleich der Prior vor vielen Zeugen seine wahre Meinung ausgesprochen, und daß der Rath ihnen gegen das Recht die Stadt verboten habe, welche in der Mitte ihrer Güter liege und aus der sie ihre tägliche Nothdurft beziehen müßten; sie hätten sich zur Verhandlung "in billiger Stätte und Zeit" erboten, aber es wäre ihnen unleidlich gewesen, in Gegenwart ihres Widersachers, der sich und die Commissarien durch Ge walt gestärkt habe, zu verhandeln, und deshalb habe der Prior erklärt, daß er mit "dem Verräther und Feinde des Kreuzes Christi" zu handeln nicht gedenke. In Folge dieser Rechtfertigung mißbilligte der Herzog am 23. Mai das Verfahren des

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Rathes und der Commissarien gänzlich: der Prior habe mit dem "Verräther und Feinde Christi" nur den Hans Prange meinen können, und es wäre besser und füglich gewesen, daß der Rath, in Berücksichtigung der von Hans Prange unter fürstlicher Bürgschaft vor vielen Jahren (21. April 1491) geschwornen Urfehde, denselben von seinem meineidigen, muthwilligen und unbilligen Vornehmen abgehalten und zuvor Erkundigung eingezogen und Bericht erstattet hätte, als daß derselbe dem Hans Prange der mit Verschweigung der Wahrheit das Commissorium hinterlistig ausgebracht, dieses Commissorium mitgetheilt und sofort darauf Handlung vorgenommen und den Karthäusern wie Missethätern die Stadt verboten habe; der Herzog forderte daher entschieden von dem Rath, "dieses muthwillige Verbot" aufzuheben und die Karthäuser wider Recht "mit der That nicht beleidigen zu lassen." An demselben Tage theilte der Herzog den Karthäusern diesen Erlaß mit und versicherte ihnen wiederholt seinen Schutz. Es würde von Werth sein, zu erfahren, ob die Karthäuser den Apostaten wieder in ihre Gewalt bekommen haben und was aus ihm geworden sei; aber die Geschichte schweigt über ihn.

Durch eine solche Handhabung der fürstlichen Gerechtigkeit gegen die Schwäche des Raths und die Ränke der Tageshelden blieben die Karthäuser vor der Hand vor den Belästigungen der Rostocker verschont und führten ihr Leben nach den Regeln ihres Ordens in aller Strenge und Stille fort. Die ganze Begebenheit giebt aber ein klares Bild theils von den reformatorischen Zuständen in den großen Städten, theils von der würdigen Standhaftigkeit der Karthäuser. Am 12. März 1532 klagten die Karthäuser zwar über die "schweren Zeiten", sprachen aber die freudige Ueberzeugung aus, daß es ihnen vergönnt sein werde, in ihrem Kloster unter dem Schutze der Landesherren Gott zu preisen, wozu es gestiftet sei. Dagegen predigte freilich der Prädicant Hakendahl in der Marienkirche, daß ein geringer Knecht und eine arme Dienstmagd, wenn sie gottesfürchtig und gläubig wären und die ihnen anbefohlene Arbeit treulich verrichteten, vor Gott angenehmer seien und mehr gute Werke thäten, als alle Karthäuser=Mönche, welche unter allen die heiligsten und besten Werkheiligen sein wollten.

Die evangelische Lehre gewann nun immer festern Boden in Meklenburge. Schon im Jahre 1531 ließ der Herzog Heinrich der Friedfertige der Lehre freien Lauf 1 ) und trat im Jahre 1532 als erklärter Anhänger derselben auf. Hierauf


1) Vgl. Jahrb. XXII., S. 17 flgd.
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erfolgte bald die gänzliche Aufhebung der katholischen Stiftungen innerhalb der Stadt Rostock. Die Gegenbestrebungen des rückfällig gewordenen Herzogs Albrecht, vorzüglich seit dem Jahre 1533, konnten den Gang der Ereignisse nicht lange hemmen, da das Verlangen nach dem reinen Worte Gottes immer dringender ward. Die Karthäuser in Marienehe gingen aber ihren stillen Gang ruhig weiter. Die Burgemeister der Stadt Rostock hatten zwar den Prior und den Schaffner des Klosters zur Verhandlung geladen; diese lehnten aber wegen des am Tage nach dem Termine einfallenden Festes der Verkündigung Mariä am 21. März 1533 die Ladung ab, erboten sich jedoch zur Zusammenkunft an einem andern folgenden Tage. Doch die Unterhandlungen führten nicht zu dem erwünschten Ziele; denn am 12. Mai 1533 sandte der Rath den Raths=Secretair Mag. Peter Sasse in Begleitung von zwei Bürgern nach Marienehe hinaus, um dem Prior und seinen Mönchen zu verkündigen, daß sie keinem Bürger und keiner Bürgerin Beichte hören und das Abendmahl in Einer Gestalt geben sollten. Der Rath war dies Mal sehr behutsam aufgetreten; denn der Secretair Peter Sasse war nach einem Schreiben des Priors Marquard Behr vom 3. Mai 1542, durch welches dieser ihm einen Franziskanermönch zur weitern Empfehlung emphal, noch damals ein Freund des Priors. Die Karthause hatte aber in der Stadt noch viele Verehrer und Anhänger, welche sich auf ihrem Lebenswege nicht stören ließen. Der Rath beschwerte sich zwar des Klosters wegen bei dem Prior, dieser aber ging darauf nicht ein, sondern ersuchte am 14. Julii 1534 die ihm befreundeten Burgemeister Bernd Kron und Rathmänner Heinrich Gülzow und Marcus Luskow, welche zum Theil noch später für das Kloster wirkten, nach Marienehe hinauszukommen, um zu überlegen, was der Convent zum Besten der Stadt und des Klosters bedacht habe.

Da gebot der ganze Rath im Jahre 1534, nachdem er die Klöster in der Stadt aufgehoben hatte, ernstlich, daß Niemand von den Bürgern oder Bürgerinnen und den Mägden, Gästen und Gesinde nach Marienehe, Biestow 1 ) oder Kessin 2 ), oder nach irgend einem andern Orte bei Rostock gehe oder


1) In Biestow war Andreas Eggerdes Pfarrer und papistisch gesinnt. Noch bei der Visitation vom Jahre 1541 heißt es nach dem Originale von des Kirchen=Visitations=Secretairs Simon Leupold Hand: "Die kercke hat das Capittel zu Rostock zu uerlehnen. Er Andreas Eggerdes pastor ist bißher ein papist gewesen, wil sich aber hinfurder bessern."
2) In Kessin trieb Dethlev Dancquardi sein Wesen.
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fahre, um die Messe zu hören, bei Strafe von 10 Gulden für jeden zu beweisenden Uebertretungsfall.

Von nun an blieben die Väter in Marienehe vom rostocker Rathe ungeschoren und verharrten ruhig und unangefochten in ihrer Regel unter ihrem festen Prior Marquard Behr bis zu ihrem Untergange, welcher erst 18 Jahre später erfolgte. In diesem langen Zeitraume erfahren wir fast nur von Geschäftsangelegenheiten des Klosters.

Die Karthäuser werden sich in ihrem frühern Ansehen bald wieder befestigt haben; denn als am 8. September 1539 die Brüder den Rath von Rostock baten, einen unerlaubten und nachtheiligen Bau neben ihrer "Wohnung auf der Burgwall"=Straße nicht zu gestatten, nannten sie denselben wieder "des Klosters seit alter Zeit großgünstige Herren und Freunde". Auch am 5. Februar 1541 rühmten die Karthäuser, als sie den Rath um Schutz in ihrem Antheile des Gutes Sildemow baten, die "Gunst, welche ihnen und ihren Vorvätern von der guten Stadt erzeigt" sei, und begrüßten den Rath mit der Anrede "besondere guten Freunde." Dennoch konnten sie nicht ganz ohne Bedruck davon kommen; so waren z.B. am 1. Mai 1545, als der Herzog Albrecht noch immer kriegerische Bewegungen 1 ) gegen Dänemark betrieb, 700 geworbene Landsknechte in das Klosterdorf Pastow gefallen, welche so arg gewirthschaftet hatten, daß mehrere Bauern mit Frauen und Kindern hatten davon gehen müssen; der Prior Marquard Behr hat daher den katholischen Herzog Albrecht, als einen "besondern Beschützer der heiligen Kirche und der christlichen Religion" am 2. Mai 1545 um Schutz und nannte sich dabei "des Herzogs Kapellan". Mit welcher Spannung die noch bestehenden katholischen Stifter die Entwickelung der lutherischen Kirche verfolgten, läßt sich daraus entnehmen, daß der Prior Marquard Behr im Jahre 1546 die Nachricht von Luthers Tode zuerst nach Rostock brachte. Noch bestanden die großen Feldklöster dem Aeußern nach, wenn auch die Bettelmönchs= und andere kleine Klöster in den Städten aufgehoben waren. Noch im Jahre 1547 suchte Marquad Behr das Leben der großen Feldklöster mit aller Kraft aufrecht zu erhalten. Schon in frühen Zeiten hatten die Bischöfe von Schwerin den jedesmaligen Prior von Marienehe zum Visitator des Benedictiner=Nonnenklosters Dobbertin bestellt. Nun war das Kloster Dobbertin durch die Reformation schon in vielfache Bedrängniß gerathen und die sonst feste Priorin Katharina von


1) Vgl. Franck A. u. R. Mecklenb., IX., S. 227.
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Oertzen 1 ) hatte wiederholt um die Erlaubniß zur Niederlegung ihres schweren Amtes gebeten. Marquard Behr fragte daher am 13. März 1547 bei dem Herzoge Heinrich darum an und führte es ihm zu Gemüthe, wie dieser sich gegen ihn habe vernehmen lassen: "was die Klöster und ihre Religion (Ordensregel) belange, wolle er sich nicht unterstehen, dieselben zu verändern, sondern wolle sie in ihrem stiftungsmäßigen Bestande (Aussetzung) lassen." Katharina von Oertzen blieb aber in ihrem Amte und starb als Priorin am 6. April 1549, indem sie das Kloster noch ganz katholisch hinterließ. Bei der Gelegenheit äußerte Marquard Behr über gewaltthätige Abdringung von Hebungen aus dem Klosterdorfe Gr. Stove: "was in Gottes Ehren einmal ge geben sei, müsse auch alle Wege dabei bleiben, und wenn was Menschen sich verheißen und zugesagt, zu allen Zeiten gültig, so müsse um so mehr das, was Gott und Gottesdienst belange, unverrückt gehalten" werden, und dürften geistliche Stiftungen "nicht zu weltlichen Händen gelangen."

Doch der Tag der Auflösung kam immer näher. Marquard Behr sah dies wohl voraus und suchte daher in den letzten Zeiten das Vermögen der Karthause möglichst sicher zu stellen, indem er namentlich Hauptsummen aus Privathänden zog und sowohl diese, als auch erworbene Gelder bei öffentlichen Behörden und in größern Landgütern bei sichern Familien belegte, kurz allen möglichen Ereignissen für den Fall des Unterganges sorglich zuvorzukommen suchte. Am 20. Januar 1545 belegte die Karthause bei Karin von Moltke auf Toitenwinkel 500 Gulden in den Gütern Häschendorf und Toitenwinkel und am 20. Januar 1551 bei demselben 1500 Gulden in dem Gute Mechelstorf, beide Summen noch mit Bewilligung der Herzoge; am 15. Mai 1545 belegte sie bei den Brüdern von Mörder auf Daskow in Neuvorpommern bei Damgarten 50 Gulden in dem Dorfe Mützkow 2 ), gegen 12 Procent Zinsen. Im Jahre 1546 hatten die Karthäuser die Kapitalien, die sie bei den Loitzen und Fahrenholzen in Stettin, bei den Stoientin


1) Vgl. Lisch Urkundliche Geschichte des Geschlechts von Oertzen, II., S. 231-235: vgl. Jahrb. XXII., S. 104 flgd.
2) Dieses Dorf, welches in der Urkunde "Musckow" genannt wird, ist das heutige "Mützkow" (nicht Muucks) zwischen Stralsund und Richtenberg; als mehrere stralsunder Bürger am 5. Mai 1528 dem Kloster Marienehe 6 Mark Renten aus dem Dorfe "Muskow" verpfändeten, sagen sie, daß dieses Dorf "in dem Kirchspiele Niepars ("Nipertze") bei der Stadt Stralsund" liege. Schon vor dem 5. Mai 1528 hatte Paul Mörder auf das Gut Mützkow von dem Kloster Marienehe Geld aufgeliehen.
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in Greifswald und bei Hermann Weygen in Stralsund stehen gehabt hatten, gekündigt und belegten diese am 22. September 1546 in der Summe von 2000 Mark bei dem Rath der Stadt Stralsund, der den Karthäusern gewogen gewesen zu sein scheint, gegen nur 4 Procent Zinsen, nachdem sie schon im Jahre 1519 die Summe von 2000 Mark und im Jahre 1540 die Summe von 1500 Mark bei demselben Rathe belegt hatten. Mittlerweile war der Herzog Albrecht, die kräftigste Stütze der Katholiken, am 7. Januar 1547 gestorben und unter dem Hochaltare des Klosters Doberan begraben, der Herzog Heinrich hatte die lutherische Lehre im Lande bestätigt, wenn er auch noch die Klöster bestehen lassen wollte, und von dem jungen Herzoge Johann Albrecht I. mochte man wohl schon voraussehen, welche Richtung er nehmen werde. Daher rüsteten sich auch die Karthäuser zu Marienehe , mit Fassung dem drohenden, unvermeidlichen Geschicke entgegenzugehen. und sprachen dies im Stillen auch unumwunden gegen ihre Freunde aus.

Einen besonderen Anhalt hatte die Karthause noch lange Zeit an dem Rath der Stadt Stralsund, in deren Nähe viele Güter der Karthause lagen. Am 17. August 1537 hatten die Karthäuser mit dem Rath aus besonderer Zuneigung vereinbaret, daß die in der Nähe der Stadt liegenden Güter von einem Mitgliede des Raths oder wenigstens einem Bürger der Stadt verwaltet werden sollten, und den Burgemeister Christoph Lorber für diese Verwaltung bestätigt. Dies ward die Veranlassung, daß die Lorber, welche besondere Freunde des Klosters waren, in den letzten Zeiten in ein noch engeres Verhältniß zu demselben traten. Der Burgemeister Christoph Lorber zu Stralsund und sein Bruder Olof Lorber, Aeltermann der Gewandschneider daselbst, hatten jeder 100 Gulden zu 4 und 5 Procent Zinsen, von den Karthäusern geliehen. In der Besorgniß der nahe bevorstehenden Aufhebung des Klosters schlossen nun die Lorber mit dem Prior Marquard Behr und dem Schaffner Christian Westhof von Marienehe am 16. Junii 1550 folgenden Vertrag: die Karthäuser gaben den Brüdern Lorber ihre Schuldverschreibungen zurück und schenkten diesen die Kapitalien "für ihre mannigfachen treuen Dienste, Mühe, Fleiß, Arbeit und Sorge, welche sie in diesen gefährlichen, geschwinden Zeiten zur Erhaltung und Vertheidigung der Karthause, deren Güter, Herrlichkeit, Eigenthum und Gerechtigkeit angewandt und gethan hatten und ferner nach Möglichkeit mit allem Fleiße gern thun wollten;" dagegen verpflichteten sich die Lorber für den Fall, daß "die Karthäuser aus ihrem Kloster vertrieben werden" würden, den Karthäuserbrüdern, so

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lange noch einer am Leben sein würde, die 9 Mark Zinsen ehrlich und aufrichtig zu bezahlen, nach dem Tode aller Karthäuserbrüder aber zu ewigen Zeiten von den Zinsen ein Dritttheil zur Aussteuer armer Jungfrauen und ein Dritttheil zur Bekleidung von Armen zu verwenden, wogegen die Lorber ein Dritttheil zu ihrem Nutzen einbehalten könnten. Hiermit ist deutlich ausgesprochen, welches Schicksal der Prior Marquard Behr und seine Brüder erwarteten. Dies ist eine der letzten bekannt gewordenen Amtshandlungen der Karthäuser zu Marienehe.

Am 1. Mai 1550 lieh Christoph von Bülow auf Rensow von "Herrn Marquard Behr, Prior der Karthause, seinem Oheim, und dessen Amtsnachfolgern", noch 50 Gulden gegen Verschreibung und Bürgschaft.

Der junge Herzog Johann Albrecht I. hatte seit dem Tode seines Vaters Albrecht (7. Januar 1547) ein stilles, wissenschaftliches Leben geführt, voll der reinsten Begeisterung für das Evangelium. Aber in dem Maaße, wie die katholische Kaiserparthei die Länder der protestantischen Fürsten immer härter drückte, stieg in ihm die Entrüstung, und er bereitete lange im Stillen die Erhebung" für die wahre Religion und die deutsche Freiheit" vor. Sein Oheim, der Herzog Heinrich der Friedfertige, welcher jeden Gewaltschritt scheute, war am 6. Februar 1552 zu Schwerin gestorben, und schon in der Mitte des Monats März brach Johann Albrecht unerwartet und plötzlich mit 600 Reitern von Schwerin auf 1 ) und vereinigte sich mit den übrigen verbündeten protestantischen Fürsten am 1. April vor Augsburg, um den Kaiser Carl V. zu dem zu zwingen, was er gutwillig nicht thun wollte. Die Protestanten errangen den Sieg und am 26. Mai einen ehrenvollen Frieden zu Passau, und Johann Albrecht kehrte von seinem Siegeszuge am 23. August von Frankfurt a. M. in sein Land zurück, zwar mit Kriegsschulden belastet, da er den Zug auf eigene Faust unternommen hatte, aber mit dem sichern Gefühle für das, was er fortan zu thun hatte.

Schon als der Herzog in's Feld zog, gab er die strengsten Befehle zur Aufhebung der Mönchsfeldklöster. Der Schlag traf zuerst die beiden großen Cistercienser=Mönchsabteien Dargun am 6. März und Doberan am 7. März 1552; beide abgestorben und kraftlos, ergaben sich ruhig in ihr Schicksal und waren mit kleinen Pensionen für ihre Vorsteher zufrieden. Der fürstliche Bevollmächtigte für Doberan war Jürgen von


1) Vgl. Jahrb. XVIII., S. 35 flgb. und XXII., S. 31.
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Rathenow, Hauptmann zu Doberan, welcher den Secretair Joachim Kock zum Begleiter hatte. Am 10. März nahmen diese auch den Doberaner Hof in Rostock ein. Hierüber sagt eine Ausgaben=Rechnung:

"III G. III ß. dorch denn hoptmann Jurgenn Ratenow, Jochim Kock Secretarien, Hans Vicken vogt tho Buckow ,onde her Nicolaus abtenn, her Pawel Hoppener keller tho Dobberann sampt denn knechtenn tho Rostock vortheret, als de kaste tho Rostock geapent vnde de klenodyenn sampt Seigel vnde Breuenn inuentert wordenn, ahm Donnerdage nha Inuocauith."

In der Karthause Marienehe hatte man mehr Widerstand zu erwarten, und daher machte man auch größere Anstrengungen und griff zur Gewalt. Am 15. März 1552 ward die ehrwürdige Karthause Marienehe eingenommen und aufgehoben. Nach der Klage vom 7. October 1554 ließ der Herzog an jenem Tage "ganz freventlich und eigenes ,Willens und Vornehmens mit Gewalt durch dreihundert dazu verordnete gerüstete Mannen zu Roß und Fuß das Haus und das Kloster Marienehe umgeben und einnehmen, plündern und die armen Ordensleute, Prior und ganzen Convent von allem entblößt daraus in das Elend und unbekannte Länder verjagen und vertreiben." Nach der Protestation vom 13. Januar 1553 hatten die Kriegsknechte den "Prior und alle seine Brüder, darunter alte, kranke Männer, mit Gewalt hinausgejagt und ihnen unter vieler Verhöhnung und Schmähung ihre Kleider und Bettgewand nachgeworfen und sie von Allem entblößt, so daß sie zu Fuße nach der Stadt Rostock hatten gehen müssen." Ein amtlicher Bericht über die Einnahme des Doberaner Hofes sagt, daß der Herzog Johann Albrecht "auf dieselbe Zeit das Kloster Marienehe und das Karthäuserhaus in der Breiten=Straße zu Rostock durch Matthias (?) Koch habe einnehmen lassen. Die rostocker Chronik berichtet: "1552. In dissen suluen yar worden de monik vth den beiden klostern Marien Ehe vnd Dobbran vordreuen van den hertogen van Meckelnborch."

So fiel die ehrwürdige Karthause Marienehe als ein Opfer der Bewegung der ganzen Zeit. Sie hätte ein besseres Schicksal verdient und auch vielleicht gefunden, wenn die Starrheit ihrer Form nicht dem Zeitgeiste gradezu widerstrebt hätte oder wenn die Brüder es über sich vermocht hätten, ihre Stiftung in die neue Bewegung hinüberzuleiten, wie es die Brüder vom Gemeinsamen Leben thaten. Aber die Karthäuser verdienen Theilnahme und Verehrung.

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Der Herzog Johann Albrecht handelte freilich hart; aber auch er konnte nicht anders, und seine Absicht war eben so rein, wie die Standhaftigkeit der Karthäuser. Er wollte mit den Gütern der Karthause die Universität Rostock verbessern, um Bildung zu verbreiten, und das hat er zum Glanze der Universität und seiner Regierung auch ehrlich gethan. In einer Regierungsverordnung bei seinem Abzuge nach dem Oberlande im März 1552 sagt er: "Zum dritten begern wir, ir wollet die Visitation fur die handt nehmen, die abgotterei und papistische diener allethalben abschaffen und die reine gotliche Lehr und christliche Ceremonien aufrichten, christliche Predicanten verordnen und den schulmeistern notturftige ziemliche unterhaltung machen, und alles so zu den kirchen gehörig an geiftlichen Lehnen und sonsten vleysig aufschreiben, damit wir von denselben und andern geistlichen gütern zu unser glücklichen heimkunft, wils got, die uniuersität, auch junge gesellen vom adel und andere im studio unterhalten und die armen davon versorgen können."

Aber auch Marquard Behr ruhte selbst nach dem Falle seiner Karthause nicht. Er blieb unermüdlich thätig, sein Recht gegen die Gewaltthat des Herzogs zu verfolgen, welcher selbst seine Person als eine gefährliche in besondere Aufsicht nahm. Nach dem Schreiben des Herzogs vom 16. October 1553 entfloh Marquard Behr nach der Vertreibung in die befreundete Karthause zu Arensbök, welche noch unangefochten geblieben war, und nahm Siegel und Briefe und die Kleinodien und andere bewegliche Habseligkeiten des Klosters mit sich dahin. Von hier aus reisete er, wahrscheinlich im geheimen, bald hier, bald dort hin, um die Sache des Klosters zu betreiben; bald war er in Arensbök und Lübeck, bald in Rostock, bald in Stralsund und an andern Orten. Die Karthause besaß auch Sülzgüter in der Saline zu Lüneburg, wie die meisten großen meklenburgischen Stifter. Bald nach seiner Flucht nach Arensbök war Marquard Behr "in den geschwinden Zeiten in eigener Person mit großen Unkosten und mit Gefahr seines Lebens" nach Lüneburg gereiset, um diese Güter zu sichern. Aber die meklenburgischen Statthalter hatten während der Abwesenheit des Herzogs Johann Albrecht nach Lüneburg geschrieben, "die Karthause gehöre jetzt den Herren von Meklenburg, welche deren Güter zu der Universität zu appliciren" gedächten. Am 1. October 1552 war Marquard Behr in Rostock und bat von hier den Rath von Lüneburg, ihm nicht nur die zu Ostern fällig gewesenen Pächte, sondern auch die zu Michaelis fällige Summe von 105 Mark zu senden,

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worüber er die Quittung bei seinen Wirthe Lütke Schröder in Rostock, welcher in der Breiten Straße wohnte, zurückgelassen habe, widrigenfalls er sonst zur Klage schreiten müsse, da den Herzogen die Karthause nicht gehöre, indem sie nie einen Fuß breit Landes dazu gegeben hätten. Der Herzog mußte von den Bestrebungen des Priors Kunde erhalten haben, denn am 6. October 1552 forderte er den Rath von Rostock in sehr bestimmten Ausdrücken auf, sich in Beziehung auf die Güter des Klosters und den Prior ohne Säumen gehorsam gegen ihn zu bezeigen, da er der Kirchen und Schulen Bestes suche, wenn der Rath nicht in den Verdacht kommen wolle, als sähe er die Unterschlagung der Kirchengüter gerne. Am 24. October 1552 war Marquard Behr in Wismar und ließ sich hier von dem Rath eine Urkunde vom Jahre 1447 feierlich beglaubigen, durch welche dem Sohne des Stifters der Karthause Marienehe, dem Winold Baggel dem jüngern, von dem Kloster eine Wohnung vor demselben auf Lebenszeit eingeräumt war; mit gleichen Ausdrücken beglaubigte an demselben Tage der wismarsche Rath auch die Stiftungsurkunde der Karthause vom Jahre 1396.

Marquard Behr ließ nicht ab, alle möglichen Schritte zum entschiedenen Auftreten zu thun. Als im December 1552 der Herzog Johann Albrecht 1. in Rostock war, hatten sich auch "Marquard Behr, Prior der Karthause zu Marienehe, und Christian Westhof, Schaffner derselben Karthause", dahin begeben, und Marquard Behr hatte seine Verwandten ("sine besipte fruntschop") und Freunde dahin geladen: Joseph Münster der Rechte Doctor, Sivert von Dechow, Gevert Moltke, die Brüder Gerd und Joachim Behr (auf Nustrow), die Brüder Jürgen und Christoph von der Lühe, Joachim Luskow und den rostocker Bürger, früheren Burgemeister (?) Bernd Kron 1 ), denselben, welcher 1557 auch die Güter der Brüder vom gemeinsamen Leben in Verwaltung nahm 2 ). In dieser Männer Gegenwart, am 15. December 1552 Nachmittags, in Rolof Machen Hause am Markte, klagte vor dem Notar Erasmus Böddeker der Prior mit heller, lauter Stimme, daß er, der über 27 Jahre lang die Karthause nach bestem Gewissen in Gottes Dienste als Prior regiert habe, mit seinen Brüdern von dem Herzoge Johann Albrecht des Klosters entsetzt und verjagt sei, legte die Stif=


1) Am 14. Julii 1534 richtete der Prior Marquard Behr ein Schreiben an den Burgemeister Bernd Kron und die Rathmänner Heinrich Gülzow und Marcus Luskow zu Rostock.
2) Vgl. Jahrb. IV., S. 26 flgd.
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tungs= und Bestätigungsurkunden des Klosters,den Geleits und Schutzbrief Kaisers Carl V. vom Jahre 1530, den er verlesen ließ, und einen Schirmbrief des Herzogs Heinrich von Meklenburg vom Jahre1537vor und protestirte öffentlich gegen die gewaltsame Entziehung des Klosters, indem er die Wiedereinsetzung forderte. Mit dem darüber aufgenommenen Notariatsdocumente und den beglaubigten Abschriften der Urkunden begab sich der Notar mit den Zeugen sogleich zu dem Herzoge, welcher damals in Rostock bei dem Rathmann Gottschalk Hoppenstange "zur Herberge lag", und bat um Gehör, ward aber auf den folgenden Tag beschieden. Am16. De cember erschienen der Notar und die Zeugen wieder und "thaten fleißige Forderung um Gehör"; der Herzog aber ließ ihnen sagen, er habe dem Canzler Johann von Lucka und dem Rath Carl Drachstedt die Annahme des Gewerbes mündlich befohlen.Da begaben sie sich zu den genannten Räthen in die fürstliche "Canzlei", welche ebenfalls in Roloff Machen Hause war, wo der Prior mit seinen Freunden wohnte. Hier wurden sie angenommen, und der Doctor Münster nahm im Namen des Priors das Wort, protestirte gegen die gewaltsame Entsetzung, forderte die Herausgabe der Karthause und bat, daß dem Prior und seinen Brüdern keine Gewalt geschehen möge, indem diese sich unter den Schutz und Schirm Sr. Majestät des Kaisers und des Reichskammergerichts begeben. Die fürstlichen Räthe nahmen diese Gewerbe an und versprachen, dem Herzoge über den Hergang zu berichten; der Prior ließ sich aber darüber ein von Zeugen beglaubigtes Notariatsdocument ausfertigen.

Doch dies war tauben Ohren gepredigt.Vielmehr hatte der Herzog bald darauf sich nicht nur in die zur Karthause gehörenden Güter gesetzt, von den Unterthanen Huldigung genommen und die fälligen Zinsen und Pächte erhoben, sondern sogar in seinen Landen und Vogteien befohlen, den Prior und die Seinen gefangen zu nehmen, wegzuführen und ins Gefängniß zu werfen. Gegen diese fortgesetzten Gewaltthätigkeiten protestirte"Marquard Behr, Prior der Karthause Marienehe" wiederum "gar kläglich unter Vergießung von Thränen" am 13. Januar 1553 in seiner Behausung in der Breiten Straße vor demselben Notar Erasmus Böddeker und den rostocker Bürgern Nicolaus Schmidt und Hans Reinke.

Marquard Behr betrat nun, da alle Versuche zum Frieden vergeblich gewesen waren, den Weg zum Reichskammergericht.

Während der Zeit, als sich der Herzog in den wirklichen Besitz der Karthäusergüter in Meklenburg setzte, sah er sich

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auch nach den reichen Gütern und Geldern um, welche die Karthäuser im Fürstenthume Rügen hatten. Der Herzog wandte sich durch Gesandte zunächst an den protestantisch gesinnten Stadt=Syndicus Dr. Nicolaus Genzkow (von 1555 † 1576 Burgemeister) zu Stralsund, den der Herzog auch gern in seinen Dienst ziehen wollte. Dieser schrieb am 1. Januar 1553 dem Herzoge, daß der Rath mit des Herzogs "christlichem Vorhaben zur Beförderung der Ehre Gottes und der Universität zu Rostock Aufnehmen, Gedeihen und Verbesserung" wohl nicht übereinstimme und derselbe dem heillosen Mönch" (d. i. Marquard Behr) die Güter lieber gönnte, als daß er sähe, daß sie durch des Herzogs Verordnung zum bessern und gottseligern Gebrauch verwendet würden; er glaube, daß der Rath die Verhandlungen aufschiebe, indem dieser hoffe, daß die Mönche von dem Reichskammergericht oder anderswoher getröstet würden, denn er habe seltsame Dinge von etlichen Rathschlägen, welche die Gesandten der Städte jüngst zu Lübek über des Herzogs Vorhaben auf der von Rostock und Wismar Anstiften gehalten, und wie schimpflich sie vom gewissem Thun geredet, erfahren. Der Herzog wandte sich nun schriftlich und durch seinen Secretair M. Simon Leupold an den Burgemeister Christoph Lorber zu Stralsund, welche, mit seinen Schwägern und Freunden, in die dreißig Jahre Administrator der pommerschen Güter des Klosters Marienehe gewesen war, und schlug ihm am 17. Januar 1553 zur Beilegung der Irrungen hierüber vor, nachdem er sich wieder auf Verhandlungen eingelassen, ihm und seinen beiden Söhnen Olof und Zabel die Verwaltung der Güter für die Zeit ihres Lebens zu lassen und ihnen den Vorkauf der Güter zu gönnen.

Während der Zeit war Marquard Behr im Anfange des Monats März 1553 persönlich in Pommern gewesen und hatte die Pächte und Zinsen von der Stadt und den Bauern ein genommen und die Klosterbauern auspfänden lassen, natürlich mit Lorber's Hülfe, oder wie dieser sich ausdrückt, "da es ihm nicht gebühre, ihm darin Widerstand zu leisten". Durch diese Verhandlungen wieder gestärkt, lehnte Christoph Lorber am 10. April 1553 das Ansinnen des Herzogs ab, demselben die Zinsen und Pächte einzuhändigen, da es ihm "allenthalben unleidlich und zu ewigem Schaden und Verderb gereichen würde, vor erklärter und liquidirter Sache zur ordentlichen Rechts=Erklärung und Erkenntniß der von Gott verordneten Obrigkeit" sich zur Willfährigkeit gegen den Herzog zu erbieten. In gleichem Sinne sprach sich auch der Rath der Stadt Stralsund, von welchem der Herzog die Zinsen von den bei demselben belegten

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Kapitalien gefordert hatte, am 10. April 1553 aus, indem ein solches Verfahren "gegen Eid und Pflicht, auch gegen gemeines Recht und natürliche Billigkeit, so wie gegen ihre ausgegebenen Briefe und Siegel sei, so daß sie mit nichten nachgeben könnten; daß der Prior in der Stadt gewesen sei," wüßten" sie nicht, jedoch sei es nicht ohne, daß er vor einiger Zeit angekommen sei und des Kaisers und des Herzogs Philipp von Pommern Geleitsbriefe mit feierlicher Protestation habe insinuiren lassen."

Das Benehmen der Städte war freilich für den Herzog hart, welcher ununterbrochen in Noth und Kampf saß und sein Werk durchzuführen gezwungen war, wenn nicht die katholischen Machthaber auch in Norddeutschland, wie wohl in andern Ländern, wieder die Oberhand erhalten sollten. Er war aber nicht der Mann darnach, sich in seinem Thun irre machen zu lassen.

Eben so fest, aber freilich nicht so mächtig, war aber auch Marquard Behr, welcher alle ersinnlichen Mittel aufbot, sein Recht zu behaupten. Am 17. März 1553 protestirte, ohne Zweifel auf des Priors Veranlassung, der rostocker Rathmann Gottschalk Hoppenftange mit seiner Familie, welche wahrscheinlich von den Baggel in weiblicher Linie stammten, vor Notar und Zeugen gegen das Verfahren des Herzogs, welcher das von seinen Verwandten den Baggeln gestiftete Kloster ohne irgend eine Ursache und Veranlassung eingenommen habe, und cedirte das Kloster mit allem Eigenthum, mit dem "Lehn=, Patronat= und Stiftungs=Recht" dem Rath der Stadt Rostock, um den Rechtsweg gegen den Herzog zu betreten, und der anwesende Burgemeister Johann von Herverden nahm diese Cession an.

Aber Marquard Behr verfolgte auch seinen eigenen Weg und brachte die Sache an das Reichskammergericht. Am 1. Junii 1533 bestellten "der Prior und der Convent des Karthäuserklosters" Marienehe den Licentiaten Philipp Seiblin, Kammergerichts=Procurator und Advocaten, zum Anwalt und Procurator in ihrer Sache, und der Proceß nahm seinen Anfang. Am 18. August 1553 ward die Klage der Karthäuser (petitio summaria) beim Reichskammergericht zu Speier anhängig gemacht und die Ladung des Kaisers Carl V. an den Herzog präsentirt. Am 21. August 1533 ward des Herzogs Procurator Dr. Michael von Kaden beim Gerichte beglaubigt.

So weit hatte es Marquard Behr gebracht, als er nach langem demüthigen Entbehren und heftigem Kampfe um Michaelis des Jahres 1553 starb und zur ewigen Ruhe einging. Die Bestellung des Procurators Seiblin am 1. Junii

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1553 ist die letzte Handlung, welche von ihm erhalten ist. Am 16. October 1533 schreibt der Herzog Johann Albrecht an den Herzog von Holstein, daß der Prior der Karthause Marienehe, welcher im vorigen Jahre flüchtig geworden sei,sich eine Zeit lang im Kloster Arensbök, welches damals noch bestand, aufgehalten habe und vor kurzer Zeit daselbst, nach glaubwürdigem Bericht, gestorben sein solle, und bittet, ihm die Siegel und Briefe, welche Marquard mitgenommen habe, zu verschaffen, da er gemeint sei, die Güter des Klosters zum Besten der Universität Rostock anzuwenden. Mag auch das Verfahren Marquards Behr in manchen Stücken starr erscheinen, so nöthigt er doch bei der Reinheit des Karthäuser=Ordens Achtung ab, denn in ihm war Alles Wahrheit, und es erregt ein wohlthuendes Gefühl, wenn man bemerkt, daß so reine Männer, wie Behr und Arsenius, in keinem Verkehr und Bündniß mit den blinden papistischen Eiferern standen.

Die Brüder der Karthause hielten zwar noch immer fest zusammen und erwählten den Christian Westhof, welcher am 16. Junii 1550 als Schaffner des Klosters auftritt, wieder zum Prior; am 17. October 1554 klagen beim Reichskammergericht noch "Prior und Convent des Karthäuserordens Marienehe" und am 3. April im Jahre 1557 wird der "Prior Christian Westhof" mit Namen genannt 1 ). Aber die Säule, welche den Bau trug, war gebrochen.

Der Proceß beim Reichskammergericht ging nun den bekannten, langsamen Gang. Am 18. December 1553 gab der Procurator Seiblin zu Protocoll, daß "die Sache nunmehr lange angestanden habe und die armen Ordensleute verjagt seien und ihnen täglich das Kloster mehr abgebrochen werde." Der herzogliche Procurator von Kaden aber war des Angebens nicht geständig, denn die Sache stehe in gutlicher Verhandlung, und zweifle er nicht, daß sie werde vertragen werden, und bat um Zeit", wogegen Seiblin keiner "Güte geständig" war.

Im folgenden Jahre versuchte der Herzog Johann Albrecht wieder in Stralsund zu den pommerschen Pächten und Zinsen zu gelangen und sandte den Secretair Simon Leupold zum dritten Male nach Stralsund, indem er ihm Briefe vom 1. Mai 1554 an den Rath der Stadt und den Burgemeister Christoph Lorber und Quittungen mitgab, mit dem Ersuchen, seinem Secretair die Pächte und Zinsen, welche er zu der Universität Rostock gebrauchen wolle, auszuzahlen, bat auch


1) Vgl. Schröter Beiträge S. IX.
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an demselben Tage den Herzog von Pommern, den Rath von Stralsund zur Zahlung anzuhalten, aber wieder ohne Erfolg. Dagegen mahnte noch am 3. April 1557 "Christianus Besthoff, Prior der Karthause Marienehe", den Rath der Stadt Stralsund um die Zahlung der seit dem letzten Michaelistermine fälligen Zinsen, und sprach dabei die Erwartung eines baldigen günstigen Urtheils aus und die Hoffnung auf einen gerechten Rächer der Gewalt.

Am 17. October 1554 überreichten "Prior und Convent des Karthäuser=Klosters bei Rostock" ihre Klage und am 7. December 1554 ihre "articulirte Klage" beim Reichskammergericht. Am 8. Februar 1555 gab Seiblin zu Protocoll: die Sache habe bei zwei Jahren angestanden und er bitte, den verjagten und spoliirten Ordensleuten zur Restitution zu verhelfen und die eingebrachte articulirte Klage, welche notorisch und landkundig sei, als bekannt anzunehmen. Da der Herzog wohl nichts zur Entschuldigung vorbringen konnte, so trug am 18. September 1555 der herzogliche Procurator Kaden vor, er sei berichtet, daß Herzog Ulrich von Meklenburg sich in die Sache geschlagen habe und dieselbe vertragen wolle; er bitte daher um einen Monat Frist. Aber Seiblin wiederholte, er sei keiner gütlichen Handlung geständig, wiederhole seine Klage und bitte, da seiner Parthei Alimente gebrechen, derselben zu einer schleunigen Endschaft zu verhelfen. Endlich übergab der Herzog am 27. Januar 1556 die Replik, welche sehr kurz war, und behauptete, daß wo, nach dem augsburger Reichsabschiede vom Jahre 155O, etliche Stände des Reichs etliche Stifte, Klöster und andere geistliche Güter eingezogen und dieselben zu Kirchen, Schulen und andern milden Stiftungen verwandt hätten, dieselben dabei gelassen werden sollten; da nun die eingezogenen Güter der Karthause zu der Universität Rostock gebraucht und verwendet "worden" (?), so folge daraus, daß der Herzog den Klägern Red und Antwort zu geben nicht schuldig sei. Dabei verblieb es. Am 16. December 1556 erklärten beide Procuratoren ganz kurz, daß sie ihre Klagen und Ausreden wiederholten, und zum Jahre 1557 und am 7. Januar 1558 wird im Acten=Protocoll bemerkt, daß in dem Prozesse nichts vorgekommen sei ("Anno 1557 nihil actum reperitur"). Hiermit schlief der Prozeß ein, wie man cher andere beim Reichskammergericht, und früher, als mancher andere.

Jetzt war auch die Reformation in Meklenburg ziemlich befestigt; es waren fast nur noch die Herzoginnen Anna und Ursula, mit ihren Anhängern, welche noch lange der reinen

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Lehre widerstrebten. In Rostock waren die Eiferer zur Erde gebracht; Dethlev Dancquardi war im Jahre 1556 gestorben. Auch der stralsunder Burgemeister Christoph Lorber segnete im Jahre 1555 das Irdische und ihm folgte im Amte der Syndicus Dr. Nicolaus Genzkow. Da erfüllte der Herzog Johann Albrecht seinen Lieblingswunsch, die Universität zu verbessern, da er sehr wohl einsah, daß durch nichts mehr die Bildung des Landes befördert werden könne, als durch eine blühende Universität: und hiedurch gab er der Stadt Rostock zurück, was sie an geistigen Kräften verloren hatte. Damit stimmte auch wohl das Land überein, denn der Herzog hatte den Land ständen schon auf dem Landtage am 25. Julii 1552 erklärt, daß die eingenommenen Klöster zu christlichem milden Gebrauche angewendet, sonderlich aber zu der Universität Rostock gelegt werden sollten, und wiederholte diese Versicherung auf dem Landtage vom 19.Mai 1555. Am 8. April 1557 stellte der Herzog Johann Albrecht der Universität Rostock einen Schenkungsbrief aus und "ordnete zu derselben 3500 Gulden jährlicher gewisser Aufhebung, nämlich 1500 Gulden, so die Klöster Doberan, Marienehe und Neukloster jährlich aus der Sülze zu Lüneburg und im Lande Pommern aufzuheben gehabt, 500 Gulden von gewissen wiederkäuflichen Summen und 1500 Gulden aus jährlichen Pächten, so zu den Klöstern Doberan und Marienehe gehörten." Hievon sollten "3000 Gulden zur jährlichen Besoldung etlicher Professoren in allen Facultäten geordnet und sicher gemacht, der Rest aber zu Schulen und andern milden Stiftungen verwandt werden 1 )."

Als so die Güter der Karthause anderweitige Verwendung gefunden hatten, waren auch die festen Gebäude derselben überflüssig, und theils mochte man Groll gegen die Karthäuser haben, welche von allen Mönchen des Landes allein den Herzogen zu trotzen gewagt hatten, theils mochte man feste Anlagen in der Nähe der stets aufsätzigen Stadt Rostock für bedenklich halten. Nachdem im Jahre 1557 ein Theil des herzoglichen Schlosses zu Güstrow abgebrannt 2 ) war, wurden im Jahre 1559 die Gebäude des Klosters Marienehe abgebrochen und die Steine nach Güstrow gefahren, um das Schloß damit wieder aufzubauen, wie zu jener Zeit viele kirchliche Gebände zur Hülfe weltlicher Bauten abgebrochen 3 ) wurden;


1) Vgl. Krabbe Geschichte der Universität Rostock, I., S. 568-570, und Rudloff Mecklenb. Geschichte III., 1, S. 170-173.
2) Vgl. Thomas Analecta Gustroviensia, p. 147, u. Jahrb. V. S. 23 u. 70.
3) Vgl. Jahrb. V., S. 15, 23 und 28.
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auch Privatleuten in Rostock ward gestattet, sich Mauersteine von Marienehe zu holen. Die gleichzeitige rostocker Chronik 1 ) sagt: "1559. In dissen yar wordt dat kloster MarinE dale gebraken und de stene na Güstrow gevort dat slot dar myt tho buwen, und don doctor Bowke syne huse buwen wold yn der breden strat, dar let he ok vast 40 voder halen van den stükkstenen van Marine." Dieser Abbruch ist denn auch so gründlich geschehen, daß von dem ganzen Kloster kein Stein mehr vorhanden 2 ) ist.

So verschwindet das Kloster immer mehr aus der Geschichte. Wie es bei der Säcularisirung der Kirchengüter herging, zeigt unter tausenden deutlich ein Fall in dem Kloster Marienehe. Das Kloster Doberan hatte bei der Aufhebung einen schweren goldenen Kelch verheimlicht und den Karthäusern in Verwahrung gegeben. Hievon hatten die Herzoge zu der Zeit Kunde erhalten, als die Herzogin Ursula, Aebtissin zu Ribnitz, von ihnen die 450 Mark zurückforderte, welche diese dem Vater der Herzoge geliehen hatte. Zur Abtragung dieser Schuld forderten nun die Herzoge im Anfange des Jahres 1561 von den "Karthäusern aus Marienehe, jetziger Zeit zu Rostock", die ungesäumte Auslieferung des Kelches, und die Aebtissin Ursula bescheinigte am 27. Februar die Empfangnahme desselben. Die letzten Karthäuser lebten in Rostock und in Lübek.

Im Anfange des Jahres 1561 lebten noch mehrere "Karthäuser, sämmtlich aus Marienehe zu Rostock", da die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich ein Schreiben an sie erlassen, welches sie auch befolgen. Mittlerweile hatten sich auch die Dominikaner=Mönche in Rostock wieder angefunden und sogar einen Prior gewählt, obgleich schon im Jahre 1534 das Kloster aufgehoben und in eine lateinische Schule verwandelt war. Die Dominikaner, welche im Stillen wieder Anhang in Rostock gefunden haben müssen, nahmen nun die letzten Karthäuser bei sich in Rostock auf, um für den Fall eines günstigen Urtheils an Ort und Stelle bei der Hand zu


1) Vgl. Jahrb. VIII., S. 192 flgd.
2) Auf einem Grundplane des Hofes und der Feldmark Marienehe von dem Baumeister Piloot vom Jahre 1617 im schweriner Archive ist hinter dem Hofe auf der Wildniß, wo das Kloster gestanden hat, noch ein Gebäude von zwei Flügeln, welche im rechten Winkel an einander stoßen, durch Puncte angedeutet; dies sind wahrscheinlich die Fundamentruinen eines Theils des ehemaligen Kreuzganges. In einem Inventarium der Gebäude vom Jahre 1655 waren 8 nothwendige Wirthschafsgebäude in Vollständigkeit vorhanden; jedoch waren alle aus Fach werk, und massive Gebäude werden nicht mehr aufgeführt.
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sein. Die Karthäuser in Rostock aber waren der Karthause Marienkloster bei Hildesheim untergeben. Am 22. Junii 1565 schrieb Johann von Münster, Prior der Brüder der Karthause Marienkloster bei Hildesheim, an den Prior Hermann Otto 1 ) vom Predigerorden zu Rostock in bewegten Ausdrücken, indem er demselben für die freundliche und gastliche Aufnahme seiner Brüder, von welcher ihm der Bruder Mathias berichtet habe, dankte und ihm die Karthäuserbrüder Mathias und Servatius angelegentlich empfahl, welche friedlich und stille verharren sollten, bis sich etwas ereigne.

Der Bruder Mathias war der Karthäuser Mathias Sasse, welcher der letzte Bruder der Karthause. Marienehe war und die letzten Jahre seines Lebens dazu gebrauchte, die Rechte und Güter seines Klosters sicher zu stellen. Als die letzten Brüder zu Rostock außer ihm gestorben waren, verließ er Rostock und ging nach Lübek, wo sich noch ein Bruder Matthäus Meier aufhielt. Diese beiden waren im Jahre 1574 die letzten "zwei Mönche, welche noch am Leben" waren. Im Jahre 1556 hatten "Prior und Convent des Klosters Marienehe durch Matthäus Meier, gewesenen Conventsbruder oder Karthäuser zu Marienehe,einen Halbbruder des Burgemeisters Ambrosius Meier zu Lübek", diesem 1500 Gulden übergeben, damit die Karthäuserbrüder die Zinsen von diesem Capitale die Tage ihres Lebens genießen könnten. Am 3. August 1562 schrieb des Herzogs Albrecht von Preußen Secretair Balthasar Gans an den Herzog Johann Albrecht, der (berüchtigte und schlaue) Ritter Friedrich Spedt habe ihm erklärt," die Briefe über die Karthause bei Rostock habe ein Mönch, des Burgemeisters Marr (?) Meier zu Lübek Bruder, weggeführt und nach Lübek in ein Kloster gebracht, und wenn der Herzog ihn, den Ritter Spedt, darum anspreche, so wolle dieser dem Herzoge die Wege weisen, daß er sie wieder bekomme." Dies ist nun wohl nicht ganz richtig; denn die Urkunden des Klosters liegen im Rathsarchive zu Rostock, und in Stralsund sollen auch noch Urkunden vorhanden sein; auch ist der Vorname des lübeker Burgemeisters nicht richtig angegeben Das ist aber richtig, daß Matthäus Meier Geld, vielleicht auch einzelne Schuldverschreibungen nach Lübek gebracht hatte. Nach dem Tode des Burgemeisters Meier cedirten im Jahre 1571 die noch lebenden Mönche


1) Der Dominikaner=Prior Hermann Otto war schon 1556 in Rostock (vgl. Schröder Evang. Meklb. II., S. 145) und lebte noch am Ende des Jahres 1571 daselbst; vgl. Schröder Evang Meklb III., S. 84.
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den Hauptstuhl "den armen vater= und mutterlosen Kindern" zu Lübek oder "des Armen=Kinderhauses Vorstehern", da sie von Anfang an entschlossen gewesen seien, die Hauptsumme, die sie sowohl durch ihren sauren Schweiß und Arbeit, als auch durch ihr sparsames Leben vor sich gebracht, wiederum in die Hände der Armen zu geben", und sich nur die Renten für die Zeit ihres Lebens vorzubehalten. Aber selbst bei dieser ehrenwerthen Gesinnung kamen die armen Mönche zu kurz, da die Zinsen seit dem Jahre 1564 bis 1574 nicht gezahlt waren und die Vorsteher des lübeker Waisenhauses sich schon als völlige Herren des Geldes betrachteten. Als nun im Jahre 1574 nur noch zwei Mönche am Leben waren, forderten die Vorsteher des Waisenhauses von den Erben des Burgemeisters Meier das Kapital. Zugleich aber begehrte auch der Herzog Johann Albrecht, der dies alles in Erfahrung gebracht hatte, dasselbe, weil "es des Herzogs Kloster entwendet" sei. Die Vorsteher des Waisenhauses brachten im Jahre 1574 die Sache vor den Rath und behaupteten, die Summe gehöre nicht dem Kloster, sondern sei ein Nothpfennig der Brüder. Der Schwiegersohn des Burgemeisters, Franz von Stiten, rieth nun dem Herzoge, Beschlag auf das Geld legen zu lassen, während die Vorsteher darauf antrugen, daß, da noch zwei Brüder Mönche am Leben seien, die Hauptsumme "zu Jemandes Rechte" sicher belegt werde. Der Rath von Lübek aber eröffnete den Rechtsweg und erließ eine Ladung an den Herzog. Und damit enden die Acten und wahrscheinlich die ganze Sache, da der Herzog Johann Albrecht am 12. Februar 1576 starb.

Am 8. Junii 1574 hatten die beiden letzten Brüder Mathias Sasse und Matthäus Meier aus der "zerstörten Karthause Marienehe" eine Lade mit den Urkunden über die lüneburger Sülzgüter der Karthause dem lübeker Dom=Vikar Heinrich Duncker in Verwahrung gegeben. Als nun diese Urkunden zur Geltendmachung alter Rechte gesucht wurden, konnte man am 7. Mai 1575 nichts weiter von Mathias Sasse herausbringen, als daß "die Lade nicht mehr bei Heinrich Duncker" vorhanden sei und keine andere Urkunden und kein Geld enthalten habe.

Nachdem auch Matthäus Meier im Jahre 1574 gestorben war, cedirte "Mathias Sasse, der letzte der Karthause Marienehe", zu Lübek in Gegenwart der Dom=Vikare Nicolaus Gribbenitz und Heinrich Duncker, im Hause des Gribbenitz, am 22. Junii 1575 unter des Klosters Siegel, welches er bewahrte, dem Rath der Stadt Rostock, welcher den Brüdern auch nach der Aufhebung des Klosters viel Gutes erzeigt habe, alle

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Gerechtigkeiten der Karthause und alle Urkunden, welche er in Verwahrung hatte, unter der Bedingung, daß der Rath Alles, was er von des Klosters Besitzungen gewinnen und einnehmen würde, zu Gottes Ehren wieder anwenden und dem Kloster zurückgeben solle, wenn es wieder in den vorigen Stand kommen würde. Hirnach zog sich Mathias Sasse in die Karthause Marienkloster bei Hildesheim zurück und cedirte hier in Verfolg seiner frühern Cession am 10. August 1576 unter des Klosters Siegel dem rostockerRathssecretair Bernhard Luschow eine Lade mit Urkunden des Klosters, welche in Rostock stand, und was sich dort sonst noch von dem Eigenthum der Karthause befinden mochte; und bevollmächtigte denselben zu allen Handlungen für das Beste des Klosters.

Und dies ist die letzte Nachricht von der Karthause und deren Brüdern, welche ein halbes Jahrhundert lang mit unbeugsamer Beharrlichkeit in allen Formen des Rechts und Bestehens gegen die anschwellenden Wogen der Zeit angekämpft haben, bis sie darin untergegangen sind. Und so ist von der Karthause Marienehe, welche die innigste Theilnahme verdient, nichts weiter übrig geblieben, als der Name und das Andenken der Nachwelt.

 


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Urkunden.


Nr. 1.

Marquard Behr verkauft einer Vikarei in der Kirche zu Tribsees 6 Mark Pacht aus dem Dorfe Koitenhagen.

D. d. 1515. März 6.

Marquard Bere verkaufft hern Petro Walkowen bischoffe zu Zwerin alsz Lehnhern und Martino Kostere Vicario in der Pfarkirchen zu Tribuses vor 100 Mk. sundisch 6 Mk. Pacht im Dorffe Kotkenhagen etc. . Datum 1515, Dinrtedages vor Gregorii.

Aus Daniel Clandrian's Protocol der Schwerinschen Stiftsbrieffe. Die Urkunde selbst fehlt.
Dies ist wahrscheinlich dieselbe Urkunde, welche nach einem im Geheimen Archive zu Kopenhagen aufbewahrten Verzeichniß etlicher Briefe der Kirche zu Tribsees folgenden Inhalt hatte:

"Ein teutesch brieff, dar in Marquardt Bhier dar in ehr ehr bekendt, das ehr ist schulstig dem Bischoff zu Schwerin VI mr. sundisch ierlicher zinse fur 100 mr. lub. hauptsummen alle iar auff sanct Martens tage zu betzalunge, hatt sich aber den widderkauff vorbehalten. Im Dato 1515.


Nr. 2.

Der Karthäusermönch Marquard Behr bittet den Herzog Bugislav von Pommern, den Hans von Schwerin für den unmündigen Sohn des verstorbenen Hermann Behr, seinen nächsten Lehnserben, nach seinem Eintritt in den Karthäuserorden, zum Vormunde zu bestellen.

D.d. Marienehe. 1517. Sept. 18.

Durluchte, hochgebarenn furste vnde gnedige here. Myn beth tho gade deme heren vor iwe furstlike gnade stede boreit.

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Gnedige here. Ick danke iwer furstliken gnaden vor iwer gnaden bref, den iwe f. g. dorch forderent des ghestliken vnde innigen broder Henninges carthuser in iwer gnaden kloster bi Stettin gnedichliken ghegeuen heft, welkeren bref Hans Swerin heft myt sodanen fruchte vnde geboren angenamen, so em bohorde vnde he schuldich was, vnde heft sick in aller mate vnde wise na iwer f. g. schriften borliken iegen my gheholden. Worumme, durluchte, hochgebarenn furste vnde gnedige here, is an iwe furstlike gnade myn othmodige bogeren vnde demodige bede, i. f. g. wil Hans Swerine in enen vormunder confirmeren deme unmundigen sone zelige Hermen Beren,mineme negesten lenehruen der ghuder, de deme unmundigen na miner profession rechtliken thokamen, na lude vnde inholde enes contractes, dorch de frunde in deme contract bonomet twisken vns bodedinget, des Hans Swerin vor iwer forstliken gnaden enen bosegelden bref ertogen wert. Dat wil ick myt alleme vlite mit mineme bede vordenende sin an iwe f. g. tho gade deme heren, deme ick iwe forstlike gnade bouele tho euigen tiden myt iwer gnaden stede vnde lande. Datum Maryenee, anno domini M CCCCC XVII, amme vrygdage na exaltationis crucis.

Iwer gnaden dener     
broder Marquardus Bere.

An den dorchluchten, hochgebaren forsten vnde heren, heren Buggeslaue, hertogen to Stettyn, Pameren, Cassuben, der Wende hertoge vnde forste tho Royen, graue to Gutzkow, myneme g. h., in aller othmodycheyt geschreuen.

Nach gleichzeitiger Schrift, auf Papier, im Archive der Stadt Rostock, zusammengefaltet, jedoch nichtbesiegelt; es ist nicht zu entscheiden, ob es Original oder Abschrift ist. Auf der Rückseite steht die Registratur: "broder marquardus ber".


Nr. 3.

Der Burgemeister Christoph Lorber und die Brüder Joachim und Curd Oseborn, die Erben des Peter Bölkow und die Erben bes Curd Buke verpfänden dem Prior Marquard Behr und den Brüdern des Karthäuserklosters Marienehe 6 Mark Pacht aus dem Dorfe Mützkow.

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D. d. Stralsund. 1528. Mai 5.

In Gades namen amen. Wy her Christoffer Lorbere, borgermeister, Joachim und Cordt Ozeborne, gebruder, erffzethen burger thom Sunde, van vsenth wegen, eyns, ock altze gekaren recthe vormunder der nagelathen wedeuen zeliger Peter Bolkowuen, ander, ock wy vorgemelthen sampth Er Andreues Polterian, rathmanne, alße recthe erwelde vormunder der nagelathen kynderen zelygen Curth Buken, drudden deyls, Bokennen vor vnß, vnße eruen vnnd vor dy ienne, vnnd wy eruen, dar wy vormunders tho synth, botugende apenbar in vnnd meth dessen unßen bryue vor alsweme, dath wy eyndrechtychliken meth wolbedachten mode vnnd wulborde all der iennen, der dar an bolegen is effte werden mach, hebben recth vnnd reddelyken vorkoffth vnnd vorlathen vnnd noch iegenwerdich hyr meth vorkopen vnnd vorlathen deme werdigen vnnd innygen tho Gade Marquardo priori vnnd deme gantzen Conuenthe deß klosters Marienehe, Carthuser ordens, vor der Stadt Rostock bolegen, vnnd all aren nakamelyngen vederen vnnd bruderen in deme gedachten Kloster soß marck sundesker munthe iarlyger plege vnnd opbaringe in vnnd uth vnßem dorpe Muskow in dem kaspel Nipertze by der bonomeden stadt Sundt bolegen, in vnnd uth deme haue vnnd houen in deme vorbonomeden dorpe bolegen, dar nw uppe waneth vnnd bowueth Pauel Backhuß, vnnd uth alle syner thobohoringe bynnen effthe buten dor pes, nijctes uthgenamen, Welke soß marck schalen dy vorbonomede vedere vnnd bruder alle iar fryliken vnnd fredesamlyken opheuen vnnd baren vp sunthe Mertens dach deß hilgen bi scoppes, vor anderhalff hundert marck sundesker munthe houethstuls, welke wy bauengerurde den gedachten vederen vnnd aren ewygen nafolgeren hebben thogesecth vnnd noch iegenwardigen thoseggen uth orsake eyns bryues, vp eyn hunderth gulden houetstuls ludende, in ewen hauen vnnd houen deß borurden dorpes, van zeligen Pauel Morder vorsegelth, welken sumez uth sunderger gunsth vnnd fruntschap gemiddelth vnnd den bryff unß gutlich auer anthwerdeth. Wereth auers sake, dath idt bohoff worde wesende, ßo magen dy vedere vnnd bruder desse soß marck panden edder panden laten, vnnd wy vnnd vnße eruen schalen vnnd wyllen em dar tho helpen, wo waken wy dar tho geesketh werden, sunder gegenseggen edder anders tho manende dorch geistlich edder werlich recth, sunder brake effthe vnße vor hinderynge. Ock wylle wy meth unßen eruen den vorbonomeden vederen desses gudes em im recthe eyne were wesen, vnnd em dath entfrygen vnnd vordynen van den heren deß

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landes vnnd cleger van aller ansprake. Were ock desse bryff in iennygen artikel vorsumeth, de dar behoren tho eynen recthen, reddelyken kope, schal den gedachten vederen nergen in vorfencklich wesen, ock magen dy vedere sunder vnsen vnnd vnser eruen willen edder wulborth sunder vornyginge effthe vorwandelynge desses bryues de borurthe soß marck meth aren houethstule vorgeuen, vorkopen edder vorbuthen, weme ße wyllen, geistlygen edder werlygen personen, vnnd weme ße ßo vorkopen, vorgeuen effte buthen schal desse iegenwardige bryff in alle synen artikelen alßo bohulpplich wesen, effte he em van worde tho worde thogescreuen were. Worthmer vmme sundiger gunsth vnnd fruntscaph wyllen hebben vnß vnnd onßen eruen die oelegedacthen oedere gegunth vnnd gegeuen den ewygen wedderkop deß vorborurden gudes, so dath wy ehm magen thoseggen up sunthe Johannis, babtisten dach tho middenzamer, vnnd denne up den negesthen sunthe Michaelis dach botalen anderhalff hunderth marck fundesker munthe meth den soß marken plege vnnd thynse deß swluesthen iars, meth aller pacth vnnd upbaringe, ßo dar weß nastendich were, bynnen der vorbonomeden stadt Sundt, tho eyner tyth, tho fuller noge, in guden pagimente, alße denne thom Sunde genge vnnd geue is. Alle desse varbonomede stucke vnnd artikel samptlyken vnnd bosunderlyken laue wy Er Cristoffer Lorbeere, borgermeister, Er Andreas Polterian, rathmann, Joachim vnnd Cordt Ozeborne, gebruder, vor onß, onße eruen vnnd vor dy, dar wy vormunder tho synth, vnnd vor aren eruen, den gedacthen oederen vnnd aren nakamelyngen vnnd den hebberen desses bryues meth aren wyllen stede, wasthe wol tho holdende sunder alle arch vnnd geferde. Deß tho orkunth vnnd groter bokantnytze hebbe wy her Cristoffer Lorbere, borgermeister, vnnd Andreas Polterian, rathmann, Joachim vnnd Cordt Ozeborne, erffzethen burger thom Sunde, vor onß, onße eruen, vor dy vnnd are eruen, dar wy vormunder tho synth, onße ingesegel meth wyllen gehengeth an dessen bryf, den dy Erßamen Er Jacop Klutze vnnd Er Bartholomeus Buchow, rathmanne thom Sunde, tho der wytlicheit vmme vnßer bede wyllen hebben mede vorsegelth. Gegeuen na der geborth Christi onses heren XV c vnnd XXVIII, des dinsckedages na Philippi vnnd Jacobi der hilgen appostel.

Nach dem Original im Archive der Stadt Rostock. An Pergamentstreifen hangen 3 runde Siegel:

1) mit einem Dammbrett mit 9 Feldern im rechts gelehnten Schilde unter einem Helme mit einem Pfauenwedel, mit der Umschrift:

Umschrift
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2) mit einem linken Schrägebalken, auf welchem drei laufende Füchse dargestellt sind, mit einer Rose im untern und Laubwerk im obern Schildwinkel, auf einem links gelehnten Schilde, unter einem Helme, mit der Umschrift:

S. KORT. OSEBORNE

3) mit demselben Wappen und der Umschrift:

S. ACHGIM. OSEBORNE

4) mit einer Hausmarke und der Umschrift:

Umschrift

5) mit einer Hausmarke und der Umschrift:

Umschrift

6) mit einer Hausmarke und der Umschrift:

Umschrift

 


Nr. 4.

Notariats=Document über die Verhandlungen wegen des aus der Karthause Marienehe entlaufenen Conversbruders Hans Prange.

D. d. Marienehe. 1532. April 2.

In Gades Namen, Amen. Kunth vnde apenbar sy allen, de dith Jegenwardighe apenbar Instrumente ßehenn edder horen leßenn, Dath Inth Jar Dußent Viffhunderth Twe vnnd druttich, In der Voffthen Indiction, Dinrtedags In deme Vasthenn, den andern Dagh des Mantes Aprilis, des Allerdurchluchtigisten, Grotmechtigesten Heren Heren Caroli Rhomisches keysers van deme namen des Vofftenn, syner keyserlikenn Maiestatt bekroninghe In deme Drutteinden Jare, Tho der Carthuß MarienEe genompth vor Rostock belegenn, darßulues Im Gasthuse, vor denn Hochgelerten vnde Erbernn Herrn Johann Oldendorp, der Rechte Doctor vnde Syndicen, vnde Jo hann vann Heruerden, Rathman tho Rhostock, furslicher Gnade Commissarien vnde beuelhebbern tusken deme Erßamen Hans Prangen, an der eynen, vnde der Prior vnde gantze Conuent, an der anderen tziden, fruntlich tho handelende orer twiste vnde gebreke haluen, van deme Dorchluchtigenn, Hochgebarnen Furstenn vnde Herenn Herenn Henrich, Hertogenn tho Meckelnburch etc. . ßunderlich vorordent, In myns apenbar Schriuers vnde nachgeschreuen tugen dhar tho sonderlich geropenn vnde gebedenn Jegenwardicheit, Is personlich nach Inforderinghe gedachter Herrn Commissarien Hans Pranghe mith ethlikenn vth deme Rade vnde anderen Bor gern thom Handel gebeden vnde vth geforderten herenn

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vnde frunden erschenen vnde vorgekommen, vmme ßin werff vortobringen laten, Bude alß gedachte heren Commissarien ßin werff vnde andacht tho horende geneigt, vnde Hans Prange deme ock alßo nochtodende willens, Is gedachte Herr Prior mith ßampt deme Vicario vnde Schaffer Inn onmode, freuell onde, als vth synem geberen erschenen, tornich upgestanden vnde In deme wechgande mit apenbarer, vorstentliker stemme gesecht, Inth gemene nhemande mith nhamen beschedende, he dachte mith keynen vorredern vnde vienden des Crutzes Christi tho haltdeln, Vnd nha deme de worde alßo gemein vnde de anderen ßick derßuluigen tho hertenn genamen, Szo hebben gedachte heren Commissarien dorch opgemelten Doctor Johann Oldendordp, dar vann dat de Prior alßo denn Handell freuelich affloch vnde sick Int fruntliken handell vormoge furstlicher Gnade Commission tho vorachtinge der suluigen nicht Inlatenn wolde, vnde vann ßynem des Prioris kreuelschen wechgande vnde erer der Commissarien gedanen Diensthe vnde flithe bedingt vnde protesteret vnde my Notarien mynes gedanen edes vnde amptes erfordert vnde vormant, eyn edder mher Instrumenta tho makende, vnde Is alßo geschehen Im Jare, Indiction, Daghe vnde Manthe vnde anders, wo bauenschreuen, In byweßende der Erßamen Peter Brummers Borger tho Rostock, Szwerinsches, vnde Hieronymus Rhanen, Magdeburgisches Stifftes, alß Thuge hir tho ßonderlingen geropen vnde gebedenn.

(L. S.)

Vnd dewile Ick Lambertus Tackell, Clerick Verdisches Bischopdoms, vth keyserlyker gewalt apenbar Schriuer, allen vorigen geschefften vnde handelen, do de alßo geschegen, mith ßampt vorbenompten Tugen binn Jegenwardich an vnde auer geweßen, Daromme hebbe Ick dith Jegenwardige apenbar Instrument, dorch eynen anderen loffwerdigen trewlick geschreuen, dar auer gestellt, Ock mith mynem namen vnderschreuen vnde mith mynen wontliken tekenn vortekent vnd befestet, thor tuchenisse aller opgemelten Dingen, dartho sun derlingen gefordert vnde gebeden.

Nach einer gleichzeitigen beglaubigten Abschrift im großherzogl. meklenburgischen Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 5.

Das Karthäuserkloster Marienehe berichtet an den Herzog Heinrich über den Hergang bei der Verhandlung wegen des aus der Karthause entlaufenen Conversbruders Hans Prange.

D. d. Marienehe. 1532. Mai 9.

Duse beth tho godt almechtich myt armen, willigen, vorplichten densten I. ff. g. stede boret touorne. Durchluchtige, Hochgebarne furste vnde here, g. h. Wy armen brodere, I. ff.g.onderdenige capellane, syn dankbare vor iungeste schrifte an vns vnde vnsen vorlopenen broder vns tome besten van I. ff. g. ghegeuen, myt borichten, wo vor der tydt, Alse Dinxtedag in den pasken, syn by vns erschenen etlike commissarii, nomlik Doctor Oldendorp vnde Ern Hans van Heruerden, by sik hebbende den stadtschriuer to Rostok, myt welkeren is in vnse closter weldich geforet broder Hans Prange myt vertich efte darby borgeren sampt ehren Dhenren vnde mitgeladenen, Dar wy vor erschrokken vnde vns in kenen handel ghegeuen, wyle wy tho der tydt van I. ff. g, kene antwerde vp vnse supplication, Dinxtedages nha palmarum an I. ff. g. geschikket, erlanget hedden, Ok vns sere tho nhadele gerekent, se vns myt sodaneme hupen auer gefallen, seggende dorch D. Oldendorpe, id sy en dorch 1. ff g. befalen, deme wy neuen louen gegeuen, doch in meininge weren, I. ff. g. commission onderdenich vns ertogen in billiker stede vnde tyden, dat doch de commissarii van vns nicht wolden annemen, men in iegenwerdicheyt vnses wedderpertes, wo bauen bororet, gestarket, myt vns handelen, dat vns nicht to lidende stundt, welker orsake vnse prior vp den Apostatam b. Prangen vorbittert heft ghesecht, he myt vnseme vorredere vnde deme viande des cruces christi nicht dachte handelen, welkere doch Doctor oldendorp sampt den anderen des apostate anhange hebben gedudet, he hebbe sy vor vorredere vnde des cruces christi viande gheschulden, worumme se ehne darnamals gefraget, heft syk vor velen tugen sodanes togedachtes entfriget, Doch is ähr motwille nicht gestillet, men hebben vamme Dinxtedage misericordia domini vns de stadt vorbaden, der wy noch nicht mogen bruken, wo I. ff. g. vth ingelechter copie bokundiget wert. So denne I. ff. g. wet vnse gelege de stadt imme middele vnser gudere gelegen, vnde wy ok dachliche notroft dar vth hebben, is vns sodane

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myt groteme schaden, dat uns doch wedder godt vnde dat hillige recht gheschut, Worumme, g. h., bydde wy in iegenwerdigen unseme boswer I. ff. g. mylden rat vnde hulpe, dar vor wy uns to rechte vorbeden oppe stede vnde tydt, vns I. ff. g. vorteken gefallet, Willen doch vorschreuen nycht clegerwys. I. ff. g. borichtet, Dat wy in dessen verliken tyden se nycht wydere iegen vns erwekken, men vmme vortrostinge willen, der wy vns van I. ff. demodich touorsen. Wes I. ff. g. hyr ane vns armen broderen vth furstliker myldicheyt vns tome besten geneget, bydde wy I. ff. g. gnedige Antogent, de wy deme almechtigen gade ewich bouelen In seligeme, heylsamme vnde langeme regimente lande vnde stedere. Datum Marien E, amme dage Ascensionis domini, Anno etc. . XXXII.

I. f. g.

Arme vnderdenige capellane             
broder Marquardus prior vnde
gantze connent to MarienE.   

Deme Durluchtigen, Hochgebaren Ffursten vnde Heren, Heren Henrike, Hertigen to Mekelenburch, ffursten to Wenden, grauen to Sweryn, der lande Stargarde vnde Rostock here,

vnseme g. h.

demodich vnde onderdenich.     

Durchluchtige, H oe chgebaren ffurste vnde Here, g. h. Wy armen brodere I. ff. g. onderdenige werden ok gefordert van etliken sik commissarien antogen, vnsers vorlopen broders, laten vns doch der wegen nicht erren, gut weten dragen, I. ff. g. wert vnuorbrekklik ffurstlike vorsekeringe dorch I. ff. g. vnde hochleuiger Dechtnisse heren vorolderenn bewaren, schikken ok to merer vorkleringe der saken Auermals an I. ff. g. copiam ffurstliker vorsegelinge, vnseme closter gh ee schen, sampt der hantschrift, vormelter Apostata I. ff. g. wedderumme muste gheuen, Willen I. ff. g. darmit demodich vnde dorch godt gebeden, vns vor onrecht vnde anenal beschermen, wo I. ff. g. wente herto gnedich gedan, dat wy mogen fredesam deme almechtigen gade dhenen, Deme wy I. ff. g. ewich bouelen.

Nach dem wahrscheinlich ganz von der Hand des Priors Marquard Behr geschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit dem Siegel des Klosters Ma=

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rienehe. Der "dinxtedagMisericordia domini" ist der Dienstag vor Misericordia oder nach Quasimodogeniti, da am letztern Tage (9. April) den Karthäusern die Stadt verboten ward.


Nr. 6.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg befiehlt dem Rath der Stadt Rostock, das Verbot der Stadt gegen die Karthäuser zu Marienehe wieder aufzuheben.

D. d. Schwerin. 1532. Mai 23.

An die von Rotstock.

Vnsern gunstigen grus zcuuor. Ersamen, lieben getrewen. Wiewol vnser lieber andechtiger der prior vnsers Carthausklosters zcu marienehe sich der wort, der sich etzliche der Ewern beswert sollen haben, kegen ons, auch als wir berich wurden, Sampt den Conuent darselbst kegen euch der gestalt entschuldigt, das er Nymands domit gemeynt, den alleyne Hans Prangen, vnd ßo er denne Nymands gnant vnd Prange als Ir widerpart dar zcu entkegen gewest vnd vormutlich, das er Ine, wie sie anczeigen, domit gemeynt, vnd die deutung solcher wort derwegen pillich bey Ime stehet, Szo hetten wir wol fur pillich vnd zciemlich geacht, das dieselben armen geistlichen leuthe dar vbir nicht ferrer angeczogen, Noch beswert hetten sollen werden, den wo wir auch erinnert weren wurden, wie villeicht euch vnd etzlichen den ewern vnuorborgen gewesen und vnuorhalten blieben, das die gebrechen zcwischen Ine den Carteusern vnd gemeltem prangen durch vnsern vater selgen, vns vnd andere derzceit furnehemste rethe Inhalts offgerichter briffe vnd Sigel vnd Prangens gesworner orphede vor vielen langen Jaren ßo statlich entlich vortragen, Szo were ane not vnd auch synem geswornen eyd zcuentkegen, Ime solche Commission, mit vorswigung der warheit hinderlistiglich ansbracht, mitzcuteilen, adir volgends Einiche handelung daroff furzcunehmen, vnd besser vnd fuglicher gewest, noch erkundung des handels prangen von solchem synem Meynedischen, mutwilligen vnd onpillichen furnhemen zcu wisen vnd vns gelegenheit der sachen zcu berichten, den das dor vff gedrungen hett sollen werden, das Ir denselben armen geistlichen leuthen und den Iren onbedechtiger vnd vnpillicher weise, die Euch,

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Noch den Ewern, op Ir sie worober zcu belangen hett, des rechten, dar hin wir Ir mechtig, Nie vorgewesen, vnser Stat zcu rotstok, wie alleyne mistetern zcu geschen pflegt, zcu uorbieten; begern derhalben gutlich, wollet solche mutwillig vorbott abstellen vnd ßie Noch den Iren wider recht mit der that Nicht beleidigen lassen, Dor ane geschiet Neben der pillikeit vnser zcuuorlessige mehnung In gnaden widervmb zu bedencken. Datum Swerin, Donnerstags nach dem pfingstage, Anno etc. . XXXlI.

Nach dem Concepte von des Canzlers Caspar von Schöneich Hand im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


D. d. Marienehe. 1499. April 21.

Ik broder Hans Pranghe, conuerse des huses vnde carthuß Marigenee by Rostock bokenne vnde botughe apenbare vor allen, de dussen breff seen, lesen edder horen, dat ick nha ordeninghe, lude vnde inholde der regulen, diffinicien vnde statute des vorgescreuen mynes ordens vnde gadeshuses vmme ithliker merkliken auertredinghe vnde ghebreke byn sunder hat efte vorfolghinge, auer nha mynem vordenste, myt rechte, myt wetenth, bolefinge vnde vorhetent der werdighen vnde innigen oeders vnde heren prior vnde gantzer sammelinghe ghemelten closter Marienee angetastet vnde in eren carcer, hechte vnde flote gesettet vnde darinne betteher vorwarth vnde venckliken entholden, vnde wowol ick, wo vorscreuen, nycht vordenet hadde, my gnade tho bowysen, auer ßo de dorluchtigen , hochghebaren fursten vnde heren heren Magnus vnde Baltasar, gebrodern, hertoghen tho Mekelenborch, ffursten tho Wenden, greuen tho Swerin, Rostock vnde Stargarde etc. . der lande heren, tho beterynge mynes leuendes vmme gades willen, vor my an de auersten vorscreuen mynes ordens, ock gemelten oeders des vorghescreuen closters Marienee vor my, dat ick mochte vorloset werden vnde manck den anderen connersen tho beteringe mynes leuendes komen, b ee tlick gescreuen vnde dat beste darby tho donde angeholden, hebben gemelten ouersten vnses ordens vpgemelten prior vnde gantzen sammelinghe des huses Mariennee vmme byddent der vorscreuenen myner gnedyghen heren van Mekelenborch vorgunnet, angerumet vnde tholaten, dat ße my mogen wedder othlaten, ßo verne ick en wille lauen beterynge mynes leuendes, vnde vp sulke wo vorscreuen myne fenclike set=

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tinghe vnde entholdent, so my doch myt rechte boschen, nicht willens wes vorthonemende, vnde in de carthus by Stettyn bolegen my geuen , dar so lange in tho blyuen, dat yck wedderumme geesget werde, vnde de gedachten myne gnedyghen heren myd sampt erer gnaden redere, den werdygen, gestrengen vnde duchtighen heren Johan Tun, deken tho Gustrow, er Hynrick van der Lue, ritter, Dideryck vnde Ffrederyck, broder, geheten Vereggen, sulke alle dorch my vaste vnde onuorbraken tho holden, myd vnde vor my lauen vnde vorsegelen wolden, vnde ßo den myne gnedighen heren vnde erer gnaden vorscreuen werdyghen redere sulkens vmme gades willen vnde beteringe mynes leuendes tho donde geneget vnde willens, laue yck broder Hans Prange vorscreuen by mynen eren vnde trwen vnde obedientien vnde hebbe ock dat alle vnde gans, stede vnde onuorbraken tho holden myd opghehauenen vingheren stauedes eedes wyse liffliken tho gade vnde synen hilghen geswaren, laue vnde swere iegenwardigh in craft dusses breues bekennende, dat yck, wo vorscreuen, vmme myner auertredinge willen byn angegrepen, in den carcer gessettet vnde venckliken dar in itliken iar myt rechte enthho1den, vnde will tho nenen tyden vnde nummermer in myner egenen personen, dorch myne frunde edder fromede, gebaren edder ongebaren, myt geysliken edder wertliken vp sulke myne vorscreuene settynge vnde entholdinghe ieghen gemelten gadeshuse Marienee, iegen de personen dar nu inne edder de dar noch in kamen werden, ere lude, ere guder vnde erer lude guder, wechlik vnde onbewechlik, vnde alle wes en thokumpt edder in thokamenden tyden thokamen mach, edder iegen andere gadeshuse des suluen ordens wes vornemen, handelen edder doen, vornemen, handelen vnde don laten, hemelick edder apenbar, sunder alle geuerde, argelist vnde behelp geyslikes edder wertlikes rechtes, vnde hebbe vp sulke vorscreuen myne bokantnisse, lauent vnde swerent de vorgescreuen myne gnedyghen heren vnde den hochgebaren fursten vnde heren, heren Hinriken, hertogen tho Mekelenborch, fursten tho Wenden, grauen tho Swerin, Rostock vnde Stargarde etc. . der lande heren, mynes vorscreuen gnedighen heren hertoch Magnus sone, minen gnedighen heren vnde erer gnade vorgescreuen werdighen redere, vmme gades willen demodighen biddende angefallen, vor my tho lauen, dat ick alle articlen, puncte vnde stucke vorscreuen vnde eynen yderen by sick, ßo wo vorscreuen, scall vnde wil, wil vnde scall deger, vaste, gans vnde onuordraten, sunder geferde, argelist vnde bohelp stedes holden, vnde des alle to eyner unuergenkliken witscop vnde ewige vorsekerynge ere

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segell myd my vor dussen breff tho hangen. vnde wie Magnus, Baltasar, Hinrick vorgescreuen, ock wy here Johan Tun, er Hinrick van der Lue, Dirick vnde Frederick Beregge, hebben myt sampt vnsen gnedigen heren vor alle artikell, stucke vnde puncte vnde eynen yslyken by sick, wo vorscreuen, gelaneth vnd lauen iegenwardych sunder alle geferde vnde list in craft vnde macht dusses breues. Wer it ock, dar god vor sy, vorgescreuen broder Hans alle artikel, puncte vnde stucke ßo nycht, wo vorgescreuen, worde holden, ßo hebben wy fursten bauenscreuen vnde wy her Johan Tun, er Hinrick van der Lue, Dyderyck vnde Frederyck Bereggen vns vorwilliget, gnanten broder Hans vnde suß alsweme, de vmme dusser vorscreuenen sake willen wes vornemen, handelen edder doen worde, in vnsen edder anderen heren landen vnde furstendomen vnde sus wor men ene edder de vth voresken kan, anthotasten vnde dar furder, wo recht, mede oaren vnde ock vor schaden gesecht. vnde des tho orkunde hebben wy fursten bauengescreuen vnsers eyn segell, des wy alle vnde besunder hyr nu tho bruken, vnde wy her Johann Tun, er Hinrick van der Lue, Dyderyck vnde Frederyck Bereggen myd vnsen weten vnde willen vnse segel nedden an dussen breff hengen heten vnde gehanget. Ghegeuen vnde gescreuen in der carthus Marienee vor Rostock, amme iare nha Christi gebort dusent vierhundert amme negen undenegentigesteme iare, amme drudden sundaghe nha Pasken Jubilate.

Auscultata et collacionata est presens copia per me f. Henricum Gramekouw, sacra apostolica et imperiali auctoritatibus notarium publicum, que cum suo origenali concordat de verbo ad verbum, quod hac mea attestor manu propria.

Nach einer beglaubigten Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Auf der Rückseite steht von des Canzlers Caspar von Schöneich Hand:

31 Nicolai
bruder hans prangen
Cartheusers orphede.

Also hatte Prange wohl schon am 6. December (Nicolai) 1531 die Urfehde gebrochen, da diese an diesem Tage in beglaubigter Abschrift dem Canzler vorgelegt ward.


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Nr. 7

Der Prior Marquard Behr zu Marienehe ladet den Burgemeister Bernd Kron und die Rathmänner Heinrich Gülzow und Marcus Luskow nach Marienehe zur Ueberlegung des Bestens des Klosters.

D. d. Marienehe. 1534. Julii 14.

Myn beth tho godt almechtich sampt steden, willigen densten i. er. boredt touornn. Ersame, wohlwise heren vnnd gude frunde. I. Er. gudtlike andragent bosweringe haluen eynen Ersamen rädt dis closters wegen van erhen mytbor gernn der tidt hebbe ick flytich bohertziget, ok guden wan vnnd gunst van langen tyden, de stadt to vns ghehat, nycht trachlik bedacht hebbe, darbeneuenst dat suluige myt etliken myner oldesten anergelecht, wes ouers vnse wolmeninge vnnd touersicht tho eyneme Ersamen rade sy, duchte vns nycht fuchlyk dorch schryfte vormelden, worumme is vnse demudige vnnd fruntlike bede, gy samptlyk efte etlyke sick wyllnen an vns alhyr vorfugen, vnd wes wy der stadt vnnd deme closter tome besten bedacht syn, iegenwerdich gudtlyk anhoren. Dat wyl ik sampt mynen brodernn an den Ersamenn radt sampt der stadt vngespartes flytes nach armen vormogen gerne vorschulden. Gade allmechtich ewich befalen. Datum Marienee, Dinxtedages nach Margarete, anno etc. . XXXIIII.

I. Er.                                               
gudtwilliger broder Marquardus,
prior to Marienee.          

Denn Ersammen w[olwisen heren] Bernd Kron, burgermeister, vnnd ernn Henrik Gultzouwen vnnd magistro Marco Luscouwen, ratmannen der stadt Rostock, mynen gunstigen heren vnnd frunden samptlyk efte sunderlik

denstlik.     

Nach dem in heutiger Briefform gefaltetem Originale, auf Papier, im Archive der Stadt Rostock. Das kleine runde Oblatensiegel des Priors Marquard Behr hat ein m und die Gestalt des hier eingefügten Holzschnittes

Holzschnitt

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Nr. 8.

Christoph von Bülow leihet von dem Karthäuser=Prior Marquard Behr zu Marienehe, seinem Oheim, 50 Gulden gegen Verschreibung und Bürgschaft.

D. d. 1550. Mai 1.

Ich Christoffel van Bulow erffgeseten tho Rensow bokenn vor mi vnnd myne eruen vnnd sus edermennichlichen, de dessen breff syn edder horen lesen, dat ich witlinger vnnd bokentlicher schult schuldich vnnd plichtich byn midth minen rechten eruen den eruerdigen heren, her Marquardt Ber, prior tho der Kartuß, mynen fruntliken leuen om, edder synen Nakommelinge vefftich gulden an munthe, alse im lande tho Mekelenborck besth genge vnnd geue synnt, de he mi an eyn summen rede thogetellet vnnd gedan hefft vnnd ich tor Noege entfangen hebbe verdt vnnd mi vnnd miner eruen nutte vnnd framen geuendet hebbe. Disse vefftich gulden schall vnnd will ich Christoffel van Bulow edder myne eruen her Marquardt Ber edder syne nakummelinge bi minen eren vnnd truen vnnd guden gelouen vp thokamende omeslag, wen men schriuen verdt den veniger tall eyu vnnd vefftich, an allen synen hinder vnnd schaden danbarlich veddergeuen. So hebbe ich Christoffel van Bulow angefellen vnnd gebeden de erbaren vnnd duchtigen vor mi vnnd mine eruen to lauende, alse Berendt van Lesten erffgeseten to Gottinn vnnd Achim Bassewisse erffgeseten to Hogen Lukow, vi borgen vorge [screuen)lauen in (crafft) disses breffes [vnnd) mit ener angesegeden handt (in gude) gelouen stedes vnnd vasth to holden. Effte in der botallinge [summet) vorde, eyn islich borge man eynen tho huse vnnd haue tho soekende midt schrifften edder midt muntliken baden, Wen sodanne vormannunge geschen is, so schal de samende handt mit alleme rechten veruolget ßin, vnnd vnser eyn vp den andern nicht tho wisende, den van stundt an dar noeafftig pande, Vorlangen der Her Marquardt Ber edder syme nakomelinge sym gelt mede bokemen mach, tho vorsettende vor em bouellich is vor den summen, vnd noemen borgen loseh syn schallen, sunder de erste penninck si midt den lesten botallet vnd vornoeget. So in dissen breue etueß vorsummet vere in dichtende edder in schriuende edder hoelle krege, insegel tobreken edder vnnredt dar tho queme, dat schal vnns van beiden parthen nennen schaden edder framen geuen. Woll dissen breff [hefft] midt her Marquardt Ber edder synne nakommelinge willen, schal he em so bohulpelich syn, iffte he em van worden vnd tho geschreuen edder van

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namen tho namen. Alle disse vorgeschreuen artikel vnd punct vnde stukke laue ich Christoffel van Bulow vorgeschreuen im guden gelouen, stede vnd vaste, sunder yenniger nifundent, hulpe rede, quadt geferde, wen dat nennen mach, woll tho holdende. Dis tho groteren gelouen der varheidt ßo hebbe ich Christoffel van Bulow wes vorgeschreuen vor mi vnd minen eruen myn angebaren midt mynen medlaueren midt willen vnd widtschappe hengen hethen vor dissen mynen apen breff, gegeuen vnd geschreuen nach Christi gebordt dusent viffhundert dar na in dem en dem vefftigen iare, Philippi vnd Jacobi dage.

Nach dem schwer zu lesenden und flüchtig geschriebenen Originale, auf Papier, in Cursiv, im Archive der Stadt Rostock. Bei gedruckt sind 3 unkenntlich gewordene, aufgedruckte Siegel. Die auf der letzten Rückseite durch Rostflecke unkenntlich gewordenen Stellen sind durch Conjecturen in [ ] ergänzt.


Nr. 9.

Der Burgemeister Christoph Lorber und der Bürger Olof Lorber zu Stralsund und ihre Erben empfangen von der Karthause Marienehe für die vielen derselben geleisteten Dienste 200 Gulden, die sie dem Kloster schuldig sind, für den Fall der Aufhebung des Klosters geschenkt, unter der Bedingung, daß sie die Zinsen mit 9 Mark an die Klosterbrüder bezahlen, so lange noch welche am Leben sind, nach deren Tode aber zwei Drittheile der Zinsen zu milden Zwecken verwenden, ein Drittheil aber für sich behalten sollen.

D. d. Stralsund. 1550. Junii 16.

Wy Christoffer Lorber Burgermeister vnnd Oloff Lorber Borger vnnd Oldermann der Wantsnider binnen Strallßunde, vor vns vnde vnße eruen, bekennen vnd betugen vor idermennichlich, de dissen breff sehen edder horen leßen, Dat wy entfangen hebben van dem Erbaren werdigenn vnd Andechtigen heren Marquardo Bheren, priore, Christiano Westhoff, Schaffer, vnnd dem gantzen Conuent des Closters Carthußer Ordens Marienehe vor Rostock blegen twe vorzegelde weddeschattes breue, Alße nemblich einen weddeschattes breiff ludende vp ein hundert gulden munthe vnd vehr gulden ierliker renthe

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my Christoffer Lorberen, Bund den anderen weddeschattes breiff ock vp einhundert gulden munthe vnd ierlich viff gulden renthe, samptlich sundescher vnd Rostogker werunge, my vpgemelten Oloff Lorberen angande vnd belangede, Die wy dem vpgemelten priori vnd Conuent opberordes Closters iarlich vp Michaelis vnd Martini tho geuende vnde tho entrichtende vns vorschreuen, ock dancklick bethaldt hebben, Wo wy denne ok henfurder vp nafolgenden boscheydt edder ßo lange wy die opgemelten houetsummen nicht affloßen, ock noch gerne dhoen scholen vnd willen, Auer vmme mennigerlei truwe deinste, moye, vlydt, arbeidt vnd sorge willen, ßo wy in dissen geschwinden tyden erholdinge vnd vordegedingehaluen der vorgemelten Cartußere, ehrer gudere, herlichheit, eigendom vnd gerechticheit angewandt vnd gedhan, vnd noch vordan, so uele vnnß iumermer mogelich, mit allem flite gerne dhon wollen, Szo hebben ße bauen die bedingede vnd vorgande wedderloßinge der vorberurden twyer hundert gulden, wen vns dat gefelt vnd euen kumpt, sick mit vns der opgemelten twyer hundert gulden houetsummen vnd ierlichen renthe haluen, wo vorsteit, vpt Nyge frintlich ingelaten, vordragen, nhagegeuen vnd bowilliget, Dergestalt, wo edt sick thodrege, dat sie der Cartußere vnde der ßuluigen tho Marienehe ingekledten perzonen vnd professen vth ereme Closter Marienehe vordreuen vnd ilgen anderen erhliken Ordenn sick entholden musten, Dat wy ehnn denne edder dewyle der opgemelten perßonen, ßouerne die sick christlich, erlich vnd opprechtigh holden, einer im leuende is, alle iar van den twen hundert gulden houetsummen die vorgeschreuen renthe , nemblichen in suma iarlich IX gulden renthe ehrlich vnd oprichtigh scholen vnd willen entrichten. Im vhall auer vnd ßo dat Closter Marienehe abstrahirt vnd disse opgemelte Cartußer vnde des Closters itzige professen darinne lenger nicht ßin, noch anders wor, wo ehrgemelt, sick entholden, edder keyner van ehn mehr im leuende syn wurde, alßdanne scholen opgemelte houetsummen by vns Christoffer vnd Olef Lorberen vnd vnße eruen edder erffnhamen bliuen, Sunder mit den gemelten renthen vor die twehundert gulden schal edt tho ewigen dagen darnamals alßo geholden werden, Nemblich dat wy edder vnse eruen effte erffnhamen scholen vnd willen ein part edder ein deill van den vorberurden renthen keren, geuen vnd wendhen tho utsturinge vnd beradinge armen iunckfrowen, Item dat ander deill edder anpart tho wande, scho vnde anderer notroff rechten arme notrofftigen lude dar myth tho kleydende, Bund dat drudde deill vann sulchen ierlichen renthen

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schall by vnns Christoffer vnd Olef Lorberen vnd vnßen eruen edder erffnhamen vmme vnßer menniggefoldigen truwen deinst vnd woldat willen tho ounßem nut vnd profyt bliuen vnd inne beholden werdhen, Wo vns denne gemelte Prior vnd Conuent ßodans gelauet vnd thogesecht hebben, Bunde des alles tho so uele mehr vorßekeringe neuen ounsen ingeßegelen ock des Closters Marienehe segel mit tostellinge vnßer breue hyran hangen laten, Bund den wy disses tho tuchenisse vnd Orkundhe dissen breiff mit vnßerem angebarnen Pitzerenn oder ingeßegelen vor vns vnße eruen vnd erffnhamen ock vorßegelen laten hebben. Gegeuen vnd geschreuen thom Strallßunde, in denn iaren vnßers heren Jhesu Christi gebort Dusent viffhundert vnde vefftich, am Sosteinden dage des Mantes Juny.

Nach dem Originale, auf Pergament, im Stadtarchive zu Rostock. Angehängt sind an Pergamentstreifen 3 runde Siegel, mit eingelegten grünen Platten, nämlich

1) das große Siegel der Karthause Marienehe, mit dem gekrönten Standbilde der Maria, das Christkind im Arm, und der Umschrift:

Umschrift

2) das des stralsunder Burgemeisters Christoph Lorber, wie es zur Urkunde vom 5. Mai 1528 beschrieben ist.

3) das des Olav Lorber, mit dem Wappenschilde des Christoph Lorber und mit der Umschrift:

OLEF LORBER.

Nr. 10.

Der Karthäuser=Prior Marquard Behr von Marienehe bittet den Rath der Stadt Lüneburg um Zahlung der fälligen Zinsen und Sülzpächte der Karthause.

D.d. Rostock. 1552. October 1.

Minn gebed tho God Almechtig, mit Armenn willigenn deinsten stetz thouornn etc. . Erbare, Weise herrn vnd guden frunnde. Id werdenn vngetwinelt vth ingebrachtem berichte der Burgermeistere I. E. W. to berichtenn vnd sick to erinnernde wetenn, welcker gestalt ick vnlangest vann wegenn der bodageden Renthe vnd boringe, de vnse Gadeßhuß vnd Closter tho achtenn iß, by I. E. W. vnd vann der Sulten forderinge gedann hebbe, Ock wes my darop bauenn alle thouorsicht thor Andtword gegeuenn, Bnangesehenn datt ick inn dißenn swin =

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denn tidenn inn eigener persone mitt groten vnkostenn, Ock vahr mines lines myn ahnn I. E. W. verfuget hebbe, effte nu I. E. W. my gegeuene Andtwordt vor Gade vnd dem hilligenn Rechte mach gelden, iß nicht miner kleinheitt to richtenn. Nachdem der Stadholder breue ludenn: de Carthuß sy der herrn vann Meckelenborg, de dar nicht ein vott mall tho gegeuen, item der guder thor oniuersiteten applicerenn, worumb syn de denne auer de Ampte, den sie negest gelegenn, parteret? Leuenn herrn, wenn dar de gude wille by geweset, wo lichtlig konde gy sodans vorlecht, wile gy onder denn herrn to Meckelenborg nicht geseten, vnd inn weinig vorschenenn tidenn iuwenn egenen Landeßherrn wedder God vnd datt gemeine beste richt hebbenn inn sodanen ofte der gelikenn willenn wilferdigenn. vnd de wile ick nu nochmalß der trostlichenn vorhopeninge, I. E. W midler tid sick inn denn anders bedacht, Ock erer vorschriuinge, darinne allerleie Erceptionn vnd othflucht buthenn boscheiden, Ock erher predeceßorenn vnd vorveder erempell vnd vorganck vnd dersuluigen Erbar vnd ernstliche thoholdinge, Ock wes ehr vnd willenn I. E. W. kindernn, verwantenn vnd geschickeden hir ertzeiget, Ock henfurder, nicht angemercket my inn iungstenn beiengender ondanckbarheitt, moge mitt gedelett werdenn, darboneffenst merckliche framen vnd fordell vann dißes Closters summen by I. E. W. bolecht so oele iahr bekommen, de wy vmb iegenwardiger vnd der gelikenn befaringe buthenn landes boleuet vnd hir ock mitt rechtmetigenn vormeringen hedden bestedigenn konenn, So bidde ick frundlich vp negest vorschenenn Paschenn vmb bedagede Renthe, dartho ick vann wegenn des Gadeshußes borechtiget, Ock vann der Sultenn vnse dell opkumpst nu dorch I. E. W. behindertt by egener bodeschopp vnd vnkostenn thoschicken, alß de ehrleuende vnd de ehre segell vnd breue by macht tho holdenn gedencken. Dat ock der quietantien haluenn I. E. W. sodane borlike entrichtinge nicht dorft othflicht nemenn, hebbe ick desuluenn by minem werdten Lutkenn Schroder gelathen, vthnemblick der hundert vnd vif mr. vp negest vorleden Michaelis bedagett, de ick hir mitt auersende. vnd so I. E. W. sodans tho donde nochmalß nicht bedacht werenn, alßdenne my sulchs wedderomb by iegennwardigenn tho schriuenn, darmyt ick mine sake dar nach tho richten hebbe, denn inn dem Falle moste ick sulckens tho gelegener tid der hogenn auerigheitt, ock miner frundschop k1agenn vnd borichtenn lathenn, vnd in dißem minem vnd des Gadeshußes bedrucke dersuluigen rad, forderunge vnd hulpe soken vnd biddenn. vnd bynn dennoch der trost=

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lichenn vorhapeninge, I. E. W. werd id dar henne nicht kamenn latenn vnd mi mitt rechtmetiger andtwordt beiegenn, dartho ick my will vorlathenn, vnd bynn solchs vmb I. E. W. tho nor denende willig vnd ieneget. Gade Almechtig ewich befalenn. Datum Rostock, sunnauendes nha Michaelis archangeli, anno LII.

I. E. W.                       
                          willige

Bruder Marquardus Bere,
prior der Carthuß tho     
Marienehe by Rostock.  

Den Erbarnn, Vorsichtigenn vnd Wolwisenn hernn Burgermeistern vnd Rathmannen der Stadt Luneburg, minen getruedenn, grotgunstigen herrn deinstlig.

Nach einer Abschrift, auf Papier, im Archive der Stadt Rostock.


Nr. 11.

Prior und Schaffer des Klosters Marieneheprotestiren vor Notar und Zeugen gegen die Einziehung des Klosters, fordern die Wiederherausgabe desselben und stellen sich unter den Schutz des Kaisers und des Reichskammergerichts.

D. d. Rostock. 1552. December 15 und 16.

In dem Namen des Hern Amen. Innt iaer na Gades gebortt dusent vyffhundertt twe vnnd vefftich, inn der teynden Indiction, die mhen nenneth denn Rhomer talle, donnerdages, dede was die vyffteinde dach deß mantes Decembris, Regerunge des Allerdurchleuchtigestenn, Grothmechtigesteun vnnd onnauerwintlickestenn Furstenn vnnd Herrn Herrn Caroli deß vyfften Rhomyschenn Keysers, allertydtt mherer des Rychs etc. ., inn syme drey vnnd druttigestenn iaere, inn myner hyr vnnder geschreuenen Notarii vnnde tugenn dartho geheyschett vnnde geropenn iegennwerdicheitt is erschenenn die Werdige vnnd Andechtige Her Marquardus Bere, Prior der Carthuß tho Marienehee vor Rostock belegenn, Swerynnssches Styffts, im bywesende des Werdigenn vnnde Andechtigenn Herrn Christiani Westhoffs, Procuratoris edder Schaffers dersuluen Carthuß, vnnd des Werdigenn vnnd Wolgelerdenn herrnn Josephi Monnsters der Rechte Doctoren, neuen der Erbaren vnnd Erenntuestenn Syuerth Dechouwen, Geuerth Moltkenn, Gerdt vnnd Joachim gebrodern die Berenn genomt, Jurgen

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vnnde Chrystoffer gebroderenn vann der Lue genomt, Joachim Lußkauwenn vnnd Bernndt Kronns, Burgern vnnd in wanrenn der Stadt Rostock, ßiner besibtenn fruntschop, vnnde hefft hoges clagenndes helle luder stemmen vth beswerunge sines gemoetes mitt othgetinge der tranenn vorgedragenn: Wie dath he nu bauenn die Souenn vnnd twintich iare were durch gades othvorsehunge tho eynem Priore der bemelten Carthus to Marienehe erwelt vnnd geckarenn, hadde ock, ahne allenn Rhom to seggende, diesulue Carthus vnnd brodere inn allenn gadesdennste, religion vnnd nottrofft vorgesehen, datt he vor gade Allmechtigenn, dar tho idermennichlich wolde bekannt synn, vnnd keymannth scholde edder mochte iennige beklagunge auer ene vorbryungenn, vnnd also rewlick ahne ienige Perturbation deß gedachtenn Closters vnnd syner thobehoringe gesetenn vnnd die Prescription gebruchett hadde ock vorschenen iaren vann Hochgedachten Keyserlichen Majestatt vnnd Hernn Caroli des vefften Romesschen Keysers, onnsers Aldergnedigstenn Herrn, eyn offenntlich Priuilegium Salui Conductus mitt annhangendem seiner Maiestatt Segele, dath inn sinen henden vnnd aldar offentlich lesenn leth, gnetlich bekamenn, darynne ene, sine mithbrodere vnnd die Carthus to Marienehe sampt alle siner tobehoringe vor alle gewalt vnd onrechtt idermennichlich hogeß vnnd neddergen standeß beth tho erkenntniße des Rechten genamen, Dath sulue Keyserliche Maiestatts Priuilegium hadde ock idermennichlich, dar idt nottrufftich, vnnd besunnderlich denn Durchleuchtigen Hochgebarenn Furstenn vnnd hernn hern Heinrichen vnnd Hernn Albrechtenn weylandt hochloflicker dechtnuße neuenn erenn furstlichenn gnadenn Herenn Kynndern, itz be sitteren deß Lanndes, Herrn Johanns Albrechtenn vnnd Hern Vlrichen, gebroderenn, Hertogenn tho Meckelnnborch, Furstenn tho Wenden, Grauen to Sweryn, Rostock vnnd Stargarde der Lannde Herrn, myth Alderonderdeinicheitt neuen offentlichenn ausculterden Copien tho geschickett , vnnd dath violenter vth bemeltem syme Closter sampt alle sinenn brodernn, darounder olde bedagede menrhe, enntsettet vnnd gar erbarmlich deß erenn berouett, spoliert vnnd inn datt exilium voriagett worden, Darvann he erstlich wolde offentlich protestert, darna Gade Almechtigenn, der hogenn verordenten Auericheitt Keyserlicher Maiestatt vnnd alle syner fruntschopp geclagett hebben, vnnd wolde noch thom lestenn vnnd thor auerfluth my gedachten Apenbarenn Schriuer vnnde Notarium, inn iegenwerdicheit onnderschreuen tuge, inn bywesende vorbemelten Statlichenn

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frundtschopp vnnd verwantenn, mit gedachtem priuilegio salui conductus Keyserlicher Maiestatt offentlich requireret hebbenn, ick datsulue bemelte Hochgebarenn Furstenn vnnd Hernn Hernn Hinrichen Hertogenn to Meckelnnborch etc. . vor sick, sine eruenn vnnd nakamelinge tho ewigenn tydenn gnetlich gegeuenn, welchere de dato Anno Domini dusent viffhundertt vnnde Souenn vnnd druttich, Noch eynen Breff Fundationis bemelten Closters deß Erbarnn vnnd vorsichtigenn Hern Winolt Baggelenn, ethwan Burgermestere to Rostock, vnnd Mathias vann Bercken, Burgere darsuluest, de dato Anno dusent drehunderth vnnde soß vnnd negenntich, Noch einen wilbreff vp die melten Fundation des Durchleuchtigenn, Hochgebarenn Furstenn vnnd Hern Herrn Albrechten, der Swedenn vnnde Gottenn Konninnge vnnd Hertogen to Meckelenborch, de dato Anno dusennt dreehundertt soß onn negentich, Noch eynen wilbreff vnnd Confirmationis des Erwerdigenn inn Godt Vaders vnnd Durchleuchtigenn Hochgebarenn Furstenn vnnd Hernn Hern Rodolphi, Bischofs des Styffts tho Sweryn vnnd Fursten to Meckelnnborch, de dato Anno dusent drehunndertt vnnd soß vnnd negenntich, Dardurch proberen vnnd bewisen wolde, bemelten hernn vann Meckelenborch ann gedachtem Closter gar keine gerechticheitt hedden, intimeren vnnd insinuieren wolde, mit vorrechunge auscultereden copien dersuluen, Mitt fltiger vnnder richtinge vnd Vermanunge, ere furstlichenn gnaden mochten ene vnnde de synenn weddere restitueren vnnd to erer rouwsamenn Possession wedder kamen latenn, vnnd bauen ere ge rechticheitt nine gewalt edder violencie ane erkenntniße des Rechtenn thofogenn wolde etc. ., Demnha hebbe ick bemelte Notarius alse gehorsame der hogenn ouericheytt noch tho donnde myme steueden ede die bemelten jura an my genamenn, vnnd velgedachten Hochgebaren Furstenn vnnd Hern Herrn Johanns Albrechten Hertogenn tho Meckelnborch, die to der tydt binnen Rostock mitt dem Erbarn vnd vorsichtigen Herrn Gottschalte Hoppennstanngenn Radt manne to Rostock thor herberg lach, inn bywesennde onnderschreuenn tuge vnd fruntschopp onnderdenichlich besochtt. Dewile denne by syner gnaden nyn gehoer erlanngen konnden, syn wy vth beuell syner furstlichenn gnadenn vorwysett wordenn beth deß annderen dages tho souenn slegenn; folgenden dages auere, welchere was die sesteinde dach Maentes Decembris iegennwerdigenn iaers twe vnnde vefftich bin ick neuen minen tugen vnnd der fruntschopp vth furstlichenn gnaden beuell darsuluest weddere erschenenn

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vnnde innstendige vnnd flitige forderunge gedaenn, syner furstlichenn gnadenn mochte tho wordenn kamenn vnnd dat warff muntlich berichten. Darupp my vnnd die fruntschop auermals beanntwerdenn leth, he hadde sinem Cantzelere vnde consiliario, deme werdigenn vnnde hochgelerden Hern Johanni Lucka, der Rechte Licentiato, vnnd Hernn Carlo Drackstedenn, der Rechtenn Doctori, duth werff antonemende muntlich beualenn, wes nu vnnse werff, mochtenn den suluenn inn stadt siner furstlichen gnadenn berichtenn. Also vordt hebbe ick velgedachte Notarius inn bywesende der tuge vnnd togebedener fruntschopp bemelten Herrn Cantzeler vnnd Hernn Doctorem Carolum Drackstedenn inn der Cantzelie, so se hadden to Rostock in des Ersamenn Roloff Machenn behusinge, besochtt vnnd darsuluest samptlich tho hope befundenn. So hefft die werdige vnnd Hochgelerde Her Josephus Monsterus, der Rechte Doctor, inn namen bemelten Hernn Marquardi Beren Prioris, inn byweßennde bemelter syner fruntschopp vnd miner Notarii vnnd tugenn, mitt der alderbestenn wyse, mathe vnnd forme, wo he best doen scholde vnd mochte, bemeltenn Hern Johanni Lucka Cantzlere vnnd Carrlo Drackstedenn, consiliario, inn namen forst lickenn gnadenn datt werff, wie vorberort, berichtett, Darbeneuen mitt deme Priuilegio Salui conductus Kayserlicher Maiestatt vnnd anheffteder pene, ock langer Information vnnd vnderrichtunge des Closters eddere Carthus to Marienehee, wie die fundert vnnd priuilegiert, dartho gemeinen oprichtenden Lannthfrede vnnde sunderlich der guldenn bullenn vnd latestenn beslutes vnnd aueschedes des Spirschenn Rickdages de anno vere vnnd vertich durch Keyserliche Maiestatt vnnd stennden des hylligen Romesschen Rychs offentlich bewilligett, sampt inholdenden penenn vnnd verpflichtungen, lofflich vpgerichtett, Des alles offenntliche ausculterde Copien verreichett, solemniter intimeret vnde insinuert inn namen Hochbemelten Furstlichen Gnadenn vann Meckelnnborch Johanns Albrechten etc. ., mith anhefftennder pene Keyserlicher Maiestatt vnnd deß Romesschenn Richs solemniter requireret, instendich forderennde, byddende vnd begerende, darhennbauenn gedachtenn Marquardo Beren Priori der Carthus to Marienehe vnnd synenn broderenn neuen tobehorennden gudernn keyne gewalt mochte thogefoeget werdenn, sunder ene vnnd die synenn weddere tho erer rousam possession vnnd besytt, daruth ahne alle erkennteniße deß Rechtenn weltlich enntsettet, weddere kamen latenn vnnde henfurder keyne violencien, Iniurien vnnde behinderinge wetennlich tofogenn, wennte be=

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melte Prior sampt denn synenn vnnd tobehorenden guderen bogeuesick vnnder beschutt vnnd beschermunge Keyserlicher Maiestatt vnnd deß hilligen Rhomesschenn Riches Hochlofflichen Camergerichte beth tho alle erkenteniße deß Rechtenn etc. . Nach sodaener beredunge, intimerunge, in sinuerunge vnd requisition hebben bemellten Heren Johannes Lucka Cantzeler vnnd Doctor Carolus Drackstede consiliarius die copien berurten Priuilegii Conductus Keyserlicher Maiestatt mitt allere vnderdenicheit sampt allenn anderenn Juribus vnnd Priuilegiis inn namen villgedachtenn furstlichenn gnaden Johannis Albrechtenn Hertzogenn vann Meckelnnborch anngenamenn, desuluen neuen genuchsamer information vnnd vnnderrichtunge erenn furstlichenn gnadenn vpt flitigeste antogeuende vnnd offentlich bericht tho doende. Hyrop hefft vilgedachte here Doctor Josephus Monsterus sampt der vorberurtenn fruntschop namenn vnnd vann wegen vorberurten hern Marquardi Berenn, Prioris der Carthus to Marienehee, inn namen alle sinere brodere, van my hyr vndergeschreuenn Notario eynn eddere mher offentlich boschynn vnd bowiß, so uele ene nodich vnnd behoeff, tho geuende vnnd tho machende instenndich erfordertt vnnd begert, datt ene ampts haluenn vp mine billige belouinnge nicht hebbe wust tho weigerennde. Geschehen to Rostock, darsuluest inn gedachten Roloff Machenn huse belegenn by dem markede, deß auendes tho dreen schlegenn edder darby, innt iaer, indic tion, maente, dage vnnd regerunge, wo bauen berorth, in bywesennde der ersamenn vnd boscheidenn Symone Gribbenitzenn vnnd Carstenn Hoyer, Clerick vnnd Leyen Zwerinssches Styffts, tuge hyrto geheyscht vnnd geropenn.

Vnnde ick, Erasmus Boddeker, Clerick der Stadt vnnd Styfftes Brandenburg, vth Keyserlicher waltt apenbaeer schriuer vnnd Notarius disser vorberurten proposition, beredunge, intimation, insinuation, requisition vnnd protestation, ock allen vnnde islichenn, wie vorberort, byn ann vnnd auere gewesenn, die so gesehen vnd angehort vnnd inn mine notam genamenn, darvth ditt iegenwerdige apennbare innstrumennte durch eynenn anndern getruwenn, Dewile ick ehafftiger sache behafft, geschreuenn, hebbe gemakett vnnde conficiert, dartho mith minem gewantlicken Notariattekenn, Nhamenn vnnd thonamenn beuestett, tho merer orkunde der warheitt hyr tho geeschett, gebedenn vnnd geropenn.

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Nach einer Abschrift aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts, im Archive der Stadt Rostock


Nr. 12.

Marquard Behr Prior und Convent der Karthause Marienehe bestellen den Reichs=Kammergerichts=Procurator und Advocaten Lic. Philipp Seiblin zum Anwalt in dem Processe gegen den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg wegen Herausgabe der Karthause Marienehe beim Reichs=Kammergericht zu Speier.

D. d. 1553. Junii 1.

Wir Marquardt Bheer prior vnnd Conuent des Carthuser Closters bei Rostock Legis Mariae genant Bekennen offentlich hiemit disem brieff, als wir den hochgelerten Philipp Seyblin der Rechten Licentiaten vnd keyserlichen Camergerichts Procuratorn vnd Aduocaten zu onnserm gemeinen anwaldt vnd procurator des keyserlichen Camergerichts, vnns daselbst aller vnnd ieglicher gegenwertiger, auch kunfftiger gerichtlicher sachen gewertig vnd verpflicht zu sein, angenomen vnd bestelt, Das wir demnach ime vnnsern genßlichen, auch volkhomen gewalt vnd macht gegeben vnd beuolhen haben, vbergeben vnd zustellen ime auch den hiemit wissentlich in crafft diß brieffs in der allerbesten form vnnd maß, so wir von recht vnd nach ordnung, auch gewonheit des keyserlichen Cammergerichts thun köndten, solten oder möchten, vnns in allen vnnd ieglichen sachen, so wir ietzt gegenwertig oder kunfftiglich als Cleger oder antwurter haben oder oberkomen möchten, Ann bemeltem keyserlichen Cammergericht vnns zu uertretten vnd zu uolfurn, Clage, Antwurt, gegenclage, ein= vnd gegenrede mundlich oder schrifftlich zu thun, vnnd desgleichen wider vnns zu geschehen, hören, den krieg durch Ja oder Neün zu beuestigen, einen ieglichen zimlichen vnnd geburlichen vnnd in recht ertheilten eidt, vnd nemlich den eidt für geuerde, genannt juramentum Calumniae, inn vnnser sele zu schweren, position vnd articul bey ietztgemeltem oder sonder eidt zu ubergeben darauff zu antwurten begern, Vff vnnser widersachern position vnd articul mit vernichtigung derselbenn zu handlen, vnnd wo noth darzu, wie sich geburt, bey gleichem eidt zu antwurten, alle vnd iegliche notturftige vffhub vnd

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dilationes zu erlangen, kundtschafft, instrumenta, brieff, register vnnd annder geschlecht der beweisung einzulegen, alls vnnser widertheil fürpringen mit kundtschafften vnd in ander weg zu widerfechten, darwider biß zu beschluß der sachen zu handlenn, die zu beschließen, vor= vnnd endtorthl zu bitten vnd zu hören, interesse, costen, schäden, offgehapte nutzung, so vnns mit recht zuertheilt werden, gerichtlich einzulegen, die mit orthl zu messigen begeren, vnnd bei dem eidt inn vnnser seel, was mit recht gemessiget wurdt, zu betheuren, dieselbe in onnserm nhamen zu entpfahen vnnd darumb zu quittiren, zu volstreckung aller vnd ieglicher gesprochner orthln zu hanndlen, vff die executoriales vnd peen fhell darinn verleibt, darzu vff die acht vnnd ander peen das rechtens wider vnnsere gegentheiln , wo die einichenn gebothen oder vrtheiln ongehorsams erscheinen, zu procedieren, einen oder mehr affteranweldt ann sein stat zu setzen vnnd zu substituiren, auch denn gewalt, so offt ime geliebt vnd inen noth bedunckt, widerumb an sich zu nemen vnd von newen zu handlen , Darzu sonst gemeinlich alles anders von onnsertwegen vnd in onnserm nhamen fürzunehmen, darzulegen, zu handlenn, zu thun vnd zu lassenn, das wir selbst handlen, furwenden, thun vnd lassen solten, köndten oder möchten, als ob wir iederzeit des rechtens selbst personlich zugegen weren, vnnd was obgemelter vnnser gemeiner anwaldt, auch annder seine substituirte vnnd affteranwäldt in solchen vnnsern gegenwertigen vnnd kunfftigen sachen eins wegs handlen, thun vnnd lassenn, das ist vnnd soll sein alles vnnser guther will vnnd geheiß. Geloben auch deß alles bey vnnsern guthen eren vnnd trewen stet, vest vnnd onnuerbrochenlich zu halten, auch den gedachten vnnsern gesetzten anwaldt vnnd seine substituirte affteranwelde aller sachen halben, wie recht ist, schadlos zu entheben, vnnd von allen cautionen vnd burden des rechtens zu entheben, alles getreulich vnd vngeuerlich. Des zu warer vrkhundt haben wir vnnsern eigen insigel hier an disen brieff getrucket, der geben ist den ersten tag des monats Junii, nach Christi vnnsers liben herren geburt Thausent funffhundert funffzig vnd drei Jare.

Mandatum procuratorium generale
Der Andechtigen Priors vnd Conuents der Carthusa
bei Rostock, Cl ae gern,
contra
Den Hochgebornen herrn Johan Albrechten Hertzogen
zu Mechelburg etc. ., beclagten.
Prod. Spirae. 18. Decembris. Anno 1553.
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Nach dem Originale, auf Papier, unter den ehemal. Reichs=Kammer=Gerichts=Acten, jetzt in der Registratur des Ober=Appellations=Gerichts zu Rostock befindlich.
Das aufgedruckte Siegel ist das schon beschriebene große Siegel der Carthause Marienehe.


Nr. 13.

Der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg bittet den Herzog von Holstein, ihm die Urkunden des Karthäuserklosters Marienehe welche der flüchtig gewordene und in der Karthause Arensbök jüngst verstorbene Prior Marquard Behr mit dahin genommen, wieder zu verschaffen.

D. d. Schwerin. 1553. October 16.

Vnser freuntlich dinstt. Hochgebornner furstt, freuntlicher, lieber Oheym vnd Schwager. Wir geben E. L. hiemit freuntlicher meynunge zu erkennen,. das wir bedacht, onsere Carthaus zu MarienEhe vnd derselben zugeaegeten gutere zu Christtlichem, mildem brauch vnd furnemlich zu erhaltunge vnser vniversitet zu Rostock zu wenden, vnd dan der prior daselbst in verschienen Jhare fluchtig worden, Siegel vnd brieffe vnd die kleynodia, auch andere des Klosters gutere mitt sich hinweg genhomen vnd sich ein zeyttlang Im kloster Arnßböcke in E. 1. landen enthalten, Alda ehr dan auch, als wir glaubwirdig berichtet, kurtz verschiener Zeyt versturben sein solle, vnd wan wir dan noch geneygt sein, dieselben gutere zu berurter vnser vniversitet zu Rostock anzuwenden vnd derselben entwanten Siegel, brieff vnd anderer gerechtigkeytt zu bemelter Carthaus gehorig darzu von nothen haben, So bitten wir freuntlich E. l. wollen vns zu freuntlichem gefallen vnd mitt befurderunge dieses vnsers Christlichen wercks E. l. verordenten einen gegen der Arnsböke schicken vnd alda besehen vnd Inventiren lassen, was an brieff vnd siegeln, Auch anderer gerechtigkeytt von gemeltem prior verlassen, vnd gegenwertigem vnserm diener vberantwortten vnd zustellen lassen, vnd sich hirin ohne beschwerung guttwillig ehrzeygen, das seint wir vmb E. l. hinwidder freuntlich zu verdienen gantz willigk. Datum Schwerin, den 16. Octobris, Anno LIII. etc. .

Nach dem Concept im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 14.

Klage des Priors und Couvents des Karthäuserklosters Marienehe beim Reichs=Kammergericht gegen den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg auf Herausgabe des eingezogenen Klosters und aller Zugehörungen und Nutzungen desselben.

D. d. Speier. 1554. October 17.

Wolgeborner Romischer kayserlicher Maiestatt Cammerrichter, gnediger her. Inn schwebender rechtfertigung sich haltendt zwischen denn Erwurdigen vnnd andechtigen herrn Prior vnnd Conuents des Carthuser Cloisters bei Rostock clegerun, eins, gegenn vnd wider denn hochgebornenn hern Johann Albrechtenn, hertzog zu Mechelburg etc. ., oder ein iede personn fur Ir. F. G. inn recht wie sich gepurtt oelmechtig erscheinende, beclagtenn, ander theils, Erscheint anwaldt gedachter herrn clegernn vff verscheine zeitt oßprachts, verkhundtt vnnd widerumb gerichtlich reproducirt Penal-Mandatt de restituendo cum clausula iustificatoria vnnd inngst 4 Junii genolgte litiscontestation der gepur in der sachenn zu nolfarn, vnnd vbergibt seiner herrn principaln hochstenn vnuermeidenliche notturft nachvolgendt clag, vnnd sagtt:

Das wiewol berurte seine principales vnnd deren vorfarn in vnnd vor zehen, zwantzich, drissig, viertzig, funffszich, sechszich vnnd vil mehr iaren, vnnd also weith ober menschen gedechtniß, inn steter, continuirter vnd onwidertreiblicher, rechtmessiger gewehr vnnd possession vel quasi des Carthusers cloisters Mariene genantt vor Rostock gewesenn, desselbigen zubehorige, vnderthanen, guetter, Renth, gulten vnnd pächt ruwiglich empfangenn, gebraucht vnnd genossen, gantz ohne das innen ie einiger intrag, verhinderung von imants wegen vnnd sunderlich den alten Fursten zu Mechelburg hochloblicher gedechtnus, hochermelter hernn beclagten oureltern, daran bescheen, oder sey hierinn im weinigsten molestirtt oder vertreibenn, noch sich dessem ie im weinigsten angemast weder vnderstandenn, sunder vilmehr durch sey dairbey geschutzt, geschirmbt vnnd gehandthaptt worden, Dairbey sei pillich noch heutigs tags also gepleibenn sein solten,

So hatt doch dessem onbetrachtet hochgedachter beclagter herr Johann Allbrechtt, hertzoch zu Mechelburg ober vnnd wider das im Jair Thausent funffhundertt dreissig gedachter Cleger vonn Romischer kayserlicher Maiestatt inn Schutz vnnd

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schirm vffgenomen vnd inen Ir. Maiestatt Salua guardien allergnedichst mitgetheilt, welch hochermelte fursten auch insinuirt worden, dingstag nach dem Mointag Reminiscere des verscheinen zwei vnd funfftzigisten iairs gantz onfueglicher weis, wider recht vnnd des heiligenn Romischenn Reichs durch alle stendt bewilligte vnnd publicirte ordnung vnnd satzungen entgegenn, gantz freuentlich, eigenns willens vnd furnemens, on erschuts rechtens oder vorgeende rechtliche erkandt nus, mit gewaldt vnnd bei dreihundertt darzu verordneten geristen mannen zu Roß vnnd fues obberurtt haus vnnd cloister ombgebenn vnd innemen, plundern vnnd die armen ordensleuth, prior vnd gantz connent, ploiß darauß in das ellendt vnnd onbekant landt veriagenn vnnd vertriben lassenn, wie er auch dasselbig noch heutigs tags de facto inheltt vnnd mit eynem amptman besatz hatt, dar sich alles vnnd iedes einkomens vnnd zugehorungen, nichts außgescheidcn, an mast, vnnd daruon den armen anwaldts verarmbten, veriagtenn, beraupten principaln nichts volgen oder mittheilen lassenn, Alles inn willen, maynung vnnd gemuet, anwaldts principaln, hernn Prior vnnd conuentt, von irer lang herprachter, onwidersprechlichen gewehr vnnd possession vel quasi zu tringen vnnd zu entsetzen, wie sie auch albereit durch hochermelten hertzogenn eigenthatlicher weis, so uil ann Ir. F. G. gewesenn, de facto oberzeltermaßenn entzsetzt vnnd spoliret seindt, Vnd wiewol antwaldts also spolirte principales vilmals bey hochermelten hertzogenn vmb restitutionn vnnd widereinsetzung guetlich mehr dan einmal instendig angesuchet, aber nichts erlangen mogen, vnnd dardurch hoichst genoittdtruckt vordenn, G. G. vmb hilff rechtens zu ersuchenn vnd ober sulche gewaldtsame thaitt sich zu beclagenn, Wann dann oben erzelter thait also vnnd dieselb an im selbst notori, lanndtkundig vnnd offenbair, das berurte hern Cleger vnnd ire vorfarnn so lang verierte zeit in ruwiger possession vel quasi, die sei, Cleger, vnnd ire vorfarn ie zum wenigsten auß krafft der obangezogenen lengste zeitt erlangt vnnd bekommen, des hauß vnnd cloisters gewesenn, vnnd noch dairbei billich pleiben sollenn, vnnd das sie dermaßenn onbefuegter weiß daruon entsetzt vnnd spolirt worden seint, wie sulche notorietet hiemit proponirt vnd furgewendet wurdt, vnnd fernere außfuerung deßhalbenn zu thun nach besage der rechtt von vnnothen ist,

Dardurch dann hoichermelter Furst reialiene inuasor vnnd occupator ist, vnnd sol aller seiner gerechtigkaitt, so

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er ann den eingenomen guttern gehaptt oder pretendirt, derenn er doch keine mit grundtt zu ewigenn tagen genugsam darthun oder erweisenn habenn kundtte, habenn mochte, verwurckt vnnd verloerenn vnd derselben priuirt vnnd den spolirtenn, sunderlich geistlichenn, Conditione ex canone reintegrando 3. quest. 1 et c. sepe ex de restit. spol., zue gentzlicher restitution wi derumb verholffen werden soll,

Vnnd dann ferners sulche sachenn spoliationis im rechtenn sunderlich begunstigett, begnadett vnd priuilegierte, das darin summarius processus et causae cognitio gehaltenn , keine prolongationes gestattet, sunder denn spolirten furderlichs rechtens, wilchs billich in gegenwurtigenn fall, so amissionem domicilii vnnd vite alimenta, victus et amictus vnnd religionem betrifft, verholffen werden soll,

So bitt anwaIdt in aller bestenn form, maß vnnd gestaldtt, so das vonn rechts wegenn gescheen soll, khundt oder mogtt, hoichermelten hertzogenn, beclagten, zu condemniren vnd zu uerdammen, auch mit geburlichen mittel der Rechttenn vnnd des heiligen Reichs ordnung dahin zu zwingenn, das er zuuorderst von gemeltem closter vnnd hauß handt vnnd fueß abthue vnnd denn Cleger widerumb in ir frey sicher gewehr vnnd possession einhendig mache, weithers alle inn= vnd zugehorungen, beweglich vnnd vnbeweglich, wie die Namenn haben mochten, erlittner scheden vnd interesse, auch empfangnen nutzungen, vnnd die hattenn mogen vonn eynem guthenn, vleissigen haußvatter offgehapenn vnnd empfangen werden, gentzlich, volkoimlich reintegrieren vnnd rest ituiren, was desselbigen noch vorhanden, oder den geburlichenn werth, dafur sie lieber zehenn tausentt gulden ausserthalb das Cloister mangeln woltten, erstatte vnd erfulle, cum refusione expensarum in futurum faciendarum, factarum et fiendarum, vnnd sunst zu erkennen vnnd zu erkleren, das Ir. F. G. vmb disser eigenthatlichen freuentlichenn handlung willenn wider der Romischen kayserlichen Maiestatt mittheilt schutz vnd schirmbreiff vnnd des heiligen Romischen Reichs satzungen vnnd gutte pollicey bescheen vnnd in die peen G. G. außgangnem Mandat einuerleipt gefallen zu sein, wie auch anwaldt Ir. F. G. also zu condemniren, zu erkhennen vnnd zu ercleren vnnd seine principales wircklich zu restituiren, vndertheiniglich gepetten habenn will.

Vorbeheltlich ferner was recht ist.

Philippus Seiblinus, Licentiat.               

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Klag
Herrn Prior vnnd Conuents der Carthusa bey
Rostock, Clegern,
contra
Denn hoichgebornenn hern Johan Albrechten, Hetzogen
zu Mechelburg, beclagten.
Prod. Spirae. 17. Octobris. Anno 1554.

Nach den abschriftlichen Actenstücken des ehemaligen Reichs=Kammer=Gerichts zu Wetzlar, welche jetzt in der Registratur des Ober=Apellations=Gerichts zu Rostock befindlich sind.


Nr. 15

Mathias Sasse, der letzte Bruder der Karthause Marienehe, cedirt dem Rath der Stadt Rostock alle Gerechtigkeit des Klosters, mit Auslieferung aller Urkunden, die er in Verwahrsam hat, unter der Bedingung, daß der Rath die Güter nur zu Gottes Ehren verwende und dem Kloster für den Fall der Wiederaufrichtung desselben zurückgebe.

D. d. Lübeck. 1576. Junii 22.

Ick Matthias Sasse, frater des closters vnnd carthus Marienne vor Rostock belegenn, dho kundt vnnd bekenne hirmede apenbar vnnd vor idermennigliken vnnd insunderheit ock vor minem erloser vnnd salichmacher Jesu Christo vnnd siner werdigen moder Marien, datt ick als der 1ateste des thouorn gedachtenn klosters vnnd carthus Marienne vor Rostock belegenn, alle gerechtigkeit dessuluigen klosters einem wisen rade der stadt Rostock, so my vnnd minen leuen seligen medebrodern tho der tidt, alse wy noch in gudem wolstande gewesen, vnnd ock hernha, alse vnse guder vns mit gewalt genommen sin, vele gudes ertoget vnnd auerflodigk bewiseth hefft, cederet vnnd affgetreden vnnd erwentem rade tho Rostock vpgedragen vnnd auergeuen hebbe, wie ick dan sulicks ock hirmede dho vnnd alle des closters gerechtigkeit van my geue vnnd dem rade tho Rostock neuen denen breuen, so by my noch auerich gewesen, auerantwerde vnnd thostelle, dergestalt, datt ein rath tho Rostock nummer sulcker des closters gerechtigkeit sick anmatenn vnnd gebrucken vnnd mitt den breuen manen moge, wie mine selige medebroder by erem leuende vnd ock ick gedhan heb=

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ben vnnd datt closter thouorn gedhan hefft, ehe edt de hartogen mitt gewalt ingenhamen hebben, vnnd wat also ein rath tho Rostock von dem closter vor nuttung entfanget vnnd bekummet, dar ein rath thom hogesten sick inne befliten schall, datt alles schall ein rath tho gades ehren wedder gebruken vnnd anwenden vnnd nichts daruan vnderschlan. Droge edt sick ock tho, datt dat closter Marienne in vorigen standt wedder keme, wie ick dan hope, so schall ein rath alle disser gerechtigkeit, so ick onen aftrede, dem closter weddervmme thostellen vnd folgen lathen, welckes ock ein rath dhon warth, vnnd ick an erer gottsaligkeit vnnd framheit nicht tuiuele. Ick will ock dem rade solckes tho dhonde hirmede oppe erlecht vnnd beualen hebbenn. Tho orkunde hebbe ick dessen breff, wi1e ick nicht schriuen kan, einem andern schriuen lathen vnnd mith des closters Marienne segel vorsegelt vnnd de werdigen her Nicolaus Gribbenissen vnnd her Henrich Duncker dessen breff thor tuchenisse mit tho vorseglen vnd tho onderschriuen gebedenn. Geschen in Lubeck, frigedages nha Corporis Christi den 22. Junii, anno der mindertall sos vnd souentig.

   Ita est vt supra, quod    Ita est vt supra, quod
ego Nicolaus Cribbenitz         ego Hiricus Dunncker
manu propria attestor. manu et sigillo proprio
protestor.

Et ego Gulieimus Schutte Lubecensis. sacra imperiali auctoritate notarius, quia premissae re nunciationi et cessioni omnibusque aliis dum sic vt praemittitur fierent, vna cum prenominatis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audivi ideo hoc ipsum propriae manus subscriptione attestor.

Nach dem Original im Archive der Stadt Rostock, auf Papier, mit aufgedruckten Siegeln, nach einer Abschrift des Professors Schröter. Eine gleichlautende Ausfertigung ist auf Pergament mit den Siegeln an rothen seidenen Schnüren in Blechkapseln.
Dieselbe Cession ist noch ein Mal in Form eines Notariatsinstrumentes auf Begehren des Rathes zu Rostock ausgefertigt. Diese Ausfertigung, welche noch mehr verclausulirt ist, ist in hochdeutscher Sprache abgefaßt. Nach dieser Ausfertigung war Gribbenitz Vicarius des Domes zu Lübek und Dunker Vicarius zu Lübek und Eutin. Ort und Datum sind gleich, jedoch im Hause des Gribbenitz.


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Nr. 16.

Mathias Sasse, der letzte Bruder der Karthause Marienehe, übergiebt in Verfolg seiner Cession eine in Rostock befindliche Lade des Klosters dem rostocker Rathssecretair Bernhard Luschow und bevolImächtigt denselben, statt seiner zu handeln.

D. d. Hildesheim. 1576. August 10.

Ick Mathias Sasse, ordens der carthuß Mariene vor Rostock belegenn zuletzt 1euende, beßeuge in krafft disser schrifft, nachdem ich lest vorschienen monats Julii binnen Lubeck einem erb. wolw. rade der stadt Rostock vormuge darober vfgerichter vorschreibunge vnnd offentlichenn instrumento siegel vnnd brieve vnnd wes sonstenn des orts obgedachtes closters Maryene vorhandenn offgetragenn, cediret vnnd auß gudem fryenn willen wegen vielfeltiger gutthaden, so sie mir vnnd meinen vorfaren gemeltes closters erzeiget vnnd beweisett, vbergeben vnnd domalß wegenn einer laden, so binnen Rostock vorhanden, mit gedacht wordenn, das ich solche lade vnnd was sonst des orts mher mochte vorhandenn sin, dem erbarn Bernharde Luschow, obgemelter stadt Rostock secretario, obergebenn vnnd beualenn, solchs alles in meinem nhamen offzuheben vnnd mir daruon desselbig, was er ierlich bekumbt, die zeit meines lebens zukommen lassen solle, vnnd dar er ettwas erkunden wurde, so mir vnnd gemeltem kloster zum bestenn gereichen mocht, solchs alles an sich zu nhemen, zu fürdern vnnd mir zu uberschickenn macht habenn solle, gelobe auch alles krafft disser schrifft, was ich vormalß obergebenn, vestiglich zu halten, auch mennichliche ersucht habenn wolle, soferne obgedachte von mir gutwillige obergebene siegel vnnd brieue vnnd weß sonst mher mochte vonn gemeltem Bernharde Luschow mir zum bestenn ingefordertt wurden, solchs alleß nicht anderß alß zu gottes ehren wiederumb angewendett werden soll, vnnd dar dem zugegen gehandelt, mhergedachter Bernhardtt Luschow macht haben soll, solche siegel onub briue zu wiederreden, vnnd das die renten daruon nicht außkommen, bie sprechen moge, alles in krafft disser schrifft vnnd ahne gefherde. Des zu vrkundt der warheidt habe ich mhergedachtes cto sters siegel hieronder an dissenn brieff wissentlich gedrucket. Gegeben binnen Hildeßheim in der carthauß, den zehenden monatstag Augusti, Ao. etc. . 76.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im Archive der Stadt Rostock, aus einer Abschrift des Professors Schröter.

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II.

Ueber

das Archiv des Stifts Schwerin,

von

dem Archivrath Dr. G. C. F. Lisch.


S eit länger als 200 Jahren ist es viel besprochen und allgemein angenommen , daß das in Meklenburg verschwundene "schwerinsche Stifts=Archiv" im dreißigjährigen Kriege nach Dänemark gerettet worden und dort wahrscheinlich noch vorhanden sei. Die Sache hat stets um so größere Theilnahme erregt, als das Archiv des Bisthums Schwerin für die Geschichte von Meklenburg ohne Zweifel von der allergrößten Wichtigkeit sein würde, und es sind seit zwei Jahrhunderten zu allen Zeiten große Anstrengungen gemacht, das Verlorne wiederzufinden. Bevor sich aber ein sicheres Urtheil fällen läßt, muß es erst klar gemacht werden, wie und wann das Archiv nach Dänemark gekommen sein und woraus es bestanden haben kann.

Nach dem Tode des Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow ward im Jahre 1603 dessen Enkel, Ulrich ( II.) von Dänemark, des Königs Friedrich II. und Sophiens von Meklenburg Sohn, Administrator des Bisthums Schwerin. Dieser residirte in der alten bischöflichen Residenz Bützow, wo zur katholischen Zeit auch ein Collegiatstift gewesen war, und nahm zur Erholung und Abwechselung sein "Hoflager" oft in dem nur eine halbe Meile von Bützow belegenen und zum Stift gehörenden ehemaligen Nonnenkloster Rühn; er starb auch am 27. März 1624 in Rühn und ward am 24. Mai 1624 in

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der Stiftskirche zu Bützow beigesetzt, aber im Jahre 1642 in die Domkirche zu Roeskilde auf Seeland versetzt. Ihm folgte als Administrator sein Neffe der Prinz Ulrich (III.) von Dänemark († 1633), Sohn des Königs Christian IV., welcher nach alten Archivnachrichten "fast beständig im Kloster=Amte Rühn" residirte. Die beiden letzten Administratoren residirten also nicht in Schwerin, sondern nur in Bützow und Rühn. Bei dem Vorrücken der kaiserlichen Armeen im Jahre 1627 soll nun nach vielen Archivnachrichten der Prinz und Administrator Ulrich III. selbst nach Dänemark geflüchtet sein und das Stifts=Archiv eben dahin gerettet haben.

Es wird sich nach diesen Grundzügen schon im voraus ziemlich leicht beurtheilen lassen, welche Urkunden der Prinz nach Dänemark schicken konnte, da er sicher über keine anderen Verfügung hatte, als über diejenigen, welche damals in seiner Stifts=Canzlei aufbewahrt wurden. Die Urkunden waren wohl:

1) die Urkunden des Collegiat=Stifts Bützow, welche auch alle spurlos verschwunden sind, mit Ausnahme eines alten Copialbuches auf Pergament, welches die ältesten Urkunden des Stiftes enthält;

2) die Urkunden des Klosters Rühn, welche ebenfalls fast alle verschwunden sind, von denen jedoch noch ein Verzeichniß mit Inhaltsangabe vorhanden ist;

3) die Urkunden des Bisthums Schwerin. Ob diese alle in den Händen des Administrators waren, steht sehr zur Frage. Es ist vielmehr wahrscheinlich, und nach manchen Anzeichen glaublich, daß sehr viele derselben im Verwahrsam des Dom=Capitels des Bisthums Schwerin waren, welches seinen Sitz in der Stadt Schwerin hatte. Der Administrator bewahrte aber doch auch wohl diejenigen Urkunden, welche die Güter des protestantisch gewordenen Administrators betrafen und zur Regierung des Stifts nöthig waren und zur Geschäftsführung in der Stifts= Canzlei gebraucht wurden. Die Forschungen haben auch ergeben, daß sehr viele Bisthums Urkunden nach Kopenhagen gerettet sind, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß ohne Zweifel viele Urkunden des Bisthums im Lande zurückgeblieben sind. Viele Urkunden mögen auch nach sichern Zeichen nach Güstrow gekommen sein, als der Herzog Ulrich (I., † 1603), welcher zu Güstrow residirte, Administrator ward, und dort untergegangen sein, wie hier alle Urkunden des Collegiat=Stifts Güstrow vermodert sind. Jedoch gelangten viele Bisthums=Urkunden sicher nach Dänemark.

Einstweilen abgesehen von diesen Fragen, welche sich nur durch die Ergebnisse der Forschungen genügend beantworten

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lassen, ist es ohne Zweifel sicher, daß im Jahre 1627 viele schwerinsche Stiftsurkunden nach Dänemark gerettet und häufig zurückgefordert sind, wenn auch lange ohne Erfolg.

Schon zur Zeit Wallensteins wandte sich im August 1630, also schon 3 Jahre nach der Wegschickung der Archive, die "Domina und die Provisoren des Klosters Rühn" klagend an den König von Dänemark, daß nach des Stifts

"Canzlers Dr. Heinrich Stallmeister bericht nebenst andern Stiffts=Kasten onsere Lade, worin die dem Closter angehörige Siegel und Briefe verwahret, vor dem betrübten Kriegsweßen bei E. Königl. Myt. Rentschreibern Axel Christensohn umb sicherheit willen mit in Dero Reich Dennemarcken verbracht worden", und baten, " die gnedigste Verordnung zu thun daß geregte onsere Closter Lade wiederumb E. Königl. M Commissario Herrn Daniel Trojen zu sichern handen zugestellet oder aber bei anderen gewissen leuthen in verwahrung niedergesetzt würde",

da diese Lade Schuldverschreibungen enthalte, welche den Schuldnern zur Rückzahlung der Schuldsummen zurückgeliefert werden müßten.

Es wird aber auch eben so sicher berichtet, daß im Jahre 1627 die meisten Urkunden des Stiftsarchivs, welche sich in Bützow befanden, nach Dänemark gerettet wurden. Am 7. December 1645 berichtet der ehemalige Stifts=Registrator Joachim Reppenhagen, damals zu Schwerin, welcher die Versetzung der Urkunden nach Dänemark erlebte:

"Meines theils erinnere Ich mich sonst hirbey noch woll, Wie Anno 1626 von der damahligen dennemarckschen Regierung Ich in der F. Byschofflichen Cantzley zu Bützow pro Registratore bestellet, baldt aber daruff Ao. 1627 Von Ihr Maytt. der Königl. Fraw Wittwen Christmildesten angedenckens Von solchem dienste unwürdig pro Secretario nacher Niecöpen beruffen und bestellet worden, vnd umb die Zeit die Keyserl. Armee unter dem von Arnheim dieß Furstenthumb und Landt überzog und unter andern auff das Städtlein Butzow hartt zusetzte, daß damahls der Herr Cantzler sehl. Doct. Stallmeyster alle das geheimbste und furnembste, so an Regalien, privi1egien und sonsten im Stiffts Archiv zu Butzow vorhanden gewehsen, umb daßelbe zu conserviren, und bey Zeiten

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in das sichere zu bringen, ins Reich Dennemarck an Ihr Kon. Maytt. nacher Kopenhagen ab= und hinwegk geschickt hatt, Sieder dem Ich auch nie erfahren, das von dem Ortte solche Sachen solten wiederumb extradiret oder remittiret worden sein, vnd halte Ichs woll sicherlich dafür, wofern einige Ohrkunde, daran ich nicht zweiffle, von denen Burglehnen quaestionis beym Stiffte verhanden gewehsen, das Sie damahlen mit durchgangen, und bey solchen Sachen an dem Ortte, dar Sie nichts nützen, noch vorhanden sein werden." - - - - - - - - - -
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Eben so berichtet der ehemalige wallensteinsche Canzlei=Protocollist oder Protonotar Bartholomäus Schwarzkopff zu Wismar (später seit 1643 Rathsherr zu Wismar) schon am 17. Januar 1635 an den Herzog Adolph Friedrich I.:

"Von Archivsachen habe ich bei des Friedländers Zeiten nicht gesehen, Sondern die Zeit vnd hernacher wol gehöret, das die vornembste davon Anno 1627 ins Reiche Dennemark geschicket, Waß nun selbige fur sachen gewesen, wirtt der dohmaliger Stiffts=Secretarius Nicolaus Reppenhagen vnd andere domalige dienere zum besten wissen, Imgleichen was er Reppenhagen sowol an Amptsbuchern vnd Registern vnd gemeynen Parteysachen meinem Antecessori Simoni Leopold geliefert vnd eingeantwortet."

Was von ehemaligen bischöflichen Werthsachen in Bützow 1627 zurückgeblieben war, nahm der Obrist v. Arnim; das Dom=Capitel berichtet am 22. März 1639

"wegen des von domaln kayserl. Hrn. Obristen Hanß Georg von Arnimb bey occupirung der Stadt Bützow in anno 1627 genommenen Silbergeschirs, bischöflichen Ornats vnd was dem mehr anhengig,"

und fragt bei dem Herzoge Adolph Friedrich 1. an, ob dies durch Nachforschnug bei von Arnim nicht wieder zu gewinnen sei.

Es ist also keinem Zweifel unterworfen , daß im Jahre 1627 viele alte Urkunden aus der bischöflichen Stiftscanzlei zu Bützow nach Dänemark gerettet sind.


Anders verhält es sich mit den großen Massen von Acten in Rechts=und Verwaltungsangelegenheiten. Nachdem

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Wallenstein von den meklenburgischen Landen und auch von dem Bisthum Schwerin Besitz genommen hatte, ließ er bei der Organisirung seiner Regierung die wichtigsten Verwaltungsacten nach seiner Residenz Güstrow schaffen und bediente sich dazu der Hülfe eines ihm ergebenen Dieners ("des Friedländers eingedrungenen Miethlings") des "Küchenmeisters" Caspar Eßlinger, welcher noch im Jahre 1634 "Pensionarius" zu Medewege und Rampe war. Gleich nach der Rückkehr der Herzoge von Meklenburg in ihre Lande (Julii 1631) beauftragte der Administrator Prinz Ulrich von Glückstadt, wo er wohnte, am 22. September 1631 ("Geben in der Veste Glückstadt den 22. September 1631") seinen meklenburgischen Commissarius Daniel Troje:

"alß auch vnß vnd vnserm Stifft Bützow an denen hiebeuor naher Güstrow von den Friedländischen geliefferten Canzeley=Acten, wie auch den Ambts=Buchern, Registern, auch andern brieflichen Urkunden merklich gelegen, dieselben von dem friedlendischen Secretario, dofern einer annoch daselbst vorhanden, vollenkomblich abzufordern."

Am 26. Januar 1632 wiederholte der Prinz Ulrich diesen Antrag "wegen der Acten und Registern, so auß der Butzowischen Canzlei nachher Gustrow gefuhret." Während der Zeit hatte sich aber die Sache geändert und das "Stift Schwerin war nach Vertreibung der Kaiserlichen in der Königlichen Würde und Krone Schweden Macht und Gewalt" gekommen (vgl. Jahrb. XXXIII., S. 159 flgd.). Daher antwortete der Herzog Johann Albrecht am 3. October 1632, daß ihm von der Königlichen Würde zu Schweden Schreiben zugekommen seien,"nichts von den Stiftssachen herauszugeben", und der schwedische Gesandte Salvius schrieb am 10. October 1632 an den Herzog, "die Bützowischen Acta verwahret zu legen, bis man wüßte, wohinaus es endlich mit dem Stift solle." Als nun "im Stifte Bützow die Justiz wieder in Schwang gebracht werden sollte", bat der (schwedische) Obrist Wilhelm von Saltzburg am 23. October 1632 den Herzog Johann Albrecht, ihm "alle ins Stift gehörige Acta und Archiven, welche bei des Wallensteiners Zeiten nach Güstow gebracht und hier annoch in der fürstlichen Canzlei und bei dem Lehn=Secretario Peter Grassen vorhanden seien, abfolgen zu lassen." Salzburg und Troje schrieben wiederholt eine Zeit lang hin und her, ohne daß die Sache weiter gedieh.

Nachdem der Administrator Prinz Ulrich bei Schweidnitz in Schlesien am 11. August 1633 erschossen, und das Stift

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wieder an den Herzog Adolph Friedrich I. von Meklenburg gokommen war, bemühete sich dieser bei seinem Bruder Johann Albrecht in vielfachem Briefwechsel angelegentlich um die Wiedererlangung der Stiftsacten; die Sache zog sich lange hin, da Johann Albrecht gegen seinen Bruder Verdacht hatte und absichtlich die Acten zurückhielt, bis endlich der Secretair Martin Bökel am 23. August 1635 die Auslieferung eines großen Theils der Acten erreichte und nach des Herzogs Johann Albrecht Tode im Jahre 1637 der Rest ausgeliefert ward.

Diese Acten sind nun noch in großen Massen im großherzoglichen Archive zu Schwerin vorhanden und können also nicht zu dem entführten Archive gerechnet werden.


Aehnlich verhält es sich mit den Urkunden des schweriner Dom=Capitels. Es ist oben die Vermuthung aufgestellt, daß auch das in Schwerin residirende Dom=Capitel ohne Zweifel viele alte Urkunden des Bisthums bei sich aufbewahrt habe, und dies wird auch durch die Verhandlungen bestätigt. Schon am 27. April und 18. Julii 1632 wandte sich das Dom=Capitel an den Herzog Adolph Friedrich von Meklenburg:

"weil bei der friedlandischen occupation vnser Curien vnd Landguter, zugleich onsere auff dem Capittelhause hinterlaßene sachen vnd Briefliche Orkunden von Eßlingern, als getrewen Friedlendischen Diener, hinwegk genommen vnd der Zeit auf E. F. G. Schloß Schwerin gebracht vnd daselbst noch vorhanden sein sollen", so bat das Dom=Capitel,dieselben wieder abfolgen zu laßen."

Am 22. März 1639 bat das Dom=Capitel wiederholt:

"die in E. F. G. Archivo vorhandene, vnß zustendige brieffe, bevorab die durch den gewesenen Kuchenmeister Caspar Eßlinger mit einem verschloßenen Schapffe vnd andere, so auf dem Capittelhauße befunden, de facto hinweggenommen vnd auf E. F. G. Schloß gebracht, wieder ausliefern zu lassen."

Das Dom=Capitel erhielt hierauf am 28. Mäz und 10. Mai 1639 die Antwort, daß

"von dem verschlossenen Schap keine Wissenschaft''

vorhanden sei, forderte jedoch mit Bestimmtheit am 2. April 1639 und 4. Junii 1641 wieder an und erhielt darauf den Bescheid, daß alles, was auf dem Residenzhause vorhanden sei, dem Dom=Capitel wieder ausgeliefert werden solle. Am 23. Januar 1614 quittirte endlich das Dom=Capitel über einen von dem herzog=

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lichen Archivar Friedrich Chemnitz dem Stifts=Structuarius Lucas Hausen ausgelieferten grünen Schrank mit Stiftsacten. Der Inhalt dieses Schrankes war aber nicht von großer Bedeutung.

Nachdem den Herzogen von Meklenburg durch den westphälischen Frieden das Bisthum Schwerin zuerkannt war, forderte der Herzog Adolph Friedrich am 26. Februar 1650 von den ehemaligen Domherren die Auslieferung des zu dem "gewesenen Stift Schwerin gehörigen Archivs", welches die Domherren nach Abschluß und Bekanntmachung des Friedens nach Lübek gebracht und daselbst an verschiedenen Orten niedergesetzt haben sollten. In Folge dieser Forderung berichtete der ehemalige Dom=Structuarius, Schelfvogt Lucas Hansen, daß

"er davon die Bewandtniß nicht gahr eigentlich wisse; "etwas davon stehe in Schwerin auff dem Capitulhause, daran aber nicht viell gelegen sein möge, die vornehmsten Orkunden aber hetten sie zu Lübeck bey dem Thumb=Cöster Leopolden stehen, präsumire sonsten, daß das Archivum an verschiedenen Orten in Lübeck stehe, dan der Herr Dechant daselbst nicht Ein bestendiges Logement, sondern verschiedene Cammern hin vnd wieder in der Heur habe; der Herr Dechant von Wackerbart habe dem Herrn Dr. Wedemann, welcher ihm das Mandatum wegen Edirung des Archivi insinuirt hette, geantwortet: die wenigen documenta, so bey Ihnen vorhanden, könten sie leichtlich von stellen, das fürnehmbste und beste aber, daran des Stiffts Hoheit vnd Nutze hienge, wehre in Dennemarck, dan Bischoff Olrich hette solches dahin von Butzow führen lassen, mit diesem anerbieten, wan man Etwas dem Stifft zum besten darauß haben wolte, Man deßen an selbigem Ohrte allemahl bemechtigt sein könte."

Die ehemaligen Domherren erklärten aber am 26.. Februar 1650, daß sie das Stifts=Archiv in ihren "Mächten nicht gehabt, viel weniger nach Lübeck transferirt, sondern die Nachricht davon hätten",

"daß alle briefliche Uhrkunden in anno 1626 nach Kopenhagen in Dennemarck gebracht seyn."

Diese Acten und Urkunden des Dom=Capitels, von welchen manche noch in neuern Zeiten in dem sogenannten Capitelhause am Dome zu Schwerin lagen, sind hiernach ebenfalls ohne große Bedeutung gewesen und wahrscheinlich noch im Archive zu Schwerin vorhanden. Möglich ist es jedoch, daß in frühern

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Zeiten schon manches bei dem Dom=Capitel untergegangen ist. Der Archivar Schultz berichtet am 4. October 1702, "daß nur putamina et quisquilia davon übrig, welche sind überlassen worden."

Nach dieser ausführlichen und gesicherten Geschichte ist es woh1 außer Zweifel, daß die wichtigsten alten Urkunden des Bisthums Schwerin, des Collegiatstifts Bützow und des Klosters Rühn im Jahre 1627 nach Dänemark versetzt worden sind. Und dies ist auch von der meklenburgischen Regierung zu allen Zeiten als sicher angenommen. Schon im August 1632 forderte das Kloster Rühn seine "Lade mit des Klosters Briefen und Siegeln" von dem Könige von Dänemark zurück. Am 2. April 1639 schlugen die herzoglichen Räthe vor, die Sache an den "Herrn Canzler Reventlowen gelangen zu lassen mit dem Ersuchen, die Tradition zu befördern." Die Angelegenheit kam zuerst ernstlich zur Sprache, als im Jahre 1642 die Leiche des Administrators Prinzen Ulrich II. von Bützow nach Roeskilde versetzt ward. Bei dieser Gelegenheit gab der Herzog Adolph Friedrich dem zur Abholung abgesandten dänischen Futtermarschall Balthasar Gerdten zu Bützow am 12. Julii 1642 den Auftrag an den König Christian IV. von Dänemark:

"Bei höchstg. Ihrer Königl. M. wolle derselbe ohnbeschwert gedenken, daß daß Bischofliche Schwerinsche Stiffts Archivum sampt allen dieß orts vorhandenen Acten, Siegel vnd Brieffen, den Stifft vnd dessen Gerechtigkeit betreffend, von dem Herrn Obristen Arnimb anfenglich auff Rostock gebracht, von dannen aber ins Königreich Dennemarken transferiret worden, Wan dan Sr. Königl. M. mit solchen sachen nichts mehr gedienet, Alß ersuchten vnd bäten Se. Königl. M. wir freundsohnlich, Sie wolten vnß solche Stiffts=Acta vnd archivum ohnbeschwert wieder zukommen vnd dieselbe entweder zu Rostock oder Wißmar vnß zu Schiff oberbringen zu lassen Verordnung zu thun freundväterlich geruhen, Dasselbe wehren vmb Se.K. M. wir freundsohnlich zu verschulden erbietigst, gestalt wir auch von wolgemeltem Abgeordneten der Königl. Erklerung hierober erwarten - - - - -

Auch wurden Schreiben an verschiedene Privatpersonen erlassen, welche möglicher Weise die Sache befördern konnten.

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Dieser Antrag scheint ohne allen Erfolg geblieben zu sein. Am 12. Mai 1643 erhielten die dänischen Abgesandten wegen des Nachlasses des verstorbenen Commissairs Daniel Troje den erneuerten Antrag:

"Auch werden die Königl. Herren Abgesandten gebuhrlich ersuchet, bei Ihrer Königl. M. anzuhalten, daß die Butzowischen Stiffts=Acta oder Archivum, welches in Dennemarck ist transferiret worden, I. F. mochte extradirt vnd ausgeliefert werden,"

wieder ohne Erfolg.

Nach dem Tode des Königs Christian IV. († 28. Februar 1648) bat der Herzog Adolph Friedrich am 11. November 1648 schriftlich den König Friedrich III. um Herausgabe der vor Jahren nach Kopenhagen geschickten Documente des schwerinschen Stiffts=Archivs, welche nach sichern Nachrichten noch jetzt daselbst vorhanden sein sollten, und beauftragte mit der Betreibung dieser Angelegenheit den in Kopenhagen anwesenden herzoglichen Rath Dietrich von der Lühe. Hierauf antwortete der König am 28. November 1648:

"Nun were vns oder vnserm Reich weinig damit gedienet, Wolten darumb gantz gerne Ihro damit gratificiret haben. Als wir aber bey der hiesigen Cantz1ey darnach Ombsuchung thun laßen, hatt sich befunden, das ged. Obr. Arnheimb Ao. 1630 selbiges Archivum zuenebenst andern des orts Vorgefundenen güetern vnnd mobilien högstseeligst ged. vnserm Herrn Vattern durch Schreiben zwar präsentiret, es sey ihm aber sub dato den 28. Februarii eiusdem Anni geantwortet,. das, Wie vnsers auch in Gott Verstorbenen, dohmahlig noch lebenden Herrn Brueders Herzog Ohlrichs Lden derogleichen Butzowischen Nachlaß geschencket vnnd cediret, Sr. Lden solche Oblation solte notificiret werden, Nicht zweiffelent, dieselbe wegen der Abholl= oder Annemung gewiße Verordnung machen vnnd ergehen laßen würde, dergestalt dan erwentes Archivum nimmer würcklich anhero transportiret, noch kommen, besondern von S. hochseel. Lden etwa anders wohin verwarlich deportiret vnnd beygesetzet worden.

Die Antwort des Königs Christian IV. an den Obristen von Arnim vom 28. Februar 1630, welches diesem Schreiben beigelegt ist, lautet also:

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"Christian etc. . Ehrnvester, Manhaffter, L. besond. vnß ist ewer Schreiben durch den anhero geschickten Rittmeister von Traudischien onderthänigst woll oberbracht worden, darauß wir dan daßjenige, waß Ihr wegen vnsers in Gott ruhenden Hrn. Brudern Hertzog Olrichen zustendigen vnd von Euch bey eroberung deß Städleinß Bützow vorgefunden, auch sub inventatione in Verwahrung genommenen Gütter berichtet vnd Euch daneben anerbietet, mit mehrem vernommen.
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Die Gütter belangendt, Weil wir Alßbaldt nach Tödtlichem hinritt hochsehlich gedachten vnsers Hrn. Brudern Ld. den gantzen Erbfall vnsers vielgeliebten Sohns Hertzog Olrichen Ld. cedirt vnd abgetretten, So wollen wir dieselbe von diesem Ewrem erbieten alßbaldt avisirn, welche dan wegen der Abholung ferner ordre anstellen vnd auch vor Ihre Persohn Ewere wilfährigkeit gebührender maßen zu belegen sich in allen Gnaden bemühen werden."

Es geht hieraus hervor, daß von Arnim das Eigenthum des Prinzen Ulrich respectirte und zu dessen Uebersendung nach Kopenhagen behülflich war. Nach der Antwort des Königs Friedrich III. nahm man aber an, daß die Urkunden nicht in das königliche Archiv gebracht, sondern anderswo niedergelegt seien.

Der Rath Dietrich von der Lühe berichtet am 21. December 1648 im Sinne des königlichen Schreibens und fügt hinzu, der Hofmarschall Adam Heinrich Pentz habe gegen ihn geäußert, daß dem Canzler Christian Thomsen ohne I. K. M., noch I. M. ohne Beisein Christian Thomsen in das königliche Archiv zu gehen nicht erlaubt sei, er also nichts weiter dabei habe schaffen können.

Der Herzog Adolph Friedrich wandte sich aber am 5. März 1651 wiederholt an den König von Dänemark wegen Auslieferung des unter dem Könige Christian IV. "nach Dänemark transferirten Stiftsarchivs, da er dennoch gewiß berichtet worden, daß sothanes Archiv nach Kopenhagen geführt worden", und ersuchte auch den Dr. Christoph von der Lippe und den Reichscanzler Christian Thomsen um Beförderung dieses Anliegens. Auch diese Bemühungen blieben ohne Erfolg.

Die Versetzung des schwerinschen Stiftsarchivs nach Dänemark ward also noch bei Lebezeiten aller dabei betheiligt gewesenen Personen sicher festgestellt.

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Nach dem Tode des Herzogs Adolph Friedrich (1658.) nahm die Sache eine andere Wendung. Der nachfolgende Herzog Christian Louis fing an, sich auch um das schwerinscheStiftsarchiv zu bemühen.

A1s der meklenburgische Geheime Rath und Lehnssecretair Cretschmar am 30 Julii 1662 Urlaub zu einer Reise in Familienangelegenheiten nach Kiel nachsuchte, erbot er sich, bei dieser Gelegenheit bei dem deutschen Canzler Lenthe in Dänemark und dem ihm näher bekannten königl. Rath Dr. Conrad Heße zu Glückstadt für Auslieferung des nach Dänemark transportirten schwerinschen Stiftsarchivs zu wirken.

Cretschmar berichtet am 25. August 1662:

"- - - - waßgestalt ich bei meiner Anwesenheit zu Kiel den 19. huius fügliche gelegenheit erlanget, sowohl mitt dem Land=Cantzlern herrn Johann Christoff Schönbach, alß Secretario Lenthen, wegen deß naher Dennemark überbrachten vnd zu Dero Fürstenthumb Schwerin gehöhrigen Archivi der länge nach zu reden , da ich vom Hrn. Secretario Lenthen vernommen, daß in dem Ihme anvertrawten G1ückstädtischen Archivo einige Versiegelte Meklenburgische Acta rubriciret vorhanden sein sollen, Er wiße aber nicht, wovon sie eigentlich handelten, hielte dafür, daß dergleichen vieleicht in Koppenhagen sein dürffen , deßwegen Er sich bei dem Teutschen Cantzler in Dennemark, seinem Hrn. Vetter, mitt fleiß erkundigen vnd davon nachricht über schreiben wolte. Dem Herrn Land=Cantzlern Schönbach war von der sache nichts bekandt, erbot sich aber, dem Hrn. Cantzlern Lenthen, welcher schleunig nacher Koppenhagen gegangen, zu folgen, vnd bei solcher gelegenheit diese sache bestermaßen zu befodern, auch mitt Hrn. Dr. Heßen, welcher von Glückstadt auch verreiset, darauß zu communiciren.

Am 17. September 1662 sandte Cretschmar den Auszug eines Schreibens des Secretairs Hugo Lenthe vom 1. September 1662, folgenden Inhalts:

"Wegen des Schwerinischen Archivi habe ich mitt dem Herrn Teutschen Cantzler Lenten, welchen ich angetroffen, außführlich geredet vnd die sache begehrtermaßen praevia salute recommandiret, der mir denn befohlen, zu vermelden, daß seines wißens, zumahl Ihm daß Archivum zu Coppenhagen wohlbekandt, daß Schwerinische Archivum in der

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Teutschen Cantzlei daselbst nicht verhanden, hielte auch nicht dafür, daß es ins Dänische iemalß gekommen, sondern präsumirete vielmehr, weil Ihr Königl. Myt. glorwürd. gedechtnüß sich umb die Zeit, da daß Archivum auß Mecklenburgk von Bützow gebracht sein solte, meistentheils zu Hadersleben auffgehalten vnd daselbst viel brieffschafften instar Archivi gehabt, daß schöne Schloß aber nachgehends von den Schwedischen Völckern eingeäschert vnd allso vermuthlich vorgemeldtes Archivum, falß es daselbst verhanden gewesen, mitt in rauch auffgangen sei, Jedoch wolte Er bei seiner ankunfft in Copenhagen hiervon weitere nachricht einziehen vnd mir daßelbe fürderlichst überschreiben. In hiesigen Glückstädtischen Archivo ist davon gantz keine nachricht etc. ."

Cretschmar berichtet ferner den 3. November 1662, daß er durch Dr. Heße von dem Canzler Lenthe folgende Nachricht erhalten habe:

"- - es findet sich aber (das Bützowische Archiv) nicht allhier, vnd weiß Keinmand andere nachricht zu geben, alß daß es präsumirlich nebenst andern Actis in der Haderslebischen Cantzlei, woselbst es niedergesetzt gewesen, mitt verbrandt,''

und erbietet sich, "deßwegen naher Hadersleben zu schreiben, und sich ferner zu erkundigen, ob vielleicht einige Stücke vnd Schrifften von dem Brande salviret sein möchten."

Hiemit schienen alle Spuren des schwerinschen Stiftsarchivs verschwunden zu sein und die Nachforschung ruhte eine Zeit lang. Jedoch machte die meklenburgische Prinzessin Sophie Agnes zu Rühn im Jahre 1676 noch einen Versuch, welcher freilich auch scheiterte. Als der wismarsche Burgemeister Dr. Caspar Schwartzkopff im Jahre 1676 in Geschäften der Stadt Wismar nach Kopenhagen reisen wollte, bat sie den "Herzog von Plön", ihren Rath Schwartzkopff dem Könige von Dänemark zu empfehlen, und Schwartzkopff bat am 30. März 1676 den König, "die nach Kopenhagen geführten Briefschaften des Stifts= und Klosteramts Rühn der Prinzessin Sophie Agnes abfolgen" zu lassen.

Diese Bemühungen, welche alle erfolglos blieben, scheinen die letzten in der ältern Zeit gewesen zu sein. Der Herzog Christian Louis von Meklenburg lebte gewöhnlich zu Paris und es fehlte daher an den nöthigen Hebeln, die viel besprochene Sache weiter zu fördern.

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Mit dem Anfange des 18. Jahrhunderts regten sich noch einmal die Bestrebungen, das verlorene Archiv wieder zu gewinnen, obgleich nach den frühern Verhandlungen die Hoffnung verschwunden war , es je wieder zu finden. Der Archivar Schultz hatte unter verworfenen Papieren etwas von den erwähnten Nachrichten gefunden, nach welchen das schwerinsche Archiv nach Dänemark versetzt sein sollte, und trug am 4. October 1702 bei dem Herzoge Friedrich Wilhelm darauf an, daß der meklenburgische Secretair Nicolaus Schlei in Kopenhagen beauftragt werde, sich "unter der Hand bei denen, die Wissenschaft zu vermuthen sei, nach den Originalien zu erkundigen." Schlei berichtete hierauf, daß der Archivar sich auf seine Bestallung berufen habe, nach welcher er keinem Privatmann Auskunft geben dürfe. Der Herzog wandte sich daher am 12. April 1703 an den König. Ueber die Folgen dieses Gesuches berichtete Schlei am 1. Mai 1703, daß von dem Könige an die "Archivarien nachdrückliche Ordre gestellt sei, mit Fleiß in den Gewölben nachzusehen, ob dergleichen Sachen vorhanden sein möchten, daß aber aller angewandten Mühe ungeachtet nichts gefunden" sei.


Was nun allen officiellen Bestrebungen, selbst von Seiten der Fürsten, nicht hatte glücken wollen, gelang endlich Privatbemühungen auf geheim gebliebenen Wegen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebte in Meklenburg der am 31. December 1734 zum Landrath bestellte Barthold Dietrich von Negendank auf Zierow bei Wismar († 1749), welcher es sich mit dem allergrößten Eifer zum Ziele gesetzt hatte, Urkunden zur meklenburgischen Geschichte zusammen zu bringen, und mit allen damaligen Gelehrten Meklenburgs in genauer Verbindung stand: Diesem gelang es, im Jahre 1740 eine Sammlung von 108 "Stifft=Schwerinschen Urkunden" auf jetzt unbekannten Wegen in Abschrift zu gewinnen. Nach dem Tode Negendanks gingen dessen Sammlungen in die Bibliothek der meklenburgischen Ritter= und Landschaft über, in welcher noch jetzt ein Folioband mit diesen Urkundenabschriften aufbewahrt wird, unter dem Titel:

"Vol. CXXIV. Codex Diplomaticus vom Stifft Schwerin, oder Ächte Abschriften von CLXXXVIII Mecklenburg=Schwerinschen Uhrkunden, davon die Originalia, Transumta oder Authenticae an gutem Ohrte (nemlich zu Copenhagen im Archivo Regio) sind. B. D.

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von Negendanck. Diesen Codicem habe ich erhalten mense Januarii ao. 1741."

Dieser Band ward mit einem noch vorhandenen Briefe von C. A. v. Berckentin vom 13. December 1740 von Kopenhagen zu Schiffe über Lübek an den Landrath von Negendank

eingesandt. Diese Sammlung enthält Abschriften von Urkunden, welche sich späterhin theils allerdings im königlichen Archive, theils auf der Universitäts=Bibliothek in der Arne=Magnusschen Sammlung zu Kopenhagen im Originale fanden, und worüber weiter unten Aufklärung gegeben wird, enthält aber keine Urkunde mehr als diejenigen, welche späterhin ans Licht gekommen sind. So war es denn sicher gestellt, daß sich in Kopenhagen Urkunden des Stifts Schwerin befanden. Negendank hielt aber seinen im Geheimen gewonnenen Schatz geheim, welcher auch bis jetzt unbekannt geblieben ist, und theilte nur den ihm vertrauten Gelehrten im Geheimen Abschriften mit. Vorzüglich war es der Pastor M. Dietrich Schröder zu Wismar, welchem Negendank Urkunden zur Veröffentlichung mittheilte; dieser gab zu jener Zeit das große Urkundenwerk "Papistisches Meklenburg" heraus, von welchem das erste Alphabet im Januar 1739 erschien. Hier wird schon im ersten Bande S. 715 von einer darguner Urkunde gesagt: "Das Diploma hiervon lieget in einem könig1. Archiv", und S. 824 von der Urkunde des Fürsten Wizlav von Rügen vom Jahre 1293: "Das Diploma hievon liegt in einem Königlichen Archivo und hat man folgende Rubric davon gesehen." Von S. 1064 an kommt diese Bezeichnung häufig, wohl gegen 30 Male, vor, z. B. S. 1064, 1076, 1085 u.s.w., jedoch immer nur bei Regesten, nie bei vollständigen Urkunden. In dem ersten Anhange zum zweiten Bande, welcher 1741 ausgegeben ward, sind schon viele Urkunden gedruckt, welche späterhin in Kopenhagen entdeckt wurden, namentlich z. B. die Urkunde des Klosters Rühn über das Patronat der Kirchen zu Frauenmark und Severin vom Jahre 1295 welche S. 2984 nach einer recht guten, offenbar von dem kopenhagenschen Originale genommener Abschrift gedruckt ist; im zweiten Bande S. 2841 steht schon der Ablaßbrief Arcimbolds für das Kloster Neukloster vom Jahre 1516 aus dem Archive zu Kopenhagen u. s. w. Zu derselben Zeit lebte auch der Dr. Ernst August Rudloff, damals meklenburgischer Landes=Consulent, später Land=Syndicus, Vater des meklenburgischen Geschichtschreibers, der eine große Sammlung meklenburgischer Urkunden zusammenbrachte, welche in den neuesten Zeiten für das großherzogliche Archiv zu Schwerin aus dem Nachlasse des Sohnes Regierungsraths Dr. Friedrich

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August von Rudloff erworben ist. Auch dieser erhielt für diese Sammlung die aus Kopenhagen gewonnenen Urkunden in Abschrift und der Geschichtschreiber Rudloff spricht in seiner meklenburgischen Geschichte I., S. XXVII, von Abschriften von "Urkunden , welche in dem Bischöflich=Schwerinschen Archiv zu Kopenhagen aufbewahrt sind." Auch der meklenburgische Geschichtsschreiber David Frank mag im Fortschritte seiner Arbeit, welche 1758 vollendet ward, von dem Landrath von Negendank Mittheilungen erhalten haben, indem er nach seinem "Lebenslauf" vor dem Register S. 41 das erste Buch seines Werkes im Jahre 1739 dem Landrath von Negendank vorlegte. Eben so sagt der Kammer=Secretair Schröder, daß Ungnaden, Pötker und Gerdes die meisten Urkunden von dem Landrath von Negendank erhalten haben.

Die ganze Angelegenheit trat erst aus dem Geheimniß, als am 10. December 1760 der damalige Kammer=Secretair, spätere Kammerrath Schröder zu Schwerin, ein Neffe des Geschichtsforschers David Schröder (?), in der Vorrede zu dem von ihm zum Druck beförderten "Mecklenburgischen Urkunden=Inventarium" zu einem begeisterten Lobe des Landraths von Negendank hinzufügte :

"Aus dem ehemaligen bützowschen Stiftsarchiv, welches bekanntlich größtentheils nach Kopenhagen geführt worden , hatte er sich verschiedene Folianten mit Abschriften seltener Stücke verschafft, und sichs Tausende kosten lassen. Er hatte aller Orten, da nur etwas Brauchbares aufzutreiben war , seine Commis, und verwendete jährlich darauf ganz ansehnliche Summen."

Als der verehrungswürdige und unermüdliche Regierungsrath, spätere Minister Johann Peter Schmidt (1750 †1790) diese Worte las, " verdroß es ihn", nach seinen eigenen Worten , " wegen der Nachlässigkeit der fürstlichen Minister , daß diese nicht lange schon um die Zurückerhaltung der weggeführten Schriften bemüht gewesen wären", und stellte nicht allein Archivforschungen über das Schicksal der Urkunden und die Bemühungen zur Wiedergewinunng derselben an, welche am 8. Julii 1762 vollendet wurden und noch vorhanden sind, sondern brachte die Sache auch bei der Landesregierung zur Verhandlung. Schon im Juli 1762 ward von dem schweriner Archive Bericht gefordert und der Kammer=Secretair Schröder befehligt, sich zu erkudigen, wie es dem verstorbenen Landrath von Negendank gelungen sei, von dem Stiftsarchive viele Urkunden in Abschrift zu erhalten; zu gleicher Zeit wurden wieder

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das Dom=Capitel zu Lübek und der Rath der Stadt Lübek ersucht, in den Archiven nach den schwerinschen Stiftsurkunden forschen zu lassen, freilich ohne Erfolg. Am 8. September 1762 berichtete der Kammer=Secretair Schröder,

"daß ihm zur Inspection der ihm bekannten beiden Folianten voll bützowscher Stiftsnachrichten aus der Bibliothek des ehemaligen Landraths von Negendank auf Zirow, welche in Rostock seien, von dem Landrath von Halberstadt", einem vertrauten Freunde des Landraths von Negendank, "Hoffnung gemacht sei; er könne sich noch recht gut erinnern, daß als er sich im Jahre 1745 bisweilen in Zirow aufgehalten, der Landrath von Negendank ihm einmal zwei Folianten mit Abschriften von bützowschen Stiftsnachrichten gezeigt habe, mit der Versicherung, daß ihm diese beiden Bände in Kopenhagen über 1000 Rthlr. Dän. Cour. gekostet hätten."

Am 30. August 1763 berichtete Schröder, daß er einen Band der negendankschen Abschriften in der landschaftlichen Bibliothek zu Rostock zu inspiciren Gelegenheit gefunden habe, der andere Band, den er in Zirow gesehen, sei aber nicht zur Hand gewesen. Hier scheint Schröder in Irrthum zu sein; er mag mehrere Bände meklenburgischer Urkunden gesehen haben, vielleicht auch zwei Bände schwerinscher Stiftsurkunden; aber die von Kopenhagen gewonnenen Urkunden füllen sicher nur einen Band; der zweite Band wird wohl von andern Orten her, auch wohl aus dem schweriner Archive zusammengebrachte Urkunden des Bisthums Schwerin enthalten haben, da von Negendank auch viele andere Stiftsurkunden in Abschrift besaß.

Nachdem nun das Vorhandensein von schwerinschen Stiftsurkunden in Kopenhagen sicher ermittelt war, schritt die Landesregierung wieder kräftig zur Eroberung derselben vor. Am 13. Februar 1763 erhielt der meklenburgische Gesandte in Kopenhagen, der Hofmeister von Usedom, nachmaliger Erzieher des hochseligen Großherzog Friedrich Franz I., den Auftrag, sich bei dem Geheimen Rath von Bernstorf und an andern dienlichen Orten um die Aufsuchung und Abfolgung des schwerinschen Stiftsarchivs zu bewerben, welches nach der Versicherung in Kopenhagen nicht befindlich sei, aus welchem jedoch der Landrath von Negendank sich verschiedene Folianten habe abschreiben lassen. Hierauf berichtete von Usedom am 13. März 1763, daß zwar der Geheime Rath von Bernstorf sich zu jedem Beistande erboten habe, und der König gerne in die

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Zurückerstattung willigen würde, es aber schwer sei, Gewißheit zu erlangen , da die Acten einmal zerstreuet seien und man nicht wisse, wo man sie suchen solle es auch fast unmöglich sei, sie in den Archiven zu finden; er müsse daher um genaue Bezeichnung der Acten bitten: der König habe sich hierauf sehr günstig und willig gezeigt. Der König erließ auch sogleich einen Befehl, in den Archiven Nachforschungen anzustellen, und auch von Bernstorf schrieb am 27. September 1763, daß er im königlichen Archive nachsuchen lassen und im günstigen Falle das Gefundene übersenden werde. Aber es fand sich wieder nichts und so gerieth die Sache wieder 30 Jahre lang in Stocken.


Die Sache war jedoch ans Licht gebracht und bekannt geworden. Da schrieb am 16. Januar 1792 plötzlich der aus einer meklenburgischen adeligen Familie stammende dänische Hofgerichtsassessor und Kammerjunker Etatsrath von Koß zu Christiania in Norwegen, der die Angelegenheit mit besonderem Eifer verfolgte, daß er nach langem Suchen das bischöfliche schwerinsche Archiv auf der Universitäts=Bibliothek zu Kopenhagen in dem Legate des Geheimen Archivars Arnae Magnae gefunden habe, und sandte ein von dem Geheimen Archivar Thorkelin verfaßtes Verzeichniß ein, welches dieser in den Druck geben wollte, wenn er wegen der Kosten schadlos gehalten würde. Die meklenburgische Regierung wandte sich sogleich, am 22. Februar 1792, wieder an den König und an den Grafen von Bernstorf , welcher auch seine Bereitwilligkeit zur Hülfe erklärte, aber auch eröffnete, daß die Urkunden , wenn sie nach Kopenhagen gekommen sein sollten, wohl 1728 verbrannt seien; wenn sich aber auf der Universitäts=Bibliothek noch Urkunden fänden, so trage der König Bedenken, der Universität, "als einem Corpori" , ein vermachtes Eigenthum zu entziehen , jedoch werde man gerne Abschriften gestatten. Als aber die meklenburgische Regierung am 4. Junii 1792 die Auslieferung der Originalien wünschte, wurden die Unterhandlungen wieder abgebrochen und die Sache wieder in Stillstand gesetzt.

Durch das gewonnene Verzeichniß der Urkunden war man aber endlich zu der Gewißheit gekommen, daß in Kopenhagen Original=Urkunden des Bisthums Schwerin vorhanden waren. Im Jahre 1816 regte der um die meklenburgische Geschichte eifrig bemühte und hochverdiente meklenburgische Hofmarschall von Oertzen die Sache wieder an und die meklenburgische

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Regierung wandte sich am 16. April 1816 an den dänischen Minister Grafen von Bernstorf, königlichen Gesandten in Wien, Sohn des ehemaligen Ministers, und bat ihn um Vermittelung zu der Auslieferung der Urkunden. In Folge der Bemühungen des Grafen von Bernstorf erklärte denn am 3. Junii 1817 der dänische Staats=Ministers, von Rosenkranz, daß der König seine Zustimmung zu der Auslieferung der Urkunden aus der Arnae=Magnaeanischen Sammlung gegeben habe, in Erwartung gleicher Willfährigkeit gegen dänische Geschichtsforscher. In Folge königlicher Resolution vom 14. Mai 1817 lieferte die Commission diese Urkunden aus und veröffentlichte darüber in Dänemark (in "Collegial=Tidende, von Monrad und Oerstedt, 1818, Nr. 26, S.368,) einen Bericht, welcher in deutscher Uebersetzung folgendermaßen lautet:

"Die Commission für die Professor Arne=Magnussen'sche Stiftung hat über ihre Bestrebungen in den letztverflossenen sechs Jahren ihren allerunterthänigsten Bericht eingesandt, folgenden Inhalts u. s. w. Da von der Meklenburg=Schwerinschen Regierung ein Antrag auf Zurücklieferung einiger "Schwerinensia", die während früherer Kriege nach Dänemark gekommen, eingegangen war, hat die Commission durch ihren Secretair ein Verzeichniß dieser Documente (im Ganzen ungefähr 100 Nummern , in der That gegen 120,) anfertigen lassen, und da diese Handschriften meistens jenes Land betreffende Details enthalten, erklärte sie sich zur Auslieferung der genannten Papiere bereit, obschon dieselben von dem Stifter des Legats seiner Zeit durch Kauf für seine Sammlung erworben waren, unter der Voraussetzung jedoch , daß die Schwerinsche Regierung wiederum diejenigen Aufklärungen für die dänische Geschichte mittheilen werde, die in den Archiven ihres Landes enthalten sein mögen. In Folge Allerhöchster Resolution vom 14. Mai 1817 sind diese Documente von der Commission ausgeliefert."

Die meklenburgische Regierung erbot sich zu einem Geschenke für die Commission, welches jedoch abgelehnt ward, und man kann nur sagen , daß sich die Commission höchst vor urtheilsfrei, freigebig und uneigennützig zeigte. Am 22. Julii 1817 schickte der meklenburgische Consul Hiorthoy die Urkunden mit Schiffsgelegenheit nach Rostock, wo sie am 22. August 1817 ankamen und von wo sie am 23. August 1817

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nach Schwerin geschickt wurden. Der Consul Hiorthoy zahlte dem Geheimen Archivar Etatsrath Thorkelin, Secretair der Commission , für seine Bemühungen im Namen der meklenburgischen Regierung ein Geschenk von 10 Louisd'or und erhielt selbst ein Geschenk von 6 Louisd'or. Hieraus ist die Sage entstanden, daß die meklenburgische Regierung die Urkunden gekauft habe, eine Annahme, welche sich nach den beiderseitigen Acten als unrichtig erweiset.

Diese Urkunden , ungefähr 100 an der Zahl, sind Original=Urkunden des Bisthums Schwerin, liefern also den Beweis, daß ein großer Theil des schwerinschen Stiftsarchivs nach Dänemark gekommen ist. Die Urkunden fallen meist in das 14. und 15. Jahrhundert, gehören nicht zu den wichtigeren Urkunden des Bisthums und wurden in Abschrift schon alle von dem Landrath von Negendank gewonnen und durch dessen Vermittelung zum größeren Theile schon in Schröder's Papistischem Meklenburg gedruckt.

Nachdem die meklenburgische Regierung dieses Ergebniß erkannt hatte, forderte sie noch ein Mal in Kopenhagen an, erhielt aber am 11. April 1818 von dem dänischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten von Rosenkranz die Versicherung, daß in der Urkundensammlung der Arnae=Magnaeanischen Stiftung keine Urkunden über das Stift Schwerin mehr aufgefunden seien, obgleich die ganze beträchtliche Urkundensammlung mit äußerstem Fleiß durchsucht worden sei: und dies hat sich auch nach bewährten Versicherungen bis in die neuesten Zeiten als zuverlässig bewiesen.


Zur richtigen Erkenntniß der Entführung und der Schicksale der schwerinschen Stiftsurkunden ist es nöthig, einen kurzen Blick auf die Arnae=Magnaeanische Stiftung in Kopenhagen zu werfen. Im ersten Viertheil des 18. Jahrhunderts lebte in Kopenhagen Arne Magnussen (Arnas Magnaeus), ein Isländer aus altem Geschlechte, geboren am 13. November 1663 auf dem Pfarrhofe Ovenna=brecka auf Island, wo sein Vater Magnus Jonsen 1658 1666 Pfarrer, nachher Districtsvogt war. Ueber Arne Magnussen giebt es eine gediegene Lebensbesehreibung von Werl auff: Biographiske Efterretninger om Arne Magnussen, af E. C. Werlauff, in Tidsskrift for Old kyndighet, Bind III., Kiöbenhavn, 1836, S. 1-167. Nach einer raschen ausgezeichneten Schulbildung ging er im Jahre

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1683 nach Kopenhagen auf die Universität und trat im Jahre 1684 bei dem Professor Bartholin als Amanuensis zur Bearbeitung der isländischen Alterthümer ein. Im Jahre 1685 reiste er nach Island, um den Nachlaß seines Vaters zu ordnen, zugleich aber auch , um alte Hanschriften zu sammeln. Von jetzt an begann er mit ungewöhnlicher Thätigkeit und großer Begabung bedeutende Forschungen und Reisen zur Sammlung reicher Schätze von Handschriften. Er machte große Forschungsreisen nach Island, Norwegen und Deutschland, wo er sich 1694 besonders lange in Leipzig aufhielt, und brachte sowohl in diesen Ländern, als auch in Dänemark, unglaublich große Schätze von Handschriften und Urkunden zusammen. lm Jahre 1697 ward er Archiv=Secretair mit den Geschäften eines Geheimen Archivars und dazu im Jahre 1701 Professor der Geschichte und Universitäts=Bibliothekar; er blieb bis zu feinem Tode am 7. Januar 1730 vorzüglich als Universitäts=Bibliothekar thätig. Während seines ganzen wissenschaftlichen Lebens wandte er alle denkbaren Bemühungen und Opfer auf, um auf jedem Wege von nah und fern alte Handschriften zu kaufen , was damals noch möglich war, jetzt aber fast unmöglich ist, und brachte auf diese Weise einen Schatz zusammen, dessen Größe und Werth noch jetzt wahrhaft staunenswerth ist und zu den größten Zierden Kopenhagens gehört. Wenn es auch sein Hauptstreben war, alte nordische Handschriften zu kaufen, so ist es doch bekannt, daß er auch alte Urkunden in ganz Europa aufkaufte und ohne Berücksichtigung der Opfer alle zu erwerben trachtete, welche nur irgend zu erreichen waren; die noch gegenwärtig vorhandenen, verhältnißmäßig geringen Ueberreste bilden noch ein ganzes ansehnliches Archiv. Leider erlebte der seltene Mann kurz vor seinem Tode den schmerzlichsten Verlust, den er nur erleiden konnnte. Am 20. October 1728 brach die große Feuersbrunst in Kopenhagen aus. In dieser ging auch die ganze Universitäts=Bibliothek unter und mit derselben gewiß mancher seltene Schatz an Handschriften und Urkunden. Am 31. October ergriff der Brand auch die Schätze des Bibliothekars Arne Magnussen, welcher eine so große Ausdehnung des Feuers nicht gefürchtet und daher keine Anstalten zur Rettung seiner Sammlungen ans seiner Wohnung getroffen hatte. Seine Büchersammlung ging fast ganz verloren. Von den alten Handschriften ward kaum der dritte Theil gerettet, jedoch glücklicher Weise die größte Masse der alten isländischen Handschriften, die er in seinem Studierzimmer aufgestellt hatte. Die sehr große Sammlung von Urkunden aller Art verbrannte aber zum größ=

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ten Theile; un d dennoch ist der übrig gebliebene Rest noch sehr bedeutend. Arne Magnussen überlebte diesen Verlust nicht lange; er starb schon am 7. Januar 1730. Nach dem Brande fuhr er jedoch bis zu seinem Tode unermüdet und unermüdlich fort zu sammeln. Die aus dem Brande geretteten Schätze vermachte er der Universitäts=Bibliothek zu Kopenhagen, wo sie noch jetzt aufbewahrt werden. Wie bedeutend Arne Magnussen's Schätze gewesen sein müssen, zeigen noch jetzt die Ueberreste auf der Universitäts=Bibliothek, welche einen wahrhaft bewundernswerthen Umfang haben und in ihrer Art kaum ihres gleichen auf der Welt haben dürften. Die altisländischen und alt=nordischen Sammlungen allein zählen jetzt noch 1761 Handschriften, unter denen sich 365 alte Pergamenthandschriften von dem größten Werthe befinden. Die norwegischen Urkunden sind in 100 Fascikel geordnet und die isländischen Pergamenturkunden belaufen sich auf 1600.

In dieser Sammlung befand sich auch eine Sammlung von Urkunden des Bisthums Schwerin, wahrscheinlich der letzte Rest des bischöflichen Archivs im Privatbesitze, da wohl anzunehmen ist, daß Arne Magnussen noch mehr schweriner Urkunden besaß, welche der Brand vernichtet hat. Und doch ist es für ein großes Glück zu achten, daß Arne Magnussen diese Urkunden sammelte und daß durch ein günstiges Geschick doch noch so viele aus dem Brande gerettet sind.


Diese 120 Urkunden sind dieselben, welche die Verwaltungs=Commission der Arne Magnussenschen Stiftung im Jahre 1817 an die meklenburgische Regierung abgetreten hat. Sie geben den sichern Beweis, daß das Archiv des Bisthums Schwerin nach Kopenhagen gekommen und hier früh zerstreut ist, da Arne Magnussen Gelegenheit finden konnte, so viele schwerinsche Urkunden an sich zu bringen. Zugleich giebt diese Sammlung aber auch den Beweis, daß das schwerinsche Archiv nicht in das königliche Archiv kam, sondern an einem leicht zugänglichen Orte untergebracht gewesen sein muß, von wo es sich leicht zerstreuen konnte.


Dennnoch waren nach den Erwerbungen des Landraths von Negendank und namentlich nach den von Schröder im Papistischen Meklenburg schon gedruckten Andeutungen und Urkunden Zeichen vorhanden, daß in Kopenhagen noch mehr schwe=

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rinsche Urkunden vorhanden seien. Aber am 6. December 1818 berichtete der Hofmarschall von Oertzen, daß die Versuche, welche er während seines Aufenthalts in Kopenhagen gemacht habe, Nachrichten über das schwerinsche Stiftsarchiv einzuziehen, gänzlich vergeblich gewesen seien. Der Geheime Archivar Thorkelin habe ihm versichert, "daß sich ganz bestimmt die Urkunden nicht im königlichen Archive befänden und er es nicht für unmöglich halte, daß das Pergament während Königs Christian IV. Regierung zu Patronen benutzt" worden sei. Am 16. December 1823 erhielt der meklenburgische Obrist von Kamptz den Auftrag, durch den dänischen Justizminister von Kaas, den er in Carlsbad kennen gelernt hatte, die Aufsuchung und Auslieferung der etwa noch vorhandenen Urkunden zu bewirken. Auf des Ministers Bemühungen erklärte aber Thorkelin wiederholt, daß im königlichen Archive nur Urkunden über gegenseitige Staatsverhandlungen vorhanden seien; ein Verzeichniß dieser Urkunden aber dürfte nach des Ministers Ansicht als ungebräuchlich nicht zu erwarten sein.

Als ich vom 26. Junii bis 6. Julii 1845 zu antiquarischen Studien in Kopenhagen war, erhielt ich auf Empfehlung der meklenburgischen Regierung durch Beförderung des Staatsministers Grafen von Reventlow=Criminil Zutritt zum königlichen Archive und der damalige Geheime Archivar Conferenzrath Finn Magnussen gab mir durch Vorlegung bischöflich=schwerinscher Urkunden den Beweis, daß im königlichen Archive zu Kopenhagen noch schwerinsche Stiftsurkunden aufbewahrt waren. Da die Zeit zu kurz gemessen, auch keine Vorbereitung getroffen war, ein so großes Geschäft, wie die Erforschung der etwa noch vorhandenen Urkunden auszuführen, so ward die Verabredung getroffen, daß von den vorhandenen meklenburgischen Urkunden Abschriften genommen und eingesandt werden sollten. Das meklenburgische Archiv erhielt auch im Jahre 1845 eine Lieferung Abschriften von 32 meklenburgischen Urkunden verschiedener Art, unter denen sich auch einige schwerinsche Stiftsurkunden befanden; darauf gerieth aber die Sache wieder in Stocken, bis der Geheime Archivar Finn Magnussen am 24. December 1847 starb.

Eine große Ueberraschung ward mir im Jahre 1845, als ich auf der Universitäts=Bibliothek in der Arnae=Magnussenschen Sammlung in einem Schrank eine Schieblade mit der Aufschrift "Zuerinensia" sah, aber auch eine eben so große Enttäuschung., als ich die Schieblade leer fand, welche die 1817 ausgelieferten Urkunden enthalten hatte und noch die alte Aufschrift trug.

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Nach Beruhigung der politischen Zustände trat ich mit dem jetzigen Geheimen Archivar Conferenzrath Wegener über diese Angelegenheit in Verbindung. Dieser ging auch im Jahre 1858 auf die freundlichste und bereitwilligste Weise auf meine Anfragen und Wünsche ein und erklärte mir, daß sich allerdings im königlichen Geheimen Archive noch viele Urkunden des Bisthums Schwerin und anderer geistlichen Stiftungen Meklenburgs fänden, und bot sich zu jeder hülfreichen Dienstleistung an, namentlich wenn ich selbst nach Kopenhagen kommen würde, um Abschrift von den vorhandenen Urkunden zu nehmen; er hielt sich jedoch für verpflichtet, sich gegen die Auslieferung der Urkunden zu erklären, da die Stiftsurkunden , wie es auch zweifellos ist , nicht im königlichen Archive zur Aufbewahrung niedergelegt, sondern von dem Archive nach und nach erworben und diesem einverleibt seien. In Folge gegebener Erlaubniß und unter der besondern Protection Sr. Majestät des Königs Frederik VII. begab ich mich daher mit Bewilligung und Unterstützung des meklenburgischen Staatsministerii mit dem Archivschreiber Jahr am 12. Mai 1859 nach Kopenhagen, wo ich mit dem letztern bis zum 17. Iunii ununterbrochen im Geheimen Archive arbeitete. Es ward uns hier durch den Geheimen Archivar Wegener und sonst mit der allergrößten Bereitwilligkeit und Zuvorkommenheit jede gewünschte Anfklärung gegeben, der gesammte Stoff vorgelegt und alle mögliche Erleichterung und Annehmlichkeit geboten, so daß ich annehmen kann, den Zweck vollständig erreicht zu haben. Vorzüglich angenehm war mir der gebotene Ueberblick, um mir ein richtiges Urtheil über die Schicksale des schwerinschen Stiftsarchivs zu bilden.

In den jetzigen Sammlungen des Archivs finden sich zwar viele Stiftsacten und Urkunden, aber nicht in der alten Hauptsammlung oder dem eigentlichen königlichen Geheimen Archive, welches nur zwei päpstliche Bullen für das Kloster Rühn von 1397 und für das Bisthum Schwerin von 1516 enthält, welche auch auf andere Weise, als durch die Flucht vom Jahre 1627, nach Dänemark gekommen sein können. Die Masse der Urkunden und Acten des Stifts Schwerin befindet sich in einer in neuern Zeiten angelegten Nebensammlung des Archivs, welche aus später erworbenen Urkunden besteht und den Titel "Accessoria " führt, also für Meklenburg den Titel: "Accesoria Mecklenborg". Hieraus geht hervor, daß das schwerinsche Stiftsarchiv nicht im königlichen Archive deponirt sein könne, weil in diesem Falle ohne Zweifel alles Deponirte noch im Archive vorhanden sein würde. Das schwerinsche Archiv wird

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also ohne Zweifel ohne besondere Aufsicht an einem jetzt nicht mehr bekannten Orte in Kopenhagen niedergesetzt und dadurch nach und nach zerstreut worden sein, da sonst nicht so viele schweriner Urkunden in so verschiedenen Sammlungen von Gesellschaften und Privatleuten vorhanden gewesen sein würden, wie sie z. B. Arne Magnussen erwerben konnte. Daher ist sicher anzunehmen, daß das Archiv in spätern Zeiten durch Gabe, Kauf oder sonst in den Besitz der Accessoria gekommen ist, wie sich noch heute bei manchen Privatleuten alte Urkunden allerlei Art finden. Vieles mag auch untergegangen sein, nicht allein in dem großen Brande von 1728 bei Arne Magnussen und andern Privatleuten, und in spätern Bränden, sondern auch bei andern Gelegenheiten. So ist es z. B. viel besprochen, daß bei der Vermählung des Kronprinzen Christian, eines Sohnes des Königs Christian IV., am 5. October 1634, der König Erlaubniß gegeben habe, die alten zugänglichen und zerstreuten Pergamente und Papiere zu den Feuerwerken zu benutzen, welche von der Hofverwaltung in Kopenhagen gegeben wurden und wodurch viel Werthvolles untergegangen ist. In den Unruhen des dreißigjährigen Krieges ist ohne Zweifel auch viel vernachlässigt.


Ich berichte nun darüber, was ich im königlichen Archive an alten Urkunden gefunden habe.

1) Im alten Geheimen Archive fand ich 2 päpstliche Bullen, eine für das Kloster Rühn vom Jahre 1397 und eine für das Bisthum Schwerin vom Jahre 1516, welche beschädigt und wohl in Privathänden gewesen sind.

2) In der Sammlung des Geheimen Archivs "Accessoria Mecklenborg" fand ich 74 alte Urkunden, nämlich 50 des Bisthums Schwerin von 1327-1553, 13 des Klosters Rühn von 1261-1558, 2 des Klosters Dobbertin von 1579, 1 des Klosters Neukloster von 1516 (Arcimbolds Ablaßbrief), 1 der Universität Rostock, 4 des herzoglichen Hauses Meklenburg von 1344, 1 der Stadt Rostock von 1514, .2 von Privatleuten 1346-1361.

3) In der Sammlung der königlich=dänischen Gesellschaft für vaterländische Geschichte und Sprache im Geheimen Archive fand ich auch 10 meklenburgische Urkunden, und zwar 1 päpstliche Bulle für das Bisthum Schwerin von 1252, welche sicher aus dem schwerinschen Archive stammt, und 9 Urkunden des Klosters zum Heiligen Kreuz und des Hospi=

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tals zum Heiligen Geist in Rostock. Diese Urkunden sind im Jahre 1750 von dem Lieutenant Schervin der Gesellschaft geschenkt worden. Die seit länger als hundert Jahren bestehende, von dem berühmten Geschichtsforscher Langebeck gestiftete Gesellschaft sammelte auch Urkunden, hat aber in neuern Zeiten ihre Urkunden=Sammlungen dem königlichen Geheimen Archive übergeben. Es sind also von 3 verschiedenen Orten her alte schwerinsche Stiftsurkunden ins königliche Archiv gekommen. Es leidet daher keinen Zweifel, daß das schwerinsche Stiftsarchiv in Kopenhagen früh zerstreut worden und daß hier gewiß vieles davon untergegangen ist.

Ich habe also im Jahre 1859 wieder 52 Urkunden des Bisthums Schwerin in Abschrift nach Schwerin gebracht , wozu noch mehrere kommen , welche das schweriner Archiv im Jahre 1845 in Abschrift gewann. Außer den aufgeführten Urkunden fand ich aber Gelegenheit, auch noch von andern meklenburgischen Urkunden Abschrift zu nehmen, so daß ich im Jahre 1859 mehr als 110 Urkunden in Abschrift nach Schwerin brachte.

Diese Zahlenverhältnisse stimmen auch ungefähr zu der Zahl der Urkunden, welche der Landrath von Negendank in Abschrift gewann. Negendank hat nur 3 nicht wichtige Briefe mehr, welche sich jetzt nicht in Kopenhagen und in Schwerin haben finden lassen. Sonst hat die Negendanksche Sammlung keine Urkunde, welche sich jetzt nicht im Archive zu Schwerin befände, ein Beweis, daß man schon 1740 in Kopenhagen den ganzen Vorrath schwerinscher Urkunden übersah, als von Negendank sich die Abschriften zu verschaffen wußte.


Diese Darlegungen geben einen klaren Ueberblick über die alten Urkunden des Stifts Schwerin, welche in Kopenhagen zu suchen gewesen sind. Anders verhält es sich aber mit den jüngeren Urkunden und Acten über das Sift Schwerin und das Kloster Rühn. Es findet sich nämlich in der Archiv=Sammlung "Accessoria Mecklenborg" zu Kopenhagen noch eine sehr große Masse jüngerer Urkunden und Acten, welche offenbar und ohne Zweifel aus dem Archive des Admi nistrators Ulrich III. Prinzen von Dänemark stammen. Es liegen hier z. B. viele Original=Urkunden über schwerinsche Stiftsgüter und Zehnten, alle Original=Urkundtn über die Wiederherstellung des Klosters Rühn seit 1578 und dessen Güter,

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alle Acten über die Verwaltung des Klosters, umfangreiche Einnahme=und Ausgabe=Register, Inventarien, alte Acten anderer Klöster, welche offenbar zur neuen Einrichtung des Klosters Rühn gebraucht sind, fürstliche Hauspapiere und Correspondenzen aller Art aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Diese Sachen sind so umfangreich, daß sie eine kleine Registratur bilden und nur verzeichnet werden konnten. Sie geben aber den Beweis, daß die Urkunden und Acten, welche im Jahre 1627 vor den Kaiserlichen gerettet wurden, das Archiv des Administrators des Stifts bildeten und nach Kopenhagen gekommen sind, ohne daß jedoch behauptet werden kann, daß der Administrator im Besitze des ganzen Archivs des Bisthums gewesen sei. Dies erhellt aus manchen merkwürdigen Umständen. So lagen zu Kopenhagen in dem Archive des Admini strators von den alten Urkunden des Klosters Rühn nur die Urkunden über das Patrotnat der Kirche zu Frauenmark (vgl. Jahrb. XXV., S. 293), welche wahrscheinlich zu irgend einer Verhandlung benutzt und nach Bützow geschickt gewesen sind. Wären alle Urkunden des Klosters in den Händen des Administrators gewesen, so hätten sich gewiß mehr und noch andere Urkunden in Kopenhagen gefunden.


Ein ungefährer Ueberblick über die jetzt bekannten Urkunden des Bisthums Schwerin, deren 1700 Stück gewesen sein sollen, wird den Beweis geben daß das Archiv sehr früh zerstreut worden ist, und daß es sicher dem Archive sehr geschadet hat, daß das Dom=Capitel, welches seit der Reformation gewiß sehr nachlässig ward, einen Theil der Urkunden besaß, und der bischöfliche Administrator einen andern Theil durch seine Beamten verwalten ließ, welche in Bützow gewiß auch nicht sehr sorgsam mit den alten Urkunden umgingen. Das Dom=Capitel besaß bei der Auflösung desselben noch gegen 200 Urkunden, welche in dem "Schranke" lagen, welches Wallenstein auf das Schloß zu Schwerin hatte bringen lassen und welches am 23. Januar 1644 wieder an das Dom=Capitel zurückgeliefert ward. Nach dem noch vorhandenen Inventarium waren darunter viele Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert, aber auch viele "unleserliche Briefe". Dieser Schrank hat lange in dem "Capitelhause" am Dome gestanden, wo ich ihn vor vielen Jahren noch gesehen habe, und mag noch jetzt dort stehen. Hier wird viel vermodert und abhanden gekommen sein. Wahrscheinlich sind die Ueberreste

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dieser Sammlung in das landesherrliche Archiv zu Schwerin gekommen und haben den Grund zu der jetzigen Urkunden=Sammlung des Stifts Schwerin gebildet; jedoch läßt sich dies zur Zeit noch nicht übersehen. Es lagen jedoch noch in neuern Zeiten einige Urkunden im Capitelhause. Im Jahre 1778 hatte der Professor Martini zu einem Programme mehrere Urkunden des Stifts Schwerin benutzt, welche im Archive fehlten. Auf Anfrage äußerte er, daß sie ihm von einem guten Freunde mitgetheilt und muthmaßlich in Schwerin vorhanden seien. Hierauf berichtete der Kirchen=Visitations=Secretair Menckel, daß "die wenigen Urkunden, welche sich gegenwärtig

in der Domkirchen=Registratur auf dem Capitelhause befänden, erst aus Staub und Moder hervorgesucht seien, als von ihm in den ersten 8 Jahren seines Amtes die ganze Registratur in Ordnung gebracht" sei. In Folge dessen wurden im October 1778 von Menckel 12 Urkunden aus dem 16. und 17. Jahrhundert an das Archiv abgegeben und im Februar 1779 noch 30 ähnliche Urkunden nachgeliefert. Vor etwa 20 Jahren fand ich bei genauer Revision keine. Urkunden mehr im Capitelhause.


Nach allen diesen Bestrebungen bestehen die Ueberreste des bischöflich=schwerinschen Archivs aus folgenden Urkunden:

I . aus den Urkunden, welche zu verschiedenen Zeiten von dem Dom=Capitel zu Schwerin ins Archiv gekommen sind;

II. aus den Urkunden, welche aus dem Archive des Stifts=Administrators zu Bützow im Jahre 1627 nach Kopenhagen versetzt und von hier

a. im Jahre 1817 aus der Arne=Magnussenschen Sammlung auf der Universitäts=Bibliothek zurückgegeben,

b. im Jahre 1859 aus dem königlichen Geheimen Archive in Abschrift nach Schwerin gebracht und

c. im Jahre 1859 aus Privat=Sammlungen ebenfalls in Abschrift nach Schwerin gebracht sind;

III. aus Urkunden, welche sich zerstreut in Deutschland gefunden haben.

a. Die wichtige ächte Original=Urkunde des Herzogs Heinrich des Löwen über die Stiftung des Bisthums Schwerin vom Jahre 1171 (vgl. Lisch Meklb. Urk. III., S. 23 flgd.) ist wahrscheinlich mit noch andern Urkunden nach des Archivars Schultz d. ä. Bericht im Anfange des 18. Jahrhunderts in dem am Dom befindlichen Archive zu Güstrow gefunden worden. Dieser Fund giebt den Beweis, daß im Jahre 1627 nicht

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alle Urkunden von Bützow nach Kopenhagen, sondern auch Urkunden von Bützow nach Güstrow in die Wallensteinsche Canzlei gebracht sind.

b. Die wichtige Original=Bulle des Papstes Urban III. vom Jahre 1185 ist im Jahre 1859 von dem Herrn Archiv=Registrator Sudendorf im königlichen Staats=Archive zu Hannover entdeckt worden( vgl. Jahrb. XXVI., S. 90).Es ist nun freilich möglich, daß diese Urkunde schon in den ältesten Zeiten im braunschweig=lüneburgischen Archive zurückbehalten ist ;sie kann aber auch in jüngern Zeiten dahin gekommen sein.

c. Mehrere meklenburgische Original=Urkunden liegen im Archive der Stadt Hamburg und wurden mit Bewilligung des Senats von dem Archivar Dr. Lappenberg dem Verein für meklenburgische Geschichte in Abschrift mitgetheilt. Von denselben betreffen 6 ausschließlich das Bisthum Schwerin, namentlich die Verwaltung des Bisthums durch den Bischof Gottfried aus den Jahren 1297, 1305 und 1314. Wenn sich nun auch annehmen ließe, daß diese Urkunden in Verhandlungen mit dem Erzbisthum Bremen in Hamburg liegen geblieben sein könnten, so ist es doch auch möglich, daß sie aus dem zerstreuten Stiftsarchive stammen, da einige Zeit später der Archivar Dr. Lappenberg dem Vereine wieder 12 Original=Urkunden der Vikareien zu Sternberg aus dem Nachlasse des Professors Hermann zu Hamburg schenkte.

Aus allen diesen Andeutungen geht hervor, daß die Urkunden des Bisthums Schwerin seit langer Zeit weit zerstreut und sehr vernachlässigt, keineswegs aber alle in Kopenhagen zu suchen sind.

Es ist möglich daß Privatleute in Kopenhagen noch im Besitze von alten Urkunden sind und ich bin so glücklich gewesen, manches dieser Art zu sehen (vgl. Jahrb XXV., S. 191), habe aber keine meklenburgische Urkunde darunter gefunden. Man ist auch seit längerer Zeit sehr bemüht, die verborgenen Quellen zu öffnen, und es würden sicher Nachrichten davon zu haben sein, wenn noch irgendwo nennenswerthe Schätze vorhanden wären.

Auch in den Bibliotheken Kopenhagens finden sich weder Urkunden , noch andere Handschriften des Bisthums Schwerin. Die große königliche Bibliothek besitzt dergleichen nicht, wie mir der Ober=Bibliothekar Conferenzrath Werlauff und der Bibliothekar Justizrath Bölling auf das Bestimmteste versichert haben und ich selbst durch das Studium der Handschriften=Kataloge erfahren habe. Daß auch die Uni=

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versitäts=Bibliothek nichts mehr besitzt, haben mir der frühere Bibliothekar, spätere Minister Madvig und der jetzige Bibliothekar Thorsen eben so bestimmt versichert und ich habe mich selbst durch das mir bereitwilligst gestattete Studium der Handschriften=und Urkunden=Kataloge davon überzeugt.


Ich bin daher fest überzeugt, daß jetzt in Dänemark keine Urkunden des Bisthums Schwerin mehr zu finden sind und keine Orte nachgewiesen werden können, wo noch Urkunden zu finden wären. Ich glaube, daß jetzt alles zusammengebracht ist, was zu finden gewesen ist, und dies reicht auch schon aus, um eine Geschichte des Bisthums herzustellen , namentlich mit Hülfe des vollständigen Urkundenverzeichnisses von Daniel Clandrian vom Jahre 1609, als die Urkunden noch ziemlich vollständig beisammen waren. Eben so fest glaube ich, daß sehr viel untergegangen und unwiederbringlich verloren ist. Namentlich fehlen viele wichtige Urkunden über die Einrichtung, die Ordnung, die Güter und die Grenzen des Stifts aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ganz.

Die einzige Aussicht bleiben noch die alten Diplomatarien oder Abschriftenbücher, deren das Stift selbstverständlich und nach urkundlichen Aussagen mehrere besaß. Von diesen ist in Meklenburg und Dänemark keine Spur zu finden. Da aber Wallenstein die Capitelurkunden auf das Schloß zu Schwerin bringen ließ, so wäre es möglich, daß die schweriner Diplomatarien als leicht transportable Bücher bei dem Abzuge des wallensteinschen Cabinets, von welchem im schweriner Archive nichts vorhanden ist, mit nach Böhmen auf die wallensteinschen Schlösser, nach Dux oder Gitschin, gekommen wären. Nach mir gewordenen sichern und achtungswerthen Mittheilungen befindet sich zu Gitschin noch ein großes altes wallensteinsches Archiv.

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III.

Ueber

ein Todtenbuch des Dominikanerklosters

zu Rostock

von

G. C. F. Lisch.


D ie Universitäts=Bibliothek zu Rostock besitzt ein altes Buch in Folio "Tractatus de quatuor virtutibus cardinalibus, per fratrem Heinricum Ariminensem ad Venetos editus" gedruckt zu Straßburg, ohne Jahr. Das Buch gehörte früher nach dem Einbande dem Karthäuserkloster Marienehe bei Rostock und kam von dort mit den übrigen Büchern dieses Klosters an die Bibliothek der Marienkirche zu Rostock und in den neuesten Zeiten von hier an die Universitäts=Bibliothek daselbst. Es ist noch in den ursprünglichen, hübsch gepreßten Lederband aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gebunden, mit messingenen Clausuren und eisernem Ringe zur Anlegung an eine Kette. Vorne und hinten ist ein beschriebenes Pergament blatt in den Deckel geklebt. Das hintere Blatt ist ein Bruchstück von einer theologischen Handschrift. Angebunden ist ein handschriftliches canonisches Werk, welches im 15. Jahrhnndert auf Papier geschrieben ist.

Das vordere Blatt ist ein vollständig erhaltenes Blatt aus dem Todtenbuche (Nekrologium) eines Klosters. Jede Seite ist mit 49 Linien liniirt , so daß immer 7 auf einen Wochentag des Kalenders kommen, von denen die ersten be=

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schrieben, die übrigen zu Nachtragungen offen geblieben sind. Auf dem linken Rande steht bei den einzelnen Tagen zuerst die "Stunde" in arabischen Ziffern, dann die "güldene Zahl'' in römischen Ziffern; am Ende der zweiten Seite ist unter diese beiden Columnen queer geschrieben : "hore" und "aureus numerus". Dann folgen von zwei senkrechten Linien eingefaßt die "Sonntagsbuchstaben", von denen das a mit rother Farbe geschrieben ist. Den Anfang einer jeden Abtheilung von 7 Zeilen macht innerhalb der Zeilen der Monatstag in großen Buchstaben mit rother Farbe geschrieben. Einige Male ist auch der Heiligenname beigeschrieben, entweder mit schwarzer oder mit rother Farbe. An zwei Stellen sind die gleich als "Memorien" eingetragenen Tage durch rothe Linien über den Buchstaben, durch ein vorgesetztes rothes .Zeichen und durch ein rothes nota auf dem Rande rechts kenntlich gemacht. An drei andern Stellen ist die "Memorie" durch das schwarz übergeschriebene Wort memoria bezeichnet. Diese beigeschriebenen Worte: no a und memoria sind in dem Abdrucke durch Einklammerungen bezeichnet.

Die beiden Seiten umfassen die Zeit vom 7. Julii bis 20. Julii , also 2 Wochen. Die eingezeichneten Heiligentage stimmen mit den sonstigen Angaben meklenburgischer Urkunden überein: Sieben=Brüder=Tag fällt auf den 10. Julii, Margarethe ist auf den 13. Julii mit rother Farbe eingetragen, eine Angabe, welche mit andern Angaben meklenburgischer Urkunden übereinstimmt; der sehr schwankende Tag des H. Prokop ist am 11 . Julii verzeichnet.

Die Handschrift ist sehr verschieden; mit Ausnahme der ersten Handschrift scheinen fast alle spätern Eintragungen von verschiedenen Händen geschrieben zu sein. Es läßt sich aber die erste Hand ziemlich genan erkennen, und diese leitet auch auf die Zeit der Anlage dieses Todtenbuches. Bei mehreren Tagen sind nämlich die ersten Eintragungen, welche hier mit Egyptienne =Schrift gedruckt sind, alle von einer und derselben, schönen, festen Hand, einer Handschriftenhand , geschrieben, welche wohl spätestens der ersten Hälfte des 14 Jahrhunderts angehört. Daraus ergiebt sich, daß dieses Todtenbuch nicht die erste Anlage ist, sondern daß es aus andern, ältern Nachrichten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zusammengestellt und späterhin fortgeführt ward. Darauf folgen in zweiter Ordnung mehrere Eintragungen von verschiedenen Händen (hier mit gewöhnlicher Antiqua - Schrift gedruckt), welche der ersten Hand ziemlich ähnlich, aber mehr geschäftsmäßig geschrieben sind und der zweiten Hälfte und dem

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Ende des 14. Jahrhunderts angehören. Dies wird glücklicher Weise dadurch bestätigt, daß auf der ersten Seite oben auf dem Rande neben der ersten Eintragung aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Jahreszahl: " Anno domini 1376", in arabischen Ziffern , beigeschrieben ist. Die Handschriften in dritter Ordnung, hier mit Petit-Schrift gesetzt, aus dem 15. Jahrhundert, sind sehr verschieden und oft schwer zu unterscheiden und zu bestimmen. Zwei Male kommt eine Jahreszahl vor: auf der ersten Seite die Jahreszahl 1442, auf der zweiten Seite die Jahreszahl 1482. Die letztere Jahreszahl ist sehr schwierig; es steht da offenbar und klar MCCCC8II; da die Schrift bestimmt viel jünger ist, als die Zeit um 1410, so läßt sich diese Jahreszahl nur in Folge einer Vermischung von römischen und arabischen Ziffern für 1482 erklären.

Die Hauptaufgabe, welche zu lösen ist, ist die Beantwortung der Frage, wem dieses Nekrologium gehörte. Da oft "Brüder" genannt werden, so gehörte das Nekrologium ohne Zweifel einem Kloster. Viele aufgeführte Namen gehören rostocker Geschlechtern, z. B. Katzow ("Kasow"), Baumgarten ("de Pomerio"), Westphal, Komann (statt Kopmann), Subus, Lyse, oder Personen aus der Gegend von Rostock an, z. B. Hermann von Bentwisch Pfarrer; auch viele Klosterbrüder führen Namen von Dörfern des nordöstlichen Meklenburgs, z. B. Radolph von Karin, Johannes Methling , Hermann Pennewit, Johann Sarnekow , Thomas Zahrenstorf. Vorzüglich bemerkenswerth ist aber, daß eine ganze Generation der rostocker Patricierfamilie Katzow ("Kasow") eingetragen ist. Daher wird das Nekrologium einem rostocker Kloster, und zwar dem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gestifteten Dominikanerkloster zu Rostock angehört haben. Dies geht aus den Würdenträgern des Klosters hervor, welche eingetragen sind. Es wird als im Jahre 1482 als gestorben aufgeführt:

"Bruder Engelbert von Münster Prior"

und als im 15. Jahrhundert gestorben:

"Bruder Thiderich von Barth Subprior",

ferner als im Jahre 1422 gestorben:

"Bruder Johann von Münster Prediger."

Da nun die Klöster der Dominikanermönche, auch Prediger=Brüder genannt, von Prioren regiert wurden, so gehörte dieses Nekrologium sicher dem Dominikanerkloster zu Rostock. Leider sind zu wenig Nachrichten von diesem Kloster bekannt, als daß sich bis jetzt aus Urkunden die namentlich aufgeführten Personen, besonders der Prior Engelbert, aus andern

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Quellen nachweisen ließen. Man könnte auch meinen , das Nekrologium habe dem Karthäuserkloster Marienehe bei Rostock angehört, da dieses auch von Prioren regiert ward; aber dieses ward erst im Jahre 1396 gestiftet; auch würden wohl nicht so viele Rostocker dort begraben worden sein; das Nekrologium würde auch sicher nicht so früh , in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zum Einbinden zerschnitten worden sein, da das Kloster Marienehe unter einem sehr kräftigen Regimente bis in das Jahr 1552 bestand.

Es würde sich über dieses Nekrologium viel mehr Licht verbreiten lassen, wenn mehr Special=Geschichte von der Stadt Rostock bekannt wäre. Jedoch wird sich Einiges zur Erläuterung beibringen lassen. Aufgeführt wird z. B. auf der ersten Seite: "Ludgart Frau des Bernhard Kopmann" (wofür durch einen Fehler Komann geschrieben steht). Nach einer Mittheilung des Herrn Syndicus Dr. Mann zu Rostock schloß die Familie Kopmann im Jahre 1336 einen Vergleich über den Nachlaß des Arnold Kopmann, dessen Bruder der Rathmann Bernhard war, welcher im Jahre 1336 noch lebte. Nach der Mittheilung des Herrn Canzellisten Rogge zu Rostock bildet der Leichenstein des Bernhard Kopmann jetzt die Deckplatte des Altars der Nicolai=Kirche zu Rostock; nach dieser Inschrift in Majuskelschrift starb Bernhard Kopmannn im Jahre 13. 2; leider sind die Zehner nicht zu lesen; wahrscheinlich ist das Todesjahr aber 1342 oder spätestens 1352. Im Jahre 1383 kommt noch einmal ein Bernhard Kopmann als Kämmerier (camerarius) vor; dieser ist aber für die Schrift der Eintragung zu jung. Im 15. Jahrhundert ist aber in Rostock der Name dieses Geschlechts völlig verschwunden, welches noch jetzt in Dänemark als adelige Familie mit gleichem Wappen zu existiren scheint. Die Eintragung ist mit gleichzeitiger, jüngerer Schrift aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschehen. Hieraus geht zugleich die Bestätigung der Annahme hervor, daß die Handschrift der ersten Eintragungen älter sei, als 1350, und aus der ersten Hälfte oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts stamme.

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10. v.            f.          Nonas. Anniuersarium omnium sanctorum apud nos.
Obiit domina Gheze Kasowe hic sepulta.
                       ¦Anno dni. 1376.
Item Johannes Casowe, Hinricus Kasowe, dominus Engelbertus Kasowe (rel.?), Hennekynus Kasowe, dominus Wylkynus Kasowe sacerdos,Wyllerus Kasowe, dominus Nicolaus Kasowe canonicus et Nicolaus Kasowe, qui omnes habent hic perpetuam missam.
1[2]. xvııı. g. vııı. Idus.    Obiit frater Johannes musicus sacerdos.
Obiit Johannes Premslave hic pultos.
14. vıı.      a.  vıı.  Idus. Obiit Gertrudis de Paulstorpe hic sepulta.
§ Memoria Alheydis Brandenborghes.       ¦no a
In quam fratres habebunt pietatem.
b.  vı.  Idus. Septem fratrum. Obiit Hadewigis et Hadwigis, Christina, Jacobus.
                              ¦memoria.
Item frater Bartholomeus dyaconus
Item frater Johannes de Monasterio iubilarius sacerdos et predicator sub annis domini 1422°
§ Memoria Johannis Vinken et.            ¦no a.
Mechtildis vxoris sue. In qua fratres presentes habebunt distribucionem duarum marcarum.
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3. xv.      c.  v.      Idus, Obiit Wilhelmus de Pomerio nobiscum sepultus.
Sancti Procopii confessoris.
Obiit Hinricus Westfal sacerdos.
23.     ıııı.    v. ıııı. Idus. Obiit Allexander Heseler hic sepultus.
Obiit Conradus Gruwel , qui habet hic vnam missam perpetuam.
e. ııı.   Idus. Margarete virginis et martiris. Obiit domina Ludghardis vxor Bernardi Koman apud nos sepulta.
Item Nicolaus de Krempin hic sepultus.
----------------------------------------------------------------------
12.    xıı.    f.    ıı. Idus. Obiit frater Humbertus magister ordinis.
Item frater Radolphus de Korin sa cerdos.
Item frater Hinricus Haghemester nouicius.
g.         Idus. Tobe Grunenhagenscenbroder hic sepultus.
Obiit frater Thidericus de Bart subprior. Anno domini MCCCC8II in estate obierunt infraseripti p. et ff. : frater Henningus Molre con uersus, frater Cristianus Wilde sacerdos, frater Johannes M ee tlike sacerdos, frater Otto Heren, Augustinus Adriani , Thomas de Holten de Zutphania, Hermannus Penneuit , Jacobus conuersus, Nicolaus Gruser , Rodolphus conuersus, Johannes Scernekow, frater Enghelbertus de Monasterio prior , frater Thomas Zarenstorpe dyaconus et frater Benedictus tercianus etc.
Eodem anno in hyeme [frate]r Thomas conuersus, frater Mauricius sacerdos.
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9.     ı.        a. xvıı. kl.Augusti. Obiit dominus Wernerus Kabolt miles hic sepultus.
Obiit Johannes scolaris filius Rotgheri
magistri hic sepultus.
21.       ıx.      b. xvı. kl. Obiit dominus Hermannus de Bentwiz plebanus hic sepultus.
Item frater Johannes Willeri sacerdos
Obiit Margareta Wybrandes hic sepulta.
c. xv.    kl. Obiit Heinricus filius Salmonis.
¦memoria.
Obiit Mette Louenborghes hic sepulta.
9.   xvıı.  d. xıııı.  kl. Obiit dominus Rotcherus Niger apud nos sepultus.
Item Euerardus Subuz hic sepultus.
Item dominus Hinricus ortulanus sacerdos hic sepultus.
e.  xııı.  kl.    Obiit Johannes Lyse benefactor fratrum.              ¦memoria.
hore. aureus numerus. Item Gese vxor Hinrici . . . . . . . . . . . . .
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IV.

Die Stadt Krakow

und

Oldendorf,

von

G. C. F. Lisch.


D as Alter der Stadt Krakow hat sich bis jetzt nicht über das Jahr 1298 hinaus zurückführen lassen. Die Stadt wird in diesem Jahre zuerst genannt , als der Fürst Nicolaus von Werle am 21. Mai 1298 dem Kloster Doberan die beiden zunächst bei der Stadt gelegenen Seen, den "krakower See" und den "oldendorfer See" verkauft (vgl. Jahrb. XVII., S. 287): der Fürst verkauft die beiden Seen:

"den einen, welcher größer ist und an der Stadt Krakow liegt, woher er auch den Namen erhalten hat, daß er krakower See genannt wird, den andern, welcher kleiner ist, und an das Dorf' welches Oldedorp genannt wird, stößt, welche beide Seen immer verbunden gewesen und bisher ungetheilt geblieben sind:"
("vnum quod est maius et oppido Cracowe adiacet, vnde eciam traxit vocabulum, ut stagnum in Cracowe appelletur, alter quod est minus et ville, que Oldedhorp vocatur, est contiguum, que duo stagna semper fuerunt coniuncta et manserunt hactenus indiuisa.")

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An demselben Tage bewilligte die verwittwete Fürstin Sophie von Werle mit denselben Worten diesen Verkauf, da diese beiden Seen mit zu ihrem Leibgedinge gelegt waren.

Bei diesem Verkaufe ward jedoch ausdrücklich bedungen, daß

"die Bewohner der Stadt Krakow der Freiheit auf dem großen See und auf einigen Inseln desselben genießen sollten, welche sie als ihnen von den Vorfahren des Fürsten verliehen durch glaubwürdige Urkunden klar beweisen könntent":
("inhabitantes oppidum Cracowe libertate illa fruentur in maiori stagno et in quibusdam ipsius maioris stagni insulis, quam sibi a progenitoribus nostris datam et indultam priuilegiis siue autenticis litteris ipsorum progenitorum nostrorum probare potuerint euidenter").

Die Stadt ist also viel älter als 1298, und wahrscheinlich durch den Fürsten Nicolaus I. (1237 † 1277), wenn nicht schon von Borwin gestiftet. Leider hat die Stadt kein altes Denkmal mehr, und auch an der Kirche ist so viel herumrestaurirt , daß sich ein Styl nicht mehr erkennen läßt. Nur die romanisireuden Lissenen an den Ecken deuten noch auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts für den ursprünglichen Bau hin. Das Eigenthum des großen krakower Sees hat immer den Fürsten gehört; jedoch sind der Stadt Krakow immer umfängliche Fischereigerechtigkeiten auf dem See und zwei Inseln oder "Werder" , der Schwerin und der Lehmwerder (im 14. Jahrhundert Leuen Werder), in demselben bestätigt worden.

Im Jahre 1298 ward dem Kloster Doberan auch der landesherrliche See verkauft, welcher bei dem Dorfe Oldendorp lag. Dieses Dorf steht nicht mehr und ist früh untergegangen, stand aber nach der Urkunde gewiß noch im Jahre 1298.

Dies giebt Veranlassung, die Verhältnisse der Feldmarken der Stadt Krakow und der angrenzenden Güter zu untersuchen.

Die wendische Fürstenburg Krakow lag nicht an der Stelle der jetzigen Stadt, sondern eine weite Strecke südlich davon im krakower See nahe am Ufer, auf Stadtgebiet, nördlich von dem Dorfe Möllen, dem alten Burgwalle von Dobbin gegenüber (vgl. Jahrb. XXIV., S. 303 flgd.). Dieser Burgwall wird noch in den Acten des 17. und 18. Jahrhunderts "Borgwall" genannt und ist noch heute unter diesem Namen bekannt. Die Lage ist der von Kutsin (Quetzin) ähnlich.

Westlich von dem großen krakower See und dem Burgwalle lag an einem kleinern See früher ein Dorf, welches

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wohl ohne Zweifel Krakow hieß und zu dem Burgwalle gehörte. Nachdem die Stadt Krakow gegründet war, verlor dieses Dorf den Namen und ward das Olde Dorf oder Oldendorf genannt. Die Ackerfeldmark dieses Dorfes, welches, nach der oben angeführten Urkunde noch im Jahre 1298 stand, ward bei der Gründung der Stadt Krakow zu der Stadtfeldmark gelegt und bildete wohl einen Hauptbestandtheil derselben.

Leider besitzt die Stadt keine Urkunden mehr. Die älteste Bestätigung der Stadtprivilegien stammt aus der Zeit 1365-1375; das großherzogliche Archiv besitzt eine jüngere Abschrift in deutscher Uebersetzung, in welcher leider der Schluß mit dem Datum weggelassen ist. Da aber der Fürst "Johannes de oldere von Werle" die Urkunde ausgestellt hat, so muß sie in die Zeit 1365-1375 fallen. Nach dieser Bestätigung waren der "stadt breve vorbranth", bei einer Eroberung, wie eine jüngere Urkunde sagt. Durch diese Urkunde wird der Stadt Krakow auch der Besitz der Felder von Oldendorp versichert:

"Mehr vnse gedachten rhatmanne weyde in scheden vnde velden des Olden Dorpes myt stadtrechte ganß scholen beholden."

Damals stand also das Dorf Oldendorp nicht mehr.

In der nächsten Bestätigung durch die letzten Fürsten Balthasar und Wilhelm von Werle, welche ebenfalls nur in einer Uebersetzung und ohne Datum vorhanden ist, aber in die Zeit 1418-1421 fallen muß, wird der Stadt wieder das oldendorfer Feld versichert:

"Sonsten sollen vnsere bürgermeister des alten dorffes feldt mit dem stadtrecht gantz behalten."

Die nächstfolgenden Privilegien von 1437 und 1503 sind nur in allgemeinen Ausdrücken gehalten und erwähnen des alten Dorfes nicht mehr.

Die Stadt Krakow hatte aber nicht das ganze Dorf Oldendorf erhalten, sondern der See von Oldendorf war der Landesherrschaft verblieben und ein Theil der Feldmark und des Holzes von Oldendorf war an die benachbarten Vasallen zu Lehn gegeben.

Nach der Verkaufsurkunde von 1298 lag das Dorf Oldendorf an einem kleinen See, welcher bis dahin der Landesherrschaft gehörte. Dieser See liegt zunächst westlich von dem großen krakower See und südwestlich von der Stadt Krakow und wird von dem großen krakower See durch einen Landrücken getrennt, über welchen die Chaussee von Plau nach Krakow

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führt, so daß man , wenn man von Plan nach Krakow fährt, nicht weit vor der Stadt Krakow zunächst den großen krakower See rechts und den oldendorfer See links hat. Dieser See wird noch heute im Munde des Volkes "ollendörper See" genannt.

Die Feldmark Oldendorf lag also zwischen der Stadt Krakow, westlich neben derselben, und den benachbarten Gütern Sammit und Tessin, welche auch Seen mit eigenen Namen haben, die nicht mit dem oldendorfer See zu verwechseln sind, wenn sie auch nahe bei, jedoch getrennt von demselben, liegen.

Ein Theil der Feldmark von Oldendorf war zu Samit gelegt, welches ein altes Lehn der Familie Weltzin war, die noch heute das benachbarte Tessin besitzt. Im Jahre 1478

"verpfändete Mathias Weltzin zu Sammit ("Tzammytte") seinem Vetter Joachim Weltzin 2 Katen in Sammit, die Hälfte an dem oldendorfer Holze, seinen Antheil des Feldes Verkewitz und die Fischerei auf seinem Antheil Wassers."

Hiernach wäre hier also auch noch ein Dorf Verkewitz, vielleicht in dem jetzigen Gute Kl. Tessin, untergegangen.

Im Jahre 1487

"verpfändete Jacob Weltzin dem Bürger Hermann Pinnow zu Güstrow seinen Antheil des Sees zu Sammit und der Feldmark zu Oldendorp."

Die Geschichte der Feldmark der Stadt Krakow scheint also nach diesen Mittheilungen ziemlich klar zu sein.

Im Osten war der Stadtfeldmark durch den großen See eine Naturgrenze gegeben. Im Norden grenzten nicht weit von der Stadt die Besitzungen der uralten adeligen, ausgestorben Familie von Grube, deren Gut Grube mit Vorwerk Grube und Seegrube noch vor nicht langer Zeit bekannt war, jetzt aber Charlottenthal genannt wird. Die Familie von Grube hat ohne Zweifel der nahen Colonie Grubenhagen den Namen gegeben.

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V.

Des Bischofs

Boguphal von Posen

Nachrichten

über Meklenburg,

von

Dr. F. Wigger.


U nter den auswärtigen Chronisten des Mittelalters, bei welchen wir durch gelegentliche Erwähnung Meklenburgs überrascht werden, ist vielleicht keiner merkwürdiger, als der Bischof Boguphal (oder Boguchwal, d. i. Gottlob) von Posen, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts seine polnische Chronik abfaßte 1 ). Es ist auch bereits in unsern Jahrbüchern aus dem uns an gehenden Abschnitte eine Stelle besprochen worden, die die Burg Meklenburg und das Dorf Lübow betrifft 2 ), und die um so interessanter war, weil Herr Archivrath Lisch, schon bevor er den Boguphal kennen lernte, ein näheres Verhältniß zwischen der genannten Burg und dem Kirchdorfe vermuthet


1) Als den Verfasser bezeichnet der Bischof sich selbst (p. 64 ed. Sommersberg) : Eodem tempore in prima nocte post diem beati Johannis Baptistae [a. 1249.] ego Boguphalus episcopus Poznaniensis audiui etc. - Ueber sein Leben berichtet der Fortsetzer seiner Chronik bis zum Jahre 1271 ("ego Basco custos Poznaniensis", heißt es p. 70): anno igitur 1253, 5. id. Februarii Boguphalus episcopus Poznaniensis in predio ecclesie sue Solecz diem suum clausit extremum. Vixit autem in episcopatu suo decem annis et 26 septimanis.
2) Jahrb, IX., 407.
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hatte 1 ). Den ganzen Abschnitt der polnischen Chronik über die nordwestlichen Wenden hat von Ledebur in den Märkischen Forschungen (Bd II., S. 119 ff.) einer eingehenden Besprechung unterzogen und dabei die unverständlichen Namen in dem einzigen bisher publicirten Texte, nämlich in von Sommersberg's Silesiacarum rerum scriptores II. (Lips. 1732, fol.), durch Conjecturen zum Theil richtig gedeutet. Aber leider ist dieser Abdruck überhaupt so incorrect, daß eine Vergleichung der Handschriften höchst wünschenswerth erschien. Zu unserer nicht geringen Freude hat uns jetzt Herr Moosbach, Privatgelehrter in Breslau , durch gütige Vermittlung des Herrn Professors Röpell daselbst, mit sehr dankenswerther Gefälligkeit aus seinen Collationen der Königsberger Handschrift (K), auf deren Vorzüglichkeit Herr Professor Voigt in Königsberg aufmerksam gemacht hatte, sowie der Breslauer (B), der Ottobonianischen Handschrift (O) in Rom, der beiden Czartoryskischen (Cz. I. und II.) in Paris und der Willamower (W) in der Potockischen Bibliothek zu Willamow bei Warschau, die Varianten zu dem uns interessirenden Abschnitte der Boguphalschen Chronik mitgetheilt. So weit man nach dieser kleinen Partie urtheilen darf, ist die königsberger Handschrift allerdings die vorzüglichste und verdient selbst vor der ersten Czartoryskischen den Vorzug; doch theilt sie auch manche Fehler mit den übrigen und ist von Flüchtigkeiten nicht frei. Da nun Boguphal in unsern Jahrbüchern seine Stelle verdient, so geben wir seine Nachrichten über die nordwestlichen Wenden hier nach der königsberger Handschrift und verbessern sie,wo es nöthig scheint, nach den andern oder durch Vermuthungen.

Zweimal schweift der posener Bischof in der Einleitung zu seiner Polenchronik in unsere Gegenden herüber. Er tadelt nämlich am Bischof Vincentius von Krakau, daß dieser in seiner Geschichte der polnischen Herzoge nicht den Ahnen der Herrscher im weiten Lande der Lechen oder Polen nach ihren Namen und Gebieten nachgespürt habe , und zählt nun selbst, um solchem Mangel abzuhelfen, die vermeintlichen Stammväter der Wenden und ihre Reiche auf, indem er ihre Namen oft wunderlich genug deutet. Während er so die wendischen Landschaften durchmustert, gelangt er von den Serben zu den Cassuben. Er erreicht damit das "nördliche Meer" und läßt nun den Leser hoffen, hier vielleicht eine Erwähnung der meklenburgischen Wendenstämme oder gar eine Deutung ihrer Namen zu treffen. Aber er übergeht diese so gut wie die Pommern


1) Jahrb. VI.., 79 flgd.
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und wendet sich sofort zu den Drewanern oder Holtsaten, die ihm für Wenden gelten, und deren Wohnsitze er bis Bremen ausdehnt.

I.

Est 1 ) quedam gens Slavonica, que Cassubite dicuntur- circa mare septemtrionale-. Sunt et alii Slav i i[bi] dem 2 ), qui Drewnanye vocantur, hos Theutunici Halczste appellant. Horum castra capitalia fuerunt Buccowecz, quod nunc Lubicz dicitur, Ham, quod et Hamb[o]rg 3 ), ac Breme, quod caput et sedes fuit eorundem. Ibidem est etiam Slesuik 4 ), castrum ducale, et ciuitas Czesznyna 5 ). Hiis presunt comites, quos Henricus imperator, postquam easdem provincias Slaworum imperiali dicioni subiugasset, in comites asseritur creasse. Haec autem gens a densitate siluarum seu lignorum nomen accepit, nam Drewnanye a lignis nunccupantur. Nominantur etiam a quodam fluvio, qui Trawna dicitur, vnde Trawnanye sunt appellati.

1 ) pag. 19 S(ommersberg). 2 ) id est: Cz II.; K und die andern Handschriften idem, wie auch S(ommersberg). 3 ) Hamberg alle Handschr. und S. (Falsche Auflösung von Hambg.; vgl. unten Dalenborg.) 4 ) Slesink;: K; Slesvik : B; Slesuik : Cz I.; Cz II.: O; Blesink: S. 5 ) So alle Handschr.; Czesznyma: S.

Es fällt an dieser Stelle wohl auf, daß Boguphal für Lübek den Namen Buccowecz kennt. Bekanntlich erzählt Helmold I. 57 (58), daß der Ort, wohin Graf Adolf Lübek ver legte, Bucu hieß. Doch darf man eine Bekanntschaft des polnischen Chronisten mit Helmold oder andern deutschen Schriftstellern darum nicht annehmen; nicht allein seine Erzählung vom "Kaiser Heinrich", sondern noch mehr die selbstständigen Mittheilungen an der zweiten Stelle, die wir sogleich anführen wollen, sprechen dagegen. Die Deutung des Namens Czeßnyna muß ich den Holsteinern überlassen.

Schweigt Boguphal in dieser ersten Stelle von den meklenburgischen Wenden, so entschädigt er uns in der zweiten, ausführlicheren. Nämlich nach dem Vorgange des Bischofs Vincentius 1 ) führt Boguphal in seltsamer Combination entstellter Nachrichten aus dem classischen Alterthume mit polnischer Sage den Julius Cäsar mit dem Lechen=oder Polenkönig Lestko III. zusammen. Cäsar's Schwester Julia wird des Polenkönigs


1) Vincent. Kadlubkonis Hist. Polon. I. bei Dlugoss II., p. 622 seq.
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Gemahlin, Baiern bildet ihre Mitgift. Zwei Burgen werden zu ihrer Zeit gebaut, Lebus und - Julin, dessen Namen ja auch die Biographien des h. Otto auf Julius Cäsar zurückführen 1 ). Die Julia wird später freilich verstoßen; aber ihr Sohn Pompilius - so heißt Popel hier - folgt doch dem Vater als König, und zwanzig Söhne von andern Frauen und Kebsen werden vom Lestko mit verschiedenen Gebieten ausgestattet. Indem Boguphal nun diese aufzählt, gelangt er abermals in unsere Gegenden; und je weniger man es nach dieser phantastischen Einleitung erwartet, um so mehr überrascht er durch sehr reale Angaben, die zu jener in einem seltsamen Gegensatze stehen.

II.

Terre 6 ) autem predictorum principum 7 ) fuerunt he(c) 8 ): Boleslai Pomerania inferior, Kazimiri Cassubia, Wladislai pars Vngarie, que inter fluuios Cissam, Danubium et Morawam 9 ) consistit, Jaxe Sorabia , Wrocislai Ran[i])a 10 ), Przibislai et Odonis Drewina, Przemislai Szgorzelcia, que nunc Brandenborg appellatur; et ceteri terras et districtus in Slavonia et Corinthia, [at]que circa fluvios Albeam, Odram, Pyanam, Dolausam 11 ), W[c]ram 12 ), Rekniczam, Warnam, Hawlam, Sprowam, Hylam 13 ), Sudam, Meczam 14 ), Trawnam et circa alios perpetuo dominio possederunt. Quorum duo Woyslaus castrum dictum Medziboze, quod nunc Meydborg dicitur, et Sobeslaus aliud castrum Dalen diectum, quod Dalenborg 15 ) Theutunici appellant; Czeszemirus autem partem Drewine, quod nunc Olsacia dicitur, versus Sleszuyk 16 ), et Wysszimirus castrum in rippa maris septemtrionalis, ubi nunc ciuitas nomine suo Wissimiria sita est, fundauit. Fuerunt eciam castra principaliora principum predictorum versus occidentem et mare septemtrionale: Bremen, dictum de pondere; quia pondus inimicorum, ut puta Westwalium et Frisonum et aliarum nacionum, Slauis ipsos invadendo eisque resistendo sufferebat. Item castrum Luna, quod pro nunc Lunborg 17 ) appellatur. Dicitur namque Luna, quia petra latissima in medio camporum erupit; vnde sicuti Slaui splendorem lune in nocte lucentis luna 18 ) appellant, sic castrum predictum in camporum planicie splendentem Lunam appellarunt. Fuit eciam ibi prope ciuitas magna, que Barduika nominatur. Consuetudinis enim est Slauorum ciuitates -


1) Ebbo III. 1 ( Pertz ss. XII. 358) ; Mon, Priefling II. 5 (p. 891).
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vicos appellare; vicus enim in slawonico proprie ciuitas, in qua forus exercetur 19 ); nec aliquando dicunt: "transeamus ad ciuitatem", sed: "vadamus ad Wyk"; et sic Barduik a fluuio, qui ibi fluit, et a vico nomen compositum accepit. Sic et Szleszuik ab sledz 20 ), qui slawonice allec dicitur. Item castrum Buccowecz, ubi nunc monasterium fratrum predicatorum in Lubek constructum cernitur; Slaui vero inibi moram trahentes Lubieczensem cuitatem non Lubek, sed Buccowecz appellant. Item Rathibor castrum 21 ). Item castrum Swerin; quod castrum quidam imperator, deuicto rege Slauorum nomine Mikkol, cuidam nobili viro de Dale[m]o 22 ), alias de Dalemburg, fertur donasse ipsum in comit[ia]m 23 ), Swerzyniensem 24 ) specialem 25 ), quam idem imperator ibidem fundauerat 26 ), a filiis Miklonis protegi deberet. Iste etenim Mikkel 27 ) castrum quoddam in palude circa villam, que Lubowo nominatur, prope Wysszemiriam 28 ) edificauit, quod castrum Slaui olim Lubow 29 ) nomine ville, Theutunici vero ab ipso Miklone Mikelborg nominabant. Vnde usque ad presens princeps, illius loci Mikelborg appellatur; latine vero Magnuspolensis 30 ) nuncupatur, quasi ex latino et slawonico 31 ) compositum, quia in slawonico pole, in latino campus dicitur. Item castrum Gilow a crassitudine [terre] 32 ) dicitur, item Rostoky a dissolucione aquarum; item castrum Verla 33 ) a crudelitate; item Swanowo a nomine proprio: Swan enim dicitur id quod 34 ) vocatus ; item Dstrow ab insula: item Thesszin 35 ), Marlow, Bolel 36 ), Trzeboschewo; demum Wologosch, [Hu]sszom 37 ), Wolimecz 38 ), quod alias Julin dicebatur. Tamen hec castra circa mare septemtrionale sita fuisse scribuntur; alia vero castra duces Saxonie, marchiones Brandenburgenses, duces Stetinenses possident.

6 ) Sommersberg p. 23. 7 ) der Söhne des Lechitenkönigs Lestko III. 8 ) hec: alle Handschr. 9 ) Morawam: Cz I.; Montawam: W; Motawam: K, S, etc. 10 ) Rania (i ohne Punkt!): B; Rana: Cz II.; Rama die andern Handschr. - Boguphal will ohne Zweifel das Land der Rani, d. i. der Rujaner (regio, quae a Teutonicis Rugiana, a Sclavis Rana dicitur, wie Wibald sich ausdrückt, Mekl. Ann. I. 122) bezeichnen. - Vorher (p. 19 bei Sommersberg) etymologisirt er: Ram seu Rama dicilur ex eo, quia semper in conflictu hostium vociferare solebant: Ram! ram! id est: vulnera! vulnera! - Auch hier wird das m falsch sein, denn vulnerare heißt polnisch: ranie. 11 ) Dolausam: K; Dolsam: Cz I.; Dolosam: S etc. 12 ) Wtram: alle Handschr.; Wcram: Ledebur. - Die Uker. - Vgl. die Form Vucrani bei dem Contin. Reginonis (Pertz Scr. I. 617). 13 ) Hylam: alle

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Handschr. 14 ) So alle Handschr.; nur Cz I. Myeczam. 15 ) Dalenbg: K; Daleyberg: O; Daleyborg: Cz I.; Dalenburg: S etc.Vgl. Nr. 3. 16 ) Sleszuy: K; Sleszwyk: O; Sleszwig: Cz I.;Slesuik: S. 17 ) Limborg: K; Limburg: B; Lunborg die andern Handschr. 18 ) luna: K; lunam : Cz I.; lumina: S etc. Das polnische Subst. "luna" oder " lona" erklärt Mrongovius "Widerschein, rückprallenden Feuerschein, rückprallende Strahlen, Lohe des Feuers". 19 ) forus: K, B (vgl. Ducange); exerccretur: K, Cz I.; forum exercetur d. a. Hd. 20 ) ledz : K; sledz: Cz I., O; szlesz, szlecz d. a. Hd. 21 ) Rachibor: K; Rathibor castrum: B, 0, Cz. 22 ) Dalewo: alle Hdschr, 23 ) comitem : alle Hdschr., Cz I. u. II., nachher auch quem, 24 ) Swerzicensem: K; Swerzyniensem: Cz I.; Sweriniensem : S.Thiergarten heißt im heutigen Polnischen: Zwierzyniec. 25 ) spiritualam: B; imperialem: S. 26 ) Es scheint quod ausgefallen zu sein. 27 ) Miklel: K:, Mykkel: Cz I., O; Mikel: Cz II. 28 ) Wysszimiram: K; Wissimiriam : S, cet. 29 ) Lukow: K, Cz I.; Lubow die andern Hd. u. S. 30 ) magnusplen: K, O; magnusplon: B, Cz II.; magnusplan: S, cet. 31 ) theutunico: K; slawonico : d. a. Handschr. 32 ) terre geben nur Cz I., O; trasitudine : K. 33 ) Verla : K, Cz I., O; Wecla : W: Becla: B; Bocla: Cz II.; Bela: S. 34 ) id quod : K; quasi: d. a. 35 ) Thesszin: K, O; Thessin: Cz I.; Thosszyn: Cz II.; Thosszin : B. 36 ) Bolel: K, Cz I., O; Bolek : Cz II., B; Bolck : S. 37 ) Kasszom: K, Cz I, u. II; Kaszom : O; Kaszam: S; Rosegarten Cod. dipl. Pom .N. 16: Huznoim, d. i. Usedom. 38 ) Wolimecz: K; Volmiecz: Cz I.; Wulmiecz: B; Welunecz: O; Walunecz: Cz II.

Auch hier steht wieder kein einziger Name meklenburgischer Wendenstämme,- Beweis genug, daß unser Schriftsteller die wendische Geschichte unsers Landes, insbesondere Adam von Bremen und Helmold nicht kennt. Desto vertrauter zeigt er sich mit den dermaligen Verhältnissen; ohne Zweifel berichtet er selbst oder sein Gewährsmann aus persönlicher Anschauung. Denn woher sonst die genaue Aufzählung unserer größeren und kleineren Flüsse? Es überrascht, hier die Mecza wiederzufinden, die Meszenreiza des Adam von Bremen (II. 15b) in Carls des Großen Bestimmung über die Reichsgrenze gegen die Wenden 1 ), in welcher wir den "Grenzbach" zwischen den Wenden und der Mark, zwischen Meklenburg und Lauenburg, die Aue, erkannt haben 2 ). Dagegen würde man die Elde sehr ungern vermissen. Ohne Zweifel ist sie mit "Hyla" in in den Handschriften bezeichnet und es liegt nahe, ein d ein zuschalten, und einen Uebergang von Hilda zu Eldena so gut für den Flußnamen, wie für den Namen des Klosters bei Greifswald anzunehmen. Aber da Schafarik (II. 549. Anm.) an Beispielen wie Branibor und Bran-d- enburg, Brani-


1) Pertz Scr. VII., 310.
2) S. meine Mekl. Annalen I., S. 100 b .
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cewci und Prae-de-necenti zeigt, daß Deutsche nicht selten in wendischen Namen ein d eingeschaltet haben , so wagen wir nicht, Hylam in Hyldam zu verändern. Eben so zweifelhaft ist es, ob Boguphal in Dolosa oder Dolausa, womit er die Tollense bezeichnet, den Nasallaut ausgedrückt hat, also Dolansam oder Dolosam zu lesen ist, wozu man die Namen Uznom,Uznam , Huznoim in Urkunden und den oben vermutheten Husszom für Usedom vergleichen kann.

Die meklenburgischen Ortsnamen Boguphal's sind fast alle klar: Ratzeburg, Schwerin, Meklenburg bei Wismar, Ilow, Werle, Schwan, Güstrow, Tessin und Marlow. Unverständlich bleibt mir aber der Name Bolel zwischen Marlow und Tribsees; Ledebur's Vermuthung, daß Polchow gemeint sei, scheint mir ein unbegründetes Auskunftsmittel zu sein. Den letzten Namen für Wollin wage ich bei den Abweichungen der Handschriften nicht festzustellen.

Mehr als die Etymologien der wendischen Namen, gelten uns die geschichtlichen Sagen von Meklenburg und Dalenburg. Ueber Meklenburg wüßte ich den Erörterungen in den Jahrb. Bd. IX., 407, und in den Mekl. Annalen I., 124, nichts Neues hinzuzufügen. Dagegen kann ich, nachdem der Freiherr v. Hammerstein über die Geschichte der Grafen von Schwerin soeben ein neues Licht verbreitet hat, nicht unterlassen, competente Forscher um eingehende Prüfung der Angaben Boguphal's in Bezug auf Dalenburg zu bitten. Nach Maneckes Beschreibung des Ortes (Topogr. Beschr. I., 361) und nach der Analogie der slavischen Burganlagen in Meklenburg dürfen wir annehmen, daß die Burg der sächsischen Herzoge vor Dalenburg auf einem wendischen Burgwalle stand, wie denn auch der Name Dalen sich als Name eines Gaues bei dem serbischen Wendenstamme wiederfindet (Schafarik II., S. 266). In so fern ist also Boguphal gut unterrichtet. Und bis etwa direct widersprechende urkundliche Zeugnisse entgegen gestellt werden, dürfen wir aus der Erzählung von dem ersten Grafen von Schwerin vielleicht so viel entnehmen, daß Gunzelin von Hagen vor seiner Erhebung zum Grafen von Schwerin des Herzogs Burgvogt zu Dalenburg war. Ja, daß gerade er und die Grafen von Danneberg mit wendischen Gebieten diesseit der Elbe betraut wurden, erklärt sich um so leichter, wenn man annimmt, daß Gunzelin, wie diese Grafen, bereits am linken Ufer der Elbe in den Grenzgebieten gegen die meklenburgischen Wenden seinen Sitz hatte.

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VI.

Audacia,

Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.

D ie Geschichte von der Gefangennehmung des Königs Waldemar II. des Siegers von Dänemark durch den Grafen Heinrich I. von Schwerin ist eine weltgeschichtliche Begebenheit, und es giebt nur wenig Thaten, deren Kühnheit und Erfolg so bedeutend, deren Folgen so einflußreich gewesen wären bis auf den heutigen Tag. Schon lange hatten die Dänenkönige dahin getrachtet, die jetzigen deutschen Ostseeländer unter ihr Joch zu beugen, und waren nicht müde geworden, von allen Seiten her als Sieger in diese Länder einzudringen, bis sie deren Herrscher zur Huldigung nöthigten. Damit aber nicht zufrieden, strebten sie darnach, diese Länder auch in ihren Besitz zu bringen. Am sauersten scheint es ihnen aber in der jungen sächsischen Graffchaft Schwerin geworden zu sein, und doch begannen die Ereignisse, welche nach und nach eintraten, sich günstig zu gestalten. Schon lange hatten die Grafen Heinrich und Gunzelin von Schwerin dem Könige huldigen müssen. Nun mußten sie sich noch bequemen, im Jahre 1217 Gunzelins Tochter Ida dem unächten Sohne des Königs, dem Grafen Nicolaus von Halland, zur Ehe zu geben und für den Brautschatz die halbe Grafschaft Schwerin zu verschreiben. Darauf unternahm Graf Heinrich einen Zug in das gelobte Land. Da starb nicht allein sein Bruder Gunzelin, sondern auch der Graf Nicolaus von Halland, welcher einen jungen Sohn gleiches

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Namens hinterließ. Während nun die Grafschaft Schwerin unter der alleinigen Obhut der Gemahlin des Grafen Heinrich I. stand, fiel Waldemar II. in das Land und nahm als Vormund des jungen Grafen von Halland für den noch unerlegten Brautschatz der Mutter desselben nicht nur die halbe Grafschaft mit dem halben Schlosse Schwerin in Besitz ,sondern benahm sich auch mit Gewalt ("per violentiam") als Herr des ganzen Landes, Nach einer Urkunde vom 28. Februar 1221 ließ der König das "halbe Amt" Schwerin durch den Grafen Albert von Orlamünde in Besitz nehmen, mit dem Befehle, dasselbe in seinem Namen zu verwalten; jedoch mochte der König auch dem Grafen Albert nicht trauen: daher ließ er sich von diesem fest versprechen und verbürgen, die Grafschaft Schwerin zu jeder Zeit auf Anforderung des Königs an diesen zurückzugeben. Diese Besitznahme ist ohne Zweifel die Gewaltthätigkeit, welche nach alten Berichten der König Waldemar gegen die Gräfin von Schwerin geübt haben soll.

Als nun der Graf Heinrich im Jahre 1222 von seinem heiligen Zuge heimkehrte und sein Land so zerrissen und entfremdet sah, als keine Vorstellungen und Bitten bei dem Könige fruchteten, ihm die Regierung seines Landes wieder abzutreten, nahm der Graf am 7. Mai 1223 den König Waldemar II. und dessen ältesten Sohn Waldemar, der auch schon gekrönt war, in deren eigenem Lande gefangen 1 ) und brachte sie in sichern Gewahrsam in den Grafschaften Schwerin und Danneberg, bis der Graf seinen Willen durchgesetzt hatte. Ganz Europa war erstaunt über diese unerhörte That und spaltete sich in Partheien für und gegen den König; es ward Jahre lang verhandelt, es ward mancher blutige Kampf ge kämpft, der Papst bot alle Mittel auf, die gefangenen Könige aus der schweren Haft zu erlösen; aber Graf Heinrich war nicht der Mann, der sich irgendwie überreden oder beugen ließ. Erst nach der siegreichen Schlacht bei Bornhövd am Marien=Magdalenen Tage (22. Julii) 1227, in welcher der für die Geißelstellung seiner Söhne freigelassene, aber wortbrüchig gewordene König ein Auge verlor und sein Neffe, Herzog Otto


1) Seit dieser Zeit erst scheinen sich die Grafen von Schwerin "von Gottes Gnaden" genannt zu haben; wenigstens erscheint auf den Siegeln dieser Titel seit dem Jahre 1224, aber bis zum Jahre 1219 noch nicht. Auch in den Urkunden scheint dieselbe Regel zu herrschen. Die Grafen von Schwerin, als vom Herzoge Heinrich dem Löwen eingesetzte Grafen, scheinen in der Annahme dieses Titels noch sehr schüchtern gewesen zu sein; aber nach Gefangennehmung ihrer Lehnherren von Dänemark und Braunschweig traten sie schon selbstbewußter auf.
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von Braunschweig, auch gefangen ward, nachdem schon 1225 in der Schlacht bei Mölln des Königs Schwestersohn, der Graf Albert von Orlamünde und Nordalbingien, auch in die Gefangenschaft nach Schwerin geführt war, fügten sich die Dänen, und im Jahre 1230 ward der letzte Aussöhnungsvertrag geschlossen. Die Folge der verschiedenen Siege und Verhandlungen war, daß die Dänen alles, was früher zum deutschen Reiche in den Ostseeländern gehört hatte, wieder abtreten und große Summen zahlen mußten. Diese Verträge haben bis heute Wirksamkeit und Gültigkeit gehabt. Der kühne und feste Graf Heinrich von Schwerin starb im Jahre 1228, wahrscheinlich im Monate Februar; aber seine Gemahlin hielt noch bis in den Herbst 1228 den Herzog Otto von Braunschweig und die drei jüngern Söhne des Königs Waldemar bis zum Jahre 1230 in Gefangenschaft; man muß diese Festigkeit der Gräfin und deren Räthen zuschreiben, da ihr Sohn Gunzelin noch minderjährig gewesen zu sein scheint und die meklenburgischen Fürsten sicher noch minderjährig waren. Dies sind einige kurze, abgerissene Andeutungen über den Gang der Hauptbegebenheiten.


In dieser ganzen Geschichte tritt die Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin als eine bedeutende Persönlichkeit auf, indem sie in den verschiedenen Verträgen über diese Angelegenheit wiederholt genannt wird, wenn auch leider nie mit ihrem Namen. In dem Vertragsversuche vom 24.September 1223 wird festgestellt, daß wenn der Graf Heinrich von Schwerin mittlerweile sterben würde, seiner Gemahlin und seinen Söhnen und Erben, auch seinen Verwandten und Freunden Alles gehalten werden solle, was verabredet sei. Für seine Befreiung aus drittehalbjähriger Gefangenschaft mußte der König nicht nur bedeutende Lösung zahlen und alle Eroberungen abtreten, sondern auch die schimpfliche Bedingung eingehen, den ganzen Kronschmuck der Königin, mit alleiniger Ausnahme der Krone, dem Grafen auszuliefern, und dies dem Grafen Heinrich, seiner Gemahlin und seinen Söhnen, Verwandten und Freunden zu halten. Diese Bedingung ist ohne Zweifel zu Gunsten der Gräfin gestellt, und späterhin tritt noch lange die Gräfin als eine sehr bedeutende und wichtige Person auf.

Man hat daher natürlich viel nach dem Namen und der Herkunft der Gräfin geforscht und ihr eine ungewöhnliche

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Betheiligung in diesen Angelegenheiten zuschreiben wollen. Es waren früher nur sehr wenig Urkunden über die Gräfin bekannt. In einer Urkunde für das Kloster bei Stade vom Jahre 1218 wird des Grafen Heinrich Gemahlin Audacia genannt, in einer lübeker Urkunde ungefähr vom Jahre 1227 wird eine Gräfin Margarethe von Schwerin genannt. Man hat daher dem Grafen Heinrich von Schwerin zwei Gemahlinnen gegeben, von denen die erste Audacia, deren Tod man in das Jahr 1219 setzt, die zweite Margaretha gewesen sein soll, welche letztere also diejenige gewesen sein müßte, zu deren Zeit die dänische Geschichte gespielt hat.

Von großem Einfluß auf die meklenburgische Geschichte ist die aus den Urkunden geschöpfte handschriftliche meklenburgische Chronik des Archivars Chemnitz aus der Mitte des 17. Jahrhunderts gewesen, weil dieselbe in frühern Zeiten, als die Urkunden für die Geschichtsforscher noch nicht zugänglich waren, lange Zeit, auch noch von Rudloff, als Hauptquelle benutzt worden ist. Chemnitz sagt nun:

"Graff Heinrich zu Schwerin hat zwier geheuratet: Seine erste Gemahlinne hat geheißen Audacia, wes stames aber ondt von welchem hause sie gewesen, weiß man nicht; mit derselben hat er einen Sohn Guncelinum den dritten gezeugt. Diese ist anno christi 1219 gestorben. Seine andere Gemahlinne ist gewesen Margareta gebohrne von Schlawin, ob er aber erben mit derselben gehabt oder nicht ist nicht befindlich."

So vortrefflich nun auch Chemnitz oft den Inhalt von Urkunden wiedergiebt, so wenig ist ihm zu trauett, wenn er aus einzelnen Andeutungen geschichtliche Schlüsse zu ziehen unternimmt. Die Namen und Aufeinanderfolge der beiden Gräfinnen sind allerdings zwei Urkunden entnommen, welche aber zu einer solchen Bestimmung nicht ausreichten; das Todesjahr 1219 der Gräfin Audacia ist aber rein willkührlich erdacht, weil sie 1218 genannt wird und späterhin eine "Gräfin Margarethe von Schwerin" vorkommt. Alle diese Combinationen, welche nach Chemnitz immerfort als Wahrheit angenommen sind, haben aber keinen Grund, und müssen als unhaltbar zurückgewiesen werden. Bevor wir aber die Untersuchung hierüber aufnehmen, muß noch eine Geschichte berührt werden, welche sich durch alle älteren Geschichtswerke hindurch zieht.


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In allen älteren Geschichtswerken neuerer Zeit wird erzählt, daß der König Waldemar während des Kreuzzuges des Grafen Heinrich dessen Gemahlin Margarethe gewaltsam entehrt habe. Diese Sage wird im 16. Jahrhundert entstanden sein. In einer im hamburger Archive aufbewahrten dänischen Chronik ("Chronologia rerum danicarum incerti authoris"), welche um das Jahr 1579 zusammengetragen; im 18. Jahrhundert benutzt und von Lappenberg im Archiv für schlesw. holst. lauenb. Geschichte, II., 1834, S. 227 (vgl. S 189 und 198) gedruckt ist, heißt es S. 233:

"A. d. MCCXXXIII. Waldemarus secundus et Waldemarus tertius filius in Lithoe, loco Holsatiae maritimo, capti ab Henrico comite, (cujus uxorem per mariti absentiam adulterarat rex pater), in arcem Daneburgum, vel ut alii existimant Suerinum deportantur, ubi triennium fere detenti sunt."

und S. 235 zum Jahre 1227 bei der Schlacht von Bornhövd:

"sic deo Waldemari adulterium et perjurium ulciscente."

Westphalen Mon ined. I. p.1298, führt aus einer alten ptattdeutschen Chronik folgende Stelle über des Königs Frevelthat an:

"Darumme dat de konic des graven sine moder geunehret hadde de wile dat de grafe tho dem hilligen grave was."

Es findet sich aber in keiner alten Chronik oder Urkunde irgend eine Andeutung über eine solche Gewaltthat, welche sich auch gar nicht wahrscheinlich machen läßt, und es ist mehr glaublich, daß sie aus einer falschen Auslegung des Vertragsentwurfes vom Jahre 1223 entstanden ist, da in derselben ge sagt wird, daß der König "der Mutter der Gräfin die Güter zurückgeben solle, welche er gewaltsam ("per violentiam") genommen und in Besitz habe". Wegen des Mangels an aller Begründung haben denn auch alle neuern Geschichtschreiber diese ganz unverbürgte Gewaltthat ganz fallen lassen. Man kann die von dem Könige gegen die Gräfin verübte Gewaltthätigkeit nur darauf beziehen, daß derselbe während des Grafen Abwesenheit die halbe Grafschaft Schwerin in Besitz nahm und am 28. Februar 1221 dem Grafen Albert von Orlamünde und Nordalbingien zur Verwaltung und Regierung übergab, also einen zweiten Regenten neben dem Grafen Heinrich einsetzte und dadurch die Gräfin vielfach bedrückte.


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Zur Erkenntniß der Geschichte der beiden genannten Gräfinnen Audacia und Margaretha ist es unerläßlich, die über dieselben redenden Urkunden im Folgenden zu beleuchten und zu prüfen.


Die erste Urkunde, in welcher die Gräfin Margarethe sicher genannt wird, ist die Urkunde, durch welche der Graf Heinrich von Schwerin der Stadt Lübek die Zollfreiheit schenkt (vgl. Urk. der Stadt Lübek, I., S. 53, Nr. 42, auch früher gedruckt in Ungnaden Amoen., p. 659). Diese Urkunde ist nicht datirt. Dem Originale ist zwar von jüngerer Hand die Jahreszahl 1231 hinzugefügt; diese Vermuthung kann aber nicht richtig sein, da der Graf Heinrich im Jahre 1228 starb. Die Herausgeber des lübeker Urkundenbuches haben daher nach dem Vorgange von Ungnaden die Jahreszahl 1227 angenommen. Diese Jahreszahl wird auch richtig sein; denn der Graf wird den Lübekern diese Zollfreiheit wahrscheinlich entweder nach dem Vorgange der jungen Herren von Meklenburg, welche gleich nach dem Tode ihres Großvaters Borwin I. der Stadt Lübek eine gleiche Vergünstigung ertheilten, im Jahre 1226, oder nach der Schlacht von Bornhövd im Jahre 1227 gegeben haben. Dieses Privilegium bezeugt nun "die Frau Margaretha Gräfin von Schwerin und Gunzelin des Grafen Heinrich Sohn":

"domina Margareta comitissa de Zwerin, Gunzelinus filius noster."

Hier wird zwar die Margarethe eine Gräfin von Schwerin genannt; aber es ist wohl zu merken, daß der Graf Heinrich sie nicht seine Gemahlin nennt, wie er den Gunzelin seinen Sohn nennt. Wäre Margarethe die Gemahlin Heinrichs gewesen, so würde er sie auch ohne Zweifel so genannt haben, da dies in sehr vielen Urkunden jener Zeit herkömmlich ist. Diese Urkunde ist die einzig sichere Original=Urkunde, welche freilich die Margarethe nennt, sie aber nicht als Gemahlin Heinrich's bezeichnet.

Eine andere Urkunde, welche die Margarethe als Gemahlin Heinrich's bezeichnet, ist nicht ganz so sicher. Am 23. Junii 1227 überließ der Graf Heinrich von Schwerin dem Johanniter=Orden das Dorf Moraas (gedruckt in Jahrb. I., S. 202, früher, in Buchholz Brandenb. Gesch. III., Beil. 47), und zwar "mit Bewilligung seiner Gemahlin Margarethe und seiner Erben Gunzelin und Helmold":

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"de consensu vxoris mee Margarete et heredum meorum Guncelini et Helmoldi."

Hier wird nun freilich ganz bestimmt gesagt, daß Margarethe Heinrich's Gemahlin sei. Dagegen ließe sich nur einwenden, daß die Urkunde nicht mehr im Originale, sondern nur in einer Beglaubigung des Fürsten Heinrich von Meklenburg vom Jahre 1311 vorhanden ist. Es wäre möglich, daß, wie es häufig vorkommt, der Name der Gemahlin ursprünglich im Originale gefehlt hätte und von jüngerer Hand willkührlich eingetragen wäre. Dies läßt sich jetzt aber nicht mehr entscheiden.

In einer dritten Urkunde vom 16, Februar 1228 schenkt der Graf Heinrich dem Dom=Capitel zu Schwerin die Freiheit des Dorfes Medewege, und dies bezeugen "seine Gemahlin die Gräfin Margarethe und sein Sohn Gunzelin"

"Margareta comitissa uxor nostra, Guncelinus filius noster."

Hier wird also wieder gradezu Margarethe Heinrich's I. Gemahlin genannt. Die Urkunde ist aber nur in einer Abschrift aus dem Ende des 16. Jahrhunderts bekannt (gedruckt in Lisch Meklb. Urk. III., S. 76). Ohne Zweifel nimmt nach dieser Urkunde Hederich in seine handschriftlichen Annalen, sicher nach dem Original auf:

"Guncelinus III. filius Henrici et Margarethae circa annum 1228."

Stiftungsurkunde des Klosters Zarrentin, ist aber nur in einer flüchtigen Abschrift aus dem 16, Jahrhundert vorhanden und der Name der Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet, welcher aus mehreren willkührlichen, nicht zu erklärenden Perpendikulairstrichen besteht, welche sich eben so gut Diese Urkunde ist am Tage vor dem Tode des Grafen Heinrich ausgestellt, da er sicher im Jahre 1228 starb und sein Sterbetag im Todtenbuche des holsteinschen Klosters Uetersen, nach einer Original=Urkunde des Klosters ungefähr vom Jahre 1235, am 17. Februar eingetragen war.

Wenn also Heinrich's Gemahlin wirklich Margarethe hieß, so ist es außer allem Zweifel, daß sie bei seinem Tode lebte und seine letzte Gemahlin gewesen sein muß.

Rudloff Mekl. Gesch. II., S, 29 sagt: "die Gräfin Margarethe überlebte ihren Gemahl noch lange hernach (1246, November 1)", und will dies durch die Urkunde des Klosters Zarrentin von diesem Datum beweisen. Diese Urkunde, die erste oder Stiftungsurkunde des Klosters Zarrentin, ist aber nur in einer flüchtigen Abschrift aus dem 16. Jahrhundert vorhanden und der Name der Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben bezeichnet, welcher aus mehreren willkürlichen, nicht zu erklärenden Perpendikulairstrichen besteht, welche sich eben so gut durch A , als durch M. deuten lassen.

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Da nun die Gräfin Margarethe in diesen Urkunden nur in den Jahren 1227 und 1228, bis zum Tode des Grafen, genannt wird, so dürfte man unter den herrschenden Umständen der Wittwe des Grafen nicht einen andern Namen beilegen, als den der ausdrücklich genannt wird.


Dagegen erscheint bald und lange Zeit nach dem Tode des Grafen Heinrich als dessen Wittwe eine Gräfin von Schwerin, welche wiederholt in klaren Original=Urkunden Audacia, und deren Sohn Gunzelin genannt wird. Es giebt über diese Gräfin eine lange Reihe von Urkunden, welche früher nicht beachtet sind, weil sie größten Theils kein Datum haben und dem Inhalte nach für zu unbedeutend gehalten wurden; es sind vorherrschend Aufnahmserklärungen in die Fraternität oder Gemeinschaft verschiedener naher und entfernter Klöster, welche schon seit dem 16. Jahrhundert als papistischer Unfug bei Seite geworfen und zum Theil mit protestantischen Spottglossen bezeichnet sind: unter der allgemeinen Rubrik von alten Ablaßbriefen ward denselben keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dazu kam, daß diese Urkunden zum größten Theile nicht datirt sind und die Bestimmung der Zeit ihrer Ausstellung früher bei dem Mangel an lebhaftem Gelehrtenverkehr und an ausgedehnter Urkundenforschung äußerst schwierig, ja fast unmöglich war. Es giebt wenigstens 12 Urkunden, welche über die Gräfin Audacia mit großer Bestimmtheit sprechen. Diese Gräfin Audacia muß eine sehr bekannte, fromme und thätige Frau gewesen sein, da sie so lange Zeit mit vielen, oft entfernten Klöstern in der engsten Verbindung stand; und da sich die Aeußerungen frommer Stiftungen an den verschiedensten Orten und Zeiten so oft wiederholen, so scheint ein Irrthum über ihre Person nicht möglich zu sein; überdies wird sie von verschiedenen Seiten so genau bezeichnet, daß eine Verwechselung undenkbar ist. Sie erscheint in Urkunden seit dem Jahre 1228 und ausdrücklich mit ihrem Namen seit 1235 bis zum Jahre 1271, und soll nach der Chronik erst im Jahre 1287 gestorben sein, so daß sie ihren Gemahl 60 Jahre überlebte! Sie wird in dieser Zeit fünf Male mit voll ausgeschriebenem Namen Audacia genannt und vier Male mit dem Anfangsbuchstaben A. ihres Namens bezeichnet; als ihr verstorbener Gemahl wird vier Male der Graf Heinrich von Schwerin und als ihr lebender Sohn der Graf Gunzelin bezeichnet; zum Unterschiede wahrscheinlich von ihrer Schwiegertochter wird sie drei Male die ältere Gräfin genannt.

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Rudloff Mekl. Gesch. II., S. 27, hält die Audacia für die erste Gemahlin des Grafen Heinrich, welche nach seiner Ansicht "noch 1218" lebte. "Gleichwohl" erscheint es ihm, S. 28, Note, wunderbar, daß sie noch 1241 lebte und endlich erst im Jahre 1287 starb, während, nach S. 29, die Gräfin Margarethe auch ihren Gemahl noch lange, bis 1246, überlebt haben soll.

Um in der Darstellung möglichst sicher zu gehen, wird es nöthig sein , die einzelnen urkundlichen Zeugnisse aufzuzählen und zu prüfen.

Merkwürdig ist es, daß des Grafen Heinrich Gemahlin, mag sie nun Margarethe oder Audacia geheißen haben, in den letzten Zeiten seines Lebens eine ungewöhnliche Rolle in der Welt gespielt zu haben scheint.

Als am 16. Februar 1227, kurz vor dem letzten entscheidenden Kampfe gegen die dänische Uebermacht, der Herzog Albert von Sachsen dem Grafen Heinrich von Schwerin die Belehnung mit seinen Landen erneuerte, verlieh er die Lande "dem Grafen, seiner Gemahlin und ihren Erben" ("comiti memorato, uxori sue ac heredibus eorumdem"). (Vgl. Orig. Guelf. III., Praef, p. 59, und Pötker Samml. St. 2, S. 14.) Eben so bestätigt im Jahre 1228 der Herzog Otto von Braunschweig nach dem Tode des Grafen Heinrich bei seiner Entlassung aus der Gefangenschaft "dem Grafen Gunzelin, seiner Mutter und Schwester" ("G. comiti Zwerinensi et matri sue et sorori") die Güter, welche des Grafen Vorfahren von den Herzogen von Braunschweig zu Lehn getragen haben (vgl. Jahrb. XXV., S. 154). Und am 3. December 1228 verlangt der Papst Gregor IX. von der Wittwe des Grafen Heinrich ( " nobili mulieri relicte quondam H, de Zuerin") die Freilassung der von ihr noch gefangen gehaltenen Fürsten. (Vgl. Orig. Guelf. IV., Praef. p. 90.)

1) Eine gleiche Stellung nimmt die Gräfin ein, als sie im Jahre 1231 (oder 1232) in einer merkwürdigen und wichtigen Urkunde der Aebtissin Osterlinde von Quedlinburg zuerst genannt wird. Die Aebtissin Osterlinde bezeugt der Gräfin von Schwerin und ihrem Sohne Gunzelin ("comitisse de Zucrio et filio suo Guncelino"), daß sie dieselbe mit der Vogtei Soltau und den andern Gütern, welche des Grafen Vater (,.pater eiusdem") von der Abtei zu Lehn gehabt habe, belehnen wolle, sobald sie sich persönlich dazu stellen könnten. Die Urkunde 1 ) ist nicht datirt und der Name Osterlinde ist nur


1) Vgl. Urk, Samml. Nr. I.
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mit dem Anfangsbuchstaben O bezeichnet; dieser kann aber nur Osterlinde bezeichnen, da im 13. Jahrhundert keine ander Aebtissin in Quedlinburg ist, deren Name mit einem O anfängt; Osterlinde regierte aber nur 1231 - 1232. Daher kann die Gräfin von Schwerin, welche hier nicht mit Name genannt wird, nur die Wittwe (Audacia) des Grafen Heirich I. sein. Man hat aus den Worten dieser Urkunde, daß die "Gräfin und ihr Sohn die Güter, welche der Vater besessen" ("comitissa de Zuerin et filius suus Gunzelinus - bona, quae pater eiusdem dinoscitur tenuisse",), zu Lehn, empfangen könne, wohl schließen wollen, daß hier von dem Vater der Gräfin die Rede sei, indem man das Wort "eiusdem" auf die Gräfin bezog; es ist aber ohne allen Zweifel auf den Grafen Gunzelin zu beziehen und der Vater desselben darunter zu verstehen, also der Graf Heinrich I. von Schwerin, so daß die Stelle so übersetzt werden muß, daß

"die Gräfin von Schwerin und ihr Sohn Graf Gunzelin die Vogtei in Soltau mit den andern Güter, welche der Vater desselben von der Abtei bis dahin zu Lehn getragen, zu Lehn empfangen könne."

Man hat ferner bei der Erklärung unter der guedlinburgischen Vogtei Soltau die Schirmvogtei über die ganze Abtei Quedliburg verstanden, und da diese in der Zeit 1183-1237 erweißlich in den Händen der Grafen von Falkenstein war, schließen zu müssen geglaubt, die Gräfin von Schwerin sei eine geborne Gräfin von Falkenstein gewesen. Diese Erklärungen sind aber alle falsch. Die Grafen von Schwerin waren nicht Besitzer eines Theiles der Schirmvogtei der Abtei, sondern Lehnträg der Abtei Quedlinburg gehörenden Vogtei (des Amtes) Soltau, welche schon der Kaiser Otto I. im Jahre 937 der Abtei schenkte und welche aus der Stadt und dem Hofe Soltau (westlich von Uelzen) und 16 umliegenden Bauerschaften und andern Einkünften und Gütern bestand; vgl. von Hammerstein's Besitzungen der Grafen von Schwerin, zu Regeste 53-56, S. 100 und 117. Es war bisher unbekannt, daß die Grafen von Schwerin im Besitze von Soltan gewesen waren. Der Minister von Hammerstein entdeckte (a. a. O. Regeste 52 - 56, S. 57 flgd.), daß die Abtei Quedlinburg im Jahre 1304 die Vogtei Soltau, so wie die Grafen von Schwerin sie besaßen, an das Dom=Capitel zu Verden verkaufte, so daß die Grafen von Schwerin fernerhin das Lehn von dem Dom=Capitel zu Verden empfangen sollten. Am 15. Februar 1321 verkauften die Grafen von Schwerin auch das Lehn der Vogtei, welches die Grafen seit alter Zeit von der Abtei Qued=

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linburg gehabt hatten, an das Dom=Capitel zu Verden und wiesen die Lehnleute an dasselbe (vgl. Sudendorf's Hannov. Urkundenbuch I., S. 196), Damit kam der ganze Besitz aus den Händen der Grafen von Schwerin. Das Dom=Capitel zu Verden verkaufte im Jahre 1479 die Vogtei Soltau wieder an den Herzog Heinrich den jüngern von Braunschweig=Lüneburg. Die Grafen von Schwerin waren also sicher in älterer Zeit Besitzer der Vogtei Soltau, und die Urkunde der Aebtissin Osterlinde von 1231 - 1232 beweiset, daß schon der Graf Heinrich I., also vor 1228, Besitzer der Vogtei war, welche hiernach muthmaßlich schon der erste Graf Gunzelin I. besessen hatte. Daher mag es auch wohl kommen, daß schon im Jahre 1174 die Aebtissin Adelheid von Quedlinburg den Grafen Gunzelin I. von Schwerin zu den "Magnaten des Landes" ("magnatibus terrae") zählt (vgl. von Hammerstein a. a. O. Regeste 2, S. 32).

Aus diesen wiederholten Belehnungen der Gräfin und ihres Sohnes scheint sicher hervorzugehen, daß der Graf Gunzelin, der einzige männliche Sproß des Hauses, im Jahre 1231 noch minderjährig war, wie auch die vier Herren von Meklenburg zum Theile noch unter Vormundschaft standen. Als am 30. October 1230 die Fürsten von Meklenburg,oder vielmehr deren Vormundschaft unter dem Vormundschaftssiegel ihre Schwester Margarethe dem jungen Grafen Gunzelin verlobten (vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. V., S. 19), ward ausdrücklich bestimmt, daß der eben volljährig gewordene Fürst Johann von Meklenburg Vormund des Grafen Gunzelin sein solle (" tutor comitis erit"). Dies stimmt auch ganz dazu, daß der Graf in diesen Jahren in Lehnsgeschäften immer mit seiner Mutter erscheint. Man hat diese Stelle wohl anders deuten wollen und gemeint, unter dieser Bevormundung ("tuitio") müsse eine Schirmherrschaft verstanden werden; aber die Grafen von Schwerin, als solche, bedurften nicht der Schirmherrschaft der meklenburgischen Herren, und diese waren jeder selbst nicht kräftiger und älter, als der junge Graf; da dieser immer von seiner Mutter geführt wird, so kann hier nur von einer Altersvormundschaft die Rede sein, welche wohl mehr von den gewiegten Vormundschaftsräthen der meklenburgischen Fürsten, als von diesen selbst ausgeübt ward.

2). Nicht lange darnach tritt die Gräfin Audacia in ein helleres Licht Das Nonnenkloster Uetersen in Holstein war im Jahre 1235 gestiftet. Diesem neu gestifteten Kloster schenkte die Gräfin A. noch zur Zeit des ersten Propstes Gottschalk und der ersten Priorin Elisabeth, also sicher nicht lange nach

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dem Jahre 1235, einen Kelch, und das Kloster nahm dafür ihren verstorbenen Gemahl Grafen H einrich, den Befreier Holsteins, in die Fraternität auf und trug dessen Namen und Sterbetag unter dem 17. Februar (XIV., kal, Martii, mit Rücksicht auf das Jahr 1228) in den Kalender des Klosters ein 1 ). Anßerdem nahm das Kloster auch die Gräfin selbst, ihren Sohn Gunzelin und ihre Tochter Mechthild' eine Gräfin von Gleichen, in die Fraternität auf. Die Gräfin Audacia wird hier von einem Kloster, welches ohne Zweifel ganz sichere Kenntniß von dem Hause der Grafen von Schwerin hatte, genan als die Wittwe des Grafen Heinrich und als die Mutter des Grafen Gunzelin bezeichnet; und hatte eine bisher unbekannte Tochter Mechthild, welche ungefähr 10 Jahre nach dem Tode des Grafen Heinrich schon veirathet war. Die Gräfin Audacia wird in dieser Urkunde die ältere Gräfin ("senior comitissa") genannt, wie sie auch späterhin öfter wegen ihres Alters so genannt wird. Es ist aber in Rücksicht auf die vorliegende Urkunde ungewiß, ob sie im Gegensatze zu ihrer Tochter oder zu ihrer Schwieger tochter die ältere Gräfin genannt wird; im letztern Falle wäre ihr Sohn Gunzelin schon um das Jahr 1235 vermählt gewesen.

3) Die Gräfin Audacia hatte aber außerdem noch vier Töchter. Die Gräfin war nach den Beziehungen zu vielen Klöstern eine sehr fromme, angesehene Frau. Sie hatte aber auch das Franziskanerkloster zu Schwerin gebauet Dies wird in Detmar's lübischer Chronik ausdrücklich zum Jahre 1287 von ihr berichtet : "de int Zwerin buwede dat closter der barvoten brodere". Die Stiftung geschah im Verhältniß der Verbreitung des Ordens sehr früh; es ist nicht wahrscheinlich , daß schon ihr Gemahl der Graf Heinrich das Kloster sollte gebauet haben, da bei seinem Leben der Franziskanerorden erst in seiner ersten Entwickelung stand. Es ward aber schon bei seinem Leben Geld dazu gesammelt, indem ein Dritttheil von den Opfergaben zu dem im Jahre 1222 von dem Grafen Heinrich dem Dome zu Schwerin geweiheten Heiligen Blute zum Bau eines Klosters, des nachmaligen Franziskanerklosters zu Schwerin, bestimmt ward (vgl. Jahrb. XIII., S. 153). Die Gräfin Audacia wird daher sicher als Erbauerin des Klosters anzusehen sein. Dies wird auch durch eine Urkunde vom 24. April 1236 bestätigt, durch welche der Minister des Franziskanerordens für Deutschland zu Erfurt den


1) Vgl. Urk. Samml. Nr, III,
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Brüdern in Schwerin die Erlaubniß giebt, der Gräfin und ihren vier Töchtern auf ihren Wunsch die Beichte zu gewähren , die Sacramente zu ertheilen und das Begräbniß auf ihrem Kirchhofe zu gönnen 1 ). Dies geschah ohne Zweifel ausnahmsweise mit Rücksicht darauf, daß die Gräfin die eigentliche Gründerin des Klosters war. Als Stifterin ward sie späterhin, nach Deitmar's lübischer Chronik, auch "im Chore desselben Klosters begraben".In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird das Begraben in den Kirchen noch nicht allgemein Sitte gewesen sein. Die Stiftung des Klosters zu Schwerin hängt wahrscheinlich mit der Vermählung ihrer einen Tochter mit einem Grafen von Gleichen zusammen. Der Franziskaner=Minister Johannnes sagt in der Urkunde zu Erfurt, daß die Gräfin mit ihren vier Töchtern zu ihm gekommen sei ("accessit ad nos") und ihm ihre Bitte vorgetragen habe. Die Grafen von Gleichen wohnten aber bei Erfurt und hatten ihr Begräbniß in dem Kloster auf dem Petersberge vor Erfurt; vgl. Mooyer Nekrolog des Klosters auf dem Petersberge vor Erfurt, im Bericht der deutschen Gesellschaft zu Leipzig, 1840, S. 22. Daß die Gräfin noch 4 Töchter, außer der Mechthild, hatte, läßt sich wohl nicht bezweifeln, da der Franziskaner=Minister sagt, daß die "Gräfin Audacia mit ihren 4 Fräulein'' ("cum IIII eius domicellis") zu ihm gekommen sei und er diesen "Damen" (" predictis dominabus" ) die erbetene Gunst gewährt haben wolle. Unter diesen "domicellae" (Fräulein) sind unverheirathete Damen zu verstehen, welche in jüngern Zeiten "Fräuchen" (vrouchen) genannt wurden; die Gräfin hatte also im Jahre 1236 noch 4 unverheirathete Töchter, da Mechthild zu jener Zeit wahrscheinlich schon vermählt war; es ist aber auch möglich, daß die Urkunde des Klosters Uetersen nach dem 14. September 1236 ausgestellt ist und Mechthild damals noch nicht vermählt war.

4) Wahrscheinlich gingen einige von den Töchtern der Gräfin in Klöster, da im 13. Jahrhundert gewiß sehr viele Nonnenklöster von fürstlichen Vorsteherinnen regiert wurden, wenn ihr Vatersname und ihre Herkunft in diesem Jahrhundert auch nur selten genannt werden. Daher mag es denn auch wohl gekommen sein, daß das entfernte Kloster Harste bei Osnabrück, welches hier nur höchstens 1232-1246 bestand, um das Jahr 1240 den Grafen Gunzelin und dessen


1) Vgl. Urk. Samml. Nr, II.
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Mutter Audacia in die Fraternität aufnahm 1 ).In dieser Urkunde wird die Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben A. ihres Namens genannt.

5) Im Jahre 1240 tritt die Gräfin Audacia in der Grafschaft handelnd auf, indem sie am 28, December 1240 (nicht 1241, da das Jahr mit Weihnacht begann,) der Pfarre zu Retgendorf 2 Hufen in dem ihr gehörenden Dorfe Retgendorf schenkte 2 ). In dieser Urkunde, welche noch in einem Original=Transsumte vorhanden ist, wird sie mit vollem Namen als " Audacia Gräfin von Schwerin, Mutter des Grafen Gunzelin" ("nobilis domina Audacia comitissa Suerinensis, mater comitis Guncelini",) bezeichnet.

6) Am 25. Junii 1246 schenkte der Graf Gunzelin dem Kloster Reinfelden die Freiheit der Dörfer Lübesse und Uelitz, und Zeugin dieser Schenkung war seine Mutter Audacia ("Audacia mater nostra"). Wenn nun auch die Form dieser Urkunde, wie vieler anderer Urkunden des Klosters Reinfelden, falsch ist, so wird sich doch gegen den Inhalt der Urkunde nichts Erhebliches einwenden lassen.

7) Von nicht größerem Gewicht ist die Urkunde vom 1.November 1246, durch welche die Gräfin mit ihrem Sohne Gunzelin (? "comitissa filiusque eius G. comes in Zuerin") dem Kloster Zarrentin den ersten Grundbesitz schenkt und das Kloster stiftet. In dieser nur in einer flüchtigen Abschrift vorhandenen Urkunde wird die Gräfin nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens genannt, welcher aber mit einigen senkrechten Strichen so undeutlich geschrieben ist, daß sich eben so gut ein A., als ein M. herauslesen läßt. Rudloff hat daher in seiner Meklenb. Geschichte II., S. 29, ohne allen Zweifel Unrecht, wenn er den Namen Margarethe herauslesen und schließen will, daß die "Gräfin Margarethe ihren Gemahl noch lange überlebt" habe.

8) Als der Graf Gunzelin am 27. September 1248 demselben Kloster Zarrentin das Dorf Schönlo und 4 Hufen in Holthusen überwies, that er dies zugleich mit seiner Mutter ("simul cum matre nostra"), welche jedoch nicht mit Namen genannt wird.

9) In einer datirten Original=Urkunde des rügenschen Cistercienser=Mönchsklosters Neuen=Camp (jetzt Franzburg in Vorpommern), welches in Meklenburg sehr viele Besitzungen erwarb und gewiß mit allen Verhältnissen und Personen sehr


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IV.
2) Vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. IX., S. 31.
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vertraut war, wird aber die Gräfin Audacia ganz bestimmt und klar bezeichnet. Am 6. Januar 1258 ertheilte dieses Kloster der "Gräfin Audacia von Schwerin" ("Audatie comitisse de Zwerin") und ihrem "verstorbenen Gemahle Grafen Heinrich" ("Heinrico comiti viro vestro iam defuncto") die Fraternität 1 ).

10) Auch das nahe an die Grafschaft Schwerin grenzende Nonnenkloster Rehna nahm die Gräfin Audacia und alle die Ihrigen, lebende und gestorbene, um das Jahr 1260 in die Fraternität auf und nennt sie in der Original=Urkunde 2 ) "die ältere Gräfin von Schwerin" ("domina A. comitissa senior de Zverin'').

11) Das große Cistercienser =Mönchskloster Eldena oder Hilda bei Greifswald hatte auch die "ältere Gräfin von Schwerin" ("illustri femine comitisse seniori seu maiori in Zuerin") in die Fraternität aufgenommen und die Gräfin dem Kloster bei dieser Gelegenheit einen Kelch versprochen. Als nun die Mönche um das Jahr 1264 ihr neu erbauetes Kloster bezogen ("nouum nostrum monasterium nunc intrauimus" ), erinnerten sie die Gräfin an ihr Versprechen 3 ) und boten ihr einen besondern Altar in der Klosterkirche an.

12) Auch das Kloster Neumünster in Holstein, nahe bei dem Schlachtfelde von Bornhövd, ertheilte um das Jahr 1265 der "verwittweten Gräfin Audacia" ("domine A. cometisse quondam Zwerinensi") und ihrem verstorbenen Gemahle Heinrich und dem jüngst verstorbenen jüngern Grafen Heinrich ( "pierecordationis comitibus defunctis Henrico seniori et H. juniori" ) die Fraternität 4 ).

13) Die Gräfin Audacia lebte lange; es wird urkundlich bezeugt, daß sie sicher noch im Jahre 1267 lebte. Am 18. August 1267 bewilligten Gunzelin und sein Sohn Helmold Grafen von Schwerin den Geistlichen des Landes Wittenburg das Gnadenjahr und die Befugniß der freien Testamentserrichtung, machten dabei jedoch zur Bedingung, daß die Geistlichen jährlich an den Sterbetagen der Grafen von Schwerin in Wittenburg zusammenkommen und das Gedächtniß derselben feiern sollten, namentlich an dem Sterbetage des verstorbenen Vaters des Grafen Gunzelin, des Grafen Heinrich, und seines verstorbenen Sohnes Heinrich ("in anniuersario patris


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. V.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. VI.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. VII.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. VIII.
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nostri comitis H. defuucti, necnon et filii nostri H. bone memorie" ) und eben so nach dem Tode "sein er noch lebenden Mutter" ("similiter post decessum matris nostre adhuc uiuentis").

14) Und wirklich lebte die Gräfin Audacia noch länger, indem um das Jahr 1270 das Kloster zum Heil. Kreuz bei Braunschweig in Anerkennung der vielen guten Werke der Gräfin, nach Bericht der "geistlichen Frau Armgard" (vielleicht einer Tochter der Audacia?), der "Gräfin Audacia von Schwerin" ("cometisse Audatie in Zwerin") die Fraternität ertheilte und dieselbe auch der Seele ihres "verstorbenen Gemahls ( "anime domini Heinrici mariti uestri") zu Theil werden ließ 1 ).

15) Die Gräfin Audacia soll nach Detmar's lübischer Chronik erst im Jahre 1287 gestorben sein und ward im Chore des von ihr gestifteten Franziskanerklosters in Schwerin (an der Stelle des jetzigen Collegiengebäudes) begraben. Detmar sagt: "In deme sulven iare (1287) do starff de erbare vrowe "audacia, ene grevinne to zwerin, en moder greven gunselines van zwerin, de in dersulven stad buwede dat closter der barvoten brodere, vnde is begraben in dem chore dessulven closters." - Diese Nachricht war zuerst beim Jahre 1270 in acht Reihen in die Chronik so eingetragen, wie sie hier mit getheilt ist, ist aber beim Jahre 1270 ausradirt und dem Jahre 1287 eingefügt. - Es ist also wohl ziemlich sicher, daß die Gräfin Audacia erst im Jahre 1287 gestorben ist, obgleich urkundliche Nachrichten darüber gänzlich fehlen.


Nach diesen rein urkundlichen Nachrichten ist es nun unzweifelhaft, daß die Wittwe des Grafen Heinrich I. von Schwerin und die Mutter des Grafen Gunzelin III. Audacia hieß, und nach Chroniken von des Grafen Tode 1228 bis 1287, oder nach sichern Original =Urkunden von 1230 bis 1270, also wenigstens 42 Jahre, nach der Chronik gegen 60 Jahre lang, ihren Gemahl überlebte. Es läßt sich durch nichts bestreiten, daß die den Grafen Heinrich überlebende Gemahlin Audacia hieß und daß sein Sohn Gunzelin war, welcher eben so bestimmt wieder ein Sohn der Audacia genannt wird


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. IX,
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Da nun die Audacia zwei Söhne und wenigstens vier Töchter hatte, von denen die eine schon im Jahre 1236 verheirathet gewesen zu sein scheint, so muß Audacia mit dem Grafen Heinrich schon zu der Zeit vermählt gewesen sein, als sich der Kampf mit dem Könige Waldemar von Dänemark entwickelte.


Hiemit scheint eine Urkunde vom Jahre 1218 übereinzustimmen. Am Sonntage Jubilate (6. Mai) 1218 schenkten 1 ) der Graf Heinrich von Schwerin und seine Gemahlin Audacia ( "Hinricus comes Swerinensis, necnon Audacia eiusdem comitis vxor") dem Benedictinerkloster von Stade eine jähr liche Hebung von 9 Scheffeln Erbsen und 12 Schillingen aus drei Hufen in Vellahn, und am 6. März 1327 bestätigte 2 ) der Graf Gunzelin VI, diese von seinen Vorfahren, nämlich dem Grafen Heinrich und dessen "Gemahlin Audacia", gemachte Schenkung. Nach der Urkunde vom Jahre 1218 machte der Graf Heinrich diese Schenkung aus Verehrung gegen das von ihm "daselbst" dargebrachte heilige Blut des Herrn ("ob reurenciam sacri cruoris dominici per nos ibidem oblati " ). Ich habe in den Jahrbüchern S. 320 und 165 annehmen zu müssen geglaubt, daß man diese Stelle auf das berühmte, im Jahre 1222 von dem Grafen Heinrich dem Dome zu Schwerin dargebrachte Heilige Blut beziehen müsse. Die Bezeichnung durch das "daselbst (ibidem) dargebrachte Heilige Blut" ist aber etwas dunkel, da in der Urkunde diesem Ausdrucke keine andere Ortsbezeichnung voraufgeht, als der Name Schwerin in dem Titel des Grafen ("comes Swerinensis"). Aber eine solche entfernte Beziehung läßt sich wohl schwerlich rechtfertigen; vielmehr könnte man sich veranlaßt fühlen, den Ausdruck auf den ganzen Inhalt der Urkunde, auf Stade, zu beziehen und anzunehmen, daß der Graf auch nach Stade ein Heiliges Blut geschenkt habe; es würde auch sonst schwer zu erklären sein, warum er gerade in Stade eine Stiftung sollte gemacht haben, um das Heilige Blut in Schwerin zu verehren. - Da nun auch bis dahin allgemein angenommen ward, daß der Graf Heinrich zwei Gemahlinnen gehabt habe, von denen die erste Margaretha, welche noch im Jahre 1222 gelebt haben soll, die zweite Audacia genannt wird, so schien


1) Vgl. Jahrb. XIII., S. 319.
2) Vgl. Jahrb. XIII., S. 324.
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es mir sehr wahrscheinlich, daß das Datum dieser wichtigen Urkunde falsch sei und daß man 16. April 1228 statt 6. Mai 1218 lesen müsse, um so mehr, da nach der Bestätigungsurkunde des Grafen Gunzelin VI. vom 6. März 1327 die Original=Schenkungsurkunde damals schon durch Alter ver gangen war.

Aber da die Bezeichnung des Aufbewahrungsortes des Heiligen Blutes in dieser Urkunde sehr dunkel ist, auch schon im Jahre 1220 ein "Sacrament Jesu Christi" im Dome zu Schwerin aufbewahrt ward (vgl. Jahrb. XIII., S. 315), vorzüglich aber da die Gräfin Audacia längere Zeit vor dem Tode des Grafen Heinrich mit demselben vermählt gewesen sein muß, so liegt kein dringender Grund vor, an der Ausstellung der Urkunde für Stade im Jahre 1218 zu zweifeln, und man muß einstweilen dieses Datum als ächt betrachten. Dazu kommt noch, daß der Graf Heinrich wahrscheinlich schon am 17. Februar 1228 starb. Wenn aber diese Urkunde aller Wahrscheinlichkeit nach ächt und im Datum sicher ist, so würde die Gräfin Audacia als Gemahlin des Grafen Heinrich bis wenigstens in das Jahr 1218 zurückreichen.


Nach diesen urkundlichen Ausführungen würde die Gräfin Audacia sicher von 1218 - 1270, also 52 Jahre, oder nach der Chronik gar bis 1287, also 69 Jahre, als Gemahlin und Wittwe des Grafen Heinrich gelebt haben. Nimmt man die Angabe der lübeker Chronik, daß die Gräfin Audacia erst im Jahre 1287 gestorben sei, als richtig an, so würde die Gräfin wenigstens 90 Jahre alt geworden sein. Da aber in der Chronik bei der Angabe ihres Sterbejahres radirt ist und dasselbe ursprünglich in das Jahr 1270 gesetzt gewesen ist, so mag dieses, in Uebereinstimmung mit dem letzten urkundlichen Auftreten der Gräfin, das richtigere sein. Und in diesem Falle würde die Lebensdauer der Gräfin auf 70 bis 80 Jahre anzuschlagen sein.


Wenn nun die Gräfin Audacia als Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin gesichert ist, so ist die Frage nach der Margaretha, welche desselben Grafen Gemahlin gewesen sein soll. Die Gräfin Audacia erscheint in zahlreichen Originale=Urkunden gleich nach dem Tode des im Jahre 1228 verstorbenen

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Grafen Heinrich als dessen Wittwe und als Mutter des Grafen Gunzelin sehr lange Zeit, sicher 1230-1270; es scheint auch keinem Zweifel unterworfen zu sein, daß Audacia schon 1218 des Grafen Gemahlin war. Es ist ohne Zweifel sicher, daß der Graf sie als Wittwe bei seinem Tode hinterließ. - Die Gräfin Margarethe erscheint dagegen nur in zwei Urkunden aus den beiden letzten Lebensjahren des Grafen, 1227-1228, von denen die letzte am Tage vor dem Tode des Grafen ausgestellt ist, und diese beiden Urkunden sind nur in Abschriften vorhanden. Eine dritte im Originale vorhandene lübeker Urkunde, ungefähr vom Jahre 1226, nennt nun zwar die Margarethe, aber nicht als Gemahlin des Grafen, sondern nur als "Gräfin von Schwerin", obgleich in derselben Urkunde der Graf Gunzelin als " Sohn des Grafen Heinrich" bezeichnet wird. Da in derselben Urkunde Heinrich den Gunzelin seinen Sohn nennt, so würde er ohne Zweifel die Margarethe seine Gemahlin genannt haben, wenn sie es gewesen wäre.


Ich trage daher kein Bedenken, anzunehmen, daß die Gräfin Margarethe gar nicht des Grafen Heinrich Gemahlin war und daß der Graf Heinrich nur eine einzige Gemahlin Namens Audacia hatte, und daß damit alle Fabeln, welche die ältern Geschichtschreiber mit lebhaften Farben ausmalen, in nichts zusammenfallen. Dagegen wird die Gräfin Audacia fortan als eine hervorragende Persönlichkeit in ein viel helleres Licht treten.


Von großer Wichtigkeit für die ganze Begebenheit ist die Beantwortung der Frage, woher die Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin, welche nach den voraufgehenden Darstellungen nur Audacia gewesen sein kann, stammte.

In dem Vertragsentwurfe vom 24. September 1223 wird "die Mutter der Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin eine Frau von Zlawin" genannt ("mater uxoris H. de Zwerin domina de Zlawin").

Diese wird eine ostpommersche Fürstin gewesen sein. Die Geschichte der Fürsten von Ostpommern ist noch sehr dunkel, jedoch ist sie in den neuesten Zeiten doch so viel urkundlich bearbeitet, daß sie sich einigermaßen übersehen läßt; vgl. die Uebersichten von Quandt in den Baltischen Studien, XVI.,

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1, 1856, S. 97 flgd. und 2, 1857, S. 41 flgd. Im Jahre 1178 treten hier zuerst zwei Brüderpaare hervor, Sambor und Mestwin (wahrscheinlich Subislavs, † 1178, Söhne), Grimislav und Martinus, von denen Sambor in Danzig, Mestwin in Belgard residirte. Sambor hatte 1178 mehrere Kinder, namentlich einen Sohn Subislav. Mestwin hinterließ vier Söhne, Swantopolk († 1266), Wartislav, Sambor und Ratibor. Die jetzigen Kreise Schlawe, Stolp, Rummelsburg, Bütow u. s. w. erwarb erst Swantopolk zu der ostpommerschen Herrschaft (vgl. Ouandt a. a. O. 1, S. 98 flgd.). Von dieser Burg Schlawe, welche in den ältesten Zeiten oft Slawena, Schlawena oder Z1awin genannt wird, wird nun die Mutter der Gräfin ihren Titel führen; es ist aber auch möglich, daß sie von dem westlichen Theile von Ostpommern, von Kassubien, zu welchem Zlawena gehörte, betitelt war, da auch der westliche Theil des Landes Slawinia, d. i. Wenden, genannt wird (vgl. Quandt a. a. O., 2, S. 63 flgd.). Wenn sich nun auch noch nichts beweisen läßt, so ist es doch mehr als wahrscheinlich, daß die "Frau von Zlawin" eine ostpommersche Fürstin war. Diese wird dieselbe sein, welche um das Jahr 1221 unter der Bezeichnung "Dominade Zlauene" als Zeugin in einer pommerschen Urkunde (Dreger Cod. Pom., p. 99) aufgeführt wird, und es ist nicht unmöglich, daß sie die "Dobroslava de Slauna" war, welche 1200 als eine Schwester des Boguslav von Schlawe genannt wird (vgl. Dreger p. 67 und Rosegarten Cod. Pom. I., p. 193). Dies wird zunächst durch die Rolle, welche sie in der dänischen Angelegenheit spielt, wahrscheinlich gemacht.

In dem Vertragsentwurfe vom 24. September 1223 wird auch festgesetzt,

"daß der Mutter der Gemahlin des Grafen Heinrich von Schwerin, der Frau von Zlawin, die ihr rechtmäßig gehörenden Güter und die Erbschaft, welche der König von Dänemark bis dahin mit Gewalt besetzt und in Besitz gehalten hatte, wieder zurückgegeben oder ihr für ihr Erbe zum Ersatz 2000 Mark gezahlt werden sollen,"
("Item matri uxoris comitis H. de Zwerin, domine de Zlawin, dominus imperator et dominus rex bona et hereditatem suam ad ipsam de iure spectantia, que rex Dacie hactenus per violentiam occupata detinuit, restitui facient aut pro ipsa hereditate in restaurum ei duo milia marcarum persoluent").

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Dasselbe wird in dem Vertrage über die Freilassung des Königs Waldemar vom 4.Julii 1224 bestimmt:

"Item rex matri uxoris comitis Heinrici terram eius restituet vel duo milia marcarum dabit."

Das Land, welches der König Waldemar der Schwiegermutter des Grafen entrissen hatte, wird nun ohne Zweifel in den südlichen Ostseeländern zu suchen sein, und es stimmt zu unserer Annahme, daß der König um das Jahr 1210 auch die Burg Danzig mit deren und andern ostpommerschen Ländern in Besitz genommen hatte. Die angedeutete Herkunft der Frau von Slavinien wird dadurch nicht wenig unterstützt, daß ihre eine Enkelin, Tochter der Audacia, eine Gräfin von Gleichen war. In Pommern werden 1267 ein Graf Heinrich von Gleichen und dessen Sohn Heinrich und Töchter genannt (vgl. Dreger Cod. Pom., p. 525, Gruber Orig. Liv., p 250) und der Bischof Hermann von Camin (1249-1288) wird auch ein Graf von Gleichen gewesen sein. Andere Grafen von Gleichen wohnten in jener Zeit in Dänemark (Neue Zeitschrift des thüring. sächs. Vereins, I., H. 3, 1832, S. 29 flgd.). Ein Graf Ernst von Gleichen erscheint öfter bei dem Könige Waldemar von Dänemark und dem Grafen Albert von Orlamünde und kommt noch im Jahre 1263 in einer doberaner Urkunde als Zeuge vor. Dieser könnte der Graf Ernst III. von Gleichen sein, über den die Fabel von seinen beiden Frauen erzählt wird, welche erst am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden ist, wahrscheinlich nach einem Leichensteine, auf welchem der Graf Sigesmund I. († 1494) mit seinen beiden Frauen, die er hinter einander hatte, abgebildet ist.

Volle Bestätigung scheint die Herkunft der Frau von Schlawin durch die Vermählung des Grafen Helmold II. von Schwerin zu erhalten. Nachdem sich der Graf im Jahre 1287 mit der Prinzessin Margarethe von Süderjütland vermählt hatte, ward in ihm das Gewissen darüber rege, daß er mit seiner Gemahlin im vierten Grade verwandt sei, und suchte deshalb die päpstliche Dispensation, welche er auch fand (vgl. Schlesw. Holst. Lauenb. UB. I., S. 515 - 517). Dieser Grad der Verwandtschaft führt ebenfalls wieder auf Ostpommern als die Heimath der Gräfin Audacia, zurück, nach folgenden Stammtafeln:

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Stammtafel

Diese Stammtafeln werden durch die Abstammungen der Fürsten von Ost=Pommern und Rügen nach den Forschungen von Fabricius in den beiden, seinen Urkunden des Fürstenthums Rügen Th. III. am Ende beigegebenen Stammtafeln unterstützt.

So scheint es denn keinem Zweifel unterworfen zu sein, daß des Grafen Heinrich I. von Schwerin einzige Gemahlin Audacia und diese eine Tochter einer ostpommerschen Fürstin war.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts waren die Grafen von Schwerin noch weiter mit den ostpommerschen Fürsten verwandt, indem die beiden meklenburgischen Fürsten Pribislav von Richenberg mit den pommerschen Fürsten verwandt waren (vgl. auch Quandt a. a. O. II., S. 64 flgd.), Pribislav's I. Schwester Margarethe aber wieder an den Grafen Gunzelin III. von Schwerin vermählt war.


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So wichtig nun auch die hier gebotenen urkundlichen Zeugnisse sein mögen, so kann die vorstehende Darstellung doch nur als Andeutung dienen, daß noch ungemein viel für eine Sache, welche geschichtlich äußerst wichtig ist, gethan werden kann. Die Forschungen greifen aber so weit, daß sie die Arbeiten eines tüchtigen Gelehrten auf lange Zeit allein in Anspruch nehmen können, Es sollten hier aber die Zeugnisse aufgerufen werden, ohne welche eine tiefere Forschung unmöglich ist.

Die Sache ist schon früher in Bedenken gezogen, aber wegen Mangels an Urkunden nicht zum Schlusse gebracht. In der Monatsschrift von und für Meklenburg, Jahrg. II., 1789 Stück 1, S, 59, findet sich eine Abhandlung über die Gemahlin des Grafen Heinrich I. von Schwerin von B(ouchholt)z. Bouchholtz fühlt alle die Schwierigkeiten, welche nach den frühern Annahmen zu überwinden waren, sehr genau und kommt zu dem Schlusse, daß der Graf Heinrich nicht mehr als eine Gemahlin gehabt habe und daß die Gräfin Audacia oder Margaretha eine und dieselbige Person sein müsse, daß aber vielleicht Margaretha der Taufname der Gräfin, Audacia aber ein ehrender Beiname derselben Gräfin gewesen sei. Er hält dafür, daß die Frau von Zlawin eine vornehme Dame, Frauenzimmer von slavischer oder wendischer Abkunft und die Gemahlin, Audacia also die Tochter und Erbin eines einheimischen vornehmen Edelmannes gewesen sei, und daß das Dorf Slavikestorpe (jetzt Schlagsdorf) in der Pfarre Retgendorf' welche Audacia nach der Urkunde vom 28. December 1240 so sehr begünstigte, von der Frau von Zlawin den Namen erhalten habe, da dieses Dorf ohne Zweifel der alte Rittersitz des Vaters der Audacia und das erste und vornehmste unter den Gütern in der diesen Frauen gehörenden Pfarre Retgendorf gewesen sei. Diese Ansichten sind als solche, welche ohne Urkundenmittel vorgebracht sind , allerdings ganz geistreich, lassen sich aber unter keiner Bedingung halten und bedürfen keiner Widerlegung. - Eben so unhaltbar sind viele andere Erfindungen, z. B. von der Scheidung des Grafen von seiner entehrten Frau und einer darauf eingegangenen zweiten Vermählung. Die Geschichte der Margarethe ist allerdings noch dunkel genug, so sehr auch das Leben der Audacia an Klarheit gewonnen haben mag.


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Urkunden.


Nr. I.

Die Aebtissin Osterlinde von Quedlinburg verspricht, die Gräfin von Schwerin und ihren Sohn Guncelin persönlich mit der Vogtei Soltau belehnen zu wollen, und verheißt denselben einstweilen den ungestörten Besitz der Güter.

(1231 - 1232.)

O. dei gratia Quidelingeburgensis abbatissa omnibus hoc scriptum audituris salutem in domino. Recognoscimus et presentibus litteris protestamur, quod nos dominc comitisse de Zuerin et filio suo comiti Guncelino aduocatiam totam in Saltowe cum aliis bonis, que pater eiusdem ab ecclesia nostra iuste dinoscitur tenuisse, cum ad nos presentialiter uenire potuerint, porrigere tenebimur in feodo et eis ad hoc teneri bona promittimus uoluntate, indulgentes eisdem, ut medio tempore libere possideant illa bona et ipsis utantur quiete, donec se nostro conspectui representent, predictum a nobis feodum recepturi. Et ne ulla super hiis possit dubietas exoriri, presentes litteras sigillo nostro signatas prefatis personis ad cautelam transmisimus habundantem.

Auf Pergament, in einer cursivischen Minuskel des 13.Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. Das Siegel ist von dem Pergament streifen abgefallen.
Die quedlinburger Aebtissin O. war Osterlindis, welche nach Erath Codex diplomaticus Quedlinburgens., Frankf. 1764, Fol., 1231-1232 regierte. Noch im Jahre 1231 (indictione tertia) war Kunigunde Aebtissin (vgl. Erath Nr. LI.). Aber schon am 1. August 1231 (indictione IV.) erscheint "Osterlindis" als Aebtissin (vgl. Erath Nr. LII., p. 152) und ferner im Jahre 1231

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noch zwei Male (vgl. Erath Nr. LIII. und LIV.) Sie erscheint zuletzt am 1. und 12. März 1232 (vgl. Erahth Nr. LV. und LVI.). Im Jahre 1233 (indictione sexta) war schon Gertrud Aebtissin, welche auch 1234 und 1236 vorkommt. Eine andere Aebtissin, deren Namen mit D anfängt, findet sich im 13. Jahrhundert in Quedlinburg nicht. Die Urkunde muß also 1231 - 1232 ausgestellt sein.


Nr. II.

Der Minister des Franziskanerordens in Deutschland gestattet der Gräfin Audacia von Schwerin und ihren vier Fräulein (Töchtern) Beichte, Abendmahl, letzte Oelung und Begräbniß im Franziskanerkloster zu Schwerin.

D. d. Erfurt. 1236. April 24.

Dilectis in Christo fratribus in Zwerin frater Jo., fratrum minorum Teutonie minister, salutem et eterna diligere toto corde. Accessit ad nos domina no bilis comitissa de Zwerin nomine A. cum IIII or eius dom icellis, rogans humiliter, ut post earum obitum optata eis a nobis concederetur in fratrum cimiterio sepultura, confessionem peccatorum suorum apud ipsos peragere et dominici corporis communionem pecipere, necnon et in unctionis sacramento se per ipsos desiderans premuniri. Cum igitur tam pie uoluntati benigno sit succurrendum consilio, rogamus et monemus attentius, quatenus predictis dominab us, dum tempus incubuerit necessarium, auctoritate nostra desiderata beneficia impendatis, dum tamen domini episcopi Zwerinensis litteram super hiis negotiis obtentam uobis potuerint demonstra[re]. Datum in Erphordia, anno domini M°CC°XXX°VI°, VIII. kalendas Maii.

Auf einem sehr kleinen, 4 1/2 Zoll langen und 2 1/2 Zoll breiten Pergamem, in einer sehr kleinen Cursivschrift des 13. Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. An einer dünnen Schnur von ungebleichten leinenen Fäden hängt ein parabolisches Siegel von geläutertem, auf der Oberfläche grünlichem Wachs. Im Siegelfelde steht auf einer Consele das Bild Johannis des Täufers, welcher ein Agnus Dei in den Armen hält; an jeder Seite der Figur steht eine heraldische Lilie. Umschrift:

Umschrift

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Nr. III.

Das Kloster zu Uetersen in Holstein dankt der ältern Gräfin A(udacia) von Schwerin für einen geschenkten Kelch und verleiht ihr, ihrem Sohne G(uncelin), Grafen von Schwerin, ihrer Tochter Mechthild, einer Gräfin von Gleichen, und ihrem verstorbenen Gemahle H(einrich) die Fraternität und die Versicherung von Fürbitten und Gedächtnißfeiern.

(1236.)

Venerabili et dilecte in Christo domine A. seniori cometisse in Zverin G. prepositus, E. priorissa totusque conuentus ancillarum Christi in Vtersten cum sincero affectu deuotas in Christo orationes. Pro affectu simul et dono, in calice misso nobis demonstrato, gra tiarum actiones multimodas vestre referimus donationi, cum deuotione deum omnium retributorem bonorum exorantes, ut in eterna uita hanc uicissitudinem vobis recom penset. Nos uero quod possumus fauoris vestre dignacioni ostendentes, dominum H. comitem Zverinensem bone memorie, vestrum quondam maritum, in nostram recepimus plenariam fraternitatem, nomen ipsius defuncti in nostro kalendario asscribentes XIIII kal. Martii, vt eidem in missis, vigiliis ceterisque orationibus et operibus bonis diebus continuis et annis singulis tanquam sororibus nostre congregationis mortuis faciamus. Preterea vos et dominum G. comitem Zverinensem, filium vestrum, et dominam Mechtil dem, filiam vestram, comitissam de Geligen, in eandem fraternitatem et easdem recepim us orationes, quamdiu uixeritis, et dum de vestra vel filii seu filie vestre morte constiterit nobis, que prescripta sunt de communi[on]e, uobis volenti animo et corde deuoto faciemus.

Auf Pergament, in einer etwas unsichern Minuskel des 13. Jahrhunderts, im H. Archive zu Schwerin. An einem aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt aus geläutertem Wachs ein rundes Siegel mit dem Brustbilde der Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem linken Arme und der Umschrift:

Umschrift

Ueber das Kloster Uetersen handeln: Falk Samml., aus den schlesw. holstein. Anzeigen, Tondern, 1824, Bd. 3, Heft 2; Seestern=Pauly Beitr. z. Kunde der Gesichte etc. . des Herzogthums Holstein, Schleswig, 1825, Bd. II, Nr. I, S. 440 flgd.; Kuß die

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vormaligen Nonnenklöster Cistercienser=Ordens in Holstein, in Falk Neuem staatsbürgerl. Magazin, Bd. II, Heft 3 flgd., S. 799 flgd. Am ausführlichsten ist aber gehandelt in Grube Otiis Jersbecensibus, einer Handschrift der schlesw. holstein. patriotischen Gesellschaft, worüber Seestern=Pauly ausführliche Nachricht giebt. Hier nach ward das Kloster Uetersen im Jahre 1235 gestiftet, und Gottschalk, früher Pastor in Crempe, 1235 von Heinrich v. Barmstedt, Stifter des Klosters, zum Propst berufen, welcher noch 1240 lebte; von da an bis 1315 fehlen Nachrichten über die Pröpste. Als Priorin wird 1235 Elisabeth genannt; bis 1328 fehlen Nachrichten über die Priorinnen. Am 10. Februar 1239 ward noch "Gadescalcus de Utersten prepositus" genannt in Schlesw. Holst Lauenb. Urk. Samml. I, S. 469, Nr. III. Die vorstehende Urkunde wird also in die Zeit bald nach dem Jahre 1235 fallen.


Nr. IV.

Das Kloster Harste bei Osnabrück verleiht dem Grafen G(uncelin) von Schwerin und dessen Mutter A(udacia) die Fraternität und bestimmt die Zahl der für beide festgesetzten guten Werke

(1240.)

Nobilibus ac dilectissimis in Christo, domino G. co miti Zvverinensi et domine A. matri sue, C. prepositus, M. abbatissa totusque conuentus sancte Marie uirginis in Harst orationum suarum perpetuam deuotionem. Nobilitati uestre tenore presentium innotescat, quod nos benigni tati uestre nobis exhibite condigne regratiari cupientes, in nomine domini in plenam uos collegimus fraternitatem, deuotissime deprecantes, ne hoc spirituale munus, quod summum in hac uita iudicamus, parui pendatis, quia scimus, tam in uita, quam in morte uobis maxime profuturum. Hec sunt orationes, que pro uobis uiuis fiunt a nostro conuentu: omni quarta feria specialis missa et omni sexta feria septem psalmi penitentiales, et duo psallteria singulis annis, exceptis aliis ora tionibus. Pro defunctis uero: in die primo deposicionis defuncti per totum annum integrum incipitur psalterium et singulis diebus finitur, et quelibet nostrum IIII or psalteria, et omni secunda feria missam defunctorum canimus. Duobus diebus ante Mathei incipimus tricenarium, in quo per totum ordinem decem psalteria leguntur, et quolibet die tres prebende dantur pauperibus, et quolibet die

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missa pro defunctis cantatur, usque ad festum Luce et omni sabbato psalterium incipitur et in eadem ebdomada legitur cum disciplinus corporalibus, exceptis aliis laboribus spiritualibus, qui pro eis fieri consueuerunt.

Auf einem kleinen Pergament in einer gedrängten, festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von grünem Wachs, von dem jedoch schon der obere und der untere Theil fehlt. Im Siegelfelde ist eine sitzende Figur der Jungfrau Maria mit dem Christkinde auf dem linken Schooße zu erkennen und von der Umschrift nur an der rechten Seite:

Umschrift

Das Kloster Harste, jetzt Haste, nahe bei Osnabrück, soll im Jahre 1232 von Giselbert von Harste gestiftet und im Jahre 1246 in das stille Thal von Rulle, einige Stunden von Osnabrück, verlegt sein, und führte seitdem den Namen Rulle. (Vgl. Westfäl. Beitr. 1777, S 45.). (Nach Müller's Gesch. von Ravensberg,1839, S. 42.). Nach der Sage ward das Kloster zu Harste durch einen Unglücksfall in Asche gelegt und deshalb "im Jahre 1244 nach Rulle verlegt und unter dem Propst Conrad, seligen Andenkens, und der Aebtissin Mechthilde bestätigt, daneben auch mit ein em sonderlichen Privilegio vom Papste Alexander bestätigt." ( Vgl. Die drei Legenden vom Kloster zu Rulle, in Mittheil. des histor. Vereins zu Osnabrück, Jahrg. I, 1848,S. 267.). Die vorstehende Urkunde wird also zwischen 1232- 1244 ausgestellt sein, da in dieser Zeit noch die erste Stiftung zu Harste genannt wird. Vgl. Möser's sämmtl. Werke, VII, III,146 f1gd , Sandhof Antistitum Osnabr. eccl. res gestae I, p. 267 , wo auch Conrad und Mechthild vorkommen.


Nr. V.

Das Kloster Neuen=Kamp ertheilt der Gräfin Audacia von Schwerin und ihrem verstorbenen Gemahle Heinrich die Fraternität.

D. d. 1258. Januar 6.

Nobili domine Audatie comitisse de Zwerin frater A. dictus abbas Noui Campi orationum suarum par ticipium cum salute. Exigente pie deuotionis affectu, quem habetis ad ordinem nostram et specialiter ad domum nostram, concedimus uobis et Heinrico comiti, uiro uestro iam defuncto, fraternitatem et plenam participationem omnium bonorum in domo nostra, que fiunt ibi ad honorem dei et beate uirginis Marie in uigiliis, ieiuniis, missis et orationibus, facientes uos istorum et

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omnium bonorum participes et consortes. Datum anno domini M°CC°LVIII, in epiphania domini.

Auf einem kleinen, schmalen Pergament in einer kleinen, engen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem, aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von geläutertem Wachs mit dem Bilde eines stehenden Abtes; Umschrift

Umschrift

Nr. VI

Das Kloster zu Rehna verleiht der Gräfin A(udacia) von Schwerin die Fraternität.

(1260-1261.)

Nobili matrone et dilecte domine sue A. comitisse seniori de Zverin C. dei gratia prepositus, priorissa totumque capitulum ancillarum Christi in Rene orationes in domino perpetuas' assiduas et denotas. Benignitatis vestre circa nos beninolentiam deo gratam et nobis expertam multociens humiliter amplectentes, in nostram uos et vestros, uinos et defunctos, fraternitatem suscipi-mus, orationum nostrarum et omnium spiritualium laborum nunc et semper uos participes facientes. Sane quia coram deo de uobis ualde presumimus, vestris etiam nos orationibus commemdamus , orantes pariter et optantes, quatinus hoc mutuum caritatis et nobis et vobis eternam proficiat ad salutem: et hoc, sicut vestra dilectio fieri postulauit, sub sigillo ecclesie presentibus protestamvr.

Auf Pergament, in einer festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem Pergamentstreifen hängt das parabolische Klostersiegel von geläutertem Wachs. Im Siegelfelde sind zwei Baldachine: links sitzt die Jungfrau Maria mit dem Christuskinde auf dem linken Schooße und einem Lilienstengel in der rechten Hand, rechts steht die H. Elisabeth; Umschrift:

Umschrift

Der Propst C(onrad) erscheint in den Urkunden des Klosters Rehna 1260 - 1261; vgl. Jahrb. XX., S. 346.


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Nr. VII.

Das Kloster Hilda (Eldena bei Greifswald) fordert von der ältern Gräfin (Audacia) von Schwerin den bei Verleihung der Fraternität von ihr dem Kloster versprochenen Kelch und bietet ihr einen besondern Altar an.

(1264.)

Venerabili et illustri femine comitiss seniori seu maiori in Zuerin frater R. dictus abbas in Hilda totusque conuentus ibidem ad sua beneplacita affectum beniuolum cum orationibus in Christo deuotis. Vestre benignitatis excellentie tenore presentium cupimus declarare, quod calicem, quem nobis pollicebamini, cum uobis fraternitatem conferremus plenariam, nondum recepimus, de die in diem exspectantes, ut uestrum promissum in hac parte compleatur, quia valde necessarium ad diuinum peragendum officium hunc habemus. Ceterum vestre ingenuitati pandere curauimus, quod nouum nostrum monasterium nunc intrauimus et in eo diuina rite die noctuque persoluimus, in quo certe monasterio si uobis altare speciale uolueritis assignari, nobis preparamenta sacerdotalia integra cum calice pretaxato per exhibitorem presentem transmittatis, vt in hiis ad honorem dei vestrique memoriam cotidie diuina valeant celebrari; pro quibus omnibus non solum hic honorem in terris habebitis, verum etiam gloriam et mercedem apud altissimum, cum vnicuique secundum sua opera restituet in futuro. Valete in domino Jesu Christo.

Diese Urkunde, im H. Archive zu Schwerin, ist auf einem 6 Zoll langen und 3 Zoll breiten Pergament in einer stumpfen Cursivschrift des 13. Jahrhunderts geschrieben. Das Pergament ist einmal nach der Breite und vier Male nach der Lange zu einem Briefe zusammengefaltet und hat auf der Rückseite die Aufschrift:

vener, comitisse
in Zuerin.

An einem aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt das Siegel des Abtes aus geläutertem, weißem Wachs in elliptischer Form. Im Siegelfelde steht das ganze Bild des Abtes mit dem Stabe in der rechten Hand und einem Buche auf dem linken Arme; Umschrift:

Umschrift

Der Abt R. ist "Reginarus abbas de Hilda", welcher 1264 vorkommt; vgl. Fabricius Rügensche Urkunden, III, S. 183.


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Nr. VIII.

Das Kloster Neumünster verleiht der Gräfin A(udacia) von Schwerin und den schon verstorbenen Grafen Heinrich, dem ältern und dem jüngern, die Fraternität.

(1264-1268.)

Religiose et in Jhesu Christo dilecte domine A. cometisse quondam Zwerinensi Jo. dei gratia prepositus, P. prior totusque conuentus Nouimonasterii in Holsacia salutem presentem et eternam. Exigente pie deuotionis affectu, quem ad nostram habetis ecclesiam, sicut experimentis euidentibus est probatum, concedimus uobis tam in vita, quam in morte fraternitatem et specialem participationem in missis, orationibus, ieiuniis, abstinentiis, vigiliis ceterisque bonis operibus, que per nos in presenti et per posteros nostros in futuro operari dignabitur clementia saluatoris. Preterea, sicut uestra desiderat serenitas, eandem gratiam conferimus pie recordationis comitibus defunctis Henrico seniori et H. juniori. In cuius rei signum litteram hanc cum appensione sigilli nostri uobis duximus destinandam, petentes vestris bonis actionibus apud deum similiter adiuuari.

Auf Pergament in einer kleinen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. An einem, aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt ein verletztes, anscheinend rundes Siegel von geläutertem Wachs. Im Siegelfelde ist ein sitzendes Marienbild mit dem Christkinde auf dem linken Schooße und einer Lilie in der rechten Hand. Von der Umschrift sind nur die letzten Buchstaben vorhanden:

Umschrift

Der Propst Johannes von Neumünster erscheint 1266 - 1268, vgl. Schlesw. Holstein. Urk. Buch I, S. 211-212, aber auch schon 1261, nach Falck Staatsbürgerl. Magazin, Bd. IX. Da nun der jüngere Graf Heinrich im Jahre 1263 noch lebte und vor 1274 starb, so wird die Urkunde ungefähr 1264-1268 ausgestellt sein.
Neumünster liegt nahe bei Bornhövd.


Nr. IX.

Das Kloster zum Heil. Kreuz bei Braunschweig ertheilt der Gräfin Audacia von Schwerin und ihrem verstorbenen Gemahle die Fraternität.

(1270.)

Venerabili ac in Christo dilecte domine cometisse Audatie in Zwerin B. dei gratia prepositus et H. ab-

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batissa totumque capitulum dominarum Sancte Crucis prope Brvneswic orationum suarum et omnium benefactorum participationem. Ut dulcissimam uestram caritatem debita nobis obligemus uicissitudine et sanctarum orationem vestrarum et elemosinarum ceterarumque uirtutum, quibus diuulgata estis, que nos intelleximus experte a religiosa domina Ermengardi, secundum petitionem vestram conferimus vobis plenam fraternitatem congregationis nostre. Cupimus uos participes fieri omnium laborum et quarumcunque spiritualium actionum, que per dei gratiam in conuentu nostro fieri consueuerint. In no mine patris et filii et spiritus sancti. Hec omnia contulimus anime domini Heinrici, mariti uestri, orantes pro anima eius et pro vobis, tam viuam, quam mortuam.

Auf Pergament in einer festen Minuskel, im H. Archive zu Schwerin. Die am Schlusse, nach der Segensformel, für den Grafen Heinrich hinzugefügte Formel ist in einer großen, dicken Minuskel und mit anderer Dinte geschrieben. An einem Pergamentstreifen hängt ein parabolisches Siegel von ungeläutertem Wachs. Es sind von demselben jedoch nur noch drei Stücke vorhanden: in dem obern Theile des Siegelfeldes ist ein großes, gleicharmiges, schwebendes Kreuz; die Stücke des untern Theils verrathen eine knieende menschliche Figur. Von der Umschrift ist noch zu erkennen:

Umschrift

Zur Zeitbestimmung dieser Urkunde theilt der Herr Archivrath Schmidt zu Wolfenbüttel folgendes mit. Der Propst B(arthold) und die Aebtissin H(ildeburg) des Klosters zum Heil. Kreuz bei Braunschweig kommen zuerst in einer Urkunde des Klosters vom 2. Mai (in crastino b. apost. Phil. et Jac.) 1271 neben einander vor:

"Bertoldus prepositus s. Crucis, Hildeburgis abbatissa et uniuersus conuentus."

In der Zeit von 1282 - 1288 werden schon der Propst Barthold und die Aebtissin Adelheid, im Jahre 1290 der Propst Johann und die Aebtissin Gertrud zusammen genannt. Dies sind die einzigen Nachrichten, welche sich im braunschweigischen Landes=Haupt=Archive hierüber finden. Die Urkunden dieses dicht vor Braunschweig belegenen Klosters sind unvollständig und Copial= und Memorienbücher fehlen gänzlich. Nach diesen Nachrichten muß die Urkunde um 1270 und vor 1282 ausgestellt sein.

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