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Wendenbegräbniß von Ganzer.

Zu Ganzer bei Wusterhausen in der Mark Brandenburg, nicht weit südlich von den meklenburgischen Enclaven Rossow und Netzeband, ward im J. 1859 eine zerbrochene heidnische Begräbnißurne ausgegraben, welche von dem Herrn Pastor Ragotzkyzu Triglitz, Mitglied unsers Vereins, erworben und dem Vereine geschenkt ward. Der Inhalt dieser Urne ist für die Eisenperiode sehr merkwürdig.

Die Urne, von heidnischer Arbeit, mit Kiesgrus durchknetet, welche mit zerbrannten Knochen gefüllt war, ist zerbrochen und nur noch in einigen großen Bruchstücken vorhanden. Sie war braun von Farbe und hatte ungefähr die Gestalt und dieselbe Verzierung, wie die Urnen der Eisenperiode, welche in Jahrb. XII, S. 429 abgebildet sind.

Außer den Knochen lagen in der Urne folgende Alterthümer:

ein eisernes Gürtelgehenk oder Brustgehenk, welches durch seine Arbeit und Einrichtung sehr selten und merkwürdig ist. Den Haupttheil bildet eine Platte von dünnem, gradem Eisenblech, welche 2 1/2 Zoll lang, 2 Zoll breit und an beiden Seiten etwas eingeschweift ist. Oben am Rande sind zwei kleine Löcher eingetrieben, um dieses zum Hängen bestimmte Blech an einen Gewandtheil oder ein anderes Werkzeug anheften zu können. Unten am Rande sind sechs kleine Löcher eingetrieben, in welchen dünne eiserne Ketten hängen, um kleine Geräthe daran zu befestigen. Diese Ketten, welche freilich zusammengewickelt und zusammengerostet und in einzelne Klumpen zerbrochen, jedoch in sehr vielen Gliedern noch wohl erhalten und klar zu erkennen sind, sind sehr merkwürdig. Die

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einzelnen runden Glieder dieser Kettchen sind sehr vollkommen gearbeitet und haben einen äußern Durchmesser von nur 1/4 Zoll oder 1/2 Centimeter. Das Merkwürdige ist, daß diese Kettchen von Eisen gearbeitet sind; wenn auch, namentlich in mehr östlichen Gegenden, solche Kettchen aus alter Zeit von Bronze vorkommen, so sind doch so feine und gut gearbeitete Ketten aus Eisen äußerst selten beobachtet worden. Diese Ketten geben wieder einen Beweis von der äußerst tüchtigen Bearbeitung des Eisens durch die Hand in der Eisenperiode des Heidenthums (vgl. Jahrb. XXV, S. 261 und 249).

Ob ein 1 1/2 Zoll □ großes Bruchstück

   eines gleichen Eisenbleches, welches an einem Ende an gleicher Stelle noch ein durchgetriebenes Loch zeigt, zu dem erwähnten Gehenk als zweite Unterlegplatte gehörte oder ein zweites Gehenk bildete, läßt sich nicht entscheiden. Wahrscheinlich aber bildete es ein zweites Gehenk, zu welchem ein Theil der zerbrochenen Ketten gehört.

Ferner lagen in der Urne

   zwei eiserne Hefteln mit Spiraldräthen, wie sie sich so häufig in den Wendengräbern finden. Die Bügel dieser Hefteln haben aber nicht die gewöhnliche Form aus massivem Metall, sondern bestehen aus demselben graden, dünnen Eisenblech, aus welchem die Gehenke gearbeitet sind, und bilden grade Blechstreifen von 2 Zoll Länge und 1 1/8 Zoll Breite, welche oben an die Feder gesetzt sind und unten einen kleinen Knopf an der Spitze haben.

Endlich fand sich

   der bronzene große Knopf einer Nadel, wie es scheint, zerbrochen, rund, hohl, 2 Zoll im Durchmesser, wie solche in Wendengräbern, jedoch selten, gefunden werden.

Dieser äußerst seltene Fund wird dadurch noch merkwürdiger, daß sich im J. 1837 zu Kl. Wieblitz bei Salzwedel in der Altmark auf einem großen wendischen Begräbnißplatze ganz dieselben Gegenstände fanden: die Gehenke mit den Ketten, die Hefteln, die großen Nadelknöpfe, alle in denselben Größen und Formen, mit noch vielen andern Gegenständen. Dieser Fund ist im zweiten Jahresbericht des altmärkischen Vereins, 1839, S. 76 flgd. beschrieben. Die Gehenke sind S. 81 beschrieben und auf der beigegebenen Lithographie abgebildet; hiernach hing das Gehenk an einer Heftel, welche nach belieben an die Kleidung gestochen werden konnte. - Die damalige Ansicht Danneil's, daß der Kl. Wieblitzer Fund nicht der wendischen Periode, sondern der "zweiten Abtheilung der Kegelgräber" angehöre, weil die Urnen nicht die gewöhn=

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liche schalenförmige Gestalt der Urnen der Wendenkirchhöfe haben, dürfte nicht mehr stichhaltig sein, da sich in Wendenkirchhöfen sehr verschiedene Urnen finden. Jedenfalls wird man den Fund der Eisenperiode zuschreiben müssen, wenn man auch die Wenden außer Spiel lassen will.

Diese von den meklenburgischen eisernen Alterthümern abweichenden Geräthe, welche an zwei verschiedenen Stellen der Mark Brandenburg gefunden sind und sicher in eine und dieselbe Zeit gehören, werden die Eisenperiode sehr zu erhellen im Stande sein.

G. C. F. Lisch.