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Ueber Bronzewagen,

von

G. C. F. Lisch.

Von den höchst merkwürdigen Geräthen der kleinen bronzenen Wagen, welche zuletzt in den Jahrb. XXV, S. 215 behandelt sind, sind in den allerneuesten Zeiten mehrere Exemplare entdeckt, deren Auffindung schon im Jahrb. XXV, S. 320 und Jahresber. XXV, S. 71, vorläufig kurz angezeigt ist.

1) Der Bronzewagen von Ystad in Schonen ist für Meklenburg eine der wichtigsten Entdeckungen auf dem Felde der Alterthumskunde. Im J. 1855 ward in dem Graben eines Torfmoors ganz nahe bei Ystad ein kleiner bronzener Wagen von einem Schulknaben gefunden; dieser verkaufte ihn an einen Studenten F. Lundh, welcher denselben der bedeutenden Alterthümersammlung seines Vaters, des Pfarrers Lundh in Hammenhög, einverleibte. Hier stand er unbekannt, bis ihn der Docent Bruzelius aus Lund, welcher auf einer archäologischen Reise im J. 1858 den peccatelschen Kesselwagen in Schwerin gesehen hatte, sah und gewissermaßen entdeckte. Schon nach der Mittheilung des Professors Nilson aus Lund, jetzt in Stockholm, welcher 23.-25. Julii 1860 die Sammlungen in Schwerin studirte, ist dieser bei Ystad gefundene Wagen dem bei Peccatel in Meklenburg gefundenen und in Jahrb. IX, Lithographie zn S. 372, und Jahrb. XXV, S. 219 abgebildeten Kesselwagen völlig gleich. Bruzelius erhielt von dem Pfarrer Lundh die Erlaubniß, den Wagen zu beschreiben. Darauf starb der Pfarrer Lundh und der Wagen von Ystadt kam in das Museum zu Stockholm.

Zu gleicher Zeit gab Bruzelius eine Beschreibung des Wagens von Ystad heraus und ließ denselben dabei abbilden in Svenska Fornlemningar, of Nils Gustaf Bruzelius, II. Heft, Lund, 1860, S. 20 flgd. und Taf. V. Betrachtet man diese Beschreibung und Abbildung, so wird man überrascht durch die völlige Uebereinstimmung des Wagens von Ystad mit dem Wagen von Peccatel. Der Wagen von Ystad hat ebenfalls die Achsen und Langbäume jochförmig oder glockenförmig gestaltet, in ein Quadrat zusammengestellt und die Enden der Langbäume mit denselben vogelhalsähnlichen Ausläufern verziert. Auf der Zusammenfügung der Achsen und der Langbäume sind noch die vier bronzenen Füße angenietet, welche den "Hals" oder die Säule getragen haben, auf welchem der Bronzekessel stand. Der Kessel und der Hals sind jedoch verloren gegangen und liegen vielleicht noch im Torf=

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moor. Die Gleichheit der Wagen von Ystad und Peccatel ist überraschend. Das Wagengestell beider ist gegossen und dann gebogen. Die Räder sind gegossen, vierspeichig und an beiden Wagen 4 1/2 Zoll hoch. Bruzelius sagt, daß die Räder beider Wagen an Form, Größe und Aussehen so gleich sind, daß man behaupten möchte, sie seien in derselben Form gegossen (S. 24). Der Wagen von Ystad ist in alter Zeit viel gebraucht, da die Achsen ausgeschliffen und geflickt sind (S. 25).

Das Metall des schonenschen Wagens besteht nach der chemischen Analyse aus 92, 49 Kupfer, 6, 34 Zinn, 0, 63 Eisen und 0, 54 Nickel, also aus antik germanischer Bronze aus Kupfer und Zinn, da die geringen natürlichen Mengtheile von Eisen und Nickel nicht in Rechnung zu bringen sind.

Da nun die Metall=Legirung von Wichtigkeit für die ganze Forschung werden kann, so hat der Herr Dr. L. R. von Fellenberg zu Rosenbühl bei Bern, welcher sich mit Eifer der Analyse antiker Bronzen widmet, die Güte gehabt, einige Bruchstücke von der Vase des Kesselwagens von Peccatel einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Die Bruchstücke, welche nach Befreiung vom Grünspan eine schöne, goldähnliche Farbe zeigten, 1, 997 Gramme schwer, ergaben folgende Zusammensetzung:

Kupfer  87, 20
Zinn      12, 75
Eisen       0, 05 .

Von Nickel, Blei, Silber, Autimon und Kobalt war keine Spur vorhanden. Die Bronze ist also auch hier die antike germanische Bronze, wenn auch in andern Verhältnissen gemischt, als der Wagen von Schonen. Dangen hat die Vase von Peccatel ganz dieselbe Mischung, wie ein dünne gehämmertes Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Ruchow (vgl. Jahrb. IX, S. 334), welches ungefähr aus derselben Zeit stammen mag.


Wir haben hier also sicher die auffallende Erscheinung, daß in Meklenburg und Schonen in den fernsten Zeiten ein solcher Verkehr bestand, daß in beiden durch die Ostsee getrennten Ländern ganz dieselben seltenen Culturgegenstände in Gebrauch waren.

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Bruzelius giebt zwar zu, daß der schonensche Wagen als Transportmittel gebraucht sei, wirft aber (S. 25) doch die Vermuthung auf, daß er möglicher Weise als "Symbol" betrachtet werden könne, wie die "Miniaturschwerter" 1 ) derselben Zeit. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der Wagen nicht das Hauptgeräth war, sondern der Kessel, zu dessen Transport der Wagen diente; der Kessel ist aber von so anständiger Größe, 14" weit und 7" hoch, daß er größer ist, als jedes gewöhnliche Becken, und den Gedanken an ein Symbol nicht aufkommen läßt.

Bei der Gelegenheit der Beschreibung des schonenschen Wagens hat Bruzelius auf Taf. VI, Fig 1, auch den ähnlichen kleinen Bronzewagen abbilden lassen, welcher 1834 in Siebenbürgen gefunden ist (vgl. Jahrb. XXV, S. 224).

2) Der Bronzewagen von Ober=Kehle. Im J. 1860 ward zu Ober=Kehle in Schlesien wieder ein Bronzewagen gefunden, welcher dem im Jahrb. XVI. S. 262 abgebildeten dreiräderigen Bronzewagen von Frankfurt a. O. völlig gleich ist. Der Herr Archivar Dr. Wattenbach berichtet in den "Zweiten Bericht des Vereins zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer". 1860, S. 7:

"Ganz abnorm ist unter allen Funden (von kleinen Wagen von Bronze) der frankfurter, weil die Achse mit ihren drei Rädern und der Deichsel gar nicht die Bestimmung gehabt zu haben scheint, etwas zu tragen. Und grade zu dieser Form bin ich jetzt im Stande ein vollkommenes Gegenstück liefern zu können. Dasselbe ist bei Ober=Kehle im trebnitzer Kreise gefunden, in der classischen Gegend von Massel, wo schon so zahlreiche Alterthümer aufgegraben sind, und ist durch die Güte des Besitzers, des Herrn Landraths von Salisch auf einige Zeit zur Ausstellung im hiesigen Museum für schlesische Alterthümer uns anvertraut worden. Es gleicht der Abbildung bei Lisch in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte etc. . XVI. S. 262 durchaus, nur in etwas weniger vollkommener Erhaltung, ist stark mit schöner grüner Patina überzogen und ein wenig kleiner (?), indem die Länge nicht 9, sondern nur 8 Zoll beträgt, die Höhe der Räder aber nicht 4 1/2" sondern nur wenig über


1) An die "Miniaturschwerter" glaube ich nicht. Ich halte dieselben für kleine, grade Arbeitsmesser. Ueberhaupt scheint mir der häufige Gebrauch von Symbolen sehr zweifelhaft.      G. C. F. Lisch.
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4 Zoll. 1 ) Der Fundort ist ein ziemlich tief gelegenes Feld in der am nördlichen Abhange des trebnitzer Höhenzuges gelegenen Ebene, jedoch unweit des Höhenzuges. Der Wagen wurde beim Pflügen aufgefunden, indem der Pflug daran stieß. Einige Scherben, die an derselben Stelle zum Vorschein kamen, ließen vermuthen, daß er sich in einer Urne befunden hatte. Merkwürdig ist die geringe Tiefe, in welcher er aufgefunden wurde. Weitere Nachsuchungen in der Nähe blieben ohne Erfolg; auch sind auf dem Oberkehler Felde bisher, so viel bekannt, keine andere Antiquitäten aufgefunden, desto mehr aber, besonders Urnen, ganz in der Nähe, besonders in Massel."

3) Die in dem Jahresberichte XXV, S. 71 nachträglich gegebene Nachricht von einem zu Zarnefanz bei Belgard in Pommern gefundenen dreiräderigen Wagen hat sich nach genauerer Erkundigung hinterher als Irrthum ergeben. Der Herr von der Lühe auf Zarnefanz hat die Güte gehabt, genauere Aufklärung und eine Zeichnung des fraglichen Stückes in natürlichen Größe zu geben. Hiernach ist dasselbe zu Zarnefanz in einem heidnischen Grabe in einer Urne gefunden. Der angebliche Wagen ist aber nach der Zeichnung in natürlicher Größe nichts weiter, als eine etwa 1 Zoll lange dünne Bronzestange, an welcher drei ciselirte Queerscheiben von 3/8 bis 3/4 Zoll Durchmesser fest sitzen. Das Geräth ist also nichts weiter als ein bronzener Doppelknopf oder Nadelknopf, wie ein ähnlicher aus einem Kegelgrabe von Dobbin in Jahrb. XI, S. 378 abgebildet ist. - Der Herr v. d. Lühe hatte die Absicht, das Geräth dem Verein für pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin zu übergeben.


Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 229 flgd.

Der Herr Professor Ewald sagt in:

"Jahrbüchern der biblischen Wissenschaft, von Heinrich Ewald. Zehntes Jahrbuch, 1859-1860. Göttingen, 1860. S. 273-275."


1) Die Verschiedenheit der Maaße dürfte nur scheinbar sein. Da in Meklenburg und in den Jahrbüchern nach hamburger Maaß, in Preußen aber nach rheinlandischem oder berliner Maaß gemessen wird, so werden die Maaße beider Wagen völlig gleich sein, indem 4 1/2" meklenburg. Maaß nur ein wenig mehr als 4" rheinland. Maaß sind. Es könnten die beiden Wagen also auch nach der Größe ganz gleich sein.      G. C. F. Lisch.
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"Biblische Alterthümer."

"Dagegen sind wir in jüngster Zeit durch eine eben so unerwartete als folgenreiche Entdeckung in der Erkenntniß der hebräischen Alterthümer um einen mächtigen Schritt weiter gekommen. Herr Archivrath Lisch in Schwerin hatte, veranlaßt durch einen Fund in Meklenburg, schon seit längerer Zeit den seltsamen kleinen Kesselwagen, welche man in den Trümmern ältester Bauten findet, eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und fragte bei mir, ob nicht die "Gestühle" in der lutherischen Uebersetzung der Stelle vom salomonischen Tempelbau 1. Kön. 7, 27 flgd. eine Aehnlichkeit mit ihnen trügen. Indem ich nun diese aus vielen Ursachen sehr schwierige Stelle einer wiederholten noch schärferen Erforschung unterwarf und auch die letzten Dunkelheiten von ihr zu entfernen suchte, kam ich zu der Ueberzeugung, daß diese salomonischen ehernen Kesselwagen, welche zu einem so wichtigen Dienste im Heiligthume verfertigt wurden, sowohl ihrem Bau als ihrer Bestimmung nach die größte Aehnlichkeit mit den in den andern Ländern gefundenen aufzeigen und alle sich am besten gegenseitig erläutern. Diese Alterthümer, welche aus den tiefen Gräbern oder dem Schutte der Erde heute wieder ans Licht gezogen werden, können uns die althebräischen heiligen Kesselwagen zu erläutern dienen, da wir diese bis jetzt nur nach ihren alten Beschreibungen in der Bibel kennen; und umgekehrt besitzen wir über solche kleine Erzwagen nirgends so alte und so genaue Beschreibungen als in jenen biblischen Stellen, so daß auch von diesen aus sich ein helles Licht über jene verbreitet. Dazu ist dieses Zusammentreffen auch für die ganze alte Kunstgeschichte so lehrreich, da auch die sonst gefundenen Erzwagen dieser Art den salomonischen in keiner Weise nachgebildet sind. Ich veröffentlichte daher über diesen Gegenstand eine besondere Abhandlung, auf welche ich hier hinweise 1 ): sie enthält besonders eine neue Uebersetzung und Erklärung der Worte 1 Kön. 7, 27-39, mit ausführlicher Feststellung auch der rechten Lesarten. Später kam Lisch selbst auf den wichtigen Gegenstand in einer übersichtlichen Abhandlung 2 ) zurück, wo man alle diese Alterthümer


1) Ueber eherne Kesselwagen in den alten Heiligthümern, der k. Ges. der Wiss. überreicht (abgedruckt in den Gött. Gel. Nachrichten, 1859, S. 121-146)."
2) "Ueber die ehernen Wagenbecken der Bronzezeit, von G. C. F. Lisch, Schwerin, 1860, 28 S. in 8. (in den Jahrb. des Vereins für Meklenburgische Geschichte, Jahrg. XXV)."
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näher beschrieben, auch die Abbildung eines solchen Wagens findet. Wenn der Vf. S. 26-28 hier auch die Hezeqielischen Bilder der viergestaltigen Kerube den vier Rädern der heiligen Kesselwagen gleich setzen will, so müssen wir eher auf die große Unähnlichkeit aufmerksam machen, welche sich hier zeigt. So gewiß Hezeqiel's Einbildung durch die altheiligen Kerube und sonstigen Tempelbilder angeregt war, sich diese Erscheinung Jahve's in seiner sich offenbarenden Hoheit gerade so zu denken, so geht doch eben diese seine Einbildung weit über jene wirklichen alterthümlichen Bilder hinaus, und man muß sich hüten, diese späten Gebilde des bloßen Geistes Hezeqiel's, welche er auch in seinen wirklichen Tempel aufzunehmen sich hütet, mit den ächtgeschichtlichen Bildern des alten salomonischen Tempels zu verwechseln oder sie in den Einzelnheiten diesen gleichzustellen."


Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 215.

Die in den Jahrbüchern XXV, S. 215 flgd gegebene Erklärung des bronzenenen Kesselwagens von Peccatel und die oben S. 150 mitgetheilte Entdeckung des völlig gleichen Wagens in Schonen werden die höchst merkwürdige Forschung über die ehernen Kesselwagen um einen guten Schritt weiter geführt haben. Um nun zu dieser höchst wichtigen Angelegenheit Alles zu liefern, was die Frage nur berühren kann, ist es nöthig, noch die von dem bekannten, jetzt verstorbenen englischen Sprach= und Alterthumsforscher Kemble in England vorgebrachten Ansichten mitzutheilen, welche mir erst jetzt nach seinem Tode bekannt und mir bei seinem Leben von ihm nicht mitgetheilt sind, obgleich ich mit ihm in gelehrtem Verkehr stand. Nach der ersten Versammlung der deutschen Geschichts= und Alterthumsforscher in Dresden 1852, welche auch Kemble besuchte, hielt sich derselbe im Herbst längere Zeit in Berlin und in Schwerin auf, um hier Studien in sicher verbürgten, reichen und geordneten Sammlungen des vaterländischen Alterthums der Heidenzeit zu machen. Am 13. Dec. 1855 hielt er in England einen Vortrag über die Bronzewagen: "On some remarkable sepulchral objects from Italy, Slyria "and Mecklenburgh, by John Mitchell Kemble" welcher in der British Archeologia XXXVI, p. 349-369 gedruckt ist. In dieser Vorlesung bringt er vorzüglich die in unsern Jahrbüchern oft und ausführlich behandelten Bronzewagen von Peccatel, Frankfurt a. O. und Judenburg mit ausführlicher

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Beschreibung zur Sprache und theilt Abbildungen derselben auf Pl. XXVI mit. Sein Hauptzweck ist, diese Sachen mit "ähnlichen" in Italien gefundene Sachen zu vergleichen.

Kemble geht von bestimmten vorgefaßten Meinungen aus und verrückt dadurch den wahren Standpunkt der Sache. Er schließt folgendermaßen. Der Wagen von Peccatel ist bestimmt, eine Bronzevase zu tragen; in den Rädern ähnlich sind die Wagen von Frankfurt, welcher keine Vase, sondern vogelähnliche Gestalten, und der Wagen von Judenburg, welcher Menschen= und Thierfiguren trägt. Kemble zieht nun allerlei italiänische Geräthe, welche Vogelgestalten tragen, aber keine Wagen sind, zur Vergleichung und will allein dadurch rückwärts Schlüsse auf den Wagen von Peccatel machen, läßt aber die Vase, von welcher er selbst doch ausgeht, ganz außer Rücksicht, obgleich diese doch die Hauptsache ist und allein und wesentlich zur Frage steht, wie er selbst sagt.

Kemble beschreibt nur nach unsern Mittheilungen die Wagen ausführlich, giebt aber zu ihrer Deutung nicht das geringste, so daß er für die Sache selbst eigentlich gar nichts thut. Dagegen geht durch die ganze Vorlesung der in England nicht seltene Ton wegwerfender Ueberhebung, in welchem er zuweilen Deutschland, Meklenburg und mich etwas achselzuckend zu bemitleiden scheint. Kemble sagt, wie es scheint, mit Seitenblicken auf die angeblich deutsche Vieltrinkerei, von dem Wagen von Peccatel: "Es ist klar, daß der Wagen bestimmt war, eine Vase zu tragen und zu fahren, ungefähr in der Art, wie jene Tafelwagen (dinier-waggons), die in den guten alten Zeiten bekannt waren, in welchen man es für nöthig hielt, die Trinkgefäße so leicht und rasch als möglich in die Runde zu befördern." Er macht ferner gegen die deutschen Forscher Front, indem er seine vorgefaßten Ansichten durchführt, und sagt S. 353, daß die "deutschen Alterthumsforscher in allen Dingen Opfergeräthe sehen, und so auch hier; Lisch bildet sich ein, daß der Wagen von Peccatel der Zeit angehört, welche er die Bronzezeit nennt; die Deutschen sehen in allen Bronzen aus Kegelgräbern die Ueberbleibsel des germanischen Volkes; germanisch soll nun einmal alles sein" u. s. w. Kemble will aber dergleichen "Bronzen lieber bei den Hetruskern, als bei den Germanen suchen" u. s. w. Kemble spricht sich am Schlusse (S. 366) ganz bestimmt aus: "Die Vase ist mehr hetruskisch, als deutsch. "Ich protestire gegen die Lehre meines Freundes Lisch, welcher in allen Kegelgräbern mit Bronzewaffen germanische Gräber sieht. Dies beruhet nach meiner Ansicht auf Irrthum, und

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heißt, deutscher Einbildung auf Kosten europäischer Geschichte ein Compliment machen. Die Vase ist mehr italiänisch, als deutsch; die germanische Bevölkerung hat nichts damit zu thun. Auch eine gälische Hypothese muß zugelassen werden(!)." In dieser Art ungefähr schließt er, um solche seltenen, sicher germanischen Kunstproducte, wie der Wagen von Peccatel ist, zu hetruskischen 1 ) Werken zu machen und der alten Bevölkerung Deutschlands das abzusprechen, was in ihren Gräbern in zahllosen Gegenständen gefunden wird.

Aber wir können ihm in keiner Weise beipflichten. Obgleich er immer behauptet, die Vase sei die Hauptsache, so führt er doch seinen Scheinbeweis durch Vermittelung des frankfurter Wagens nur durch die Vogelgestalten und läßt schließlich die Vase ganz außer Berücksichtigung. Wir haben nachzuweisen gesucht, daß die ehernen Kesselwagen, als phönizische Kunstwerke, auch vor dem Tempel Salomonis standen, und durch die Entdeckung des zweiten völlig gleichen Kesselwagens in Schonen ist es bewiesen, daß diese Geräte weit verbreitet waren. Durch viele entdeckte Fabrikstätten mit wenigstens eben so schönen Bronzen, als die Kesselwagen, und tausendfältige Analogien ist es außer allem Zweifel, daß die Bronzen in den deutschen und nordischen Gräbern im Lande verfertigt wurden. Sie gehören den Völkern an, in deren Ländern die Gräber stehen. Es ist möglich, daß diese Völker diejenigen, welche wir Germanen nennen, oder meinetwegen Kelten waren; es ist aber auch möglich, daß diese Bronzealterthümer germanischer Länder noch viel älter sind, als diese Völker, und in eine urgermanische, griechische Zeit hineinreichen, denn die Kegelgräber gehören gewiß einer viel ältern Zeit an, als wir bis jetzt geglaubt haben. Und warum sollen ausgezeichnete Sachen grade alle von den Hetruskern stammen? Je mehr die hetruskischen Alterthümer zusammenkommen, desto mehr überzeugt man sich, daß die Cultur des Hetruskervolkes lange so alt nicht sein kann, als die Cultur des in den Kegelgräbern Germaniens schlummernden Volkes der Bronzezeit. Man braucht z. B. nur die Sammlung hetruskischer Alterthümer in München zu sehen, um sich mit einem Blick zu überzeugen, daß die hetruskische Cultur der Cultur der beginnenden Eisenzeit, welche auch weiterzurückreicht, als man


1) Dem Vernehmen nach soll Kemble's letztes Werk, über die vaterländischen Alterthümer, welches noch angekündigt, aber nicht erschienen ist, viel gegen deutsche Alterthumsforscher gerichtet gewesen sein und alter italiänischer Kunst das Wort geredet haben.
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bisher geglaubt hat, ganz analog ist. Es sind noch gar keine hetruskische Alterthümer bekannt geworden, welche sich mit den Alterthümern der nordischen Bronzezeit vergleichen ließen, und Italien hat überhaupt nur wenig sehr alte Geräthe dieser Art, wie z. B. die Hausurnen, aufzuweisen. Ja, es dürfte jetzt sehr gewagt sein, anzunehmen, daß die höhere Bildung der ältesten Zeit von Italien nach Deutschland und dem Norden kam. Es scheint jetzt vielmehr glaublich, daß in den ältesten Zeiten der Bronzeperiode die ebene Mitte Europas (Deutschland, Dänemark, Ungarn, Frankreich, Lothringen) der Sitz einer höhern Bildung war, welche von hier nach Italien verpflanzt ward, zu einer Zeit, als dort noch Völker wohnten, welche sicher noch keine höhere Bildung, als die in Deutschland lebenden Völker hatten; mit der allmähligen Entwickelung der Eisencultur hat freilich in jüngern Zeiten die Bildung den Rückweg von Italien nach Deutschland genommen, und in diese erste Entwickelung der Eisenzeit mag denn auch die hetruskische Bildung fallen. Die altgriechische Cultur in den Ländern des griechischen Inselmeeres fällt aber mit der Cultur der Bronzezeit Deutschlands zusammen, und die ältesten Bewohner Griechenlands werden mit dieser zusammenhangen oder ihre Bildung aus gleicher Quelle erhalten haben. Die Bildung der uralten Bronzezeit ist gewiß sehr alt, und wenn wir einem Volke Antheil an der Verbreitung der ältesten Bildung nach Mitteleuropa zuschreiben möchten, so wäre es das in allen Künsten der Erzbearbeitung so hoch ausgebildete Volk der Phönizier (vgl. Gerhard Ueber die Kunst der Phönicier in den Abhandlungen der Akad. der Wissenschaften zu Berlin, aus dem Jahre 1846, Philolog. und histor. Abhandlungen, S. 579 flgd.)

Doch, Kemble würde jetzt vielleicht anders reden, als damals, und wir wollen seine sonstigen Verdienste nicht schmälern, wenn er auch manche englische Eigenthümlichkeiten nie abstreifen konnte. Er hat sich durch diese Abhandlung doch ein Verdienst erworben, indem er einige werthvolle Gegenstände bei dieser Gelegenheit ans Licht gezogen hat. Wie oben gesagt ist, hat Kemble, indem er sämmtliche Vergleichungs= und Anhaltspuncte für die Bestimmung gänzlich mit Stillschweigen übergeht, für die Vase und deren Verfertigung nichts beigebracht, obgleich er sie für die Hauptsache erklärt, und hat sich allein auf die Vogelverzierungen beschränkt und seine Schlüsse allein hieraus gezogen.

Im britischen Museum finden sich in der Sammlung von Payne Knight zwei Bronzewerke, welche früher

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nur einem engern Kreise(!) von Forschern bekannt waren, welche aber Kemble S. 358 genau beschrieben und Pl. XXVII mitgetheilt hat. Dies sind Werke, welche auf den erste Blick Kronleuchtern ganz ähnlich und in Italien gefunden sind. Sie sind reich mit Vogelgestalten und gelben und bläulich=grünen Glasperlen, auch mit Ochsenfiguren besetzt, und gehören gewiß einer alten Cultur an, wenn sie auch nicht so alt sein werden, als die nordischen Bronzewagen. Es fehlen hier aber durchaus die charakteristische Wagen, auch hat Kemble keine Forschung und schärfere Beobachtung und Vergleichung angestellt.

Leider fehlt auch, wie bei so unzähligen aus Italien zusammengerafften Gegenständen, jede Nachricht über die Art und Weise, wie jene Sachen gefunden sind, und was sie begleitet haben mag.

So dankenswerth nun diese Mittheilungen auch im Allgemeinen sein mögen, so haben sie doch nicht den geringsten Einfluß auf den Bronzewagen von Peccatel und lassen mit diesem eben so wenig eine Vergleichung zu, als eine fahrbare Punschbowle und ein Kronleuchter mit einander verglichen werden können, "It is no Teutonic matter"