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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Hünengräber von Alt=Sammit.

von

G. C. F. Lisch.

Auf dem Felde von Alt=Sammit bei Krakow, welches schon früher reiche Bronzefunde aus Kegelgräbern geliefert hatte (vgl. Jahrbücher XI, S. 391, und XII, S. 407), standen mehrere große, mit gewaltigen Granitblöcken umstellte und bedeckte "Hünengräber" der Steinperiode, welche zu den ältesten ihrer Art gehörten; zwei derselben waren dem Anscheine nach noch völlig wohl erhalten und unangerührt und mußten aus unausweichbaren Bedürfnissen im Sommer 1860 abgetragen werden. Der Gutsbesitzer Herr Diederichs d. j. hatte kaum mit der Abtragung eines Grabes angefangen, als es sich mit Sicherheit ergab, daß wenigstens zwei von diesen Gräbern noch völlig wohl erhalten waren. Der Vater des Herrn Gutsbesitzers, der Herr Advocat Diederichs d. ä. zu Güstrow, vieljähriges Mitglied unsers Vereins, reiste auf Nachricht hievon aus wissenschaftlicher Theilnahme nach Alt=Sammit, um die aufgedeckte Hälfte des einen Grabes für den Verein genauer zu untersuchen. Als sich hiebei bald drei Keile aus Feuerstein, Feuersteinsplitter und Bruchstücke eines menschlichen Schädels fanden, ließen die Herren die weitere Forschung ruhen und luden mich ein, nicht nur dieses in Angriff genommene Grab, sondern auch ein zweites ähnliches Grab

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selbst abtragen zu lassen. Am 9. und 10. Julii 1860 führte ich unter der Oberleitung des Herrn Diederichs d. j. auf Alt=Sammit und unter dem theilnehmenden Beistande des Herrn Diederichs d. ä. aus Güstrow die Forschung aus; ich fühle mich verpflichtet, dem Herrn Diederichs d. j. nicht nur für die äußerst umsichtige Leitung der schwierigen Arbeit und die Ueberlassung des Fundes an den Verein, sondern auch für die liberale Uebernahme der Kosten und die mir geschenkte freundliche Aufnahme und Beförderung den aufrichtigsten und wärmsten Dank zu sagen.

Die beiden jetzt abgetragenen Gräber gehören ohne Zweifel zu den ältesten Gräbern 1 ) der Steinperiode, also zu den ältesten Gräbern menschlicher Cultur, und bildeten freistehende sogenannte Steinkisten, welche noch keine angesetzte, mit Ringsteinen umstellte, lange Erdhügel hatten. Beide Gräber waren fast völlig gleich, und daher kann die Beschreibung derselben im Allgemeinen zusammengefaßt werden. Die Gräber standen auf ebenem Sandboden. Jedes Grab bildete eine große Steinkammer, welches an jeder Langseite 4 große, hervorragende Granitpfeiler hatte, welche je 2 immer einen großen, flachen Deckstein trugen, so daß jedes Grab mit 4 Decksteinen belegt war, wie es im Lande vorherrschend zu sein pflegt; an jedem schmalen Ende war das Grab mit einem großen, aufgerichteten Schlußstein geschlossen. Die natürlichen, sicher nicht gespaltenen, flachen Seiten der Steine waren nach innen gekehrt und bildeten hier regelmäßige, ebene Wände. So hatten diese Steinhäuser im Innern eine Länge von ungefähr 18 Fuß und eine Breite von ungefähr bis 8 Fuß. Die Steinkisten standen frei auf dem Urboden; jedoch war außen etwa bis ungefähr 2 Fuß hoch und 3 bis 4 Fuß breit eine schmale, niedrige Erdböschung gegen die Tragepfeiler angebracht, welche nach außen hin durch kleinere Steine geschützt war; die Gräber hatten aber keinen Hügel (tumulus). Die Längenrichtung der Gräber ging von Norden nach Süden. Auf den Gräbern standen sehr alte und große Dornbüsche, deren Wurzeln bis auf den Grund der Gräber gingen.

Die Tragepfeiler und Schlußsteine waren durchschnittlich 6 Fuß hoch, 5 bis 6 Fuß breit und 3 Fuß dick; die Decksteine waren eben so breit und 3 bis 4 Fuß dick, aber


1) Vielleicht gehören die weiter unten beschriebenen unterirdischen Wohnungen auf dem Hofe von Sammit demselben Volke, welches diese Steingräber errichtet hat.
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6 bis 8 Fuß lang, so daß sie, auf den Seitenpfeilern ruhend, die innere Kammer queerüber bedeckten. Die einzelnen Steine mochten nach ungefährer Schätzung jeder 6 bis 10,000 Pfund schwer sein, und daher war die Abtragung mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft, welche jedoch unter einsichtsvoller Leitung durch schiefe Ebenen, Untergrabung, Walzen und Hebel glücklich überwunden wurden.

Die Aufdeckung dieser Gräber giebt viel Licht über die bisher in Deutschland ziemlich unbekannte, wahre innere Einrichtung der Gräber der Steinperiode, und dies ist der Hauptgewinn aus dieser Aufgrabung. Die Seitenwände bestanden an jeder Langseite aus 4 Tragsteinen, welche die 4 Decksteine trugen, und aus 2 Schlußsteinen, alle mit den ebenen Flächen nach innen gekehrt. Die Tragesteine und Schlußsteine an den Enden standen jedoch oben nicht unmittelbar neben einander, schon deshalb nicht, weil die Decksteine oft breiter waren, als die Tragsteine. Alle Seitensteine standen aber auch unten nicht dicht neben einander, sondern es war zwischen je 2 Trag= oder Schlußsteinen immer eine Lücke von 1 bis 2 Fuß, welche auf dem Grunde mit kleinern Steinplatten von etwa 2 Fuß Höhe ausgesetzt war; diese Füllsteine waren an den Seiten und unten mit noch kleinern Steinen verzwickt, so daß der untere Raum im Innern bis etwa 2 Fuß hoch über dem Urboden, also so hoch als die äußere Erdböschung, eine vollkommen geschlossene, glatte Kammer bildete. Die innere Ansicht einer Seitenmauer war also ungefähr folgende

innere Ansicht einer Seitenmauer

Die Längenrichtung der ganzen Gräber ging von Norden nach Süden. Auf dem Urboden waren aber die Gräber queer über in kleine Kammern getheilt, welche in der Tiefe immer unter den Decksteinen lagen und von Westen nach Osten gerichtet waren. Diese kleinen Kammern waren durch flache, gespaltene, rothe Steinplatten, meistens von jungem rothen Sandstein, jedoch auch von jungem rothen Granit, welche ungefähr 1 Zoll und darüber dick und zwischen 1 und 2 Fuß im Quadrat groß waren, so gebildet, daß diese rothen Steinplatten einzeln, genau senkrecht und dicht auf einander folgend in den Sand des Urbodens gesetzt waren und

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kleine, ganz gerade Mauern bildeten; die etwanigen Lücken an den Tragsteinen und Füllsteinen waren auch sorgsam mit kleinen, rothen Steinen ausgefüllt. Der Grund dieser Kammern war mit einer dünnen Schicht Lehm, der sich in der Nähe nicht findet, ausgeschlagen, und diese dicht mit einer Lage zerschlagener, ausgeglüheter, weißer Feuersteine (wie mit einer Chaussee) bedeckt; diese Lehm= und Feuersteinschicht war ungefähr 2 bis 3 Zoll dick. Die Feuersteine sind sehr unregelmäßige Stücke und fast alle durch Feuer ausgeglüht, von Fett befreiet und weiß gebrannt; nur wenig Stücke sind noch vom Feuer unberührt und diese sind fast alle Stücke von natürlichen Außenseiten von Feuersteinen. Weshalb dieser Feuersteingrund gelegt ist und weshalb die Feuersteinstücke im Feuer ausgeglüht sind, ist schwer erklärlich; jedoch kommt diese Erscheinung in allen Hünengräbern vor, war also in einer gewissen Zeit allgemein. Mir scheint diese Bildung der kleinen Kammern theils zur Sicherung gegen wühlende Thiere, theils zum Schmuck also eingerichtet worden zu sein. In jenen fernen Zeiten hatte man gewiß wenig Farben. Man mußte aber sehr bald dahinter kommen, daß der durch Feuer ausgeglühete und vom Fett befreiet Feuerstein sich rein weiß brenne. Auf die angegebene Weise erhielt man innerhalb der grauen Granitmauern kleine Grabkammern, welche mit hellrothen Steinen eingefaßt und mit Weißen Steinen gepflastert waren: eine Farbenzusammenstellung, welche sehr gut stimmt. Der innere Kieselkern der Feuersteine ist immer ganz weiß, die äußere Schale von den Feuersteinknollen oft röthlich gebraunt, da die Feuersteinknollen des Tieflandes oft einen Ueberzug von Thon haben. Die Feuersteinstücke scheinen der Abfall von Feuersteinblöcken bei der Verfertigung der Feuersteingeräthe zu sein; daher finden sich in diesen Fußbodenlagern auch keine Stücke, welche noch zu Geräthen gebraucht werden könnten, z. B. keine Späne, welche zu Messern und Pfeilen gebraucht wurden: die ausgeglüheten Stücke sind immer kurze, dicke, eckige Stücke und kleiner Grus in sehr großen Massen.

Auf diesem in Lehm gelegten Feuersteingrund liegen oder sitzen die unverbrannten Leichen und die Alterthümer, welche denselben mitgegeben sind. Die Leichen sind in diesen uralten Steingräbern immer unverbrannt beigesetzt; von Leichenbrand ist keine Spur und die ausgeglüheten Feuersteine haben mit Leichenbrand nichts zu schaffen. In den Gefäßen, welche in den ältesten Gräbern stehen, finden sich nie verbrannte Knochensplitter und Kohlen, sondern sie sind immer leer. Zwar finden sich in den Hünengräbern gewöhnlich einige Koh=

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len oder kohlenähnliche Körper weit zerstreut; diese sind ungefähr 1 Zoll groß und finden sich nur einzeln. Diese Kohlen können aber nur zufällig in die Gräber gekommen sein und sind vielleicht Bruchstücke von den hölzernen Geräthen, welche zur Aufrichtung der Steingräber gebraucht wurden, da die Menschen der Steinperiode ihre Balken, Hebebäume und andere große hölzerne Geräthe durch Ab= und Ausbrennen gewannen, wenigstens vorbereiteten, weshalb auch viele Enden gewiß noch stark verkohlt waren. Vielleicht sind die Kohlen aber auch mit den ausgebrannten Feuersteinen in die Gräber gekommen.

Die Kammern und die Leichen mit den Alterthümern waren dann mehrere Fuß hoch fest mit starkem Sande und vielen kleinen natürlichen Feldsteinen von ungefähr 1/2 Fuß Durchmesser bedeckt, so daß das in den Ringwänden dicht vermauerte Grab im Innern fest und dicht verpackt war. Diese Einfüllung war immer etwas höher, als die zwischen den Tragepfeilern stehenden Füllsteine, und ungefähr so hoch, als die äußere Böschung, so daß von außen von der eigentlichen Einrichtung des Grabes nicht das Geringste zu sehen war. Die Gräber erschienen oben, so weit sie sichtbar waren, als aus der Erde hervorragende Tragsteine, auf welchen die Decksteine lagen.

Ich halte nun diese Gräber von Alt=Sammit für Gräber, welche noch vollständig erhalten waren, und glaube, daß alle ähnlichen Gräber im Lande, welche gewöhnlich leer sind, so daß man wie in einem Hause darin sitzen kann, im Innern schon zerstört und ausgeräumt sind. Wenn man nur einen Schlußstein am Ende, der gewöhnlich nichts trägt, abwälzt, so kann man diese Gräber mit gewöhnlichen Hacken sehr leicht bis auf den Grund ausräumen. Das niedere Landvolk ist der irrigen Ansicht, daß in diesen großen Steingräbern große Schätze verborgen sind, und deshalb sind diese Gräber seit vielen Jahrhunderten ununterbrochenen Angriffen ausgesetzt gewesen. Ich halte daher jetzt die meisten sogenannten Steinhäuser, Steinkisten, Opferaltäre u. s w. für ausgeräumte Gräber der ältesten Steinperiode, welche ursprünglich eben wo eingerichtet waren, wie die Gräber von Alt=Sammit 1 ).

Die Errichtung dieser Gräber war allerdings sehr schwierig, jedoch nicht so schwierig, daß man glauben müßte, ein Riesenvolk von ungewöhnlicher Kraft habe zur Erbauung noth=


1) Dieser Ansicht ist auch Worsaae in Dänemarks Vorzeit, 1844, S. 65 flgd.
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wendig gehört. Mit schiefen Ebenen, Hebeln, Walzen und Kugeln läßt sich bei einiger Erfahrung schon viel ausrichten. Die 28 großen und sehr vielen kleinern Steine der beiden Gräber von Alt=Sammit sind durch ungefähr 8 anstellige Arbeiter in höchstens 2 Tagen ab= und ausgehoben und von ihrer Stelle gebracht, freilich mit großer Anstrengung, aber doch nur mit ganz gewöhnlichen Mitteln, wie Hebebäumen, Hacken, Spaten u. s. w.

Die Gräber von Alt=Sammit geben aber besonders wichtigen Aufschluß über die Bestimmung der Gräber. Man hat bisher geglaubt, daß die gewöhnlich mit 4 Steinen bedeckten "Hünengräber" jedesmal nur Ein Grab gebildet hätten und daß die Decksteine queer über Eine Leiche gelegt worden seien. Dies ist aber nicht der Fall. Die Längenrichtung der Gräber von Sammit ging von Norden nach Süden so, daß die 4 Decksteine queer über die Länge der Gräber gelegt waren, also in der Längenrichtung von Westen nach Osten. Bei der Aufgrabung des Grundes der sammiter Gräber ergab sich nun, daß der Grund mit Kammern ausgesetzt war, deren Hauptabtheilungen immer grade unter einem Decksteine lagen, daß in jedem Grabe mehrere Leichen in den verschiedenen Kammern begraben waren, daß also ein solches Hünengrab mit 4 Decksteinen nicht ein Grab für Eine Person, sondern ein Bau von mehreren zusammengesetzten Gräbern ist, deren Kammern ihre Längenrichtung von Westen nach Osten haben, in welche die Leichen so gesetzt sind, daß der Kopf im Westen liegt, also nach Osten schauet. Hieraus erklärt es sich auch, daß man das Innere und Aeußere fest verpackte, weil immer neue Gräber angesetzt wurden und man die ältern Gräber nicht offen stehen lassen konnte. Man fing vielleicht im Norden an und setzte gegen Süden hin immer einen Schlußstein vor, welcher bei einer neuen Bestattung abgerückt und wieder benutzt werden konnte. Allerdings finden sich auch viele Gräber mit Einem Deckstein und Einer Kammer.

Die Alterthümer, welche in diesen Gräbern gefunden werden, sind immer von Stein oder Thon; von Metall ist nie eine Spur gefunden.

Ich werde jetzt das Innere der beiden Gräber und ihren Inhalt beschreiben, wobei ich immer die Kenntniß der vorstehenden allgemeinen Beschreibung voraussetze. Ich werde die Gräber, da sie fast gleich waren, durch Nr. I und Nr. II bezeichnen.

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Steingrab Nr. I.

Dieses Grab ward im Anfang April 1860 von den Arbeitern an der goldberg=lübzer Chausse im Beisein der Herren Diederichs in Angriff genommen, welche sich die Untersuchung des Grundes vorbehalten hatten. Der Anfang war im Süden gemacht.

A. Unter dem südlichsten Decksteine fand sich eine Kammer, welche mit Lehm und Feuersteinen ausgelegt war und von Westen nach Osten queer durch ging. In dieser fanden sie 3 Keile von grauem Feuerstein,

1) einen Keil, 5 1/2" lang, 5/8" dick,
2) einen Keil, 5" lang, 5/8" dick,
3) einen Keil, 4" lang, 1 1/4" breit, 3/8" dick.

Alle diese Keile sind an der Schneide auf beiden breiten Seiten gut geschliffen; die eine Oberfläche ist an mehreren Stellen angeschliffen, die entgegengesetzte Oberfläche außer der Schneide, und die beiden Seitenflächen sind aber noch gar nicht geschliffen. Dieser Mangel an durchgeführter Kunst läßt auf eine sehr ferne Zeit schließen. Alle 3 Keile sind sehr dünne und haben wohl zu Waffen gedient; es läßt sich überhaupt die Beobachtung machen, daß die in großen Gräbern gefundenen Keile in der Regel dünner sind, als die auf dem Felde gefundenen (welche wohl zu Ackergeräthen dienten).

B. Unter dem nächst folgenden Decksteine war wieder eine Kammer. In dieser fand sich

4) ein unverbranntes Gerippe eines erwachsenen Menschen, von welchem jedoch nur große Bruchstücke eines menschlichen Schädels erhalten sind. Die Bruchstücke sind alle vom Hinterkopfe; von Stirne, Zähnen u. s. w. fand sich keine Spur. Die Schädelbruchstücke sind sehr mürbe und haben sich queer gelöset, so daß meistentheils nur noch die Außenflächen vorhanden sind.

Als sich nun wissenschaftliche Ergebnisse herausstellten, untersagte der Herr Diederichs augenblicklich die Fortsetzung der Arbeit bis zu meiner Ankunft, nach welcher wir die Aufdeckung mit eigenen, anstelligem Leuten am 9. Julii 1860 fortsetzten.

Bei der genauem Aufräumung der zweiten Kammer fanden wir in derselben noch

5) zwei große Bruchstücke von einem thönernen Gefäße, aus denen sich jedoch der Charakter des Gefäßes nicht erkennen läßt, um so mehr, da sie keine Verzierungen haben.

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C. Unter dem dritten und vierten Decksteine war in der Mitte queer eine schmale, lange Kammer, 3 Fuß lang und 2 Fuß breit; an jeder Seite war eine etwas schmalere Nebenkammer. Unter dem dritten Decksteine fand sich in den Kammern nichts.

Kammer

D. Unter dem vierten nördlichen Decksteine fand sich aber in der östlichen Kammer

6) gegen den dritten Deckstein hin ein Keil von Feuerstein, wie der Keil Nr. 3, jedoch etwas dicker, aber an beiden breiten Seiten ganz, an den schmalen Seiten nicht geschliffen.

In der nordöstlichsten Ecke unter dem nördlichsten Decksteine, nicht weit von dem Keile, lag

7) eine große Lanzenspitze von hellgrauem Feuerstein, 8 1/2" lang und 2" breit in der Mitte; diese Lanzenspitze ist zwar sehr regelmäßig, aber noch sehr derb und mit wenig Schlägen und großen Absplitterungen gearbeitet.

In der ausgeworfenen Erde fand sich nachträglich

8) ein Keil von Feuerstein, von dem es sich nicht genau bestimmen ließ, wo er in dem Grabe gelegen hatte. Derselbe ist schon in alter Zeit queer durchschlagen, vielfach abgesplittert und jetzt noch in dem Beilende gegen 4" lang vorhanden; in seiner ganzen Gestalt mag er 5 1/2" lang gewesen sein.

E. Hinter dem vierten, nördlichsten Decksteine hatte dieses Grab ausnahmsweise noch eine Kammer, und deshalb war der nördliche Schlußstein auch etwas weiter von den Decksteinen entfernt gesetzt, als gewöhnlich. Diese Kammer war nur 4 Fuß lang und 3 Fuß breit. In derselben fand sich eine unverbrannte Leiche sitzend beigesetzt, so daß sie gegen Osten schauete. Am westlichsten Ende der Kammer lagen nämlich ganz klar die Schädel=, Arm= und Rippenknochen über einander auf einem Haufen, so daß die Leiche nicht anders als sitzend beigesetzt gewesen sein konnte und die Knochen des Oberleibes beim Zusammensinken auf einander gefallen sein mußten. Die Beinknochen, welche von Anfang an wohl horizontal gelegen hatten, waren fast ganz vergangen. Von den Knochen des Oberleibes konnten nur einzelne Stücke ge=

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rettet werden. Die Bruchstücke des Hinterkopfes sind sehr dick und gehörten nach den verwachsenen Näthen einem alten Menschen; vom Gesichte ließen sich keine Spuren finden.

Steingrab Nr. II.

Das zweite Grab war wie das erste gebauet und eben so groß, hatte jedoch einige Eigenthümlichkeiten. Die Längenrichtung dieses Grabes war ebenfalls von Norden nach Süden. Auf den beiden südlichsten Tragepfeilern fehlte der Deckstein; dagegen war der nördlichste Deckstein, welcher sehr groß, aber am östlichen Ende viel dünner war, von dem östlichen Tragsteine abgeglitten und eingesunken, und ein zweiter, kleinerer, jedoch immer noch großer Deckstein, war auf dieses schräge eingesunkene Ende aufgelegt. Ob dies von Anfang an so eingerichtet und der Bau ein verunglückter gewesen ist, wie es scheint, läßt sich wohl nicht mehr entscheiden. Ferner war an der östlichen Seite gegen den ersten und zweiten Tragstein im rechten Winkel ein kurzer Gang angesetzt, in dem zwei Reihen kleinerer Steine von etwa 3 Fuß Größe, an jeder Seite 3 Stück, parallel, ungefähr 2 Fuß von einander, im rechten Winkel auf die eben so breite südlichste Lücke an der Ostseite gingen. Der innere Raum dieses Ganges war eben so mit Erde und kleineren Steinen ausgefüllt, wie der innere Raum des Grabes und das Aeußere war von der äußern Böschung des Grabes zum großem Theile bedeckt. Dieser Gang hatte keine Decksteine. Dieses Grab war also ein Grab von der Art, welche von Nilsson (Nordens Ur-Invånare Kap. III, p. 18) Ganggräber genannt und im Norden häufig gefunden werden. Ein von ihm aufgedecktes Grab (Pl. XVI, Fig. 197) hatte einen Gang, welcher auch 2 Fuß breit war.

A . Unter dem Räume des ersten, fehlenden Decksteins im Süden und

B . unter dem zweiten Decksteine waren wohl Kammerabtheilungen mit Lehm= und Feuersteinboden, aber keine Alterthümer.

C . Der Raum unter dem dritten Decksteine hatte jedoch einen reichen Inhalt. Auf dem Urboden waren in der Längenrichtung des ganzen Grabes, also in der Richtung von Norden nach Süden, drei mit Lehm und Feuersteinen ausgelegte, gleich große, schmale Kammern. In der Kammer neben dem östlichen Tragepfeiler war

9) ein unverbranntes menschliches Gerippe von einem erwachsenen Menschen; wahrscheinlich hatte auch dieses

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gesessen, da der Raum der freilich am Fußende nicht mehr scharf abgegrenzten Kammer zum Liegen zu kurz schien; es konnten nur bedeutende Bruchstücke von den Beinknochen wahrgenommen und herausgeholt werden, vom Schädel war keine Spur mehr zu entdecken. Links neben den Knochen standen an dem Tragsteine einige gespaltene Steine, welche mit einer schmierigen schwarzen Masse, wahrscheinlich von der Verwesung der Leiche, bedeckt waren.

Gegen die Füße hin lagen neben den Knochen, wie es schien zur rechten Hand, 2 Keile aus Feuerstein, nämlich

10) ein großer Keil, ebenfalls lang, breit und dünn, 6 3/4" lang, 2" breit und 3/4" dick, an beiden breiten Seiten ganz geschliffen, an den schmalen Seiten nicht geschliffen,

11) ein kleiner Keil, 4" lang, 1 1/2" breit und 1/2" dick, gar nicht geschliffen, auch an der Schneide nicht, sondern nur ganz roh zugehauen, und dazu noch etwas krumm und unregelmäßig.

Nach dem Kopfe hin, wie es schien zur linken Hand, lag

12) eine Lanzenspitze aus Feuerstein, ganz von derselben, etwas unfertigen Arbeit, wie die Lanzenspitze Nr. 7, und dick, jedoch nur 6" lang.

Diese Alterthümer scheinen die Waffen der Leiche gewesen zu sein.

Aus der Gleichheit der beiden Lanzenspitzen dürfte sich auf ein gleiches Alter beider Gräber schließen lassen.

In den beiden andern kleinen Kammern, welche mit dieser parallel lagen, konnten keine Alterthümer wahrgenommen werden.

Diese drei kleinen Kammern waren ungefähr 1 Fuß hoch mit Sand und kleinen Steinen fest bedeckt. Auf dieser Packschicht, also 1 Fuß hoher, als die Keile und die Lanzenspitze, lagen grade über den 3 kleinen Kammern 3 Meißel aus Feuerstein und mehrere thönerne Gefäße, namentlich

13) ein Meißel, 4 1/2" lang und 5/8" breit und dick, vollständig, an den beiden breitern Seiten und an einer schmalen Seite geschliffen;

14) ein Meißel, an den beiden breiten Seiten geschliffen, welcher eben so groß gewesen sein mag, aber an der untern Seite abgebrochen und hier nothdürftig zu einer Schneide zugehauen ist, ohne geschliffen zu sein; das Bruchstück ist jetzt 3" lang;

15) ein Meißelblock aus Feuerstein, roh zugehauen, jedoch ohne Schneide und nirgends polirt.

Neben diesen Meißeln lagen viele Scherben von zertrümmerten, hellbraunen Thongefäßen, jedoch ohne In=

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halt, wie es schien; das ist gewiß, daß sie nicht zerbrannte Knochen und Asche enthalten hatten, wie überhaupt in dem ganzen Grabe keine Spur von zerbrannten Knochen zu finden war. Einige wenige Kohlen, welche zerstreut umherlagen, scheinen zufällig in das Grab gekommen zu sein. Es lassen sich nach den Scherben 3 Thongefäße unterscheiden:

16) ein gradwandiges, dickes Thongefäß ohne Verzierungen;

17) ein ähnliches Thongefäß;

18) ein dünnwandiges, hellbraunes, kugeliges Thongefäß mit zwei kleinen Henkeln auf dem Bauchrande, mit schuppenartigen Verzierungen und Strichen am obern Theile verziert, wie die in Jahrb. X, S. 258 und 259 abgebildeten Verzierungen, namentlich an der Urne des Hünengrabes von Remlin (Jahrb. IX, S. 362), dessen Grabkammer mit den sammiter Gräbern viel Ähnlichkeit hat.

Leider ließen sich die Scherben nicht vollständig zusammenbringen.

19) Ein regelmäßig abgerundeter und abgeschliffener bohnenförmiger Quarzstein von ungefähr 5/8" Größe kann eben so gut ein durch Wellenschlag gebildetes Naturproduct, als ein durch Menschenhand gebildetes Kunstproduct sein.

Ueber den Meißeln und Thongefäßen waren die Kammern mit Sand und kleinen Steinen bis zur Höhe der übrigen Bedeckung zugepackt.

D . Unter dem nördlichsten Decksteine war eine Queerkammer von Westen nach Osten, in welcher

20) ein menschliches Gerippe eines erwachsenen Menschen von Westen nach Osten hin lag, so daß der Schädel im Westen lag und nach Osten schauete. Es waren nur noch die starken Schenkelknochen erhalten und es war nicht mehr zu erkennen, ob die Leiche gesessen oder gelegen hatte.

Es wäre möglich, daß die Meißel und Urnen Nr. 13 - 18 zu dieser Leiche gehörten.

Unter den ausgeworfenen Steinen, mit denen das Grab im Innern verpackt war, fand sich

21) eine grauweiße Sandsteinplatte von altem Sandstein, 10" lang, 6" breit und durchschnittlich gegen 2" dick, welche ganz die Gestalt der Schleifsteine der Steinperiode hat und dazu bestimmt und auf einer Seite schon etwas dazu benutzt gewesen zu sein scheint.

Ferner fand sich unter den ausgeworfenen kleinen

22) ein vollständig abgerundeter und regelmäßig geschliffener und abgeglätteter, fast kugelrunder Granit von

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der Größe eines ausgewachsenen Menschenschädels, ungefähr 6" im Durchmesser; an einer Seite fehlt ein Stück. Es läßt sich nicht ermessen, ob dieser Stein durch Kunst bearbeitet und zum Roll= oder Reibstein bestimmt gewesen, oder ob er durch Naturkräfte im Diluvium so gebildet ist. So große natürliche, abgerundete Steine scheinen äußerst selten zu sein; die künstlichen runden Steine dagegen sind in der Regel nicht halb so groß.

Der Grundriß dieses Grabes II ist ungefähr folgender:

Grundriß eines Grabes

Nr. 1 ist die Kammer mit einem Gerippe.
Nr. 2 ist die Kammer mit einem Gerippe und den Keilen und der Lanzenspitze.

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Nr. 3 der Raum der Kammer, auf welcher 1 Fuß höher die Meißel und die Urnen lagen.
Nr. 4, 5, 6 waren scheinbar leer.

Nach allen Erfahrungen und Erscheinungen gehören diese Gräber zu den ältesten Gräbern der Steinperiode 1 ). Die Aufdeckung derselben hat uns zuerst einen Blick in die Bestattungsweise gegönnt, indem bisher in Meklenburg, so viel ich mich erinnere, nur "Hünengräber" mit langen Hügeln aufgedeckt sind, welche ich für jünger halte, da in diesen schon oft Anzeichen von Leichenbrand auftreten. Besonders wichtig scheint mir die Erfahrung zu sein, daß diese Gräber oder Steinkisten mit 4 Decksteinen nicht Gräber für Eine Person, sondern für mehrere, wenigstens zwei Personen, also wahrscheinlich Familiengräber waren, welche nicht mit einem Male, sondern nach und nach aufgeführt wurden.


1) Diese Gräber von Alt=Sammit sind in jeder Hinsicht den beiden großen Gräbern gleich, reiche auf lübeker Gebiet zn Waldhausen und Wulfsdorf standen und deren Aufdeckung von dem Pastor K. Klug in: Opfer= und Grabalterthümern zu Waldhausen, Lübeck, 1844, und in der Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte, Heft 3, 1860, S. 397 flgd. beschrieben ist. Diese beiden lübeker Gräber sind dadurch höchst merkwürdig, daß die großen Steingräber der Steinperiode zu jüngern Bestattungen in der Bronzeperiode benutzt und beide durch einen Erdkegel bedeckt waren, so daß man in dem Kegelgrabe oben ein Begräbniß aus der Bronzeperiode, unten ein Begräbniß aus der Steinperiode hatte. Warum Klug sich in beiden Beschreibungen noch immer dagegen sträubt, diese Gräber als Gräber anzuerkennen, sie dagegen dem "Opfercultus" zuschreibt, ist schwer zun ergründen, da er keine Erscheinungen angiebt, die dafür reden könnten.