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Ueber

die bisherigen Wirksamkeit des Vereins für meklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde.

Ein Vortrag,

gehalten in der Fest=Versammlung am 24. April 1860,

als

dem 25jährigen Stiftungstage des Vereins,

von

dessen zweiten Secretair, Herrn Archiv=Secretair Dr. Beyer .


Wie der einzelne denkende Mensch an den von Zeit zu Zeit eintretenden Wendepunkten des Lebens seinen Schritt zu hemmen und einen Rückblick auf die Vergangenheit zu thun pflegt, um sich selbst Rechenschaft zu geben über sein bisheriges Thun und Lassen, und aus der Summe seiner bisherigen Erfahrungen neue Entschlüsse zu ziehen zur Vorbereitung auf die kommenden guten und bösen Tage, - so begegnen wir einer ähnlichen Erscheinung auch in dem Leben ganzer Völker. Wenn in Folge größerer, tiefer eingreifender Weltereignisse eine Entwickelungsperiode sich abschließt, und eine neue beginnt, dann pflegt nicht bloß der Gelehrte oder der Dichter, sondern das ganze Volk sich mit besonderer Vorliebe seiner Geschichte zuzuwenden. Ein solcher Abschnitt trat für unser Volk mit dem Ende der Freiheitskriege ein. Kaum hatte daher unsre tapfere Jugend das siegreiche Schwert in die Scheide gesteckt, und die blutige Waffenrüstung abgelegt, als sie sich mit gehobenem Selbstbewußtsein der Erforschung der großen Vergangenheit unseres Volkes hingab. Es war vor allen der edle Freiherr v. Stein, der durch die Stiftung der Gesellschaft für die ältere deutsche Geschichte zu Frankfurt die Losung für die neue nationale Arbeit des Friedens gab, wie er früher die Losung zur kriegerischen Rüstung und nationalen Erhebung gegen den Feind gegeben hatte. Und der Mann verstand sein Volk, und wußte, was ihm noth that, und das Volk verstand ihn,

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und folgte seinem Rufe. Nicht nur seine eigne Stiftung hatte durch allseitige Unterstützung fröhliches Gedeihen bis auf den heutigen Tag, sondern seinem Beispiele folgend traten in allen deutschen Ländern patriotische Männer an die Spitze, und gründeten in rascher Folge zahlreiche Special=Vereine zur Erforschung der besondern Geschichte der einzelnen Stämme. Das war kein partikularistischer Widerspruchsgeist gegen die nationalen Bestrebungen Steins, wie man es später zu deuten gesucht hat, es war vielmehr die wirksamste Unterstützung derselben, denn nur aus dem Besondern und Einzelnen ist das Gemeinsame und Ganze richtig zu erkennen.

Dieser durch ganz Deutschland gehenden geistigen Bewegung nun schloß sich auch unser Meklenburg an, zögernd zwar und spät nach der Weise unsers Stammes, dann aber auch mit ganzer Energie und unermüdlicher Ausdauer zur Ausführung des einmal gefaßten Entschlusses schreitend. Es trat aber noch ein besonderes heimisches Ereigniß hinzu, das diesen Entschluß bei uns zur Reife brachte.

Die 52jährige Regierung des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz I. gehöre unstreitig zu den thaten= und ereignißreichsten in der ganzen Geschichte unsers Landes. Nachdem der junge kräftige und geistreiche Fürst sofort nach dem Antritte der Regierung durch den Rostocker Erbvergleich den innern Frieden des Landes hergestellt hatte, und demnächst durch die Wiedererwerbung der vor 150 Jahren von Meklenburg, und damit thatsächlich auch von Deutschland abgerissenen zweiten Seestadt Wismar, die letzten Spuren des verheerenden 30jährigen Krieges, sowie die Schmach des westfälischen Friedens für Meklenburg getilgt hatte, brach abermals eine fast nicht minder verderbliche und schmachvolle Zeit über das Vaterland und das hohe Fürstenhaus herein. Wie einst sein wackerer Ahne Adolph Friedrich, so mußte auch Friedrich Franz zwei Mal sein theures Land und Volk verlassen, und den Fremden auf der Burg seiner Väter schalten sehen. Doch der rasche und entscheidende Sieg der durch den Uebermuth des Feindes in dem einen großen Gedanken der Freiheit des Vaterlandes vereinigten Völker und Fürsten Deutschlands führte auch unsern geliebten Herrscher als ersten Großherzog zu den Seinen zurück, um noch 20 glückliche Jahre des Friedens mit ihnen zu theilen.

Diese gemeinsam durchlebten großen Ereignisse und die persönliche Liebenswürdigkeit des Herrschers knüpften ein so enges Familienband zwischen Fürst und Volk, wie es selten in der Geschichte gefunden wird. Friedrich Franz ward nicht von Schmeichlern der Liebling des Volkes genannt, er war es wirklich in dem ganzen vollen Sinne des Wortes. Groß war daher die Freude und der Jubel in allen Schichten des Volkes, als am 24 April 1835 das allgemeine Dankfest der 50jährigen segensreichen Regierung des geliebten Fürsten

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gefeiert ward, jetzt eines gebückten Greises, aber noch in voller geistiger Kraft. Und mitten in diesem Jubel war es, als auf Veranlassung des damaligen Regierungsrathes, spätern Ministerpräsidenten v. Lützow Excellenz, unseres vieljährigen Präsidenten, - des kurz zuvor zum Archivar berufenen, jetzigen Archivraths und Conservators Dr. Lisch, unsers ersten Secretärs, und nun 25jährigen treuen Führers und Meisters, - sowie des leider seitdem von schwerem Leiden heimgesuchten Pastors Bartsch als zweiten Secretärs, 84 Vaterlandsfreunde zusammentraten, um durch die Stiftung eines Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zugleich den Grundstein zu einem Denkmal des hohen Jubilars zu legen, zu dem er selbst bereits ein reiches Baumaterial geliefert hatte.

Das ist die Geschichte der Gründung unsers Vereines, der diesem Ursprunge gemäß nicht nur der Wissenschaft, sondern zugleich dem Vaterlande dienen will. Seitdem ist abermals ein Viertel=Jahrhundert verflossen, und auch wir sind damit an einem Wendepunkte unsrer Entwickelung angelangt, an dem es uns geziemen will, zurückzublicken und uns selbst Rechenschaft abzulegen, wie wir die Zeit benutzt haben zum würdigen Fortbau jenes vor 25 Jahren begonnenen Liebes=Denkmals zu Ehren des Fürsten, dessen Jubelfest nun auch das unsrige geworden ist.

Unter der Protection der beiden hohen Landesherren, von welchen der jüngere, Se. K. H. der Großherzog Georg von Meklenb.=Strelitz, noch heute an unsrer Spitze steht, während nach dem Tode des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz am 1. Febr. 1837 dessen allerhöchste Nachfolger in der Regierung auch unsre Führung in dem Sinne und Geiste Ihres hohen Ahnen zu übernehmen geruheten, - unter dieser Protection schritt der junge Verein einer raschen Entwicklung entgegen. Schon am 11. Juli 1835 konnte derselbe seine erste Generalversammlung unter Vorlegung des ersten Bandes seiner Druckschriften eröffnen, die seitdem ohne alle Unterbrechung alljährlich erschienen sind und nun in 25 Bänden das beste Zeugniß seiner Arbeit und deren Früchte geben. Damals zählte der Verein, dem die sämtlichen erwachsenen Mitglieder beider Fürstenhäuser sich als hohe Beförderer angeschlossen hatten, bereits 126 ordentliche Mitglieder. Diese Zahl stieg in den folgenden Jahren bis auf 402, sank aber dann in den Jahren 1847 bis 1853 in Folge der damaligen politischen Bewegung Deutschlands bis auf 280 herab und ist seitdem mit geringen Schwankungen auf dieser Höhe stehen geblieben, während die Zahl der hohen Beförderer noch durch den Beitritt mehrer auswärtiger Fürsten, namentlich Ihrer Majestäten der Könige von Preußen, Sachsen und Dänemark vermehrt ward. Im Ganzen aber sind die Namen von 680 ordentlichen Mitgliedern in unsre Matrikel eingetragen, die hier zur Einsicht vorliegt. Unter diesen 680 Männern

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sind alle Stände und Berufsclassen von den höchsten Staatsdienern zunächst an dem Throne des Fürsten, bis zum einfachen Bürger und Landmann vertreten; und wenn auch die Zahl der eigentlichen Mitarbeiter natürlich nur klein ist, so sind es doch verhältnißmäßig nur wenige, die nicht Gelegenheit gefunden hätten, sich irgendwie durch außerordentliche Geschenke zur Bereicherung unsrer Sammlungen, oder durch Mittheilung interessanter Nachrichten mittelbar an den Arbeiten des Vereins zu betheiligen. Ich muß es mir versagen, hier auch nur die Namen der verdientesten Mitarbeiter und Förderer zu nennen, werde aber anderswo Gelegenheit haben, ihr Andenken zu ehren.

Nur durch diese außerordentliche, von wenigen vorhergesehene Theilnahme ward es möglich, in den abgelaufenen 25 Jahren ein Arbeitscapital von circa 22,000 Thaler für die Zwecke des Vereins aufzubringen, wozu noch fast der ganze höchst bedeutende Werth unsrer Sammlungen kommt, da diese nur zum geringsten Theile durch Ankauf oder sonstige Geldopfer aus jenen Capitalfonds, vielmehr fast ausschließlich durch außerordentliche Geschenke erworben sind. - Unter ihnen nimmt unbestritten die in ihrer Art in Deutschland fast einzig dastehende Alterthumssammlung den ersten Rang ein, und umfaßt gegenwärtig, ohne die damit äußerlich verbundene großherzogliche Sammlung, nicht weniger als 4000 Nummern. Am Schwächsten ist darin das Mittelalter vertreten, wogegen die vereinigten Sammlungen heidnischer Alterthümer Meklenburgs vielleicht alle ähnlichen Deutschlands übertreffen, nicht nur an Umfange, sondern mehr noch an innerem Werthe, der von allen Kennern bereitwillig anerkannt wird. Daran schließt sich zunächst die Münzsammlung mit mehr als 6300 Stücken; ferner die Bildersammlung in 820 Blättern, die Bibliothek, die bereits 3350 Bände zählt und endlich die Urkundensammlung von etwa 800 Nummern.

Diese Sammlungen werden allen künftigen Forschern ein Hülfsmittel von unschätzbarem wissenschaftlichem Werthe bieten; besonders aber wird die Allerthumssammlung, wie sie hier in diesen Schränken aufgestellt ist, eine reiche lebendige Quelle für die älteste Geschichte unsrer Heimath werden, deren Existenz vor 25 Jahren noch von Niemanden geahnet ward, und aus welcher den Entdeckern selbst erst kaum zu schöpfen vergönnt war. Die Wichtigkeit der noch in großer Zahl über unsre Fluren zerstreueten Grabhügel früherer, zum Theil schon vor Jahrtausenden dahin gesunknen Geschlechter erregten gleich anfangs die besondere Aufmerksamkeit des Vereins, der deshalb sofort eine eigne Commission zur Leitung regelrechter Aufgrabungen niedersetzte. Der unbefangnen Beobachtung dieser Männer aber konnte es nicht entgehen, daß jene Hügel sowohl der Form, als dem Inhalte nach wesentlich von einander verschieden seien, und die nähere Untersuchung ließ keinen Zweifel über diese Entdeckung zu. So entstand

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ohne alle Systemsmacherei zuerst in Deutschland die wissenschaftliche Ordnung unsrer Sammlung, die viel angefochten, sich nach und nach überall Anerkennung erworben hat.

Das Resultat dieses Verfahrens ist nicht hoch genug anzuschlagen. Wir wissen jetzt mit völliger Sicherheit, daß auf diesem Boden, den wir heute bebauen, in ungemessener Zeit 4 Völkerschichten nach einander abgelagert sind. Dort jene Schädel mit der niedern zusammengedrückten Stirn und die rohen Waffen von Knochen, die der in der Grube sitzenden Leiche beigegeben waren, beweisen, daß jenes ärmliche, jetzt an den mit ewigem Eise bedeckten Nordpol zurückgedrängte Geschlecht, einst mit seinem treuen Rennthier auch unsre Weiden besuchte. - Ihm folgte ein anderer Stamm von stärkerem Knochenbau, in dem die fortgeschrittne Entwickelung des Geistes auch die Stirne bereits ein wenig, aber nur erst ein wenig, höher gewölbt hatte. Auch seinen Namen und seine Thaten nennt uns keine historische Urkunde, aber zahlreiche, mit mühevollem und ausdauerndem Kunstfleiß aus hartem Kiesel gearbeitete Waffen und Geräthschaften, welche nebst den geschmackvoll geformten Aschenurnen jenen hauptsächlich an der Meeresküste und den Ufern der größern Landgewässer zerstreuten Riesengräbern entnommen sind, zeigen uns ein rauhes starkes Geschlecht von Fischern und Jägern, das jene schwächern Nomaden verdrängt hatte, und dann selbst einem ähnlichen Geschicke erlegen, jetzt erst durch unsre Forschungen aus tausendjährigem Schlafe gleichsam wieder erweckt ward.

Wer aber war der Sieger dieses Hünen=Geschlechtes? Unsere Untersuchungen zeigen keine Spur jener unvermeidlichen Kelten, welche nach früherer Ansicht einst ganz Europa bewohnt haben sollten; noch nie ist z. B. bei uns auch nur eine einzige jener kleinen Hohlmünzen entdeckt worden, die man im südlichen Deutschland Regenbogenschüssel zu nennen pflegt, und die von dem eigentlichen Gallien über den Rhein und die Donau hinunter, so weit jemals ein Keltenvolk nach historischem Zeugniß geherrscht hat, namentlich in Böhmen, zu Tausenden beisammen gefunden werden. Dagegen stimmt alles, der dritten Periode angehöriges Geräthe mit demjenigen, das in dem rein germanischen Norden gefunden wird, auf das Genaueste überein. Kein Zweifel also, auf jenes unbekannte Hünenvolk der Steingräber folgte unmittelbar der edle Germane, dessen Enkel noch heute Europa beherrschen, und hier in unsern Gauen nur zeitweilig durch den, aus dem tiefern Osten vordringenden, stammverwandten, aber auf tieferer Stufe der Kultur stehenden Slaven verdrängt wurden.

Die welthistorischen Thaten dieses kriegerischen Stammes, welcher demnächst, nach der Verdrängung oder Unterwerfung seiner keltischen Nachbaren im Süden und Westen, sich allmälig auch in den Besitz der ganzen reichen Erbschaft der vor ihm in den Staub gesun=

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kenen ewigen Roma zu setzen wußte, - erzählen uns die Geschichtschreiber jener Zeit. Aber selbst ein Tacitus läßt uns nur ahnungsvolle Blicke in das häusliche Leben des von ihm mit Bewunderung betrachteten edlen Feindes thun. Hier dagegen, meine Herren, hier in diesen Räumen treten die hohen Gestalten unsrer Ahnen, aus den mächtigen Kegelgräbern hervorsteigend, lebendig unter uns. Mit Ehrfurcht schauen wir den schlanken und kräftigen Wuchs jenes Fürsten eines freien Volkes, oder gebietenden Kriegsherrn einer kampflustigen Schaar kühner Jünglinge. Aus der tiefliegenden Augenhöhle unter der hohen und breiten, den Helden und Weisen verkündenden Stirn jenes Schädels sehen wir im Geiste noch den Zornblick des blauen Auges, vor dem selbst ein Römer zitterte, und unter dieser einfach edlen Krone, oder dem goldglänzenden Helme dort, wallten die blonden Locken auf die breite Schulter hinab, welche einst der vornehme Jüngling der Hauptstadt der Welt nachahmte, um die Liebe seines Mädchens zu gewinnen. Wir sehen in der nervigen Faust das kurze zweischneidige Bronzschwert, oder den zierlichen Herrscherstab mit der dem Gotte der Schlachten geweiheten, Sieg verheißenden Schwertspitze. Auf der breiten Brust hält eine starke Spange von gleichem Metalle mit den hübsch gearbeiteten elastischen Spiralwindungen, zugleich zum Schutze und zum Schmucke dienend, den Mantel zusammen, vielleicht von dem Felle eines selbst erlegten Bären; ähnliche Windungen decken den Arm, goldene und bronzene Ringe zieren Hand und Finger. Auch der starke Elch fehlt nicht und der riesige Ur, deren Erlegung den rüstigen Jäger, jenes prächtige Hifthorn dort an der Seite, im Frieden erlustigte, und den Jüngling zu ernsterem Kampfe stählte. - Zur Seite der Helden sehen wir das zierliche Weib, mit einem dieser geschmackvollen Diademe in den blonden Locken, und dem reichen Schmucke von goldenen und bronzenen Ringen, Halsketten, Brochen, Haarnadeln u. s. w. In des Führers Gefolge endlich den bärtigen Krieger mit dem runden Schilde, mit Lanze, Schwert und Dolch, oder der gefürchteten fern hin treffenden Framea, die er mit Gewandtheit aus der durchbohrten Brust des Feindes zum zweiten Wurfe zurückzuziehen wußte. - Daheim aber reffen wir den frommen Priester in dem eigenthümlichen Schmucke, und mit den räthselhaften gottesdienstlichen Geräthen an dem einfachen mächtigen Opferstein im heiligen Haine, aber keine Spur eines Tempels noch Bilder der verehrten Götter von Menschenhänden geformt. - Draußen endlich auf dem angebaueten Felde neben der Burg des Fürsten oder Stammeshäuptlings den fleißigen Arbeiter mit dem die Erde lockernden Steinkeil, der bronzenen Sichel, Messer, Pfriemen und andrem Handwerksgeräthe, so wie die züchtige Hausfrau mit Spindel, Scheere und Nadel bis zum einfachen thönernen Kruge herab, wobei aber auch das Spielzeug der Kinder nicht fehlt. Alle diese Geräte aber, auf heimischen Fabrik=

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stätten in edlem Geschmacke und mit hoher Kunstfertigkeit gearbeitet, zeigen uns den alten Germanen aus der Zeit der Römer, auf die einzelne römische Münzen und Gefäße hinweisen, auf einer Stufe der Kultur, die wir aus den schriftlichen Denkmälern jener Zeit nicht entfernt errathen konnten.

Mit gleicher Lebendigkeit endlich tritt uns aus den ausgedehnten flachen Todtenfeldern der jüngsten Heidenzeit, das Bild des nunmehr in unsern Gauen herrschenden und demnächst mit den rückkehrenden Enkeln der verdrängten Germanen zu einem einzigen Volke verwachsten Slaven entgegen, eine ähnliche Erscheinung, nur daß das Schwert aus weichem noch nicht gestähltem Eisen die Stelle der Bronze, und der Silberschmuck die des Goldes vertritt.

Während der zweite Theil unsrer Jahrbücher sich hauptsächlich die Erörterung dieser Denkmäler der ältesten Zeit zum Ziele gesetzt hat, ist in dem ersten Theile mit gleichem Fleiße und nicht geringerm Erfolge die Geschichte der mittlern und neuern Zeit bearbeitet worden. Auch hier ist in 25 Jahren ein sehr bedeutendes Material aufgeschichtet, das schon jetzt im Inlande wie im Auslande vielfach benutzt, künftig eine wahrhaft wissenschaftliche Bearbeitung der Geschichte Meklenburgs, wie sie den Anforderungen unserer Zeit entspricht, erst möglich machen wird. Außer den hier mitgetheilten, bisher ungedruckten Urkunden, deren Zahl bereits über 700 beträgt, und einer großen Menge kleinerer, aber oft sehr wichtiger historischer Nachrichten und Anzeigen, finden wir hier über 250 größere Abhandlungen, in denen alle Seiten unseres Volkslebens mit gleicher Liebe erörtert sind. Zahlreiche Berichtigungen der Genealogie unsers Fürstenhauses, worüber die neuere Stammtafel des officiellen Staatskalenders Nachweisung giebt, und Biographien der Fürsten und Staatsmänner wechseln mit Erörterungen der früher fast ganz vernachlässigten Kultur= und Sittengeschichte des Volkes; Beiträge zur Geschichte des Kirchenwesens mit denen zur Geschichte der Städte; die Rechtsgeschichte, wie die Geschichte des Handels und der Gewerbe haben gleiche Berücksichtigung gefunden, wie die Geschichte der heimlichen Kunst, deren Existenz möchte man sagen, hier zuerst nachgewiesen ist; auch die Münz= und Wappenkunde, die ältere Topographie, selbst die Sprachkunde u. s. w. sind nicht vernachlässigt. Aber die mir gegönnte Zeit erlaubt es nicht, hier nähere Nachweisungen zu geben, die ich vielmehr für einen andern Ort aufsparen muß, und ebenso kann ich hier auf den praktischen Einfluß, den der Verein unleugbar in mehrfacher Beziehung über seinen nächsten Zweck hinaus gewonnen hat, nur andeutend hinweisen.

Dabei hat unser Verein sich stets fern gehalten von jeder engherzigen partikularistischen Tendenz, die man dem historischen Vereinswesen überhaupt so oft zum Vorwurf gemacht hat. Zwar den wiederholten, aber glücklicherweise gescheiterten Versuchen, die freien

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wissenschaftliche Vereinigungen gleichgesinnter Männer in den verschiedenen Provinzen des großen Vaterlandes, ohne alle Verpflichtung zu einer bestimmten Thätigkeit in äußerlich vorgeschriebener Richtung und Ordnung, einem großen deutschen Centralverein mit fabrikmäßiger Centralisation der Arbeit unterzuordnen, - diesen Versuchen haben wir mit Nachdruck widerstrebt, weil sie nur zur gänzlichem Auflösung aller Specialvereine führen konnten. Aber wir haben uns deshalb nicht abgeschlossen von unsern Bruderstämmen jenseits unserer engen Grenzen. Die in unsrer Matrikel aufgeführten 80 mit uns verbundenen Vereine, und 52 correspondirenden Mitglieder in allen Gegenden Deutschlands und der benachbarten stammverwandten Ländern, mit denen wir in stetem lebhaften Verkehre stehen, sind Zeugniß des Gegentheils. Ja der unter dem Banner völliger Freiheit und Selbstständigkeit der einzelnen Vereine vor einigen Jahren zusammengetretene Gesammtverein, dessen Aufgabe ist, den Verkehr der Specialvereine mehr zu erleichtern und zu ordnen, und die gegenseitige Unterstützung zu gemeinsamen Zwecken zu vermitteln, - dies neue Institut ist gerade von hier aus zuerst angeregt, und nach Kräften gefördert.

Diese Andeutungen mögen genügen, um die heutige festliche Stimmung durch das Bewußtsein zu heben, daß wir uns unsrer bisherigen Leistungen nicht zu schämen haben. Seien wir uns aber auch zugleich bewußt, daß noch viel, sehr viel zu thun übrig ist, ja so viel, daß die bisherigen Mittel zu den wachsenden Bedürfnissen nicht ausreichen werden. Doch wenn unsre Arbeit wirklich als fruchtbringend und dem Vaterlande heilsam erkannt wird, dann wird es uns auch an den Mitteln nicht fehlen. Dann aber wollen wir und die nach uns kommen werden, mit Gottes Hülfe neu gestärkt und verjüngt fortbauen an dem vor 25 Jahren begonnenen Werke, bis abermals ein Menschenalter vergangen ist, und abermals das Land von Jubel erschallt, zu Ehren des hohen Fürsten und Herrn, der nicht nur der Erbe des Namens und des Thrones jenes ersten Jubelgreises geworden ist, sondern auch der Liebe seines treuen Volkes.

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