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III.

Mechthild von Lüneburg,

Gemahlin

des Fürsten Heinrich I. von Werle,

von

G. C. F. Lisch.


E ine Schattenseite in der Geschichte des meklenburgischen Fürstenhauses von der Linie Werle bildet das traurige Ende des Fürsten Heinrich I. zu Güstrow (reg. 1277 † 1291). Heinrich I. von Werle war der älteste Sohn des Fürsten Nicolaus I. (1229 † 1277), des Stammvaters der Linie Werle nach der Landestheilung, dessen ruhmwürdiger Regierung Heinrich I. und dessen beide jüngeren Brüder Johann I. und Bernhard I. folgten. Heinrich I. war zuerst mit der schwedischen Königstochter Rixe vermählt, welche ihm zwei Söhne Heinrich und Nicolaus gebar und vor dem 13. Dec. 1282 starb. In der Folge vermählte sich der alternde Fürst im J. 1291 zum zweiten Male mit der Prinzessin Mechthild von Braunschweig=Lüneburg, einer Tochter des Herzogs Johann und einer Schwester des Herzogs Otto des Strengen zu Lüneburg. Dies kam den Söhnen des Fürsten Heinrich I. von Werle ungelegen, da sie fürchteten, daß dadurch ihr Einfluß auf die Regierung und ihr künftiges Erbtheil geschmälert werden könne; besonders war der ältere Sohn Heinrich, welcher mit des Herzogs Barnim von Pommern Tochter Mechthild vermählt war, über die Wiedervermählung seines Vaters aufgebracht und faßte den Entschluß, mit Hülfe seines Bruders Nicolaus den Vater gefangen zu nehmen und zu halten. Als sie diesen Entschluß

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auf der Jagd im Lande Rügen bei dem Dorfe Sale nicht weit von Damgarten zur Ausführung bringen wollten, geschah es, daß die Söhne ihren Vater, der sich zur Wehre setzte, am 8. Oct. 1291 todt schlugen.

Ausführlich berichtet über diese traurige Begebenheit Ernst von Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik folgendermaßen:

Dy czid der alde her Johan                    Cap. LXXIII.
irstarb vnd quam geyn Dobran,
hern Nyclaws vatir offinbar,
du man schreib czwelfhundirt iar
vnd dry vnd achczig recht gewis
in den achten kalendas Nouembris.
Des selbin bruder wirdiglich
der iungen vettere her Hinrich
der nam ouch eyn wib gar.
Czwene sone dem herren sy gebar:
der eyne hiez iungher Hinrich ia,
der andir iungher Nycola.
Ich kans gesagin hy nycht baz,
van wannen dy frow geborin waz.
Dy selbe frowe iung irstarb;
eyne andere her nach ir irwarb.
dy waz tochtir vngelogin
von Luneborg des herczogin.
Daz waz den sonen beyden leyd,
daz wart sint schyn mit bosheyd.
Der selbe iungher Hinrich
nam im synd zu wybe glich
des herczogin tochter von Stetyn;
eynen son gebar dy frowe syn,
Barnym des selbin name waz,
der starb eyn monich zu Colbaz,
syns aldirvatir nam ward im,
den hiez herczoge Barnym.
   Dy czyd da iungher Hinrich                    Cap. LXXIIII.
gebruchte boses rades sich;
mit synes bruder rade gahin
meynte her synen vatir vahin.
Das brachte yn vngeluckes nod,
sy slugen iren vatir tod
mit hertiglichen vnhoulden,
also sy yn vahen soulden.
Daz geschach in Rugia

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by Zale dem dorfe da,
du man schreyb czwelfhundirt iar
vnd eyn vnd nuynczig offinbar
vnd wart begrabin vm daz virseren
zu Doberan mit groszin eren.

Eben so berichten die zu derselben Zeit, gleich nach dem J. 1370 abgefaßten Genealogien 1 ) von Doberan und Parchim, von denen die letztere am ausführlichsten erzählt:

Hinricus (de Werle) primogenitus duos genuit filios Nicolaum et Hinricum. Sed filiis domini Hinnci predicti, fratris Johannis et Bernardi, patrem suum captiuare volentibus, contigit a casu, ut patricide facti sunt, propter quod scelus patricidii dicti duo filii Nicolaus et Hinricus hereditate paterna sunt privati et a dominio per patruos suos eliminati.

und in der Stammtafel hiezu:

Nicolaus et Hinricus: hii duo interfecerunt patrem corum

und

Hinricus: iste interfecit patrem suum et inde excommunicatur a dominio.

Eben so berichtet der Fortsetzer der Chronik von Albert von Stade:

1201 in vigilia Dionysii occisus est nobilis dominus Henricus de Werle a propriis filiis.

Aehnlich lautet die Angabe in Detmar's lübischer Chronik 2 ), welche wohl mehr nach dem allgemeinen Gerüchte berichtet:

Do wart des iares (1291) in sunte Dyonisius avende (Oct. 8) slagen dot in der iaghet de edele her Hinrik van Wenden, den sloghen twe siner sone Hinrick unde Johann, umme dat se de vader nicht wolde laten raden na ereme modwillen; des wurden se vordreven ut creme lande. Do wart grot orloghe tuschen heren Nicolause van Wenden unde den heren van Mekelenborch umme sin land to hebbende etc. .

In der Angabe des Todestages stimmt Detmar mit dem doberaner Nekrologium im Kreuzgangsfenster 3 ) überein:


1) Vgl. Jahrbücher XI, S. 16-17.
2) Vgl. Detmar's Lübische Chronik, herausgegeben von Grautoff, I, S. 166, zum J. 1291.
3) Vgl. Jahrbücher I, zu S. 136.
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Hinricus dei gracia dominus in Werle. Hunc filius suus interfecit anno domini MCCXI, octavo idus Octobris (Oct. 8).

Alle einheimischen Quellen berichten also, daß die Söhne keinen Mord, sondern den Vater nur gefangen zu nehmen und zu halten beabsichtigten, aber bei der Gegenwehr desselben das Unglück hatten, ihn zu erschlagen. Nach einer solchen entsetzlichen That erklärte aber ihr Vetter der Fürst Nicolaus von Werle=Parchim sie für unwürdig, weiter zu regieren, und alle Unterthanen der Lande traten diesem wackern Fürsten bei. Da aber die fremden Fürsten, welche die That milder auslegten, den Vatermördern beistanden, so kam es zu einem heftigen, weit ausgedehnten Kriege, aus welchem jedoch Nicolaus von Werle=Parchim endlich als Sieger und Herr des ganzen Landes Werle hervorging. Von den beiden Vatermördern ward der jüngere Nicolaus noch während des Krieges im J. 1293 durch einen frühzeitigen Tod hinweggerafft, ohne Erben zu hinterlassen; der ältere Heinrich mußte sich endlich nach dem durch Vermittelung seines Schwiegervaters nach 11. Aug. 1295 geschlossenen Frieden mit dem Besitze von Penzlin begnügen. Aber auch dieses mußte er im J. 1307 verlassen, als die fremden Fürsten wieder einen Krieg gegen Nicolaus von Parchim führten. Es ist von ihm weiter keine Nachricht vorhanden; wahrscheinlich floh er nach Pommern, dem Vaterlande seiner Gemahlin, und beschloß dort sein Leben unbemerkt.

Heinrich der "Vatermörder hatte einen Sohn, Barnim, nach seinem mütterlichen Großvater so genannt. Diesen gaben die ohne Zweifel tief gebeugten Aeltern in das pommersche Kloster Colbaz, um den Makel im Geschlechte nicht fortzupflanzen. Barnim starb aber nicht als Mönch zu Colbaz, wie E. von Kirchberg berichtet ("der starb eyn monnich zu Colbaz") und die Geschichtschreiber ihm nacherzählen, sondern er stieg noch zu hohen kirchlichen Ehren, da er in den Jahren 1330-1332 als Propst des Dom=Capitels zu Camin und Inhaber der Pfarre zu Gützkow erscheint 1 ).

Mit Theilnahme wird man nach den fernem Schicksalen der Fürstin Mechthild, der Wittwe des erschlagenen Fürsten Heinrich I. fragen, und doch ist bisher noch nichts weiter über sie bekannt geworden, als einige äußere Verhältnisse, welche ich schon früher mitgetheilt 2 ) habe. Neuere Entdeckungen geben über ihr Leben vollkommenen Aufschluß.


1) Vgl. Jahrbücher XXIII, S. 77 und 191 -193.
2) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
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Nach dem beklagenswerten Tode ihres Gemahls nahm Mechthild ihre Zuflucht in ihr Geburtsland und ging hier in das Kloster Wienhausen, das von der edlen Herzogin Agnes von Braunschweig, welche hier auch ihre letzte Ruhestätte im Leben und im Tode suchte, gegründet und einst von der Fürstin Elisabeth von Wenden regiert war. Daher bedachte sie dieses Kloster auch reich mit Geschenken; namentlich schenkte sie demselben ein kleines Landgut oder ein Vorwerk ("allodium minus") in Gakenholt mit mehreren Zehnten, ein silbernes Marienbild und mehrere andere Kleinodien. Das Nekrologium des Klosters Wienhausen, herausgegeben von H. Böttger, S. 191, (vgl. oben S. 8) sagt:

Januar. Illustris domiua Mechthildis du-
E. xissa de Wenden dedit allodium
Epy. minus cum toto decima in Gakenholte
dom. et minutis decimis in Hauekorst in
phiph. noua indagine et duobus eklagis,
si. yniaginem beate virginis argenteam
et alia plura clenodia.

Dieses silberne Marienbild blieb in dem Kloster bis zur Reformation in hohem Ansehen. Die Chronik des Klosters Wienhausen sagt 1 ): "Die Aebtissin Katharina Remstede (1501-1549) ließ das Bild der H. Jungfrau Maria, welches Mechthildis von Wenden eine Herzogin an das Kloster verehret, wieder erneuren, und da es vorher mit Silbern Blech überzogen war, nun mit Golde verbeßern vor 40 Gülden."

Auch dem Michaelis=Kloster zu Hildesheim, dem alten Bischofssitze für das Kloster Wienhausen, verlieh sie viele Wohlthaten für die Klosterbewohner und die Armen, zu deren Anerkennung auch ihr Gedächtnißtag in das Todtenbuch 2 ) des Klosters eingetragen ward:

Jan. 8. Illustris domiua Mechthildis, soror incliti ducis ducis Ottonis de Luneborgh et uxor nobilis viri de Slavia nomnie Hinrici, quae multa beneficia contulit ecclesiae nostrae, pro qva dantur X solidi annuatim de uno manso litonico in Hud-


1) Vgl. Mithoff Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte, a. a. O. S. 14, Note 1 von S. 13.
2) Vgl. Nekrologium des S. Michaelis=Klosters zu Hildesheim, herausgegeben von E. F. Mooyer, im Vaterländ. Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, 1842, S. 375, und im Separat=Abdrucke S. 15.
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dense et X solidi pauperibus de duobus mansis in Honeghessem.

Auch für ihren verstorbenen Gemahl hatte sie in diesem Kloster ein Andenken 1 ) gestiftet:

Oct. 9. Hinricus miles de Slavia, pro quo dantur XII solidi annuatim de uno manso litonico in Huddessen.

Endlich verlieh sie auch dem S. Michaelis=Kloster zu Lüneburg, in welchem ihr Bruder Otto der Strenge und dessen Gemahlin sich ihr Begräbniß erwählt hatten, eine Schenkung von Zehnten und ein mit Perlen gesticktes Meßgewand; das Todtenbuch 2 ) des Klosters sagt:

VI Idus Januarii obiit domina Methildis de Slauia, que dedit III partes in decima in Orle . . . . et casulam illam cum margaritis.

Alle diese Aufzeichnungen mit den verschiedenen Angaben lassen keinen Zweifel übrig, daß immer die Gemahlin des erschlagenen Fürsten Heinrich I. gemeint ist. In Meklenburg kommt sie seit dem Tode ihres Gemahles nicht weiter vor.

Es war theils wegen ihres Seelenfriedens, theils wegen ihres Haushalts wohl nöthig, daß sie sich in die Stille des Klosters zurückzog. Denn was früher vielen Wittwen begegnete, welche nach dem Tode des Gemahls das Land desselben verließen, das geschah auch ihr, nämlich daß ihr das ihr zukommende Witthum nicht ausgekehrt ward. Am 14. Aug. 1295 versprach der Markgraf Otto von Brandenburg dem Herzoge Otto dem Strengen von Lüneburg, mit den Fürsten von Werle nicht eher Frieden zu schließen, als bis die "Schwester des Herzogs Otto von Lüneburg, Wittwe des Fürsten Heinrich von Werle wegen ihres Heirathsgutes befriedigt" 3 ) sei. Aber noch im J. 1301 war der Fürstin kein Recht geworden 3 ); denn am 11. Mai 1301 verbürgte sich der tüchtige Graf Nicolaus I. von Schwerin=Wittenburg für den Fürsten Nicolaus II. von Werle gegen den Herzog Otto den Strengen von Lüneburg und dessen Schwester Mechthild, Wittwe des Fürsten Heinrich von Werle, daß der Fürst Nicolaus von Werle der Fürstin Mechthild 1500 Mark reinen Silbers in zwei Terminen, zu Heil. Drei Königen 1302 und 1303, zahle.


1) Vgl. Mooyer a. a. O. S. 163.
2) Vgl. Nekrologium des Michaelis=Klosters zu Lüneburg, herausgegeben von Wedekind, in den Noten zu einigen Geschichtschreibern des Mittelalters III, S. 2.
3) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
3) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
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Mechthild starb nach den mitgetheilten Todtenbüchern am 8. Januar nach dem Jahre 1302, in welchem Jahre ist ungewiß. Sie ward in der Kirche des Klosters Wienhausen vor dem Altare begraben. In den Nachrichten über das Kloster heißt es: "Außer der Stifterin ist daselbst in der Nähe des Altares bestattet Mechthilde, Tochter des Herzogs Johann zu Lüneburg", welche im J. 1291 mit Heinrich I. Herrn zu Werle oder Wenden sich vermählt hatte. Auch H. Böttger bemerkt zu dem Nekrologium des Klosters Wienhausen a. a. O. S. 228, Not. 7, daß "Mechthild von Wenden u. s. w. am 8. Januar 1301 gestorben und im Kloster Wienhausen beigesetzt" sei. Der Fürstin wird sicher ein Leichenstein auf das Grab gelegt worden sein, um so mehr da das Grab ihres Bruders so schön und kostbar eingerichtet war. Die Leichensteine in der Kirche zu Wienhausen, welche aus dem grauen, weichen Deister=Sandstein gearbeitet sind, sind jetzt aber sosehr abgetreten, daß sich nichts mehr darauf erkennen läßt. Vor dem Altare liegt jedoch noch ein Stück von einem Weißen Leichensteine, auf welchem noch einige Buchstaben von der Inschrift in schöner, großer Majuskelschrift aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts zu erkennen sind. Vielleicht ist dieser Stein der Leichenstein der Fürstin Mechthild gewesen.


1) Vgl. Mithoff Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte a. a. O. S. 6, Not. 1. In den frühern Anführungen: in Historischer Nachricht von dem Jungfernkloster Wienhausen, welche Leuckfeld's Antiquitates Katelenburgenses angehängt ist, in Leibnitz Rer. Brunsv. Praef. T. II, p. 14, und im Neuen Hannoverschen Magazin, 1805, Stück 75, S. 1200, steht nicht mehr, als was das oben erwähnte Nekrologium des Michaelisklosters zu Hildesheim berichtet.

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