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I.

Das Kloster Wienhausen,

von

G. C. F. Lisch.


D as Kloster Wienhausen, eine Meile südlich von Celle am Allerflusse gelegen, scheint im Mittelalter ein besonderes Ansehen gehabt und nicht allein den Ruhm einer Lieblingsstiftung des landesherrlichen Hauses Braunschweig=Lüneburg genossen, sondern auch für Meklenburg eine besondere Wichtigkeit gewonnen zu haben. Es besteht noch heute (als weltliches Fräuleinstift für Damen bürgerlicher Herkunft, für Töchter von Staatsdienern,) in seinen alten Gebäuden und bewahrt noch eine große Fülle seltener Kunstschätze aus der katholischen Zeit; außerdem besitzt das Kloster noch einen sehr reichen Schatz alter Urkunden und ein sehr werthvolles Todtenbuch (Nekrologium), welches in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (bis zum 5. October 1473) aus ältern Nekrologien und andern Nachrichten zusammengetragen und von 9 andern Schreibern bis zum Jahre 1622 fortgesetzt ist, endlich eine Chronik, welche jedoch jünger und bis in das Jahr 1692 von einer und derselben Hand "aus glaubwürdiger Erfahrung" fortgeführt ist, ohne die Quellen anzugeben. Diese vielseitige Wichtigkeit des Klosters hat in den neuesten Zeiten bewährten Forschern Veranlassung gegeben, die Bearbeitung der Schätze desselben anzufassen. Der Kammer=Baumeister Mithoff zu Hannover machte das Studium der Kunstschätze des Klosters zum Gegenstande seiner Forschungen und gab in seinem

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Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte, eine Darstellung mittelalterlicher Kunstwerke in Niedersachsen und nächster Umgebung, bearbeitet und herausgegeben den H. Wilh. H. Mithoff, Zweite Abtheilung: Das Kloster Wienhausen bei Celle, Hannover, Fol.,

eine Beschreibung des Klosters in 4 1/2 Bogen Text und 10 werthvollen Tafeln Abbildungen, von denen 7 sauber und getreu colorirt sind, in Groß=Folio heraus.

Bald darauf gab der Bibliothek=Secretair Dr. H. Böttger zu Hannover, welcher die Urkunden des Klosters in eine ausgezeichnete Ordnung gebracht hat, das Nekrologium des Klosters in der

Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1855, Hannover 1857, S. 183-259,

unter dem Titel:

Das Nekrolog und die Verzeichnisse der Pröbste und Aebtissinnen des Klosters Wienhausen, nach den Originalquellen bearbeitet von H. Böttger, in gründlicher und sicherer Bearbeitung heraus.

Angeregt durch Mithoffs Darstellungen und durch Böttgers Forschungen in dem wichtigen Nekrolog, begab auch ich mich im Mai 1858 zu weitern Forschungen persönlich nach dem Kloster Wienhausen 1 ), um in den hier folgenden fünf Darstellungen und Untersuchungen möglichst sicher zu gehen und klare Anschauungen zu gewinnen.

Das Nonnenkloster Wienhausen, Cistercienser=Ordens, war seit dem J. 1216 (vor 28. April 1217) in Nienhagen an der Fuhse, unweit Celle, gestiftet, von wo es nach Wienhausen, früher Huginghusen genannt, verlegt ward. Der Herzog Heinrich der Lange von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein († 28. April 1227), Sohn des Herzogs Heinrich des Löwen, und dessen zweite Gemahlin Agnes, Markgräfin von Landsberg, (1209 † 1. Jan. 1248) gründeten um das Jahr 1226 (vor 28. April 1227) das Kloster zu Wienhausen, welches am 24. April 1233 bestätigt ward (vgl. Böttger a. a. O. Not. 1, 81 und 116). Die Herzogin Agnes ward in der Klosterkirche zu Wienhausen begraben, nachdem sie wahrscheinlich die letzte Zeit ihres Lebens in dem Kloster zugebracht hatte; ihre vortreffliche, lebensgroße, steinerne Bildsäule, wahr=


1) Ich fühle mich verpflichtet, der verehrungswürdigen Frau Aebtissin L. Ritmeier für die freundliche Aufnahme und unverdrossene Unterweisung, so wie dem Herrn Klosterverwalter von Döhren für die bereitwilligen Aufklärungen den aufrichtigsten Dank zu sagen.
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scheinlich von ihrem Grabdenkmale, abgebildet bei Mithoff S. 5, steht noch jetzt neben der Thür zum Nonnenchore. Durch diese ungewöhnliche Theilnahme erhielt das Kloster großes Ansehen; daher erklärt es sich, daß viele Jungfrauen aus fürstlichen Geschlechtern in dem Kloster lebten, viele Fürstinnen zu demselben Zuflucht nahmen und mehrere fürstliche Personen hier ihre Ruhestätte fanden, selbst einige, welche der meklenburgischen Geschichte angehören. Schon die große Anzahl fürstlicher Aebtissinnen, so viel deren nach ihrer Herkunft bezeichnet sind, giebt den Beweis, daß das Kloster sehr geachtet und geliebt war. Schon in der Zeit 1241-1265 war Elisabeth von Wenden, aus dem meklenburgischen Fürstenhause, Aebtissin und im 14. Jahrhundert waren unter den Aebtissinnen vier Prinzessinnen aus dem Hause Braunschweig=Lüneburg und eine aus dem Hause Delmenhorst, im 15. Jahrhundert eine Gräfin von Hoya. Daher ist auch das Kloster wohl noch so reich an merkwürdigen Kunstschätzen, so viel deren noch erhalten sind.

Die Kirche besteht aus zwei Teilen. Der östliche Theil, die Pfarrkirche, soll nach Mithoff, S. 6, aus neuern Zeiten stammen und wahrscheinlich an der Stelle der alten Dorfkirche erbauet sein. Gegenwärtig ist von dem Style dieses Theiles nichts mehr zu erkennen, da diese Dorfkirche restaurirt und von innen und außen mit Kalk uberputzt ist. Die Kirche enthält jetzt gar nichts Bemerkenswerthes mehr. Leider sind auch alle Leichensteine, aus weichem Stein von der Deister, so sehr abgetreten, daß auf ihnen nichts mehr zu erkennen ist. Eine weiße Steinplatte vor dem Altare, welche heller und fester ist, als die übrigen, hat Spuren von Buchstaben, wie es scheint aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, es ist aber davon nichts mehr zu entziffern. Ein anderer Stein vor dem Altare mit dem Reliefbilde eines ritterlichen Mannes soll der Leichenstein des Herzogs Heinrich des mittlern von Lüneburg sein, welcher hier 1532 begraben ward.

Wichtiger ist dagegen der westliche, im Anfange des 14. Jahrhunderts erbauete Theil der Kirche, welcher oben den alten, obern Nonnenchor noch ziemlich in seinem alten Zustande enthält. Dieser Nonnenchor ist im Spitzbogenstyle hoch und weit gebauet und vortrefflich ausgestattet. An den Wänden umher stehen noch die alten Chorstühle aus Eichenholz. Die ganzen Wände, die Gewölberippen und die Gewölbekappen sind mit alten, merkwürdigen Wandmalereien bedeckt. Die Fenster enthalten noch bedeutende Reste von alten, schönen Glasmalereien. Altäre, Leuchter und andere Geräte sind

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kunstreich. Die ganze Ausstattung, welche äußerst selten ist, macht beim Eintreten eine überraschende und große Wirkung und verdient die Teilnahme, welche Mithoff 1 ) ihr geschenkt hat. Daneben wird ein großer Schatz von uralten genäheten und gewirkten Teppichen aufbewahrt, welche von Mithoff zum größten Theile abgebildet sind.

An die Nordseite der Kirche lehnt sich der Kreuzgang, welcher so groß ist, daß er doppelt ist, also zwei Höfe umschließt; einen Grundriß giebt Mithoff S. 5. Sämmtliche Theile des Kreuzganges sind zwei Stock hoch. Der älteste Theil des Kreuzganges ist der aus Ziegeln massiv gebauete Theil, welcher sich an den Nonnenchor, also an das Westende der Kirche, anlegt, und von diesem wiederum der westliche Theil, welcher wahrscheinlich bei der Gründung des Klosters erbauet ward und das älteste Gebäude in Wienhausen ist. Dieser Theil ist im Erdgeschosse noch ganz im romanischen Style gebauet. Das obere Geschoß hat sehr schöne, große Fenster nach dem Klosterhofe hin, welche jedoch aus etwas jüngerer Zeit stammen. Der an der Kirche entlang führende Gang hat noch nicht überkalkte, rothe Gewölberippen. Die Fenster des Kreuzganges waren früher auch mit Glasgemälden geschmückt, welche aber in neuern Zeiten ausgenommen sind, jedoch noch sorgfältig aufbewahrt werden. - Gegen Osten hin werden die einzelnen Theile des Kreuzganges immer jünger und sind zum Theile von Fachwerk 1551 erbauet. Hier befindet sich auch eine große Reihe mit Holz getäfelter Zellen, mit gemalten Wappen in den Fenstern, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.


1) Mithoff sagt a. a. O. S. 7 flgd.:

"Eine bedeutende Arbeit bildet die auf Kalkputz ausgeführte Wand= und Deckenmalerei des vormaligen Nonnenchors. Es ist wohl selten, daß Kirchen germanischen Styls im nördlichen Deutschland eine so reiche Ausschmückung durch Malerei, namentlich mit figürlichen Darstellungen, erhielten, wie dies hier der Fall ist. Dem Style, den Costümen und lateinischen Inschriften in gothischen Majuskeln nach gehört diese Arbeit der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts an und wird gleich nach der Aufführung des Chors angefertigt sein. Die Malerei, obwohl handwerksmäßig ausgeführt, gewährt in Verbindung mit der Glasmalerei einen prächtigen Anblick. Der Reichthum des Bilderschmucks wird noch mehr gesteigert, wenn der Fußboden des Chors, wie an hohen Festtagen gebräuchlich, mit den merkwürdigen Teppichen belegt wird".

Mithoff vergleicht Note 1. die von mir in der berliner Zeitschrift für Bauwesen veröffentlichte ältere Gewölbemalerei der Kirche zu Röbel; bedeutender noch ist die Malerei in der Kirche zu Büchen und in der ehemaligen Franziskaner=Kirche zu S. Katharinen (jetzt Bibliothek) in Lübeck.
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An Geräten bewahrt das Kloster noch viele alte Schränke und Kisten, von denen einige geschnitzt und mit ausgezeichneten Eisenbeschlägen verziert sind.

An den die beiden Höfe trennenden Mittelgang ist gegen Osten hin, nach dem jüngern Hofe, die Allerheiligenkapelle angebauet, welche auch bemerkenswerth ist. Diese Kapelle ist von einem einzigen Kreuzgewölbe bedeckt und sehr klein, so daß im Ganzen nur ein kleiner Altar und vor demselben drei Leichensteine neben einander Platz haben. Die Wände und das Kreuzgewölbe sind mit Wandmalereien und die kleinen Fenster mit Glasgemälden geschmückt 1 ). Vielleicht ist diese Kapelle von der Aebtissin Katharina I. (1422 † 1474), Gräfin von Hoya, deren Mutter die braunschweig=lüneburgische Prinzessin Mechthild war, erbauet; diese ist so weit die Nachrichten reichen, die erste Aebtissin, welche in der Allerheiligenkapelle 1474 begraben ward. Die Aebtissin Gertrud, welche eine Zeit lang, während Katharine I. von Hoya resignirt hatte, regierte, ward im J. 1439 im Kreuzgange nächst der Allerheiligenkapelle begraben. Im J. 1454 ward das Herz der Herzogin Magdalene von Braunschweig=Lüneburg, des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg Tochter, welche wahrscheinlich in dem Kloster gestorben war, in der Kapelle niedergelegt, ihr Körper aber in der Kirche zu Scharnebek begraben (Böttger Not. 155). Die auf Katharina I. von Hoya folgende Aebtissin Susanna Pottstock (1470 † 1501) ward auch im Kreuzgange vor der Allerheiligenkapelle begraben. Im J. 1512 fand die Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard in der Allerheiligenkapelle ihr Grab, wahrscheinlich in der Mitte vor dem Altare. Unter der Aebtissin Katharina II. Remstedt (1501 † 1549) kamen die Kloster Jungfrauen, welche nicht von der papistischen Kirche weichen wollten, heimlich in der Allerheiligenkapelle zum Gottesdienste zusammen. Die Aebtissin Dorothea Spörken (1549 † 1565) ward "zur linken Hand" und die Aebtissin Anna von I. von Langeln (1565 † 1587) "zur rechten Hand" ("ad dextram partem juxta parietem")


1) Mithoff sagt a. a. O. S. 5 von der Allerheiligen=Kapelle:

"An dem Gewölbe sieht man in dem einen Felde Christus auf dem Throne, segnend und ein aufgeschlagenes Buch mit dem A und Ω haltend. In jedem der übrigen Felder sind drei Engel mit Schriftrollen dargestellt. Die beiden Fenster gegen Osten enthalten im untern Räume die Verkündignug und im obern Theile die Kreuzigung und die Auferstehung Christi. Das Fenster gegen Norden zeigt den Erzengel Michael. Die Wandmalerei ist fast ganz unkenntlich geworden".

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in der Allerheiligenkapelle begraben. Dies scheint darauf hinzudeuten, daß man damals das Grab der Herzogin Margarethe noch nicht berührt hatte. In der Folge wurden gewöhnlich die Aebtissinnen in der Allerheiligenkapelle begraben und zwar in der Weise, daß in der Reihenfolge immer das nächstfolgende von den drei Gräbern wieder aufgebrochen und zum Begräbniß benutzt ward. Dies dauerte bis zum J. 1788. Die Aebtissin Margarethe Dorothea von Taube ward 1793 zuerst auf dem Kirchhofe begraben. - Gegenwärtig ist die Kapelle vernachlässigt, verfallen und dunkel; die Leichensteine sind verwittert und tief versunken, so daß sich auf denselben nichts mehr erkennen läßt.

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