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Geschichtliche Nachrichten

aus

dem Kloster Wienhausen

bei Celle

über

das meklenburgische Fürstenhaus

von

G. C. F. Lisch.

I - VI.


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D ie merkwürdigen geschichtlichen Entdeckungen, welche in den neuesten Zeiten in dem bei uns früher kaum dem Namen nach bekannten Jungfrauenkloster Wienhausen bei Celle gemacht sind, veranlaßten mich, sowohl an Ort und Stelle in dem Kloster selbst, als in verschiedenen Archiven umfängliche Forschungen anzustellen, durch welche die sechs Abhandlungen entstanden sind, welche in diesen Jahrbüchern zunächst auf einander folgen. Sie berühren das Leben von fünf meklenburgischen Fürstinnen, welche zu dem Kloster Wienhausen in nähern Beziehungen standen, und werfen nicht allein helle Lichter auf diese Fürstinnen selbst, sondern auch auf die Zustände ihrer Zeiten und der meklenburgischen Fürstenhäuser. Alle diese sechs Abhandlungen stehen durch das Kloster, um das sie sich vorzüglich drehen, in einem gewissen innern Zusammenhange und können nur zusammen und durch einander recht verstanden werden, indem sie sich gegenseitig ergänzen und erläutern. Daher sind diese Forschungen hier auch zusammen mitgetheilt und an einander gereihet. Schwerin, im December 1858.

G. C. F. Lisch.      


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I.

Das Kloster Wienhausen,

von

G. C. F. Lisch.


D as Kloster Wienhausen, eine Meile südlich von Celle am Allerflusse gelegen, scheint im Mittelalter ein besonderes Ansehen gehabt und nicht allein den Ruhm einer Lieblingsstiftung des landesherrlichen Hauses Braunschweig=Lüneburg genossen, sondern auch für Meklenburg eine besondere Wichtigkeit gewonnen zu haben. Es besteht noch heute (als weltliches Fräuleinstift für Damen bürgerlicher Herkunft, für Töchter von Staatsdienern,) in seinen alten Gebäuden und bewahrt noch eine große Fülle seltener Kunstschätze aus der katholischen Zeit; außerdem besitzt das Kloster noch einen sehr reichen Schatz alter Urkunden und ein sehr werthvolles Todtenbuch (Nekrologium), welches in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (bis zum 5. October 1473) aus ältern Nekrologien und andern Nachrichten zusammengetragen und von 9 andern Schreibern bis zum Jahre 1622 fortgesetzt ist, endlich eine Chronik, welche jedoch jünger und bis in das Jahr 1692 von einer und derselben Hand "aus glaubwürdiger Erfahrung" fortgeführt ist, ohne die Quellen anzugeben. Diese vielseitige Wichtigkeit des Klosters hat in den neuesten Zeiten bewährten Forschern Veranlassung gegeben, die Bearbeitung der Schätze desselben anzufassen. Der Kammer=Baumeister Mithoff zu Hannover machte das Studium der Kunstschätze des Klosters zum Gegenstande seiner Forschungen und gab in seinem

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Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte, eine Darstellung mittelalterlicher Kunstwerke in Niedersachsen und nächster Umgebung, bearbeitet und herausgegeben den H. Wilh. H. Mithoff, Zweite Abtheilung: Das Kloster Wienhausen bei Celle, Hannover, Fol.,

eine Beschreibung des Klosters in 4 1/2 Bogen Text und 10 werthvollen Tafeln Abbildungen, von denen 7 sauber und getreu colorirt sind, in Groß=Folio heraus.

Bald darauf gab der Bibliothek=Secretair Dr. H. Böttger zu Hannover, welcher die Urkunden des Klosters in eine ausgezeichnete Ordnung gebracht hat, das Nekrologium des Klosters in der

Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1855, Hannover 1857, S. 183-259,

unter dem Titel:

Das Nekrolog und die Verzeichnisse der Pröbste und Aebtissinnen des Klosters Wienhausen, nach den Originalquellen bearbeitet von H. Böttger, in gründlicher und sicherer Bearbeitung heraus.

Angeregt durch Mithoffs Darstellungen und durch Böttgers Forschungen in dem wichtigen Nekrolog, begab auch ich mich im Mai 1858 zu weitern Forschungen persönlich nach dem Kloster Wienhausen 1 ), um in den hier folgenden fünf Darstellungen und Untersuchungen möglichst sicher zu gehen und klare Anschauungen zu gewinnen.

Das Nonnenkloster Wienhausen, Cistercienser=Ordens, war seit dem J. 1216 (vor 28. April 1217) in Nienhagen an der Fuhse, unweit Celle, gestiftet, von wo es nach Wienhausen, früher Huginghusen genannt, verlegt ward. Der Herzog Heinrich der Lange von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein († 28. April 1227), Sohn des Herzogs Heinrich des Löwen, und dessen zweite Gemahlin Agnes, Markgräfin von Landsberg, (1209 † 1. Jan. 1248) gründeten um das Jahr 1226 (vor 28. April 1227) das Kloster zu Wienhausen, welches am 24. April 1233 bestätigt ward (vgl. Böttger a. a. O. Not. 1, 81 und 116). Die Herzogin Agnes ward in der Klosterkirche zu Wienhausen begraben, nachdem sie wahrscheinlich die letzte Zeit ihres Lebens in dem Kloster zugebracht hatte; ihre vortreffliche, lebensgroße, steinerne Bildsäule, wahr=


1) Ich fühle mich verpflichtet, der verehrungswürdigen Frau Aebtissin L. Ritmeier für die freundliche Aufnahme und unverdrossene Unterweisung, so wie dem Herrn Klosterverwalter von Döhren für die bereitwilligen Aufklärungen den aufrichtigsten Dank zu sagen.
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scheinlich von ihrem Grabdenkmale, abgebildet bei Mithoff S. 5, steht noch jetzt neben der Thür zum Nonnenchore. Durch diese ungewöhnliche Theilnahme erhielt das Kloster großes Ansehen; daher erklärt es sich, daß viele Jungfrauen aus fürstlichen Geschlechtern in dem Kloster lebten, viele Fürstinnen zu demselben Zuflucht nahmen und mehrere fürstliche Personen hier ihre Ruhestätte fanden, selbst einige, welche der meklenburgischen Geschichte angehören. Schon die große Anzahl fürstlicher Aebtissinnen, so viel deren nach ihrer Herkunft bezeichnet sind, giebt den Beweis, daß das Kloster sehr geachtet und geliebt war. Schon in der Zeit 1241-1265 war Elisabeth von Wenden, aus dem meklenburgischen Fürstenhause, Aebtissin und im 14. Jahrhundert waren unter den Aebtissinnen vier Prinzessinnen aus dem Hause Braunschweig=Lüneburg und eine aus dem Hause Delmenhorst, im 15. Jahrhundert eine Gräfin von Hoya. Daher ist auch das Kloster wohl noch so reich an merkwürdigen Kunstschätzen, so viel deren noch erhalten sind.

Die Kirche besteht aus zwei Teilen. Der östliche Theil, die Pfarrkirche, soll nach Mithoff, S. 6, aus neuern Zeiten stammen und wahrscheinlich an der Stelle der alten Dorfkirche erbauet sein. Gegenwärtig ist von dem Style dieses Theiles nichts mehr zu erkennen, da diese Dorfkirche restaurirt und von innen und außen mit Kalk uberputzt ist. Die Kirche enthält jetzt gar nichts Bemerkenswerthes mehr. Leider sind auch alle Leichensteine, aus weichem Stein von der Deister, so sehr abgetreten, daß auf ihnen nichts mehr zu erkennen ist. Eine weiße Steinplatte vor dem Altare, welche heller und fester ist, als die übrigen, hat Spuren von Buchstaben, wie es scheint aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, es ist aber davon nichts mehr zu entziffern. Ein anderer Stein vor dem Altare mit dem Reliefbilde eines ritterlichen Mannes soll der Leichenstein des Herzogs Heinrich des mittlern von Lüneburg sein, welcher hier 1532 begraben ward.

Wichtiger ist dagegen der westliche, im Anfange des 14. Jahrhunderts erbauete Theil der Kirche, welcher oben den alten, obern Nonnenchor noch ziemlich in seinem alten Zustande enthält. Dieser Nonnenchor ist im Spitzbogenstyle hoch und weit gebauet und vortrefflich ausgestattet. An den Wänden umher stehen noch die alten Chorstühle aus Eichenholz. Die ganzen Wände, die Gewölberippen und die Gewölbekappen sind mit alten, merkwürdigen Wandmalereien bedeckt. Die Fenster enthalten noch bedeutende Reste von alten, schönen Glasmalereien. Altäre, Leuchter und andere Geräte sind

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kunstreich. Die ganze Ausstattung, welche äußerst selten ist, macht beim Eintreten eine überraschende und große Wirkung und verdient die Teilnahme, welche Mithoff 1 ) ihr geschenkt hat. Daneben wird ein großer Schatz von uralten genäheten und gewirkten Teppichen aufbewahrt, welche von Mithoff zum größten Theile abgebildet sind.

An die Nordseite der Kirche lehnt sich der Kreuzgang, welcher so groß ist, daß er doppelt ist, also zwei Höfe umschließt; einen Grundriß giebt Mithoff S. 5. Sämmtliche Theile des Kreuzganges sind zwei Stock hoch. Der älteste Theil des Kreuzganges ist der aus Ziegeln massiv gebauete Theil, welcher sich an den Nonnenchor, also an das Westende der Kirche, anlegt, und von diesem wiederum der westliche Theil, welcher wahrscheinlich bei der Gründung des Klosters erbauet ward und das älteste Gebäude in Wienhausen ist. Dieser Theil ist im Erdgeschosse noch ganz im romanischen Style gebauet. Das obere Geschoß hat sehr schöne, große Fenster nach dem Klosterhofe hin, welche jedoch aus etwas jüngerer Zeit stammen. Der an der Kirche entlang führende Gang hat noch nicht überkalkte, rothe Gewölberippen. Die Fenster des Kreuzganges waren früher auch mit Glasgemälden geschmückt, welche aber in neuern Zeiten ausgenommen sind, jedoch noch sorgfältig aufbewahrt werden. - Gegen Osten hin werden die einzelnen Theile des Kreuzganges immer jünger und sind zum Theile von Fachwerk 1551 erbauet. Hier befindet sich auch eine große Reihe mit Holz getäfelter Zellen, mit gemalten Wappen in den Fenstern, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts.


1) Mithoff sagt a. a. O. S. 7 flgd.:

"Eine bedeutende Arbeit bildet die auf Kalkputz ausgeführte Wand= und Deckenmalerei des vormaligen Nonnenchors. Es ist wohl selten, daß Kirchen germanischen Styls im nördlichen Deutschland eine so reiche Ausschmückung durch Malerei, namentlich mit figürlichen Darstellungen, erhielten, wie dies hier der Fall ist. Dem Style, den Costümen und lateinischen Inschriften in gothischen Majuskeln nach gehört diese Arbeit der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts an und wird gleich nach der Aufführung des Chors angefertigt sein. Die Malerei, obwohl handwerksmäßig ausgeführt, gewährt in Verbindung mit der Glasmalerei einen prächtigen Anblick. Der Reichthum des Bilderschmucks wird noch mehr gesteigert, wenn der Fußboden des Chors, wie an hohen Festtagen gebräuchlich, mit den merkwürdigen Teppichen belegt wird".

Mithoff vergleicht Note 1. die von mir in der berliner Zeitschrift für Bauwesen veröffentlichte ältere Gewölbemalerei der Kirche zu Röbel; bedeutender noch ist die Malerei in der Kirche zu Büchen und in der ehemaligen Franziskaner=Kirche zu S. Katharinen (jetzt Bibliothek) in Lübeck.
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An Geräten bewahrt das Kloster noch viele alte Schränke und Kisten, von denen einige geschnitzt und mit ausgezeichneten Eisenbeschlägen verziert sind.

An den die beiden Höfe trennenden Mittelgang ist gegen Osten hin, nach dem jüngern Hofe, die Allerheiligenkapelle angebauet, welche auch bemerkenswerth ist. Diese Kapelle ist von einem einzigen Kreuzgewölbe bedeckt und sehr klein, so daß im Ganzen nur ein kleiner Altar und vor demselben drei Leichensteine neben einander Platz haben. Die Wände und das Kreuzgewölbe sind mit Wandmalereien und die kleinen Fenster mit Glasgemälden geschmückt 1 ). Vielleicht ist diese Kapelle von der Aebtissin Katharina I. (1422 † 1474), Gräfin von Hoya, deren Mutter die braunschweig=lüneburgische Prinzessin Mechthild war, erbauet; diese ist so weit die Nachrichten reichen, die erste Aebtissin, welche in der Allerheiligenkapelle 1474 begraben ward. Die Aebtissin Gertrud, welche eine Zeit lang, während Katharine I. von Hoya resignirt hatte, regierte, ward im J. 1439 im Kreuzgange nächst der Allerheiligenkapelle begraben. Im J. 1454 ward das Herz der Herzogin Magdalene von Braunschweig=Lüneburg, des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg Tochter, welche wahrscheinlich in dem Kloster gestorben war, in der Kapelle niedergelegt, ihr Körper aber in der Kirche zu Scharnebek begraben (Böttger Not. 155). Die auf Katharina I. von Hoya folgende Aebtissin Susanna Pottstock (1470 † 1501) ward auch im Kreuzgange vor der Allerheiligenkapelle begraben. Im J. 1512 fand die Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard in der Allerheiligenkapelle ihr Grab, wahrscheinlich in der Mitte vor dem Altare. Unter der Aebtissin Katharina II. Remstedt (1501 † 1549) kamen die Kloster Jungfrauen, welche nicht von der papistischen Kirche weichen wollten, heimlich in der Allerheiligenkapelle zum Gottesdienste zusammen. Die Aebtissin Dorothea Spörken (1549 † 1565) ward "zur linken Hand" und die Aebtissin Anna von I. von Langeln (1565 † 1587) "zur rechten Hand" ("ad dextram partem juxta parietem")


1) Mithoff sagt a. a. O. S. 5 von der Allerheiligen=Kapelle:

"An dem Gewölbe sieht man in dem einen Felde Christus auf dem Throne, segnend und ein aufgeschlagenes Buch mit dem A und Ω haltend. In jedem der übrigen Felder sind drei Engel mit Schriftrollen dargestellt. Die beiden Fenster gegen Osten enthalten im untern Räume die Verkündignug und im obern Theile die Kreuzigung und die Auferstehung Christi. Das Fenster gegen Norden zeigt den Erzengel Michael. Die Wandmalerei ist fast ganz unkenntlich geworden".

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in der Allerheiligenkapelle begraben. Dies scheint darauf hinzudeuten, daß man damals das Grab der Herzogin Margarethe noch nicht berührt hatte. In der Folge wurden gewöhnlich die Aebtissinnen in der Allerheiligenkapelle begraben und zwar in der Weise, daß in der Reihenfolge immer das nächstfolgende von den drei Gräbern wieder aufgebrochen und zum Begräbniß benutzt ward. Dies dauerte bis zum J. 1788. Die Aebtissin Margarethe Dorothea von Taube ward 1793 zuerst auf dem Kirchhofe begraben. - Gegenwärtig ist die Kapelle vernachlässigt, verfallen und dunkel; die Leichensteine sind verwittert und tief versunken, so daß sich auf denselben nichts mehr erkennen läßt.

Vignette
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II.

Elisabeth von Wenden,

Tochter

des Fürsten Borwin I.,

Aebtissin des Klosters Wienhausen,

von

G. C. F. Lisch.


B ei einer Wanderung durch das durch Ansehen und geschichtliche Erinnerungen ausgezeichnete Cistercienser=Nonnenkloster Wienhausen 1 ) an der Aller bei Celle und dessen in neuern Zeiten geöffnetes reiches Quellengebiet begegnen wir einer Aebtissin Elisabeth von Wenden, welche ohne Zweifel dem alten meklenburgischen Fürstengeschlechte angehört, bisher aber gar nicht bekannt gewesen ist. Sie war die vierte Aebtissin des Klosters, nachdem ihr drei Aebtissinnen in einem kurzen Zeiträume vorangegangen waren. Das werthvolle Todtenbuch 2 ) des Klosters sagt, daß "die vierte Aebtissin des Klosters Wienhausen am 10. Februar (1265) gestorben sei, mit dem Nachruhme, daß sie das Gedeihen des Klosters während ihrer Zeit treulich befördert habe":

Februar.  
SCO Obiit felicis memorie religiosa domina Elyzabeth de Wenden, quarta abbatissa huius monasterii Wynhusen, cuius promocionem suo tempore fideliter adimplevit.

1) Vgl. oben den Bericht über das Kloster Wienhausen, Abhandlung I.
2) Vgl. Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1855, S. 193-194.
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Nach den Urkunden 1 ) des Klosters, in denen sie nur "Aebtissin Elisabeth" genannt wird, war sie sicher Aebtissin in der Zeit 1241-1265. Ihre letzte Urkunde ist vom 3. Januar 1265. Sie starb nach dem alten Todtenbuche am 10. Februar, nach der freilich nicht alten Chronik 2 ) des Klosters im Jahre 1265. Ihre Nachfolgerin in der Würde hieß ebenfalls Elisabeth; diese, welche in Urkunden 1279-1282 vorkommt, wird in dem Todtenbuche ausdrücklich als "fünfte Aebtissin" aufgeführt und starb am 20. Oktober 1286 3 ).

In dem Todtenbuche wird die vierte Aebtissin "Elisabeth von Wenden" genannt. Diese Bezeichnung der Herkunft "von Wenden" ist nun im 13. Jahrhundert in den überelbischen Klöstern eine allgemein übliche Bezeichnung des meklenburgischen oder "wendischen Fürstenhauses", deren Linien damals noch nicht sehr bekannt sein mochten, namentlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts, wo sie sich eben erst entwickelt hatten, Pribislav und die Borwine werden noch "Fürsten der Wenden" (Slavorum principes) genannt, und Elisabeth von Wenden gehörte sicher noch nicht zu einer bestimmten Linie unsers Fürstengeschlechtes, sondern stammte unmittelbar von den Stammvätern; Mechthild, die Tochter des Herzogs Johann von Lüneburg und Gemahlin des Fürsten Heinrich I. von Werle, wird in den Todtenbüchern von Wienhausen, Lüneburg und Hildesheim, unter ausführlicher Bezeichnung, noch "Mechthildis de Wenden" oder "de Slavia" und ihr Gemahl Heinrich gar "Hinricus miles de Slavia" (Heinrich, Ritter, von Wenden) genannt.

Die Herkunft der Aebtissin Elisabeth aus dem Wendischen oder meklenburgischen Fürstenhause läßt sich aber gar nicht bezweifeln, da sich dieselbe urkundlich beweisen läßt. Um das Jahr 1226 ward das Kloster, welches schon einige Jahre vorher zu Nienhagen bestanden hatte, von dem Herzoge Heinrich dem Langen, dem Sohne Heinrichs des Löwen, und dessen zweiter Gemahlin Agnes, Markgräfin von Landsberg, zu Wienhausen gegründet und am 24. April 1233 bestätigt. Die Herzogin Agnes, die Hauptwohlthäterin des Klosters bei der Stiftung, war diesem Kloster besonders geneigt, zog sich gegen das Ende ihres Lebens wahrscheinlich in dasselbe zurück 4 ) und


1) Vgl. Urkunden=Sammlung IV. Ich habe diese Urkunden selbst in Wienhausen abgeschrieben.
2) Vgl. oben: Ueber das Kloster Wienhausen, S. 7, und Zeitschrift des Histor. Vereins f. Niedersachsen a. a. O. S. 252.
3) Vgl. daselbst S. 224 und 252
4) Die Siegel der Herzogin Agnes, wenn solche noch vorhanden sind, (  ...  )
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ward in demselben begraben; noch heute bewahrt das Kloster ihre schöne lebensgroße Bildsäule, wahrscheinlich von ihrem Grabe, und verehrt dankbar ihr Gedächtniß; die Herzogin starb am 1. Januar 1248. Diese Bevorzugung eines jungen Klosters gab demselben ein ungewöhnliches Ansehen, das sich lange erhielt.

Elisabeth von Wenden war also wenigstens sieben Jahre Aebtissin während des Lebens der Herzogin Agnes; sie stellt noch mit der Herzogin Agnes und mit dem Propst Werner, "dem Stifter des Klosters", eine Urkunde 1 ) aus, welche wahrscheinlich im J. 1241 ausgestellt ist. Die Gemahlin des Herzogs Otto des Kindes von Braunschweig, des Enkels Heinrichs des Löwen, die Herzogin Mechthild, eine Tochter des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, trat während der Regierung der Aebtissin Elisabeth ebenfalls in ein freundliches und beschützendes Verhältniß zu dem Kloster Wienhausen und nennt in einer Urkunde 2 ) vom J. (1253) "die Aebtissin Elisabeth ihre Blutsverwandte" ("consanguinea"). Elisabeth war also ohne Zweifel fürstlichen Standes und konnte aus keiner andern Fürstenfamilie stammen, als aus der Familie des wendischen, jetzt meklenburgischen Fürstenhauses. In einer nicht datirten Urkunde bestätigt die Herzogin Mechthild von Braunschweig der Aebtissin, "ihrer Blutsverwandtten" (consanguineae suae), und dem Convent in Wienhausen, daß sie ferner ihren Gebrauch, keine Knaben oder Mädchen zur Erziehung aufzunehmen, beibehalten, jedoch mit Fürstentöchtern eine Ausnahme machen können. Da der Gemahl der Herzogin am 7. Junii 1252, die Herzogin aber am 10. Junii 1261 starb, so wird die Urkunde in der Zeit 1253-1260 ausgestellt sein.

Es leidet also keinen Zweifel, daß die Aebtissin Elisabeth von Wenden eine nahe Verwandte der Herzogin Mechthild von Braunschweig, gebornen Markgräfin von Brandenburg, war.

Es steht nun zur Frage, wessen Tochter die Aebtissin Elisabeth von Wenden und wie sie mit der Herzogin Mechthild verwandt war.


(  ...  ) werden ihr Verhältniß zum Kloster klar machen können, da die Umschrift des Siegels an der Urkunde von (1241) den Namen Wienhausen trägt: Sigillum Agnetis . . . . . . . . in Winhusen. Leider ist die Umschrift an der wichtigen Stelle nicht vollständig.
1) Vgl. Urkunden=Sammlung I.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung II.
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Die Aebtissin Elisabeth kann nur eine Tochter des Fürsten Borwin I. oder des Fürsten Heinrich Borwin II. gewesen sein.

Nimmt man an, daß Elisabeth eine Tochter des Fürsten Heinrich Borwin II. gewesen sei, so scheint Elisabeth etwas jung für eine Aebtissin eines großen Klosters gewesen zu sein. Heinrich Borwin II. starb in jungen Jahren am 4. Junii 1226, vor seinem Vater Borwin I. († 28. Jan. 1227), und hinterließ nach den bisherigen sicheren Ermittelungen 1 ) vier Söhne, welche bei seinem Tode noch minderjährig waren, der älteste von ihnen, Johann von Meklenburg, ward im Anfange des J. 1229 mündig, war also damals wahrscheinlich 18 Jahre alt und um das Jahr 1210 geboren. Nimmt man nun auch an, daß Elisabeth das älteste Kind Borwins II. gewesen, also um das J. 1210 geboren sei, so würde sie bei ihrem Eintritt in das im J. 1226 errichtete Kloster Wienhausen 16 Jahre und bei ihrer Erwählung zur Aebtissin erst 30 Jahre alt gewesen und im Ganzen 55 Jahre alt geworden sein. Da sie aber sehr lange, 25 Jahre, das Kloster als Aebtissin regierte, so ist es wahrscheinlich, daß sie ein hohes Alter erreichte.

Es scheint, daß man sicherer geht anzunehmen, Elisabeth sei eine Tochter des Fürsten Borwin I. gewesen. Borwin I. war zuerst mit Mechthild, des Herzogs Heinrich des Löwen von Braunschweig Tochter, vermählt. Sein Sohn Heinrich Borwin II. war, nach seinem Tode und dem jungen Alter seiner hinterlassenen Söhne zu schließen, vielleicht zwischen 1180-1190 geboren. War nun Elisabeth ein junges Kind Borwins I., wie er auch noch einen jüngern Sohn Nicolaus hatte, so mag sie um das Jahr 1190 geboren sein. Nimmt man dies an, so ward sie ungefähr im 50. Jahre Aebtissin und starb ungefähr im 75. Jahre. - Sie kann aber auch als Tochter Borwins noch jünger gewesen sein, da Borwin I. zwei Male vermählt war und im J. 1219 seine zweite Gemahlin Adelheid 2 ) noch lebte. Elisabeth kann also ein Kind zweiter Ehe Borwins I. gewesen sein. Leider wissen wir nicht, welchem fürstlichen Geschlechte Adelheid entsprossen war, können daher über ihre Verwandtschaft nichts bestimmen.

Es wird also gerathen sein anzunehmen, daß die Aebtissin Elisabeth eine Tochter des Fürsten Borwin I. von Wenden war.

Wann Elisabeth ins Kloster gegangen sei, ist unbestimmt. Es ist möglich, daß sie schon vorher, ehe sie in das Kloster


1) Vgl. Jahrbücher X, S. 4 flgd.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. 11, S. 1.
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Wienhausen ging, dem Klosterleben geweihet und vielleicht im J. 1219 bei der Wiederaufrichtung des "Neuen Klosters" Parkow oder Sonnenkamp, jetzt Neukloster, in Meklenburg, wozu Borwins Gemahlin Adelheid ihre Zustimmung gab, in das Kloster gegeben war. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß sie schon bei der Errichtung des Klosters Wienhausen im J. 1226 in dieses Kloster ging, ja es vielleicht mit errichten half; es kann selbst sein, daß Nonnen von Neukloster in das Kloster Wienhausen gingen, um demselben zuerst Bewohnerinnen zu geben, da die meklenburgischen Fürstinnen aus dem braunschweig=lüneburgischen Fürstenhause späterhin immer eine besondere Vorliebe für das Kloster Wienhausen hatten. So viel ist gewiß, daß die Errichtung des Klosters Wienhausen in dieselbe Zeit fällt, in welcher Borwin I. und II., Vater und Sohn, starben und die meklenburgischen Fürsten alle minderjährig waren, es also in dem Fürstenhause sehr trübe aussah.

Elisabeth von Wenden ging vielleicht deshalb in das braunschweig=lüneburgische Kloster Wienhausen, theils weil sie mit dem Fürstenhause Braunschweig=Lüneburg nahe verwandt war, theils weil das Kloster Wienhausen im Bisthum Hildesheim lag, welches damals in Meklenburg im besondern Ansehen stehen mußte, da Borwin II. bei seinem Sterben 1226 das Dom=Collegiatstift Güstrow nach dem Muster der hildesheimschen Kirche gestiftet hatte.

Es hat freilich auch manches für sich, daß Elisabeth eine Tochter Borwins II. gewesen sei, da es sich glaublich machen läßt, daß sie nach dem frühen Tode ihres Vaters jung in ein Kloster des Bisthums gegeben worden sei, welches ihr Vater bei seinem Sterben als Muster aufgestellt hatte und dessen Propst der Graf Friedrich von Schwerin 1 ) war; auch läßt sich dafür sagen, daß die Söhne Borwins II. theils um dieselbe Zeit, in welcher Elisabeth starb, oder innerhalb der nächstfolgenden 13 Jahre starben. Dagegen wird aber immer ihr Lebensalter reden, um so mehr da sie mit der Herzogin Mechthild von Braunschweig auf derselben Linie zu stehen scheint.

Die Verwandtschaft mit der Herzogin Mechthild von Braunschweig könnte über ihre Abstammung Auskunft geben, wenn jene nicht selbst dunkel wäre und der Aufklärung bedürfte. Die kurz gefaßten Stammbäume der fürstlichen Häuser Braunschweig und Wenden (Meklenburg) sind folgende:


1) Vgl. Jahrbücher XX, S. 238.
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Stammbaum

Die Herzogin Mechthild nennt die Aebtissin ihre Blutsverwandte ("consanguinea"). Es liegt nun am nächsten, zu glauben, diese Bezeichnung rühre von ihrer Abstammung von Heinrich dem Löwen her; denn Elisabeth war, wenn sie ein Kind erster Ehe Borwins I. war, eine Enkelin Heinrichs des Löwen von dessen Tochter Mechthild, welche an Borwin I. vermählt gewesen war, und die Herzogin Mechthild von Braunschweig war die Gemahlin des Enkels (Otto) Heinrichs des Löwen. Böttger, der Herausgeber des wienhausenschen Todtenbuches a. a. S. 229, bemerkt hierüber ganz richtig, daß der Herzog Otto und die Aebtissin Elisabeth durch gleich weit entfernte Abstammung von Heinrich dem Löwen allerdings Blutsverwandte (consanguinei) waren, daß diese Verwandtschaft aber nicht für Otto's Gemahlin in Anspruch genommen werden könne, vielmehr die Herzogin Mechthild mit der Aebtissin nur verschwägert (consobrina) sei. Im strengen Sinne des Wortes ist dieser Einwand allerdings richtig. Ich möchte es aber doch wagen, den Ausdruck Blutsverwandte (consanguinea) nicht zu sehr zu pressen, sondern annehmen, daß die Herzogin, oder vielmehr ihr Schreiber, den Ausdruck in vertraulicher Wendung nur allgemein für Verwandte genommen habe.

Wollte man dies aber nicht gestatten, so bliebe noch immer übrig anzunehmen, daß die Aebtissin Elisabeth ein Kind Borwins I. von seiner zweiten Gemahlin Adelheid und durch diese mit der Herzogin Mechthild blutsverwandt gewesen sei. Die Herkunft der Fürstin Adelheid ist aber völlig unbekannt,

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und so läßt sich über die Möglichkeit dieser Verwandtschaft bis jetzt gar nichts sagen und vermuthen.

Eben so wenig läßt sich über eine Blutsverwandtschaft zwischen beiden Fürstinnen sagen, wenn Elisabeth eine Tochter Borwins II. sein sollte, wenn sich auch eine Verwandtschaft durch Verschwägerung nachweisen ließe.

Das aber bleibt immer gewiß und mit allen Nebenumständen eine werthvolle Bereicherung der meklenburgischen Geschichte, daß die Aebtissin Elisabeth von Wenden eine wendische oder meklenburgische Fürstentochter aus der Zeit der Borwine war.


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Urkunden.


Nr. I.

Die Herzogin Agnes von Braunschweig-Lüneburg und die Aebtissin Elisabeth und der Probst Werner des Klosters Wienhausen beurkunden, dass Johann Oppershausen und seine Frau Ade dem Kloster die jährliche Hebung eines Scheffels Salzes für 70 Mark erworben und zwei Mark zur Verbesserung der (Probstei-) Präbende geschenkt haben, wofür ihnen im Kloster Memorien mit Almosen gestiftet werden sollen.

D. d. (1241).

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen.


Agnes dei gratia ducissa, fundatrix ecclesie in Winhusen, Elizabeth abbatissa et Wernerus prepositus, fundator eiusdem loci, omnibus hoc scriptum intuentibus salutem. Quoniam facta hominum cum tempore transeunt et mutantur, idcirco noticie posterorum per scripta auctentica commendantur: scire itaque uolumus omnium, tam presencium, quam futurorum industriam, quod dominus Johannes Osberneshusen et uxor ipsius Ade Bochorne pro remuneratione diuina ex instinctu spiritus sancti pro se et suoruin antecessorum [remedio] modium salis pro septuaginta marcis comparatum ecclesie nostre contulerunt et in presenti duas marcas communis argenti ad emendationem probende nostre dimiserunt, et

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quod superest, habebunt omnibus diebus uite sue, nullo impediente, et post obitum ipsorum predicta ecclesia eandem pecuniam ex integro possidebit et absolute. Anniuersarii uero ipsorum sollempniter peragentur et in cuiuslibet anniuersario dabuntur decem solidi ad seruicium dominarum et pauperum refectionem. Vt autem hec donacio rata et inconuulsa semper permaneat, rogamus et districte precipimus. Ne igitur aliquis presumat infringere, fecimus conscribi et sigillis nostris communiri.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen, nach einer Abschrift des Herrn Bibliothek-Secretairs Dr. Böttger zu Hannover, Angehängt sind an grünen seidenen Fäden:

1) das elliptische Siegel des Klosters Wienhausen mit der sitzenden Jungfrau Maria mit dem Christkinde, in der rechten Hand eine Lilie haltend, an jeder Seite mit einem sechsstrahligen Sterne; Umschrift:

Umschrift

2) das Siegel des Propstes Werner, nur noch zur Hälfte vorhanden, mit einem Agnus dei;

3) das Siegel der Herzogin Agnes mit der Umschrift:

Inschriftskreuz  Sigillum Agnetis [fundatricis] in Winhvsen.

zeigt ebenfalls ein Marienbild und zu dessen rechter Seite eine Knieende, über welche Maria einen Lilienstengel hält. Leider fehlt ein Wort in der Umschrift des Siegels, von dem kein zweites Exemplar bekannt ist; da die Herzogin aber in der Urkunde fundatrix genannt wird, so dürfte dieses Wort zu ergänzen sein. Ein anderes, vielleicht älteres Siegel der Herzogin im Archive zu Wienhausen hat die Umschrift:

Agnes dei gratia dvcis Henrici vidva.

Die Urkunde wird um das Jahr 1241 ausgestellt sein, da der Propst und Stifter Werner um das Jahr 1241 und die Vorgängerin der Aebtissin Elisabeth ebenfalls wahrscheinlich im J. 1241 starb; die Herzogin Agnes starb am 1. Januar 1248 (vgl. Böttger a. a. O. S. 247 und 252.


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Nr. II.

Die Herzogin Mechthild von Braunschweig und Lüneburg erlaubt dem Kloster Wienhausen, Fürstentöchter zur Erziehung in das Kloster aufzunehmen.

D. d. (1253-1260).

Nach dem Copiarium des Klosters Wienhausen im königlich-hannoverschen Staats-Archive zu Hannover.


Dei gratia M. ducissa de Brunswich ac domina in Luneburg consanguinee sue abbatisse totique conuentui in Winhusen salutem et sincere dilectionis affectum. Loci uestre honestatem conseruare ut decet in omnibus proponentes, vobis presentibus innotescat, quod cum consuetudo uestre ecclesie hactenus non seruauerit, vt inibi pueri aut uirgines recepte sint aut fuerint edocende, illud immutari uolentes aliquatenus aut infringi mediante presentium, vobis uniuersis et singulis inhibemus, ne aliquas decetero uirgines educandas aut etiam instruendas uestrum in cenobium acceptetis, nisi forte principis filia illud requireret sue presencie inpendendum.

Nach dem Copiarium des Klosters Wienhausen Nr. (116) 41 im königlichen Staats-Archive zu Hannover, nach einer Abschrift des Herrn Bibliothek-Secretairs Dr. Böttger zu Hannover.

Die Herzogin M. ist Mechthild, Gemahlin des am 7. Junii 1252 gestorbenen Herzogs Otto puer von Braunschweig-Lüneburg und Tochter des Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg, welche am 10. Junii 1261 starb. Während dieser Zeit regierte zu Wienhausen die Aebtissin Elisabeth von Wenden, 1241-1265 welche in dem Nekrologium des Klosters ausdrücklich als die vierte Aebtissin bezeichnet wird, während ihre Nachfolgerin Elisabeth 1279-1282 als fünfte Aebtissin aufgeführt wird. Die Urkunde ist also ungefähr zwischen 1253 und 1261 ausgestellt.


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Nr. III.

Die Aebtissin Elisabeth, der Probst Mathias und der Convent des Klosters Wienhausen beurkunden, dass Johann Vulleman 4 Scheffel Roggen Hebungen aus den Zehnten von Lachtehusen für das Kammeramt des Klosters erworben habe.

D. d. Wienhausen. 1255. Aug. 7.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Elizabet abbatissa, Mathias prepositus totusque conuentus in Winhusen Christifidelibus uniuersis. Notum esse volumus, quod Johannes dictus Wlleman in decima in Lachtehusen ad officium camure IIII or inodios siliginis cum bonis sibi a deo collatis comparauit, quos ipse presentabit, quam diu vixerit, omni anno, post vero mortem ipsius predicta annona omni anno dabitur ad idem officium de decima supradicta. Quod ut firmius seruetur, presentes sigilli muninimine duximus roborandum. Datum Winhusen, anno domini M °CC°LV°, in die beate Afre.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen, nach einer Abschrift des Herrn Bibliothek-Secretairs Dr. Böttger zu Hannover. Angehängt ist das zerbrochene Klostersiegel.


Nr. IV.

Der Probst Lambert, die Aebtissin Elisabeth und der Konvent des Klosters Wienhausen beurkunden, dass der Pfarrer Werner zu St. Jacobi in Braunschweig dem Kloster 5 Mark reinen Silbers zur Erwerbung von Gütern in

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Widenfeld geschenkt habe, wofür ihm im Kloster jährlich Memorien gehalten werden sollen.

D. d. 1265. Januar 3.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen.

Lambertus dei gratia prepositus et Elyzabet abbatissa totusque conventus sanctimonialium in Winhusen omnibus, ad quos peruenerit presens scriptum, orationes in domino Jhesu Christo. Actiones hominum etiam laudabiles a disculis sepius reuocantur, nisi testimonio scripturarum uel lingua testium confirmentur: notum esse uolumus vniuersis, quod Wernerus, plebanus sancti Jacobi in Bruneswic, nobis contulit V marcas puri argenti, quas addidimus ad bona in Widenueldhe nostro cenobio comparanda, pro quibus eidem XII solidos Bruneswicensis monete annis singulis ante festum beati Martini, quamdiu uixerit, dabimus expedite, in die autem obitus predicti Werneri prefatos solidos in album panem et in pisces debemus, secundum quod nostro conuentui tunc conplacuerit, commutare, et hoc annis singulis faciemus, ut sepe dicti Werneri diem anniuersarium in maiori memoria teneamus. Vt autem hanc ordinationem nostram nullus ualeat infirmare, presentes litteras prefati Lamberti sigillo, necnon nostre sigillo ecclesie firmiter roboramus. Testes huius facti sunt: Heidenricus filius Timmonis et Godehardus de Luneburch. Acta sunt hec anno domini M °CC°LXV°, III° nonas Januarii.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Wienhausen. An weissen leinenen Fäden hangen 3 sehr gut erhaltene Siegel:

1) ein kleines, rundes Siegel mit einem Kopfe; Umschrift:

Inschriftskreuz  S . PPI . IN . WINhVS e N.

2) ein grosses, elliptisches Siegel, mit drei Bogen neben einander quer durch die Mitte des Siegels, unter den Bogen die Aebtissin mit einer Lilie in der rechten und einem becherförmigen Rauchfasse in der linken Hand, über den

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Bogen rechts eine kleine gekrönte Figur, links eine kleine Figur mit einem Heiligenscheine; Umschrift:

Umschrift

3) ein elliptisches Siegel mit der sitzenden Jungfrau Maria mit dem Christkinde, in der rechten Hand eine Lilie haltend, an jeder Seite mit einem sechsstrahligen Sterne; Umschrift:

Umschrift

 

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III.

Mechthild von Lüneburg,

Gemahlin

des Fürsten Heinrich I. von Werle,

von

G. C. F. Lisch.


E ine Schattenseite in der Geschichte des meklenburgischen Fürstenhauses von der Linie Werle bildet das traurige Ende des Fürsten Heinrich I. zu Güstrow (reg. 1277 † 1291). Heinrich I. von Werle war der älteste Sohn des Fürsten Nicolaus I. (1229 † 1277), des Stammvaters der Linie Werle nach der Landestheilung, dessen ruhmwürdiger Regierung Heinrich I. und dessen beide jüngeren Brüder Johann I. und Bernhard I. folgten. Heinrich I. war zuerst mit der schwedischen Königstochter Rixe vermählt, welche ihm zwei Söhne Heinrich und Nicolaus gebar und vor dem 13. Dec. 1282 starb. In der Folge vermählte sich der alternde Fürst im J. 1291 zum zweiten Male mit der Prinzessin Mechthild von Braunschweig=Lüneburg, einer Tochter des Herzogs Johann und einer Schwester des Herzogs Otto des Strengen zu Lüneburg. Dies kam den Söhnen des Fürsten Heinrich I. von Werle ungelegen, da sie fürchteten, daß dadurch ihr Einfluß auf die Regierung und ihr künftiges Erbtheil geschmälert werden könne; besonders war der ältere Sohn Heinrich, welcher mit des Herzogs Barnim von Pommern Tochter Mechthild vermählt war, über die Wiedervermählung seines Vaters aufgebracht und faßte den Entschluß, mit Hülfe seines Bruders Nicolaus den Vater gefangen zu nehmen und zu halten. Als sie diesen Entschluß

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auf der Jagd im Lande Rügen bei dem Dorfe Sale nicht weit von Damgarten zur Ausführung bringen wollten, geschah es, daß die Söhne ihren Vater, der sich zur Wehre setzte, am 8. Oct. 1291 todt schlugen.

Ausführlich berichtet über diese traurige Begebenheit Ernst von Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik folgendermaßen:

Dy czid der alde her Johan                    Cap. LXXIII.
irstarb vnd quam geyn Dobran,
hern Nyclaws vatir offinbar,
du man schreib czwelfhundirt iar
vnd dry vnd achczig recht gewis
in den achten kalendas Nouembris.
Des selbin bruder wirdiglich
der iungen vettere her Hinrich
der nam ouch eyn wib gar.
Czwene sone dem herren sy gebar:
der eyne hiez iungher Hinrich ia,
der andir iungher Nycola.
Ich kans gesagin hy nycht baz,
van wannen dy frow geborin waz.
Dy selbe frowe iung irstarb;
eyne andere her nach ir irwarb.
dy waz tochtir vngelogin
von Luneborg des herczogin.
Daz waz den sonen beyden leyd,
daz wart sint schyn mit bosheyd.
Der selbe iungher Hinrich
nam im synd zu wybe glich
des herczogin tochter von Stetyn;
eynen son gebar dy frowe syn,
Barnym des selbin name waz,
der starb eyn monich zu Colbaz,
syns aldirvatir nam ward im,
den hiez herczoge Barnym.
   Dy czyd da iungher Hinrich                    Cap. LXXIIII.
gebruchte boses rades sich;
mit synes bruder rade gahin
meynte her synen vatir vahin.
Das brachte yn vngeluckes nod,
sy slugen iren vatir tod
mit hertiglichen vnhoulden,
also sy yn vahen soulden.
Daz geschach in Rugia

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by Zale dem dorfe da,
du man schreyb czwelfhundirt iar
vnd eyn vnd nuynczig offinbar
vnd wart begrabin vm daz virseren
zu Doberan mit groszin eren.

Eben so berichten die zu derselben Zeit, gleich nach dem J. 1370 abgefaßten Genealogien 1 ) von Doberan und Parchim, von denen die letztere am ausführlichsten erzählt:

Hinricus (de Werle) primogenitus duos genuit filios Nicolaum et Hinricum. Sed filiis domini Hinnci predicti, fratris Johannis et Bernardi, patrem suum captiuare volentibus, contigit a casu, ut patricide facti sunt, propter quod scelus patricidii dicti duo filii Nicolaus et Hinricus hereditate paterna sunt privati et a dominio per patruos suos eliminati.

und in der Stammtafel hiezu:

Nicolaus et Hinricus: hii duo interfecerunt patrem corum

und

Hinricus: iste interfecit patrem suum et inde excommunicatur a dominio.

Eben so berichtet der Fortsetzer der Chronik von Albert von Stade:

1201 in vigilia Dionysii occisus est nobilis dominus Henricus de Werle a propriis filiis.

Aehnlich lautet die Angabe in Detmar's lübischer Chronik 2 ), welche wohl mehr nach dem allgemeinen Gerüchte berichtet:

Do wart des iares (1291) in sunte Dyonisius avende (Oct. 8) slagen dot in der iaghet de edele her Hinrik van Wenden, den sloghen twe siner sone Hinrick unde Johann, umme dat se de vader nicht wolde laten raden na ereme modwillen; des wurden se vordreven ut creme lande. Do wart grot orloghe tuschen heren Nicolause van Wenden unde den heren van Mekelenborch umme sin land to hebbende etc. .

In der Angabe des Todestages stimmt Detmar mit dem doberaner Nekrologium im Kreuzgangsfenster 3 ) überein:


1) Vgl. Jahrbücher XI, S. 16-17.
2) Vgl. Detmar's Lübische Chronik, herausgegeben von Grautoff, I, S. 166, zum J. 1291.
3) Vgl. Jahrbücher I, zu S. 136.
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Hinricus dei gracia dominus in Werle. Hunc filius suus interfecit anno domini MCCXI, octavo idus Octobris (Oct. 8).

Alle einheimischen Quellen berichten also, daß die Söhne keinen Mord, sondern den Vater nur gefangen zu nehmen und zu halten beabsichtigten, aber bei der Gegenwehr desselben das Unglück hatten, ihn zu erschlagen. Nach einer solchen entsetzlichen That erklärte aber ihr Vetter der Fürst Nicolaus von Werle=Parchim sie für unwürdig, weiter zu regieren, und alle Unterthanen der Lande traten diesem wackern Fürsten bei. Da aber die fremden Fürsten, welche die That milder auslegten, den Vatermördern beistanden, so kam es zu einem heftigen, weit ausgedehnten Kriege, aus welchem jedoch Nicolaus von Werle=Parchim endlich als Sieger und Herr des ganzen Landes Werle hervorging. Von den beiden Vatermördern ward der jüngere Nicolaus noch während des Krieges im J. 1293 durch einen frühzeitigen Tod hinweggerafft, ohne Erben zu hinterlassen; der ältere Heinrich mußte sich endlich nach dem durch Vermittelung seines Schwiegervaters nach 11. Aug. 1295 geschlossenen Frieden mit dem Besitze von Penzlin begnügen. Aber auch dieses mußte er im J. 1307 verlassen, als die fremden Fürsten wieder einen Krieg gegen Nicolaus von Parchim führten. Es ist von ihm weiter keine Nachricht vorhanden; wahrscheinlich floh er nach Pommern, dem Vaterlande seiner Gemahlin, und beschloß dort sein Leben unbemerkt.

Heinrich der "Vatermörder hatte einen Sohn, Barnim, nach seinem mütterlichen Großvater so genannt. Diesen gaben die ohne Zweifel tief gebeugten Aeltern in das pommersche Kloster Colbaz, um den Makel im Geschlechte nicht fortzupflanzen. Barnim starb aber nicht als Mönch zu Colbaz, wie E. von Kirchberg berichtet ("der starb eyn monnich zu Colbaz") und die Geschichtschreiber ihm nacherzählen, sondern er stieg noch zu hohen kirchlichen Ehren, da er in den Jahren 1330-1332 als Propst des Dom=Capitels zu Camin und Inhaber der Pfarre zu Gützkow erscheint 1 ).

Mit Theilnahme wird man nach den fernem Schicksalen der Fürstin Mechthild, der Wittwe des erschlagenen Fürsten Heinrich I. fragen, und doch ist bisher noch nichts weiter über sie bekannt geworden, als einige äußere Verhältnisse, welche ich schon früher mitgetheilt 2 ) habe. Neuere Entdeckungen geben über ihr Leben vollkommenen Aufschluß.


1) Vgl. Jahrbücher XXIII, S. 77 und 191 -193.
2) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
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Nach dem beklagenswerten Tode ihres Gemahls nahm Mechthild ihre Zuflucht in ihr Geburtsland und ging hier in das Kloster Wienhausen, das von der edlen Herzogin Agnes von Braunschweig, welche hier auch ihre letzte Ruhestätte im Leben und im Tode suchte, gegründet und einst von der Fürstin Elisabeth von Wenden regiert war. Daher bedachte sie dieses Kloster auch reich mit Geschenken; namentlich schenkte sie demselben ein kleines Landgut oder ein Vorwerk ("allodium minus") in Gakenholt mit mehreren Zehnten, ein silbernes Marienbild und mehrere andere Kleinodien. Das Nekrologium des Klosters Wienhausen, herausgegeben von H. Böttger, S. 191, (vgl. oben S. 8) sagt:

Januar. Illustris domiua Mechthildis du-
E. xissa de Wenden dedit allodium
Epy. minus cum toto decima in Gakenholte
dom. et minutis decimis in Hauekorst in
phiph. noua indagine et duobus eklagis,
si. yniaginem beate virginis argenteam
et alia plura clenodia.

Dieses silberne Marienbild blieb in dem Kloster bis zur Reformation in hohem Ansehen. Die Chronik des Klosters Wienhausen sagt 1 ): "Die Aebtissin Katharina Remstede (1501-1549) ließ das Bild der H. Jungfrau Maria, welches Mechthildis von Wenden eine Herzogin an das Kloster verehret, wieder erneuren, und da es vorher mit Silbern Blech überzogen war, nun mit Golde verbeßern vor 40 Gülden."

Auch dem Michaelis=Kloster zu Hildesheim, dem alten Bischofssitze für das Kloster Wienhausen, verlieh sie viele Wohlthaten für die Klosterbewohner und die Armen, zu deren Anerkennung auch ihr Gedächtnißtag in das Todtenbuch 2 ) des Klosters eingetragen ward:

Jan. 8. Illustris domiua Mechthildis, soror incliti ducis ducis Ottonis de Luneborgh et uxor nobilis viri de Slavia nomnie Hinrici, quae multa beneficia contulit ecclesiae nostrae, pro qva dantur X solidi annuatim de uno manso litonico in Hud-


1) Vgl. Mithoff Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte, a. a. O. S. 14, Note 1 von S. 13.
2) Vgl. Nekrologium des S. Michaelis=Klosters zu Hildesheim, herausgegeben von E. F. Mooyer, im Vaterländ. Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, 1842, S. 375, und im Separat=Abdrucke S. 15.
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dense et X solidi pauperibus de duobus mansis in Honeghessem.

Auch für ihren verstorbenen Gemahl hatte sie in diesem Kloster ein Andenken 1 ) gestiftet:

Oct. 9. Hinricus miles de Slavia, pro quo dantur XII solidi annuatim de uno manso litonico in Huddessen.

Endlich verlieh sie auch dem S. Michaelis=Kloster zu Lüneburg, in welchem ihr Bruder Otto der Strenge und dessen Gemahlin sich ihr Begräbniß erwählt hatten, eine Schenkung von Zehnten und ein mit Perlen gesticktes Meßgewand; das Todtenbuch 2 ) des Klosters sagt:

VI Idus Januarii obiit domina Methildis de Slauia, que dedit III partes in decima in Orle . . . . et casulam illam cum margaritis.

Alle diese Aufzeichnungen mit den verschiedenen Angaben lassen keinen Zweifel übrig, daß immer die Gemahlin des erschlagenen Fürsten Heinrich I. gemeint ist. In Meklenburg kommt sie seit dem Tode ihres Gemahles nicht weiter vor.

Es war theils wegen ihres Seelenfriedens, theils wegen ihres Haushalts wohl nöthig, daß sie sich in die Stille des Klosters zurückzog. Denn was früher vielen Wittwen begegnete, welche nach dem Tode des Gemahls das Land desselben verließen, das geschah auch ihr, nämlich daß ihr das ihr zukommende Witthum nicht ausgekehrt ward. Am 14. Aug. 1295 versprach der Markgraf Otto von Brandenburg dem Herzoge Otto dem Strengen von Lüneburg, mit den Fürsten von Werle nicht eher Frieden zu schließen, als bis die "Schwester des Herzogs Otto von Lüneburg, Wittwe des Fürsten Heinrich von Werle wegen ihres Heirathsgutes befriedigt" 3 ) sei. Aber noch im J. 1301 war der Fürstin kein Recht geworden 3 ); denn am 11. Mai 1301 verbürgte sich der tüchtige Graf Nicolaus I. von Schwerin=Wittenburg für den Fürsten Nicolaus II. von Werle gegen den Herzog Otto den Strengen von Lüneburg und dessen Schwester Mechthild, Wittwe des Fürsten Heinrich von Werle, daß der Fürst Nicolaus von Werle der Fürstin Mechthild 1500 Mark reinen Silbers in zwei Terminen, zu Heil. Drei Königen 1302 und 1303, zahle.


1) Vgl. Mooyer a. a. O. S. 163.
2) Vgl. Nekrologium des Michaelis=Klosters zu Lüneburg, herausgegeben von Wedekind, in den Noten zu einigen Geschichtschreibern des Mittelalters III, S. 2.
3) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
3) Vgl. Jahrbücher XVIII, S. 199 flgd.
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Mechthild starb nach den mitgetheilten Todtenbüchern am 8. Januar nach dem Jahre 1302, in welchem Jahre ist ungewiß. Sie ward in der Kirche des Klosters Wienhausen vor dem Altare begraben. In den Nachrichten über das Kloster heißt es: "Außer der Stifterin ist daselbst in der Nähe des Altares bestattet Mechthilde, Tochter des Herzogs Johann zu Lüneburg", welche im J. 1291 mit Heinrich I. Herrn zu Werle oder Wenden sich vermählt hatte. Auch H. Böttger bemerkt zu dem Nekrologium des Klosters Wienhausen a. a. O. S. 228, Not. 7, daß "Mechthild von Wenden u. s. w. am 8. Januar 1301 gestorben und im Kloster Wienhausen beigesetzt" sei. Der Fürstin wird sicher ein Leichenstein auf das Grab gelegt worden sein, um so mehr da das Grab ihres Bruders so schön und kostbar eingerichtet war. Die Leichensteine in der Kirche zu Wienhausen, welche aus dem grauen, weichen Deister=Sandstein gearbeitet sind, sind jetzt aber sosehr abgetreten, daß sich nichts mehr darauf erkennen läßt. Vor dem Altare liegt jedoch noch ein Stück von einem Weißen Leichensteine, auf welchem noch einige Buchstaben von der Inschrift in schöner, großer Majuskelschrift aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts zu erkennen sind. Vielleicht ist dieser Stein der Leichenstein der Fürstin Mechthild gewesen.


1) Vgl. Mithoff Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte a. a. O. S. 6, Not. 1. In den frühern Anführungen: in Historischer Nachricht von dem Jungfernkloster Wienhausen, welche Leuckfeld's Antiquitates Katelenburgenses angehängt ist, in Leibnitz Rer. Brunsv. Praef. T. II, p. 14, und im Neuen Hannoverschen Magazin, 1805, Stück 75, S. 1200, steht nicht mehr, als was das oben erwähnte Nekrologium des Michaelisklosters zu Hildesheim berichtet.

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IV.

Margarethe von Lüneburg,

Gemahlin

des Herzogs Heinrich II. von Meklenburg=Stargard,

von

G. C. F. Lisch.


E ine leidende Fürstin des meklenburgischen Fürstenhauses war auch Margarethe von Lüneburg, Gemahlin des Herzogs Heinrich II. oder des ältern von Meklenburg=Stargard (1417 † 1466), der in einer sehr unruhigen Zeit lebte. Herzog Heinrich war drei Male vermählt 1 ); die erste Gemahlin hieß Jutta, die zweite war Ingeburg, des Herzogs Bugislav VIII. von Pommern Tochter. Aus der zweiten Ehe mit Ingeburg hatte der Herzog einen Sohn Ulrich II., seinen einzigen Sohn, mit dem späterhin die fürstliche Linie Meklenburg=Stargard erlosch. Aber auch die zweite Ehe des Herzogs war nicht von langer Dauer; denn schon im J. 1452 vermählte sich derselbe zum dritten Male mit Margarethe, des Herzogs Friedrich des Frommen zu Lüneburg († 1478) und Magdalenen's von Brandenburg Tochter; die Ehepacten sind am 4. Sept. 1452 abgeschlossen und enthalten unter vielen Bestimmungen vorzüglich, daß Margarethe ihrem Gemahle 8000 Mark lübisch als Brautschatz zubrachte, die ihr Gemahl mit einer gleichen Summe verbesserte 2 ). Sie schenkte ihrem Gemahle zwei Töchter, Magdalene und Anna, von denen die ältere, zwei Male vermählt, ihre Mutter überlebte, die jüngere aber ein Jahr vor


1) Vgl. F. Boll Geschichte des Landes Stargard, II, S. 171.
2) Vgl. Rudloff Mecklenb. Geschichte, II, S. 790 flgd.
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ihres Vaters Tode geboren, ins Kloster gegeben und vor ihrer Mutter begraben ward. Der Herzog Heinrich II. starb im J. 1466 und ward in der Kirche des Kloster Wanzka begraben. Seine Wittwe überlebte ihn noch 46 Jahre lang. Dem Herzoge Heinrich II. folgte in der Regierung sein einziger Sohn Ulrich II. Ulrichs Gemahlin Katharine, der letzte Sproß des im Mannesstamme im J. 1436 ausgestorbenen Fürstenhauses Werle, hatte ihm nur zwei Töchter geboren. Um mit männlichen Erben gesegnet zu werden, unternahm er im J. 1470 bis Februar 1471 eine Wallfahrt nach Jerusalem und nach dem Berge Sinai zum Grabe der heiligen Katharine. Aber seine Gebete wurden nicht erhört; im kräftigsten Mannesalter ereilte ihn der Tod am 13 Julii 1471 und mit ihm erlosch das Fürstenhaus Meklenburg=Stargard in männlicher Linie; seine Leiche ward ebenfalls zu Wanzka begraben. Am 9. März 1477 starb nach vierzigjähriger Regierung auch der Herzog Heinrich IV. von Meklenburg=Schwerin.

Das Fürstenhaus Meklenburg war um diese Zeit schwer mit Schulden belastet, und dazu waren drei fürstliche Wittwen, drei Hofhaltungen und zwei nachgebliebene Prinzessinnen zu erhalten 1 ).

Die verwittwete Herzogin Margarethe mag sich in den ersten Zeiten nach dem Tode ihres Gemahls bei ihrem Stiefsohne Ulrich oder auf ihrem Leibgedinge Plau aufgehalten haben. Nach dem Aussterben der fürstlichen Linie Stargard scheint sie aber Meklenburg, wenigstens hin und wieder auf einige Zeit, verlassen und ihre Heimath zum Aufenthalte gewählt zu haben; im J. 1473 war sie zu Celle, als sie ihre Tochter Anna aus dem Kloster Wienhausen nahm. Diese war im J. 1469 als sie 4 Jahre alt war, in das Kloster Wienhausen gegeben, aus diesem aber herausgenommen und im J. 1473 in das Kloster Ribnitz gebracht, wo sie auch blieb und starb 2 ).

Wie es aber in alten Zeiten oft den fürstlichen Wittwen ging, namentlich wenn sie ausgestorbenen Linien angehörten und ihr Leibgedinge verließen, so konnte auch Margarethe nicht zu ihrer "Leibzucht" gelangen, da die Zeiten schlecht waren. Schon im J. 1473, also sehr bald nach dem Aussterben des Hauses Meklenburg=Stargard, begannen die Verhandlungen über die Leibgedingsforderungen der herzoglichen Wittwe zwischen den herzoglichen Häusern Meklenburg und Lüneburg, bis sich


1) Vgl. Rudloff Meckl. Gesch. III, S. 826.
2) Vgl. die folgende Abhandlung über die Prinzessin Anna.
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die Verhandlungen im J. 1492 zu Streitigkeiten ausbildeten, welche bis zum Tode der Herzogin dauerten und unter denen die Herzogin am meisten zu leiden hatte.

Als nun Margarethe nicht zu ihrem Rechte gelangen und sich ihrem Stande gemäß nicht halten konnte, auch ihre jüngere Tochter Anna im Kloster Ribnitz im J. 1498 gestorben war und ihr Herz sich nach Ruhe sehnte, thaten "die hohen Häupter ihrer Verwandtschaft bei unterschiedlichen Klöstern Ansuchung, daß sie möchte eingenommen werden. Da aber keines dazu geneigt war, so ward sie um das Jahr 1498 in das Kloster Wienhausen 1 ) einlogiret, wider der ganzen Versammlung Willen. Bei ihrem Eintritt wurden ihr zwar große Einkünfte von den fürstlichen Personen versprochen, sie hat aber mit großer Mühe wenig erhalten können. Sie lebte in einer Dürftigkeit, die man von einer solchen Person nicht hätte vermuthen sollen." Es ging ihr so kümmerlich, daß sie ihre Tochter im Kloster Ribnitz nicht unterstützen konnte, indem diese am 7. Aug. 1482 den Herzogen von Meklenburg klagt, daß sie "in großer Armuth und Schulden" lebe und oft "Hunger und Durst leiden" müsse, und dieselben um die nothdürftigste Kleidung bittet. Um die Zeit ihres Eintrittes in das Kloster Wienhausen hatte die Herzogin Margarethe ihre Forderungen an Meklenburg ihrem Neffen Herzog Heinrich d. j. von Lüneburg zur Einforderung übertragen, erhielt aber durch dessen Bemühungen auch nichts, so daß sie von den Almosen ihrer Verwandten lebte.

Margarethe lebte nun vom J. 1498 an bis zu ihrem Tode 1512 ununterbrochen in dem Kloster Wienhausen 2 ), in welchem das Herz ihrer Mutter ruhte (vgl. unten S. 38) und ihre Tochter ihre Kinderjahre verlebt hatte. In der bei ihrem Tode abgefaßten Eintragung in das Todtenbuch 3 ) des Klosters Wienhausen wird ausdrücklich gesagt, daß sie bis zu ihrem Tode 1512 ungefähr 14 Jahre in dem Kloster ununterbrochen gelebt habe ("illustris domina Margareta ducissa de Stergerde annos ferme XIIII in hoc cenobio continuavit"). Eine Chronik des Klosters 4 ) erzählt, "sie habe 13 1/2 Jahr im Kloster zugebracht".


1) Es ist daher unrichtig, wenn Rudloff a. a. O. S. 791 und F. Boll a. a. O. S. 192 meinen, daß unter Winhusen der Ort Winsen zu verstehen sei.
2) Es ist also unbegründet, wenn F. Boll in seiner Geschichte des Landes Stargard II, S. 192 sagt, daß "Margarethe noch 1512 zu Plau lebte".
3) Vgl. Anlage Nr. 4.
4) Vgl. Anlage Nr. 1.
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Ueber ihr Leben giebt eine Chronik des Klosters Wienhausen 1 ), welche durchaus zuverlässig erscheint, indem sie mit allen urkundlichen Angaben übereinstimmt, willkommenen Aufschluß, wie sie auch über die Aufnahme der Herzogin in das Kloster berichtet. "Ihre Kleidung im Kloster war zwar weltlich, ihr Gemüth aber religiös und andächtig, und sie that nichts ohne Vorbewußt der hochwürdigen Frau Aebtissin, nicht anders als wenn sie ihr zum Gehorsam untergeben wäre. Und wenn sie auch für ihre Person es nicht so vollkommen im Leben hatte, so theilte sie doch den Jungfrauen fleißig von dem Wenigen mit, um ihr geneigtes Gemüth zu zeigen", und bedachte am Ende das Kloster reichlich. Die Herzogin Margarethe lebte in dem Kloster Wienhausen unter der Aebtissin Katharine II. Remstede aus Lüneburg (1501- 1543), von welcher noch jetzt mehrere Kunstwerke auf dem Nonnenchore des Klosters zeugen, namentlich der große vortreffliche Altar 2 ) vom J. 1519, welcher Namen und Wappen der Aebtissin trägt.

Am 15. Julii machte die Herzogin Margarethe zu Wienhausen ihr Testament 3 ). Nachdem ihre ältere Tochter, die sie 11 Jahre überlebte, nach dem Tode ihres ersten Gemahls sich zum zweiten Male wieder vermählt hatte und ihre jüngere und unverheirathete Tochter gestorben war, dachte sie nur an das Heil ihrer Seele. Sie verordnete zuerst und vorzüglich, daß ihr Leichnam im Kloster Wienhausen zur Erde bestattet werden solle. Darnach vermachte sie dem Kloster 100 rheinische Gulden, von deren Renten ihr jährlich Gedächtnißfeiern an ihrem Sterbetage sollten gehalten werden, zwei von den Klosterjungfrauen allein auf ihrem Chore, die dritte von den Kapellanen und vier frommen Priestern in der Kirche, wie Fürstinnen=Memorien gehalten zu werden pflegten. Von den Renten sollten ferner die Klosterjungfrauen und Conversen zwei Male im Jahre, in den Advent= und Fastenzeiten, jede ein Viertheil, (vêrndê = 1/4 Pfund?) Mandeln, und die Kinder die Hälfte, haben, um für sie zwei "Seelbäder" zu halten, bei denen jede den Rosenkranz Marien lesen sollte; sie dachte also auch sehr freundlich an das Vergnügen der Jungfrauen.


1) Vgl. Anlage Nr. 1.
2) Vgl. Mithoff Archiv fiir Niedersachsens Kunstgeschichte II, S. 7.
3) Vgl. Anlage Nr. 2. Wir verdanken die Bekanntmachung dieser Urkunde dem Herrn Bibliothek=Seeretair Dr. H. Böttger zu Hannover, welcher diese Urkunde bei der Ordnung der Urkunden des Klosters Wienhausen aus denselben herausgefunden und mit wenigen andern bekannt gemacht hat.
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ferner vermachte sie der Klosterversammlung 40 rheinische Gulden, von deren Renten jede Klosterjungfrau 1 Elle breiter Leinwand zu ihrer Nothdurft haben sollte. Endlich vermachte sie den Klosterjungfrauen, "ihren lieben Kindern", all ihr Gut, das sie nachlassen würde, ohne Ausnahme, und all ihr Silbergeräth, jedoch unter der Bedingung, daß ihre Tochter oder deren Kinder dieses für baares Geld an sich bringen könnten, wenn sie dazu Neigung haben würden. Hiefür sollten die Nonnen ihrer fleißig in ihren Gebeten gedenken. Alle diese Vermächtnisse kamen nach dem Tode der Herzogin zur Ausführung, wie die Aufzeichnung in dem Todtenbuche 1 ) des Klosters beweiset.

Nachdem Margarethe sich in dem Kloster Wienhausen zur Ruhe gesetzt und eingewohnt hatte, dachte sie mit Ernst daran, ihre meklenburgischen Forderungen einzutreiben. Bei ihrem Eintritt in das Kloster hatte sie ihrem Vetter Herzog Heinrich dem jüngern ihre Forderungen "zur Einmahnung gänzlich aufgetragen"; da er aber ihres Bedünkens "bei der Forderung nicht so stark gewesen war, als wohl von Nöthen, vielleicht um die meklenburgischen Herzoge nicht zu erzürnen, so fand sie sich am 18. April 1507 verursacht 2 ), ihren Auftrag zu widerrufen und ihre Urkunden zurückzufordern, damit sie zum Behuf ihrer Erhaltung andere Wege einschlage, weil sie zu einem paßlichen Handel zu kommen wisse." Alle Wege führten aber zu nichts. Die Verhandlungen zwischen den Herzogen von Lüneburg und Meklenburg dauerten ohne Erfolg bis zu dem Tode der Herzogin und hörten gleich nach ihrem Tode im J. 1512 gänzlich auf; noch zuletzt im J. 1512 bald nach dem Tode der Herzogin bestritten die Herzoge von Meklenburg den Herzogen von Lüneburg die Rechtmäßigkeit ihrer Forderung, und damit verschwindet die ganze Sache aus der Welt.

Nach einem leidenvollen Leben entschlief die Herzogin Margarethe am Stillen Freitage (9. April) des Jahres 1512; in dem Todtenbuche des Klosters Wienhausen 3 ), in welche ihr Andenken und ihre Wohlthaten ungewöhnlich ausführlich eingetragen sind, wird ausdrücklich und besonders gesagt, daß sie am Stillen Freitage ("in die parasceves obiit "Margareta ducissa de Stergerde") gestorben sei, und der Stille Freitag fiel im J. 1512 auf den 9. April. Die Herzoge von Meklenburg verordneten sogleich nach Empfang der Todesnachricht, daß in ihren Landen bis Pfingsten für sie


1) Vgl. Anlage Nr. 4.
2) Vgl. Anlage Nr. 3.
3) Vgl. Anlage Nr. 4.
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Seelenmessen gehalten werden 1 ) sollten. Aus einem Briefe 2 ) des Herzogs Heinrich d. j. von Braunschweig=Lüneburg vom 29. April 1512 geht hervor, daß sie damals todt war.

Am nächsten Tage nach ihrem Tode ward nach ihrem Testament ihr Leichnam in dem Kloster Wienhausen in der Allerheiligen=Kapelle begraben und ein Leichenstein auf ihr Grab nachgelegt. Die Allerheiligen=Kapelle (vgl. oben S. 11) ist eine sehr kleine Kapelle, welche an den Mittelgang zwischen den beiden Kreuzgängen des Klosters angebauet ist, so klein, daß nur ein Altar und drei Leichensteine neben einander darin Platz haben. Wahrscheinlich ist diese Kapelle von der Aebtissin Katharine, Gräfin von Hoya (1422-1474), deren Mutter eine braunschweig=lüneburgische Prinzessin war, erbauet und mit Wandmalereien und Glasgemälden geschmückt. Im J. 1454 ward das Herz der Mutter der Herzogin Margarethe in der Kapelle niedergelegt, deren Leichnam aber im Kloster Scharnebeck begraben; ihre Mutter Magdalene war eine Tochter des Kurfürsten Friedrich I. von Brandenburg und Gemahlin des Herzogs Friedrich des Frommen von Braunschweig=Lüneburg. Die genannte Aebtissin Katharina von Hoya war die erste Aebtissin, welche 1474 in der Kapelle begraben ward; ihre Vorgängerin während der Zeit ihrer Resignirung und ihre Nachfolgerin wurden noch vor der Kapelle begraben. Die Kapelle war daher von ungewöhnlicher geschichtlicher Bedeutung, und späterhin während der Reformation versammelten sich die katholisch gesinnten Nonnen in dieser Kapelle zum Gottesdienste. Wahrscheinlich ward die Herzogin Margarethe in der Mitte der Kapelle vor dem Altare begraben. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden gewöhnlich die Aebtissinnen in dieser Kapelle begraben. Daher ist das Grab der Herzogin gewiß wiederholt aufgebrochen. Seit einem halben Jahrhundert ist aber die Kapelle ganz vernachlässigt, wüst und dunkel; die weichen Leichensteine sind abgetreten, versunken und mit Staub bedeckt; es ist daher, namentlich bei der Dunkelheit der Kapelle, nicht möglich, auf den Leichensteinen etwas zu erkennen. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß der mittlere von den drei Steinen der Leichenstein ist, welcher auf das Grab der Herzogin gelegt ward; in der Mitte scheint dieser Stein kein Bild gehabt zu haben, jedoch umher eine Umschrift in junger Minuskelschrift.


1) Vgl. Anlage Nr. 5.
2) Vgl. Anlage Nr. 6.
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Margarethens Testament ward nach ihrem Tode, wie das Todtenbuch 1 ) des Klosters berichtet, erfüllt. Außer dem, was sie dem Kloster durch ihr Testament vermacht hatte, hatte sie an dasselbe viel gewandt: sie hatte 70 Mark zur Erhaltung der Klostergebäude, 8 Mark zur Restauration der Uhr, ein Fenster im Nonnenchor ("capitolium"), vielleicht eines der gemalten Fenster, und eines im Fleischhause, eine rothe Casel 2 ) und drei Alben 3 ) zum Meßgewande, einen Leuchter mitten auf dem Nonnenchor, wahrscheinlich den noch stehenden, schön geschnitzten vergoldeten und bemalten Leuchter, 8 silberne Löffel, 5 silberne Becher, 4 große Kessel und 15 kleinere für die Badestube, 23 Zinnerne Krüge, ferner Schüsseln, Töpfe, Becken, Teller, Roste, Mörser, und endlich ihren ganzen Nachlaß an Kleidern und Geräthen aller Art dem Kloster geschenkt.

"Gott erquicke ihre Seele", sagt die Chronik des Klosters zum Schluß.



1) Vgl. Anlage Nr. 4.
2) Dieses Meßgewand wird noch in dem Inventarium des Klosters aufgeführt als "ein carmoisinrohtes Meßgewand, so Hertzogin von Stargard geschenket". Vgl. Mithoff a. a. O. S. 13.
3) In dem Inventarium stehen: "3 weiße Chorhemder".
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Anlagen.

Nr. 1.

Chronik des Klosters Wienhausen über die Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard.

1499 - 1512.


Unterdessen kam es mit der Frau von Stargerd, nachdem ihr Herr gestorben und die fürstlichen Güter in fremde Hände geraten, dahin, daß sie sich ihrem Stande gemäß nicht mehr halten konnte, weshalb die hohen Häupter bei unterschiedlichen Klöstern Ansuchung gethan, daß sie möchte eingenommen werden. Da aber keins dazu geneigt war, ward sie ums Jahr 1499 in das Kloster Wienhausen einlogiret, wider der ganzen Versammlung Willen. Beym Eintritt wurden ihr zwar große Einkünfte von den Fürstlichen Personen versprochen, sie hat aber mit großer Mühe wenig erhalten mögen. Nichts desto weniger, obgleich sie für ihre Person es nicht so vollkommen bekommen, hat sie doch von demselben denen Jungfrauen fleißig mitgetheilt und ihr geneigt Gemüth gezeigt. In solcher Dürftigkeit, die man von solcher Person nicht hatte vermuthen sollen, hat sie 13 Jahr im Kloster zugebracht und ein halb Jahr. Ihr Habit war zwar weltlich, ihr Gemüth aber religiös und andächtig, that nichts ohne Vorbewußt der hochwürdigen Frau Abtissin, nicht anders, als wäre sie ihr zu Gehorsam untergeben. Dann Anno 1512 am Stillen Freitag hat sie dies Zeitliche quitirt, und ist am folgenden Tag in ihre Ruhkammer gesetzt, nämlich in die Capelle Aller Heiligen, und einen Stein zur Decke bekommen.

Was sie an Barschaft gehabt, hat sie alles der jungfräulichen Versammlung vermacht, und ihre Schulden bey Leb=

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zeiten entrichtet. Es stehet aber die Vermächtniß in folgendem: "Einer jedweden Jungfrau jährlich ein gewisser Theil Mandeln. Eine Elle Leinewand, da der eine Theil der Versammlung dieses Jahr solche zu genießen hätte, der andere Theil des folgenden Jahres, jedweden Jungfer 1 Ellen".

Ferner hat sie zum stetswährenden Gedächtniß ein Stück Geld dem Kloster vermacht. Gott erquicke ihre Seele. Item einen Leuchter mitten auf den Chor aufzuhängen. Item ein rothes Meßgewand und etliche Chorröcke. Item silberne Löffel, silberne Becher, zinnen Geschirr und andere Hausgeräthe.

Aus der Chronik des Klosters Wienhausen, nach einem Auszuge von dem königlichen Bibliothekar und Historiographen Hofrath Gebhardi auf der königl. Bibliothek zu Hannover, gedruckt in Spiel und Spangenberg Neuem Vaterländischen Archiv des Königreichs Hannover, Band III, 1823, S. 1 flgd., in dem Aufsatze: "Die Prinzessin von Stargard", vom Regierungsrath Blumenbach in Hannover. "Diese Chronik fand sich auch in dem Volumine Mss. historicorum des Raths Pfeffinger, und ist ihm wahrscheinlich aus dem Kloster mitgetheilt worden. Auch Leuckfeld in seiner historischen Nachricht von dem Jungfrauen=Kloster Wienhausen (hinter seinen Antiquitatibus Katelnburgens.) hat sie benutzt. Sie scheint in einem katholischen Kloster um das Jahr 1512 geschrieben und aus dem Lateinischen oder Plattdeutschen nachmals ins Hochdeutsche übersetzt zu sein". - - "Gebhardi setzt wohl mit Recht die Zeit, in der er schrieb, in die letzten Lebensjahre dieser Fürstin; es scheint, er hat sie gekannt, oder doch viel von ihr gehört".


Nr. 2.

Die Herzogin Margarethe von Meklenburg-Stargard, geborne Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, macht ihr Testament.

D. d. Wienhausen. 1504. Julii 15.


In dem nâmen der hilghen drêuoldicheit, des vâders vnde des sônes vnde des hilligen geistes. Wii Margareta, gebôrnne van Brunswick vnde Luneborch, hertogynne to Mekelenborch vnde Stargarde etc. ., wedtwe, hebbe mit suntheit vnses lîues, vornufft vnser synne vnde wol berâdem môde betrachtet, dat vppe erden

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nicht wissers isz, wan de bittere dodt, vnde nicht vnwissers, wen de stunde des dodes. Deme nha dat nhu forbath neyne erringe noch twîdracht vnses nâgelâten gûdes haluen wii nâlâtende werden irwassen dorffe vnde van kôrnen môge, setthen wii iêgenwardigen vnse vullenkômen testament vnde lâtesten willen vnses nâgelâten gûdes, ôk dat wii bii vnsem leuende alrêde vorgeuen vnde bestediget hebhen, êwichliken to holdende. Int êrste beuelen wii na cristliker wîse vnse armen sêle dem alinechtigen êwigen gode vnde allem hymmelschen hêre. Dâar nha beghêren wii vnsen lîcham alhîre int clôster to Winhusen na gelôffliker vnde landtszetliker wîse myt vigîlien vnde sêlemissen tôre erden môge bestediget werden. Dâr nha geuen wii iêgenwardigen, glîck wii vôrmâls alrêde gedân herben, den werdigenne vnde innigen iunckfrouwen ebdisschen, prîorynnen vnde der gantzen sâmmelinge alhîr to Winhusen, vnsen lênen kinderen, hundert rhînische gulden, dâre vôr vnde vanne schal nien vns iârlikes van holdenn drê êwige memôrien, twê scullen de vpgenanten iuncfrouwen bii sick holden alleyne vpne oreme chore, sunderen de drudden memôrien scal inen holden vppe de iârtiidt, alze vns de almechtige god alhîr vanne dussem iammerdâle hêsschende wert, mit prêsencien vnsen cappellânen vnde veir anderen frommeden prêsteren, de men dâr to iârlikes scal vorbôden vnde hêsschen lâten, na landtszetlicker wîse . . . . to beghânde vnde na ghewônthe des clôsters to Winhusen, alze men alhîr der ffurstynnen memôrien plecht to holdende. To der suluen tiidt scal me lesen den salter In spiritu humilitatis. Ock scal men dâr an geuen vth der ebdye des suluen clôsters den vôrgnanten iuncfrouwen vnde conuerszen to twên tiiden iârlickes, nômptlicken eyns in deme aduente vnde eyns in der hilgen vasten, îsliker persônen eyn vêrndêl mandelen vnde den anderen kinderen dârsulues de glîcken helffte, vnde holden twê sࡖlebâde vôr ore zêle, vnde to den twên tiiden, wen men de twê zêlebâde holth, denne so scal me lesen eyne etlick iuncfrûwe den rôsenkrantz Marien. Ock hebbe wii vpgnante furstynne der vôrgescreuen ebdissche vnd sâmmelinge noch forth gedân XL rhînselie gulden, dâr vôr schal men iârlickes gheuen deme suluen conuente îsliken l brêde eilen lênnewandes, sick to brûkende to syner nôtrofft. Hîr en bôuen geuen wii vîl-

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gnante ffurstinne den îrgedachten ebdisschen, prîorinnen vnde der gantzen sâmmelinge tho Winhusen, vnsen leuen kinderen, alle vnse nâlâten gûd, edt sye bewechlick edder vmbewechlick, grôth edder kleyne, nichtes dâr vanne vthgesunderth, in rêdeschup edder sculden, wo men dat benhômen mach, vnde iô vnse suluerwerck, mit deme vnderschêde, dat edt vnse dochter edder ore kindere weddervmbe vôr rêde golt edder ghelt lôszen môgen, iô twê lôth vôr eynen rhînschen gulden to rekende. Dâr vôre scullen se vnser vnde vnser eruen zêle vnde aller anderen, dâr van wii vnde de van vns gekômen sîn, in orem innigen gebede gedencken vnde flitigen den almechtigen godt vôr vns bidden. Desses to furder ôrkunde der wissenheit vnde ôck vnwedderrôpelich alzo to blînende, wo bôuen screuen, hebben wii vnse ingesegel witlicken vppet spacium dusses brêffes gedrucket hêthen, na Cristi vnses heren gebôrth veffteinhundert ime vîrden iare, ame dâge Diuisionis apostolorum.

Aus dem Archive zu Wienhausen, gedruckt durch H. Böttger zum Nekrolog des Klosters Wienhausen in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, 1855, S. 235.


Nr. 3.

Die Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard widerruft die dem Herzoge Heinrich dem jüngeren von Braunschweig=Lüneburg gegebene Vollmacht zur Einforderung ihrer Leibzucht von den Herzogen von Meklenburg.

D. d. 1507 April 18.


Wat wy ehre, leues vnnd gudes vormogen, myt angeborner truwe touorn. Hochgebornn furste, fruntlicke, leue vedder. So wy juwer leue vormals, ock nu vnlanges in eygener personen, vnnser lifftucht haluen by den hochgebornn fursten vnnsen ohmen van Mecklnborg etc. . vorscreuen to sprake gewest, welker lifftucht wy j. l. in etliken vorlopen jaren hadden gentzlick vpgedragen, desuluen by

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den vpgnanten fursten to manende vnd to forderende, so dat j. l. to allen delen wol bewust, so vormerken wy, dat j. l. etlicken flyt, des wy j. l. bedancken, darin angewant hebben vnnd doch, alße wol van noden, so starck in der forderinge nicht gewest synt, villichte dat j. l. de gnanten vnnse ohme nicht gerne darahnn vortornen mogen. Wo dem allen, fruntlicke, leue vedder, vnnd so wy dersuluen lifftucht neynen trost effte forderinge by j. l. befynnden, werden wy vororßaket, sodan vpdracht vnnd vorlatinge j. l., de doch myt sodanen varworden, dat j. l. de ßake ock nicht by syck leggen scholden gescheen, to wedderropende vnnd wedderropen de ock jegenwordigen in dussem vunsem breue vnnd gedenncken (wyl got) darvmme ander wege to gebrukende. Bidden hirvmb daryn j. l. fruntlick, ße willen vnns vunse breue vnnd allerleye vunse gerechticheyt dar vp entfanngen, wedder to vunsen handen kommen laten, dan wy vnns sust eyns drechliken handels wetten to ouerkomen, to behoiff vnnser erholdinge, ock nach vunsem dotlicken affgange to behoiff vnnser zelen salicheyt, dat wy juwer leue allet im besten to erkennende to geuende nicht vorentholden wolden, de wy hirmede gode dem almechtigen alle tydt wolmogende frisk vnnd geßunt beuelhen. Datum Sondags Misericordia domini, Anno eiusdem vefftehnnhundert feptimo.

Van goddes gnadenn Margareta, gebornn
hertogynne to Brunswig vnnd Luneborg,
hertogynne to Mecklnborch vnnd Star=
garde etc. .

   Dem hochgebornn fursten, herrnn
Hynricke dem jungern, to Brunswig
vnnd Luneborg hertogen etc. ., vnnßem
leuen veddernn.

Nach dem Originale, im großherzogl. meklenb. Geh. und Haupt Archive zu Schwerin. Der Brief ist mit dem Siegel der Herzogin auf grünem Wachs mit Papierdecke besiegelt. Das Siegel zeigt einen Schild, welcher einmal queer getheilt und oben längs getheilt ist. In diesen drei Abtheilungen steht: 1. oben rechts: der meklenburgische Stierkopf; 2. oben links: zwei Leoparden über einander, für Braunschweig; 3. unten: eine Löwe, für Lüneburg. Umhergelegt ist ein faltiges Band mit einer Inschrift, welche jedoch fast unleserlich ist:

Inschrift

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Nr. 4.

Todtenbuch des Klosters Wienhausen über die Herzogin Margarethe von Meklenburg-Stargard.

1512. April 9.


April
fes.
Anno domini M°. d°. XII° In die parasceues Obiit digne memorie illustris domina Margareta duxissa de stergerde. que annos ferme XIIII in hoc cenobio continuauit. dedit C florenos pro memoria. LXX a pro monasterii sustentacione. VIII pro horologii restauracione. rubeam coccineam casulam. tres albas. VIII argentea coclearia. V e argenteos cyphos. IIII maiora caldaria. et XV cim mediocra pro balneo. XIII a stannea vasa. certos pelues. ollas. lebetas. patellas. craticulas. mortarium. omniaque sua bona tam in vestimentis quam in aliis rebus et vtensilibus. fenestram in capitolio et in domo carnium. V e libros. vnicuique personarum per duorum annorum circulum vlnam linei panni. singulisque annis amigdalorum quartale sollicitauit.

Aus dem Nekrolog des Klosters Wienhausen, herausgegeben von H. Böttger in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1855, S. 202. Die Eintragung ist von der gleichzeitigen Hand 2. Böttger bemerkt dazu:

Note 64. S. 234 flgd. Margarete, eine Tochter des Herzogs Friedrich (des Frommen) von Braunschweig=Lüneburg, war mit dem Herzoge Heinrich II. von Meklenburg=Stargard vermählt. Nach dem Tode desselben nahm sie 1499 Wohnung im Kloster Wienhausen (Chron. S. 99), wo sie am 8. (?) April 1512 starb und Tags darauf in der Kapelle Allerheiligen daselbst beigesetzt wurde (Chron. S. 33). Vgl. über dieselbe das Vaterländische Archiv, Jahrg. 1823, S. 1-9. Ihr im Archive zu Wienhausen aufbewahrtes Testament vom 15. Julii 1504 lautet also: etc. . - Der Stille Freitag (dies parasceves) fiel im J. 1512 auf den 9. April.


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Nr. 5.

Die Herzoge von Meklenburg=Schwerin verordnen in den Kirchen der Städte und der Klöster der meklenburgischen Lande Vigilien und Seelenmessen für das Seelenheil der verstorbenen Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard.

D. d. (1512, um Ostern).


Lieben getrewen. Noch deme weylant die hochgeborne furstynne fraw Margarethe geborne von Br. vnd Luneburg, herzogyn zcu Meckelnburg, der Natur mit dem tod ire schult hat bezcalt, der zelen der almechtige got gnedig vnd barmherzig sein wolle, Szo begern wir, wollest verfugen, das in den Steten vnd klostern deynes ampts Jrer lieben zele zum troste zcwischen hir vnd pfingsten mit vigilien vnd zelemissen gedacht, darvnder der almechtige für Jrer selickeit gebeten werde, Dor ane thustu vns gut gefallen, Jn gnaden ken Dir zcu beschulden.

Nach dem undatirten Concepte im großherzogl. meklenburg. Staats=Archive von des Canzlers Caspar v. Schöneich Hand, in dessen Handschrift aus den ersten Zeiten seiner Amtsführung. Die Herzogin Margarethe starb am Stillen Freitage (9. April) des Jahres 1512 im Kloster Wienhausen; der erste Ostertag fiel daher auf den 11. April. Die Nachricht von ihrem Tode wird also gegen das Ende der Osterwoche nach Schwerin gekommen sein. Daher kam die Verordnung, daß die Todtenfeiern bis Pfingsten dauern sollten. Die Verordnung ist zwar nur in einem Concepte von der Hand des Canzlers Caspar von Schöneich vorhanden, also vom schweriner Hofe ausgegangen; es ist aber ohne Zweifel, daß sie für alle Landestheile galt. Der Befehl ist sicher an die Amtshauptleute des Landes erlassen.


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Nr. 6.

Der Herzog Heinrich der jüngere von Braunschweig=Lüneburg erbietet sich gegen die Brüder Friedrich, Kurfürsten, und Johann, Herzoge von Sachsen, den rechtlichen Grund seiner Forderungen an die Herzöge Heinrich und Albrecht von Meklenburg wegen der verstorbenen Herzogin Margarethe von Meklenburg=Stargard zu beweisen, und wünscht gütliche und rechtliche Unterhandlung.

D. d. Wittenberg. 1512. April 29.


Hochgebornne fursten, fruntliche, liebe herrn vnd schweger. E. l. haben mir gestern ain brif vorhalten lassen, an e. l. von dem hochgebornnen fursten, meinem lieben ohem, hertzog Heinrich von Meckelburg etc. . ausgangen, darynnen sein lieb vnder anderm ruren, ich dy vngegrundten hanndlung vnd anfordrung herkomende von der hochgebornnen furstin, frawen Marggreten, geborn von Brunschwig, weyllend hertzogin zu Mekelburg, in der verfassung, so zwischen dem hochgebornnen fursten, auch meinem lieben ohem, hertzog Albrechten von Meckelburg etc. ., vnnd Elsen, meiner tochter, aufgericht, het fallen lassen; mich nu derhalb in antwurt zu geben, ist dismals an not; mein fruntlich bit ist aber, wie vilmaln gescheen, e. l. wollen sich mit der sach als vil bemuhen, das genante meine ohem von Mekelnburg vor e. l. erscheinen mögen, da ich mit meinen briuen vnd sigeln vnd anderm komen moge. Wo ir liebe den meine anfordrung vor euer beider liebden, wie billich, vngegrundt machen, weis ich mich der anfordrung wol zu enthalten, des mich e. l. gutlich vnnd rechtlich sollen zu weysen haben; wo e. l. auch mein sach gegrundt befunden, zweiuelt mir nit, e. l. werden alsdan zwischen iren liebden vnnd mir wol zu zcimlichen mitteln trachten, der ich e. l. auch nit enthoren wil, dan ich vil bas geneygt, iren liebden fruntlich dinst zu erzaigen, dan die mit vngegrunten sachen zu beschwern; hof auch hinwider, ire lieb mein anfordrung mit solchen antwurten, wie noch gescheen, nit beylegen konnen. Wen wir aber vor e. l. zu allen tailen komen, haben e. l. den grundt der sachen bald vernomen, den e. l. mein in der

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fach gegen iren liebden zum rechten der gute vnnd aller billigkait gantz an mitel vnd einrede macht haben sollen, Darumb werden e. l. mein hohe erbieten wol behertzigen vnd dy sach zu furderlichem auftrag bringen, das ich vmb e. l. in alweg zu uerdinen geneygt. Datum Witenberg mit meiner handt am Dornstag nach Misericordia domini, Anno etc. . XII.

Heinrich der junger, herzog zu Brun=
ßwig vnd Luneburgk.

Den herrn Friderichen, churfursten etc. .,
vnnd hern Johansen, gebruder, hertzogen
zu Sachssen etc. .

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. Haupt Archive zu Schwerin.

 

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V.

Anna von Meklenburg=Stargard,

Tochter

des Herzogs Heinrich II. von Meklenburg-Stargard,

von

G. C. F. Lisch.


W enn auch nicht mit Einfluß eingreifend in das Leben des fürstlichen Hauses und des Landes, ist das Leben der Prinzessin Anna von Meklenburg doch ein Bild des tiefen Leidens in einem heimischen Fürstenhause, und die Erkenntniß dieses stillen, schon öfter besprochenen Lebens ist zur Vervollständigung eines Gesammtbildes jener Zeit nothwendig und von einer gewissen Bedeutung. Anna war die jüngste Tochter des Herzogs Heinrich II. von Meklenburg=Stargard, des vorletzten Regenten dieses Fürstenhauses, aus dessen dritter Ehe mit des Herzogs Friedrich des Frommen von Lüneburg Tochter Margarethe (vgl. oben S. 33). Der Herzog Heinrich II. starb im Sommer des Jahres 1466 und hinterließ seine dritte Gemahlin Margarethe als trauernde Wittwe mit zwei Töchtern; ihr Stiefsohn Herzog Ulrich II. war der einzige und letzte männliche Sproß des Hauses Stargard und Regent des Landes.

Die Prinzessin Anna war im J. 1465, also ein Jahr vor dem Tode ihres Vaters, geboren. Dies wird nicht nur von dem mit ihrem Leben wohl bekannten Slagghert in seiner plattdeutschen Chronik 1 ) des Klosters Ribnitz berichtet, wenn er sagt:


1) Zu dieser Abhandlung ist immer die ächte plattdeutsche Chronik Slaggherts, nach einer Abschrift auf der Regierung=Bibliothek zu Schwerin, benutzt.
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"Anno MCCCCLXV Hertoch Hinrick, eyn Vorste tho Stergart, van syner Vorstynnen heft entfangen ene schone dochter ghenomet Froychen Anna", sondern auch durch alle folgenden Zeitangaben bestätigt. Ihre Mutter mag sich mit ihren beiden Töchtern in den ersten Zeiten bei ihrem Stiefsohne, dem regierenden Herzoge Ulrich, oder auf ihrem Leibgedinge Plau aufgehalten haben.

Im J. 1469 als Anna vier Jahre alt war, ward sie von ihrer Mutter zur Erziehung in das lüneburgische Kloster Wienhausen 1 ) an der Aller bei Celle gegeben, sei es daß der Mutter die Erziehung der Tochter schwer ward, sei es daß die Aeltern sie in Folge eines Gelübdes diesem Kloster weihten, welches dem lüneburgischen Fürstenhause besonders lieb war und in welchem das Herz der Großmutter der Prinzessin ruhte (vgl. oben S. 11 u. 38). Hier blieb Anna ungefähr vier Jahre, bis sie acht Jahre alt war. Slagghert sagt:

"Deße sulue Anna, do se olt Was IV Jahr, er Here Vader myt erer Moder hebben ße vorantwardet in eyn Juncfrowen Closter ghenomet Winhußen, dar se blef bet dat fe olt was VIII Jar".

Auch das Todtenbuch des Klosters Wienhausen berichtet bei ihrem Tode, daß sie früher in diesem Kloster drei Jahre gelebt habe ("quondam huic monasterio per tres annos associata"). Slagghert irrt jedoch entweder darin, daß ihr Vater und ihre Mutter sie in das Kloster gegeben, da ihr Vater längst gestorben war, oder er will seine Worte so verstanden wissen, daß sie in Folge eines Gelübdes oder Wunsches ihres Vaters, als er noch lebte, und ihrer Mutter in das Kloster gekommen sei.

Ueber den Eintritt der Prinzessin Anna in das Kloster Wienhausen und ihr Leben daselbst giebt die Chronik 2 ) des Klosters Wienhausen folgende Erzählung:

"Nachdem die Abtissin Gertrud Elze 1440 gestorben war, wurde Catharine Gräfin von der Hoia wieder an ihre Stelle gewählt (1440-1469) 3 ). Bei Regierung dieser hochwürdigen Ab=


1) Rudloff Meckl. Gesch. II, S. 791, nimmt irrthümlich Winsen für Wienhusen, und ihm scheint F. Boll Gesch. des Landes Stargard II, S. 192 zu folgen.
2) Nach einem Auszuge von Gebhardi auf der königliche Bibliothek zu Hannover, gedruckt in Spiel und Spangenberg Neuem vaterländ. Archiv, Bd. III, 1823, S. 1 flgd.
3) Gertrud (Gese) von Eltze in einer Urkunde vom 18. April 1437. Sie wird gegen das Ende des Jahres 1435 Aebtissin geworden sein und (  ...  )
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tissin ward eine hochadelige Jungfrau, Namens Anna von Stargerd ins Kloster genommen, welche der durchlauchtige Herr, Otto Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, dieser Jungfrau Mutter=Bruder, Gott dem Herrn auf dem Altare der Capelle St. Annen 1 ) darstellte, und verordnete, daß sie wegen ihres Standes keinen Vorzug vor andern haben, sondern den andern Conventualinnen gleich sollte gehalten werden. Drei Jahre hatte sie in dem Kloster zugebracht, und ob sie gleich noch sehr jung, dennoch leuchtete sie an Liebe, Demuth und Freundlichkeit trefflich hervor in aller Gehorsamkeit. Diese stach etliche Mißgünstige gewaltig in die Augen, und besorgten, sie möchte einmal zur Abtissinstelle erhoben werden. Damit sie aber solches hintertreiben möchten, gaben sie dieses Fräulein bei ihren hohen Verwandten fälschlich an (wiewohl unter dem Scheine einer sonderbaren Gunstbezeigung), als verhielte sie sich nicht so, wie ihr zustünde. Wie das die Frau von Stargard, jener Fräulein Mutter, erfahren, hat sie die Abtissin mit ihrer Fräulein Tochter und etlichen Jungfrauen zu sich nach Celle gebeten, und etliche Tage tractirt. Wie nun die Abtissin mit ihrem Fräulein wieder heimreisen wollen, ist ihr das Fräulein mit Gewalt vom Wagen gerissen, und ungeachtet alles Weinens zurückbehalten, da man ihr denn weltliche Kleidung angethan, welche sie zwar wider ihren Willen tragen müssen, jedoch ihre Klosterkleider allemal darunter behalten. Endlich ist sie nach einem Kloster, Ribbenitz genannt, allwo lauter adeliche Jungfrauen, gebracht worden, mit Vorwande, als wenn sie dort zu Wienhausen nicht strenge genug gehalten; mußte


(  ...  ) starb am 30. Mai (Nekrol.) 1439. Sie ist im Kreuzgange nächst der Kapelle Aller=Heiligen begraben (Chron. S. 13). Nach Inhalt des Chronikon (S. 13) soll Mechtild von Oppenhausen, welche in Urkunden von 1446 bis 17. September 1469 als Priorin erscheint, im Jahre 1440 zur Aebtissin gewählt sein, aber das Amt vor der Bestätigung ihrer Wahl resignirt haben. Katharina I. von Hoya Aebtissin in Urkunden vom 1. Novbr. 1442 bis 17. Septbr. 1469. Böttger zum Nekrolog des Klosters Wienhausen in der Zeitschrift des Histor. Vereins von Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1855, S. 254
1) Die Aebtissin Katharina von Hoya hatte 1442 die S. Annen=Kapelle erbauen und mit Kunstwerken reich schmücken lassen. Vgl. Mithoff Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte II, S. 13.
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also wider ihren Willen daselbst leben, und viel Widerwärtigkeit, Verachtung und Noth ausstehen, maaßen das Kloster von ihren hohen Eltern nichts zu genießen hatte und verlassen war".

"Hierüber betrübte sie sich gar sehr, wünschend aller Zeit, dem Kloster Wienhausen wieder einverleibt zu werden, sogar daß sie endlich wegen täglicher Bekümmerniß bettlägerig und sterbend krank ward. Endlich starb sie Anno 1498".

Während die Prinzessin Anna im Kloster Wienhausen lebte, gestalteten sich im Lande Meklenburg die Verhältnisse unerwartet traurig. Am 13. Julii 1471 starb Herzog Ulrich II., der letzte Fürst des Hauses Meklenburg=Stargard, und in diesem fürstlichen Hause waren nun zwei Wittwen und vier Töchter zu erhalten, während das Land an die Herzoge von Meklenburg=Schwerin gefallen war und diese sich um die hinterbliebenen Frauen wenig kümmerten. Die Herzogin Margarethe scheint in ihrem Leibgedinge sehr verkürzt worden zu sein, da sie sich im J. 1473 im Lande Lüneburg aufhielt und seit diesem Jahre die Behandlungen über ihre ihr bestrittenen Forderungen begannen.

In dem J. 1473, als die Herzogin Margarethe zu Celle war, lud sie die Aebtissin Susanne Pottstock (1470-1501) von Wienhausen mit einigen Klosterjungfrauen und ihrer Tochter Anna zu sich nach Celle und behielt diese mit Gewalt zurück, weil sie in Wienhausen, wie die wienhausensche Chronik berichtet, nicht strenge genug gehalten ward.

In demselben Jahre 1473 ward die Prinzessin Anna in das S. Claren=Kloster zu Ribnitz gegeben und für ihr Leben lang dem Klosterleben geweihet. Etwas anders stellt Slagghert die Sache dar, wenn auch in den Hauptsachen übereinstimmend mit der Chronik von Wienhausen. Während die Chronik von Wienhausen darstellt, wie die Prinzessin Anna im Lüneburgischen durch ihre Mutter aus dem lüneburgischen Kloster Wienhausen genommen ward, stellt die Chronik von Ribnitz dar, wie sie im Meklenburgischen durch die Herzoge von Meklenburg=Schwerin in das meklenburgische Kloster Ribnitz gegeben ward; die Veranlassung, wie Anna von Lüneburg nach Meklenburg gekommen sei, ob nach dem Willen ihrer Mutter oder auf Forderung des meklenburgischen Fürstenhauses, bleibt ungewiß. Genug, Anna ward von dem Herzoge Heinrich von Meklenburg=Schwerin und seiner Gemahlin Dorothea von Brandenburg, Mutterschwester der Herzogin Margarethe, mit Zustimmung ihrer Söhne, in das Kloster Ribnitz gegeben, "allwo

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lauter adelige Jungfrauen" waren und welches vorherrschend von Aebtissinnen aus dem fürstlichen Hause Meklenburg, damals von der Aebtissin Prinzessin Elisabeth (1467-1493), der jüngsten Tochter des Herzogs Heinrich und der Herzogin Dorothea, regiert ward. Die Herzogin Dorothea brachte die Prinzessin Anna selbst nach Ribnitz und "opferte sie" am Tage des heiligen Ludwig (19. August) 1473 im Kloster zu Ribnitz der heiligen Clara, "die Tage ihres Lebens daselbst zu bleiben". Anna blieb zuerst in weltlichen Kleidern in dem Kloster Ribnitz zwei Jahre lang. Slagghert berichtet hierüber also:

"Anno MCCCCLXXIII Jn deme dage sunte Ladewyeus des Biscoppes (Aug. 19) de hochghebaren vnd Jrluchtede Vorstynne Froychen Dorothea tho Mekelenborg quam tho Ribbenitz myt deme junghen Froychen Heren Hinrickes tho Stargardt syne dochter Froychen Anna, welcke nu in deme Closter Winhußen, so hir vor ock gesecht ys, hadde ghewest IV Jar lanck, vnd darsuluest, do se olt was VIII Jar, ys vthghenamen van Here vnd Hertich Hinrick vnd siner Vorstynnen Frowe Dorothea, dorch Vulborth ock Hertich Johans, Magnus vnd Balthaßar, syner Kinder, vnd hebben se geoffert tho Ribbenitz in dat Closter, Ordens der hilgen Moder vnd juncfrow sunte Claren, dar suluest tho blyuen, gade tho Leue vnd Salicheyt erer Selen de dage eres Leuendes, vnd also ys Froychen Anna van Stargart dar bleuen in eren werlyken Klederen IIH Jare lanck".

Am achten Tage nach dem Tage des heiligen Ludwig (26. Aug.) des Jahres 1475 ward Anna nach Verlauf von zwei Jahren mit großer Feierlichkeit als Nonne in dem Kloster Ribnitz eingekleidet, als sie in ihrem zehnten Lebensjahre stand. Slagghert sagt:

"Anno MCCCCLXXV in deme achten dage sunte Ladewyges des Byscoppes Froychen Anna, Hertich Hinrickes Dochter tho Stargardt, ys gecledet worden tho Ribbenitze, do se was in crem X Jare, myt groter Werdicheyt".

In dem Verzeichnisse der Wohltäter des Klosters Ribnitz wird von Slagghert auch aufgeführt:

"Froychen Anna, Hertich Hinrickes von Stargardt dochter, hir ghecledet".

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Bald begann die schwere Leidens= und Prüfungszeit für die arme Anna. Mit Recht sagt die Chronik von Wienhausen, die doch nur nach Gerüchten berichtet, sie habe in Ribnitz "wider ihren Willen leben und daselbst viel Widerwärtigkeit Verachtung und Noth ausstehen" müssen, obgleich sie dort unter dem unmittelbaren Schutze des Fürstenhauses lebte. Ihre Mutter konnte ihr auch nicht viel helfen, da sie selbst in der größten Bedrängniß lebte.

Noch lauter als die Beschwerden des Klosters Wienhausen sind die Klagen der Prinzessin Anna selbst. Am 7. August 1482 klagt sie 1 ) den Herzogen von Meklenburg, daß es ihr in allen Dingen sehr nothdürftig gehe und sie große Armuth leiden müsse, da sie mit keiner Geldhebung versorgt sei und oft Mangel an Lebensmitteln habe, vielmehr sich 20 Mark geliehen habe, weil sie sonst hätte Hunger und Durst leiden müssen, daß sie der Kleidung an Kappen (Nonnenkleidern), Decken, Unterröcken, Pelzen, Schuhen und vielen andern Dingen höchst bedürftig sei, und bittet die Herzoge ganz flehentlich, sich ihre Armuth zu Herzen gehen zu lassen und ihr zu ihrer Kleidung mit 16 Ellen schwarzen leidenschen und 20 Ellen weißen englischen Tuches, so wie mit 10 Gulden zu Hülfe zu kommen, damit sie ihre Noth kehren könne. - In Wahrheit ein sehr betrübendes Bild.

Es war also wohl kein Wunder, wenn sie nur Gedanken an ihre Kinderzeit und an das Kloster Wienhausen hatte, wo es ihr Wohl gegangen war, und daß sie in strenger Zucht, Noth und Widerwärtigkeit dahin siechte. "Hierüber", sagt die Chronik von Wienhausen, "betrübte sie sich gar sehr, wünschend alle Zeit, dem Kloster Wienhausen wieder einverleibt zu werden, sogar daß sie endlich wegen täglicher Bekümmerniß bettlägerig und sterbend krank ward. Endlich starb sie Anno 1498."

Zu derselben Zeit, im J. 1498 ward auch ihre Mutter, welche ebenfalls an allem Noth litt und allein nicht anständig mehr leben konnte, in das Kloster Wienhausen "einlogirt", um in stiller Zurückgezogenheit und knapper Beschränkung ihr Leben zu fristen.

Die Prinzessin Anna starb am 7. Januar 1498, erst 33 Jahre alt.

Kurz vor ihrem Tode ereignete sich im Kloster Wienhausen eine Geistererscheinung, welche wohl großes Aufsehen gemacht haben wird, da sie in der oben erwähnten Chronik des Klosters Wienhausen ausführlich also erzählt wird:


1) Vgl. Anlage.
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"Nach ihrem (der Prinzessin Anna) Tode hat sichs zugetragen, vielleicht aus göttlicher Schickung, daß sie in dem Kloster Wienhausen erschienen und gesagt: Sie wäre ein Mitglied selbiger Versammlung, man möchte das Gesicht ihrer Frau Mutter, die eben da war, hinterbringen und derselben Namen in ihr Todtenregister eintragen. Zu mehrer Beglaubigmig, daß sie die aus Traurigkeit verstorbene Stargerdin wäre, hat sie einer Jungfrau, die damals Sub=Priorin war, gesagt, ehe vier Wochen zu Ende, würde man sie zu Grabe tragen, wie auch geschehen".

So kam es auch wirklich, wenn man auch an die Geistererscheinung nicht glaubt, und ihr Name ward in das Todtenbuch des Klosters Wienhausen eingetragen. In dem Todtenbuche 1 ) des Klosters Wienhausen ist von gleichzeitiger Hand eingetragen:

Januar. Anna de Stergerde, nobilis reli-
E. giosa in monasterio Ribbenitse, or-
Epy. dinis sancte Clare, professa, quon-
dom. dam huic monasterio per tres annos
phiph. associata.

Nach dieser Eintragung starb also die Prinzessin Anna am 7. Januar 2 ) und nach der Chronik von Wienhausen im Jahre 1498, in demselben Jahre, in welchem ihre Mutter 3 ) in das Kloster Wienhausen zog, um dort zu leben und zu sterben.



1) Vgl. Nekrolog des Klosters Wienhausen, herausgegeben von H. Böttger in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1855, S. 199. Die Eintragung ist von der gleichzeitigen Hand 2.
2) Nach dem Cisiojanus (vgl. Jahrbücher des Vereins für meklenb. Geschichte, XXIII, S. 125 flgd , und Böttger a. a. O. S. 184) ist der Tag " phiph der Tag nach Ep(h)ipha ania, also der 7. Januar.
3) Vgl. oben S. 33 flgd.
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Anlage.


Die Prinzessin Anna von Meklenburg=Stargard, Nonne im Poster Ribnitz, bittet die Herzoge Magnus und Bthasar von Meklenburg=Schwerin um Unterstützung.

D. d. Ribnitz. 1482. Aug. 7.


Anghebaren leue vnde innich beth an ghod den heren alle tiid tho uoren. Hochghebarnen ffursten, alderleuesten heren vedderen, willet weten, dat wy ghesund vnde wol tho reke syn van den gnaden gades almechtich, desghelyen wy alle tiid begheren van juwen gnaden tho voreschende. Vortmer alderleuesten heren vedderen, willet weten, dat wy ghantz notroftich syn in allen dinghen vnde myt alle groten armut lyden, wente wy nerghen an besorghet syn tho borende vnde dut iar doch ghantz krap is vnde vaken brock hebben an vytallighen vnses klosters, des wy seer myssen moten vnde dut iar bauen twyntich sundessche mark upghelenth hebbe dan anderen iunckfrowen vnses klosters, de ik en schuldich byn, anders hadde ik vaken hungher vnde dorst lyden most. Ok alderleuesten heren vedderen, syn wy ghantz notroftich an vnser kledinghe in kappen, decken, in vnderrocken, in peltzen, in schoyen vnde in velen dinghen notroft lyden, des wy iuwen vedderliken gnaden nicht vterken schryuen konen. Worvmme, hochghebarnen ffursten, alderleuesten heren vedderen, bidde wy ghantz odmodighen, iuwe ffurstlike gnade syk vnsen armut laten tho herten ghan vnde vns tho hulpe kamen tho vnser kledynghe myt sosteyn elen swartes leydeschen wandes vnde twyntich elen wyth enghels, des wy ghantz grot behuff hebben, vnde vns ok mit tehn ghulden tho hulpe kamen, dar wy vnse noet mede keren. Wy

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willen sunder vnderlaet iuwer vedderliken gnade dach vnde nacht in vnsem innighen bede nicht vergheten, de wy gade almechtich beuelen ghesund tho langen vormeerden tiden. Gheschreuen vnder vnseme secrete, amme auende Ciriaci des hillighen mertelers, amme iare etc. . LXXXII.

Anna van gades gnaden amme Klaren=
kloster tho Ribbenitze, iuwer gnade arme
vedderke.

Den eddelen irluchteden hochghebarnen
ffursten vnde heren, heren Magno vnde
Baltasar, hertoghen tho Mekelnborch,
ffursten tho Wenden, greven tho Zwe=
rin, der lande Rostock vnde Stargharde
heren, vnsen alderleuesten heren vedd=
eren, andechtighen screuen.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. Haup=Archive zu Schwerin. Das Siegel fehlt.

 

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VI.

Jutta von Hoya,

Gemahlin

des Herzogs Johann IV. von Meklenburg-Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


W enn auch des Herzogs Johann IV. von Meklenburg=Schwerin erste Gemahlin Jutta, des Grafen Otto III. von Hoya ältere Tochter 1 ), nicht in unmittelbaren Beziehungen zu dem Kloster Wienhausen stand, so fühlte sie sich doch zu demselben hingezogen, da ihre Mutter eine Tochter des Herzogs Magnus II. von Braunschweig=Lüneburg und ihre Schwester Katharine Nonne und später Aebtissin dieses Klosters war. Der Graf Otto III. von Hoya hatte drei Töchter 1 ): Jutta, welche an den Herzog Johann IV. von Meklenburg=Schwerin vermählt ward, Ermengard, welche an den Herrn Conrad von Diepholz vermählt ward und, wahrscheinlich vor ihrer älteren Schwester, vor dem 25. Nov. 1416 starb, und Katharine, welche in das Kloster Wienhausen gegeben ward. Katharine erscheint schon 1412 in den Urkunden des Klosters Wienhausen als Klosterjungfrau daselbst; sie war darauf wiederholt Aebtissin daselbst,


1) Vgl. v. Hodenberg Hoyer Urkundenbuch, I, Hannover, 1855, Stammtafel und Urkundlicher Nachweis zur Stammtafel.
1) Vgl. v. Hodenberg Hoyer Urkundenbuch, I, Hannover, 1855, Stammtafel und Urkundlicher Nachweis zur Stammtafel.
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starb am 18. Februar 1474 und ward in der Allerheiligen=Kapelle im Kreuzgange begraben 1 ).

Jutta von Hoya ward im J. 1400 an den Herzog Johann IV. vermählt. Am 15. Dec. 1398 beurkundet der Graf Otto von Hoya und Brokhusen, daß er seine Tochter Jutta dem Herzoge Johann von Meklenburg zur Gemahlin geben wolle und die "Heimfahrt" 14 Tage nach dem nächsten Michaelistage in Schwerin stattfinden solle. Aus der Hochzeit ward aber zu der verabredeten Zeit nichts, da der Graf Otto dem Herzoge seine Tochter am 25. Julii 1399 noch ein Mal zur Ehe verspricht und das Beilager auf den Sonntag vor Fastnacht des nächstkommenden Jahres ansetzt. Ohne Zweifel geschah diese Hinausschiebung wegen der großen Jugend des verlobten Paares, indem der Graf im J. 1384 und des Herzogs Vater im J. 1377 geheiratet hatte. Im J. 1400 wird aber wohl zur festgesetzten Zeit die Vermählung vollzogen sein, da weiter keine Urkunden im schweriner Archive vorhanden sind. Am 24. Febr. 1405 verschrieb der Herzog Johann, mit seinem Oheim Albrecht, seiner Gemahlin Jutte (seiner "Hausfrau Jutte") zum Leibgedinge das Land Grevismühlen 2 ). Jutte ward aber nicht alt. Jm J. 1416 vermählte sich der Herzog Johann zum zweiten Male mit der Prinzessin Katharine von Sachsen=Lauenburg, welche nach dem frühen Tode ihres Gemahls († 1422) lange Zeit als Landesregentin für ihre minderjährigen Söhne bekannt ist; am 19. März 1417 ward sie vorläufig vom Banne dispensirt, in den sie wegen zu naher Verwandtschaft mit ihrem Gemahle gefallen war, und am 19. Novbr. 1417 ward ihr das Leibgedinge mit dem Lande Grevismühlen verschrieben.

In welchem Jahre Jutte gestorben sei, ist nicht bekannt. Als ihren Todestag giebt aber das Todtenbuch des Klosters Wienhausen den 7. October an. Wahrscheinlich wird sie nicht allzulange vor der zweiten Vermählung des Herzogs Johann gestorben sein, vielleicht im J. 1414. Jedenfalls scheint sie gestorben zu sein, nachdem ihre zweite Schwester Ermengard gestorben und ihre jüngste Schwester Katharina ins Kloster gegangen war, in welchem diese schon 1412 lebte. Denn Jutta schenkte bei ihrem Sterben, wohl zu Gunsten ihrer (bei ihrem Tode noch lebenden einzigen) Schwester und


1) Vgl. Böttger Nekrolog des Klosters Wienhausen a. a. O. S. 230 und 254.
2) Vgl. v. Hodenberg Hoyer Urkundenbuch, I, S. 215, Urkunde Nr. 359.
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zum Heil ihrer Seele ihren Schmuck dem Kloster Wienhausen, in welchem ihre Schwester lebte. Das Todtenbuch des Klosters Wienhausen 1 ) sagt:

October
Mar.
Nobilis domina Jutta ducissa de
Mecklingeborch, que dedit nobis
sua clenodia pro remedio anime sue.

 

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1) Vgl. Böttger Nekrolog des Klosters Wienhausen a. a. O. S. 222 und 245.