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Zur
Von
Professor Dr. Schaaffhausen in Bonn.
Hierzu eine Kupfertafel XVII.
A ls zu Anfang des Jahres 1857 der Fund eines menschlichen Skeletes in einer Kalkhöhle des Neanderthales bei Hochdal zwischen Düsseldorf und Elberfeld bekannt wurde, gelang es mir nur einen in Elberfeld gefertigten Gypsabguß der Hirnschale zu erhalten, über deren auffallende Bildung ich zuerst in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft für Natur= und Heilkunde in Bonn am 4. Febr. 1857 berichtet habe 1 ). Hierauf brachte Herr Dr. Fuhlrott aus Elberfeld, dem es zu danken ist, daß diese Anfangs für Thierknochen gehaltenen Gebeine in Sicherheit gebracht und der Wissenschaft erhalten worden sind, und dem es später gelang, die Knochen in seinen Besitz zu bringen, dieselben nach Bonn und überließ sie mir zur genaueren anatomischen Untersuchung. Bei Gelegenheit der Generalversammlung des naturhistorischen Vereins der preuß. Rheinlande und Westphalens in Bonn am 2. Juni 1857 2 )
Diese Abhandlung des Herrn Professors Dr. Schaaffhausen in Bonn, der schon in der Versammlung deutscher Naturforscher zu Bonn am 24. Septbr. 1857 einen Vortrag über die "Entwickelung des Menschengeschlechts und die Bildungsfähigkeit seiner Rassen" (gedruckt im Deutschen
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gab Herr Dr Fuhlrott eine ausführliche Darstellung des Fundortes und eine Beschreibung der Auffindung selbst; er glaubte diese menschlichen Gebeine als fossile bezeichnen zu dürfen und legte in dieser Beziehung besondern Werth auf die von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Mayer zuerst beobachteten Dendriten, welche diese Knochen überall bedecken. Dieser Mittheilung ließ ich einen kurzen Bericht über die von mir angestellte anatomische Untersuchuug der Knochen folgen, als deren Ergebniß ich die Behauptung aufstellte, daß die auffallende Form dieses Schädels für eine natürliche Bildung zu halten sei, welche bisher nicht bekannt geworden sei, auch bei den rohesten Rassen sich nicht finde, daß diese merkwürdigen menschlichen Ueberreste einem höheren Alterthume als der Zeit der Celten und Germanen angehörten, vielleicht von einem jener wilden Stämme des nordwestlichen Europa herrührten, von denen römische Schriftsteller Nachricht geben und welche die indogermanische Einwanderung als Autochthonen vorfand, und daß die Möglichkeit, diese menschlichen Gebeine stammten aus einer Zeit, in der die zuletzt verschwundenen Thiere des Diluvium auch noch lebten, nicht bestritten werden könne, ein Beweis für diese Annahme, also für die sogenannte Fossilität der Knochen, in den Umständen der Auffindung aber nicht vorliege. Da Herr Dr. Fuhlrott eine Beschreibung derselben noch nicht veröffentlicht hat, so entlehne ich einer brieflichen Mittheilung desselben die folgenden Angaben: "Eine kleine, etwa 15 Fuß tiefe, an der Mündung 7 bis 8 Fuß breite, mannshöhe Höhle oder Grotte liegt in der südlichen
Museum von R. Prutz, 1858, Nr. 5) gehalten hat, ist durch das Studium der ältesten menschlichen Schädel in der Sammlung des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin, welche dem Herrn Verfasser bereitwillig zur Vergleichung übersandt sind, kräftig befördert worden und fühlt der Verein sich gegen den Herrn Verfasser für die wissenschaftliche Bestimmung dieser merkwürdigen und wichtigen Schädel zum lebhaften Danke verpflichtet. Dagegen hat es sowohl der Herr Verfasser gütigst erlaubt, diese für unsern Verein und für die Alterthumsforschung so wichtige Abhandlung, welche im
Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, herausgegeben von wail. Dr. Johannes Müller, Jahrgang 1858, Heft 5, S. 453 - 478, Verlag von Veit und Comp.,
erschienen ist, für unsere Jahrbücher zu benutzen, als auch der Herr Verleger Dr. Veit zu Berlin mit höchst anerkennenswerther Bereitwilligkeit nicht allein seine Zustimmung dazu gegeben, sondern auch dem Vereine für dessen Jahrbücher eine Auflage von 750 Exemplaren des Kupferstiches der Schädel gegen den niedrigen Kostenpreis des Mehrabdrucks für den Kupferdrucker überlassen hat. Den Herren Dr. Schaaffhausen und Dr. Veit gebührt daher der warme Dank des Vereins.
Die Redaction.
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Wand der sogenannten Neanderthaler Schlucht, etwa 100 Fuß von der Düssel entfernt und etwa 60 Fuß über der Thalsohle des Baches. In ihrem früheren unversehrten Zustande mündete dieselbe auf ein schmales ihr vorliegendes Plateau, von welchem dann die Felswand fast senkrecht in die Tiefe abschoß, und war von oben herab, wenn auch mit Schwierigkeit, zugänglich. Ihre unebene Bodenfläche war mit einer 4 bis 5 Fuß mächtigen, mit rundlichen Hornstein=Fragmenten sparsam gemengten Lehmablagerung bedeckt, bei deren Wegräumung die fraglichen Gebeine, und zwar von der Mündung der Grotte aus zuerst der Schädel, dann weiter nach Innen in gleicher horizontaler Lage mit jenem die übrigen Gebeine aufgefunden wurden. So haben zwei Arbeiter, welche die Ausräumung der Grotte besorgt und die von mir an Ort und Stelle darüber vernommen wurden, auf das Bestimmteste versichert. Die Knochen wurden anfänglich gar nicht für menschliche gehalten, und erst mehrere Wochen nach ihrer Auffindung von mir dafür erkannt und in Sicherheit gebracht. Weil man aber die Wichtigkeit des Fundes nicht achtete, so verfuhren die Arbeiter beim Einsammeln der Knochen sehr nachlässig und sammelten vorzugsweise die größeren, welchem Umstande es zuzuschreiben, daß das wahrscheinlich vollständige Skelett nur sehr fragmentarisch in meine Hände gekommen ist".
Das Ergebniß der von mir vorgenommenen anatomischen Untersuchung dieser Gebeine ist das folgende.
Die Hirnschale ist von ungewöhnlicher Größe und von lang elliptischer Form. Am meisten fällt sogleich als besondere Eigenthümlichkeit die außerordentlich starke Entwickelung der Stirnhöhlen auf, wodurch die Augenbrauenbogen, welche in der Mitte ganz mit einander verschmolzen sind, so vorspringend werden, daß über oder vielmehr hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einsenkung zeigt und ebenso in der Gegend der Nasenwurzel ein tiefer Einschnitt gebildet wird. Die Stirn ist schmal und flach, die mittleren und hinteren Theile des Schädelgewölbes sind indessen gut entwickelt. Leider ist die Hirnschale nur bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand des Stirnbeins und der sehr stark ausgebildeten und fast zu einem horizontalen Wulst vereinigten oberen halbkreisförmigen Linie der Hinterhauptsschuppe erhalten; sie besteht aus dem fast vollständigen Stirnbein, beiden Scheitelbeinen, einem kleinen Stücke der einen Schläfenschuppe und dem obern Drittheil des Hinterhauptbeins. Frische Bruchflächen an den Schädelknochen beweisen, daß der Schädel beim Auffinden zerschlagen worden ist. Die Hirnschale faßte 16876 Gran Wasser,
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woraus sich ein Inhalt von 57,64 K. Z. = 1033,24 C. C. M. berechnet. Hierbei stand der Wasserspiegel gleich mit der obern Orbitalwand des Stirnbeins, mit dem höchsten Ausschnitt des Schuppenrandes der Scheitelbeine und mit den oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts. Mit Hirse gemessen war der Inhalt gleich 31 Unzen Preuß. Med. Gew. Die halbkreisförmige Linie, welche den obern Ansatz des Schläfenmuskels bezeichnet, ist zwar nicht stark entwickelt, reicht aber bis über die Hälfte der Scheitelbeine hinauf. Auf dem rechten Orbitalrande befindet sich eine schräge Furche, die auf eine Verletzung während des Lebens deutet; auf dem rechten Scheitelbein eine erbsengroße Vertiefung. Die Kronennaht und die Pfeilnaht sind außen beinahe, auf der Innenfläche des Schädels spurlos verwachsen, die lambdaförmige Naht indessen gar nicht. Die Gruben für die Pachionischen Drüsen sind tief und zahlreich; ungewöhnlich ist eine tiefe Gefäßrinne, die gerade hinter der Kronennaht liegt und in einem Loche endigt, also den Verlauf einer vena emissaria bezeichnet. Die Stirnnaht ist äußerlich als eine leise Erhebung bemerklich; da wo sie auf die Kronennaht stößt, zeigt auch diese sich wulstig erhoben, die Pfeilnaht ist vertieft und über der Spitze der Hinterhauptsschuppe sind die Scheitelbeine eingedrückt. Die Länge des Schädels von dem Nasenfortsatz über den Scheitel bis zu den oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts gemessen,
beträgt | 303 | Mm. |
Länge des Schädeldurchmessers von der Glabella bis zum Hinterhaupte | 203 | " |
der Umfang der Hirnschale über die Augenbrauenbogen und die obern halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts so gemessen, daß das Band überall anlag | 590 | " |
Breite des Stirnbeins von der Mitte des Schläfengrubenrandes einer Seite zur andern | 104 | " |
Länge des Stirnbeins vom Nasenfortsatz bis zur Kronennaht | 133 | " |
Größte Breite der Stirnbeinhöhlen | 25 | " |
Scheitelhöhe über der Linie, welche den höchsten Ausschnitt der Schläfenränder beider Scheitelbeine verbindet | 70 | " |
Breite des Hinterhaupts von einem Scheitelhöcker zum andern | 138 | " |
Die Spitze der Schuppe ist von der obern halbkreisförmigen Linie des Hinterhaupts entfernt | 51 | " |
Dicke des Schädels in der Gegend der Scheitelhöcker | 8 | " |
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an der Spitze der Hinterhauptsschuppe | 9 | Mm. |
in der Gegend der oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts | 10 | " |
Außer der Hirnschale sind folgende Knochen vorhanden:
1) Die zwei ganz erhaltenen Oberschenkelbeine; sie zeichnen sich wie die Hirnschale und alle übrigen Knochen durch ungewöhnliche Dicke und durch die starke Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leisten, die dem Ansatze der Muskeln dienen, aus. In dem anatomischen Museum von Bonn befinden sich als sogenannte Riesenknochen zwei Oberschenkelbeine aus neuerer Zeit, mit denen die vorliegenden an Dicke ziemlich genau übereinstimmen, wiewohl sie an Länge von jenen übertroffen werden.
Länge der Riesenknochen | 542 | Mm. | Länge dieser | 438 | Mm. |
Dicke des Oberschenkelkopfes im Durchmesser | 54 | " | bei diesen | 53 | " |
Dicke des untern Gelenkendes von einem Condylus zum andern | 89 | " | bei diesen | 87 | " |
Dicke des Oberschenkelknochens in der Mitte | 33 | " | bei diesen | 30 | " |
2) Ein ganz erhaltener rechter Oberarmknochen, dessen Größe ihn als zu den Oberschenkelknochen gehörig erkennen läßt.
Länge des Oberarmbeins | 312 | Mm. |
Dicke in der Mitte desselben | 26 | " |
Durchmesser des Gelenkkopfes | 49 | " |
Ferner eine vollständige rechte Speiche von entsprechender Größe und das obere Drittheil eines rechten Ellenbogenbeins, welches zum Oberarmbein und zur Speiche paßt.
3) Ein linkes Oberarmbein, an dem das obere Drittheil fehlt und welches so viel dünner ist, daß es von einem andern Menschen herzurühren scheint; ein linkes Ellenbogenbein, das zwar vollständig, aber krankhaft verbildet ist, in dem der proc. coronoideus durch Exostose so vergrößert ist, daß die Beugung gegen den Oberarmknochen, dessen zur Aufnahme jenes Fortsatzes bestimmte fossa ant. major auch durch Knochenwucherung verschwunden ist, nur bis zum rechten Winkel möglich war. Dabei ist der proc. anconaeus stark nach unten gekrümmt. Da der Knochen keine Spuren rhachitischer Erkrankung zeigt, so ist anzunehmen, daß eine Verletzung während des Lebens Ursache der Ankylose war. Diese linke Ulna mit dem rechten Radius verglichen läßt auf den ersten Blick vermuthen, daß beide Knochen verschiedenen Individuen angehört
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haben, denn die Ulna ist für die Verbindung mit einem solchen Radius um mehr als einen halben Zoll zu kurz. Aber es ist klar, daß diese Verkürzung so wie die Schwäche des linken Oberarmbeins Folgen der angeführten krankhaften Bildung sind.
4) Ein linkes Darmbein, fast vollständig und zu dem Oberschenkelknochen gehörig, ein Bruchstück des rechten Schulterblattes, ein fast vollständiges rechtes Schlüsselbein, das vordere Ende einer Rippe rechter Seite und dasselbe einer Rippe linker Seite, ein hinteres Rippenstück von der rechten Seite, endlich zwei kurze hintere und ein mittleres Rippenstück, die ihrer ungewöhnlichen abgerundeten Form und starken Krümmung wegen fast mehr Aehnlichkeit mit den Rippen eines Fleischfressers als mit denen des Menschen haben. Doch wagte auch Herr H. v. Meyer, um dessen Urtheil ich gebeten, nicht, sie für Thierrippen zu erklären, und es bleibt nur anzunehmen übrig, daß eine ungewöhnlich stark entwickelte Muskulatur des Thorax diese Abweichung der Form bedingt hat.
Die Knochen kleben sehr stark an der Zunge, der Knochenknorpel ist indessen, wie die chemische Behandlung derselben mit Salzsäure lehrt, zum größten Theil erhalten, nur scheint derselbe jene Umwandlung in Leim erfahren zu haben, welche v. Bibra an fossilen Knochen beobachtet hat. Die Oberfläche aller Knochen ist an vielen Stellen mit kleinen schwarzen Flecken bedeckt, die, namentlich mit der Loupe betrachtet, sich als sehr zierliche Dendriten erkennen lassen und zuerst von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Mayer hierselbst an denselben beobachtet worden sind. Auf der innern Seite der Schädelknochen sind sie am deutlichsten. Sie bestehen aus einer Eisenverbindung und ihre schwarze Farbe läßt Mangan als Bestandtheil vermuthen. Derartige dendritische Bildungen finden sich nicht selten auch auf Gesteinschichten und kommen meist auf kleinen Rissen und Spalten hervor. Mayer theilte in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft in Bonn am 1. April 1857 mit, daß er im Museum zu Poppelsdorf an mehreren fossilen Thierknochen, namentlich von Ursus spelaeus, solche dendritische Krystallisationen gefunden habe, am zahlreichsten und schönsten aber an den fossilen Knochen und Zähnen von Equus adam., Elephas primig. u. s. w. aus den Höhlen von Balve und Sundwig; eine schwache Andeutung solcher Dendriten zeigte sich an einem Römerschädel aus Siegburg, während andere alte Schädel, die Jahrhunderte lang in der Erde gelegen, keine Spur derselben zeigten 1 ). Herrn H. v. Meyer verdanke ich darüber
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folgende briefliche Bemerkung: "Interessant ist die bereits begonnene Dendritenbildung, die ehedem als ein Zeichen wirklich fossilen Zustandes angesehen wurde. Man glaubte namentlich bei Diluvialablagerungen sich der Dendriten bedienen zu können, um etwa später dem Diluvium beigemengte Knochen von den wirktich diluvialen mit Sicherheit zu unterscheiden, indem man die Dendriten ersteren absprach. Doch habe ich mich längst überzeugt, daß weder der Mangel an Dendriten für die Jugend, noch deren Gegenwart für höheres Alter einen sichern Beweis abgiebt. Ich habe selbst auf Papier, das kaum über ein Jahr alt sein konnte, Dendriten wahrgenommen, die von denen auf fossilen Knochen nicht zu unterscheiden waren. So besitze ich auch einen Hundeschädel aus der römischen Niederlassung des benachbarten Heddersheim, Castrum Hadrianum, der von den fossilen Knochen aus den fränkischen Höhlen sich in nichts unterscheidet, er zeigt dieselbe Farbe und haftet an der Zunge wie diese, so daß auch dieses Kennzeichen, welches auf der frühern Versammlung der deutschen Naturforscher in Bonn zu ergötzlichen Scenen zwischen Buckland und Schmerling führte, seinen Werth verloren hat. Es läßt sich sonach in streitigen Fällen kaum durch die Beschaffenheit des Knochens mit Sicherheit entscheiden, ob er fossil, eigentlich ob ihm ein geologisches Alter zustehe, oder ob er aus historischer Zeit stamme".
Da wir die Vorwelt nicht mehr wie einen ganz andern Zustand der Dinge betrachten können, aus dem kein Uebergang in das organische Leben der Gegenwart stattfand, so hat die Bezeichnung der Fossilität eines Knochens nicht mehr den Sinn wie zu Cuvier's Zeit. Es sind der Gründe genug vorhanden für die Annahme, daß der Mensch schon mit den Thieren des Diluviums gelebt hat, und mancher rohe Stamm mag vor aller geschichtlichen Zeit mit den Thieren des Urwaldes verschwunden sein, während die durch Bildung veredelten Rassen das Geschlecht erhalten haben. Die vorliegenden Knochen besitzen Eigenschaften, die, wiewohl sie nicht entscheidend für ein geologisches Alter sind, doch jedenfalls für ein sehr hohes Alter derselben sprechen. Es sei noch bemerkt, daß, so gewöhnlich auch das Vorkommen diluvialer Thierknochen in den Lehmablagerungen der Kalkhöhlen ist, solche bis jetzt in den Höhlen des Neanderthales nicht gefunden worden sind, und daß die Knochen unter einem nur 4 bis 5 Fuß mächtigen Lehmlager ohne eine schützende Stalagmitendecke den größten Theil ihrer organischen Substanz behalten haben.
Diese Umstände können gegen die Wahrscheinlichkeit eines geologischen Alters angeführt werden. Auch würde es nicht
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zu rechtfertigen sein, in dem Schädelbau etwa den rohesten Urtypus des Menschengeschlechtes erkennen zu wollen, denn es giebt von den lebenden Wilden Schädel, die, wenn sie auch eine so auffallende Stirnbildung, die in der That an das Gesicht des großen Affen erinnert, nicht aufweisen, doch in anderer Beziehung, z. B. in der größeren Tiefe der Schläfengruben und den grätenartig vorspringenden Schläfenlinien und einer im Ganzen kleineren Schädelhöhle, auf einer eben so tiefen Stufe der Entwickelung stehen. Die stark eingedrückte Stirn für eine künstliche Abflachung zu halten, wie sie bei rohen Völkern der neuen und alten Welt vielfach geübt wurde, dazu fehlt jeder Anlaß; der Schädel ist ganz symmetrisch gebildet, während nach Morton an den Flachköpfen des Columbia Stirn und Scheitelbeine immer unsymmetrisch sind, und zeigt keine Spur eines Gegendrucks in der Hinterhauptsgegend. Seine Bildung zeigt jene geringe Entwickelung des Vorderkopfes, die so häufig schon an sehr alten Schädeln gefunden wurde und einer der sprechendsten Beweise für den Einfluß der Cultur und Civilisation auf die Gestalt des menschlichen Schädels ist. Abbé Frère 1 ), dessen Schädelsammlung aus den verschiedenen Jahrhunderten unserer Zeitrechnung jetzt in dem neuen anthropologischen Museum des Jardin des Plantes zu Paris aufgestellt ist, kam zu dem Ergebniß, daß bei den ältesten Schädeln das Hinterhaupt am stärksten, die Stirngegend am schwächsten entwickelt sei, und die zunehmende Erhebung dieser den Uebergang roher Völker zur Civilisation kundgebe. Schon Blumenbach fand einen alten Dänenschädel, dessen Gesichtswinkel so gering war wie beim Neger. In den Grabhügeln bei Amberg in der Oberpfalz, bei Witterswyl in der Schweiz und an andern Orten in Deutschland sind Schädel mit auffallend geringer Entwickelung des Vorderhauptes gefunden worden 2 ). Hyrtl beschreibt einen in Hallstadt gefundenen Celtenschädel, es ist ein Langkopf mit geradem Gebiß, die Schneide= und Mahlzähne sind ganz abgenutzt, das Stirnbein stark nach hinten geneigt 3 ). Die in Nieder=Oesterreich bei Grafenegg und später zu Atzgersdorf gefundenen Schädel mit niederliegender Stirn werden für Avarenschädel gehalten, aber ihre sehr abweichende Form, die sie den Peruanerschädeln ähnlich macht, und die sich auch an den von Rathke und Meyer in dieser
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Zeitschrift beschriebenen Schädelbruchstücken aus der Krimm wiederfindet, ist durch künstliche Entstellung hervorgebracht 1 ). Auch in vielen Fällen, wo Menschenknochen als die ältesten Spuren von dem Dasein unseres Geschlechtes auf der Erde mit den Knochen ausgestorbener Thiere zusammenliegend gefunden worden sind, zeigte sich eine unentwickelte primitive Schädelform. Unter den Schädeln, die Schlotheim aus den Gypshöhlen bei Köstritz sammelte, fand Link einen mit merwürdiger Abplattung der Stirn. Lund fand in einer Knochenhöhle Brasiliens Menschenschädel mit vorweltlichen Thierknochen gemengt, die eine gleich vom Gesicht an zurückweichende Stirn zeigten, eine Bildung, die man auch auf alten mexikanischen Denkmalen dargestellt sieht. Castelnau hat in Felsenhöhlen der peruanischen Anden Menschenschädel von ähnlicher stark nach hinten verlängerter Form unter denselben Verhältnissen entdeckt. Schmerling nennt den in der Höhle von Engis bei Lüttich mit fossilen Thierknochen gefundenen Schädel länglich, mit geringer Erhebung und Schmalheit des Stirnbeins und einer Form der Augenhöhlen, die ihn mehr dem Negerschädel als dem des Europäers nähert. Spring hat in der Höhle von Chavaux bei Namur unter zahlreichen zerbrochenen Menschenknochen die Hälfte eines Schädels gefunden, dessen Stirn so zurückweichend, die Aveolarbogen so vorstehend waren, daß der Gesichtswinkel nicht mehr als 70° betrug. Die Angaben Rasoumovsky's über die am Calvarienberge bei Baden gefundenen angeblich fossilen Schädel, die bald mit dem Neger =, bald mit dem Caraibenschädel verglichen wurden, hat Fitzinger berichtigt und dieselben mit Hyrtl nach der von Retzius gegebenen Beschreibung des Czechenschädels für Slavenschädel erklärt 2 ).
In= und ausländische Zeitschriften brachten einen Bericht über die 1853 in Tübingen abgehaltene Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, wonach Fraas daselbst einen versteinerten Menschenschädel aus der schwäbischen Alp von länglicher Form mit vorspringendem Gebiß, abgeriebenen Zähnen, zurückliegendem Stirnbein, starken Stirnhöhlen und stark entwickelten Muskelansätzen vorgezeigt haben sollte 3 ). Dieser Bericht ist irrig und beruht auf einer Verwechslung. Es wurden bei jener Gelegenheit alte Schädel aus keltischen Grä=
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bern von Sigmaringen vorgezeigt, und dann war von den angeblich fossilen Menschenzähnen der Bohnerzgruben von Melchingen in der schwäbischen Alp die Rede 1 ).
Die ungewöhnliche Entwickelung der Stirnhöhlen an dem so merkwürdigen Schädel aus dem Neanderthale nur für eine individuelle oder pathologische Abweichung zu halten, dazu fehlt ebenfalls jeder Grund; sie ist unverkennbar ein Rassentypus und steht mit der auffallenden Stärke der übrigen Knochen des Skeletes, welche das gewöhnliche Maaß um etwa 1/3 übertrifft, in einem physiologischen Zusammenhange. Diese Ausdehnung der Stirnhöhlen, welche Anhänge der Athemwege sind, deutet ebenso auf eine ungewöhnliche Kraft und Ausdauer der Körperbewegungen, wie die Stärke aller Gräten und Leisten, welche dem Ansatze der Muskeln dienen, an diesen Knochen darauf schließen läßt. Daß große Stirnhöhlen und eine dadurch veranlaßte stärkere Wölbung der untern Stirngegend diese Bedeutung haben, wird durch andere Beobachtungen vielfach bestätigt. Dadurch unterscheidet sich nach Pallas das verwilderte Pferd vom zahmen, nach Cuvier der fossile Höhlenbär von jeder jetzt lebenden Bärenart, nach Roulin das in Amerika verwilderte und dem Eber wieder ähnlich gewordene Schwein von dem zahmen, die Gemse von der Ziege, endlich die durch den starken Knochen= und Muskelbau ausgezeichnete Bulldogge von allen andern Hunden. An dem vorliegenden Schädel den Gesichtswinkel zu bestimmen, der nach R. Owen auch bei den großen Affen wegen der stark vorstehenden obern Augenhöhlengräte schwer anzugeben ist, wird noch dadurch erschwert, weil sowohl die Ohröffnung als der Nasenstachel fehlt; benutzt man die zum Theil erhaltene obere Augenhöhlenwand zur richtigen Stellung des Schädels gegen die Horizontalebene und legt man die aufsteigende Linie an die Stirnfläche hinter dem Wulste der Augenbrauenbogen, so beträgt der Gesichtswinkel nicht mehr als 56°. Leider ist nichts von den Gesichtsknochen erhalten, deren Bildung für die Gestalt und den Ausdruck des Kopfes so bestimmend ist. Die Schädelhöhle läßt mit Rücksicht auf die ungemeine Kraft des Körperbaues auf eine geringe Hirnentwickelung schließen. Die Hirnschale faßt 31 Unzen Hirse; da für die ganze Hirnhöhle nach Verhältniß der fehlenden Knochen des Schädelgrundes etwa 6 Unzen hinzuzurechnen wären, so würde sich ein Schädelinhalt von 37 Unzen Hirse ergeben. Tiedemann giebt für den Schädelinhalt von Negern 40, 38 und 35 Unzen
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Hirse an. Wasser faßt die Hirnschale etwas mehr als 35 Unzen, welche einem Inhalt von 1033,24 C. C. M. entsprechen.
Huschke führt den Schädelinhalt einer Negerin mit 1127 C. C. M., den eines alten Negers mit 1146 C. C. M. an. Der Inhalt von Malaienschädeln mit Wasser gemessen ergab 36 bis 33 Unzen, der der klein gebaueten Hindus vermindert sich sogar bis zu 27 Unzen.
Es mußte von größtem Interesse sein, zu erfahren, ob eine ähnliche Schädelbildung schon beobachtet sei, ob sie vielleicht auch gerade an Schädeln, denen ein hohes Alter zuzuschreiben ist, vorkomme, ob bei einem Funde dieser Art vielleicht Beobachtungen gemacht wurden, die im Stande sind, das Ergebniß der vorstehenden Untersuchung zu ergänzen, die daraus gezogenen Schlüsse zu bestätigen oder zu widerlegen. Starke Stirnhöhlen kommen freilich zuweilen an Schädeln vor, aber das sind immer nur schwache Andeutungen der auffallenden Bildung, die dem vorliegenden Schädel einen so thierischen Ausdruck giebt. In den Museen des Collegiums der Wundärzte in London, des Pflanzengartens in Paris, der Universitäten in Göttingen, Berlin und Bonn ist nichts vorhanden, was sich damit vergleichen ließe; die durch Retzius, Eschricht u. A. beschriebenen altnordischen Schädel zeigen auch eine solche Bildung nicht. Bemerkenswerth und für die Deutung dieser Bildung wichtig ist es indessen, daß ein, wenn auch viel geringeres Vortreten der Augenbrauenbogen zumeist an den Schädeln wilder Rassen, so wie an sehr alten Schädeln gefunden worden ist. So bildet Sandifort 1 ) einen Schädel von einem Nord=Amerikaner aus einem alten Grabe am New=Norfolksunde als Cranium Schitgagani ab mit ähnlichem, aber weit unbedeutenderem Vortreten der Augenbrauenbogen. In Morton's Werke 2 ) zeigen ungewöhnlich stark entwickelte Augenbrauenbogen der Peruaner, tab. 6, die Mexikaner, tab. 16, 17, 18, der Seminole, tab. 24, und die Schädel anderer Stämme auf tab. 25, 34, 35, 36, 37, 52, 57, 63 und 66, von diesen sind einige alten Gräbern entnommen. Lucae 3 ) bildet einen sehr thierischen Papusschädel der Senkenbergischen Sammlung ab mit starken zusammenlaufenden Arcus superciliares. Schon Bory St. Vincent gab als Kennzeichen des celtischen Stammes eine verlängerte Schädelform, gegen die Schläfe etwas niedergedrückte Stirn, tiefe Einsenkung zwischen
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Stirn und Nase, sehr ausgesprochene Augenbrauenbogen und abgenutzte Zähne an. Eschricht untersuchte die Schädel aus den Hünengräbern der Insel Möen 1 ), dieselben sind auffallend klein, besonders der Gesichtstheil, das Hinterhaupt sehr kurz, die Augenhöhlen ungewöhnlich klein, die Augenbrauenbogen dagegen ungemein groß, die Nasenknochen stehen stark hervor und zwischen Augenbrauenbogen und Nasenknochen ist eine so tiefe Einsenkung, daß sie den Zeigefinger eines Erwachsenen in sich aufnehmen kann, die Spuren der Gesichtsmuskeln sind stark ausgeprägt, die Zahnhöhlenränder vorstehend, die Zähne quer abgenutzt. Später erhielt Eschricht aus den Hünengräbern von Möen ganz anders geformte Schädel von bedeutender Länge, vortretendem Hinterhaupt, platt eingedrücktem Scheitel, wenig ausgeprägten Gesichtszügen; ein solcher von der dänischen Insel Työr hat am Hinterhaupt einen Knochenstachel, seine 20 3/4 Zoll langen Schenkelknochen deuten auf eine Körperlänge von 6 Fuß 3 Zoll. Prichard hat einen runden Schädel mit wulstigen Augenbrauenbogen aus der Sammlung des Collegiums der Wundärzte als Cimbernschädel abgebildet 2 ). Ein zu Nogent les vierges, Oise=Dep., in einem alten Grabe gefundener Schädel hat, wie ein ähnlicher von Auduze, eine verlängerte Form, gegen die Schläfen niedergedrückte Stirn, starke Augenbrauenbogen, abgenutzte Zähne 3 ). Der brachycephalische alte Brittenschädel aus Ballidon Moor, den Davis beschreibt 4 ), hat große Stirnhöhlen, vorragende Augenbrauenhöcker und starke Spuren der Muskelwirkung an den Gesichtsknochen; weniger stark ist das Vortreten der Orbitalgegend an dem ebenfalls runden altbrittischen Schädel, den Retzius beschreibt; auch ein altirländischer Schädel von rundlicher Form zeigt große, vor die Stirn vorspringende und untereinander zusammenlaufende Augenbrauenbogen und eine niedrige Stirn 5 ). Wie Nilsson für die Urbewohner Skandinaviens einen ältesten brachycephalischen und einen jüngern dolichocephalischen Typus der Schädelbildung annimmt, indem die langovalen Schädel der ersten Art in Gräbern mit metallenen Waffen gefunden werden, die kleinen rundlichen Schädel der zweiten Art aus ältern Gräbern mit Steinwaffen und Knochengeräthen stammen, so behauptet
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D. Wilson auch für Schottland zwei Rassen, die den Celten vorausgegangen sein sollen; der von ihm beschriebene Schädel von Fifeshire ist länglich schmal, der dolichocephalischen Rasse Skandinaviens entsprechend, der von Montrose rund mit besserer Stirnbildung, beide zeigen starke Stirnhöhlen 1 ). Die in Cannstadt bei der Uffkirche vor einigen Jahren ausgegrabenen Schädel, die in germanischen Gräbern mit Thongefäßen, Waffen und Schmuckgegenständen gefunden worden sind, welche keine Spur römischer Kunst zeigten, und von denen mir zwei durch die Güte des Herrn Hofrath Dr. Veiel zugesandt waren, sind von länglicher Form, mit geradem Gebiß, stark vorstehendem Hinterkopf, großen namentlich von oben nach unten erweiterten Augenhöhlen, die Augenbrauenhöcker sind wulstig vorspringend, die Nasenwurzel tief eingeschnitten. Fünf altdeutsche Schädel von Selsen, die sich in römisch=germanischen Museum zu Mainz befinden und von denen zwei prognathes Gebiß haben, zeigen dieselben wulstigen Augenbrauenbogen, ebenso ein daselbst befindlicher, in Oberingelheim ohne jede Zugabe von Waffen tief in der Erde gefundener sehr alter Schädel, sowie ein vor kurzem bei Engers am Rhein auf einer seit längerer Zeit bekannten alten Grabstätte gefundener Schädel germanischer Abkunft. In dem Museum zu Poppelsdorf befindet sich ein Schädel, auf dem von des verstorbenen Goldfuß Hand die Worte "aus vulkanischem Tuff" geschrieben stehen, ohne daß über dessen Herkunft irgend etwas Näheres zu ermitteln wäre. Er hat die beträchtliche Länge von 198 Mm., von der Glabella bis zur vorspringenden Hinterhauptsschuppe gemessen, die Stirn ist kurz und etwas zurückliegend, die Augenbrauenbogen wulstig und verschmolzen, die Augenhöhlen sehr weit, der Oberkiefer prognath, die Muskelansätze an den Gesichtsknochen stark ausgeprägt, von den Nähten ist nur die Pfeilnaht verwachsen, die Knochen sind dünn, theilweise kalcinirt, sie kleben stark an der Zunge, der Unterkiefer fehlt. Auch mehrere der bei Sigmaringen gefundenen, der fürstlichen Sammlung daselbst angehörigen und durch Vermittelung des Herrn Dr. Fuhlrott an mich gelangten germanischen Schädel haben starke Augenbrauenbogen, aber mehr oder weniger gut entwickelte Stirngegend und gute Gesichtswinkel, wie denn auch die in der Stuttgarter Sammlung befindlichen Sinsheimer Schädel eine edle kaukasische Bildung zeigen. Es ist gewiß, daß schon im Alterthum die verschiedenen germanischen Stämme, je nachdem sie ihre Abstammung rein erhalten oder mit den Resten einer Urbe=
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völkerung oder gar mit römischem Blute sich vermischt hatten und je nachdem sie eine rohe oder schon gesittetere Lebensweise führten, eine verschiedene Körperbeschaffenheit so wie Gesichts und Kopfbildung hatten. Die Verschiedenheit der Schädelbildung spricht sich am meisten in der stärkeren oder geringeren Entwickelung des Vorderkopfes und in der Stellung des Gebisses aus, das zuweilen etwas vorspringend ist, wie es noch jetzt bei einigen deutschen Stämmen, z. B. in Hessen und dem Westerwald, nicht selten gefunden wird. Huschke 1 ) bildet einen unter der Stadtkirche zu Jena mit mehreren anderen von derselben eigenthümlichen Form gefundenen Schädel als Eimbernschädel ab, er ist dem Negerschädel ähnlich, von dem er sich aber durch das gerade Gebiß und die senkrechte Stirn unterscheidet, die Orbitalgegend ist wenig vortretend, die halbkreisförmige Schläfenlinie reicht bis 1 Zoll Abstand von der Pfeilnaht hinauf; seine Länge beträgt 196 Mm. Retzius 2 ) beschreibt Schädel aus uralten, tausendjährigen skandinavischen Gräbern als langoval mit stark verlängertem Hinterhaupte, guter Stirn, geraden Zähnen, mit dem heutigen Schwedenschädel fast übereinstimmend; ein alter norwegischer und ein isländischer Schädel hatten dieselbe Form. Später hat Retzius 3 ) die kleinen runden Schädel aus sehr alten Gräbern mit steinernen Waffen als Schädel der Iberier beschrieben, er rechnet dahin die von Eschricht und Nilsson in alten Grabhügeln gefundenen Schädel, auch den von Wilde abgebildeten angeblich fossilen irländischen, der bei Dublin gefunden ist, und noch zwei andere ebendaselbst gefundene; auch die bei Meudon und Marly im Jahre 1845 von Serres mit steinernen Geräthen ausgegrabenen Schädel. Derselbe Forscher führt in seiner Abhandlung über die Schädelform der Nordbewohner an, daß die Augenbrauenhöcker bei den jetzigen Schweden, Slaven und Finnen stark entwickelt sind; von den Esthen sagt Hueck dasselbe; bei den Lappen fehlen sie oder sind wenig entwickelt, auch die der Gronländer sind klein. In dem neuesten Verzeichnisse der ehemals Morton'schen Sammlung 4 ) werden als Schädel mit auffallend vortretender Orbitalgegend erwähnt der eines englischen Soldaten mit celtischem Typus, Nr. 21, der eines Norwegers, Nr. 1260, und der eines Finnen, Nr. 1537,
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beide nach Abgüssen von Retzius, ferner der von Davis und Squier im Sciotothale, Ohio, in einem rohen Steingrabe gefundene eines Uramerikaners, Nr. 1512, von runder Form mit hohem Scheitel, der eines Calmücken, Nr. 1533, und der eines Eskimo, Nr. 1558, abgebildet.
Wenn nun aus den mitgetheilten zahlreichen Beispielen hervorgeht, daß am häufigsten an Schädeln roher und zumal nordischer Völker, denen zum Theil ein hohes Alterthum zugeschrieben wird, ein starkes Vortreten der Augenbrauengegend sich findet, dessen Spuren sich bis in die Gegenwart verfolgen lassen, so darf man vermuthen, daß eine solche Bildung der schwache Rest eines uralten Typus ist, der uns in dem Schädel aus dem Neanderthale in der auffallendsten Weise entgegentritt und dem menschlichen Antlitz einen ungemein wilden Ausdruck gegeben haben muß. Man darf diesen Ausdruck einen thierischen nennen, weil der vorspringende obere Augenhöhlenrand auch für die Gesichtsbildung der großen Affen bezeichnend ist, wiewohl er hier nicht durch die Ausdehnung der Sinus frontales bedingt wird. Diese hat R. Owen wie am Gorilla =, so auch an zwei Tasmanen= und einem Australierschädel ganz vermißt, was dem schwächlichen Körperbau dieser Wilden entsprechend ist.
Die Nachrichten, welche uns römische und griechische Schriftsteller von der Körperbeschaffenheit und den Sitten der rohen Völker des alten Europa hinterlassen haben, gewinnen durch die Auffindung solcher Schädel ein unerwartetes Licht. Selbst von den Germanen sagt Caesar, daß die römischen Soldaten das Antlitz derselben und den Blitz der Augen nicht ertragen konnten und plötzlicher Schreck das Heer ergriffen habe. Auch von den Galliern sagt Ammianus Marcellinus: sie sind schrecklich wegen der Wildheit ihrer Augen. Als viel roher werden uns aber die alten Britten und Irländer, die Belgier, die Finnen und Scythen geschildert. Nach Strabo sind die Irländer gierige Cannibalen und halten es für etwas Löbliches, die Leichname ihrer Eltern zu essen; so schildert sie auch Diodor; der h. Hieronymus will es sogar in Gallien gesehen haben, daß die Scoten Menschenfleisch aßen. Tacitus sagt von den Finnen, daß sie in einem Zustand von erstaunlicher Wildheit leben, ihre Nahrung sind wilde Kräuter, ihre Kleider Felle, sie haben nur knöcherne Pfeilspitzen und für ihre Kinder und Greise kein anderes Obdach, als eine Hütte aus geflochtenen Zweigen. Adam von Bremen erzählt, daß noch im 11. Jahrhundert die sogenannten Jotunen, die älteste Beölkerung Skandinaviens, in den Gebirgen und Wäldern wohn=
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ten, in Thierfelle gekleidet, und Töne von sich gebend, die mehr dem Geschrei wilder Thiere als der menschlichen Sprache glichen; ihre Besiegung und Vertilgung wird in den Gedichten der Skalden gefeiert 1 ). Isigonus von Nicäa, den Plinius 2 ) anführt, sagt, daß ein Scythenstamm, der zehn Tagereisen vom Dnieper nordwärts wohne, der Menschenfresserei ergeben sei, aus Menschenschädeln trinke und die Haut mit dem Kopfhaar der Erschlagenen auf der Brust trage. Wie in den deutschen Sagen und Mährchen manche Züge des Lebens unserer Vorfahren aus der heidnischen Zeit erhalten sind, so mag auch die Sage von dem Menschenfresser, die nach Grimm's Untersuchungen, wie sie schon bei Homer in der Geschichte des Polyphem erzählt wird, so in den Sagen finnischer, tatarischer und germanischer Völker viel verbreitet ist, in der wirklichen Erinnerung solcher Gräuel ihren Ursprung haben.
Die Betrachtungen, zu denen uns ein Vergleich des Schädels aus dem Neanderthale mit den ältesten Rassenschädeln geführt hat, finden aber auch noch eine Bestätigung in der nun zu erwähnenden Auffindung von Schädeln, die mit jenen eine viel größere Uebereinstimmung zeigen, als die bisher genannten.
In der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft vom 9. Juli 1857 theilte Geh. Oberbergrath Nöggerath mit, daß in den Verhandlungen der kaiserlich russischen mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg vom Jahre 1842 sich eine Nachricht von Dr. S. Kutorga über zwei Menschenschädel aus dem Gouvernement Minsk finde, und daß der eine der dort abgebildeten Schädel eine große Aehnlichkeit mit dem im Neanderthale gefundenen zeige. Beide Schädel sind bei Bobruysk gefunden, der eine im sandigen Boden einer Vertiefung, die ein altes Flußbett zu sein scheint. An dieser Stelle werden seit längster Zeit sehr viele Menschenknochen gefunden, und der Sage nach stand hier eine Stadt, die durch Ueberschwemmung zerstört wurde. Dieser Schädel bietet nur das Stirnbein und die beiden Scheitelbeine dar, das Stirnbein, ist stark niedergedrückt, die Arcus superciliares ragen sammt den oberen Augenhöhlenrändern wie zwei starke Wülste hervor, die beiden Seiten des Stirnbeins sind unsymmetrisch, auch die Scheitelbeine ungleich und die Pfeilnaht sichtbar flach gedrückt. Kutorga hält es für sehr wahrscheinlich, daß künst=
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licher Druck diese Schädelform hervorgebracht hat; die beigegebene Zeichnung macht indessen nicht den bestimmten Eindruck einer künstlichen Entstellung. Der andere Schädel aus einem alten Grabhügel derselben Gegend zeigt eine gut entwickelte Stirn, Stirn und Scheitelbeine sind aber noch unsymmetrischer als beim ersten Schädel; auf der rechten Seite ist ein sehr entwickeltes Tuber frontale, auf der linken fehlt es ganz, auch das linke Scheitelbein ist kleiner als das rechte.
Bald darauf, im September 1857, wurde ich in dem römisch=germanischen Central=Museum zu Mainz von Herrn L. Lindenschmit auf den Gypsabguß eines ganz ähnlich gebildeten Stirnbeins aufmerksam gemacht, das von einem bei Plau in Meklenburg gefundenen Schädel stammte. Bei Gelegenheit der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Bonn im September 1857 wurden diese eigenthümlichen Schädelbildungen in Abgüssen vorgezeigt, die Verschiedenheit derselben von anderen niederen Rassenschädeln hervorgehoben, und die Ansicht wiederholt, daß diese bisher unbekannte Schädelform wohl einem in Nordeuropa vor der germanischen Einwanderung ansässigen Urvolke angehöre. Nachdem ich mich hierauf an Herrn Archivrath Dr. Lisch in Schwerin gewendet, wo die Schädel in der großherzoglichen Sammlung sich befinden, erhielt ich genaue Auskunft über den Fund von Plau und die Schädelbruchstücke wurden mir nebst ähnlichen bei Schwaan und an anderen Orten Meklenburgs gefundenen bereitwilligst zugesendet, worüber ein kurzer Bericht in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft vom 3. Febr. 1858 gegeben wurde 1 ). Es wurde nämlich bei Plau 2 ) im Kiessande 6 Fuß tief unter der Oberfläche ein menschliches Gerippe in hockender, fast knieender Stellung mit aus Knochen gearbeiteten Geräthschaften, einer Streitaxt aus Hirschhorn, zwei aufgeschnittenen Eberhauern und drei an der Wurzel durchbohrten Schneidezähnen vom Hirsch gefunden. Diesem Grabe wurde ein sehr hohes Alter zugeschrieben, weil jeder Schutz desselben durch Steinbauten, jede Spur eines Leichenbrandes und jedes Geräth aus Stein, Thon oder Metall fehlte. Herr Dr. Lisch, dem die ungewöhnlich stark hervorragende Augenbrauengegend, die breite Nasenwurzel und die fast ganz hintenüberliegende Stirn auffiel, begleitet die Angabe des
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Fundes mit der Bemerkung: "Die Bildung des Schädels weist auf eine sehr ferne Periode zurück, in welcher der Mensch auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwickelung stand. Wahrscheinlich gehört dies Grab dem Autochthonenvolke an". Es gelang mir mit Mühe, den Schädel, der mit dem Gerippe von den Arbeitern zerschlagen worden, aus den mir übersendeten 22 Bruchstücken wieder zusammenzusetzen. So ähnlich die Stirnbildung dieses Schädels dem aus dem Neanderthale ist, so ist der Wulst der Augenbrauenbogen bei dem letzteren doch stärker und mit dem obern Orbitalrand ganz verschmolzen, was an jenem nicht der Fall ist; die Schädel unterscheiden sich aber wesentlich durch die allgemeine Form, die bei diesem langelliptisch, bei jenem abgerundet ist. Am plauer Schädel ist ein Theil des Oberkiefers mit den Zähnen und der ganze Unterkiefer erhalten; das Gebiß ist gerade. Die Knochen sind dick, aber sehr leicht und kleben stark an der Zunge. Die Muskelansätze am Hinterhaupt und über dem Zitzenfortsatz sind sehr stark entwickelt, die Nähte des Schädels noch ganz unverknöchert, der letzte obere Backenzahn rechts ist noch nicht durchgebrochen, die Zähne sind abgeschliffen, an einigen Mahlzähnen fast die ganzen Kronen verschwunden, die unteren Eckzähne sind viel größer als die Schneidezähne und stehen über die Zahnreihe vor; das Foramen incisivum am Oberkiefer ist sehr groß, über 4 Mm. weit. Der aufsteigende Ast des Unterkiefers geht rechtwinklig ab, ist breit und kurz; auch an dem Unterkiefer sind die Rauhigkeiten für die Muskelansätze stark ausgebildet. Auf dem rechten Scheitelbein ist ein länglicher Eindruck wie von einem Schlage. Die Größenverhältnisse ergeben sich aus folgenden Maaßen:
Umfang des Schädels über die Augenbrauenbogen und obere halbkreisförmige Linien des Hinterhaupts gemessen | 445 | Mm. |
Von der Nasenwurzel über den Scheitel bis zur obern halbkreisförmigen Linie | 320 | " |
Von der Nasenwurzel über den Scheitel bis zum Hinterhauptsloch | 380 | " |
Länge des Schädels von der Glabella bis zum Hinterhaupt | 168 | " |
Breite des Stirnbeins | 107 | " |
Schädelhöhe von einer Linie, welche die Schläfenränder der Scheitelbeine verbindet, bis zur Mitte der Pfeilnaht | 80 | " |
Vom Hinterhauptsloch ebendahin | 122 | " |
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Breite des Hinterhaupts von einem Scheitelhöcker zum andern | 138 | Mm. |
Breite der Schädelbasis von einem Zitzenfortsatz zum andern | 155 | " |
Dicke des Stirnbeins und der Scheitelbeine in der Mitte der Knochen | 9 | " |
Der Schädelinhalt mit Hirse gemessen beträgt 36 Unzen 3 1/2 Drachmen preuß. Med. Gew.
Ein anderer Fund in Meklenburg bietet noch einmal diese Schädelform; die Umstände der Auffindung lassen wiederum ein hohes Alter dieser Ueberreste voraussetzen 1 ). Im Jahre 1852 nämlich wurde in einem "der Herrberg" genannten Kegelgrabe von Schwaan unter einem mit einem Erdhügel bedeckten Steinkegel ein menschliches Gerippe mit kupfernem Schwert gefunden; der Schädel derselben zeigte eine regelmäßige kaukasische Form. Unter dem Steindamme, auf dem diese Leiche ausgestreckt lag, fand man acht in gleicher Richtung liegende Schädel, das Gesicht nach Westen gerichtet, unter diesen eine nicht zu zählende Menge über einander liegender Gebeine, die Armröhren anscheinend über den Schenkelknochen, als seien an dieser Stelle acht Leichen im Urboden in hockender Stellung beigesetzt. Diese Knochen waren so mürbe, daß nur wenige gerettet werden konnten. Ein Stirnbein, das mir ebenfalls von Herrn Dr. Lisch zugesendet worden, zeigte in der Erhöhung der Augenbrauen, der kurzen zurückliegenden (Stirn, der breiten Nasenwurzel große Aehnlichkeit mit dem Schädel von Plau; doch waren diese Hervorragungen viel schwächer und der dünne Knochen mit verschmolzener Kronennaht schien von einem jugendlichen oder weiblichen Schädel herzurühren; er klebt an der Zunge wie jener von Plau. Die Annahme, daß die acht im Urboden bestatteten Leichen einer älteren Zeit angehören, als die Hauptleiche, läßt sich durch die schlechtere Erhaltung jener Knochen nicht rechtfertigen, denn diese hängt lediglich von der Art ihrer Lagerung ab; es liegt vielmehr nahe, in jenen acht Leichen die bei der Bestattung des Helden mitgeopferten Sclaven zu erkennen. Daß die Germanen bei ihrer Einwanderung in Deutschland eine Bevölkerung vorfanden, ist nach geschichtlichen und sprachlichen Andeutungen nicht zweifelhaft; die Bestattung in hockender Stellung ist nicht germanisch, sie deutet auf ein höheres Alterthum und mag sich mit den Resten der Urbevölkerung auch in der Zeit
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der Germanen noch erhalten haben. Wie die Todten der Eskimos und Grönländer und vieler amerikanischen Stämme in ihren Gräbern sitzen, so kommen nach Nilsson 1 ) hockende menschliche Gerippe nur in den ältesten Gräbern Skandinaviens vor, z. B. auf der Axevalla=Haide; diese Urgräber sind mit großen Steinen bedeckt; in ihnen kommen nie Metalle, nie eine Spur des Leichenbrandes vor, nur knöcherne und steinerne Geräthe. Die Schädel dieser Leichen sollen durch die Kronennaht in zwei gleiche Theile getheilt sein, von denen der hinterste breiter als der vordere ist; sie sind auffallend klein, kugelförmig fast rund, die Kinnbackenknochen und das Nasenbein stehen sehr weit vor, am meisten unterscheiden sie sich von den Schädeln anderer Stämme durch die niedrige, sehr zurückgeschobene Stirn. Eschricht giebt eine damit übereinstimmende oben mitgetheilte Beschreibung der Schädel aus den Hünengräbern Dänemarks. A. G. Masch verweist auf einen solchen in einem Urgrabe auf der Insel Möen gefundenen und Dagen, dansk folkeblad 15. Sept. 1837, abgebildeten Schädel, so wie auf eine bei Fehrbellin 2 ) gefundene Hirnschale, die alle Zeichen des Schädels von Plau tragen soll, und wahrscheinlich ein Trinkschädel ist. Auch J. Ritter 3 ) giebt Nachricht von einem bei Plau gefundenen Hünengrabe, der Schädel lag einen Fuß höher als das übrige Gerippe, dem Anscheine nach war die Leiche in sitzender Stellung beigesetzt. Die Stirnbildung des Schädels wird als auffallend flach angegeben. Wie in Skandinavien hat man auch in Frankreich und Deutschland in alten Gräbern menschliche Skelete in hockender Stellung gefunden. Tschudi hat bekanntlich solche Mumien aus Peru gebracht und Troyou sah dasselbe in den ältesten Gräbern des Kanton Wallis. Mit dem Schädel von Plau und dem Stirnbein von Schwaan, die eine dem Schädel aus dem Neanderthale entsprechende Bildung zeigen, haben indessen die beiden ebenfalls in der großherzoglichen Sammlung in Schwerin befindlichen Stirnbeine von Pisede 4 ) nur eine entfernte Aehnlichkeit; das eine Stirnbein ist dick mit wulstigen Augenbrauenbogen, niedriger zurückliegender Stirn, die Knochenleiste für den Schläfenmuskel geht hoch hinauf und reicht bis zur Kronennaht, das zweite Stirnbein hat glatte Augenbrauenbogen, aber die Gegend der Glabella ist auffallend vor=
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springend, die Stirn etwas besser gewölbt. Ein alter Schädel derselben Sammlung, der tief im Moore von Sülz gefunden worden und von dem ich durch Herrn Dr. Lisch einen Gypsabguß erhielt, hat eine abweichende und sehr eigenthümliche Bildung, er ist klein und länglich, von der Seite gesehen auffallend rund, er hat eine schmale aber gut gewölbte Stirn, kleine aber wulstige Augenbrauenbogen, die Nähte sind offen, die Gegend der Pfeilnaht kielförmig vorspringend, wie an den sogenannten kahnförmigen Schädeln, das Hinterhaupt stark vorragend mit einer sehr entwickelten scharfen Spina.
Als schließliches Ergebniß aus der vorstehenden Untersuchung möchten die folgenden Sätze zu betrachten sein.
Die Schädelbruchstücke von Schwaan und Plau dürfen mit Wahrscheinlichkeit sowohl der anatomischen Bildung wegen, als nach den Umständen ihrer Auffindung einem rohen Urvolke zugeschrieben werden, welches vor den Germanen das nördliche Europa bewohnt hat, und, wie die ähnlichen Funde von Minsk in Rußland und in dem Neanderthale bei Elberfeld beweisen, eine weite Verbreitung hatte und mit der Urbevölkerung von Britannien, Irland und Skandinavien, wie die Schädelform derselben vermuthen läßt, verwandt war. Während die Knochen von Schwaan in einem germanischen Steingrabe beigesetzt waren, also noch mit der geschichtlichen Zeit in einer Beziehung stehen, wurden die Gebeine von Plau nur im Sande mit den knöchernen Geräthen der unvollkommensten Cultur gefunden, eben so der eine Schädel von Minsk im Sande eines alten Flußbettes. Die menschlichen Gebeine und der Schädel aus dem Neanderthale übertreffen aber alle die anderen an jenen Eigenthümlichkeiten der Bildung, die auf ein rohes und wildes Volk schließen lassen; sie dürfen, sei nun die Kalkhöhle, in der sie ohne jede Spur menschlicher Cultur gefunden worden sind, der Ort ihrer Bestattung gewesen, oder seien sie wie anderwärts die Knochen erloschener Thiergeschlechter in dieselbe hineingeschwemmt worden, für das älteste Denkmal der früheren Bewohner Europa's gehalten werden.
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Fig. 1. | Ansicht des Schädels aus dem Neanderthale von vorn. |
Fig. 2. | Seitenansicht desselben. |
Fig. 3. | Ansicht der Schädeldecke von innen. |
Fig. 4. | Ansicht des plauer Schädels von vorn. |
Fig. 5. | Seitenansicht desselben; dieser Schädel, an dem das linke Scheitelbein fehlt, ist in der Zeichnung einigermaßen ergänzt. |
Fig. 6. | Ansicht dieses Schädels von hinten, wobei derselbe etwas nach vorn geneigt ist, um die ganze Hinterhauptsgegend sehen zu können. |
Die Figuren 1, 2, 4 und 5 sind nach der natürlichen Stellung des Schädels im Leben gezeichnet.
Bemerkung. Da zur richtigen Beurtheilung des Gesichtswinkels der Schädel dieselben nicht, wie gewöhnlich der Fall ist, auf dem Unterkiefer und dem Hinterhaupte ruhen dürfen, sondern in die Stellung gebracht werden müssen, wie sie im Leben von der Wirbelsäule getragen werden, so ist für die Aufstellung der Schädel in Sammlungen die einfache Vorrichtung, die Herr Bildhauer von der Launitz in Frankfurt am Main den von ihm gefertigten Abgüssen seltener Schädel giebt, sehr empfehlenswerth.