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VIII.

Ueber

des Syndicus Dr. Johann Oldendorp

Weggang von Rostock.

Mitgetheilt

von

Wiechmann = Kadow.


M an nimmt allgemein an, daß Dr. Johann Oldendorp gegen das Ende des Jahres 1533 oder im ersten Viertel des Jahres 1534 Rostock verlassen hat, um nach Lübeck zu gehen 1 ), ohne daß er, wie besonders Waitz 2 ) hervorhebt, seine Beziehungen zu der erstgenannten Stadt völlig gelös't hatte und des Amtes als städtischer Syndicus entlassen war.

Daß Oldendorp schon Johannis 1534 im Dienste Lübecks auswärts thätig war, ergiebt der Bericht des stralsundischen Chronikanten Johann Berchmann 3 ), der zu diesem Jahre erzählt:

Anno 1534 des mandages vor Johannis baptistae waß thom Sunde dat aller schwarste grußam regiment twischenn dem rade vnnd borgerenn, nicht gehortt; dar quemenn de borger thoßamende vp dat


1) Vgl. Krabbe, die Universität Rostock im 15. u. 16. Jahrhundert, 1854, S. 405 flgd., und Harder, Joh. Oldendorp, biographischer Versuch, in der Zeitschrift d. Vereins f. Hamburgische Geschichte, neue Folge, Bd. 1, S. 441 flgd.
2) Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenwever, 1855, Vd. 1, S. 194 flgd.
3) J. Berchmann's stralsundische Chronik, herausgegeb. Von Mohnike u. Zober, 1833, S. 46.
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rathuß schir inn vntidt. Dar quam doctor Oldendorp, ein kleinn mennekenn 1 ), men groth jn der schalckheitt, der Lubeschen sindicus vnnd ein rhatman: de brochtenn breue geschreuenn ahn de gemeine; de worden up dem rathuße geleßenn, wo sick de stadt vorbunden hedde ane der gemeine willen.

Dieselbe Sendung erwähnt auch Thomas Kantzow 2 ), welcher bei der Gelegenheit Oldendorp als einen Mann schildert, "de van Natur ein vprurisch, vnstille gemote hedde, vnd deshalffen ersten vam Gripswalde, darnha van Rostock verjaget was."

Aus einem kürzlich im Stadt=Archive zu Rostock aufgefundenen eigenhändigen Schreiben Oldendorp's geht hervor, daß derselbe erst im Jahre 1534 aus Rostock zog. In jenem Briefe, den Oldendorp am 12. April von Lübeck aus an den rostocker Rath richtete, bittet er um die Entlassung aus seinem Dienste als Syndicus und begründet diese Bitte durch die von allen Seiten ihn bedrohenden Verfolgungen, gegen welche ihm ein so wenig sicherer Schutz zu Theil werde. Wäre er schon 1533 aus Rostock gegangen, so konnte er doch unmöglich erst im April des darauf folgenden Jahres seine Amtsentlassung nachsuchen. Dazu stimmt auch die Angabe von Waitz (a. a. O. S. 234), daß der Rath Lübeck's, wahrscheinlich auf Wullenwever's Veranlassung, im Februar 1534 (zweimal, am 10. und am 13.) sich Oldendorp von der Stadt Rostock erbat, damit er auf der Versammlung zu Hamburg, welche den Frieden zwischen den Niederländern und Lübeckern zu Stande bringen sollte, für Lübeck und die verbündeten Städte das Wort führen möge. Der rostocker Syndicus kam jedoch nicht nach Hamburg, da der Herzog Albrecht ihm das Geleite verweigerte.

Erwägt man, wie viel Oldendorp während der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Rostock zu dulden hatte, bedenkt man, daß der Herzog Albrecht von Meklenburg seine - des Aufrührers - gefängliche Einziehung und Bestrafung ernstlich forderte, daß die noch immer mächtige katholische Partei in ihren Schmähbriefen drohte, ihm "das Herz im Leibe zu erstechen" 3 ), und daß endlich sein häusliches Leben kein er=


1) Ein Bildniß Oldendorp's (Holzschnitt von oder nach Tobias Stimmer) findet sich in Reusner's Portraitsammlung: Icones sive imagines virorum literis illustrium, etc. Argentorati, 1590, 8°, S. 240.
2) Th. Kantzow's Chronik von Pommern in Niederdeutscher Mundart. Herausgegeben von W. Böhmer, 1835, S. 210.
3) Vgl. Warhafftige entschuldinge Doct. Johann Oldendorp, Syn= (  ...  )
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freuliches war, so wird man zugeben müssen, daß er wohl Gründe genug hatte, von Rostock fort zu trachten. Waitz geht jedenfalls in seinem Urtheile zu weit, wenn er Oldendorp deswegen der Gewissenlosigkeit anklagt, und hat auch Harder schon die Vertheidigung des verdienstvollen Mannes übernommen.

Oldendorp's Gesuch um seine Entlassung hatte keinen besondern Erfolg, denn er wurde von dem damals in Rostock mächtigen Bürgerausschusse, den Vier und Sechzigern, zurückverlangt, in deren Protocoll vom 7. Juli 1534 sich die Bemerkung findet, daß der Syndicus Oldendorp bereit sei, das frühere Amt in Rostock wieder zu übernehmen, wenn sein Haus gegen die Besuche des Predigers Valentin bei seiner Ehefrau sicher gestellt werde 1 ). Er kehrte jedoch nicht nach Rostock zurück; aber aus der Einlage des erwähnten Briefes, der hier vollständig mitgetheilt werden soll, ersieht man, daß Oldendorp auch während seines Aufenthaltes in Lübeck das Interesse der Stadt Rostock im Auge behielt.

Daß ein Mann des 16. Jahrhunderts bald diesem, bald jenem Herrn diente, kann ihn nicht verdammen, und wir dürfen nicht aufhören, Johann Oldendorp als den thätigen Beförderer der Reformation in Rostock gebührend zu verehren.

Dr. Johann Oldendorp's
Schreiben an den Rath der Stadt Rostock,
d. d. Lübeck, 12. April,
1534.

Mynen fruntlichen gruth vnd deinsth jn Christo thouörn, Erßam vorßichtige herren. Ick achtet van vnnöden nach der lenge tho schryuen, wyle gy ßuluest mede angeßen hebben, wo mith my bünnen vnd buten der Stadt Rostock gehandelt js worden. Szonderlich ouerst in Religionßaken, de jck stedes thom myddelwege na rechter warheyt vnd beuele gehandelt, hebben jtlike vnmylde lude schandbreue auer my gedichtet, als scholde jck de papisterige bössliker wyße hanthaben etc. . De andern weddervmb hebben darvp geschulden, dath ick alleinen ein houetman were aller handelinge wedder papen vnd mönneke, wolde


(  ...  ) dici tho Roszock. Wedder de mortgirigen vprorschen schandtdichter u. s. w. 1533, 8°, Bl. 2a.
1) Vgl. Krabbe a. a. O. S. 406. Waitz möchte Oldendorp dieser Bedingung wegen für einen Feigling halten und vergißt dabei, daß derselbe seines unbedeutenden Körpers wegen nicht im Stande war, sich durch eigene Gewalt im Hause Recht zu verschaffen.
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den börgern ere lehne affdregen etc. . Ick ßwyge nu van Hertoch Albrechte, de my vmb jwer ßake wyllen geschulden vnd nagetrachtet ane alle rede vnd orßake; Summa, jck hebbe nichts ock thor alder besten meyninge in der Stadt namen handelen möghen, eth sy denne vp mynen armen rugge gelecht vnd tho quade gedudeth, alßo dath ick langest wol gude orßake gehat, jwes deinsth möde tho werden vnd anich tho blyuen, als my warlick Godt van hemmel vnd jwe conscientie werdt betughen. Szo hebbe jck doch van mer glymps weghen geduldeth vnd beteringe vorhapeth, mydtler tydt vele puffe, als de scho dath ßmer vpgefreten, vnd dar durch myn lyff vnd leuenth jn bytterheyt vorßweketh. Thom latesten öuersth, als jck vormarkt, dath men nicht alleinen tho reddinge mynes vngefals weynich getrachtet, beßonder ock dath ander lude, de doch dem gemeynen besten vnd jwe kynderen truwlick gedeihneth, mynet haluen geßmeheth vnd jnt elende voriagt ßynth worden mith aller vorfolginge, Szo hefft warlick ßölich jammer, schendenth vnd bedruck my vororßaketh, leuer tho wyken, dan stedes tho hadern. Vnd begere höchlick, gy wyllen jw nicht entieghen ßyn lathen, dath ick mynes Syndicats vnd deinstes jtzunder by jw vorlöff hebbe vnd frig blyue, Denne ßo vele alß vnßen vpgerichteden bescheydt belangt, wyle myner perßonen vnd andern framen luden, de my truwlick gunnen frede vnd wolfarth, beschuttinge vnd ßekerheyt nicht werdt tho geholden, byllich, dath jck ock des nicht wedder holdens ßy entschuldigt, vnd möthen alßo beyder ßyts de schult dem Duuel vnd jtliken bößhafftigen luden heym stellen. Ick vorhape ock, gy werden vp ferner anßöken vnd gnögßame quitantie mynen haluen zolt vnd anders darthostrecken nicht wethen tho weygeren, Szusth jw vnd dem gemeynen besten tho deinen byn nicht vngenegt Vnd begere des ein antwerdt. Dat. Lubeck Sondags Quasi modo geniti Anno xv°. xxxiiij.

Johan oldendorp,
doctor.        

Der vorstehende Brief enthält folgende Einlage:

De sache j. Erß. börgere mith dem Engelschen Legaten 1 ) hebbe ick na mögeliken flyte vortgeßettet, ock alßo,


1) Es wird sich hier wahrscheinlich um die Privilegien der deutschen Kaufleute in England handeln. Vgl. Lappenberg, Actenstücke über die Verhandlungen König Heinrich VIII. von England mit Lübeck (  ...  )
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dat men nicht alleinen schryuen, beßonder ock den Szendebade, ßo ein Erbar Radt to schycken gemeynet, mede beuelen werdt. De herre Orator js dem donde gantz genegt, vnd were nicht vnradtßam, dath vnder geßelschop der Steder ßendebade ein van iwer börger weghen des weghes henvth reyßede, vpßenth mede tho hebbende vnd erjnneringe tho donde, dath de dynge ein mal thom ende quemen mith hulpe vnd wyllen Gades almechtich, de vns allen jn vnßen billichen handelen vnd anlyggen gnediglick helpen möche. Dat. vts in lris 1 ).

Der Brief trägt die Aufschrift:

Den Erßamen, vorßichtigen, wyßen herren Burgermeystern vnd Radtmannen der Stadt Rostock, ßamptlich vnd Szonderlich

jn eghene hanth.

Darunter die Registratur:

doctor oldendorpes breef vā der designatie synes Syndicats A° 1534 dinxtedages na Misericordias do m mit Querstrich .

Das aus schwärzlichem Wachs bestehende kleine ovale Siegel Oldendorp's zeigt einen quer getheilten Schild, welcher unten zwei neben einander stehende Tulpen und oben eine solche enthält. Ueber dem Schilde die Buchstaben:

DIO

Anhang.

Waitz Lübeck unter Jürgen Wullenwever, Bd. 1, S. 195, u. Bd 3, S. 9 u. 51) bemerkt mehrfach, daß es fast scheine, als ob Johann Oldendorp sich zu der Lehre der Wiedertäufer hingeneigt habe, und schließt dies daraus, weil jener auf dem Hansetage zu Hamburg im Jahre 1535 vor allzu strengen Maßregeln gegen die Wiedertäufer und Sacramentirer warnte und Wullenwever auf der Folter ihn als Sectirer bezeichnete. Wullenwever's Aussagen, welche widerrufen wurden, können


(  ...  ) und Hamburg 1535 flgd. in der Zeitschrift des Vereins f. Hamburg. Geschichte, Bd. 3, S. 188 flgd.
1) Abkürzung für: ut supra in litteris.
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nicht als Beweis gelten, und Oldendorp's Rath zur Mäßigung gegen die Wiedertäufer muß bei Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse in den verbündeten Städten (besonders in Wismar) als ein weiser betrachtet werden. Auffallend ist es jedoch, daß der Rostocker Syndicus schon 1530 als Anhänger der Lehre Zwingli's verdächtigt wurde.

Aus einem Briefe vom 4. Novbr. 1530, den der Herzog Heinrich der Friedfertige nach seiner Rückkehr vom Reichstage zu Augsburg an den Rath der Stadt Rostock richtete, erfährt man, daß Oldendorp bei dem genannten Herzoge als Zwinglianer angegeben sein soll. In diesem Briefe heißt es, daß der Rath sich beklagt habe,

wie einer den hochgelarten vnsern lieben getrewen Ern Johan Oldendorf, der rechte Doctorn, das er der verfhuerischen des Zwinglins opinion vom hochwirdigen Sacrament des fleischs vnd bluths Christj anhengigh, angegeben haben solte.

Dann versichert der Herzog:

Souiel aber gedachten ewren Sindicum berurth, konnen wir vns in warhait kainer reden, die Ime zu nachteil gescheen sein, Vnnd derwegen keines arghwans, dene wir zu Ime tragen mochten, besinnen. Dan wir Ine nicht allein der berurthen verfh ue rischen leidigen Swinglischen secten entkegen, besunder als ainen redlichen, frommen, ehrnliebenden Christen der Euangelischen warhait gneigten vnnd bewagenen altzait wir noch funden vnnd erkhanden.

Der Brief wird im Stadt=Archive zu Rostock aufbewahrt.

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