zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 22 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

III.

Ueber

Chotibanz und Chutun

von

G. C. F. Lisch.


Z u den merkwürdigsten Gegenden für die älteste Geschichte Meklenburgs gehört ohne Zweifel der Landstrich zwischen dem südlichen Ende des Tollense=Sees und der östlichsten Biegung des Müritz=Sees, oder vom Lieps=See bis zum Specker See und zum Düster=Wohld (silva tenebrosa), dort, wo die Ortschaften (Nemerow), Prilwitz, Hohen=Zieritz, Peccatel, Kostal (jetzt Adamsdorf), Kratzburg, Pieverstorf, Dambeck, Speck liegen, um die Quellen der Havel. Diese Gegend gehörte in alten Zeiten der mächtigen adeligen Familie von Peccatel, auf dem Schlosse und "Städtchen" Prilwitz gesessen, deren gewaltige Burgwälle noch heute Zeichen ihrer Macht sind; in einer Urkunde vom J. 1408 1 ) werden alle peccatelschen Hauptgüter aufgeführt: Prilwitz, Usadel, Blumenholz, Weisdin, Dolgen, Oldendorf, Hohen=Zieritz, Peccatel, Langhagen, Stribbow, Peutsch, Dambeck, Zahren, Lübchow, Liepen, Wustrow, Zippelow, Ziercke, zu denen gewiß noch viele dienst= und pachtpflichtige Bauerdörfer gehörten. Es ist gewiß nicht von ungefähr, daß diese Räume in den ältesten Urkunden genannt worden, wenn dies auch nur daher kommt, daß es als verwüstetes Land, vielleicht einst heidnisches Tempelland, verlassen war und der christlichen Geistlichkeit übergeben ward. Es ist dieses Land in neuern Zeiten auch viel besprochen. Aber so alt, bestimmt und ausführlich


1) Die Urkunde vom 6. April 1408 ist gedruckt in Lisch Maltzan. Urkunden, II, S. 476. flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 23 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auch die alten Nachrichten sind, so sind sie doch bisher ziemlich dunkel geblieben, weil es häufig an sichern Anhaltspunkten fehlte. Ich will es versuchen, durch Hülfe einiger glücklicher Entdeckungen diese Gegenden etwas mehr zu erhellen, und will wünschen, daß ich dadurch zu Forschungen an Ort und Stelle Veranlassung geben möge.

Die nächste Veranlassung zur Forschung geben die sogenannten Strelitzschen Haidedörfer bei Kratzburg. Am 6. Jan. 1257 verlieh 1 ) der Fürst Nicolaus I. von Werle dem Kloster Dargun diese Dörfer, namentlich Kratzburg (auch Werder genannt), Techentin, Blankenförde und Granzin, und beschrieb die Grenzen derselben genau. Diese Dörfer gingen im J. 1359 durch Verkauf von dem Kloster Dargun an die Johanniter=Comthurei Mirow über. Diese Beschreibung beginnt mit dem südlichen Theile der östlichen Grenzen dieser Dörfer:

die Grenzen beginnen in dem See, der Langhagen heißt, und steigen grade gegen Süden hinauf bei zwei bezeichneten Eichen vorbei zu einem Berge, auf welchem eine bezeichnete Eiche steht, von wo sie in grader Richtung durch ein großes Moor fortgehen bis zu einem See, welcher Techentin genannt wird.
("Incipiunt in stagno, quod Lanckauel dicitur, et ascendunt directe ad austrum perante duas quercus signatas ad montem vnum, in quo stat quercus signata, inde recto cursu procedunt per paludem magnam vsque ad stagnum, quod Thechentin vocatur, a quo stagno circumflectuntur per ascensum Hobole" etc.)

Diese Grenze ist völlig klar. - Der Name Lanckavel ist die beständige, alte, häufig vorkommende Namensform für die Güter, welche jetzt Langhagen genannt werden. - Der See Techentin führt jetzt nicht mehr diesen Namen; ohne Zweifel hatte er seine Benennung von dem Dorfe Techentin, welches dem Kloster Dargun im J. 1257 mit verliehen ward, jetzt aber auch nicht mehr steht und früh untergegangen sein muß, da gar keine bestimmte Nachricht darüber mehr vorhanden ist Nach der Verleihung gehörte das Dorf mit zu den Haidedörfern und lag auch innerhalb der geschlossenen Grenzen derselben. Nach dem Visitations=Protocolle der Kirche zu Blankenförde vom J. 1651 hatte damals diese Kirche:

"ein Stück Ackers im Techentin vorm Holze"


1) Vgl. die Urkunde in Jahrb. II, S. 285 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 24 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und

"noch ein Stück Ackers im Techentinschen Felde."

Das Dorf Techentin lag also bei Blankenförde. Hiernach und nach der oben mitgetheilten Grenzbeschreibung kann der See Techentin kein anderer sein, als die nördliche Bucht des jetzt sogenannten Userinschen Sees. Die Comthurei Mirow behauptete im 16. Jahrh. wiederholt: der Techentin(=See) liege auf des Ordens Grund und Boden.

Dieser See und dessen nördliche Bucht hat sehr verschiedene Namen geführt. In den ältesten Zeiten hieß der ganze See: der See von Vielen. Im J. 1257 und späterhin hieß die nördliche Bucht der Techentiner=See. In jüngern Zeiten führte diese Bucht den Namen Krams=See; so steht auf der großen schmettauschen Charte von Mecklenburg=Schwerin, während auf der Charte von Meklenburg=Strelitz Krumme See steht. Den Namen Krams=See hatte diese Bucht von dem Dorfe Kramptz, welches ebenfalls untergegangen ist. In der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die adlige Familie von Bardenfleth, außer den Gütern Zahren, Gr.Vielen, Dambeck und Pieverstorf, auch noch "etliche Gerechtigkeit an der Feldmark Kramptze, die Gerechtigkeit zu Kratzburg und drei Drömt Mehl aus der Neuen Mühle". In der Mitte des 16. Jahrh. heißt es: "de wuste Feldmarke de Kramtze genometh sampt 1 gemekligen schonen Sze heft den Bardenuleten gehorth. Desse veltmarckede hebben de grantzinschen, de dalmestorper, de kratzeborger und de blankenuörder". Die beiden untergegangenen Dörfer Techentin und Kramptze lagen also wohl an dem westlichen Ufer der nördlichen Bucht des Userinschen Sees. - Der Userinsche See hat in neuern Zeiten seinen Namen von dem Dorfe Userin erhalten.

Von den weitern Grenzen der Haidedörfer kommen hier nur die nördlichen in Betracht. Nachdem die westlichen Grenzen bis zum Pagel=See ("stagnum Paule") beschrieben sind und gesagt ist, daß sie von hier grade gegen Norden gehen, heißt es weiter, daß sie (an der Nordseite der Haidedörfer) gehen:

"vsque ad quoddam stagnum, quod dicitur paruum Sciruene, a quo per ascensum parai montis recto tramite ante multas quercus signatas versus orientem veniunt ad quoddam stagnum, quod Cuthimershe nominatur; inde paruo interuallo procedunt ad quandam quercum, quae tres praecipuos habet ramos et inferius est exusta; inde flectuntur et currunt

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 25 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ad aliam quercum, vbi conterminantur campi illorum de Granzin et de Cutkune et de Dalmerstorpe, a qua procedentes vadunt directo cursu ad quendam valliculum, ubi concurrunt termini illorum de Dalmestorp et illorum de Chutune et de Dannenbeke; inde recto cursu tendunt ante multos valliculos pro terminis factos vsque ad quandam magnam crucem quatuor vicibus signatam; inde vadunt iterum ante tales valliculos et dirigunt gressum suum vsque ad Hobolam fluvium tenduntque per Hobolam ad castrum Zcarnitz, de quo videlicet castro vergunt ad vallem Liperi".

Dies heißt nach einer zugleich erläuternden Uebersetzung also:

(Die nördlichen Grenzen der Haidedörfer beginnen im Westen nicht weit östlich vom Specker=See) bei einem See, welcher der kleine Zilmann genannt wird, von welchem sie einen kleinen Berg hinauf in grader Richtung bei vielen bezeichneten Eichen vorbei gegen Osten gehen bis zu einem See, welcher der Cutuner See genannt wird; von hier gehen sie eine kurze Strecke weiter zu einer Eiche, welche drei große Zweige hat und unten ausgebrannt ist; von hier biegen sie sich und gehen zu einer andern Eiche, wo die Felder derer von Granzin und von Cutun und von Dalmerstorf grenzen, von welcher sie weiter grade aus zu einem kleinen Thale gehen, wo die Grenze derer von Dalmerstorf, von Cutun und von Dambeck zusammenstoßen; von dort gehen sie in grader Richtung bei vielen kleinen Thälern (Gräben), die zu Grenzen aufgeworfen sind, zu einem großen Kreuze, das an den vier Seiten bezeichnet ist; von hier gehen sie wieder bei solchen Gräben vorbei und lenken ihre Richtung bis zum Flusse Havel und gehen durch die Havel zur Burg Zcarnitz, von welcher sie zum Lieper=Thale gehen.

Darauf beginnt die Beschreibung der östlichen Grenzen gegen das Gut Liepen, in denen nur das Thal Margrevenbude in der Nähe des Käbelick=(Cobolc=)Sees einen auffallenden Namen hat.

Diese Gegend bedarf der Aufklärung, um einen sichern Grund für die folgenden Untersuchungen zu gewinnen. Der Anfangspunkt der Nordgrenzen ist sicher: der See Scirvene ist der See, welcher jetzt der Zilman=See heißt und

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 26 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

östlich neben dem Specker See liegt; zur noch deutlichern Bestimmung wird gesagt, daß sich von hier die Grenzen gegen Osten wenden.

Die Hauptfrage bleibt nun die, wo der Ort Cutun gelegen habe. Nachdem der Zug der Grenzen mit Sicherheit erkannt ist, kann Cutun nur nördlich von Granzin gelegen haben. Es ist dann unzweifelhaft, daß der in der Urkunde unter zwei verschiedenen Formen vorkommende Name einen und denselben Ort bezeichne: die Formen Cutkune und Chutune sind Namen Eines Ortes, obgleich sie neben einander stehen und verschieden geschrieben sind. Dann liegen die Grenzen der hier aufgeführten Ortschaften ungefähr also:

Grenzen der Ortschaften

Nachdem diese Grenze ermittett ist, läßt sich denn auch der Cuthimershe genannte See feststellen. Dies ist ohne Zweifel der zu dem Orte Cutun gehörende See; der Name ist in Cuthimer=shê oder Cuthuner=shê, d. i. Cutuner See aufzulösen. Es ist möglich, daß in der Original=Urkunde auch cuthunershe steht, was durch Undeutlichkeit der Schrift wie cuthimershe erscheint. Jedoch ist diese verschiedene Lesart nicht von großer Wichtigkeit; der Cuthimer oder Cuthuner See ist der nicht weit östlich vom Zilman See in gleicher Richtung liegende Lange=See neben dem Gute Dambeck. Durch eine glückliche Entdeckung ist denn auh der Ort Cutun wieder gefunden, in der Feldmark des Dorfes Gottun neben Dambeck 1 ), welches schon im Mittelalter wüst ward. Die Güter Zahren und Dambeck mit Zubehörungen gehörten zu dem großen Besitze der Herren von Peccatel auf Prilwitz. Schon im J. 1408 stand der größere Theil dieser Güter den v. Bardenfleth zu Pfande 2 ), welche auch im Besitze derselben blieben. Im J. 1519 hatte Achim v. Bardenfleth, mit dem um 1548 das Geschlecht ausstarb,


1) In den Directorial=Vermessungs=Charten und Registern der Güter Dambeck und Piverstorf ist keine Spur von dem Namen des untergegangenen Dorfes Gottun zu finden.
2) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 47 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 27 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Güter an Henneke v. Holstein auf Ankershagen oder Wickenwerder verpfändet, bei dessen Familie sie auch zunächst nach dem Aussterben des Geschlechts v. Bardenfleth blieben. Diese Güter waren Zahren, Gr. Vielen halb, Dambeck, Pieverstorf 1 ) und die wüste Feldmark Gottun genannt 2 ). Als nach dem Aussterben des Geschlechts der Bardenfleth dessen ehemaliger Besitz bei dem Lehnhofe zur Untersuchung kam, wird gesagt, daß denselben gehört habe: Zahren, Gr. Vielen, Dambeck, Pieversdorf, die wüste Feldmark Goddun , das Gut zu Rutzenfelde, etliche Gerechtigkeit an der Feldmark Kramptze, die Gerechtigkeit zu Kratzeburg und drei Drömt Mehl aus der Neuen Mühle.

Es ist also außer Zweifel, daß der Ort Chutun oder Cutkun mit dem Cuthunersee die schon im 15. Jahrh. wüst liegende Feldmark Gottun war, welche zu Dambeck gehörte.

Nach dieser Ermittelung lassen sich die nördlichen Grenzen der Haidedörfer der Comthurei Mirow ganz klar bestimmen. Sie beginnen am Zilman=See (stagnum Sciruene), gehen von dort gegen Osten zu dem See, der Gottuner=See (Cuthimershe, jetzt Lange See) genannt wird, von diesem zu dem Punkte, wo die Grenzen von Granzin, Gottun und Dalmerstorf, und von dort zu dem Punkte, wo die Grenzen von Dalmerstorf, Gottun und Dambeck zusammenstoßen; von hier gehen sie zu einem großen Kreuze und nehmen ihre Richtung zum Havelflusse, d. h. dahin, wo die Havel aus dem dambecker See fließt, und durch die Havel bis zur Burg Zcarniz, von wo sie sich zum Lieper Thale wenden.

In dem letzten Theile dieser Beschreibung ist nur das große Kreuz, ungefähr südlich von dem Gute Dambeck, und die Burg Zcarniz merkwürdig. Die Burg Zcarnitz (d. i. wohl die schwarze oder dunkle Burg) lag ohne Zweifel südlich von Pieverstorf, ungefähr dort, wo auf der großen schmettauischen Charte ein großer Burgwall angedeutet zu sein scheint, in ziemlich grader Richtung zwischen Piverstorf und Kratzburg. Es ist die Frage, ob der Name Kratzburg nicht mit der Zcarnitz oder Zcarnburg im Zusammenhange steht. Das Dorf Kratzburg hieß im 13. Jahrh. Werder 3 ) und war sicher nur ein Bauerdorf zu einer Burg Kratzeburg;


1) Das Dorf Pyvesdorf wird auch schon 1273 genannt; vgl. Jahrb. III, S. 220.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Jahrb. II, S. 286.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 28 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

im Anfange des 14. Jahrh. hatte aber das Dorf den Namen Kratzeburg erhalten ("villa Werder, quae nunc Kraceborch nuncupatur" 1 ), nachdem wohl die Burg ihre Bedeutung verloren hatte. Die Namen: Zcarnitz, d. h. auf deutsch: schwarze oder dunkle Burg, Pyvestorf, Kratzeburg, Cutun und andere in dieser Gegend, so wie die Nähe des Gaues Turne, scheinen eine große Bedeutsamkeit in Beziehung auf die viel besprochene Lage von Rethra zu haben.


In naher Beziehung zu diesen merkwürdigen Oertlichkeiten steht die frühe Stiftung des Klosters Broda bei Neu=Brandenburg. Als am Einweihungstage der Kirche zu Havelberg, am 18. August 1179, das Kloster Broda gestiftet ward, schenkten die Fürsten von Pommern demselben einen ungeheuren Länderstrich, von welchem aber das Kloster, als es zu Bestande kam, nur den geringern Theil behielt. Das Kloster erhielt 2 ) zu seiner Stiftung zugesichert: 1) den Landstrich westlich von der Tollense von Calübbe bis Hohen=Zieritz und in diesem unter andern die Ortschaften Penzlin, zwei Dörfer (Gr. und Kl.) Vielen, Wustrow, Zieritz; 2) im Lande Raduir östlich von der Tollense den Landstrich von Podewahl bis zur Lieps und in diesem unter andern die Ortschaften Prilwitz, Nemerow und Stargard, - im Ganzen also die ganze Gegend weit rund um den Tollense=See, - und dazu 3) die Lieps.

"Lipiz cum omnibus uillis suis in stagnum Woblesko et sursum Havelam usque Chotibanz et desertas villas quae a Vilem inter fines Chotibanz, Lipiz et Hauelam iacent".
(Die Lieps mit allen ihren Dörfern bis zum Woblitz=See (stagnum Woblesko) und die Havel hinauf bis Chotibanz und die wüsten Dörfer, welche von Vielen zwischen Chotibanz, der Lieps und der Havel liegen.)

Diese Gegend, welche kurz nach Vollenduug der Kreuzzüge gegen die Wenden wüst lag, scheint jetzt ganz klar nachgewiesen werden zu können.

Die Lieps ist ohne Zweifel der noch jetzt sogenannte See südlich von der Tollense bei Prilwitz.

Der See Woblesko ist der noch jetzt sogenannte Woblitz= See bei Wesenberg.


1) Vgl. Jahrb. II, S. 284.
2) Vgl. Jahrb. III, S. 198 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 29 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Chotibanz ist nach den obigen Ermittelungen ohne Zweifel bei Chutun oder Gottun bei Dambeck zu suchen. Vielleicht bezeichnet die Sylbe - banz: Gau oder Bezirk. So hieß auch bei Doberan ein Bezirk Cubanze, in welchem die Dörfer Diedrichshagen und Brunshaupten lagen.

Vilem oder Vielen muß ein anderes Vielen sein, als die Dörfer Gr. und Kl. Vielen bei Penzlin, welche schon in der ersten Gütergruppe westlich vom Tollense=See aufgeführt waren. Die Dörfer Userin, Quassow und Gor, welche östlich am Userinschen See liegen, gehörten in alten Zeiten dem pommerschen Kloster Stolpe, welches dieselben am 24. Febr. 1346 den Rittern von Dewitz zu Lehn gab 1 ) und dabei die Grenzen genau beschrieb; zu diesen Gütern gehörte auch der Userinsche See ("de gantze See tu Vylym") und die Mühle, und die Grenzen der Güter waren: der See zu Vylum, der die Havel durchfließt und eine Mühle treibt, die Havel niederwärts zu dem Bache, der aus dem Ziercker=See, (see tu Cyroch) kommt, den Bach aufwärts bis zu dem Ziercker=See, von hier in den Bruch bis zur Haide und von dort wieder bis an den genannten See von Vylum. Es ist also ganz klar, daß der jetzt sogenannte Userinsche See damals der See zu Vielen hieß und daß an demselben ohne Zweifel auch ein Dorf Vielen lag oder gelegen hatte. Klöden 2 ) meint, daß die Orte Vielen, Vilm, Viel(i)tz u.s.w., welche fast ganz auf Pommern und Meklenburg beschränkt bleiben, von der Vila oder Wyla, der slavischen Göttin der Unterwelt, den Namen haben.

Die Grenzen dieses dem Kloster Broda verliehenen Güterbezirkes lagen also zwischen den Endpunkten Lieps=See, Woblitz See, durch welchen die Havel strömt, und die Havel hinauf, und dem Bezirk Chotibanz oder Gottun bei Dambeck. Dies sind wesentlich die Gegenden der Dörfer Weisdin, Glambek, Ziercke und Prelank, der Raum der Städte Strelitz 3 ), die genannten spätern Stolpeschen Klosterdörfer Userin, Quaffow und Gor und die spätern Kloster=Dargunschen und darauf Comthurei=Mirowschen Dörfer Kratzeburg, Blankenförde (mit Techentin und Krampz), Granzin und Dalmerstorf.


1) Vgl. Jahrb. III, S. 234 und 150.
2) Vgl. Klöpden über die Götter des Wendenlandes, in den Märkischen Forschungen, Bd. III, S. 240.
3) Es könnte zur Berücksichtigung kommen, daß das Bisthum Havelberg, welches für das Kloster Broda mit der Zeit diesen ganzen Raum verlor, vielleicht zum Ersatz in der Stadt Strelitz ein Dom=Capitel erhalten hatte (vgl. Jahrb. VI, S. 186), dessen Geschichte jedoch noch dunkel ist.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 30 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Das Kloster Broda erhielt also geschenkt diesen Raum, welcher die Lieps genannt ward, mit allen Dörfern zwischen Lieps, Woblitz und Chotibanz, und besonders zugesichert noch die wüsten Dörfer zwischen Vielen und der Havel und Lieps und Chotibanz. Dieser zweite Bezirk ist kein neuer Bezirk, sondern nur die westliche Hälfte des im algemeinen schon zugesicherten Bezirks, in welchem die Dörfer wüst lagen, während es scheint, daß in dem östlichen Theile die Dörfer der Lieps schon oder noch besetzt waren.

Hier ist der Ort oder Bezirk Chotibanz von Wichtigkeit. Da er von den Seen Woblitz und Vielen die Havel aufwärts am Ende lag, so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß er in oder bei Cutun oder Gottun in der Nähe von Dambeck lag, und wir gelangen hier wieder in jene Gegend, welche sich als besonders merkwürdig zeigt.

Es leidet kein Bedenken, daß die Wörter Chut-un und Chot - i - banz dieselbe Sprachwurzel Chut- haben. Der Name ist schon in den Jahrbüchern III, S. 18 - 19, zur Untersuchung gezogen. Der Wortstamm kommt in slavischen Namen öfter vor, z. B. Chotibuz, Chotimir, Chotibor. Der slavische Forscher Hanka erklärt den Namen Chotibanz so, daß Choti: Braut, heiße und -banz von buditi: wecken, herkomme. Chotibanz würde polnisch Chocibacdz heißen und dasselbe Wort mit Chotibuz = Kotbus sein. Ich füge hinzu, daß von der einen Seite die Namen Godebuz (Gadebusch) und Goderac oder Gudracco (Godehardsdorf, jetzt Goorstorf), von der andern Seite Kutsin (Quetzin bei Plau) und Kutsin (später Sonnenkamp und Neukloster) vielleicht dieselbe Sprachwurzel haben und mache darauf aufmerksam, daß alle diese Orte wendische Fürftenburgen oder Tempelorte waren. Vielleicht ist Gotebant (jetzt Gädebehn) dasselbe Wort Chotibanz. Nach Kosegarten (Codex Pom. I, S. 870) ist das polnische gody und das bömische hody = Fest, Feierlichkeit; die oft vorkommende Sylbe -bant aber ist wohl das Wort bud, welches im Altböhmischen und Polnischen = Wohnuug bedeutet. Gotebant oder Chotibanz, Chotibuz, Godebuz wäre also = Festwohnung, eine Bedeutung, welche zu der Berühmtheit der Orte dieses Namens trefflich paßt (Vgl. Kosegarten a.a. O. I, S. 254).

Noch wichtiger wird aber diese Gegend durch den Ort "Kuhstal", welcher in der Nordgrenze des Lieps=Bezirkes, zwischen Prilwitz und Hohen=Zieritz von der einen und Kratzburg und Chutun von der andern Seite lag. Das Dorf

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 31 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Kostal" 1 ) wird in alten Zeiten wenig genannt, da es früh verwüstet ward und noch während des 15. Jahrhunderts wüst lag. Merkwürdiger Weise gehörte dieses Dorf, obgleich mitten unter Lehngütern gelegen, den Landesherren; am 9. Junii 1460 verpfändete der letzte Herzog von Meklenburg=Stargard dem Henneke von Holstein auf Ankershagen die eine Hälfte des wüsten Dorfes "Kostall" 2 ) und darauf verpfändeten die Herzoge Heinrich (vor 1466) und Ulrich (vor 1471) von Stargard den von Peccatel die andere Hälfte, worauf nach dem Aussterben der herzoglichen Linie Meklenburg=Stargard der Herzog Heinrich der Dicke von Meklenburg=Schwerin zwischen 1471 und 1477 dem Claus v. Peccatel auf Gr. Vielen die andere Hälfte der wüsten Feldmark "Kostal" mit 6 freien Hufen für eine neue Anleihe von 100 Mark aufs neue verpfändete 3 ) und sich ausdrücklich den eigenen Gebrauch nach der Wiedereinlösung vorbehielt und allen benachbarten Vasallengeschlechtern die Auskaufung der v. Peccatel versagte. Nun ist Kostal oder Kostel, wie Masch das Dorf nennt, ein allgemein bekanntes slavisches Wort und bedeutet in der häufig in slavischen Ländern vorkommenden Form: Kostel = Kirche, Tempel 4 ). Nach den Mittheilungen zweier Besitzer 5 ) des Gutes Kostel liegt bei demselben ein großer Steinwall von fast einer Viertel Meile Länge, in deffen Nähe ein heidnischer und ein christlicher Kirchhof und viele heidnische Gräber liegen. Das Gut ist in neuern Zeiten wieder aufgebaut und in den neuesten Zeiten Adamsdorf genannt worden, vielleicht weil der Name Kuhstall, plattdeutsch Kohstall, etwas unästhetisch klang.

In der Maschschen Familie hat sich ohne weitere Veranlassung die Tradition fortgepflanzt, daß das Gut Kustal oder Kostel früher Koschwanz geheißen habe 6 ); dieser Ausdruck könnte eine gewöhnliche deutsche Verdrehung des Wortes Cotibanz oder Coscibanz sein. Vielleicht stehen mit diesem Namen auch noch der Kuck us berg und das Kud as bruch


1) In dem Dorfe Gr. Vielen gab es eine Bauernfamilie Costal, z. B. im J. 1480 einen Bauern Costal (nach einer Urkunde im pommerschen Archive zu Stettin).
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
4) Vgl. Jahrb. VI, S. 183, und III, S. 19, Note, und Kl. Buttmann über die deutschen Ortsnamen in der Mittelmark und Niederlausitz 1856, im Register, S. 176 und S. 132.
5) Vgl. Jahrb. III, S. 19, Note.
6) Vgl. Jahrb. III, S. 18.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 32 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

in Verbindung, welche auf der schmettauischen Charte verzeichnet sind.

Ob der Name des nicht weit davon liegenden, nördlich von Kratzburg und an den Burgwall Zcarnitz grenzenden Gutes Pieverstorf, welches schon im J. 1273 unter dem Namen Pywesdorp vorkommt 1 ), und der Name des nördlich an Pieverstorf grenzenden Dorfes Freidorf, ebenfalls schon im J. 1230, sicher im J. 1273 Vridorp, jetzt Bornhof, genannt, auf welchem in alter Zeit der Ursprung der Havel angenommen ward 2 ), mit der geschichtlichen Bedeutung dieser Gegend in Verbindung stehen, ist noch nicht zu ermessen.

Vignette

1) Vgl. Jahrb. III, S. 219 - 220.
2) Vgl. Jahrb. III, S. 149, 207 und 220.