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Die S. Gertrud=Kapelle zu Güstrow.

Vor dem Hageböker=Thore der Stadt Güstrow steht eine kleine Kirche, der H. Gertrud geweihet, um welche der Begräbnißplatz, "Gertruden=Kirchhof", angelegt ist. Die Kapelle steht verlassen und ist leer und wüst, und ist längst aufgegeben und ausgeräumt; vor etwa 40 Jahren stand noch die Kanzel, von der jetzt aber keine Spur mehr übrig ist. Jetzt wird sie mitunter als Leichenhaus und als Aufbewahrungsort der Geräthschaften der Todtengräber benutzt. So unscheinbar und unangesehen diese Kapelle auch ist, so ist sie doch als Bauwerk sehr merkwürdig. Die Kapelle, welche keinen Thurm besitzt, in alten Zeiten aber ohne Zweifel einen Dachreiter gehabt haben wird, bildet ein Oblongum mit dreiseitigem Chorabschlusse. - Man. kann an der Kapelle drei Bauperioden genau unterscheiden.

Die westliche Wand bis zum Giebel ist der älteste Theil und wahrscheinlich sehr alt. Sie ist außen mit 5 langen, rundbogigen Doppelnischen verziert; wenn diese Rundbogen auch nicht sehr alt, sondern nur eine Reminiscenz aus alter Zeit sein mögen, so trägt doch die Wand Spuren einer fernen Zeit. Hiefür spricht auch die innere Verzierung. Im Innern stehen an der Wand dort, wo die Außenwand zwischen den Doppelnischen nicht vertieft ist, schwache Lissenen. Die Wand trägt aber auch im Innern Spuren alter Zeit. Sie ist nämlich mit festem Kalk glatt geputzt und dann nach alter Art mit Ziegeln bemalt. Das Roth dieser Malerei ist das bekannte, alte, gelbliche Roth; das Format der gemalten Ziegel ist aber ganz klein, ungefähr so groß wie das der jetzigen Ziegel, während die alten Malereien das Format der größten Ziegel, oft auch das der

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Werksteine nachahmen; die Bandstreifen sind schwärzlich, während sie bei andern alten Malereien bläulich oder gelblich grau sind. Diese Malerei auf Putzgrund ist ein sehr beachtenswerther Ueberrest alter Zeit. Diese Malerei ist mit einer Kalktünche bedeckt, welche mit grünen Ranken bemalt ist, eine Verzierung, welche vielleicht dem Ende des 15. oder dem Anfange des 16. Jahrhunderts angehört. Auf diese jüngere Malerei sind einige weiße Kalktünchen aufgetragen.

Die beiden graden Seitenwände sind jüngern Ursprunges; man sieht deutlich, daß sie an die Westwand nur angelehnt sind. Diese Wände sind auch merkwürdig. Während die westliche Wand ein massiver Bau ist, haben die beiden Seitenwände im Innern eine Holzconstruction, welche außen mit Ziegeln verblendet ist 1 ). Im Innern bestehen diese Wände aus ausgemauertem Holzverband in der Construction eines Andreaskreuzes. Trotz dieser Construction, die aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen mag, sind die Wände doch noch ziemlich wohl erhalten. Die nördliche Pforte ist sehr gut gegliedert und verziert.

Der dreiseitige Chorschluß scheint der jüngste Theil zu sein. Er hat im Innern unter den Fenstern rundbogige Nischen, welche aber jedenfalls nicht alt sind, sondern vielleicht aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts stammen.

G. C. F. Lisch.     


1) Ein ähnlicher Holzbau steckte in der alten Kirche zu Wittenförden, welche 1853 abgebrochen ist; vgl. Jahrb. XVIII, S. 288.