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Die zweischiffigen Kirchen zu Mestlin und Tarnow.

Wiederholt ist in unsern Jahrbüchern mehrerer merkwürdiger meklenburgischer Kirchen gedacht, welche nur Eine Reihe von Pfeilern, also zwei Schiffe haben. Bisher sind Kirchen dieser Art entdeckt zu Schlagsdorf, Ankershagen, Schwinkendorf, Gnoien und Reknitz (vgl. Jahrb. XII, S. 462, und XIII, S. 412); zu diesen kommen jetzt noch hinzu die Kirchen zu Mestlin und Tarnow. Betrachtet man diese Kirchen genau, so haben sie in den Verhältnissen alle ungefähr dieselbe Construction; alle sind hoch und schlank und von schönen Verhältnissen und scheinen ungefähr aus der besten Zeit des 14. Jahrh. zu stammen. Es scheint aber diese seltene Anlage nicht ursprünglich entworfen gewesen zu sein, sondern es ist wahrscheinlich, daß die Pfeiler erst bei einer spätern Wölbung eingebracht wurden. Ursprünglich mögen diese Kirchen eine Balkendecke gehabt haben. Als man aber im 14. Jahrhundert mehr in die Höhe strebte und mehr Gewölbe bauete, erhöhete man wohl oft die Ringmauern und wölbte den innern Raum. Nun waren diese für Ein Gewölbe zu weit und für drei Gewölbe zu schmal; man wählte also den Ausweg, zwei Gewölbe und Eine Reihe von Pfeilern zu bauen und dadurch zweischiffige Kirchen herzustellen.

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Bei der Kirche zu Tarnow läßt sich dieser Gang des Baues ziemlich klar nachweisen. Für die katholischen Zeiten hatte diese Einrichtung grade nichts Unbequemes, um so weniger, da solche Kirchen durch diese Theilung gleich in die Männer= und Frauenseite getheilt ward.

Die Kirche zu Mestlin.

Die Kirche zu Mestlin 1 ) bei Dobbertin besteht aus Chor, Schiff und Thurm.

Der Chor hat eine quadratische Grundform, mit grader Altarwand, und ist von Feldsteinen (Granitquadern) erbauet; der Sockel und die Ecken sind regelmäßig behauen. Die schmalen Fensteröffnungen haben schräge eingehende, glatte Laibungen; ob sie rund oder im Uebergangsstyle leise gespitzt gewölbt sind, läßt sich nicht mehr genau erkennen, da in den Fensterwölbungen wohl schon oft restaurirt ist. Der Giebel hat Rundbogennischen. Der Chor stammt also sicher aus der Zeit, in welcher unsere meisten Kirchen gebauet sind, ungefähr aus dem J. 1230.

Das Schiff ist ein hohes, schönes Gebäude im Spitzbogenstyle, von sehr großen Ziegeln, und hat dreitheilige Spitzbogenfenster. In der Mitte des Schiffes stehen zwei schlanke Pfeiler, welche schöne Spitzbogengewölbe tragen. Dadurch wird die Kirche in zwei Schiffe getheilt. Die Pfeiler, welche Sockel haben, sind achteckig und so gestellt, daß 4 Ecken unter den Gewölbescheidungen stehen und mit Diensten bekleidet sind; es laufen also nach den 4 Weltgegenden 4 Dienste an den Pfeilern hinauf. Die in jüngern Zeiten in schwarz, grau und weiß bemalten Gewölberippen haben einen eigenthümlichen, sonst noch nicht beobachteten Schmuck, indem sie mit zahlreichen Scheiben oder Rippenschilden besetzt sind. Diese Scheiben, von 10 " Durchmesser und ungefähr l " Dicke, sind von gebranntem, hellgelben Thon und mit verschiedenen Reliefs, wie Sternen, Kreuzen, Rosetten u. s. w., verziert, welche immer mit verschiedenen Farben bemalt sind. Die Südpforte ist von 6 Wulsten eingefaßt und von abwechselnd schwarzen, grünen und rothen Ziegeln aufgeführt. Das Schiff wird ungefähr aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammen oder um diese Zeit auf die jetzige Weise eingerichtet sein.

Die Pforte im Thurme ist ebenfalls aus hellgrün glasurten und rothen Ziegeln aufgebauet.


1) Die Entdeckung dieser interessanten Kirche gehört dem Herrn Klosterhauptmann, Freiherrn J. von Maltzan zu Dobbertin, welcher mir nicht allein diese Entdeckung gleich mittheilte, sondern mich auch zur Untersuchung der Kirche freundlichst beförderte.
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Die Kirche zu Tarnow.

Die Kirche zu Tarnow bei Bützow ist ein hohes, schönes Gebäude. Die ganze, von kräftigen, großen Ziegeln erbauete Kirche, außer dem Thurme, bildet ein großes Rechteck, ohne äußerliche Abgrenzung eines Chores, mit grader Altarwand. In der Mitte der Kirche stehen 3 Pfeiler, welche die 8 Gewölbe der Kirche, also an jeder Seite 4 Gewölbe, tragen; die ganze Kirche wird hiedurch in zwei Schiffe getheilt. Die Pfeiler sind achteckig (ohne Dienste) und niedrig und die Gewölberippen setzen sich ohne Vermittelung auf die Pfeiler. Die schönen Gewölbe sind spitzbogig. Die Pforten sind kräftig und schön gegliedert; namentlich ist die westliche Pforte der Südwand sehr schön und reich an Gliederungen. Die dreitheiligen Fenster der Seitenwände sind im Spitzbogen construirt. Die Kirche, wie sie jetzt ist, stammt wohl aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. - Früher hatte die Kirche wahrscheinlich eine andere Einrichtung, als sie noch nicht gewölbt war, also noch keine Pfeiler in der Mitte hatte. Dies sieht man deutlich an der Ostwand. In den ältesten Zeiten hatte die Kirche Ein großes Fenster in der Mitte der Wand. Als man aber die Pfeiler und die Gewölbe in die Kirche bauete, mußte man einen Strebepfeiler in der Flucht der Pfeiler, also an die Mitte der Ostwand, setzen, um die Gewölbe zu stützen. Man mauerte also das Fenster in der Mitte der Altarwand zu, welches überdies zum Theil durch die Pfeiler verdeckt worden wäre, und setzte einen Strebepfeiler dahin. Eben so setzte man an jede Ecke der Altarwand einen Strebepfeiler; man sieht an dem Ziegelverbande, daß alle diese Strebepfeiler in jüngern Zeiten angebauet sind. Statt des einen Fensters brach man nun zwei Fenster in die Ostwand, so daß am Ende eines jeden Schiffes ein Fenster steht; diese Fenster sind zweitheilig und stehen nicht regelmäßig unter den Gewölben. Aus allen diesen Umständen erkennt man deutlich, daß die Wölbung zu zwei Schiffen jüngern Ursprunges ist, als die Anlage der Kirche.

Das Thurmgebäude ist ein ziemlich hoher Bau, ungefähr 100 Fuß hoch, und in verschiedenen Zeiten gebauet. Das untere Drittheil ist aus Feldsteinen erbauet und stammt wohl noch aus der Zeit des ersten Baues. Die oberen zwei Drittheile sind aus Ziegeln aufgeführt. In jeder Seite steht eine schmale, spitzbogige Nische, welche von oben bis unten reicht und in welcher drei Schallöffnungen über einander stehen.

Das Innere der Kirche ist jetzt ganz ausgeweißt. Aus mehrern Stellen, wo die Kalktünche abgefallen ist, sieht man deutlich, daß die Gewölbekappen auf goldgelbem Grunde

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bemalt sind; dies läßt auf eine schöne Malerei schließen, welche, nach den Farbetönen, vielleicht der in der Bibliothek zu S. Katharinen in Lübek ähnlich gewesen ist. Da die Kalktünche sehr lose ist, so ist es wahrscheinlich, daß sie vor nicht sehr langer Zeit aufgebracht ist. Die vier mittleren Gewölbe haben noch Gewölbeschilde: die beiden östlichen: vom Altare aus gesehen rechts mit dem Wappen der v. Bülow (von dem Gute Prützen eingepfarrt), links mit dem Wappen der v. Blücher; die beiden westlichen: rechts mit einem Agnus Dei, links mit einem Adler. Die Schilde sind nur gemalt und ohne Reliefs und hiernach und nach den matten, verblichenen Farben wohl nicht alt.

Der Altar ist ein Flügelaltar aus der jüngsten katholischen Zeit und von schlechter Arbeit. Das Mittelstück enthält in der Mitte Christum am Kreuze mit Maria und Johannes Ev. und in abgesonderten Nischen in großen Figuren: zur Rechten Johannes d. T., zur Linken wahrscheinlich die H. Katharine, da die weibliche Heilige noch ein Bruchstück von einem Attribute in den Händen hält, welches einem Rade ähnlich sieht. Die Flügel sind queer getheilt. In jeder der 4 Abtheilungen stehen 4 Figuren. Zunächst dem Mittelstücke stehen 4 weibliche Heilige: zur Rechten, neben Johannes d. T., oben eine Heilige, welche auf jedem Arme ein Kind trägt, die H. Anna (?), unten die H. Gertrud mit einem Hospitalmodelle im Arme, zur Linken, neben der H. Katharine, oben eine gekrönte Jungfrau, der die Attribute fehlen, wahrscheinlich die H. Margarethe (?), unten die H. Barbara mit einem Thurme. Die Heiligen Katharine, Margarethe und Barbara gehören zu den Nothhelfern. Die übrigen Figuren, in jeder Reihe 3, sind die 12 Apostel, denen aber schon zum größern Theile die Attribute fehlen. Die Rückseiten der Flügel sind mit Malereien bedeckt, welche zwar wohl erhalten, aber schlecht gemalt sind.

Am Westende steht ein schöner Taufstein, der jetzt wieder in Gebrauch kommen wird. Der runde, einfache Fuß ist aus Granit. Die Schale ist aus Kalkstein und mit sehr guten, kleeblattförmigen, architektonischen Verzierungen bedeckt; sie stammt wohl aus dem 14. Jahrhundert.

G. C. F. Lisch.