zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 171 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

XII.

Miscellen und Nachträge.


1.
Ueber die Inschrift von Althof.


D ie in den Jahrbüchern wiederholt behandelte, wichtige Ziegelschrift auf die Fürstin Woizlava in der Kapelle zu Althof hat ununterbrochen die Aufmerksamkeit vieler Forscher auf sich gezogen. Schon bei der ersten Bekanntmachung der nicht zahlreichen Ziegel=Bruchstücke in den Jahrb. II, S. 28 flgd. gelang es mir, den Inhalt der Inschrift aus den Ziegelbruchstücken festzustellen. Seitdem war die Inschrift ununterbrochen der Gegenstand der Verhandlung zwischen mir und vielen entfernt wohnenden Freunden. Im J. 1849 glückte es dem Herrn Professor Dr. Wiggert in Magdeburg zuerst, in den Ziegelbruchstücken die Reste von leoninischen Hexametern zu erblicken (vgl. Jahrb. XV, S. 166 flgd.). Jetzt konnten die Steine mit mehr Sicherheit geordnet, mit andern Inschriften in leoninischen Hexametern verglichen und leichter ergänzt werden. Ich konnte schon damals mit Sicherheit annehmen, daß die Steine, mit Einschluß der zweifellosen Ergänzungen, also zu ordnen seien:

Anno milleno d Ergänzung
Quo magn[us — — e] virgine [n]ascitur Ergänzung
Claustri fun[da]trix Woizlav terre [do]minatrix
Fulta fide m[ulta est hic in pac]e sepulta.

Jetzt wurden die freundschaftlichen Correspondenzen noch lebhafter. Von vielen Conjecturen für den zweiten Hexameter behielt die des Herrn Professors Dr. Deecke zu Lübeck die Oberhand. Der erste Hexameter mußte die Jahreszahl enthalten. Nun ward die Inschrift in der Kapelle zu Althof theils in den Original=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 172 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ziegelbruchstücken wieder eingemauert, theils in den Ergänzungen, auf ausdrücklichen Befehl Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs, nur durch Malerei gegeben in folgender Weise (vgl. Jahrb. XIX, S. 145):

Inschrift

Der Inhalt war mit Sicherheit gewonnen, auch die Form hergestellt. Jedoch ließ sich nicht leugnen, daß, wenn auch dem mittelalterlichen, leoninischen Hexameter manche Freiheiten gestattet sind, die Quantität in der zweiten Hälfte des ersten Hexameters

Inschrift

nicht richtig war. Ferner waren zwei Ziegelbruchstücke mit den Sylben e c I e und D A der Inschrift nicht eingefügt, da sie nicht untergebracht werden konnten. Schon dem Professor Dr. Schröter zu Rostock war bei der Entdeckung der Inschrift im J. 1822 das D nach den Buchstaben ILL e N OD sehr anstößig, und der Stein mit e c I e konnte von Niemand befriedigend gedeutet werden.

Nachden nun die Inschrif durch alle diese unablässigen Bemühungen der völligen Wiederherstellung ziemlich nahe gebracht und der Weg bedeutend geebnet war, machten zwei Gelehrte zu gleicher Zeit und vollig unabhängig von einander die Herstellung der Inschrift zum Gegenstande ihrer besonderen Bemühungen und sandten dem Verein Erklärungen, welche ziemlich mit einander übereinstimmen und das Rechte getroffen haben scheinen. Der Herr Archiv=Secretair Dr. Grotefend zu Hannover und der Herr Professor Dr. Julius Wiggers zu Rostock sandten dem Vereine folgende Wiederherstellungen.

Der Herr Dr. Grotefend gab folgenede Erklärung, welche auch in den dem Correspondenz=Blatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine, Jahrg. III, 1855; Juli, Nr. 10, S. 91, gedruckt ist:

Inschrift
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 173 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Der Herr Dr. J. Wiggers giebt am 5. Septbr. 1855 folgende Lesung:

Inschrift

Der Herr Dr. Grotefend hat die beiden Bruchstücke e c I e und D A untergebracht und das Versmaaß hergestellt. Er liest den ersten Hexameter also:

Inschrift

d. h. im Jahre eintausend (1000) zehnmal sechszehn (160) und zwölf (12), d. i.=1172. Es läßt sich nicht in Abrede nehmen, daß im Mittelalter dergleichen Umschreibungen der Jahreszahlen sehr häufig vorkommen und daß in dieser Conjectur die Quantität gerettet ist.

Der Herr Dr. Wiggers liest:

Inschrift

Anno milleno decies (C =) ce bis (I =) i que septeno

Es läßt sich auch hier nicht leugnen, daß in den leoninischen Hexametern des Mittelalters häufig die Ziffern einzeln eingereihet werden, welche dann als Buchstaben so zu lesen sind, wie wir die Buchstaben lesen 1 ), also C wie ce und I wie i. Wiggers hat grade so, wie Grotefend, die Sylben e c I e in decies, was jetzt gewiß richtig ist, untergebracht, aber in der Quantität, z. B. septeno und ce, gefehlt, wenn er auch seine Anordnung zu entschuldigen strebt. Ueberdies scheint mir auch die Wahl der Ziffern nicht glücklich, vielleicht nicht einmal richtig zu sein. Wiggers nimmt nämlich an, daß decies und septeno zusammengehören sollen, also: Anno milleno (1000) C (100) decies septeno (70) bis I (2). Jedoch scheint mir dieser "Nothbehelf" etwas zu künstlich zu sein. Jedenfalls scheint aber auch Wiggers die Sylben e c I e richtig untergebracht zu haben.

Ich möchte daher für den ersten Hexameter der Conjectur des Herrn Dr. Grotefend den Vorzug geben.

Den zweiten Hexameter möchte ich mit Grotefend so lassen, wie Dr. Deecke ihn gebildet hat. Der "Löwe" (leo) vom


1) Vgl. Jahrb. XIX, S. 389.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 174 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Stamme Juda steht dem "Lamme" (agnus) nach meiner Ansicht besser gegenüber, als der König (rex) nach Wiggers Conjectur. - Auch scheint mir die von Wiggers versuchte Einfügung von D A tur (sc. mundo oder hominibus) im zweiten Hexameter nicht ganz glücklich zu sein, da das Wort nascitur hinreichend ist. Auch hier scheint es mir besser, das Wort datur, welches auch Grotefend annimmt, in den letzten Hexameter statt est zu setzen, obgleich der Hiatus in der Cäsur leoninischer Hexameter wohl erlaubt sein dürfte. Das von Wiggers conjecturirte Wort fuit im letzten Hxameter gefällt mir nicht so gut. Ich bemerke hiebei, daß man versucht sein könnte, die Sylbe D A in das Wort fundatrix einzuschieben, in welchem die Sylbe fehlt; aber die Form des Steins, welcher die Sylbe D A enthält, paßt durchaus nicht in die Formen der Steine, welche die Sylben FV N und t RIX enthalten.

Ich würde daher mit Grotefend übereinstimmen und lesen:

Inschrift

G. C. F. Lisch.