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IX.

Ueber die

Gräfin Adelheid von Ratzeburg

Von

G. C. F. Lisch.


D ie Gräfin Adelheid von Ratzeburg, die letzte Person, welche den Namen von dieser Grafschaft trug, hat allerdings so viel Interesse für die Geschichte unsers Landes, daß eine genauere Erforschung der über sie redenden Urkundcn von Wichtigkeit hat erscheinen müssen. Deshalb ist diese Frau auch in neuern Zeiten wiederholt der Gegenstand der Forschung in andern Ländern Deutschlands gewesen und die Literatur über sie ist jetzt ziemlich erschöpfend. Da sie in zweiter Ehe an den Grafen Adolf I. von Dassel vermählt war, so genügt eine Verweisung auf die neuern Schriften, welche die Grafschaft Dassel zum Gegenstande der Untersuchung genommen haben. Vorzüglich sind es drei Aufsätze, welche auch für die meklenburgische Geschichte Bedeutung haben:

1) Geschichte des Herzogthums Lauenburg von v. Kobbe, Bd. I, 1836, S. 233 flgd. und S. 242 flgd.

2) Geschichte der Grafschaft Dassel vom wail. Justizrath Koken in Hildesheim, im vaterländischen Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1840, S. 139 - 252.

3) Diplomatische Geschichte des Grafenhauses Ravensberg von Haarland, in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte

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und Alterthumskunde Westphalens, Bd. I, Münster, 1838, S. 145 flgd.

4) Kritische Beiträge zur Geschichte und Genealogie der Grafen von Dassel, von E. F. Mooyer in Minden, in derselben Zeitschrift, VIII, Münster, 1845, S. 87 - 124.

Ich bin dazu so glücklich gewesen, einige besiegelte Original=Urkunden der Gräfin Adelheid ans Licht zu bringen. Schafft auch das entdeckte Siegel der Gräfin nicht mehr Klarheit, so ist doch die Entdeckung und die Gewißheit über die Beschaffenheit desselben wichtig genug, um die Funde öffentlich mitzutheilen.

Ueber die Gräfin Adelheid selbst kann ich nichts Besseres thun, als im Folgenden die Worte meines gelehrten Freundes Mooyer mitzutheilen und auf v. Kobbe's Geschichte von Lauenburg zu verweisen. Mooyer sagt a. a. O. S. 96 flgd. und S. 104:

"Adelheid war eine Tochter Günther's, Grafen von Kefernberg, und eine Schwester Ludolf's, Grafen von Hallermund († 15. Nov. 1255). Zuerst war sie mit Bernhard II., Grafen von Ratzeburg, einem Sohne Bernhard's I. († 1195) und einem Enkel Heinrich's von Badewide († 1178?), vermählt. Dieser Bernhard II. war anfänglich geistlich, nahm aber die Regierung über Ratzeburg an, nachdem seine beiden älteren Brüder Volrad und Heinrich kurz vor oder im Jahre 1191 das Zeitliche gesegnet hatten und nachdem sein Vater Bernhard I. ebenfalls des Todes verblichen war und der Papst ihm die Dispensation ertheilt hatte. Aus seiner Ehe mit der Adelheid entsproß Bernhard III., der aber schon bald nach 1195 starb. Bernhard II. selbst erlag 1200 dem Tode (Dahlmann, Geschichte von Dänemark, I, S. 336). Darauf vermählte sich Adelheid mit Adolf I., Grafen von Dassel, und als dessen Gemahlin wird ihrer im Jahre 1209 gedacht (Wolf, Versuch einer Geschichte der Grafen von Hallermund 22; Meyer und Erhard Zeitschrift des westphäl. Vereins I, 181). In Folge dieser Vermählung, da Adelheid die Erbin von Ratzeburg war, nannten sich die Grafen Adolf I. und Ludolf II. von Dassel von 1201 bis 1203 auch Grafen von Ratzeburg (Lappenberg, Hamburgisches Urkundenbuch I. S. 288 (vom J. 1201) und 354; Urkundenbuch der Stadt Lübeck I, S. 15; vgl. v. Kobbe, Gesch. des Herzogthums Lauenburg I. S. 333); nach dieser Zeit aber nannte sich Albert, Graf von Orlamünde, welcher 1200 zum Ritter geschlagen und gleich nachher vom Könige von Dänemark zum Statthalter von Holstein ernannt war, auch Graf von Ratzeburg (Allgem.

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Weltgeschichte XXXII, 514), wie derselbe denn auch, zufolge der Urkunden, sich in verschiedenen Zeiten dieses Titels bediente (vgl. Jahrb. des Vereins für meklenb. Gesch. XIV, S. 193). Anzunehmen, daß Adolf's I. Grafen von Dassel Söhne schon 1201 den Titel von Grafen von Ratzeburg geführt hätten, ist unzulässig, weil sie so zeitig aus Urkunden nicht nachzuweisen sind, auch dann nicht aus der Ehe mit der Adelheid, verwittweten Gräfin von Ratzeburg, hervorgegangen sein könnten, weil die Vermählung der letztern erst damals vor sich ging. Ich nehme nun an, daß Adolf I. zweimal verheirathet gewesen sei und daß vier Kinder ihn überlebten. Diese letzteren lernen wir aus einer Urkunde 1 ) vom J. 1224 kennen, die gleich nach dem Ableben Adolf's I., der, wie wir angegeben haben, noch in demselben Jahre am Leben war, ausgestellt sein muß. Diese vier Kinder hießen Ludolf IV., Adolf, Berthold und Adelheid (Dr. Kunze, Geschichte des Augustinerklosters Hamersleben S. 10; Meyer und Erhard, Zeitschrift I, S. 192). Daß die drei Knaben nicht aus der Ehe Adolf's I. mit der Adelheid, verwittweten Gräfin von Ratzeburg, entsprossen sind, scheint in den Worten der eben angezogenen Urkunde von 1224 zu liegen; denn es bekennt darin Adelheid, Gräfin von Ratzeburg, wie sie sich selbst nennt (Aleidis dei gratia comitissa de Ratisburch, nicht von Ravensberg, wie Kunze fehlerhaft schreibt, da sie nicht einen Grafen von Ravensberg heirathete, sondern erst ihre gleichnamige Tochter, wovon sogleich mehr gesagt werden soll), daß sie zehn Hufen Landes, acht Höfe und eine Wiese zu Hamersleben dem dortigen Pankrazstifte gegen eine Geldsumme verkauft habe, und zwar mit Einwilligung ihrer Erben Ludolf, Adolf und Berthold und ihrer Tochter Adelheid. Ihre Erben konnten aber nur Kinder aus der Ehe Adolf's I. von Dassel sein, da der Sohn Bernhard's II., Grafen von Ratzeburg, vor dem Vater starb und dadurch Adelheid gerade die Erbin wurde, weil andere Kinder aus ihrer ersten Ehe nicht vorhanden waren. Daß aber die drei namentlich aufgeführten Söhne nicht Kinder der Adelheid waren, sondern aus einer frühern Ehe des Grafen Adolf I. herrühren mußten, ist meines Erachtens durch die Worte Erben (heredes) ausgedrückt, vornämlich wegen des Zusatzes bei der Tochter (filia nostra), denn wenn es die eigenen Söhne der Adelheid gewesen wären, dann würde sie unbezweifelt statt Erben sich des Wortes Söhne (filiorum nostrorum) bedient haben, wie sie dies von ihrer Tochter Adelheid sagt. Dies als


1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. III.
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richtig vorausgesetzt, wird dadurch der Stammbaum des Dasselschen Geschlechts um drei Glieder vermehrt, die bisher als solche in denselben nicht aufgenommen worden sind. Daß nun Adolfs I. Frau Adelheid eine Schwester Ludolf's II. Grafen von Hallermund war, geht ganz deutlich aus einer Urkunde vom J. 1237 hervor (Kunze 11), nur kann im Originale, falls dasselbe noch vorhanden ist, nicht Comitissa de Ravesburch gestanden haben, es muß vielmehr de Racesburch heißen".

"Adelheid, das vierte Kind Adolf's I., wurde die zweite Gemahlin Ludwig's I., Grafen von Ravensberg (1217 † 15. Jan. 1249), erscheint als solche zuerst im J. 1244 und starb 1262, jedenfalls vor dem 30. October 1263."

Die Gemahlin des Grafen Adolf I., Adelheid, nannte sich während ihres ganzen Lebens, auch noch nach dem Tode ihres zweiten Gemahls, Gräfin von Ratzeburg, um, wie v. Kobbe a. a. O. S. 248 sagt, "Ansprüche zu bezeichnen, welche im staatsrechtlichen Verhältnisse einen verlorenen, aber nicht aufgegebenen Besitz andeuten", z. B. in einer besiegelten Urkunde 1 ), welche zwischen 1224 - 1240, vielleicht um das J. 1230, ausgestellt sein muß, und noch zuletzt in ihrem Testamente 2 ), durch welches sie ihrer Tochter ihre Erbgüter abtritt.

 

Vignette

1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. IV, und Nr. V.
2) Vgl. Urk.=Samml. Nr. VI.